7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS

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7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
U1:U1     03.07.2012         9:55 Uhr   Seite 1

   BAYERISCHER GEMEINDETAG • Verband kreisangehöriger Städte,                                    B 6015 E
      Märkte und Gemeinden • Körperschaft des öffentlichen Rechts

                                                                                                 Bayerischer Gemeindetag
    7/2012

                                                                      BAYERISCHEN GEMEINDETAGS
                                                                      Die Zeitschrift des

    Historisches Rathaus der Stadt Burgkunstadt (Lkrs. Lichtenfels)

        Der Bayerische Gemeindetag
                        im Internet:
                 http://www.bay-
                 gemeindetag.de

                Die Geschäftsstelle
      ist gleichzeitig über folgende
        e-mail-Adresse erreichbar:
   baygt@bay-gemeindetag.de
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
U2:U2                                 03.07.2012   10:07 Uhr   Seite 1

 Bayerischer Gemeindetag Inhaltsverzeichnis
                                                                     QuintEssenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        265

                                                                     Dr. Brandl: Energiewende: Gemeinden,
                                                                     Sparkassen und Bürger in einem Boot . . . . . . . . . .                                267

                                                                     Informationen des Bayerischen Gemeindetags
                                                                     im Juni 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   269

                                                                     Thallmair: Die Gemeinde, die örtliche
                                                                     Gemeinschaft, das ist Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . .                       270

                                                                     Hesse: Straßenausbaubeiträge – kontrovers . . . . .                                    274

                                                                     Dix: Ärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                  275

                                                                     Aktuelles aus Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        276

                                                                     VERWALTUNG Einheitsaktenplan und Verzeichnis der
                                                                     Aufbewahrungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         280

                                                                     Kommunale Risikomanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . .                        281

                                                                     FINANZEN + STEUERN Grundlagen der Kommunal-
                                                                     verwaltung für Quereinsteiger in der Finanzverwaltung . . . . .                        281

                                                                     KOMMUNALWIRTSCHAFT Benchmarking Abwasser
                                                                     Bayern 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    282

                                                                     SPORT Stadtradeln 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             283

                                                                     STRASSEN + VERKEHR E-Bike Award 2012
                                                                     ausgeschrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     283

                                                                     LAND- + FORSTWIRTSCHAFT Kronenzustands-
                                                                     erhebung 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        283

                                                                     VERSCHIEDENES Grundlagen der Wirtschaftsförderung . .                                  284

                                                                     LAND- + FORSTWIRTSCHAFT Waldtag Bayern 2012 . . . .                                    284

                                                                     Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    285

                                                                     KAUF + VERKAUF Tragkraftspritzen und Rettungssatz . . . .                              285

                                                                     Seminarangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
                                                                     Kommunalverwaltungen im zweiten Halbjahr 2012 . . . . . . .                            288

                                                                     In letzter Minute
                                                                     Kommunaler Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               289

                                                   Übersendung von Gerichtsentscheidungen an die Geschäftsstelle
                                                   Die Auskunfts- und Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle hängt in einem hohen
                                                   Maße davon ab, wie gut der Informationsfluss zwischen Mitgliedskörperschaften
                                                   und der Geschäftsstelle ist. Wir bitten deshalb unsere Mitglieder dringend, uns
                                                   gerichtliche Entscheidungen umgehend zu überlassen und uns über anhängige
                                                   Verfahren bei den Verwaltungsgerichten oder bei den obersten Bundesgerichten
                                                   zu informieren, damit andere Mitglieder schnell und zeitnah von diesen Erfah-
                                                   rungen profitieren können.
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Innenteil_7_2012_Korr2:roh     03.07.2012      11:40 Uhr   Seite 265

                                                                                                                                Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz
                                                                                                 Wichtiges
                                                                                                  in Kürze 265
             Energieversorgung                                                                Kommunalabgaben
       Sparkassen und                                                                   Straßenausbau-
       Energiewende                                                                     beiträge – kontrovers
       Auf dem bayerischen Sparkassentag                                                Dass niemand gerne Geld bezahlt,
       am 27. Juni 2012 in Amberg nahm                                                  ist eine Binsenweisheit. Wenn es aber
       Gemeindetagspräsident Dr. Uwe                                                    um Straßenausbaubeiträge geht, kocht
       Brandl an der Diskussion zur Ener-                                               die Volksseele regelmäßig hoch. Und
       giewende teil. Er war der Meinung,                                               wenn dann auch noch die Medien
       dass Gemeinden, Sparkassen und                                                   das Thema „anschüren“ – durch ei-
       Bürger bei der Energiewende in einem                                             ne tendenziöse Berichterstattung –,
       Boot sitzen. Er wies darauf hin, dass                                            dann geraten Gemeinden und Städ-
       das bayerische Energiekonzept bis                                                te schnell in eine Abwehr- bzw. Ver-
       zum Jahr 2021 einen Bezug von 15                                                 teidigungshaltung.
       Prozent des benötigten Stroms aus                                                Dabei vollziehen sie doch nur gel-
       bayerischen Anlagen vorsieht, die er-                                            tendes Recht. Das Kommunalabga-
       neuerbare Energien produzieren. An                                               bengesetz schreibt den Kommunen
       dieser Stelle kommen Bayerns Ge-                                                 geradezu vor, dass sie Satzungen für
       meinden und Bayerns Bürger ins                                                   die Erhebung von Straßenausbau-
       Spiel und damit auch deren Finan-                                                beiträgen erlassen sollen. Wer dies
       ziers an vorderster Stelle, also die                                             nicht tut, handelt demgemäß eigent-
       bayerischen Sparkassen. Er warnte         Übertragungsbedarf im deutschen        lich dem gesetzgeberischen Willen
       davor, sich unbesehen auf die Re-         Stromnetz bis 2022 – benötigte
                                                                                        zuwider.
       kommunalisierung der Stromnetze           Neubauten von Gleichstrom- und
                                                 Wechselstromleitungen                  Cornelia Hesse von der Geschäfts-
       zu stürzen. Nur überörtliche Netz-                                               stelle des Bayerischen Gemeinde-
       einheiten mit einem ausgewogenen                                                 tags stellt auf Seite 274 die derzei-
       Mischungsverhältnis von Stadt und              Heribert Thallmair                tige „Gefechtslage“ dar und lässt ihr
       Land kommen als Option für kom-                                                  – berechtigtes – Unverständnis über
       munale Zusammenschlüsse in Be-           Die Gemeinde – das ist                  eine einseitige Medienberichterstat-
       tracht.                                  Heimat                                  tung zu dieser Thematik durchschei-
       Beim Bau der erforderlichen zusätz-                                              nen.
       lichen 1.000 bis 1.500 Windkraftan-      Vor zehn Jahren trat Heribert Thall-
       lagen ist eine ordentliche Standort-     mair vom Amt des Präsidenten des
       planung unerlässlich. Bestmögliche       Bayerischen Gemeindetags ab. Als              Fortbildung
       Planungsergebnisse werden in diesem      Ehrenpräsident des Bayerischen Ge-
                                                meindetags nimmt er weiterhin an
                                                                                        Neue Seminarangebote
       Zusammenhang durch eine in enger
       Abstimmung und übergemeindlicher         den Beratungen des Präsidiums des       für Mitarbeiterinnen
       Zusammenarbeit gestaltete Flächen-       Verbands teil und ist gern gesehener    und Mitarbeiter
       nutzungsplanung erzielt.                 Gast in der Geschäftsstelle. Auf den
                                                                                        Auf den Seiten 286 und 287 finden
       Projekte, bei denen sich Bürger und      Seiten 270 bis 273 finden Sie ein
                                                                                        Sie eine Übersicht der Seminarange-
       Gemeinden gemeinsam unterneh-            kürzlich dem Journalisten Manfred
                                                                                        bote für Mitarbeiterinnen und Mit-
       merisch betätigen, klingen höchst        Hummel gegebenes Interview, das
                                                                                        arbeiter in den Kommunalverwal-
       interessant. Dann nämlich finden         interessante Einblicke in die Seelen-
                                                                                        tungen im zweiten Halbjahr 2012.
       sich einerseits die Gemeinden als        welt des Ehrenpräsidenten Thallmair
                                                                                        Erfahrungsgemäß sind die Seminare
       Träger der Aufgabe Stromversor-          gewährt und darüber hinaus span-
                                                                                        relativ schnell ausgebucht. Es lohnt
       gung und die Bürger als Leistungs-       nende Entwicklungstendenzen auf-
                                                                                        daher, sich rasch einen Überblick zu
       empfänger der Aufgabe im selben          zeigt, die ein politik- und menschen-
                                                                                        verschaffen, in welchen Bereichen
       Boot wieder. Insoweit müssen die         erfahrener Mann mit der ihm eige-
                                                                                        die Kommunalwerkstatt des Bayeri-
       Vorgaben der Gemeindeordnung be-         nen Souveränität darstellt. Bezeich-
                                                                                        schen Gemeindetags Fortbildungs-
       achtet werden, wonach eine Beteili-      nend beispielsweise die Art der poli-
                                                                                        angebote bereithält.
       gung von Gemeinden und Unter-            tischen Auseinandersetzungen da-
       nehmen stets einhergehen muss mit        mals und heute: Während früher
       einem maßgeblichen Einfluss auf          offenbar Sachlichkeit auf kommu-              Gesundheitswesen
       die Unternehmensführung. Genos-          nalpolitischer Ebene von einigem
       senschaftsmodelle können nur über        Wert war, zählt heute in erster Linie
                                                                                        Ärztliche Versorgung
       sogenannte Zentralgenossenschaf-         geschicktes Marketing – um es           in Bayern
       ten erfolgreich sein. Nur dann näm-      freundlich zu sagen –, wenn man         Um dem drohenden Ärztemangel
       lich entsprechen sie der gesetzlichen    gehört oder gesehen werden will.        im ländlichen Raum zu begegnen,
       Grundlage. Auf den Seiten 267 bis        Eine bedauerliche Entwicklung! Die      legt der Freistaat ein Förderprogramm
       269 finden Sie die Ausführungen          Redaktion meint: Ein erfrischendes      auf, das der Forderung des Bayeri-
       des Präsidenten.                         Interview mit Tiefgang.                 schen Gemeindetags im Wesentli-
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Innenteil_7_2012_Korr2:roh                           03.07.2012     11:40 Uhr    Seite 266

Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz                 Die Steuereinnahmen fallen in den kommenden Jahren besser aus als im Mai erwartet. Nach den Be-
                                                     rechnungen der Steuerschätzer können Bund, Länder und Gemeinden 2011 mit 16,2 Milliarden Euro
                                                    mehr an Steuereinnahmen rechnen, als noch bei der letzten Schätzung im Mai angenommen worden
                                                    war. Insgesamt wurden die Steuereinnahmen des Staates für das laufende Jahr auf 571,2 Milliarden Eu-
                                          266      ro veranschlagt - 40,6 Milliarden mehr als 2010.

                                        chen entspricht. Zusätzliche Mittel
                                        in Höhe von 4,5 Millionen Euro sol-
                                        len im Nachtragshaushalt 2012 be-
                                        reit gestellt werden, um innovative
                                        medizinische Versorgungskonzepte
                                        zu fördern, niederlassungswilligen
                                        Ärztinnen und Ärzten im ländlichen
                                        Raum finanziell unter die Arme zu
                                        greifen und Medizinstudenten, die
                                        sich verpflichten nach der Facharzt-
                                        weiterbildung für eine bestimmte
                                        Zeit im ländlichen Raum als Ärztin
                                        oder Arzt tätig zu sein, ein Stipen-
                                        dium in Höhe von 300 Euro im Mo-
                                        nat zu gewähren. Auf Seite 275
                                        stellt Gerhard Dix, zuständiger Refe-
                                        rent in der Geschäftsstelle des Baye-
                                        rischen Gemeindetags, die neue Ini-
                                        tiative des Freistaats vor.
                                                                                 Der Durchschnittsmann in Deutschland ist 1,78 Meter groß und wiegt 83,4
                                                                                 Kilogramm. Die Durchschnittsfrau ist 1,65 Meter groß und 68,1 Kilogramm
                                               Finanzausgleich                   schwer. Das ergibt die Auswertung des Mikrozensus 2009 des Statistischen
                                                                                 Bundesamtes. Ein Blick in die einzelnen Altersgruppen zeigt, dass sowohl
                                        Kommunaler                               Männer als auch Frauen in den älteren Jahrgängen kleiner sind. Sind Frauen
                                                                                 in der Altersgruppe 18 bis 40 Jahre 1,67 Meter groß, sind sie im Alter von 65
                                        Finanzausgleich 2013                     Jahren und mehr mit durchschnittlich 1,63 Meter vier Zentimeter kleiner. Die
                                        Unter der Rubrik „In letzter Minute“     ab 65-jährigen Männer sind mit 1,74 Meter sechs Zentimeter kleiner als die
                                        finden Sie das diesjährige Rund-         18- bis 40-jährigen. Was das Gewicht des durchschnittlichen Bundesbürgers
                                        schreiben des Bayerischen Gemein-        angeht, so scheint dieser ab dem 40. Lebensjahr zu Übergewicht zu neigen.
                                                                                 Sowohl bei Frauen als auch bei Männern liegt der sogenannte Body-Mass-
                                        detags zum Ergebnis des Kommu-
                                                                                 Index bei über 39-Jährigen über dem Wert von 25. Nach Weltgesundheits-
                                        nalen Finanzausgleichs 2013. Erst-       organisation wird dies als übergewichtig eingestuft.
                                        mals ist es gelungen, eine struktu-
                                        relle Veränderung im System der
                                        Schlüsselzuweisungen zu erreichen.
                                        Der Eingangssatz bei der Einwohner-
                                        gewichtung konnte in einem ersten
                                        Schritt von 108 auf 112 Prozent an-
                                        gehoben werden. Damit wird der
                                        gestiegene Grundbedarf in allen Be-
                                        reichen besser berücksichtigt. Gleich-
                                        zeitig wurde der Großstadtzuschlag
                                        auf 150 Prozent begrenzt. Aus Sicht
                                        des Bayerischen Gemeindetags ist
                                        dies ein erfreulicher Einstieg in wei-
                                        tere notwendige Veränderungen, die
                                        demnächst verhandelt werden sol-
                                        len. Gemeindetagspräsident Dr. Uwe
                                        Brandl äußerte sich insgesamt sehr
                                        zufrieden über die erzielten Ergeb-
                                        nisse, die im Detail in diesem Heft
                                        nachgelesen werden können.
                                                                                 40,4 Prozent der Unfälle in Schulen, Hochschulen und in der Kinder-Tages-
                                                                                 betreuung ereigneten sich im Jahr 2010 beim Sport. Damit war der Sport
                                               In eigener Sache                  Unfallursache Nummer eins. Das ergibt eine Auswertung der Deutschen Ge-
                                                                                 setzlichen Unfallversicherung (DGUV), der jeder Unfall in den genannten Ein-
                                        Titelfotos                               richtungen gemeldet werden muss, der eine ärztliche Behandlung nach sich
                                        Herzlichen Dank für die Zusendung        zieht. Jeder zweite der gemeldeten Sportunfälle ereignete sich beim Ball-
                                        schöner Rathausbilder. Eine Bitte:       sport. Mit großem Abstand folgten das Geräte- und Bodenturnen, die Leicht-
                                        Die Redaktion freut sich auch über       athletik sowie das Spiel an Kinderspielplatzgeräten. Insgesamt wurden 2010
                                        Luftbildaufnahmen von Orten oder         1,3 Millionen Unfälle in Schulen, Hochschulen und Einrichtungen der Kinder-
                                                                                 Tagesbetreuung gemeldet. Auf dem jeweiligen Weg dorthin geschahen 2010
                                        Fotos anderer Einrichtungen (Bil-        etwa 124 570 Unfälle. Rund 46 Prozent davon waren Fahrradunfälle.
                                        dungsstätten, Sozialeinrichtungen).
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Innenteil_7_2012_Korr2:roh                 03.07.2012        11:41 Uhr           Seite 267

en Be-
Euro                                                                                                                                               7/2012 Bayerischer Gemeindetag                           267
rden
 en Eu-

                                                                             Energiewende:
                 „Stark in der Region. Nah am                            Gemeinden, Sparkassen                                                             meindlichen Betätigungsfeldern
                 Menschen“ lautet das Motto Ihrer                                                                                                          aufzulösen. Ich nenne hier bei-
                 Tagung. Es könnte genauso das                          und Bürger in einem Boot                                                           spielsweise die energetische Sa-
                 Motto einer Landesversamm-                                                                                                                nierung aller kommunalen Ge-
                 lung des Bayerischen Gemein-                                                                                                              bäude nach Auslauf des Kon-
                 detags sein. Die bayerischen                                                                                                              junkturpakets II, ich nenne den
                 Sparkassen sind Teil der großen                                                                                                           Bedarf von ca. 3 Mrd. Euro (pro
                 kommunalen Familie.                                                    Dr. Uwe Brandl,                                                    Jahr wohlgemerkt!) für die Sa-
                 Wenn es noch eines Beweises                                             Präsident des                                                     nierung der in die Jahre gekom-
                 für die herausragende Bedeu-                                                                                                              menen Abwasserkanäle ein-
                                                                                  Bayerischen Gemeindetags*
                 tung regional aufgestellter Spar-                                                                                                         schließlich der Grundstücksent-
                 kassen bedurft hätte, die euro-                                                                                                           wässerungsanlagen. Ich nenne
                 päische Finanzkrise hat ihn erbracht:                         Wenn behauptet wird, die Großban-                                     weiter den dringenden Handlungsbe-
                 Nicht die großen privaten Banken ha-                          ken seien für unsere Finanz- und Wirt-                                darf beim Straßenbau und beim Stra-
                 ben Deutschland vor Schlimmerem                               schaftsordnung systemrelevant, dann                                   ßenunterhalt, und ich nenne nicht
                 bewahrt, sondern die kommunalen                               stelle ich dem die These entgegen:                                    zuletzt den unaufhörlich steigenden
                 Sparkassen mit ihrem Wurzelgeflecht                           Die deutschen Sparkassen in ihrer Ge-                                 finanziellen Aufwand für die Betreu-
                 im regionalen Handwerk, im regio-                             samtheit sind es mindestens ebenso,                                   ung der Kleinkinder, aber auch unse-
                 nalen Gewerbe und in der uneinge-                             durch die Risikoverteilung auf viele                                  rer Senioren.
                 schränkt freundlichen Besorgung auch                          Schultern, durch die Risikobeschrän-                                  Und schließlich geht es um die Er-
                 der kleinsten Bankgeschäfte ihrer Bür-                        kung im Geschäftsgebaren und durch                                    schließung der Finanzquellen nicht
                 gerinnen und Bürger.                                          das Prae an Wissen um die Chancen                                     nur beim Staat und den Gemeinden,
                                                                               wie auch um die Begrenztheiten in                                     sondern auch bei der Wirtschaft und
                                                                               der jeweiligen Region und eben durch                                  den Bürgern als Investoren, um die
                                                                               die Nähe zu den Bedürfnissen der                                      Energiewende innerhalb des ambitio-
                                                                               Menschen in dieser Region.                                            nierten Zeitfensters von gerade ein-
                                                                               Deshalb plädiere ich an Sie für unsere                                mal 10 Jahren zu stemmen. So bin ich
                                                                               2.031 kreisangehörigen Gemeinden,                                     schon beim Kern des Themas, dem
                                                                               Märkte und Städte: Bleiben Sie mit                                    wir uns am heutigen Vormittag wid-
                                                                               Ihrem dichten Filialnetz in den länd-                                 men wollen, nämlich bei der Einbezie-
                                                                               lichen Räumen Bayerns präsent und                                     hung der Bürgerinnen und Bürger in
                                                                               damit nah am Menschen, und bleiben                                    die Energiewende. Mit dem Ausstieg
                                                                               Sie überzeugte Anhänger des Regio-                                    aus der Großtechnologie atomarer
                                                                               nalprinzips und damit die Spezialisten                                Energieerzeugung ist untrennbar ver-
                                                                               für die erforderlichen Finanzdienstleis-                              bunden die Regionalisierung der Strom-
                                                                               tungen in Ihrer Region.                                               erzeugung. Die Stromgewinnung kehrt
                                                                               Wir vom Bayerischen Gemeindetag                                       wieder dorthin zurück, wo sie vor 130
                                                                               wiederum werden uns weiter nach                                       Jahren ihren Anfang genommen hat.
                                                                               Kräften bemühen, die staatlichen Fi-
                  Dr. Uwe Brandl
                                                                               nanzmittel „los zu eisen“, um den im-                                 * auf dem Bayerischen Sparkassentag am 27.6.2012 in
                                                                               mensen Investitionsstau in vielen ge-                                   Amberg

                             BAYERISCHER                     Geschäftsführendes Präsidialmitglied       Dreschstraße 8, 80805 München                         Marina Ottendorfer, Tel. 0 87 09 / 92 17-60
                             GEMEINDETAG                    Direktor Dr. Jürgen Busse                  Tel. 0 89 / 36 00 09-30, Fax 0 89 / 36 00 09-36       Margit Frey (BayGT), Tel. 0 89 / 36 00 09-13
                                                            Verantwortlich für Redaktion und          Erscheinungsweise monatlich; Bezugspreis              Druck, Herstellung und Versand:
                    Herausgeber und Verlag:                Anzeigen:                                 EUR 33,– jährl.; bei Mitgliedern im Beitrag enth.     Druckerei Schmerbeck GmbH
                   Bayerischer Gemeindetag,                Wilfried Schober, Direktor beim          Anzeigenverwaltung:                                    Gutenbergstr. 12, 84184 Tiefenbach b. Landshut
                  Körperschaft des öffentlichen Rechts;   Bayerischen Gemeindetag                   Druckerei Schmerbeck GmbH                             Tel. 0 87 09 / 92 17-0, Fax 0 87 09 / 91 57 25
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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       268 Bayerischer Gemeindetag 7/2012

       Sie wird wieder kleinteilig und vielfäl-   seren Gemeinden und Städten zuge-           form, in der sich Bürger und/oder Ge-
       tig, und sie muss durch ihren verstärk-    wiesen ist. Die „Versorgung der Bevöl-      meinden in regionalen Energieversor-
       ten örtlichen Bezug die Bürgerinnen        kerung mit Licht, Gas und elektrischer      gungsprojekten unternehmerisch be-
       und Bürger in doppelter Hinsicht „mit-     Kraft“ durch die Gemeinden und Städ-        teiligen können. Favoriten sind nach
       nehmen“, wie man heute sagt. Einmal        te steht als Aufgabe des eigenen Wir-       aktuellem Stand die GmbH und die
       – das ist die passive Seite –, indem die   kungskreises der Gemeinden zwar             Genossenschaft, jeweils auch mit der
       Bürgerschaft die notwendigen Anla-         schon von Anfang an, also seit 1946,        Variante „& Co. KG“.
       gen regenerativer Energieversorgung        in der Bayerischen Verfassung, ist je-
       einschließlich des Verteilnetzes akzep-    doch in den letzten Jahrzehnten durch       Bei den sogenannten „Bürgergenos-
       tiert, zum anderen – das nenne ich         die zunehmende Konzentration der            senschaften“ maßt sich der Bayeri-
       die aktive Seite –, indem Bürgerinnen      Stromversorgung auf „die vier Strom-        sche Gemeindetag kein Mitsprache-
       und Bürger als Kapitalgeber und/oder       riesen“ Deutschlands aus dem Bewusst-       recht an. Wir haben lediglich darauf
       Investoren am Gelingen dieses Jahr-        sein gewichen. Nun kann die örtliche        hinzuweisen, dass es sich insoweit um
       hundertprojekts mitwirken.                 Energieversorgung ihre Renaissance          einen euphemistischen Begriff han-
       „Wasch mir den Pelz, aber mach mich        begehen, sollte dies jedoch mit gro-        delt, als er vorgibt, die Bürgerinnen
       nicht nass!“ Genau dieses Ergebnis er-     ßer Umsicht tun.                            und Bürger einer Gemeinde insge-
       brachte eine repräsentative Umfrage        Keinesfalls dürfen sich unsere Gemein-      samt seien in Projekte der Energie-
       in der Bevölkerung. Danach ist – auf       den unbesehen auf die Rekommuna-            wende eingebunden. In Wirklichkeit
       den Punkt gebracht – eine große Mehr-      lisierung der Stromnetze stürzen. Es        wird es regelmäßig eine Minderheit
       heit für den Atomausstieg, gleich-         ist sorgfältig zu prüfen, ob durch Rosi-    der Gemeindeeinwohner sein, die aus
       zeitig lehnt aber eine vergleichbare       nenpickerei Kostenfallen für die Rest-      Umweltbewusstsein oder des mate-
       Mehrheit die negativen Begleiterschei-     netze drohen. Allerdings können über-       riellen Vorteils wegen als Investoren
       nungen ab, die mit der Energiewende        örtliche Netzeinheiten mit einem aus-       zur Verfügung stehen. Die große
       notwendig verbunden sind: Neue             gewogenen Mischungsverhältnis von           Mehrheit der Bevölkerung zieht kei-
       Stromtrassen, unerwünschte (wirkli-        Stadt und Land durchaus eine Option         nen materiellen Vorteil aus diesen
       che oder gefühlte) Belastungen durch       für kommunale Zusammenschlüsse              Anlagen, fühlt sich aber möglicher-
       Windräder und Biomasseanlagen.             sein. Unser Credo ist, dies alles muss      weise durch die negativen Auswir-
                                                  professionell organisiert sein. Wo kein     kungen dieser Anlage belastet.
       Hier gerafft ein paar Fakten: Die Be-
       völkerung muss sich auf einen spür-        eigenes Stadtwerk besteht, sollte eine      Wo wir uns als kommunaler Spitzen-
       baren Anstieg der Strompreise gefasst      Kooperation mit potenten kommuna-           verband allerdings einzumischen ha-
       machen, insbesondere, wenn die EEG-        len Partnern oder auch mit dem bis-         ben, das sind die Projekte, bei denen
       Zuschläge erhöht werden und strom-         herigen Energieversorgungsunterneh-         sich Bürger und Gemeinden gemein-
       intensive Betriebe weiter privilegiert     men erste Wahl sein. Keinesfalls dür-       sam unternehmerisch betätigen. Dann
       werden, z.B. durch die Befreiung von       fen unsere Gemeinden die Herausfor-         nämlich finden sich einerseits die Ge-
       den Netzentgelten, was natürlich von       derungen der technischen und wirt-          meinden als Träger der Aufgabe Strom-
       allen anderen Verbrauchern zu be-          schaftlichen Betriebsführung und den        versorgung und die Bürger als Leis-
       zahlen ist. Erhebliche Steigerungen        anstehenden Umbau der Verteilnetze          tungsempfänger der Aufgabe im sel-
       müssen auch bei den Netznutzungs-          unterschätzen.                              ben Boot wieder, was zu Interessen-
       entgelten einkalkuliert werden, da so-     Beim Bau der erforderlichen zusätz-         kollisionen führen kann. Andererseits
       wohl im Übertragungsnetz wie im            lichen 1.000 bis 1.500 Windkraftanla-       müssen die Vorgaben der Gemeinde-
       Verteilnetz erheblicher Ausbaubedarf       gen ist eine ordentliche Standortpla-       ordnung beachtet werden, wonach
       besteht.                                   nung unerlässlich. Wir im Gemeinde-         eine Beteiligung von Gemeinden an
       Das bayerische Energiekonzept „Ener-       tag sind der Auffassung, dass der Pla-      Unternehmen stets einhergehen muss
       gie innovativ“ sieht bis zum Jahr 2021     nungsraum der Region im Prinzip zu          mit einem maßgeblichen Einfluss auf
       einen Bezug von 50 Prozent des be-         groß und daher für eine rechtssichere,      die Unternehmensführung. Hier wer-
       nötigten Stroms aus bayerischen EE-        optimale Standorte herausfindende           fen insbesondere Genossenschafts-
       Anlagen vor. An dieser Stelle kommen       Planung weniger gut geeignet ist. Best-     modelle wegen des Grundsatzes „ein
       Bayerns Gemeinden und Bayerns Bür-         mögliche Planungsergebnisse werden          Anteil, eine Stimme“ Probleme auf, die
       ger ins Spiel und damit auch deren Fi-     unseres Erachtens durch eine in enger       unseres Erachtens nur dann zufrie-
       nanziers an vorderster Stelle, also die    Abstimmung und übergemeindlicher            denstellend gelöst werden können,
       bayerischen Sparkassen. Die kommu-         Zusammenarbeit – etwas auf Land-            wenn über der Basis je einer „Bürger-
       nale Seite steht hinter der Energie-       kreisebene – gestaltete Flächennut-         genossenschaft“ und einer „Gemein-
       wende, und zwar schon deshalb, weil        zungsplanung erzielt.                       degenossenschaft“ eine Dachgenos-
       der Sicherstellungsauftrag für die ört-    Was Sie im Management der bayeri-           senschaft (Zentralgenossenschaft) er-
       liche Energieversorgung nach Art. 83       schen Sparkassen nun mit am meis-           richtet wird. Bei dieser Konstruktion
       Abs. 1 der Bayerischen Verfassung un-      ten interessieren dürfte, ist die Rechts-   erlaubt es das Gesetz nämlich, in Ab-
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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       weichung des Pro-Kopf-Stimmrechts      Damit habe ich die wesentlichen Bau-       führen haben. So ist der Boden berei-
       die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten   stellen angeführt, die wir, Bayerns Ge-    tet für gute Beratungen, darf aber die
       der Kommunen durch Satzungsgestal-     meinden und Bayerns Sparkassen, im         Beratungsergebnisse nicht vorweg-
       tung entsprechend den Anforderun-      Rahmen der Energiewende zu be-             nehmen.
       gen der Gemeindeordnung zu regeln.     treuen und zu einem guten Ende zu

           Informationen des Bayerischen Gemeindetags im Juni 2012 …
                                   … können Sie unter www.bay-gemeindetag.de
                                        im „Mitgliederservice“ nachlesen.

          • Pressemitteilungen
            12/2012 Kommunaler Finanzausgleich: Gemeindetag erreicht deutliche Verbesserungen für die
                    kreisangehörigen Gemeinden und Städte
                    Brandl: Gerechtere Verteilung bei den Schlüsselzuweisungen durchgesetzt

          • Rundschreiben
            32/2012 Vollzug dienstrechtlicher Vorschriften;
                    Rücknahme der 42-Stunden-Woche für Beamte
            33/2012 Vollzug der Urlaubsverordnung;
                    Auswirkung der Urteile des EuGH vom 20.01.2009, 22.11.2011 und 03.05.2012
                    zum Verfall von Urlaub bei Krankheit
            34/2012 Förderung von „Energieanalysen von kommunalen Kläranlagen“ – Neuauflage 2012
            35/2012 BOS-Digitalfunk;
                    Gemeindetag erzielt mit Innenministerium Kompromiss über Kosten der Leitstellen-
                    anbindung
            36/2012 TenneT und Amprion – Einladung zu einer Informationsveranstaltung zum
                    Netzentwicklungsplan am 29.06.2012 in Augsburg
            37/2012 Sichere E-Mail-Kommunikation für Kommunen
            38/2012 Konzeption des Kommunalen Finanzausgleichs 2013

          • Schnellinfos für Rathauschefs
            10/2012 Kommunaler Finanzausgleich 2013;
                    Forderung der kommunalen Spitzenverbände
            11/2012 Steuereinnahmen bayerischer Gemeinden laut Kassenstatistik im 1. Quartal 2012;
                    Zuwachs der Steuereinnahmen aufgrund der Gewerbesteuerentwicklung
            12/2012 Erfolg bei den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich 2013
            13/2012 Netzdialog Bayern 2012
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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       270 Bayerischer Gemeindetag 7/2012

                                                 „Die Gemeinde,
       Frage: Herr Thallmair, Sie waren     die örtliche Gemeinschaft,                               auch einige neue Ortsteile hin-
       Präsident des Bayerischen Gemein-                                                             zubekommen. Was haben die
       detags, des Deutschen Städte- und          das ist Heimat“                                    Bräute an Mitgift mitgebracht?
       Gemeindebunds und des Bayeri-                                                                 Thallmair: Das war sehr unter-
       schen Senats, Sie waren auch 32                                                               schiedlich. Leutstetten hat noch
       Jahre lang Bürgermeister von                                                                  schnell einen Gedenkstein auf-
       Starnberg. Daher können Sie uns                     Heribert Thallmair,                       gestellt, sozusagen als Grabstein
       sicher aufzählen, was ein Bürger-                  Ehrenpräsident des                         für die ehemals selbstständige
       meister alles können muss?                                                                    Gemeinde. Der Bürgermeister
                                                     Bayerischen Gemeindetags
       Thallmair: Er muss zuhören kön-                                                               von Percha hat mir ein Zigarren-
                                                im Interview mit Manfred Hummel
       nen. Er muss ausgleichen können.                                                              kasterl gebracht. Da war das
       Er muss Verantwortung tragen,                                                                 Wappen drin, die Stempel und
       aber auch Verantwortung delegieren Frage: Was haben Sie gemacht, wenn                  die Sparbücher. Oben drauf lag eine
       können. Es schadet sicher nicht, wenn Sie einmal nicht mehr weiter gewusst             Pistole, eine belgische Armeepistole,
       er Jurist ist. Ich habe einmal ein Inter- haben?                                       die in den Wirren der Nachkriegszeit
       view gegeben, 1975, da bin ich ge-                                                     bei der Gemeinde geblieben ist. Der
                                                  Thallmair: Ich habe schon um Rat ge-
       fragt worden, was ein Bürgermeister                                                    Witz war, dass ich versucht habe, die
                                                  fragt. Ich war nie so stolz zu sagen, ich
       darstellen muss: Er muss ein paar Din-                                                 Pistole gleich beim Landratsamt los-
                                                  kann alles. Gerade am Anfang, ich war
       ge in sich vereinen, habe ich damals                                                   zuwerden. Die haben sie aber nicht
                                                  33. Heute ist es fast selbstverständlich,
       gesagt, zum Beispiel Beichtvater, Im-                                                  angenommen. So lag sie bis zum En-
                                                  dass die Leute jung sind. Aber damals
       mobilienmakler, oder Rosshändler im                                                    de meiner Dienstzeit im Safe der
                                                  war es eine Sensation, dass der Bür-
       guten Sinn. Ein gegebenes Wort ist                                                     Stadt Starnberg, eine Neun-Millime-
                                                  germeister einer Stadt so jung war.
       ein gegebenes Wort.                                                                    ter-Pistole.
                                                  Ich hatte keine Vorkenntnis in der Ver-
       Frage: Das klingt sehr anspruchsvoll. waltung. Ich war ja Rechtsanwalt. Ich            Frage: Sind solche Begebenheiten heu-
       Sind Bürgermeisterinnen und Bürger- habe mich auf vielen Rechtsgebieten                te noch vorstellbar?
       meister besondere Wesen, oder kann ausgekannt, aber in der Führung von                 Thallmair: Heute sind die Vorschrif-
       man das auch lernen?                       Mitarbeitern? Vorher hatte ich eine Mit-    ten anders geworden, auch die Erwar-
                                                  arbeiterin oder zwei. Auf einmal habe       tungshaltung. Die Gebietsreform ist
       Thallmair: Das sind ganz normale Men-
                                                  ich 150 bekommen. So habe ich mir           in meinen Augen – von einigen frei-
       schen. Vieles kann man natürlich ler-
                                                  eben Rat geholt. Ich hatte Gott sei Dank    willigen Dingen abgesehen – abge-
       nen. Ein Bürgermeister trägt Verant-
                                                  einen sehr ruhigen und sehr klugen          schlossen. Wir hatten nach dem Krieg
       wortung für seine Gemeinde, für Kin-
                                                  Vater, der Notar war. In Immobilienfra-     in Bayern über 7000 Gemeinden, 2056
       der genauso wie für Senioren. Er muss
                                                  gen konnte ich mich an ihn wenden.          sind einschließlich der kreisfreien Städ-
       sich immer fortbilden. Heute vielleicht
                                                  Ich habe mich auch nicht gescheut,          te übrig geblieben. Solche Episoden
       noch viel mehr als bei meinem Amts-
                                                  Landrat Widmann, der mein Vorgän-           wird es deshalb nicht mehr geben.
       antritt. Ich war sehr jung. Ich habe
                                                  ger als Bürgermeister war, zu konsul-       Frage: Wie ist es um den Typus des Bür-
       Rhetorik-Seminare absolviert, Kämme-
                                                  tieren. Ich fragte bei der Regierung        germeisters bestellt? Sind die Gemein-
       rer-Seminare besucht und in Bad Harz-
                                                  von Oberbayern um Rat. Ich habe mich        deväter der alten Schule nüchternen
       burg – das war damals nur in der Wirt-
                                                  auch als Präsident des Gemeindetags         Technokraten gewichen?
       schaft bekannt – einen Kurs über Füh-
                                                  nicht geschämt, meine Mitarbeiter zu
       rung durch Delegation von Verantwor-                                                   Thallmair: Die Zeiten ändern sich und
                                                  fragen, die mir im Detail natürlich
       tung belegt. Solche Dinge muss sich                                                    mit ihnen die Menschen. Bürgermeis-
                                                  weit überlegen waren. 1985 wurde
       der Bürgermeister aneignen. Wer es                                                     ter müssen aber mehr sein als Tech-
                                                  ich in den Senat gewählt. Wir hatten
       nicht macht, büßt das. Er muss wissen,                                                 nokraten und Verwalter. Das erwarten
                                                  dort eine ausgezeichnete Bibliothek
       wie ein Haushalt aufgestellt, wie er                                                   die Bürgerinnen und Bürger. Es kommt
                                                  und Spitzenjuristen, die ich bei be-
       abgewickelt wird. Er muss sich in Bau-                                                 nicht nur auf die Gemeindeverwal-
                                                  sonders heiklen Fragen aufsuchte.
       vorschriften auskennen. Und er muss                                                    tung an, sondern auch auf das Klima
       wissen, wie er mit Spenden umgeht. Frage: Sie haben die Gebietsreform als              im Ort. Leben die Vereine, besonders
       Das ist heute viel strenger als früher.    Bürgermeister erlebt. Starnberg hat         die kulturellen Vereine, die Sportver-
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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       eine? Dann kommen Vereine dazu,            unter. Das führt dazu, dass der Ton       Frage: … Stichwort Windräder …
       auf welche die Gemeinde angewie-           und auch die Erwartungshaltung der        Thallmair: … ein Musterbeispiel.
       sen ist, etwa die Feuerwehr, in Starn-     Parteien eine andere geworden ist.
       berg die Wasserwacht. Diese Vereine        Man erwartet von dem Repräsentan-         Frage: Gibt es noch Achtung und Res-
                                                                                            pekt vor den kommunalen Mandatsträ-
       bringen viel ehrenamtliches Engage-        ten, dass er auf den andern draufhaut.
                                                                                            gern und der Verwaltung in den Rat-
       ment mit. Das muss der Bürgermeis-         Ich bedauere das, weil ich immer Wert
                                                                                            häusern?
       ter unterstützen. Zieht er sich auf das    drauf gelegt habe, dass man im Ton
       reine Verwalten und technokratische        klar ist, aber die Form wahrt.            Thallmair: Ja. Es kommt allerdings
       Dasein zurück, dann ist er fehl am                                                   darauf an, dass die Bürgerinnen und
       Platz.                                                                               Bürger auch den Eindruck haben, dass
                                                  Frage: Wir haben jetzt viel über die
                                                                                            ihre Ansprechpartner sie ernst nehmen,
       Frage: Geht es heute überhaupt noch        Rathäuser geredet, wie verhält es sich
                                                                                            dass sie kompetent sind, dass sie be-
       ehrenamtlich? Wie haben sich die Auf-      mit der Bürgerschaft? War sie früher
                                                                                            reit sind, sich entsprechend einzuset-
       gaben der Kommunen gewandelt?              pflegeleichter als die heutigen „Wut-
                                                                                            zen. Ich meine schon, dass die Werte
                                                  bürger“?
       Thallmair: Nach der Gebietsreform                                                    Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Einsatzbe-
       gibt es die ganz kleinen Gemeinden                                                   reitschaft heute genauso gesehen wer-
       nicht mehr. Der ehrenamtliche Bürger-      Thallmair: Die Bürgerschaft war ins-      den wie früher und dass sie auch ak-
       meister, der noch durchaus vorkommt,       gesamt nicht pflegeleichter. Wir ha-      zeptiert werden. Ich muss mit dem
       ist im Schwinden begriffen. In Bayern      ben untereinander, oder von den Bür-      Bürger offen reden, ich muss mir nicht
       hat er zwei Aufgabenbereiche: Er ist       gern zu den Politikern, durchaus Klar-    alle Hintertürchen offen lassen. Ich
       auf der einen Seite Vorsitzender des       text gesprochen – aber nicht in der       sage das auch bei Beschwerden über
       Rats, auf der anderen Seite Chef der       Öffentlichkeit. Das ist anders gewor-     den Verkehr. Es wird nie so funktio-
       Verwaltung. Als Chef der Verwaltung                                                  nieren, wie es der einzelne Eigen-
       erwartet man von ihm Managerfähig-                                                   tümer in seiner Straße haben will.
       keiten. Er muss sich ständig fortbil-                                                Zum Beispiel Tempo-30-Zonen. Es
       den, um auf der Höhe der Zeit sein,                                                  sind meist immer die dortigen Anlie-
       die Rechtsprechung einigermaßen ken-                                                 ger, die zu schnell fahren.
       nen und auch verfolgen. Das kann man                                                 Frage: Stichwort Service-Gesellschaft:
       von einem ehrenamtlichen nur dann                                                    Diesem Gedanken muss sich doch auch
       verlangen, wenn er es in Wirklichkeit                                                das Rathaus anpassen und einen um-
       als Ganztagsarbeit macht. Und das                                                    fassenden Service für die Bürger bieten?
       kann man wiederum nicht ohne wei-                                                    Thallmair: Natürlich. Das haben wir
       teres verlangen. Es gibt Landwirte, die                                              schon zu meiner Zeit im Bayerischen
       von ihrer Familie freigestellt werden,                                               Gemeindetag sehr stark thematisiert:
       aber es wird sich langsam durchset-                                                  der Bürger als Kunde. Einerseits will
       zen, dass die Bürgermeister hauptamt-                                                ich die Menschen für die ehrenamt-
       lich sind. Was ich persönlich durchaus      Ehrenpräsident Heribert Thallmair
                                                                                            liche Tätigkeit in der Gemeinde ge-
       bedauere. Der ehrenamtliche Bürger-                                                  winnen, dann muss ich andererseits
       meister hatte schon seine Vorteile, et-    den. Es gibt heute das Internet, Face-
                                                                                            bei ihren Anliegen Dienstleister sein.
       wa die persönliche Unabhängigkeit.         book, die verschiedenen Medienver-
                                                                                            Das geht bei Ausweisen und Auskünf-
                                                  treter, an die man sich sofort wendet,
       Frage: War der Umgang miteinander                                                    ten los und reicht bis zu Baurechts-
                                                  wenn man meint, dass man nicht
       in den Gremien Ihrer Zeit anders als                                                 fragen. Ich darf den Bürger nicht als
                                                  durchkommt. Das heißt, auch dort ist
       heute?                                                                               Bittsteller vor mir sehen, dem ich gnä-
                                                  die Bereitschaft, los zu poltern, viel
                                                                                            diger Weise etwas gebe. Ich muss ihn
       Thallmair: Es hat immer politische         größer geworden als früher. Pflege-
                                                                                            akzeptieren.
       Auseinandersetzungen gegeben und           leichter? Die Leute haben sich früher
       es wird sie immer geben. Anders war        schon auch gerührt. Sie sind zu mir       Frage: Die Stadt Starnberg feiert heuer
       das Klima, und anders war der Ton. Ich     gekommen und haben mir den Kopf           ihr hundertjähriges Bestehen – wie der
       will nicht die Medien angreifen, aber      gewaschen, wenn sie gemeint haben,        Bayerische Gemeindetag. Wo sehen Sie
       wenn man so liest, was vor 40 Jahren       ich hätte in ihrer Sache falsch gehan-    Gemeinsamkeiten der Entwicklung, wo
       berichtet worden ist über Stadtrats-       delt. Aber man wahrte dabei immer         Unterschiede?
       sitzungen oder auch von Landtags-          noch eine gewisse Form. Heute ist es      Thallmair: Ich glaube, dass es da gar
       und Bundestagssitzungen und heute,         leider auch so, dass man den eigenen      keine großen Unterschiede gibt. Die
       dann sieht man, dass leider der ge-        Egoismus sehr schnell hinter einer        kommunalen Spitzenverbände sind
       hört wird, der am lautesten schreit.       Gruppe verstecken kann. Dem hängt         als Service-Einrichtungen für die Ge-
       Wer sich im Ton vergreift, wird zitiert.   man ein grünes Mäntelchen um, und         meinden, ihre Mitglieder, gegründet
       Wer rein sachlich argumentiert, geht       dann läuft die Sache.                     worden. Angesichts der Geschichte des
7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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       272 Bayerischer Gemeindetag 7/2012

       Bayerischen Gemeindetags, die ich          sein muss und die Gemeinden Lösun-          Das geht heute nicht mehr, es herrscht
       relativ lang verfolgt habe – ich war       gen brauchen.                               Distanz vor. Aber beide Seiten brau-
       über 18 Jahre Präsident des Gemein-        Ein anderes Thema ist die Breitband-        chen sich. Da spielt jetzt auch ganz
       detags – war es eine Parallelentwick-      verkabelung. Ich kann nicht behaup-         entscheidend die Konnexität mit hinein.
       lung. Wir haben immer versucht, den        ten, dass Stadt und Land gleichwertig       Frage: Sie hatten beim Amtsantritt als
       Städten und Gemeinden sehr frühzei-        sind, wenn ich mich nur auf die Ver-        Erster Vorsitzender die Solidarität aller
       tig Hilfe zu geben. Zwischen den Mit-      sorgung der Ballungsräume konzen-           Mitglieder des Gemeindetags auf Ihre
       gliedern und dem Verband hat es nie        triere. Weiter draußen brauchen wir         Fahnen geschrieben. Ist die kommunale
       eine Trennlinie gegeben.                   auch ein schnelles Internet.                Familie solidarischer geworden.
       Frage: Die Geschichte des Bayerischen      Frage: Hat sich die Position der Kom-       Thallmair: Ich sage uneingeschränkt
       Gemeindetags ist die Geschichte des        munen gegenüber dem Freistaat in den        ja. In der Zwischenzeit wissen alle:
       Gerangels um Geld nach dem Motto:          Jahrzehnten nach dem Zweiten Welt-          Wenn wir nicht mit einer Sprache
       Ohne Moos nichts los. Ist das der rote     krieg verändert?                            sprechen, werden wir nicht gehört.
       Faden durch die vergangenen hundert                                                    Nur gemeinsam sind wir stark. Wenn
       Jahre?                                     Thallmair: Hier hat sich tatsächlich        wir uns auseinander dividieren lassen,
                                                  sehr viel geändert. Die öffentliche Ver-    wenn jeder versucht, seinen Abgeord-
       Thallmair: Die Gemeindefinanzen wa-        waltung hat sich von der Ober- und
       ren immer ein Thema. Aber eben nur                                                     neten anders zu beeinflussen, dann
                                                  Unterordnung zur Gleichgewichtig-           klappt das nicht. Dieses Zusammen-
       ein Thema. Ich bin froh und auch ein       keit gewandelt. Das Verhältnis zwi-
       bisserl stolz, dass wir – gerade noch in                                               gehörigkeitsgefühl verstärken wir jetzt
                                                  schen Kommunen und Freistaat hat            ganz bewusst aus Anlass des 100-
       der Endphase meiner Tätigkeit – die        sich zu einer Partnerschaft gewandelt.
       Konnexität etablieren konnten, die                                                     jährigen Jubiläums. Alle sind einge-
                                                  Im Bayerischen Gemeindetag steht ein        laden, alle sollen kommen. Das zeigt,
       Verbindung von Aufgabe und ihrer           Präsident und ein Präsidium an der
       Finanzierung. Das war ein großer Er-                                                   dass dieses Zusammengehörigkeits-
                                                  Spitze, sie sind der politische Kopf. Sie   gefühl gewachsen ist.
       folg. Ohne den damaligen Innenminis-       agieren in Augenhöhe mit dem Minis-
       ter Beckstein hätten wir das nicht ge-                                                 Frage: Was waren die brennendsten
                                                  terpräsidenten und der Staatsregie-
       schafft. Weil der Landtag durchaus er-                                                 Themen Ihrer Präsidentschaft, wurden
                                                  rung. Die Geschäftsstelle des Gemein-
       kannt hat, dass er damit Kompetenz                                                     sie abgearbeitet?
                                                  detags mit dem Geschäftsführenden
       verliert. Wenn der Landtag etwas be-       Präsidialmitglied und den sehr hoch         Thallmair: Sie sind abgearbeitet, wo-
       schließt, muss er sich Gedanken ma-        qualifizierten Mitarbeiterinnen und         bei manche ein Dauerprozess sind.
       chen, wie es finanziert wird. Aber der     Mitarbeitern steht in Augenhöhe mit         Ich würde meine größten Probleme
       Bayerische Gemeindetag hat sich nie        den Ministerien.                            so zusammenfassen: Ich habe den
       ausschließlich mit den Finanzen be-                                                    Verband übernommen, als die Folgen
       fasst.                                     Frage: Was ist in der Zusammenarbeit        der Gebietsreform noch ganz frisch
                                                  mit der Staatsregierung und den Minis-      waren. Der Sinn der Gebietsreform
       Frage: Um welche Themen ging es noch?      terien über die Jahre anders geworden?      war, die Finanz- und Verwaltungskraft
       Thallmair: Ein Thema, das heute kei-       Thallmair: Persönlich hatte ich be-         der Gemeinden zu stärken. Sonst hät-
       ne große Rolle mehr spielt, war die        züglich der Zusammenarbeit mit Staats-      te es keine Rechtfertigung für diese
       Abwasserbeseitigung. Heute gilt sie        regierung und Landtag einen großen          Reform gegeben. Wir hatten damals
       als selbstverständlich. Nehmen Sie         Vorteil gegenüber meinem Nachfol-           diese Nachfolgeprobleme zu lösen,
       einmal die Ringkanalisation Starnber-      ger. Ich war Mitglied des Senats, über      insbesondere bei den Verwaltungs-
       ger See. Millionen hat die gekostet,       15 Jahre lang. Ich war mit dem Vorsit-      gemeinschaften. Da hat es jahrelang
       Millionen für jede Gemeinde. Letztlich     zenden des Finanz- und Haushalts-           gegärt. Viele sind sogar ausgetreten
       hat es der Bürger bezahlt. Heute ste-      ausschusses, Richard Wengenmeier,           und haben versucht, wieder eigen-
       hen andere Themen im Mittelpunkt:          befreundet. Kommunale Angelegen-            ständige Gemeinden zu werden. Das
       Die Energiewende. Wo wird die voll-        heiten haben wir im Landtag ganz            ist die eine Seite.
       zogen? Nur auf dem Gebiet der Ge-          offen miteinander besprochen. Ich           Die andere Seite ist, wie ein rotes
       meinden. Also müssen Staat und Kom-        musste nicht extra um einen Termin          Band, der Kampf um die Konnexität.
       munen an einem Strang ziehen, wenn         bitten. Ich habe ihm unsere Situation       Wer die Musik bestellt, muss sie auch
       sie Erfolg haben wollen. Oder die          geschildert und er hat gesagt, was der      bezahlen. Wir hatten mit Roman Her-
       Demografie. Sie spielt in weiten Be-       Staat machen kann. Mit dem Vorsit-          zog, der das einmal sagte, einen
       reichen des Verbandes, in Oberfran-        zenden des innenpolitischen Aus-            Kämpfer für unsere Sache. Dafür er-
       ken, in der nördlichen Oberpfalz, auch     schusses, Herbert Kempfler, zuständig       hielt er den Preis des Bayerischen Ge-
       in Teilen Niederbayerns und in Teilen      für Kommunales, war es genauso. Wir         meindetags. Mit der Konnexität, bei
       von Unterfranken, eine riesige Rolle.      haben uns in den Pausen eine Stunde         der wir immer eine klare Linie vertra-
       Es treten also immer wieder neue           zusammengesetzt, miteinander Kaffee         ten, haben wir heute die Bayerische
       Felder auf, in denen der Verband tätig     getrunken und die Dinge besprochen.         Verfassung auf unserer Seite.
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                                                                                            7/2012 Bayerischer Gemeindetag          273

       Der nächste Punkt, heute fast verges-    der Notar ist zum Rechtsreferendar           Mensch, gibt es, wenn ich an Starn-
       sen, ist 1989 die Wende gewesen. Der     befördert worden.“ Im Übrigen bin            berg denke, viele Möglichkeiten. Vom
       Gemeindetag hat gewaltige Anstren-       ich der Meinung, man kann so etwas           Kunstkreis Bucentaur über den Mu-
       gungen unternommen, Hilfe zu leis-       wie Bürgermeister nicht planen. Das          sikkreis bis hin zu den Musikkapellen.
       ten. In Holzkirchen hatten wir mit dem   muss sich aus der Situation heraus er-       Keiner hat so eine enge Beziehung zu
       damaligen Innenminister Dr. Stoiber      geben, und die Bürger müssen mit-            einem Land oder einem Staat. Die Ge-
       1200 Kommunalpolitiker aus Thürin-       machen. Wenn einer das Amt koste es          meinde stellt einen Rahmen, ausfül-
       gen und Sachsen bei uns. Viele Ge-       was es wolle anstrebt, merken die            len müssen ihn die Bürger. Wenn der
       meinden, auch die Stadt Starnberg,       Wähler, dass er nur Karriere machen          Rahmen stimmig ist, und die Bürger
       haben Mitarbeiter in Gemeinden in        will.                                        mitmachen, dann ist diese Geborgen-
       Thüringen und Sachsen geschickt, um                                                   heit, ist diese Heimat gegeben. Herr
                                                Frage: Nehmen Sie im Ruhestand noch
       dort den Aufbau der kommunalen                                                        Heesters war jetzt zum Ende hin ein
                                                Anteil an den Geschicken des Gemein-
       Selbstverwaltung voranzutreiben und                                                   alter Mann, aber vorher war er mit
                                                detags sowie an der Kommunal- und
       sie mit Sachwissen auszustatten.                                                      dem Pfarrer Hindelang immer bereit,
                                                Landespolitik?
                                                                                             mitzumachen, bei Altenabenden und
       Dann kamen Einzelthemen. Ich denke
                                                Thallmair: Ja, sehr. Das Präsidium war       dergleichen. Oder Herr Rühmann in
       heute noch mit Stolz an unsere 75-
                                                so entgegenkommend, mich zu ko-              Berg, er war für mich so ein Vorbild. An
       Jahr-Feier zurück, das war 1987 im
                                                optieren. Ich komme fast zu jeder            Weihnachten hat er für die Bürger
       Kongresssaal des Deutschen Muse-
                                                Sitzung. Wenn es irgendwie geht,             Weihnachtsgeschichten gelesen. Oder
       ums. Wir haben damals immerhin
                                                nehme ich Anteil. Ich habe einen Vor-        in Krailling der Herr Bayrhammer. Das
       3500 Kommunalpolitiker zusammen-
                                                teil: Als ehemaliger Senats-Präsident        sind für mich Persönlichkeiten, die
       gebracht. Franz-Josef Strauß hat die
                                                werde ich heute noch vom jeweiligen          bereit waren, der Gemeinschaft, in der
       Festrede gehalten. Das war auch ein
                                                Präsidenten des Landtags zu festli-          sie sich wohlfühlen, etwas zurück-
       Zeichen der Zusammengehörigkeit.
                                                chen Veranstaltungen eingeladen, ob          zugeben. Gerade in einer globalisier-
       Wir haben nach außen gezeigt, wir
                                                Schleißheim oder parlamentarische            ten Welt wäre der Einzelne verloren.
       sind ein starker Verband. Und wenn’s
                                                Weihnachtsfeier. Darüber freue ich           Er braucht irgendetwas, wo er sich
       darauf ankommt, sind wir alle da.
                                                mich. Das bietet die Möglichkeit, Ge-        noch auskennt, wo er noch mitma-
       Das nächste, worauf ich stolz bin, ist   spräche zu führen. Ansonsten verfol-         chen kann. Das ist die Gemeinde.
       die KOMMUNALE. Nach Nürnberg zu          ge ich über die Presse insbesondere
       gehen und dort eine kommunale            die Geschehnisse in meiner Heimat-
                                                                                                      Interview: Manfred Hummel
       Messe zu veranstalten, dient auch der    stadt – und denke mir meinen Teil. Ich
       Zusammengehörigkeit.                     habe aber meinen jeweiligen Nach-
                                                folgern versprochen, mich nicht ein-
       Frage: Wenn Sie noch einmal auf die                                                    Zur Person: Der Jurist Heribert Thallmair,
                                                zumischen.
       Welt kämen, würden Sie wieder Kom-                                                     geboren 1936 in Roth bei Nürnberg, zog
       munalpolitiker werden?                   Frage: Globalisierung, Energiewende,          1966 für die CSU in den Starnberger
                                                Eurokrise, Lebensmittelskandale, Rück-        Stadtrat und Kreistag ein. Als Nachfolger
       Thallmair: Das kann ich nicht beant-
                                                tritt des Bundespräsidenten, die Welt         von Rudolf Widmann (FDP) war er von
       worten. Ich bin durch meinen Vater
                                                scheint aus den Angeln zu sein. Ist die       1969 bis 2002 Erster Bürgermeister der
       zur Kommunalpolitik gekommen. Er
                                                Gemeinde noch ein Hort der Geborgen-          Stadt Starnberg. 1984 wählte ihn der
       war Stadtrat und Kreisrat. Aus Alter-
                                                heit und des Heimatgefühls?                   Bayerische Gemeindetag zum Präsiden-
       gründen wollte er aufhören. Die Wahl
                                                                                              ten. Von 1994 bis 1995 und von 1998 bis
       ist auf mich gefallen. Ich habe mich     Thallmair: Sehr persönlich gesprochen,        2000 war Thallmair auch Präsident des
       vorher nicht sehr für Kommunalpoli-      ja. Die Gemeinde, die örtliche Gemein-        Deutschen Städte- und Gemeindebunds.
       tik interessiert. Ich bin dann aber an   schaft, ist Heimat. Das ist ein über-
                                                                                              Von 1996 bis 1999 war er Präsident des
       fast aussichtslosen Positionen gewählt   schaubarer Raum, in den ich mich
                                                                                              schließlich durch Volksentscheid aufge-
       worden, mit dem Namen meines             selbst einbringen und ehrenamtlich
                                                                                              lösten Bayerischen Senats. 2002 wurde er
       Vaters. Landrat Dr. Irlinger hat mir     tätig sein kann. Als Sportler kann ich
                                                                                              zum Ehrenpräsidenten des Bayerischen
       damals auf die Schulter geklopft und     mich in den Sportvereinen engagie-            Gemeindetages ernannt.
       gesagt: „Da haben aber viele gemeint,    ren. Bin ich ein kulturell interessierter
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       274 Bayerischer Gemeindetag 7/2012

       Nichts hält ewig und so müssen
       auch Straßen irgendwann ver-
                                               Straßenausbaubeiträge –                              rechtswidrig, wird er aufgehoben;
                                                                                                    ist er rechtmäßig, dann nicht.
       bessert oder grundlegend saniert               kontrovers                                     Gibt es einen Ausweg aus die-
       werden, insbesondere mit Blick
       auch auf die Verkehrssicherheit.                                                              sem System? Zur Erhaltung der
       Soweit es sich hierbei um Orts-                                                               Infrastruktur werden die Beitrags-
       straßen handelt, also um Stra-                                                                erhebungen notwendig sein.
       ßen, die der Erschließung von                                                                 Man könnte natürlich daran
       Grundstücken innerorts dienen,                                                                denken, die Standards zu sen-
                                                           Cornelia Hesse,
       besteht nach bayerischer Rechts-                                                              ken. Ob dies angesichts der Ver-
                                                      Bayerischer Gemeindetag                        kehrsentwicklung möglich ist,
       lage für die Gemeinden regel-
       mäßig die Verpflichtung, die Bür-                                                             wird sich zeigen. Auch der Staat
       ger an den Kosten zu beteiligen. Auf        angenommen, wirft den Gemeinden            sollte dann z.B. im Rahmen der Städ-
       der Basis der gesetzlichen Vorgaben         pauschal „Abzocke“ und „Gebühren-          tebauförderung seine Anforderungen
       im Kommunalabgabengesetz, das am            wahnsinn“ vor und stellt die Gemein-       absenken, damit sich die Belastung
       1. Juli 1974 in Kraft getreten ist, haben   den Bayerns in einer sehr tendenziö-       der Bürger in Grenzen hält. Vielleicht
       dementsprechend die Gemeinden               sen Berichterstattung an den Pranger.      muss man auch über andere Finanzie-
       Satzungen zu erlassen, die die Vertei-      Man hätte sich hier eine sachlichere       rungsmöglichkeiten nachdenken, wie
       lung des Kostenaufwands zwischen            Behandlung gewünscht. Es mag durch-        z.B. eine Straßenmaut, was allerdings
       Gemeinde und Bürger festlegen unter         aus sein, dass Straßenbaumaßnah-           nach unserem derzeitigen Rechtssys-
       Berücksichtigung der umfangreichen          men im Einzelfall teuer sind, was ver-     tem, das eine gebührenfreie Straßen-
       Rechtsprechung des Bayerischen Ver-         schiedenste Ursachen haben kann            benutzung vorsieht, nicht möglich ist.
       waltungsgerichtshofs. Die Gemeinden         (z.B. geologische und topografische        Eine Finanzierung über die Anhebung
       haben die Abgaben nach Maßgabe              Gegebenheiten). Nachdem aber die           der Grundsteuer käme als alternative
       der gesetzlichen Regelungen zu er-          Gemeinden bei diesen Maßnahmen             Finanzierungsmöglichkeit theoretisch
       heben.                                      stets einen Eigenanteil zu überneh-        nach entsprechender Gesetzesände-
       Das Bayerische Fernsehen hat sich in        men haben, der in Einzelfällen bis zu      rung zwar in Betracht, der Blick in an-
       letzter Zeit mehrfach dieses Themas         85% betragen kann, wird keine Ge-          dere Bundesländer hat aber gezeigt,
                                                   meinde interessiert sein, Geld für         dass auch eine solche Finanzierung
                                                   Luxusmaßnahmen zum Fenster hin-            nicht unumstritten ist. Im Übrigen
                                                   aus zu werfen. Und um es klar zu for-      wären solche Steuermittel nicht zweck-
                                                   mulieren, die Gemeinde darf auch           gebunden für den Straßenbau zu ver-
                                                   nicht auf Beitragsforderungen verzich-     wenden.
                                                   ten. Die Nichterhebung von Beiträgen
                                                   stellt einen Verstoß gegen die Ver-        Fazit:
                                                   mögensbetreuungspflicht dar, so dass       Mit Blick auf die finanziellen Belastun-
                                                   damit der Tatbestand der Untreue           gen, die von den Gemeinden zu tra-
                                                   gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein       gen sind, wobei nur – stellvertretend
                                                   kann. Es erstaunt daher schon, wenn        für viele – auf die Kosten für die Kin-
                                                   aus den Reihen des Bayerischen Land-       derbetreuung hingewiesen wird, sehe
                                                   tags Bürger aufgefordert werden, Pe-       ich derzeit keinen Ausweg aus dieser
                                                   titionen gegen Beitragserhebungen          Finanzierung. Wie so häufig wird der
                                                   einzulegen – man werde es dann             „Schwarze Peter“ aber trotzdem den
                                                   schon richten. In unserem Rechtssys-       Gemeinden zugeschoben. Ich habe
                                                   tem ist es aber so, dass ein rechtswid-    wieder mal fertig.
                                                   riger Beitragsbescheid mit Wider-
                                                   spruch und/oder Klage beim Verwal-
                                                   tungsgericht angefochten werden kann.
                                                   Dort wird dann geklärt werden, ob
                                                   die Abgabenerhebung zu Recht oder
        Cornelia Hesse
                                                   zu Unrecht erfolgt ist. Ist der Bescheid
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                                                                                               7/2012 Bayerischer Gemeindetag      275

       Um dem drohenden Ärzteman-
       gel im ländlichen Raum zu be-
                                                    Ärztliche Versorgung                               2. Niederlassungswilligen Ärz-
                                                                                                       tinnen und Ärzten im ländli-
       gegnen, legt der Freistaat end-                                                                 chen Raum soll ihre Entschei-
       lich ein Förderprogramm auf.                                                                    dung hierzu finanziell erleich-
       Der Bayerische Gemeindetag                                                                      tert werden. In Planungsberei-
       weist seit Jahren auf die sich ab-                                                              chen, in denen eine Unterver-
       zuzeichnende schwierige Situa-                                                                  sorgung oder nahezu eine Un-
       tion bei der Sicherstellung der                                                                 terversorgung zu befürchten ist
       ambulanten ärztlichen Versor-                         Gerhard Dix,                              und kein Ersatz für über 60-
       gung in weiten Teilen Bayerns                                                                   jährige Hausärzte zu finden ist,
                                                       Bayerischer Gemeindetag
       hin. Die Überalterung gerade bei                                                                kann eine Niederlassung mit
       den Hausärzten und die man-                                                                     60.000 Euro unterstützt werden.
       gelnde Bereitschaft junger Medizine-         hin keine Unterversorgung erkennen          Über eine sogenannte Härtefallklau-
       rinnen und Mediziner, sich im länd-          will. Das mag ja statistisch gesehen in     sel können im Einzelfall besonders
       lichen Raum niederzulassen, führen           den großen Planungsbereichen rich-          schwierige Fälle auch in anderen Be-
       bereits heute schon zu Praxisschlie-         tig sein. Es hilft aber den Patientinnen    reichen gefördert werden. Diese För-
       ßungen. Für die kommenden Jahre              und Patienten im Ort wenig, wenn sie        derung greift allerdings nur dann,
       muss gerade im nördlichen und öst-           dort vor verschlossenen Arztpraxen          wenn sich der Hausarzt in einer Ge-
       lichen Bayern mit weiteren Praxis-           stehen.                                     meinde mit maximal 25.000 Einwoh-
       schließungen gerechnet werden. Da-                                                       nern niederlässt. Hierfür stellt der
                                                    Aus diesen Gründen fordert der Baye-
       her nimmt der Druck auf die Gemein-                                                      Freistaat 2 Millionen Euro im Nach-
                                                    rische Gemeindetag bereits seit län-
       den verstärkt zu, entsprechende Rah-                                                     tragshaushalt 2012 bereit.
                                                    gerer Zeit die Bayerische Staatsregie-
       menbedingungen zur Gewinnung von                                                         3. Medizinstudierende, die sich ver-
                                                    rung dazu auf, geeignete Maßnah-
       Ärztinnen und Ärzten zu schaffen.                                                        pflichten, nach der Facharztweiterbil-
                                                    men zu ergreifen.
       Nur: Die Gemeinden sind gesetzlich                                                       dung für eine bestimmte Zeit im länd-
       hierzu gar nicht verpflichtet. Der Sicher-   Mit Schreiben vom 13.06.2012 an den         lichen Raum als Ärztin oder Arzt tätig
       stellungsauftrag liegt bei der Kassen-       Bayerischen Gemeindetag informiert          zu sein, erhalten längstens für vier
       ärztlichen Vereinigung, die aber vie-        nunmehr der zuständige Staatsminis-         Jahre ein Stipendium in Höhe von
       lerorts auch nur kopfschüttelnd vor          ter für Umwelt und Gesundheit, Dr.          300 Euro im Monat. Dieses ist nicht
       dieser Entwicklung steht und weiter-         Marcel Huber, MdL, über ein staatliches     zurück zu zahlen, wenn die Ärztin
                                                    Förderprogramm für eine zukunfts-           bzw. der Arzt mindestens fünf Jahre
                                                    sichere ärztliche Versorgung im länd-       im ländlichen Raum im ambulanten
                                                    lichen Raum. So sollen im Nachtrags-        oder stationären Bereich tätig ist. Ins-
                                                    haushalt 2012 zusätzliche Mittel in         gesamt stellt der Freistaat hierfür im
                                                    Höhe von 4,5 Millionen Euro bereitge-       Nachtragshaushalt 1 Million Euro zur
                                                    stellt werden. Das Förderprogramm           Verfügung.
                                                    besteht aus drei Teilen:
                                                                                                Mit diesem Förderprogramm sendet
                                                    1. Für innovative medizinische Ver-         der Freistaat ein erstes Signal aus,
                                                    sorgungskonzepte werden in den kom-         dass er die Situation der ärztlichen
                                                    menden drei Jahren maximal 50 Pro-          Versorgung im ländlichen Raum er-
                                                    zent der förderfähigen Projektkosten,       kannt hat und dem drohenden Ver-
                                                    höchstens jedoch 200.000 Euro pro           sorgungsengpass begegnen will. Das
                                                    Projekt gefördert. Unter innovativ wer-     Förderprogramm ist ein staatliches,
                                                    den Projekte verstanden, mit denen          aber noch kein stattliches. Da ist noch
                                                    dem Strukturwandel im Gesundheits-          viel Luft nach oben.
                                                    wesen modellhaft begegnet werden
                                                    kann. Das können zum Bespiel Ärzte-
                                                    häuser mit besonderen familienfreund-
                                                    lichen Arbeitszeitmodellen sein oder
        Gerhard Dix
                                                    aber auch neue Organisationsformen
                                                    des Bereitschaftsdienstes.
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