7/2012 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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U1:U1 03.07.2012 9:55 Uhr Seite 1 BAYERISCHER GEMEINDETAG • Verband kreisangehöriger Städte, B 6015 E Märkte und Gemeinden • Körperschaft des öffentlichen Rechts Bayerischer Gemeindetag 7/2012 BAYERISCHEN GEMEINDETAGS Die Zeitschrift des Historisches Rathaus der Stadt Burgkunstadt (Lkrs. Lichtenfels) Der Bayerische Gemeindetag im Internet: http://www.bay- gemeindetag.de Die Geschäftsstelle ist gleichzeitig über folgende e-mail-Adresse erreichbar: baygt@bay-gemeindetag.de
U2:U2 03.07.2012 10:07 Uhr Seite 1 Bayerischer Gemeindetag Inhaltsverzeichnis QuintEssenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Dr. Brandl: Energiewende: Gemeinden, Sparkassen und Bürger in einem Boot . . . . . . . . . . 267 Informationen des Bayerischen Gemeindetags im Juni 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Thallmair: Die Gemeinde, die örtliche Gemeinschaft, das ist Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Hesse: Straßenausbaubeiträge – kontrovers . . . . . 274 Dix: Ärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Aktuelles aus Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 VERWALTUNG Einheitsaktenplan und Verzeichnis der Aufbewahrungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Kommunale Risikomanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . 281 FINANZEN + STEUERN Grundlagen der Kommunal- verwaltung für Quereinsteiger in der Finanzverwaltung . . . . . 281 KOMMUNALWIRTSCHAFT Benchmarking Abwasser Bayern 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 SPORT Stadtradeln 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 STRASSEN + VERKEHR E-Bike Award 2012 ausgeschrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 LAND- + FORSTWIRTSCHAFT Kronenzustands- erhebung 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 VERSCHIEDENES Grundlagen der Wirtschaftsförderung . . 284 LAND- + FORSTWIRTSCHAFT Waldtag Bayern 2012 . . . . 284 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 KAUF + VERKAUF Tragkraftspritzen und Rettungssatz . . . . 285 Seminarangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen im zweiten Halbjahr 2012 . . . . . . . 288 In letzter Minute Kommunaler Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Übersendung von Gerichtsentscheidungen an die Geschäftsstelle Die Auskunfts- und Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle hängt in einem hohen Maße davon ab, wie gut der Informationsfluss zwischen Mitgliedskörperschaften und der Geschäftsstelle ist. Wir bitten deshalb unsere Mitglieder dringend, uns gerichtliche Entscheidungen umgehend zu überlassen und uns über anhängige Verfahren bei den Verwaltungsgerichten oder bei den obersten Bundesgerichten zu informieren, damit andere Mitglieder schnell und zeitnah von diesen Erfah- rungen profitieren können.
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:40 Uhr Seite 265 Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz Wichtiges in Kürze 265 Energieversorgung Kommunalabgaben Sparkassen und Straßenausbau- Energiewende beiträge – kontrovers Auf dem bayerischen Sparkassentag Dass niemand gerne Geld bezahlt, am 27. Juni 2012 in Amberg nahm ist eine Binsenweisheit. Wenn es aber Gemeindetagspräsident Dr. Uwe um Straßenausbaubeiträge geht, kocht Brandl an der Diskussion zur Ener- die Volksseele regelmäßig hoch. Und giewende teil. Er war der Meinung, wenn dann auch noch die Medien dass Gemeinden, Sparkassen und das Thema „anschüren“ – durch ei- Bürger bei der Energiewende in einem ne tendenziöse Berichterstattung –, Boot sitzen. Er wies darauf hin, dass dann geraten Gemeinden und Städ- das bayerische Energiekonzept bis te schnell in eine Abwehr- bzw. Ver- zum Jahr 2021 einen Bezug von 15 teidigungshaltung. Prozent des benötigten Stroms aus Dabei vollziehen sie doch nur gel- bayerischen Anlagen vorsieht, die er- tendes Recht. Das Kommunalabga- neuerbare Energien produzieren. An bengesetz schreibt den Kommunen dieser Stelle kommen Bayerns Ge- geradezu vor, dass sie Satzungen für meinden und Bayerns Bürger ins die Erhebung von Straßenausbau- Spiel und damit auch deren Finan- beiträgen erlassen sollen. Wer dies ziers an vorderster Stelle, also die nicht tut, handelt demgemäß eigent- bayerischen Sparkassen. Er warnte Übertragungsbedarf im deutschen lich dem gesetzgeberischen Willen davor, sich unbesehen auf die Re- Stromnetz bis 2022 – benötigte zuwider. kommunalisierung der Stromnetze Neubauten von Gleichstrom- und Wechselstromleitungen Cornelia Hesse von der Geschäfts- zu stürzen. Nur überörtliche Netz- stelle des Bayerischen Gemeinde- einheiten mit einem ausgewogenen tags stellt auf Seite 274 die derzei- Mischungsverhältnis von Stadt und Heribert Thallmair tige „Gefechtslage“ dar und lässt ihr Land kommen als Option für kom- – berechtigtes – Unverständnis über munale Zusammenschlüsse in Be- Die Gemeinde – das ist eine einseitige Medienberichterstat- tracht. Heimat tung zu dieser Thematik durchschei- Beim Bau der erforderlichen zusätz- nen. lichen 1.000 bis 1.500 Windkraftan- Vor zehn Jahren trat Heribert Thall- lagen ist eine ordentliche Standort- mair vom Amt des Präsidenten des planung unerlässlich. Bestmögliche Bayerischen Gemeindetags ab. Als Fortbildung Planungsergebnisse werden in diesem Ehrenpräsident des Bayerischen Ge- meindetags nimmt er weiterhin an Neue Seminarangebote Zusammenhang durch eine in enger Abstimmung und übergemeindlicher den Beratungen des Präsidiums des für Mitarbeiterinnen Zusammenarbeit gestaltete Flächen- Verbands teil und ist gern gesehener und Mitarbeiter nutzungsplanung erzielt. Gast in der Geschäftsstelle. Auf den Auf den Seiten 286 und 287 finden Projekte, bei denen sich Bürger und Seiten 270 bis 273 finden Sie ein Sie eine Übersicht der Seminarange- Gemeinden gemeinsam unterneh- kürzlich dem Journalisten Manfred bote für Mitarbeiterinnen und Mit- merisch betätigen, klingen höchst Hummel gegebenes Interview, das arbeiter in den Kommunalverwal- interessant. Dann nämlich finden interessante Einblicke in die Seelen- tungen im zweiten Halbjahr 2012. sich einerseits die Gemeinden als welt des Ehrenpräsidenten Thallmair Erfahrungsgemäß sind die Seminare Träger der Aufgabe Stromversor- gewährt und darüber hinaus span- relativ schnell ausgebucht. Es lohnt gung und die Bürger als Leistungs- nende Entwicklungstendenzen auf- daher, sich rasch einen Überblick zu empfänger der Aufgabe im selben zeigt, die ein politik- und menschen- verschaffen, in welchen Bereichen Boot wieder. Insoweit müssen die erfahrener Mann mit der ihm eige- die Kommunalwerkstatt des Bayeri- Vorgaben der Gemeindeordnung be- nen Souveränität darstellt. Bezeich- schen Gemeindetags Fortbildungs- achtet werden, wonach eine Beteili- nend beispielsweise die Art der poli- angebote bereithält. gung von Gemeinden und Unter- tischen Auseinandersetzungen da- nehmen stets einhergehen muss mit mals und heute: Während früher einem maßgeblichen Einfluss auf offenbar Sachlichkeit auf kommu- Gesundheitswesen die Unternehmensführung. Genos- nalpolitischer Ebene von einigem senschaftsmodelle können nur über Wert war, zählt heute in erster Linie Ärztliche Versorgung sogenannte Zentralgenossenschaf- geschicktes Marketing – um es in Bayern ten erfolgreich sein. Nur dann näm- freundlich zu sagen –, wenn man Um dem drohenden Ärztemangel lich entsprechen sie der gesetzlichen gehört oder gesehen werden will. im ländlichen Raum zu begegnen, Grundlage. Auf den Seiten 267 bis Eine bedauerliche Entwicklung! Die legt der Freistaat ein Förderprogramm 269 finden Sie die Ausführungen Redaktion meint: Ein erfrischendes auf, das der Forderung des Bayeri- des Präsidenten. Interview mit Tiefgang. schen Gemeindetags im Wesentli-
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:40 Uhr Seite 266 Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz Die Steuereinnahmen fallen in den kommenden Jahren besser aus als im Mai erwartet. Nach den Be- rechnungen der Steuerschätzer können Bund, Länder und Gemeinden 2011 mit 16,2 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen, als noch bei der letzten Schätzung im Mai angenommen worden war. Insgesamt wurden die Steuereinnahmen des Staates für das laufende Jahr auf 571,2 Milliarden Eu- 266 ro veranschlagt - 40,6 Milliarden mehr als 2010. chen entspricht. Zusätzliche Mittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro sol- len im Nachtragshaushalt 2012 be- reit gestellt werden, um innovative medizinische Versorgungskonzepte zu fördern, niederlassungswilligen Ärztinnen und Ärzten im ländlichen Raum finanziell unter die Arme zu greifen und Medizinstudenten, die sich verpflichten nach der Facharzt- weiterbildung für eine bestimmte Zeit im ländlichen Raum als Ärztin oder Arzt tätig zu sein, ein Stipen- dium in Höhe von 300 Euro im Mo- nat zu gewähren. Auf Seite 275 stellt Gerhard Dix, zuständiger Refe- rent in der Geschäftsstelle des Baye- rischen Gemeindetags, die neue Ini- tiative des Freistaats vor. Der Durchschnittsmann in Deutschland ist 1,78 Meter groß und wiegt 83,4 Kilogramm. Die Durchschnittsfrau ist 1,65 Meter groß und 68,1 Kilogramm Finanzausgleich schwer. Das ergibt die Auswertung des Mikrozensus 2009 des Statistischen Bundesamtes. Ein Blick in die einzelnen Altersgruppen zeigt, dass sowohl Kommunaler Männer als auch Frauen in den älteren Jahrgängen kleiner sind. Sind Frauen in der Altersgruppe 18 bis 40 Jahre 1,67 Meter groß, sind sie im Alter von 65 Finanzausgleich 2013 Jahren und mehr mit durchschnittlich 1,63 Meter vier Zentimeter kleiner. Die Unter der Rubrik „In letzter Minute“ ab 65-jährigen Männer sind mit 1,74 Meter sechs Zentimeter kleiner als die finden Sie das diesjährige Rund- 18- bis 40-jährigen. Was das Gewicht des durchschnittlichen Bundesbürgers schreiben des Bayerischen Gemein- angeht, so scheint dieser ab dem 40. Lebensjahr zu Übergewicht zu neigen. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern liegt der sogenannte Body-Mass- detags zum Ergebnis des Kommu- Index bei über 39-Jährigen über dem Wert von 25. Nach Weltgesundheits- nalen Finanzausgleichs 2013. Erst- organisation wird dies als übergewichtig eingestuft. mals ist es gelungen, eine struktu- relle Veränderung im System der Schlüsselzuweisungen zu erreichen. Der Eingangssatz bei der Einwohner- gewichtung konnte in einem ersten Schritt von 108 auf 112 Prozent an- gehoben werden. Damit wird der gestiegene Grundbedarf in allen Be- reichen besser berücksichtigt. Gleich- zeitig wurde der Großstadtzuschlag auf 150 Prozent begrenzt. Aus Sicht des Bayerischen Gemeindetags ist dies ein erfreulicher Einstieg in wei- tere notwendige Veränderungen, die demnächst verhandelt werden sol- len. Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl äußerte sich insgesamt sehr zufrieden über die erzielten Ergeb- nisse, die im Detail in diesem Heft nachgelesen werden können. 40,4 Prozent der Unfälle in Schulen, Hochschulen und in der Kinder-Tages- betreuung ereigneten sich im Jahr 2010 beim Sport. Damit war der Sport In eigener Sache Unfallursache Nummer eins. Das ergibt eine Auswertung der Deutschen Ge- setzlichen Unfallversicherung (DGUV), der jeder Unfall in den genannten Ein- Titelfotos richtungen gemeldet werden muss, der eine ärztliche Behandlung nach sich Herzlichen Dank für die Zusendung zieht. Jeder zweite der gemeldeten Sportunfälle ereignete sich beim Ball- schöner Rathausbilder. Eine Bitte: sport. Mit großem Abstand folgten das Geräte- und Bodenturnen, die Leicht- Die Redaktion freut sich auch über athletik sowie das Spiel an Kinderspielplatzgeräten. Insgesamt wurden 2010 Luftbildaufnahmen von Orten oder 1,3 Millionen Unfälle in Schulen, Hochschulen und Einrichtungen der Kinder- Tagesbetreuung gemeldet. Auf dem jeweiligen Weg dorthin geschahen 2010 Fotos anderer Einrichtungen (Bil- etwa 124 570 Unfälle. Rund 46 Prozent davon waren Fahrradunfälle. dungsstätten, Sozialeinrichtungen).
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 267 en Be- Euro 7/2012 Bayerischer Gemeindetag 267 rden en Eu- Energiewende: „Stark in der Region. Nah am Gemeinden, Sparkassen meindlichen Betätigungsfeldern Menschen“ lautet das Motto Ihrer aufzulösen. Ich nenne hier bei- Tagung. Es könnte genauso das und Bürger in einem Boot spielsweise die energetische Sa- Motto einer Landesversamm- nierung aller kommunalen Ge- lung des Bayerischen Gemein- bäude nach Auslauf des Kon- detags sein. Die bayerischen junkturpakets II, ich nenne den Sparkassen sind Teil der großen Bedarf von ca. 3 Mrd. Euro (pro kommunalen Familie. Dr. Uwe Brandl, Jahr wohlgemerkt!) für die Sa- Wenn es noch eines Beweises Präsident des nierung der in die Jahre gekom- für die herausragende Bedeu- menen Abwasserkanäle ein- Bayerischen Gemeindetags* tung regional aufgestellter Spar- schließlich der Grundstücksent- kassen bedurft hätte, die euro- wässerungsanlagen. Ich nenne päische Finanzkrise hat ihn erbracht: Wenn behauptet wird, die Großban- weiter den dringenden Handlungsbe- Nicht die großen privaten Banken ha- ken seien für unsere Finanz- und Wirt- darf beim Straßenbau und beim Stra- ben Deutschland vor Schlimmerem schaftsordnung systemrelevant, dann ßenunterhalt, und ich nenne nicht bewahrt, sondern die kommunalen stelle ich dem die These entgegen: zuletzt den unaufhörlich steigenden Sparkassen mit ihrem Wurzelgeflecht Die deutschen Sparkassen in ihrer Ge- finanziellen Aufwand für die Betreu- im regionalen Handwerk, im regio- samtheit sind es mindestens ebenso, ung der Kleinkinder, aber auch unse- nalen Gewerbe und in der uneinge- durch die Risikoverteilung auf viele rer Senioren. schränkt freundlichen Besorgung auch Schultern, durch die Risikobeschrän- Und schließlich geht es um die Er- der kleinsten Bankgeschäfte ihrer Bür- kung im Geschäftsgebaren und durch schließung der Finanzquellen nicht gerinnen und Bürger. das Prae an Wissen um die Chancen nur beim Staat und den Gemeinden, wie auch um die Begrenztheiten in sondern auch bei der Wirtschaft und der jeweiligen Region und eben durch den Bürgern als Investoren, um die die Nähe zu den Bedürfnissen der Energiewende innerhalb des ambitio- Menschen in dieser Region. nierten Zeitfensters von gerade ein- Deshalb plädiere ich an Sie für unsere mal 10 Jahren zu stemmen. So bin ich 2.031 kreisangehörigen Gemeinden, schon beim Kern des Themas, dem Märkte und Städte: Bleiben Sie mit wir uns am heutigen Vormittag wid- Ihrem dichten Filialnetz in den länd- men wollen, nämlich bei der Einbezie- lichen Räumen Bayerns präsent und hung der Bürgerinnen und Bürger in damit nah am Menschen, und bleiben die Energiewende. Mit dem Ausstieg Sie überzeugte Anhänger des Regio- aus der Großtechnologie atomarer nalprinzips und damit die Spezialisten Energieerzeugung ist untrennbar ver- für die erforderlichen Finanzdienstleis- bunden die Regionalisierung der Strom- tungen in Ihrer Region. erzeugung. Die Stromgewinnung kehrt Wir vom Bayerischen Gemeindetag wieder dorthin zurück, wo sie vor 130 wiederum werden uns weiter nach Jahren ihren Anfang genommen hat. Kräften bemühen, die staatlichen Fi- Dr. Uwe Brandl nanzmittel „los zu eisen“, um den im- * auf dem Bayerischen Sparkassentag am 27.6.2012 in mensen Investitionsstau in vielen ge- Amberg BAYERISCHER Geschäftsführendes Präsidialmitglied Dreschstraße 8, 80805 München Marina Ottendorfer, Tel. 0 87 09 / 92 17-60 GEMEINDETAG Direktor Dr. Jürgen Busse Tel. 0 89 / 36 00 09-30, Fax 0 89 / 36 00 09-36 Margit Frey (BayGT), Tel. 0 89 / 36 00 09-13 Verantwortlich für Redaktion und Erscheinungsweise monatlich; Bezugspreis Druck, Herstellung und Versand: Herausgeber und Verlag: Anzeigen: EUR 33,– jährl.; bei Mitgliedern im Beitrag enth. Druckerei Schmerbeck GmbH Bayerischer Gemeindetag, Wilfried Schober, Direktor beim Anzeigenverwaltung: Gutenbergstr. 12, 84184 Tiefenbach b. Landshut Körperschaft des öffentlichen Rechts; Bayerischen Gemeindetag Druckerei Schmerbeck GmbH Tel. 0 87 09 / 92 17-0, Fax 0 87 09 / 91 57 25
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 268 268 Bayerischer Gemeindetag 7/2012 Sie wird wieder kleinteilig und vielfäl- seren Gemeinden und Städten zuge- form, in der sich Bürger und/oder Ge- tig, und sie muss durch ihren verstärk- wiesen ist. Die „Versorgung der Bevöl- meinden in regionalen Energieversor- ten örtlichen Bezug die Bürgerinnen kerung mit Licht, Gas und elektrischer gungsprojekten unternehmerisch be- und Bürger in doppelter Hinsicht „mit- Kraft“ durch die Gemeinden und Städ- teiligen können. Favoriten sind nach nehmen“, wie man heute sagt. Einmal te steht als Aufgabe des eigenen Wir- aktuellem Stand die GmbH und die – das ist die passive Seite –, indem die kungskreises der Gemeinden zwar Genossenschaft, jeweils auch mit der Bürgerschaft die notwendigen Anla- schon von Anfang an, also seit 1946, Variante „& Co. KG“. gen regenerativer Energieversorgung in der Bayerischen Verfassung, ist je- einschließlich des Verteilnetzes akzep- doch in den letzten Jahrzehnten durch Bei den sogenannten „Bürgergenos- tiert, zum anderen – das nenne ich die zunehmende Konzentration der senschaften“ maßt sich der Bayeri- die aktive Seite –, indem Bürgerinnen Stromversorgung auf „die vier Strom- sche Gemeindetag kein Mitsprache- und Bürger als Kapitalgeber und/oder riesen“ Deutschlands aus dem Bewusst- recht an. Wir haben lediglich darauf Investoren am Gelingen dieses Jahr- sein gewichen. Nun kann die örtliche hinzuweisen, dass es sich insoweit um hundertprojekts mitwirken. Energieversorgung ihre Renaissance einen euphemistischen Begriff han- „Wasch mir den Pelz, aber mach mich begehen, sollte dies jedoch mit gro- delt, als er vorgibt, die Bürgerinnen nicht nass!“ Genau dieses Ergebnis er- ßer Umsicht tun. und Bürger einer Gemeinde insge- brachte eine repräsentative Umfrage Keinesfalls dürfen sich unsere Gemein- samt seien in Projekte der Energie- in der Bevölkerung. Danach ist – auf den unbesehen auf die Rekommuna- wende eingebunden. In Wirklichkeit den Punkt gebracht – eine große Mehr- lisierung der Stromnetze stürzen. Es wird es regelmäßig eine Minderheit heit für den Atomausstieg, gleich- ist sorgfältig zu prüfen, ob durch Rosi- der Gemeindeeinwohner sein, die aus zeitig lehnt aber eine vergleichbare nenpickerei Kostenfallen für die Rest- Umweltbewusstsein oder des mate- Mehrheit die negativen Begleiterschei- netze drohen. Allerdings können über- riellen Vorteils wegen als Investoren nungen ab, die mit der Energiewende örtliche Netzeinheiten mit einem aus- zur Verfügung stehen. Die große notwendig verbunden sind: Neue gewogenen Mischungsverhältnis von Mehrheit der Bevölkerung zieht kei- Stromtrassen, unerwünschte (wirkli- Stadt und Land durchaus eine Option nen materiellen Vorteil aus diesen che oder gefühlte) Belastungen durch für kommunale Zusammenschlüsse Anlagen, fühlt sich aber möglicher- Windräder und Biomasseanlagen. sein. Unser Credo ist, dies alles muss weise durch die negativen Auswir- professionell organisiert sein. Wo kein kungen dieser Anlage belastet. Hier gerafft ein paar Fakten: Die Be- völkerung muss sich auf einen spür- eigenes Stadtwerk besteht, sollte eine Wo wir uns als kommunaler Spitzen- baren Anstieg der Strompreise gefasst Kooperation mit potenten kommuna- verband allerdings einzumischen ha- machen, insbesondere, wenn die EEG- len Partnern oder auch mit dem bis- ben, das sind die Projekte, bei denen Zuschläge erhöht werden und strom- herigen Energieversorgungsunterneh- sich Bürger und Gemeinden gemein- intensive Betriebe weiter privilegiert men erste Wahl sein. Keinesfalls dür- sam unternehmerisch betätigen. Dann werden, z.B. durch die Befreiung von fen unsere Gemeinden die Herausfor- nämlich finden sich einerseits die Ge- den Netzentgelten, was natürlich von derungen der technischen und wirt- meinden als Träger der Aufgabe Strom- allen anderen Verbrauchern zu be- schaftlichen Betriebsführung und den versorgung und die Bürger als Leis- zahlen ist. Erhebliche Steigerungen anstehenden Umbau der Verteilnetze tungsempfänger der Aufgabe im sel- müssen auch bei den Netznutzungs- unterschätzen. ben Boot wieder, was zu Interessen- entgelten einkalkuliert werden, da so- Beim Bau der erforderlichen zusätz- kollisionen führen kann. Andererseits wohl im Übertragungsnetz wie im lichen 1.000 bis 1.500 Windkraftanla- müssen die Vorgaben der Gemeinde- Verteilnetz erheblicher Ausbaubedarf gen ist eine ordentliche Standortpla- ordnung beachtet werden, wonach besteht. nung unerlässlich. Wir im Gemeinde- eine Beteiligung von Gemeinden an Das bayerische Energiekonzept „Ener- tag sind der Auffassung, dass der Pla- Unternehmen stets einhergehen muss gie innovativ“ sieht bis zum Jahr 2021 nungsraum der Region im Prinzip zu mit einem maßgeblichen Einfluss auf einen Bezug von 50 Prozent des be- groß und daher für eine rechtssichere, die Unternehmensführung. Hier wer- nötigten Stroms aus bayerischen EE- optimale Standorte herausfindende fen insbesondere Genossenschafts- Anlagen vor. An dieser Stelle kommen Planung weniger gut geeignet ist. Best- modelle wegen des Grundsatzes „ein Bayerns Gemeinden und Bayerns Bür- mögliche Planungsergebnisse werden Anteil, eine Stimme“ Probleme auf, die ger ins Spiel und damit auch deren Fi- unseres Erachtens durch eine in enger unseres Erachtens nur dann zufrie- nanziers an vorderster Stelle, also die Abstimmung und übergemeindlicher denstellend gelöst werden können, bayerischen Sparkassen. Die kommu- Zusammenarbeit – etwas auf Land- wenn über der Basis je einer „Bürger- nale Seite steht hinter der Energie- kreisebene – gestaltete Flächennut- genossenschaft“ und einer „Gemein- wende, und zwar schon deshalb, weil zungsplanung erzielt. degenossenschaft“ eine Dachgenos- der Sicherstellungsauftrag für die ört- Was Sie im Management der bayeri- senschaft (Zentralgenossenschaft) er- liche Energieversorgung nach Art. 83 schen Sparkassen nun mit am meis- richtet wird. Bei dieser Konstruktion Abs. 1 der Bayerischen Verfassung un- ten interessieren dürfte, ist die Rechts- erlaubt es das Gesetz nämlich, in Ab-
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 269 7/2012 Bayerischer Gemeindetag 269 weichung des Pro-Kopf-Stimmrechts Damit habe ich die wesentlichen Bau- führen haben. So ist der Boden berei- die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten stellen angeführt, die wir, Bayerns Ge- tet für gute Beratungen, darf aber die der Kommunen durch Satzungsgestal- meinden und Bayerns Sparkassen, im Beratungsergebnisse nicht vorweg- tung entsprechend den Anforderun- Rahmen der Energiewende zu be- nehmen. gen der Gemeindeordnung zu regeln. treuen und zu einem guten Ende zu Informationen des Bayerischen Gemeindetags im Juni 2012 … … können Sie unter www.bay-gemeindetag.de im „Mitgliederservice“ nachlesen. • Pressemitteilungen 12/2012 Kommunaler Finanzausgleich: Gemeindetag erreicht deutliche Verbesserungen für die kreisangehörigen Gemeinden und Städte Brandl: Gerechtere Verteilung bei den Schlüsselzuweisungen durchgesetzt • Rundschreiben 32/2012 Vollzug dienstrechtlicher Vorschriften; Rücknahme der 42-Stunden-Woche für Beamte 33/2012 Vollzug der Urlaubsverordnung; Auswirkung der Urteile des EuGH vom 20.01.2009, 22.11.2011 und 03.05.2012 zum Verfall von Urlaub bei Krankheit 34/2012 Förderung von „Energieanalysen von kommunalen Kläranlagen“ – Neuauflage 2012 35/2012 BOS-Digitalfunk; Gemeindetag erzielt mit Innenministerium Kompromiss über Kosten der Leitstellen- anbindung 36/2012 TenneT und Amprion – Einladung zu einer Informationsveranstaltung zum Netzentwicklungsplan am 29.06.2012 in Augsburg 37/2012 Sichere E-Mail-Kommunikation für Kommunen 38/2012 Konzeption des Kommunalen Finanzausgleichs 2013 • Schnellinfos für Rathauschefs 10/2012 Kommunaler Finanzausgleich 2013; Forderung der kommunalen Spitzenverbände 11/2012 Steuereinnahmen bayerischer Gemeinden laut Kassenstatistik im 1. Quartal 2012; Zuwachs der Steuereinnahmen aufgrund der Gewerbesteuerentwicklung 12/2012 Erfolg bei den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich 2013 13/2012 Netzdialog Bayern 2012
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 270 270 Bayerischer Gemeindetag 7/2012 „Die Gemeinde, Frage: Herr Thallmair, Sie waren die örtliche Gemeinschaft, auch einige neue Ortsteile hin- Präsident des Bayerischen Gemein- zubekommen. Was haben die detags, des Deutschen Städte- und das ist Heimat“ Bräute an Mitgift mitgebracht? Gemeindebunds und des Bayeri- Thallmair: Das war sehr unter- schen Senats, Sie waren auch 32 schiedlich. Leutstetten hat noch Jahre lang Bürgermeister von schnell einen Gedenkstein auf- Starnberg. Daher können Sie uns Heribert Thallmair, gestellt, sozusagen als Grabstein sicher aufzählen, was ein Bürger- Ehrenpräsident des für die ehemals selbstständige meister alles können muss? Gemeinde. Der Bürgermeister Bayerischen Gemeindetags Thallmair: Er muss zuhören kön- von Percha hat mir ein Zigarren- im Interview mit Manfred Hummel nen. Er muss ausgleichen können. kasterl gebracht. Da war das Er muss Verantwortung tragen, Wappen drin, die Stempel und aber auch Verantwortung delegieren Frage: Was haben Sie gemacht, wenn die Sparbücher. Oben drauf lag eine können. Es schadet sicher nicht, wenn Sie einmal nicht mehr weiter gewusst Pistole, eine belgische Armeepistole, er Jurist ist. Ich habe einmal ein Inter- haben? die in den Wirren der Nachkriegszeit view gegeben, 1975, da bin ich ge- bei der Gemeinde geblieben ist. Der Thallmair: Ich habe schon um Rat ge- fragt worden, was ein Bürgermeister Witz war, dass ich versucht habe, die fragt. Ich war nie so stolz zu sagen, ich darstellen muss: Er muss ein paar Din- Pistole gleich beim Landratsamt los- kann alles. Gerade am Anfang, ich war ge in sich vereinen, habe ich damals zuwerden. Die haben sie aber nicht 33. Heute ist es fast selbstverständlich, gesagt, zum Beispiel Beichtvater, Im- angenommen. So lag sie bis zum En- dass die Leute jung sind. Aber damals mobilienmakler, oder Rosshändler im de meiner Dienstzeit im Safe der war es eine Sensation, dass der Bür- guten Sinn. Ein gegebenes Wort ist Stadt Starnberg, eine Neun-Millime- germeister einer Stadt so jung war. ein gegebenes Wort. ter-Pistole. Ich hatte keine Vorkenntnis in der Ver- Frage: Das klingt sehr anspruchsvoll. waltung. Ich war ja Rechtsanwalt. Ich Frage: Sind solche Begebenheiten heu- Sind Bürgermeisterinnen und Bürger- habe mich auf vielen Rechtsgebieten te noch vorstellbar? meister besondere Wesen, oder kann ausgekannt, aber in der Führung von Thallmair: Heute sind die Vorschrif- man das auch lernen? Mitarbeitern? Vorher hatte ich eine Mit- ten anders geworden, auch die Erwar- arbeiterin oder zwei. Auf einmal habe tungshaltung. Die Gebietsreform ist Thallmair: Das sind ganz normale Men- ich 150 bekommen. So habe ich mir in meinen Augen – von einigen frei- schen. Vieles kann man natürlich ler- eben Rat geholt. Ich hatte Gott sei Dank willigen Dingen abgesehen – abge- nen. Ein Bürgermeister trägt Verant- einen sehr ruhigen und sehr klugen schlossen. Wir hatten nach dem Krieg wortung für seine Gemeinde, für Kin- Vater, der Notar war. In Immobilienfra- in Bayern über 7000 Gemeinden, 2056 der genauso wie für Senioren. Er muss gen konnte ich mich an ihn wenden. sind einschließlich der kreisfreien Städ- sich immer fortbilden. Heute vielleicht Ich habe mich auch nicht gescheut, te übrig geblieben. Solche Episoden noch viel mehr als bei meinem Amts- Landrat Widmann, der mein Vorgän- wird es deshalb nicht mehr geben. antritt. Ich war sehr jung. Ich habe ger als Bürgermeister war, zu konsul- Frage: Wie ist es um den Typus des Bür- Rhetorik-Seminare absolviert, Kämme- tieren. Ich fragte bei der Regierung germeisters bestellt? Sind die Gemein- rer-Seminare besucht und in Bad Harz- von Oberbayern um Rat. Ich habe mich deväter der alten Schule nüchternen burg – das war damals nur in der Wirt- auch als Präsident des Gemeindetags Technokraten gewichen? schaft bekannt – einen Kurs über Füh- nicht geschämt, meine Mitarbeiter zu rung durch Delegation von Verantwor- Thallmair: Die Zeiten ändern sich und fragen, die mir im Detail natürlich tung belegt. Solche Dinge muss sich mit ihnen die Menschen. Bürgermeis- weit überlegen waren. 1985 wurde der Bürgermeister aneignen. Wer es ter müssen aber mehr sein als Tech- ich in den Senat gewählt. Wir hatten nicht macht, büßt das. Er muss wissen, nokraten und Verwalter. Das erwarten dort eine ausgezeichnete Bibliothek wie ein Haushalt aufgestellt, wie er die Bürgerinnen und Bürger. Es kommt und Spitzenjuristen, die ich bei be- abgewickelt wird. Er muss sich in Bau- nicht nur auf die Gemeindeverwal- sonders heiklen Fragen aufsuchte. vorschriften auskennen. Und er muss tung an, sondern auch auf das Klima wissen, wie er mit Spenden umgeht. Frage: Sie haben die Gebietsreform als im Ort. Leben die Vereine, besonders Das ist heute viel strenger als früher. Bürgermeister erlebt. Starnberg hat die kulturellen Vereine, die Sportver-
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 271 7/2012 Bayerischer Gemeindetag 271 eine? Dann kommen Vereine dazu, unter. Das führt dazu, dass der Ton Frage: … Stichwort Windräder … auf welche die Gemeinde angewie- und auch die Erwartungshaltung der Thallmair: … ein Musterbeispiel. sen ist, etwa die Feuerwehr, in Starn- Parteien eine andere geworden ist. berg die Wasserwacht. Diese Vereine Man erwartet von dem Repräsentan- Frage: Gibt es noch Achtung und Res- pekt vor den kommunalen Mandatsträ- bringen viel ehrenamtliches Engage- ten, dass er auf den andern draufhaut. gern und der Verwaltung in den Rat- ment mit. Das muss der Bürgermeis- Ich bedauere das, weil ich immer Wert häusern? ter unterstützen. Zieht er sich auf das drauf gelegt habe, dass man im Ton reine Verwalten und technokratische klar ist, aber die Form wahrt. Thallmair: Ja. Es kommt allerdings Dasein zurück, dann ist er fehl am darauf an, dass die Bürgerinnen und Platz. Bürger auch den Eindruck haben, dass Frage: Wir haben jetzt viel über die ihre Ansprechpartner sie ernst nehmen, Frage: Geht es heute überhaupt noch Rathäuser geredet, wie verhält es sich dass sie kompetent sind, dass sie be- ehrenamtlich? Wie haben sich die Auf- mit der Bürgerschaft? War sie früher reit sind, sich entsprechend einzuset- gaben der Kommunen gewandelt? pflegeleichter als die heutigen „Wut- zen. Ich meine schon, dass die Werte bürger“? Thallmair: Nach der Gebietsreform Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Einsatzbe- gibt es die ganz kleinen Gemeinden reitschaft heute genauso gesehen wer- nicht mehr. Der ehrenamtliche Bürger- Thallmair: Die Bürgerschaft war ins- den wie früher und dass sie auch ak- meister, der noch durchaus vorkommt, gesamt nicht pflegeleichter. Wir ha- zeptiert werden. Ich muss mit dem ist im Schwinden begriffen. In Bayern ben untereinander, oder von den Bür- Bürger offen reden, ich muss mir nicht hat er zwei Aufgabenbereiche: Er ist gern zu den Politikern, durchaus Klar- alle Hintertürchen offen lassen. Ich auf der einen Seite Vorsitzender des text gesprochen – aber nicht in der sage das auch bei Beschwerden über Rats, auf der anderen Seite Chef der Öffentlichkeit. Das ist anders gewor- den Verkehr. Es wird nie so funktio- Verwaltung. Als Chef der Verwaltung nieren, wie es der einzelne Eigen- erwartet man von ihm Managerfähig- tümer in seiner Straße haben will. keiten. Er muss sich ständig fortbil- Zum Beispiel Tempo-30-Zonen. Es den, um auf der Höhe der Zeit sein, sind meist immer die dortigen Anlie- die Rechtsprechung einigermaßen ken- ger, die zu schnell fahren. nen und auch verfolgen. Das kann man Frage: Stichwort Service-Gesellschaft: von einem ehrenamtlichen nur dann Diesem Gedanken muss sich doch auch verlangen, wenn er es in Wirklichkeit das Rathaus anpassen und einen um- als Ganztagsarbeit macht. Und das fassenden Service für die Bürger bieten? kann man wiederum nicht ohne wei- Thallmair: Natürlich. Das haben wir teres verlangen. Es gibt Landwirte, die schon zu meiner Zeit im Bayerischen von ihrer Familie freigestellt werden, Gemeindetag sehr stark thematisiert: aber es wird sich langsam durchset- der Bürger als Kunde. Einerseits will zen, dass die Bürgermeister hauptamt- ich die Menschen für die ehrenamt- lich sind. Was ich persönlich durchaus Ehrenpräsident Heribert Thallmair liche Tätigkeit in der Gemeinde ge- bedauere. Der ehrenamtliche Bürger- winnen, dann muss ich andererseits meister hatte schon seine Vorteile, et- den. Es gibt heute das Internet, Face- bei ihren Anliegen Dienstleister sein. wa die persönliche Unabhängigkeit. book, die verschiedenen Medienver- Das geht bei Ausweisen und Auskünf- treter, an die man sich sofort wendet, Frage: War der Umgang miteinander ten los und reicht bis zu Baurechts- wenn man meint, dass man nicht in den Gremien Ihrer Zeit anders als fragen. Ich darf den Bürger nicht als durchkommt. Das heißt, auch dort ist heute? Bittsteller vor mir sehen, dem ich gnä- die Bereitschaft, los zu poltern, viel diger Weise etwas gebe. Ich muss ihn Thallmair: Es hat immer politische größer geworden als früher. Pflege- akzeptieren. Auseinandersetzungen gegeben und leichter? Die Leute haben sich früher es wird sie immer geben. Anders war schon auch gerührt. Sie sind zu mir Frage: Die Stadt Starnberg feiert heuer das Klima, und anders war der Ton. Ich gekommen und haben mir den Kopf ihr hundertjähriges Bestehen – wie der will nicht die Medien angreifen, aber gewaschen, wenn sie gemeint haben, Bayerische Gemeindetag. Wo sehen Sie wenn man so liest, was vor 40 Jahren ich hätte in ihrer Sache falsch gehan- Gemeinsamkeiten der Entwicklung, wo berichtet worden ist über Stadtrats- delt. Aber man wahrte dabei immer Unterschiede? sitzungen oder auch von Landtags- noch eine gewisse Form. Heute ist es Thallmair: Ich glaube, dass es da gar und Bundestagssitzungen und heute, leider auch so, dass man den eigenen keine großen Unterschiede gibt. Die dann sieht man, dass leider der ge- Egoismus sehr schnell hinter einer kommunalen Spitzenverbände sind hört wird, der am lautesten schreit. Gruppe verstecken kann. Dem hängt als Service-Einrichtungen für die Ge- Wer sich im Ton vergreift, wird zitiert. man ein grünes Mäntelchen um, und meinden, ihre Mitglieder, gegründet Wer rein sachlich argumentiert, geht dann läuft die Sache. worden. Angesichts der Geschichte des
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 272 272 Bayerischer Gemeindetag 7/2012 Bayerischen Gemeindetags, die ich sein muss und die Gemeinden Lösun- Das geht heute nicht mehr, es herrscht relativ lang verfolgt habe – ich war gen brauchen. Distanz vor. Aber beide Seiten brau- über 18 Jahre Präsident des Gemein- Ein anderes Thema ist die Breitband- chen sich. Da spielt jetzt auch ganz detags – war es eine Parallelentwick- verkabelung. Ich kann nicht behaup- entscheidend die Konnexität mit hinein. lung. Wir haben immer versucht, den ten, dass Stadt und Land gleichwertig Frage: Sie hatten beim Amtsantritt als Städten und Gemeinden sehr frühzei- sind, wenn ich mich nur auf die Ver- Erster Vorsitzender die Solidarität aller tig Hilfe zu geben. Zwischen den Mit- sorgung der Ballungsräume konzen- Mitglieder des Gemeindetags auf Ihre gliedern und dem Verband hat es nie triere. Weiter draußen brauchen wir Fahnen geschrieben. Ist die kommunale eine Trennlinie gegeben. auch ein schnelles Internet. Familie solidarischer geworden. Frage: Die Geschichte des Bayerischen Frage: Hat sich die Position der Kom- Thallmair: Ich sage uneingeschränkt Gemeindetags ist die Geschichte des munen gegenüber dem Freistaat in den ja. In der Zwischenzeit wissen alle: Gerangels um Geld nach dem Motto: Jahrzehnten nach dem Zweiten Welt- Wenn wir nicht mit einer Sprache Ohne Moos nichts los. Ist das der rote krieg verändert? sprechen, werden wir nicht gehört. Faden durch die vergangenen hundert Nur gemeinsam sind wir stark. Wenn Jahre? Thallmair: Hier hat sich tatsächlich wir uns auseinander dividieren lassen, sehr viel geändert. Die öffentliche Ver- wenn jeder versucht, seinen Abgeord- Thallmair: Die Gemeindefinanzen wa- waltung hat sich von der Ober- und ren immer ein Thema. Aber eben nur neten anders zu beeinflussen, dann Unterordnung zur Gleichgewichtig- klappt das nicht. Dieses Zusammen- ein Thema. Ich bin froh und auch ein keit gewandelt. Das Verhältnis zwi- bisserl stolz, dass wir – gerade noch in gehörigkeitsgefühl verstärken wir jetzt schen Kommunen und Freistaat hat ganz bewusst aus Anlass des 100- der Endphase meiner Tätigkeit – die sich zu einer Partnerschaft gewandelt. Konnexität etablieren konnten, die jährigen Jubiläums. Alle sind einge- Im Bayerischen Gemeindetag steht ein laden, alle sollen kommen. Das zeigt, Verbindung von Aufgabe und ihrer Präsident und ein Präsidium an der Finanzierung. Das war ein großer Er- dass dieses Zusammengehörigkeits- Spitze, sie sind der politische Kopf. Sie gefühl gewachsen ist. folg. Ohne den damaligen Innenminis- agieren in Augenhöhe mit dem Minis- ter Beckstein hätten wir das nicht ge- Frage: Was waren die brennendsten terpräsidenten und der Staatsregie- schafft. Weil der Landtag durchaus er- Themen Ihrer Präsidentschaft, wurden rung. Die Geschäftsstelle des Gemein- kannt hat, dass er damit Kompetenz sie abgearbeitet? detags mit dem Geschäftsführenden verliert. Wenn der Landtag etwas be- Präsidialmitglied und den sehr hoch Thallmair: Sie sind abgearbeitet, wo- schließt, muss er sich Gedanken ma- qualifizierten Mitarbeiterinnen und bei manche ein Dauerprozess sind. chen, wie es finanziert wird. Aber der Mitarbeitern steht in Augenhöhe mit Ich würde meine größten Probleme Bayerische Gemeindetag hat sich nie den Ministerien. so zusammenfassen: Ich habe den ausschließlich mit den Finanzen be- Verband übernommen, als die Folgen fasst. Frage: Was ist in der Zusammenarbeit der Gebietsreform noch ganz frisch mit der Staatsregierung und den Minis- waren. Der Sinn der Gebietsreform Frage: Um welche Themen ging es noch? terien über die Jahre anders geworden? war, die Finanz- und Verwaltungskraft Thallmair: Ein Thema, das heute kei- Thallmair: Persönlich hatte ich be- der Gemeinden zu stärken. Sonst hät- ne große Rolle mehr spielt, war die züglich der Zusammenarbeit mit Staats- te es keine Rechtfertigung für diese Abwasserbeseitigung. Heute gilt sie regierung und Landtag einen großen Reform gegeben. Wir hatten damals als selbstverständlich. Nehmen Sie Vorteil gegenüber meinem Nachfol- diese Nachfolgeprobleme zu lösen, einmal die Ringkanalisation Starnber- ger. Ich war Mitglied des Senats, über insbesondere bei den Verwaltungs- ger See. Millionen hat die gekostet, 15 Jahre lang. Ich war mit dem Vorsit- gemeinschaften. Da hat es jahrelang Millionen für jede Gemeinde. Letztlich zenden des Finanz- und Haushalts- gegärt. Viele sind sogar ausgetreten hat es der Bürger bezahlt. Heute ste- ausschusses, Richard Wengenmeier, und haben versucht, wieder eigen- hen andere Themen im Mittelpunkt: befreundet. Kommunale Angelegen- ständige Gemeinden zu werden. Das Die Energiewende. Wo wird die voll- heiten haben wir im Landtag ganz ist die eine Seite. zogen? Nur auf dem Gebiet der Ge- offen miteinander besprochen. Ich Die andere Seite ist, wie ein rotes meinden. Also müssen Staat und Kom- musste nicht extra um einen Termin Band, der Kampf um die Konnexität. munen an einem Strang ziehen, wenn bitten. Ich habe ihm unsere Situation Wer die Musik bestellt, muss sie auch sie Erfolg haben wollen. Oder die geschildert und er hat gesagt, was der bezahlen. Wir hatten mit Roman Her- Demografie. Sie spielt in weiten Be- Staat machen kann. Mit dem Vorsit- zog, der das einmal sagte, einen reichen des Verbandes, in Oberfran- zenden des innenpolitischen Aus- Kämpfer für unsere Sache. Dafür er- ken, in der nördlichen Oberpfalz, auch schusses, Herbert Kempfler, zuständig hielt er den Preis des Bayerischen Ge- in Teilen Niederbayerns und in Teilen für Kommunales, war es genauso. Wir meindetags. Mit der Konnexität, bei von Unterfranken, eine riesige Rolle. haben uns in den Pausen eine Stunde der wir immer eine klare Linie vertra- Es treten also immer wieder neue zusammengesetzt, miteinander Kaffee ten, haben wir heute die Bayerische Felder auf, in denen der Verband tätig getrunken und die Dinge besprochen. Verfassung auf unserer Seite.
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 273 7/2012 Bayerischer Gemeindetag 273 Der nächste Punkt, heute fast verges- der Notar ist zum Rechtsreferendar Mensch, gibt es, wenn ich an Starn- sen, ist 1989 die Wende gewesen. Der befördert worden.“ Im Übrigen bin berg denke, viele Möglichkeiten. Vom Gemeindetag hat gewaltige Anstren- ich der Meinung, man kann so etwas Kunstkreis Bucentaur über den Mu- gungen unternommen, Hilfe zu leis- wie Bürgermeister nicht planen. Das sikkreis bis hin zu den Musikkapellen. ten. In Holzkirchen hatten wir mit dem muss sich aus der Situation heraus er- Keiner hat so eine enge Beziehung zu damaligen Innenminister Dr. Stoiber geben, und die Bürger müssen mit- einem Land oder einem Staat. Die Ge- 1200 Kommunalpolitiker aus Thürin- machen. Wenn einer das Amt koste es meinde stellt einen Rahmen, ausfül- gen und Sachsen bei uns. Viele Ge- was es wolle anstrebt, merken die len müssen ihn die Bürger. Wenn der meinden, auch die Stadt Starnberg, Wähler, dass er nur Karriere machen Rahmen stimmig ist, und die Bürger haben Mitarbeiter in Gemeinden in will. mitmachen, dann ist diese Geborgen- Thüringen und Sachsen geschickt, um heit, ist diese Heimat gegeben. Herr Frage: Nehmen Sie im Ruhestand noch dort den Aufbau der kommunalen Heesters war jetzt zum Ende hin ein Anteil an den Geschicken des Gemein- Selbstverwaltung voranzutreiben und alter Mann, aber vorher war er mit detags sowie an der Kommunal- und sie mit Sachwissen auszustatten. dem Pfarrer Hindelang immer bereit, Landespolitik? mitzumachen, bei Altenabenden und Dann kamen Einzelthemen. Ich denke Thallmair: Ja, sehr. Das Präsidium war dergleichen. Oder Herr Rühmann in heute noch mit Stolz an unsere 75- so entgegenkommend, mich zu ko- Berg, er war für mich so ein Vorbild. An Jahr-Feier zurück, das war 1987 im optieren. Ich komme fast zu jeder Weihnachten hat er für die Bürger Kongresssaal des Deutschen Muse- Sitzung. Wenn es irgendwie geht, Weihnachtsgeschichten gelesen. Oder ums. Wir haben damals immerhin nehme ich Anteil. Ich habe einen Vor- in Krailling der Herr Bayrhammer. Das 3500 Kommunalpolitiker zusammen- teil: Als ehemaliger Senats-Präsident sind für mich Persönlichkeiten, die gebracht. Franz-Josef Strauß hat die werde ich heute noch vom jeweiligen bereit waren, der Gemeinschaft, in der Festrede gehalten. Das war auch ein Präsidenten des Landtags zu festli- sie sich wohlfühlen, etwas zurück- Zeichen der Zusammengehörigkeit. chen Veranstaltungen eingeladen, ob zugeben. Gerade in einer globalisier- Wir haben nach außen gezeigt, wir Schleißheim oder parlamentarische ten Welt wäre der Einzelne verloren. sind ein starker Verband. Und wenn’s Weihnachtsfeier. Darüber freue ich Er braucht irgendetwas, wo er sich darauf ankommt, sind wir alle da. mich. Das bietet die Möglichkeit, Ge- noch auskennt, wo er noch mitma- Das nächste, worauf ich stolz bin, ist spräche zu führen. Ansonsten verfol- chen kann. Das ist die Gemeinde. die KOMMUNALE. Nach Nürnberg zu ge ich über die Presse insbesondere gehen und dort eine kommunale die Geschehnisse in meiner Heimat- Interview: Manfred Hummel Messe zu veranstalten, dient auch der stadt – und denke mir meinen Teil. Ich Zusammengehörigkeit. habe aber meinen jeweiligen Nach- folgern versprochen, mich nicht ein- Frage: Wenn Sie noch einmal auf die Zur Person: Der Jurist Heribert Thallmair, zumischen. Welt kämen, würden Sie wieder Kom- geboren 1936 in Roth bei Nürnberg, zog munalpolitiker werden? Frage: Globalisierung, Energiewende, 1966 für die CSU in den Starnberger Eurokrise, Lebensmittelskandale, Rück- Stadtrat und Kreistag ein. Als Nachfolger Thallmair: Das kann ich nicht beant- tritt des Bundespräsidenten, die Welt von Rudolf Widmann (FDP) war er von worten. Ich bin durch meinen Vater scheint aus den Angeln zu sein. Ist die 1969 bis 2002 Erster Bürgermeister der zur Kommunalpolitik gekommen. Er Gemeinde noch ein Hort der Geborgen- Stadt Starnberg. 1984 wählte ihn der war Stadtrat und Kreisrat. Aus Alter- heit und des Heimatgefühls? Bayerische Gemeindetag zum Präsiden- gründen wollte er aufhören. Die Wahl ten. Von 1994 bis 1995 und von 1998 bis ist auf mich gefallen. Ich habe mich Thallmair: Sehr persönlich gesprochen, 2000 war Thallmair auch Präsident des vorher nicht sehr für Kommunalpoli- ja. Die Gemeinde, die örtliche Gemein- Deutschen Städte- und Gemeindebunds. tik interessiert. Ich bin dann aber an schaft, ist Heimat. Das ist ein über- Von 1996 bis 1999 war er Präsident des fast aussichtslosen Positionen gewählt schaubarer Raum, in den ich mich schließlich durch Volksentscheid aufge- worden, mit dem Namen meines selbst einbringen und ehrenamtlich lösten Bayerischen Senats. 2002 wurde er Vaters. Landrat Dr. Irlinger hat mir tätig sein kann. Als Sportler kann ich zum Ehrenpräsidenten des Bayerischen damals auf die Schulter geklopft und mich in den Sportvereinen engagie- Gemeindetages ernannt. gesagt: „Da haben aber viele gemeint, ren. Bin ich ein kulturell interessierter
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 274 274 Bayerischer Gemeindetag 7/2012 Nichts hält ewig und so müssen auch Straßen irgendwann ver- Straßenausbaubeiträge – rechtswidrig, wird er aufgehoben; ist er rechtmäßig, dann nicht. bessert oder grundlegend saniert kontrovers Gibt es einen Ausweg aus die- werden, insbesondere mit Blick auch auf die Verkehrssicherheit. sem System? Zur Erhaltung der Soweit es sich hierbei um Orts- Infrastruktur werden die Beitrags- straßen handelt, also um Stra- erhebungen notwendig sein. ßen, die der Erschließung von Man könnte natürlich daran Grundstücken innerorts dienen, denken, die Standards zu sen- Cornelia Hesse, besteht nach bayerischer Rechts- ken. Ob dies angesichts der Ver- Bayerischer Gemeindetag kehrsentwicklung möglich ist, lage für die Gemeinden regel- mäßig die Verpflichtung, die Bür- wird sich zeigen. Auch der Staat ger an den Kosten zu beteiligen. Auf angenommen, wirft den Gemeinden sollte dann z.B. im Rahmen der Städ- der Basis der gesetzlichen Vorgaben pauschal „Abzocke“ und „Gebühren- tebauförderung seine Anforderungen im Kommunalabgabengesetz, das am wahnsinn“ vor und stellt die Gemein- absenken, damit sich die Belastung 1. Juli 1974 in Kraft getreten ist, haben den Bayerns in einer sehr tendenziö- der Bürger in Grenzen hält. Vielleicht dementsprechend die Gemeinden sen Berichterstattung an den Pranger. muss man auch über andere Finanzie- Satzungen zu erlassen, die die Vertei- Man hätte sich hier eine sachlichere rungsmöglichkeiten nachdenken, wie lung des Kostenaufwands zwischen Behandlung gewünscht. Es mag durch- z.B. eine Straßenmaut, was allerdings Gemeinde und Bürger festlegen unter aus sein, dass Straßenbaumaßnah- nach unserem derzeitigen Rechtssys- Berücksichtigung der umfangreichen men im Einzelfall teuer sind, was ver- tem, das eine gebührenfreie Straßen- Rechtsprechung des Bayerischen Ver- schiedenste Ursachen haben kann benutzung vorsieht, nicht möglich ist. waltungsgerichtshofs. Die Gemeinden (z.B. geologische und topografische Eine Finanzierung über die Anhebung haben die Abgaben nach Maßgabe Gegebenheiten). Nachdem aber die der Grundsteuer käme als alternative der gesetzlichen Regelungen zu er- Gemeinden bei diesen Maßnahmen Finanzierungsmöglichkeit theoretisch heben. stets einen Eigenanteil zu überneh- nach entsprechender Gesetzesände- Das Bayerische Fernsehen hat sich in men haben, der in Einzelfällen bis zu rung zwar in Betracht, der Blick in an- letzter Zeit mehrfach dieses Themas 85% betragen kann, wird keine Ge- dere Bundesländer hat aber gezeigt, meinde interessiert sein, Geld für dass auch eine solche Finanzierung Luxusmaßnahmen zum Fenster hin- nicht unumstritten ist. Im Übrigen aus zu werfen. Und um es klar zu for- wären solche Steuermittel nicht zweck- mulieren, die Gemeinde darf auch gebunden für den Straßenbau zu ver- nicht auf Beitragsforderungen verzich- wenden. ten. Die Nichterhebung von Beiträgen stellt einen Verstoß gegen die Ver- Fazit: mögensbetreuungspflicht dar, so dass Mit Blick auf die finanziellen Belastun- damit der Tatbestand der Untreue gen, die von den Gemeinden zu tra- gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein gen sind, wobei nur – stellvertretend kann. Es erstaunt daher schon, wenn für viele – auf die Kosten für die Kin- aus den Reihen des Bayerischen Land- derbetreuung hingewiesen wird, sehe tags Bürger aufgefordert werden, Pe- ich derzeit keinen Ausweg aus dieser titionen gegen Beitragserhebungen Finanzierung. Wie so häufig wird der einzulegen – man werde es dann „Schwarze Peter“ aber trotzdem den schon richten. In unserem Rechtssys- Gemeinden zugeschoben. Ich habe tem ist es aber so, dass ein rechtswid- wieder mal fertig. riger Beitragsbescheid mit Wider- spruch und/oder Klage beim Verwal- tungsgericht angefochten werden kann. Dort wird dann geklärt werden, ob die Abgabenerhebung zu Recht oder Cornelia Hesse zu Unrecht erfolgt ist. Ist der Bescheid
Innenteil_7_2012_Korr2:roh 03.07.2012 11:41 Uhr Seite 275 7/2012 Bayerischer Gemeindetag 275 Um dem drohenden Ärzteman- gel im ländlichen Raum zu be- Ärztliche Versorgung 2. Niederlassungswilligen Ärz- tinnen und Ärzten im ländli- gegnen, legt der Freistaat end- chen Raum soll ihre Entschei- lich ein Förderprogramm auf. dung hierzu finanziell erleich- Der Bayerische Gemeindetag tert werden. In Planungsberei- weist seit Jahren auf die sich ab- chen, in denen eine Unterver- zuzeichnende schwierige Situa- sorgung oder nahezu eine Un- tion bei der Sicherstellung der terversorgung zu befürchten ist ambulanten ärztlichen Versor- Gerhard Dix, und kein Ersatz für über 60- gung in weiten Teilen Bayerns jährige Hausärzte zu finden ist, Bayerischer Gemeindetag hin. Die Überalterung gerade bei kann eine Niederlassung mit den Hausärzten und die man- 60.000 Euro unterstützt werden. gelnde Bereitschaft junger Medizine- hin keine Unterversorgung erkennen Über eine sogenannte Härtefallklau- rinnen und Mediziner, sich im länd- will. Das mag ja statistisch gesehen in sel können im Einzelfall besonders lichen Raum niederzulassen, führen den großen Planungsbereichen rich- schwierige Fälle auch in anderen Be- bereits heute schon zu Praxisschlie- tig sein. Es hilft aber den Patientinnen reichen gefördert werden. Diese För- ßungen. Für die kommenden Jahre und Patienten im Ort wenig, wenn sie derung greift allerdings nur dann, muss gerade im nördlichen und öst- dort vor verschlossenen Arztpraxen wenn sich der Hausarzt in einer Ge- lichen Bayern mit weiteren Praxis- stehen. meinde mit maximal 25.000 Einwoh- schließungen gerechnet werden. Da- nern niederlässt. Hierfür stellt der Aus diesen Gründen fordert der Baye- her nimmt der Druck auf die Gemein- Freistaat 2 Millionen Euro im Nach- rische Gemeindetag bereits seit län- den verstärkt zu, entsprechende Rah- tragshaushalt 2012 bereit. gerer Zeit die Bayerische Staatsregie- menbedingungen zur Gewinnung von 3. Medizinstudierende, die sich ver- rung dazu auf, geeignete Maßnah- Ärztinnen und Ärzten zu schaffen. pflichten, nach der Facharztweiterbil- men zu ergreifen. Nur: Die Gemeinden sind gesetzlich dung für eine bestimmte Zeit im länd- hierzu gar nicht verpflichtet. Der Sicher- Mit Schreiben vom 13.06.2012 an den lichen Raum als Ärztin oder Arzt tätig stellungsauftrag liegt bei der Kassen- Bayerischen Gemeindetag informiert zu sein, erhalten längstens für vier ärztlichen Vereinigung, die aber vie- nunmehr der zuständige Staatsminis- Jahre ein Stipendium in Höhe von lerorts auch nur kopfschüttelnd vor ter für Umwelt und Gesundheit, Dr. 300 Euro im Monat. Dieses ist nicht dieser Entwicklung steht und weiter- Marcel Huber, MdL, über ein staatliches zurück zu zahlen, wenn die Ärztin Förderprogramm für eine zukunfts- bzw. der Arzt mindestens fünf Jahre sichere ärztliche Versorgung im länd- im ländlichen Raum im ambulanten lichen Raum. So sollen im Nachtrags- oder stationären Bereich tätig ist. Ins- haushalt 2012 zusätzliche Mittel in gesamt stellt der Freistaat hierfür im Höhe von 4,5 Millionen Euro bereitge- Nachtragshaushalt 1 Million Euro zur stellt werden. Das Förderprogramm Verfügung. besteht aus drei Teilen: Mit diesem Förderprogramm sendet 1. Für innovative medizinische Ver- der Freistaat ein erstes Signal aus, sorgungskonzepte werden in den kom- dass er die Situation der ärztlichen menden drei Jahren maximal 50 Pro- Versorgung im ländlichen Raum er- zent der förderfähigen Projektkosten, kannt hat und dem drohenden Ver- höchstens jedoch 200.000 Euro pro sorgungsengpass begegnen will. Das Projekt gefördert. Unter innovativ wer- Förderprogramm ist ein staatliches, den Projekte verstanden, mit denen aber noch kein stattliches. Da ist noch dem Strukturwandel im Gesundheits- viel Luft nach oben. wesen modellhaft begegnet werden kann. Das können zum Bespiel Ärzte- häuser mit besonderen familienfreund- lichen Arbeitszeitmodellen sein oder Gerhard Dix aber auch neue Organisationsformen des Bereitschaftsdienstes.
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