4/2021 Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen der Deutschen Rentenversicherung - RVaktuell

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4/2021 Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen der Deutschen Rentenversicherung - RVaktuell
Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen
der Deutschen Rentenversicherung

     4/2021
4/2021 Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen der Deutschen Rentenversicherung - RVaktuell
4/2021

Inhaltsverzeichnis
Susanne Eisenbart
Die Rechtsprechung des BSG - Entscheidungen aus dem V
                                                    ­ ersicherungs- und Beitragsrecht ..................................... 4

Ramona Köppe, Enise Sel, Anke Wontorra und Sven Heppner
Der Prüfdienst in Zeiten der C
                             ­ orona-Pandemie ...........................................................................................................10

Aus Politik und Gesellschaft ........................................................................................................................................ 20

Katharina Werhan
Tagung der Nutzerinnen und Nutzer des Forschungsdatenzentrums
der Rentenversicherung vom 27. bis 29. 9. 2021 ............................................................................................................ 29

Grafik des Monats ........................................................................................................................................................ 32

Aktuelle Zahlen ............................................................................................................................................................ 33

Aus der Fachliteratur .................................................................................................................................................... 35

Blick in die Zeitschriften ................................................................................................................................................ 36

Wir bieten an ................................................................................................................................................................. 40

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Impressum
Das Internetangebot www.RVaktuell.de wird herausgegeben durch die Deutsche
Rentenversicherung Bund, vertreten durch Gundula Roßbach, Präsidentin.

Erscheinungsdatum der RVaktuell 4/2021 ist der 7.1.2022

Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist eine rechtsfähige Körperschaft des
­öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und besitzt Dienstherrnfähigkeit
 (§ 29 SGB IV in Verbindung mit § 143 Absatz 1 SGB VI).

Redaktionsleitung
Dr. Dirk von der Heide

Redaktion
Heike Nielsen (verantwortliche Redakteurin) RVaktuell@drv-bund.de

Anschrift
Deutsche Rentenversicherung Bund
Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation
Redaktion RVaktuell
10704 Berlin

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Die Rechtsprechung des BSG -
Entscheidungen aus dem
­Versicherungs- und Beitragsrecht
Die Reihe wird fortgesetzt mit ausgewählten Entscheidungen aus dem
Versicherungs- und Beitragsrecht. Der 5. Senat des BSG hat lediglich Urteile             Susanne Eisenbart
zur Übergangsvorschrift des § 231 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)                ist Mitarbeiterin im Referat
gesprochen, bei den Entscheidungen des 12. Senats lag der Schwerpunkt                    Sozialgerichts- und sonstige
auf der Rechtsmacht von GmbH-Geschäftsführern bei unterschiedlichen                      Verfahrenssachen, berufs-
gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen.                                                 kundliche Fragen/Abt. Grund-
                                                                                         satz der Deutschen Rentenver-
                                                                                         sicherung Bund.

1. Rückwirkende Befreiung für Syndikusrechtsanwälte nach §
231 Abs. 4b SGB VI

Im Zuge der gesetzlichen Neuregelungen für Syndikusrechtsanwälte ab dem 1.1.2016
wurden auch die Übergangsvorschriften in § 231 Abs. 4b SGB VI eingeführt. Nach
Satz 1 dieser Norm wirkt die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikus-
rechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf Antrag von Beginn derjenigen
Beschäftigung an, für die die Befreiung erteilt wurde. Die Befreiung wirkt nach Satz 2
bereits vom Beginn davorliegender Beschäftigungen an, wenn eine Pflichtmitglied-
schaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Nach Satz 3 wirken
die Befreiungen frühestens ab dem 01.04.2014. Für davorliegende Zeiten wirkt die
Befreiung dann, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein
berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden, Satz 4. Voraussetzung für eine
rückwirkende Befreiung ist weiterhin, dass die Befreiung von der Versicherungs-
pflicht nicht vor dem 1.4.2014 bestandskräftig abgelehnt wurde (Satz 5) und dass der
Antrag auf Befreiung bis zum 1.4.2016 gestellt worden ist (Satz 6).

Die Übergangregelungen in § 231 Abs. 4b SGB VI haben in der Verwaltungspraxis ei-
nige Auslegungsfragen aufgeworfen, die der 5. Senat des BSG in zwei Urteilen ein-
deutig geklärt hat.

•   Rückwirkung nach § 231 Abs. 4b Satz 1 und 2 SGB VI
Im Verfahren B 5 RE 2/19 R war der Kläger zunächst als Rechtsanwalt zugelassen
und von der Versicherungspflicht befreit. Am 1.7.2014 hatte er eine neue Tätigkeit bei
einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber aufgenommen. Nach den Urteilen des 5. Se-
nats vom 3.4.2014 (u.a. B 5 RE 9/14 R) hatte er auf seine Zulassung zur Rechtsan-
waltschaft verzichtet. Infolge des Widerrufs der Zulassung war er ab dem 24.9.2014
nur noch freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk. Für eine seit dem 16.2.2016 aus-
geübte Tätigkeit wurde der Kläger ab dem 21.3.2016 (Antragseingang) als Syndikus-
rechtsanwalt von der Versicherungspflicht befreit, die Befreiung ab Beschäftigungs-
beginn wurde abgelehnt. Für die vorangegangene Beschäftigung wurde er nur für
den Zeitraum vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 befreit, für die Zeit ab dem 24.9.2014 wurde
die Befreiung jedoch abgelehnt. Der beklagte Rentenversicherungsträger (RV-Trä-
ger) hatte seine Entscheidung damit begründet, dass der Kläger seit dem 24.9.2014

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nur noch freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte gewesen ist.
Der 5. Senat des BSG hat am 26.2.2020 entschieden, dass nach dem ab 1.1.2016 gel-
tenden Recht eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht als Syn-
dikusrechtsanwalt bereits ab Beginn der Beschäftigung auch dann erfolgen kann,
wenn nur eine freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungs-
werk besteht. Eine weitergehende Rückwirkung der Befreiung für eine davor ausge-
übte Beschäftigung erfordere hingegen die Pflichtmitgliedschaft.

Der 5. Senat führt aus, § 213 Abs. 4b Satz 1 SGB VI setze seinem Wortlaut nach nur
die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und den fristgerechten Antrag auf einen früheren Beginn vor-
aus. Darüber hinaus fordere das Gesetz keine Pflichtmitgliedschaft in einem Versor-
gungswerk. Ein solches Erfordernis lasse sich auch nicht aus den Gesetzesmateria-
lien und vor allem nicht aus den systematischen Zusammenhängen ableiten. Bereits
der Kaskadenaufbau der einzelnen Sätze des § 231 Abs. 4b SGB VI mit den erweiter-
ten Tatbestandsvoraussetzungen entsprechend der erweiterten Rückwirkung einer
Befreiung spräche dagegen. Die Norm setzte zwar tatbestandlich eine Befreiung von
der Versicherungspflicht voraus, sei aber allein auf die Rückwirkung einer Befreiung
begrenzt und von der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI zu trennen. Schließ-
lich sprächen auch der Sinn und Zweck der Übergangsregelung, den Status quo vor
der Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte weitestgehend aufrecht
zu erhalten, dafür, die Rückwirkung einer Befreiung nicht von einer Pflichtmitglied-
schaft in einem Versorgungswerk abhängig zu machen, soweit ein Bezug zu einem
Versorgungswerk bestehe.

Auch hinsichtlich der Rückwirkung einer Befreiung bereits ab Beginn davor liegen-
der Beschäftigungen nach § 231 Abs. 4 b Satz 2 SGB VI sei der Wortlaut maßgeblich.
Danach sei eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk
während dieser Beschäftigungen Voraussetzung. Einer darüber hinausgehenden
Auslegung dahingehend, dass eine freiwillige Mitgliedschaft genüge, stünden die
Gesetzesmaterialien entgegen. Diese sähen zwar eine Ausnahme vor und zwar dann,
wenn eine formal freiwillig fortgeführte Mitgliedschaft die an sich in einem regional
neu zuständigen Versorgungswerk bestehende Pflichtmitgliedschaft ersetzt. Die-
se Ausnahmeregelung sei jedoch ausdrücklich auf Fälle der nur „formal“ bestehen-
den freiwilligen Mitgliedschaft infolge Ortswechsel begrenzt und im Fall des Klägers
nicht einschlägig. Auch die Regelung des § 231 Abs. 4c SGB VI sei nicht einschlägig.
Nach dieser Übergangsregelung wird zwar für Anwälte, die ihre Zulassung vor dem
3.4.2014 zurückgegeben haben, die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk
fingiert. Diese Fiktion gelte aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers
nur im Rahmen der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. § 231 Abs. 4b Satz
2 SGB VI und § 231 Abs. 4c SGB VI hätten unterschiedliche Regelungsbereiche und
könnten nicht miteinander verquickt werden. Schließlich sprechen nach Auffassung
des 5. Senats auch systematische Erwägungen für eine eng am Wortlaut orientierte
Auslegung. Die Rückwirkung einer Befreiung vom Beginn davorliegender Beschäfti-
gungen an trete per legem ein, ohne dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von
der Versicherungspflicht für diese Beschäftigung überhaupt geprüft würden. Damit
weiche die Regelung des § 231 Abs. 4b Satz 2 SGB VI von der Systematik des Befrei-
ungsrechts ab und sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Etwas anderes folge
auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG in den Beschlüssen vom 19.7.2016 (1
BvR 2584/14) und vom 22.7.2016 (1 BvR 2534/14).

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•   Rückwirkung nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI
Die Klägerin im Verfahren B 5 RE 3/19 R war für eine Tätigkeit als Syndikusrechts-
anwältin rückwirkend ab dem 1.1.2015 sowie für eine davorliegende Tätigkeit vom
1.4.2014 bis 30.9.2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenver-
sicherung (RV) befreit worden. Für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.3.2014 war die Be-
freiung abgelehnt worden, weil keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an
eine berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt worden seien. Für die Kläge-
rin waren im Zeitraum vom 1.1.2014 bis 30.9.2014 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen RV
abgeführt worden, gleichzeitig war sie als zugelassene Rechtsanwältin Pflichtmit-
glied im Versorgungswerk. Dieses hat am 05.08.2014 rückwirkend monatlich 224,90
EUR als „niedrigst-möglichen einkommensbezogenen Beitrag für selbständige Mit-
glieder“ festgesetzt.

Mit Urteil vom 23.9.2020 hat der 5. Senat des BSG die an das Versorgungswerk ge-
zahlten Grundbeiträge in Höhe von monatlich 224.90 EUR als einkommensbezogene
Pflichtbeiträge i.S.von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI anerkannt und der Klägerin einen
Anspruch auf rückwirkende Befreiung ab dem 1.1.2014 zugesprochen.

Anders als die Begriffe „einkommensgerecht“ oder „einkommensabhängig“ impli-
ziere bereits der Gesetzeswortlaut „einkommensbezogen“, dass lediglich ein gewis-
ser Bezug zwischen den gezahlten Beiträgen und dem erzielten Einkommen gegeben
sein müsse.

Nach Überzeugung des 5. Senats ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen,
dass die Zahlung von Grund- oder Mindestbeiträgen anzuerkennen sei. § 231 Abs. 4b
SGB VI sei als Übergangsregelung für Syndikusrechtsanwälte im Kontext zu § 6 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu sehen, der wiederum für eine Befreiung von der Versiche-
rungspflicht u.a. voraussetze, dass nach der jeweiligen Satzung einkommensbezo-
gene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufs-
ständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind. Nahezu alle Versorgungswerke
sähen pauschale Beiträge in Form von Regelpflichtbeiträgen und Mindestbeiträgen
vor. Individuell berechnete Beiträge aufgrund der tatsächlichen Einkünfte würden
allenfalls auf besonderen Antrag hin berechnet. Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1
SGB VI werde diese pauschalisierte Beitragserhebung von der Rechtsprechung als
einkommensbezogen anerkannt. Im Übrigen seien auch im Beitragsrecht der gesetz-
lichen RV pauschalisierte Beiträge, wie der Regelbeitrag, der halbe Regelbeitrag und
der Mindestbeitrag üblich und als einkommensbezogen anerkannt.

Schließlich sprächen auch Sinn und Zweck des § 231 Abs. 4 SGB VI für eine Anerken-
nung der Mindest-/Grundbeiträge zu einem Versorgungswerk als einkommensbezo-
gen. Nach den Senatsurteilen vom 3.4.2014 habe der Gesetzgeber des ab 2016 gel-
tenden neuen Befreiungsrechts den Status Quo möglichst aufrechterhalten wollen,
Syndikusrechtsanwälte sollten zur Vermeidung von Brüchen in deren Versicherungs-
biographie in den Versorgungswerken verbleiben können. Dieser Intention könne
man am effektivsten gerecht werden, wenn die in den Satzungen der Versorgungs-
werke vorgesehenen Mindest-/ Grundbeiträge als einkommensbezogenen Pflicht-
beiträge i.S.von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI anerkannt würden. Der Senat sehe sich
darin auch bestätigt durch die Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom Juli 2016 (1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14).

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Der 5. Senat geht in seiner Auslegung sogar noch weiter. Für die Rückwirkung einer
Befreiung sei es nicht erforderlich, dass einkommensbezogene Pflichtbeiträge ge-
rade für diejenige Beschäftigung gezahlt worden seien, für die die rückwirkende Be-
freiung beantragt werde. Anders als in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei in § 231 Abs.
4b Satz 4 SGB VI gerade nicht formuliert „Beschäftigung (…) wegen der“. Es reiche
aus, wenn „für diese Zeiten“ einkommensbezogene Pflichtbeiträge gezahlt worden
seien, also ein zeitlicher Bezug bestehe. Dann sei auch die Zahlung von Beiträgen
nur für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit an ein Versorgungswerk für den Eintritt
der Rückwirkung ausreichend, sofern für die abhängige Beschäftigung als Syndikus-
rechtsanwalt keine Befreiung in der gesetzlichen RV erfolgt sei.

2. Fortwirkung einer Befreiung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI

Nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bleiben Personen,
die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben
Beschäftigung befreit.

Im Verfahren B 5 RE 6/19 R war der Kläger aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt im
Oktober 1989 in die freie Wirtschaft gewechselt. Vom RV-Träger war ihm auf seine
Anfrage hin schriftlich mitgeteilt worden, seine Befreiung von der Versicherungs-
pflicht durch den Bescheid vom 1.3.1989 bestehe weiterhin, solange er noch Pflicht-
mitglied oder freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk sei. Im Jahr 2005 war der
Kläger kurzzeitig zu einem anderen Arbeitgeber gewechselt und ab November 2005
erneut bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber angestellt. Im Juli 2014 bat der Kläger
den RV-Träger ohne Erfolg um schriftliche Bestätigung seiner Befreiung von der Ver-
sicherungspflicht.

Mit Urteil vom 23.9.2020 hat der 5. Senat des BSG entschieden, dass sich eine Frei-
stellung von der Versicherungspflicht weder aus dem ursprünglichen Befreiungsbe-
scheid ergebe noch aufgrund Vertrauensschutzes infolge der schriftlichen Auskunft
des RV-Trägers aus dem Jahr 1989.

Der Senat habe mehrfach klargestellt, dass auch die nach § 7 Abs. 2 Angestelltenver-
sicherungsgesetz (AVG) erteilten Bescheide nur die im zugrundeliegenden Antrag
bezeichnete Beschäftigung beträfen und deshalb tätigkeitsbezogen gewesen seien.
Deshalb habe sich die mit Bescheid vom 1.3.1989 ausgesprochene Befreiung mit Auf-
gabe der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Jahr 1989 erledigt.

Auch eine aufgrund Vertrauensschutzes möglicherweise zugunsten des Klägers zu
berücksichtigende Befreiung könne nur im begrenztem Umfang des § 231 Abs. 1 Satz
1 SGB VI fortwirken. Nach dieser bewusst vom Gesetzgeber so erlassenen Regelung
bleibe eine vor dem 1.1.1992 ausgesprochen Befreiung nur für die am Stichtag des
31.12.1991 konkret ausgeübte Beschäftigung weiterhin gültig (vgl. auch Urteil des
12. Senats des BSG vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R). Für den Kläger habe sie sich mit
Aufgabe der Beschäftigung im Februar 2005 erledigt.

Die Befreiung sei auch nicht wieder aufgelebt, als der Kläger im November 2005
erneut eine Beschäftigung bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber aufgenom-
men habe. Desssen ungeachtet, dass es sich im konkreten Fall des Klägers nach
den prägenden Merkmalen nicht um dieselbe Beschäftigung wie am Stichtag des
31.12.1991 gehandelt habe, könne eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht

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wieder aufleben, wenn sie einmal weggefallen sei. Die Funktion des § 231 Abs. 1
Satz 1 SGB VI sei die Überleitung in das neue, ab dem 1.1.1992 geltende SGB VI. Diese
Übergangswirkung habe mit Beendigung der Beschäftigung geendet und habe nicht
durch einen vollständig unter der Geltung des neuen Rechts verwirklichten Sachver-
halt wieder neu entstehen können.

Etwas anderes lasse sich wegen des völlig anderen Regelungsziels auch nicht aus
dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ableiten.

3. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von
Geschäftsführern - Rechtsmacht und Treuhandvertrag

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG richtet sich der sozialversicherungs-
rechtliche Status des Geschäftsführers einer GmbH danach, inwieweit er aufgrund
des Gesellschaftsvertrags die Rechtsmacht besitzt, ihm nicht genehme Weisun-
gen zu verhindern oder Beschlüsse zu beeinflussen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom
19.9.2019 – B 12 R 25/18 R).

Der 12. Senat hat diese Rechtsprechung am 12.5.2020 in drei Urteilen ohne mündli-
che Verhandlung bestätigt (B 12 R 5/18 R, B 12 R 11/19 R und B 12 KR 30/19 R).

Die klagenden Geschäftsführerinnen du Geschäftsführer in diesen Verfahren hiel-
ten 70 v.H., 90 v.H. und 100 v.H. der Anteile am Stammkapital der jeweiligen GmbH
und verfügten somit über einen beherrschenden, die Annahme einer abhängigen
Beschäftigung ausschließenden Einfluss auf die Gesellschaft. Dieser beherrschen-
de Einfluss sei ihnen auch nicht durch die abgeschlossenen Trauhandverträge ge-
nommen worden. Der Senat habe bereits entschieden, dass außerhalb des Gesell-
schaftsvertrags getroffene Abreden wie Veto-Rechte oder Stimmbindungsabreden
die Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung
verschieben könnten. Das gelte auch für Treuhandverträge, weil diese lediglich
schuldrechtliche Wirkungen zwischen den Vertragsparteien entfalten würden. Ein
treuwidriges Abstimmungsverhalten führe nicht zu einer Unwirksamkeit gefasster
Beschlüsse, sondern lediglich zu einer Schadensersatzpflicht des Treuhänders ge-
genüber dem Treugeber.

Das gilt nach Auffassung des 12. Senats auch dann, wenn der Treuhänder verpflichtet
ist, die Geschäftsanteile bei Beendigung des Treuhandverhältnisses auf den Treuge-
ber zu übertragen. Für die Statusbestimmung seien ausschließlich die tatsächlichen
Verhältnisse im zu beurteilenden Zeitraum maßgeblich, nicht jedoch eine erst nach
weiteren Rechtshandlungen denkbare Rechtsmacht.

4. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von
Geschäftsführern – Rechtsmacht und Stimmrechtspool

Der 12. Senat hat seine Rechtsprechung am 7.7.2020 in einem weiteren Urteil
(B 12 R 17/18 R) auch für einen notariell vereinbarten Stimmrechtspool bestätigt.

In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger mit seinem Vater einen notariell beurkun-
deten Stimmrechtspool nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 Erbschaftssteuer- und Schenkungs-
steuergesetz (ErbStG) als Innengesellschaft des Bürgerlichen Rechts vereinbart.

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Danach waren beide verpflichtet, das sich aus ihren Anteilen an der GmbH ergebende
Stimmrecht gegenüber den nicht gebundenen Gesellschaftern nur einheitlich aus-
zuüben.

Der Senat führt aus, der Kläger habe als Minderheitsgesellschafter ohne umfassen-
de Sperrminorität nicht die erforderliche Rechtsmacht, um sozialversicherungs-
rechtlich als Selbständiger qualifiziert zu werden. Auch die notarielle Poolvereinba-
rung könne daran nichts ändern, diese sei lediglich schuldrechtlich vereinbart und
nicht im Gesellschaftsvertrag verankert. Da die Vereinbarung nicht ins Handelsre-
gister eingetragen worden sei, erfülle sie nicht die formalen Anforderungen für eine
Satzungsänderung und genüge somit auch nicht dem Erfordernis der Vorherseh-
barkeit beitragsrechtlicher Tatbestände. Der Vater des Klägers sei lediglich schuld-
rechtlich gebunden gewesen, habe sein satzungsmäßiges Stimmrecht im Konfliktfall
jedoch jederzeit rechtswirksam ausüben können.

5. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von
Geschäftsführern bei zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen
Verflechtungen

Der Vollständigkeit halber sei schließlich verwiesen auf fünf Urteile des 12. Senat des
BSG vom 8.7.2020 zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern
einer GmbH, die wiederum gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit weiteren Ge-
sellschaften hatte, beispielsweise als Komplementärin einer GmbH & Co KG.

Eine umfangreiche Schilderung des jeweiligen Sachverhalts wäre zum Verständnis
der Urteile unerlässlich, würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deshalb
wird von einer Darstellung der Entscheidungen B 12 R 2/19 R, B 12 R 26/18 R, B 12 R
4/19 R, B 12 R 6/19 R und B 12 R 1/19 R abgesehen.

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Der Prüfdienst in Zeiten der
­Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hat auf die durch die Rentenversicherungsträger
(RV-Träger) durchzuführenden Betriebsprüfungen nach § 28p Viertes                        Ramona Köppe, Enise Sel, Anke
Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), Einzugsstellenprüfungen nach § 28q SGB                   Wontorra und Sven Heppner
IV und Prüfung der unmittelbaren Beitragszahler nach § 212a Sechstes                     arbeiten im Bereich Prüfdienst
Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unmittelbaren Einfluss. Die sich daraus                   der Deutschen Rentenversiche-
ergebenden unterschiedlichen Auswirkungen auf die Prüfungen in der Praxis                rung Bund.
und die weiteren Arbeitsbedingungen werden im Folgenden dargestellt.

1. Allgemeines

1.1 Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die RV-Träger, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflich-
ten sowie ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem
Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Gegenstand
der Prüfung ist insbesondere die vom Arbeitgeber vorgenommene Beurteilung der
Beschäftigungsverhältnisse bezogen auf die Versicherungspflicht oder Versiche-
rungsfreiheit und die abgegebenen Meldungen. Zudem werden die vom Arbeitgeber
für die Beitragsberechnung vorgenommenen Beurteilungen des Arbeitsentgelts und
die vorgenommenen Berechnungen und zeitlichen Zuordnungen der Beiträge ge-
prüft. Weiterer Gegenstand der Prüfung ist, ob der Arbeitgeber seine nach § 28f Abs.
1 SGB IV bestehende Verpflichtung zur Führung von Entgeltunterlagen erfüllt. Nach
§ 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV umfasst die Prüfung auch die Entgeltunterlagen für versi-
cherungsfreie Beschäftigte 1.

Die RV-Träger prüfen nach § 28p Abs. 1a SGB IV im Rahmen der Arbeitgeberprüfun-
gen auch die Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungs-
gesetz (KSVG) sowie die Entrichtung der Künstlersozialabgabe 2 . Ebenfalls wird die
Überwachung der Beitrags- und Meldepflichten der Arbeitgeber nach dem Siebten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 28p Abs. 1c SGB IV i.V.m. § 166 Abs. 2 SGB VII
anlässlich der Arbeitgeberprüfungen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch
die RV-Träger wahrgenommen 3 .

Dabei ist spätestens alle vier Jahre eine Prüfung durchzuführen, die darauf abzielt,
die Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden. Neben den turnus-
mäßigen Prüfungen finden auch sog. ad hoc-Prüfungen statt. Grund dafür ist die Er-
öffnung eines Insolvenzverfahrens, die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens
mangels Masse, eine Betriebsschließung oder das Fehlen von Beitragsnachweisen
für mehr als zwölf Monate. Nach § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV unterrichtet die Einzugs-    1: Scheer, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
stelle den RV-Träger, wenn sie eine alsbaldige Prüfung für erforderlich hält.              SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 28p, Rdnr. 51.
                                                                                        2: Winkler, LPK-SGB IV, § 28p, Rdnr. 20 ff.
Weitere Sachverhalte, die eine alsbaldige Prüfung erforderlich machen können, sind      3: KassKomm/Wehrhahn, 114. EL Mai
                                                                                           2021, SGB IV § 28p, Rdnr. 16.
Hinweise der Behörden der Zollverwaltung, der Kriminalpolizei oder der Staatsan-
waltschaft (Zusammenarbeitsbehörden), sofern es sich nicht nur um geringfügige

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Meldeverstöße (§ 28a SGB IV) handelt. U.a. unterstützen dabei die RV-Träger gem. §
2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) die Behör-
den der Zollverwaltung (Hauptzollämter) bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2
Abs. 1 SchwarzArbG.

Die Durchführung der Prüfung erfolgt bei allen Stellen, die Personen gegen Arbeits-
entgelt beschäftigen (Arbeitgeber). Der Arbeitgeber ist Schuldner des Gesamtso-
zialversicherungsbeitrages gegenüber der für den Arbeitnehmer zuständigen Ein-
zugsstelle. Die Prüfung wird am Betriebssitz des Arbeitgebers durchgeführt.

Hat ein Arbeitgeber eine andere Stelle (z.B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Re-
chenzentrum) zur Abrechnung der Löhne bevollmächtigt (§ 28p Abs. 6 SGB IV), wird
die Betriebsprüfung bei dieser Abrechnungsstelle durchgeführt. Aus verwaltungs-
ökonomischen Gründen sind bei Kleinbetrieben auch Prüfungen in den Räumen des
Versicherungsträgers als sog. Vorlageprüfung möglich.

Der Absatz 6a des § 28p SGB IV wurde als Rechtsgrundlage für die elektronisch un-
terstützte Betriebsprüfung (euBP) m. W. vom 1.1.2012 eingeführt. Danach kann der
Arbeitgeber bzw. seine Abrechnungsstelle dem RV-Träger die prüfrelevanten Daten
elektronisch im Wege der Datenübermittlung anliefern. Der Verweis in Absatz 6a
auf § 146 Abs. 6 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung ermöglicht den RV-Träger, die Daten
maschinell auswerten zu lassen (z.B. auf Plausibilität und Richtigkeit der Beitrags-
entrichtung und -abrechnung). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können für die
Prüfung genutzt werden. Das Verfahren ist freiwillig. Die euBP wurde in den letzten
Jahren verstärkt von den Arbeitgebern genutzt (2019 von rd. 40%, 2020 von 53% und
Stand September 2021 von 59% der Arbeitgeber).

1.2 Einzugsstellenprüfung nach § 28q Abs. 1 SGB IV
Die RV-Träger und die Bundesagentur für Arbeit (BA) sind nach § 28q Abs. 1 SGB IV
verpflichtet, die Einzugsstellen mindestens alle vier Jahre hinsichtlich der Aufgaben
zu prüfen, für die diese eine Vergütung nach § 28l Abs. 1 SGB IV erhalten. Prüfre-
levant sind insbesondere die Geltendmachung der Beitragsansprüche, der Einzug,
die Verwaltung, die Weiterleitung und die Abrechnung der Beiträge sowie die Durch-
führung des Meldeverfahrens. Zusätzlich prüfen die RV-Träger und die BA seit dem
1.1.2011 nach § 28q Abs. 1a SGB IV für das Bundesamt für Soziale Sicherung als Ver-
walter des Gesundheitsfonds (GF) bei den Einzugsstellen entsprechend § 28q Abs.
1 SGB IV auch die Krankenversicherungsbeiträge als Teil des Gesamtsozialversiche-
rungsbeitrags 4 . Die Einzugsstellen haben im Jahr 2020 Gesamtsozialversicherungs-
beiträge in einer Größenordnung von ca. 417 Mrd. EURo eingezogen, davon ca. 224
Mrd. EUR an Rentenversicherungsbeiträgen 5 .

Die Prüfungen erfolgten bisher vor Ort gemeinsam mit dem örtlich zuständigen Re-
gionalträger der Rentenversicherung und der BA. Die jeweilige Prüfdauer ist von der
Größe der zu prüfenden Einheiten abhängig. Sie beträgt im Durchschnitt 3-4 Wochen.

1.3 Prüfung unmittelbarer Beitragszahler nach § 212a SGB VI                             4: Winkler, a.a.O., § 28q, Rdnr. 4.
Nach § 212a SGB VI prüfen die RV-Träger die ordnungsgemäße Beitragszahlung der          5: Scheer, a.a.O., § 28q, Rdnr. 24 m.w.N.
Pflichtbeiträge, soweit sie diese unmittelbar erhalten. Die zu prüfenden Stellen sind   6: Segebrecht, in Schlegel/Voelzke, ju-
die Krankenkassen, Arbeitsagenturen, Versorgungsämter, Träger der Kriegsopfer-             risPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 212a,
                                                                                           Rdnr. 26 ff.
versorgung, sozialen und privaten Pflegekassen und die Festsetzungsstellen der
Beihilfen. 6 Die Prüfungen wurden vor Ort durchgeführt.

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2. Erfüllung der Aufgaben in der Pandemie

2.1 Allgemeines
Mit Beginn der Pandemie und der Einstufung von vielen Regionen als Risikogebiet
erfolgten Mitte März 2020 erst einmal befristet bis Ende Mai 2020 für die Beschäftig-
ten der Deutschen Rentenversicherung Bund Einschränkungen. Dienstreisen 7 wur-
den grundsätzlich untersagt und der Krisenstab der Deutschen Rentenversicherung
Bund entwickelte ein Maßnahmenkonzept zum Umgang mit der Pandemie. Auf dieser
Basis hat der Prüfdienst die Regelungen für seine Bedürfnisse angepasst und einen
speziellen Wiederanlaufplan entwickelt.

Die personenbezogenen Hygienemaßnahmen wurden bei nicht einhaltbaren Schutz-
abständen durch das Tragen von Masken, das Verhalten bei Verdacht auf Infektionen,
die Möglichkeiten zur Händedesinfektion oder das Verbot von Fahrgemeinschaften
gewährleistet. Bei der Terminvereinbarung mussten die Prüfer bereits bestimmte
Sachverhalte zur Situation an der Prüfstelle abfragen, z.B. kann der Mindestabstand
von 1,50 m eingehalten werden? Ist der Mindestabstand auch bei der Anwesenheit
von zwei Prüfern (z. B. mit Begleitung Einzuweisender) gewährleistet oder steht zur
Prüfung ggf. ein eigener, ausreichend großer Raum mit Lüftungsmöglichkeiten zur
Verfügung? Nach eigenem Ermessen war dann zu entscheiden, ob die Prüfung vor
Ort durchgeführt wird.

Auch für die Prüfbüros wurden Vorgaben erstellt. Die Personenzahl in den Räumen
wurde auf eine Person je 10 Quadratmeter begrenzt. Viele kleinere Büroräume konn-
ten nur noch durch eine Person genutzt werden.

Zeitgleich wurden Unterstützungsmaßnahmen seitens der BA wegen starker Über-
lastung bei den Kurzarbeitergeldanträgen durch den Prüfdienst erbeten. In der Zeit
von April bis Juli 2020 leisteten 160 Mitarbeiter des Prüfdienstes der Deutschen Ren-
tenversicherung Bund jeweils drei Monate Unterstützung bei der Bearbeitung von
Kurzarbeitsgeldanträgen.

Auch nachdem Dienstreisen wieder möglich waren, hatte eine Regel immer oberste
Priorität: Personenkontakte sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu beschrän-
ken. Nur absolut erforderliche Dienstfahrten und Außendiensttätigkeiten durften
vorgenommen werden. Durch die Nutzung digitaler Medien waren z. B. Besprechun-
gen vor Ort nicht zwingend notwendig und entfielen.

Im Frühjahr 2021 ist die Frage der Testangebote und die Durchführung von Selbst-
tests aufgekommen, denn viele Prüfstellen forderten immer häufiger die Vorlage ei-
nes Negativtests.

Die Testangebotspflicht des Arbeitgebers nach der aktuellen Corona-Arbeitsschutz-
verordnung 8 gilt zweimal in der Kalenderwoche. Das freiwillige Testangebot betrifft
alle Beschäftigten, die in der Woche Außentermine (z.B. Arbeitgeber, Abrechnungs-
stellen, sonstige Prüfstellen, Prüfbüro) geplant haben.

Nachdem die Infektionszahlen gegen Ende des Jahres 2020 rasant gestiegen wa-            7: Prüftätigkeiten außerhalb eines Dienst-
ren und Dienstreiseverbote erneut galten, wurde immer deutlicher, dass unsere              sitzes sind Dienstreisen.
                                                                                        8: Stand September 2021.
Gesellschaft noch einige Monate von der Pandemie betroffen sein wird. Die Ver-
jährung von Beitragsansprüchen für nicht durchgeführte Betriebsprüfungen war zu

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erwarten. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und mit § 128 SGB IV die außeror-
dentliche Hemmung der Verjährung von Prüfungen, die 2020 und 2021 aufgrund der
Pandemie nicht durchgeführt werden konnten/können, eingeführt. So wurden vie-
le Betriebe, deren Prüfung 2020 nicht begonnen werden konnten, mit ins Jahr 2021
übertragen. Das gleiche Verfahren gilt auch im Jahr 20219.

2.2 Folgen für die Prüfungen
Eine entscheidende Maßnahme war die Intensivierung der Arbeit am Wohnsitz, der
gleichzeitig Dienstsitz des Prüfers ist. Das wurde getragen von dem Bemühen, die
Aufgaben so gut wie möglich weiter wahrzunehmen. Der Dienstbetrieb hat keinen
Vorrang vor der Gesundheit der Mitarbeiter und der Mitmenschen.

Nun lag es am Prüfer selbst, alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nut-
zen, seine beruflichen Aufgaben weiter zu erfüllen. Gespräche mit den Führungs-
kräften, welche Aufgaben jetzt geeignet sind, was ggf. zurückgestellt werden kann
und welche arbeitsorganisatorischen Lösungen im Einzelfall gefunden werden kön-
nen, waren unerlässlich. Die Flexibilität bei Präsenzverzicht und Arbeitszeitgestal-
tung wurde zur neuen Herausforderung.

•   Prüfungen nach § 28p SGB IV
Hatte der Prüfer bisher direkten Kontakt mit anderen Prüfern, sei es bei Besprechun-
gen vor Ort, gemeinsamen Prüfungen, bei der Einweisung von neuen Kollegen, war er
jetzt allein mit sich und seinem Büro. Umso wichtiger war es nun, die Kontakte durch
die vorhandenen Medien wie Skype for Business, Mail und Telefon zu den Kollegen
aufrecht zu erhalten. Genauso wichtig waren nun die Kontakte zu Prüfstellen, um die
Arbeitgeber durch viele überzeugende Telefonate zur Teilnahme an der euBP oder
dem postalischen Versand von Unterlagen für eine Vorlageprüfung zu bewegen. Die
zahlreichen Anträge auf Kurzarbeit führten dazu, dass insbesondere die Abrech-
nungsstellen damit ausgelastet waren. Die Durchführung einer Prüfung vor Ort war
daher kaum noch möglich.

Der Kontakt zu den Zusammenarbeitsbehörden bestand fortan hauptsächlich per
Telefon oder Mail. Die bisher monatlich durchgeführten „Sprechtage“ zur gemein-
samen Besprechung von Fällen in den Hauptzollämtern entfielen bis Ende Mai 2020
komplett. Danach wurden sie nur sehr eingeschränkt (mit wenigen Personen) durch-
geführt, da z.B. die Mitarbeiter der Zollbehörden ihre Arbeit im Homeoffice verrich-
teten.

•   Prüfungen nach § 28q SGB IV und § 212a SGB VI
Auch auf Seiten der Prüfstellen im Bereich der Einzugsstellen und unmittelbarer
Beitragszahler gab es erhebliche Einschnitte. So bedingten die jeweiligen Hygiene-
schutzkonzepte ein Entzerren der dortigen Arbeitsplätze. Damit waren keine geson-
derten Arbeitsplätze für die Prüfdienste vorhanden. Teilweise fehlte es sogar an ent-
sprechender Hardware bei der Prüfstelle, weil alle verfügbaren Arbeitsmittel für die
eigenen Mitarbeiter gebraucht wurden. Hinzu kam, dass die Ansprechpartner sich
schlicht selbst im zuhause eingerichteten Ersatzarbeitsplatz befanden.

Bereits vor den Ereignissen im März 2020 waren im Pilotverfahren bei den Prüfungen
                                                                                        9: S. dazu Scheer, a.a.O., § 128.
der unmittelbaren Beitragszahler die Möglichkeiten von Remoteprüfungen getes-
tet worden. Für diese Art der Prüfung wird der technische Service von einschlägigen

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Anbietern im sogenannten „Remote-Verfahren“ benutzt. Die RV-Träger und die Prüf-
stellen tauschen dazu entsprechende Sicherheitszertifikate aus, und ein Zugriff auf
die Oberfläche der EDV-Verfahren der Prüfstelle ist möglich. Dieser Zugriff erfolgt
aus der Ferne von einem beliebigen Ort aus.

Die technische Möglichkeit von Remoteprüfungen hat sich aufgrund der geänderten
Situation schnell etabliert. Allerdings war festzustellen, dass es nicht selten zu Kom-
plikationen beim Zugriff kam, weil die Kapazitätsgrenzen bei der Internetverbindung
erreicht, oder die technischen Ressourcen bei den Prüfstellen aufgrund der vielen
eigenen Zugriffe aus einem im häuslichen Bereich eingerichteten Heimarbeitsplatz
bereits an ihre Belastungsgrenzen gestoßen waren.

•   Cryptshare
Mit der Pandemie gewann das Verfahren Cryptshare zum sicheren Austausch von
Dokumenten mit Prüfstellen an Bedeutung.

Cryptshare ist eine Webanwendung, die den einfachen, sicheren und nachvollzieh-
baren Austausch vertraulicher Nachrichten und Dateien bis zu 2 Gigabyte ermög-
licht. Diese werden auf einem zentralen Server in der IT-Infrastruktur der Deutschen
Rentenversicherung Bund verschlüsselt abgelegt. Nur autorisierten Anwendern ist
der sichere Austausch von Dokumenten zwischen Nutzern im Netz der Deutschen
Rentenversicherung Bund und beliebigen Internetnutzern möglich.

Damit wurde ein weiteres Kommunikationsmittel geschaffen, mit dem der Postweg
teilweise ersetzt werden konnte. Das ergänzt die euBP in den Bereichen, die nicht
von ihr abgedeckt werden und verringert Medienbrüche.

2.3 Folgen für interne Veranstaltungen
Alle Veranstaltungen waren abzusagen. Dazu zählen neben Besprechungen im Prüf-
bezirk auch die von der Bildungsabteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund
angebotenen Veranstaltungen. Nach und nach nutzte man neue Medien. Skype for
Business wurde zu einem wichtigen Instrument bei der Kommunikation.

In den Prüfteams finden in der Regel monatlich Einsatzbesprechungen statt. Das
Team trifft sich dazu im örtlichen Prüfbüro. Teamleiter und Team besprechen vor Ort
aktuelle Themen, Neuerungen, Arbeitsanweisungen etc. Es finden gemeinsame Dis-
kussionen und Fallbesprechungen statt. In Pausen oder beim gemeinsamen Mittag-
essen ist regelmäßig Gelegenheit zum weiteren Austausch.

In der Corona-Zeit entfallen persönliche Kontakte unter den Mitarbeitern komplett,
da die Team-Einsatzbesprechungen seit März 2020 per Skype-Konferenz stattfin-
den. Hier werden Vorträge zu Neuerungen gehalten. Diskussionen zu verschiedenen
Fallgestaltungen, wie sie auf den Präsenz-Einsatzbesprechungen regelmäßig statt-
fanden, sind erschwert möglich, bzw. erfolgten in eingeschränkter Form telefonisch
oder per Videokonferenz. Die für die Dienst- und Fachaufsicht erforderlichen Dienst-
besuche bei den Prüfern mussten ausgesetzt werden.

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2.4 Terminvertretungen bei Sozial- und Landessozialgerichten
Nach § 7a SGB IV können Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber auf Antrag ein Verfah-
ren zur Feststellung einer Beschäftigung einleiten. Damit soll geklärt werden, ob
die aufgrund einer getroffenen Vereinbarung ausgeübte Tätigkeit eine abhängige
Beschäftigung mit Bestehen von Versicherungspflicht zu Zweigen der gesetzlichen
Sozialversicherung darstellt oder ob diese im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit
ausgeübt wird.

Zu diesem Zweck ist bei der Deutsche Rentenversicherung Bund die „Clearingstelle“
eingerichtet worden. Die erforderlichen Terminvertretungen nimmt der Einzugsstel-
lenprüfbereich der Deutschen Rentenversicherung Bund wahr. Die Vertretung der
sich durch die Betriebsprüfung ergebenden Terminvertretungen erfolgt durch die
Arbeitgeberprüfer.

Im Kalenderjahr 2019 fanden rd. 2 500 Terminvertretungen vor Ort statt. Ab März
2020 kam es zunächst zu einer vollständigen Absage aller Gerichtstermine.

Auch die Sozialgerichtsbarkeit suchte ab diesem Zeitpunkt nach Lösungsmöglich-
keiten, um das Rechtsstaatsprinzip in Zeiten einer Pandemielage aufrecht zu erhal-
ten. Das Sozialgerichtsgesetzt (SGG) lässt es nach § 110a zu, Videokonferenzsyste-
me bei Verhandlungen einzusetzen.

Aufgrund von sicherheitsrelevanten Vorgaben ist es für die Deutsche Rentenversi-
cherung Bund nicht ohne weiteres möglich, sich mit eigenen Arbeitsmitteln an einer
solchen Videokonferenz zu beteiligen.

Die Teilnahme an Sozialgerichtsverfahren und Verhandlungen in Strafverfahren aus
Anlass von Schwarzarbeitsprüfungen wurde wegen des Verbots von Dienstreisen
durch die Abteilung untersagt. Im jeweiligen Einzelfall musste mit dem Gericht ge-
klärt werden, ob ohne mündliche Verhandlung oder ohne Beteiligung der Deutschen
Rentenversicherung Bund verhandelt und entschieden werden kann oder ob eine
Vertagung möglich ist. Das stieß bei den Gerichten vereinzelt auf Unverständnis. So-
fern die örtlichen Gegebenheiten bei den Gerichten es zugelassen haben und dem
eigenen Hygieneschutzkonzept entsprachen, erfolgten ab Sommer 2020 teilweise
wieder Terminvertretungen. Allerdings wurde das Niveau der Vorjahre mit weniger
als 2 000 Terminvertretungen nicht erreicht. Erst seit dem Frühjahr 2021 ist ein ver-
mehrter Anstieg der Terminladungen zu verzeichnen. Der bei den Sozialgerichten
aufgelaufene Rückstau führt allerdings zu einer deutlich höheren Anzahl von Termi-
nen und belastet den Außendienst neben den nachzuholenden Prüfungen aus 2020
aktuell zusätzlich.

2.5 Aus- und Weiterbildung, Einweisung und Seminare
Die Corona-Situation hat nichts daran geändert, dass im Prüfdienst Nachwuchs-
kräfte benötigt werden. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte im Jahr 2020
bundesweit 100 Neueinstellungen für den Prüfdienst vorgenommen. Um im Prüf-
dienst tätig zu sein, kann man entweder das Duale Studium als Bachelor of Laws mit
Schwerpunkt Prüfdienst absolvieren oder sich als Quereinsteiger mit Berufserfah-
rung im sozialversicherungsrechtlichen Bereich bewerben. Die Quereinsteiger er-
halten eine Einweisungszeit, in der sie an die Prüftätigkeit herangeführt werden.

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Zahlreiche Seminare warten auf die neuen Kollegen. Sowohl die Tiefen der Sozial-
versicherung als auch die technische Ausstattung und Anwendungen müssen ihnen
in dieser Zeit nahegebracht werden.

•   Vorstellungsgespräche während der Pandemie
Die Vorstellungsgespräche wurden per Videokonferenz durchgeführt. Der Vorteil bei
dieser Vorgehensweise besteht darin, dass der Prozess der Einstellungen beschleu-
nigt wird. Durch die Videokonferenz sind keine langen Anfahrten nötig und die Prüf-
bezirke können schnell eine Entscheidung über die Auswahl der Bewerber treffen.
Jedoch fehlt das persönliche Zusammentreffen mit den Bewerbern und damit ist es
nur eingeschränkt möglich, einen ersten Eindruck vom Bewerber zu erhalten.

•   Einweisung und Seminare für neue Mitarbeiter
Die Betriebsprüfer sind innerhalb des Prüfbezirkes in Teams aufgeteilt. Den neuen
Mitarbeitern wird ein „Pate“ aus dem Team zugewiesen, der sie in der Einweisungs-
zeit unterstützt. Um das Team und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen
beim Prüfen kennenzulernen, werden verschiedene Kollegen in die Einweisung ein-
gebunden.

Während der Corona-Pandemie sind die Möglichkeiten zur persönlichen Zusammen-
arbeit eingeschränkt, da durch den Wegfall vieler Vor-Ort-Prüfungen ein Einblick in
den normalen Alltag eines Prüfers kaum möglich ist. Schwierigkeiten bestehen da-
rin, dass die neuen Kollegen Fragen zunächst sammeln müssen, um diese im An-
schluss in einem Telefonat oder Videoanruf zu klären. Fragen und technische Hil-
festellungen konnten bisher durch einen anwesenden Kollegen gleich beantwortet
oder im Programm gezeigt werden. Dem Einzuweisenden fiel es damit leichter, den
roten Faden zu behalten und Unklarheiten zu klären.

Für die neuen Kollegen sind außerdem während der Einweisungszeit mehrere Semi-
nare in Recht und Technik vorgesehen. Diese finden größtenteils in Berlin statt.

Ein rechtliches Seminar ist so gestaltet, dass zuerst die Rechtslage erklärt wird und
die Teilnehmer dann die entsprechenden Lösungen zu den Aufgaben erarbeiten. In
den Folgeseminaren ist es dann genau andersherum. Die Teilnehmer haben hier die
Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen und sich mit den anderen Teilnehmern aus-
zutauschen, um die richtige Lösung zu erarbeiten. Der Austausch untereinander hat
den Vorteil, Denkfehler zu erkennen und dadurch einen bleibenden Lerneffekt zu er-
zielen.

Ähnlich wie bei den rechtlichen Seminaren, wird auch bei den technischen Semina-
ren den Teilnehmern zuerst das Programm erklärt, um anhand von Übungsfällen das
technische Wissen zu festigen.

Durch die Pandemie finden alle diese Seminare online statt. Die Teilnehmer bekom-
men dazu einen Link für die Videokonferenz. So können sie sich von ihrem Dienstsitz
über das Dienstnotebook in die Besprechung einwählen.

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Die Leitungskapazitäten für diese Besprechungen mit Bild und Ton sind beschränkt.
Daher wird die Videofunktion in der Regel von den Teilnehmern ausgeschaltet und le-
diglich der Dozent ist sichtbar. Kommuniziert wird überwiegend mit der Chatfunkti-
on. Der Austausch unter den Teilnehmern ist unter diesen Bedingungen aber nur ein-
geschränkt möglich.

•   Seminare und Fortbildungen allgemein
Natürlich gibt es neben Schulungsformaten für neue Kollegen oder für alle anderen
Mitarbeiter im Prüfdienst Seminarangebote und jährliche Fortbildungen. Aufgrund
der Pandemie wurden sie größtenteils abgesagt, da für sie keine dringende Notwen-
digkeit bestand. Die jährlichen Fortbildungen wurden, wie die Seminare für die neu-
en Mitarbeiter, online durchgeführt.

3. Bedeutung der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung

Seit dem 1.1.2012 ist die euBP gesetzlich zugelassen. Jede Prüfankündigung enthält
einen Hinweis zur euBP und ein Datum, bis zu dem die Daten übermittelt werden kön-
nen. Die Prüfstelle kann über eine in ihrer Software implementierte Schnittstelle das
Datenpaket zur Prüfung übermitteln.

Über ein Abrufverfahren kann sich die Prüfstelle jederzeit darüber informieren, wo
sich ihre Daten befinden. Seit 2016 kann zusätzlich auch das Ergebnis der Prüfung
elektronisch abgerufen werden. Mittlerweile besitzen neben Lexware und DATEV
noch 37 weitere Softwarehersteller10 die zertifizierte Funktion des euBP-Moduls11.

Die Vorteile für die Prüfstelle liegen auf der Hand, denn mit wenigen Klicks hat der
Sachbearbeiter der Prüfstelle die Unterlagen bereitgestellt. Sie benötigt auch weder
Räumlichkeiten, Personal oder Technik für die Betriebsprüfung vor Ort, da der Prüfer
an seinem Dienstsitz die Prüfung durchführen kann. Etwaige zusätzliche Unterlagen
fordert der Prüfer bei der Prüfstelle an.

Zum Ende der Prüfung wird ein Schlussgespräch mit den Beteiligten geführt, das
auch vor Ort stattfinden kann. Der Betriebsprüfdienst versteht sich als moderner
Dienstleister, bei der die Kundenorientierung eine große Rolle spielt. Die Beratung,
das Geben von Hinweisen oder das Aufzeigen von Fehlerschwerpunkten sind hier
beispielhaft aufzuführen, um die Bedeutung des persönlichen Kontaktes hervorzu-
heben.

Im Jahr vor der Pandemie (2019) lag der Anteil der von der Deutschen Rentenver-
sicherung Bund durchgeführten euBP-Prüfungen bei 46%. Mit dem vorbeugenden
Wegfall der „Vor-Ort-Prüfungen“ durch die Dienstreiseverbote wurde der Anteil von
                                                                                         10: https://gkv-ag.de/das-verfahren/pro-
euBP-Prüfungen 2020 auf über 60% bei der Deutschen Rentenversicherung Bund
                                                                                            gramme-im-verfahren-der-system-
gesteigert.
                                                                                            untersuchung/systemgepruefte-pro-
                                                                                            gramme-mit-abschluss/;
Die Erledigung dieser Fälle war teilweise sehr zeitintensiv. Aufgrund der Pandemie          Stand September 2021.
gehen zusätzlich benötigte Unterlagen durch Kurzarbeit, Quarantäne oder Krank-           11: Zuständig für die Zertifizierung ist die
heitsfälle in den Prüfstellen teilweise erst nach vielen Wochen ein. Auch stießen vie-      Informationstechnische     Servicestelle
le arbeitende Eltern im häuslichen Büro an ihre Belastungsgrenzen, denn die Kinder-         der gesetzlichen Krankenversicherung
                                                                                            (ITSG).
betreuung wegen geschlossener Kindertagesstätten und Schulen erwiesen sich als
eine große Herausforderung.

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Doch auch der Betriebsprüfer musste feststellen, dass die Anforderung zusätzlicher
Belege und Unterlagen, Erinnerungen an die teils mit der Bearbeitung von Kurzar-
beitsgeldanträgen belasteten Arbeitgebern und Abrechnungsstellen zu Verzöge-
rungen bei der Abarbeitung der Fälle führt. Bei bestimmten Prüfgebieten – vor allem
im Bereich der Künstlersozialabgabe – ist die Anforderung von Belegen unerlässlich.
Auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung, z. B. von Gesellschafter-
Geschäftsführern, kommt es durch die erforderliche Vorlage von Gesellschaftsver-
trägen oder Satzungen oft zu Verzögerungen und das unabhängig von der Größe des
Betriebes. Vor Ort sind die Unterlagen in der Regel zugänglich und die Prüfung kann
unmittelbar abgeschlossen werden.

Stattdessen heißt es „Überblick bewahren“ – wo enden Wiedervorlagefristen, wo ist
nach Aktenlage zu entscheiden, weil der Arbeitgeber nicht mitwirkt? Eine gute Ar-
beitsorganisation ist hier unabdingbar. Ist alles für den Prüfabschluss beisammen,
besteht die Herausforderung darin, den Arbeitgeber für ein Schlussgespräch zu er-
reichen.

Die Übermittlung der Finanzbuchhaltungsdaten für die euBP bleibt weiterhin optio-
nal. Hier ist bis Ende 2021 eine Machbarkeitsstudie zur strukturierten Übermittlung
der notwendigen Daten durchzuführen.12

Mit Wirkung zum 1.1.2022 sind nach § 8 Abs. 2 Beitragsverfahrensverordnung (BVV)13
dem Arbeitgeber elektronisch zur Verfügung zu stellende Unterlagen in elektroni-
scher Form zu den Entgeltunterlagen zu nehmen. § 8 Abs. 3 Satz 1 BVV legt weiter
fest, dass die in Abs. 2 genannten Entgeltunterlagen, soweit sie nicht elektronisch
aus der Abrechnung des Arbeitgebers entnommen werden können, dem Arbeitgeber
von den zuständigen Stellen oder dem Beschäftigten in elektronischer Form zur Ver-
fügung zu stellen sind 14 .

4. Fazit

Durch die Corona-Pandemie wurde der Einsatz technischer Mittel vorangebracht.
Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist das Videokonferenzsystem Skype
for Business nunmehr ein fester Bestandteil. Als Lernmethode ist das e-Learning
hinzugekommen. Für Arbeitgeber und Steuerberater werden künftig auch Online-
formate für Vortragsreihen angeboten. Selbst Einstellungsgespräche werden er-
folgreich über Videotelefonie durchgeführt. Die Sozialgerichte ermöglichen künftig
Gerichtsverhandlungen, ohne dass eine persönliche Präsenz erforderlich ist. Über
Cryptshare ist die Nutzung des Austauschs von Dokumenten mit den Prüfstellen in-
tensiviert worden. Die Steigerung der euBP-Prüfquote ist ein positiver Effekt. Die Er-
ledigung dieser Fälle dauert teilweise jedoch länger.
                                                                                         12: § 127 SGB IV.
Auch wenn die Prüfer das Arbeiten am eigenen Heimarbeitsplatz gewohnt sind, sto-         13: § 8 Abs. 2 BVV i.d.F. ab dem 1.1.2022.
ßen viele aufgrund der fast dauerhaften Präsenz am Dienstsitz an ihre Belastungs-        14: Der Arbeitgeber kann sich auf Antrag
grenzen. Oftmals sind verstärkt auch andere Familienmitglieder zuhause tätig.               von der Führung von elektronischen
                                                                                            Unterlagen bis Ende 2026 befreien las-
Der menschliche und kollegiale Kontakt ist aufgrund der dezentralen Struktur nur            sen gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 BVV i.d.F. ab
                                                                                            dem 1.1.2022.
eingeschränkt möglich. Umso wichtiger sind der Zusammenhalt und die gegenseiti-
ge Unterstützung im Arbeitsteam.

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4/2021

Im Bereich der Einweisung findet wesentlich weniger Erfahrungsaustausch statt als
bei regulären Einweisungen mit Präsenzschulungen und gemeinsamen Prüfungen
vor Ort oder am Dienstsitz eines Kollegen. Der Ablauf der Prüfung vom Vorgespräch
bis zum Schlussgespräch bei der Prüfstelle wird nur bedingt in der Praxis vom Ein-
zuweisenden erlebt. Hier ist ggf. mit einer längeren Einweisungszeit zu rechnen. Sei-
tens der Führungskraft ist auch danach verstärkt das Augenmerk darauf zu richten,
weitere Unterstützung anzubieten.

Die Auswirkungen der Pandemie werden auch in Zukunft noch zu spüren sein, denn
insbesondere viele kleinere Unternehmen mussten oder werden ihre Betriebe
schließen; das wird Prüfungen nach sich ziehen. Auch wenn noch keine Steigerungen
von Betriebsschließungen (z.B. Insolvenz) zu verzeichnen sind, ist die weitere Ent-
wicklung abzuwarten. Viele ausgefallene Prüfungen müssen noch nachgeholt wer-
den und belasten das Prüfsoll zusätzlich.

Bei den Prüfungen der unmittelbaren Beitragszahler hat sich durch die Pandemiela-
ge die Möglichkeit der Remoteprüfung schneller etabliert und wird alle Beteiligten
weiter beschäftigen. Da sich die Form der Prüfung verändert, erhöht sich der Kom-
munikationsaufwand deutlich. Hier müssen alle Beteiligten alte „Denkmuster“ über-
winden. Kurze „Türgespräche“ über einzelne Fälle zu führen, reichten nicht mehr.
Jede Frage muss in schriftlicher Form aufbereitet und kommuniziert werden. Das gilt
auch für die Antworten der Prüfstellen. Aufgrund der Vielzahl der Prüffälle ist der
Verwaltungsaufwand erhöht und der Prüfabschluss dauert länger.

Eine besondere Herausforderung stellt die rasante Fortentwicklung der technischen
Möglichkeiten dar. Die Einführung ohne weitere Vorbereitung war ein Kraftakt, der
allen viel abverlangt hat.

Die kurzfristige Einführung von neuen Kommunikationsanwendungen und neu-
er Hardware fiel den Prüfern vor dem Hintergrund, dass sie grundsätzlich an ihrem
Wohnsitz arbeiten und die neue Technik vor Ort alleine in Betrieb nehmen sollen,
nicht immer leicht. Der Kundenservice der Deutschen Rentenversicherung Bund hat
aus diesem Grund bebilderte Anleitungen zur Installation bereitgestellt. Im Intranet
der Deutschen Rentenversicherung Bund, in der „Gezeigt – Wie“-Mediathek, werden
daneben Präsentationen, in denen die anschauliche Vorführung der notwendigen
Schritte für einzelne Anwendung erfolgen, vorgehalten.

Der Schreibtisch der Prüfer wird auf absehbare Zeit nicht übersichtlicher und das
Motto „Durchhalten!“ zählt mehr als je zuvor. Das Ziel besteht darin, keine Kollegin
und keinen Kollegen aufgrund der durch die Pandemie veränderten Arbeitsbedin-
gungen zu verlieren!

Der Prüfdienst wird weiterhin trotz aller Widrigkeiten den gesetzlichen Auftrag in der
gewohnten fachlichen Qualität erfüllen.

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