# 73 - Das Institutionelle ...
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# 73 2020 Das Magazin der Universität Konstanz – uni.kn/unikon S. 6 S. 22 S. 26 S. 34 Homeoffice: Hype Arbeit und Familie – das Schreckgespenste Warum es an der oder Hoffnungsträger Leben als Kompromiss? des Arbeitsmarktes Spitze ganz schön einsam Wie die Berufswelt neue Wie die Vereinbarkeitsproble Welche Effekte Automatisierung sein kann Wege zwischen „Homeoffice- matik in der zweiten Lebens und Globalisierung der Industrie Warum aggressive Führungs Euphorie“ und einer Spaltung hälfte aussieht, analysiert die tatsächlich auf die Entwicklung kräfte die ineffektivsten Mit der Arbeitsgesellschaft erprobt, Soziologin Dr. Ariane Bertogg des Arbeitsmarktes haben, glieder ihrer Organisation sein untersucht der Organisations an individuellen Lebenswegen rekonstruiert Prof. Dr. Sebastian könnten, erforscht der Biologe forscher Prof. Dr. Florian Kunze. und am sozio-politischen und Findeisen in einem vielschich Dr. Alex Jordan mit seinem kulturellen Umfeld. tigen Bild. Team. Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-2-ihq841blb7db5
Editorial Hause vor PC oder Laptop eingerichtet. Erschwerend für viele kam hinzu, dass sie sich auch im familiären Umfeld neu orga- nisieren und neben der Arbeit auch ihre Kinder zu Hause betreuen mussten. Die vergangenen Monate haben wir den Umständen entsprechend gut gemeis- tert. Wenn es auch im einen oder anderen Fall Meinungsverschiedenheiten gegeben hat – wie könnte es auch anders sein an- gesichts einer Situation, die für alle neu ist und die jeder und jedem von uns sehr viel abverlangt – haben wir uns unterm Strich immer wieder einigen können. Liebe Frau Unger, Abstands- und Hygieneregeln sowie Danke Mund-Nasen-Bedenkung werden uns noch wie haben die eine Weile weiter begleiten. Als Vertreterin des Personalrates möchte ich an die Uni- Beschäftigten die versitätsmitglieder appellieren, weiterhin so diszipliniert darauf zu achten, andere vergangenen acht und sich selbst zu schützen, wenn es auch manchmal lästig sein kann. Dass die Uni- Monate erlebt? versität zu Semesterbeginn eine Danke- Kampagne starten wird, freut uns, weil das heißt, dass wir alle an einem Strang ziehen und der Einsatz aller Beschäftigten gewür- Die Ereignisse seit dem 16. März 2020, digt wird. Der Personalrat möchte diesen als die Universität Konstanz aufgrund Dank vor allem auch an alle weitergeben, der Corona-Pandemie in den Notbetrieb die seit dem 16. März direkt vor Ort dafür wechselte, stellen eine immense Heraus- gesorgt haben, dass wir nach und nach, forderung für alle Beschäftigten und auch wenn auch unter Auflagen, wieder auf den Studierende der Universität dar. Alles auf Campus zurück können. dem Campus war von heute auf morgen Dass die Präsenz auf dem Campus rein völlig anders. zahlenmäßig eine andere ist als vor dem Dass unser Universitätsmagazin uni’kon Notbetrieb und allem, was ihm folgte, hat safe.together das Schwerpunktthema „Arbeit“ hat, passt natürlich genau in die Zeit, die verlangt, natürlich nach wie vor mit der Corona- Pandemie zu tun, mit der wir sicherlich neu über unsere gegenwärtigen und zu- noch einige Zeit umzugehen haben. Es hat künftigen Arbeitsformen nachzudenken. aber auch mit einem neu entstandenen Dazu gehört selbstverständlich, noch- Verständnis davon zu tun, wie Arbeit in Es ist eine außergewöhnliche Zeit. mals verstärkt die digitalen Möglichkeiten Zukunft aussehen könnte. des beruflichen, aber auch des studenti- Danke, dass Ihr für Eure Mitmenschen die schen Arbeitens ins Auge zu fassen. Die Beschäftigten haben die Herausforderung Jutta Unger Maske tragt, dass Ihr Abstand haltet angenommen und – in zahlreichen Fällen Jutta Unger ist Vorsitzende des Personalrates und die Hygieneregeln verinnerlicht habt. zum ersten Mal – ihren Arbeitsplatz zu der Universität Konstanz – uni.kn/safe-together
S. 1 Editorial S. 4 Abschied von Kerstin Krieglstein Weisungsrecht Titel versus S. 6 Transformation der Arbeitswelt durch Homeoffice Zeitsouveränität S. 10 S. 14 Rechtsanspruch auf Homeoffice Arbeit und Corona S. 18 Achtsamkeit in der Arbeitswelt S. 22 Arbeit und Familie S. 10/Forschung S. 26 Automatisierung und Globalisierung ADILT: Datenkom- Der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Christian Picker auf dem Arbeitsmarkt untersucht die Forderung nach einem einsei- S. 30 ADILT: Datenkompetenz mit Blick petenz mit Blick tigen Rechtsanspruch auf Homeoffice und auf die Gesellschaft kommt zum Schluss: Ein solcher würde nicht S. 34 Dominantes und passives auf die Gesellschaft nur den Unternehmen, sondern letztlich auch Führungsverhalten der Arbeitnehmerschaft schaden. S.38 Forum Konstanz S. 30/Lehre Mit dem Advanced Data Information and Literacy Track Personalia (ADILT) bietet die Universität Konstanz allen ihren Stu- S. 44 Dissertationen, Berufungen, Jubiläen dierenden eine grundlegende Ausbildung zu Themen der S. 48 Preise und Auszeichnungen Datenkompetenz. Prorektor Prof. Dr. Michael Stürner und ADILT-Koordinatorin Veronika Pöhnl erklären im Interview S. 51 AG Nachhaltige Entwicklung „Ich glaube, dass u.a., wieso der Track gerade in der Corona-Pandemie hochaktuell ist. S. 52 Zur Coronavirus-Situation an der die Arbeit durch die Universität Konstanz Erfahrungen der S. 56 Impressum Corona-Zeit einen Flexibilisierungsschub erhält“ S. 14/Interview Jens Apitz wurde zum vierten Mal zum Kanzler der Universität Konstanz gewählt. Im Interview Sechs Visionen berichtet er, warum er Homeoffice nun für ein wichtiges Element zukünftiger Arbeits- für das regelungen hält und welche Themen seine Arbeit in den kommenden Jahren bestimmen Forum Konstanz werden. S. 38/Campus Das geplante Forum Konstanz wird als „Tor zur Universität“ einen neuen Knotenpunkt für die Universität Konstanz schaffen. Studierende der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) entwickelten sechs Online-Version von Entwürfe, wie das visionäre Gebäude architektonisch reali- uni’kon #73 unter: siert werden könnte. – uni.kn/broschueren/unikon/73/ zum Onlinemagazin campus.kn: – uni.kn/campus
Universität Konstanz Abschied als Freundin „Es war eine intensive, ereignisreiche Zeit. Umso besser durfte ich die Universität Konstanz in dieser vergleichsweise kurzen Zeit kennenlernen. Kennenlernen – und damit der Universität Konstanz verstehen, was sie so besonders macht.“ Prof. Dr. Kerstin Krieglstein Prof. Dr. Kerstin Krieglstein war vom 1. August 2018 an Rektorin der Universität Konstanz – seit 1. Oktober 2020 leitet sie die Universität Freiburg Sowohl der Anfang als auch das Ende Kerstin Krieglstein: Ihre Ankündigung scheinlich nicht geglaubt. Umso besser der Amtszeit von Prof. Dr. Kerstin Kriegl- bei ihren Antrittsbesuchen, eng mit der durfte ich die Universität Konstanz in stein erfolgte in bewegten Zeiten. Als Stadt und der Region zusammenzuar- dieser vergleichsweise kurzen Zeit ken- die Naturwissenschaftlerin am 1. August beiten, waren unterdessen Taten gefolgt. nenlernen. Kennenlernen – und damit 2018 ihr Amt als Rektorin der Universität Vertrauensvoll wandten sich Landrat und verstehen, was sie so besonders macht.“ Konstanz antrat, lief auf dem Campus be- Oberbürgermeister an sie und erhielten Seit 1. Oktober 2020 ist Kerstin Kriegl- reits die heiße Phase im Exzellenzwett- schnell Unterstützung. Die Universität stein nun Rektorin der Universität Frei- bewerb, die Kerstin Krieglstein mit ihrer Konstanz war auf der Stelle in der Lage, burg, von der sie 2018 kam, wo sie Pro- ganzen wissenschaftlichen Begeisterung mit wissenschaftlichem Know-how ihren fessorin für Anatomie und Leiterin der begleitete und im Endspurt zum Erfolg Beitrag zur Bewältigung der Krisensitu- Abteilung für Molekulare Embryologie für die Universität Konstanz führte. Sie ation zu leisten. Unter der Leitung der sowie hauptamtliche Dekanin der Medi- war es, die am 19. Juli 2019 unter dem Rektorin führte die Universität Konstanz zinischen Fakultät gewesen war. „Kerstin Jubel der Universitätsöffentlichkeit be- ihre Mitglieder, ob Studierende, Wissen- Krieglstein hat die Universität Konstanz kannt gab, dass die Universität Konstanz schaftlerinnen und Wissenschaftler oder hervorragend geführt und in ihrer äu- im Rahmen der Exzellenzstrategie auch wissenschaftsunterstützendes Personal, ßerst positiven Entwicklung erfolgreich in der Förderlinie Exzellenzuniversitäten sorgsam durch die Zeit der Pandemie. begleitet“, sagte Prof. Dr. Ute Frevert in überzeugen konnte und damit eine von Sie selbst drückte es so aus: „Es war ihrer damaligen Funktion als Vorsitzende insgesamt sechs Universitäten war und eine intensive, ereignisreiche Zeit. Hätte des Universitätsrates Konstanz anlässlich ist, die seit 2007 durchgängig den Status mir jemand vorher gesagt, dass eine Run- der Wahl Kerstin Krieglsteins zur neuen einer Exzellenzuniversität hat. de Exzellenzwettbewerb, eine Evaluation Freiburger Rektorin. An der Universität Bevor Kerstin Krieglstein Konstanz in Richtung Freiburg verließ, Als sie am 27. Mai 2020 zur neuen und Begutachtung zur Nachhaltigkeit Konstanz war Kerstin Krieglstein die erst verabschiedete sie sich in einem Videobeitrag von den Mitgliedern Rektorin der Albert-Ludwigs-Universität auslaufender Exzellenzmaßnahmen, ein dritte weibliche Rektorin an einer baden- der Universität Konstanz. Hier können Sie sie auf ihrem Weg über Freiburg gewählt wurde, war die Welt eine Struktur- und Entwicklungsplan, Ver- württembergischen Universität. Nun ist den Campus begleiten: andere. Die Corona-Pandemie zwang die handlungen um den Hochschulfinanzie- Freiburg die vierte Universität im süd- Menschen in ihre vier Wände, die Uni- rungsvertrag und eine Pandemie mit nie westdeutschen Bundesland mit einer Frau versität Konstanz befand sich im einge- dagewesenen Konsequenzen für Studium, an ihrer Spitze. Zum Video-Beitrag: schränkten Präsenzbetrieb. Hier zeigte Forschung und Lehre in eine Spanne von | msp. – youtu.be/l_yIQ5qDxI4 sich auf besondere Weise das Wirken von 24 Monaten passen, hätte ich es wahr-
Titel Transformation der Arbeitswelt durch Homeoffice Homeoffice: Homeoffice ist eines der Buzzwords März 2020: In der Pandemie wird auf Einsichten, wie das aktuelle Arbeiten im des Corona-Jahres 2020. War es einmal alles anders. Inmitten täglich stei- Homeoffice funktioniert, wie es sich ent- früher eine Arbeitsform, die nur Wenigen gender Infektionszahlen, Grenzschließun- wickelt und wie nachhaltig die Transfor- offenstand, ist das Arbeiten in den gen, Kontaktbeschränkungen und umfas- mation der Arbeitswelt durch Corona ist. eigenen vier Wänden durch die Erforder sender Unsicherheit stehen zehntausende Jetzt im Herbst möchten sie die Studie nisse des Notbetriebs für rund ein Unternehmen, Ämter und Einrichtungen mit einer weiteren Befragungswelle fort- Drittel der Beschäftigten in Deutschland in Deutschland vor der Frage, wie sie ih- setzen. zumindest vorübergehend Realität ren Betrieb aufrechterhalten sollen. Mög- geworden. Der Konstanzer Organisations lichst wenig die Wohnung verlassen, mög- „Aktuell herrscht sowohl bei den Be- forscher Prof. Dr. Florian Kunze unter- lichst kein physischer Kontakt zu anderen schäftigten als auch bei den Betrieben sucht, wie die Berufswelt neue Wege Menschen, möglichst wenig Begegnungen eine regelrechte Homeoffice-Euphorie“, erprobt: Zwischen „Homeoffice-Euphorie“ gerade in Innenräumen – und trotzdem fasst Kunze zusammen. „Wir sehen das und einer Spaltung der Arbeitsgesellschaft. produktiv arbeiten? Das geht nicht, hätte in unserer aktuellen Studie sehr deutlich. man früher gesagt. Fast 80 Prozent der teilnehmenden Per- In einer Digitalgesellschaft wie der sonen berichten, dass sie im Homeoffice Hype unseren aber heißt die Lösung: Homeof- engagiert und produktiv arbeiten. Und die fice. Bis dahin stand dieses Arbeitsmo- meisten wünschen sich, dass ihnen das dell hauptsächlich Selbständigen und Homeoffice erhalten bleibt: Zumindest Freischaffenden offen. In den meisten einige Tage pro Woche, sagt die Mehrheit Arbeitskontexten herrschte dagegen eine der Befragten, würden sie gern auch über ausgeprägte Präsenzkultur. Für die beson- die Corona-Zeit hinaus mobil arbeiten.“ deren Erfordernisse der akuten Pandemie- Wenn die Mitarbeiter im Homeoffice Situation aber scheint das Homeoffice nun engagiert arbeiten, ist das natürlich auch die perfekte Lösung zu sein. Und nicht nur für die Unternehmen sehr vorteilhaft. Für das: Viele Beschäftigte haben die Vorzüge diese geht es jetzt darum, mittelfristig die des Arbeitens von zu Hause aus schätzen richtigen Rahmenbedingungen zu schaf- gelernt. Jetzt möchten sie gar nicht mehr fen, damit eine nachhaltige und effiziente zurück ins Büro – zumindest nicht wieder Transformation gelingt: Weg vom klassi- oder jeden Tag. schen Präsenzarbeitsplatz, hin zu neuen flexibleren Arbeitsarrangements. Homeoffice in Zeiten des Coronavirus: Florian Kunze erklärt, was es dafür Eine Studie braucht: „Nach unseren Daten sind meh- Prof. Dr. Florian Kunze, Organisations- rere verschiedene Faktoren entscheidend forscher an der Universität Konstanz und für die Produktivität und das Engagement Principal Investigator am Exzellenzcluster im Homeoffice, materielle wie immateri- „The Politics of Inequality“, beobachtet elle: Die Beschäftigten benötigen nicht diese Entwicklung genau. Bereits im März nur eine gute IT-Ausstattung und räumli- 2020 setzte er mit seiner Arbeitsgruppe che Ressourcen, sondern auch eine gutes eine repräsentative Befragung der Er- Selbstmanagement, außerdem eine gute werbsbevölkerung zum Thema Homeof- Unterstützung durch Führungskräfte, be- Hoffnungsträger? fice mit 700 Beschäftigten um. Bis in den sonders die direkten Vorgesetzten.“ Mai standen die Befragten den Forschen- den neunmal Rede und Antwort. So ge- Chancen im Homeoffice – exc.uni.kn/ungleichheit / wannen Kunze und sein Team detaillierte Ein grundsätzlicher Wandel hin zu ei-
S. 11 Titel Transformation der Arbeitswelt durch Homeoffice „Das Argument, dass mobiles die richtige Mischung zwischen Homeof- verleihen. Würden dabei aber nicht alle Arbeiten für viele fice und Präsenztätigkeit zu gestalten.“ Berufsgruppen berücksichtigt und mitge- Bürotätigkeiten nicht möglich Das sehen die Beschäftigten in der aktu- dacht, bestehe eine nicht zu unterschät- ellen Studie ganz ähnlich und wünschen zende Gefahr: Die einer grundsätzlichen oder förderlich sei, sich Homeoffice zumeist nicht in Vollzeit, Spaltung der Berufswelt in die Beschäftig- wurde jetzt entkräftet. sondern am liebsten zwei bis drei Tage in ten, die privilegiert von daheim arbeiten Und ebenso wichtig: Mobiles der Woche. und es so auch leichter haben könnten, Arbeiten dürfte auch zu Familie und Karriere zu vereinen, und die, Goldene Arbeitszeiten – aber längst denen das verwehrt ist. „Ja, diese Gefahr einem zentralen Aspekt nicht für alle besteht durchaus“, vermutet Kunze. „Ins- der Arbeitgeberattraktivität Eine ganz andere Gefahr betrifft die besondere dürften Tätigkeiten, die kein werden.“ Unternehmen und Beschäftigten, für die mobiles Arbeiten ermöglichen, in einem das Arbeiten von zu Hause aus nicht in schrumpfenden Arbeitsmarkt im Zuge des Prof. Dr. Florian Kunze Frage kommt. Die Nachteile, die dort ent- demographischen Wandels noch stärker stehen, wo Homeoffice keine Option ist, an Attraktivität verlieren.“ könnten sich zu einer Herausforderung Insgesamt aber zieht der Organisati- für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft onsforscher ein positives Fazit: „Unter ner verteilten, individuellen Arbeitskultur delweg, der oft ein großer Zeitfresser war Hinzu kommt, dass das mobile Ar- als Ganzes entwickeln. Die Möglichkeit, dem Strich denke ich, dass die Chancen bietet vielen Beschäftigten große Vortei- und als belastend wahrgenommen wurde. beiten aktuell nur so gut funktioniert, im Homeoffice zu arbeiten, hängt eng mit durch das mobile Arbeiten für Beschäf- le. Fast 80 Prozent der durch Kunze und Durch die reduzierten Pendelfahrten hat weil die Beschäftigten von dem profitie- Ausbildung und Einkommen zusammen. tigte, Unternehmen und auch die Gesell- seine Arbeitsgruppe Befragten gibt an, im verbreitetes Homeoffice sogar das Poten- ren, was die Wissenschaft Sozialkapital Gerade für viele Tätigkeiten, die während schaft als Ganzes klar überwiegen.“ Homeoffice eine bessere Work-Life-Ba- zial, Emissionen einzusparen und einen nennt: „Wenn man sich in seinem Team der Krise als systemrelevant eingestuft | pt. lance zu wahren. Und immerhin die Hälfte Beitrag zur Bekämpfung des Klimawan- gut kennt, einander einschätzen kann und wurden, etwa in der Pflege oder im Ver- der Befragten berichtet, dass sie sogar ef- dels zu leisten. vertraut, und wenn man auch stabile Be- kauf, ist Homeoffice unmöglich. „Deshalb fektiver arbeiten. Besondere Vorteile bie- Und wie stehen die Unternehmen der ziehungen zu seinen Kunden hat, dann ist es besonders wichtig“, findet Kunze, tet sicher der Gewinn an Autonomie in der Entwicklung gegenüber? In vielen Unter- kann man gut rein aus der Ferne arbei- „dass man diese Gruppen in den zentralen Gestaltung des Arbeitstages, der durchaus nehmen sei eine starke Präsenzkultur be- ten. Anders ist es, wenn es darum geht, Debatten nicht ausgrenzt, beispielsweise auch mit privaten Aktivitäten kombiniert sonders durch die Führungskräfte gefördert neue Mitarbeitende zu integrieren und in der Diskussion um ein generelles Recht werden kann. Die strikte Trennung zwi- worden, die über die Präsenz Kontrolle aus- Kundenkontakte aufzubauen. Hier ist der auf Homeoffice. Gerade in Organisatio- schen Arbeit tagsüber und Freizeit am üben konnten, erklärt Kunze. Tatsächlich persönliche Austausch vor Ort nahezu un- nen, in denen Präsenzarbeit und Home- Nachmittag und Abend dürfte durch das lag Deutschland im Vergleich der OECD- erlässlich.“ Einen weiteren wichtigen Fak- office beide vorhanden sind, ist eine hohe stärkere mobile Arbeiten zum Teil aufge- Länder im unteren Drittel der Verbreitung tor sehen die Forschenden in informellen Wertschätzung gegenüber denjenigen, die brochen werden. Zusätzlich entfällt für von mobilen Arbeitsformen – das dürfte Arbeitsnetzwerken: „Die sind gerade für in Präsenz arbeiten, von großer Bedeu- viele im Homeoffice Beschäftigte ein Pen- sich jetzt ändern, meint der Organisati- kreative Tätigkeiten und Problemlösun- tung.“ onsforscher: „Das Argument, dass mobiles gen innerhalb von Organisationen sehr Kunze und sein Team halten die Co- Arbeiten für viele Bürotätigkeiten nicht Risiken des mobilen Arbeitens wichtig. Und sie entstehen oft nur durch rona-Krise für einen möglichen Wende- möglich oder förderlich sei, wurde jetzt Ganz so einfach wird sich die goldene persönlichen Kontakt. Für die Unterneh- punkt. Sie dürfte der Transformation der entkräftet. Und ebenso wichtig: Mobiles Ar- Zukunft, die sich Befürworter des flächen- men ist jetzt deshalb die zentrale Aufgabe, Arbeitswelt eine massive Beschleunigung beiten dürfte auch zu einem zentralen As- deckenden Homeoffice ausmalen, aber pekt der Arbeitgeberattraktivität werden.“ nicht ergeben. „Auf der anderen Seite se- Vielleicht unter anderem aus dieser hen wir auch Risiken des mobilen Arbei- Überlegung heraus haben nicht nur Be- tens, nämlich Einsamkeit und psychische schäftigte, sondern auch Unternehmen Belastung“, warnt Florian Kunze. „Davon Homeoffice-Arrangements schätzen ge- berichten zwischen 20 und 25 Prozent der lernt. Nach Befragungen des IFO-Instituts Befragten in unserer Studie. Das kann da- wollen zwei Drittel der Unternehmen mo- her kommen, dass manche Beschäftigten biles Arbeiten auch über die Zeit Corona- mit der Strukturierung ihres Arbeitstages bedingter Einschränkungen hinaus fort- zu Hause überfordert sind und subjektiv Prof. Dr. Florian Kunze ist setzen. Dahinter stehen natürlich nicht deutlich mehr als sonst arbeiten. Mittel- Professor für Organizational Studies zuletzt auch betriebswirtschaftliche Kos- und langfristig ist das natürlich nicht ge- an der Universität Konstanz und tenersparnisse, die durch die Reduktion sund.“ Deshalb, so folgern die Forschen- Mitglied des Exzellenzclusters „The von Büroraum gewonnen werden können. den, bedarf es dringend aktualisierter Politics of Inequality“ der Universität. Er forscht zu Generationenmana Die Einsparungspotenziale bei größeren Leitlinien zu Arbeits- und Verfügbarkeits- gement, erfolgreicher Führung, Büro- und Dienstleistungsunternehmen zeiten, die auch das mobile Arbeiten zu Digitalisierung in der Arbeitswelt sind hier sehr groß. Hause regeln. und Arbeiten im Homeoffice.
Titel Rechtsanspruch auf Homeoffice Der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Christian Picker untersucht die Forderung nach einem einseitigen Rechtsanspruch auf Homeoffice und kommt zum Schluss: Ein solcher würde nicht nur den Unternehmen, sondern letztlich auch der Arbeit nehmerschaft schaden. „Homeoffice ist ja nichts wirklich Neues.“ – Prof. Ein ambivalentes Bild von Homeoffice Dr. Christian Picker begegnet der Euphorie in der Christian Picker ist aber auch Rechtswissenschaft- aktuellen Diskussion um den Arbeitsplatz zu Hau- ler, und als solcher vertritt er an der Universität Kons- se mit nüchterner Analyse. Als ein großer Teil der tanz den Bereich Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und deutschen Arbeitnehmerschaft sich im März 2020 Unternehmensrecht. Wenn er darauf hinweist, dass aufgrund der Corona-Pandemie den Arbeitsplatz in Homeoffice etwas nicht ganz Neues ist, möchte er da- den eigenen vier Wänden einrichtete, war das ein er- mit sagen, dass es bereits aus Vor-Corona-Zeiten einige zwungenes Experiment mit, nach allgemeiner Sicht- Erfahrungen mit dieser Arbeitsform gibt, die durchaus weise, weitgehend positivem Ausgang. Das virtuelle auch negativ ausfallen. Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeitsverhältnis wird mehr denn je als Arbeitsform Untersuchungen „zeichnen insgesamt ein sehr am- der Zukunft gehandelt. bivalentes Bild“, schreibt der Jurist in seinem Aufsatz „Rechtsanspruch auf Homeoffice?“. So sind die großen Weisungsrecht Christian Picker bekennt sich zum Homeoffice. Technologie- und Internetkonzerne, die Pioniere des Alles andere wäre im Fall eines wissenschaftlich ar- Homeoffice, über die Jahre wieder dazu übergegangen, beitenden Menschen, für den es selbstverständlich ihre Mitarbeiterschaft zurück ins betriebliche Büro zu ist, auch zu Hause seine Arbeit zu erledigen, über- holen. „Bei Yahoo zu sein, das ist nicht nur ein Job, den raschend. Er sieht die vielen Chancen und Vorteile, man von Tag zu Tag erledigt. Es geht um eine Zusam- vs. die Homeoffice bietet: Die Arbeitnehmerinnen und menarbeit, die nur in unseren Büros möglich ist“, ließ Arbeitnehmer verfügen über mehr Zeitsouveränität die damalige Yahoo-Chefin Marissa Mayer laut Online- und damit Freiräume für eine individuelle Planung Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 25. Februar von Arbeitsabläufen. So lassen sich Arbeit und Fa- 2013 der Belegschaft ausrichten. milie besser in Einklang bringen, eventuell weite Zeitsouveränität Anfahrten zum Arbeitsplatz fallen weg, was insbe- Der Grund für den Rückzieher in puncto Telearbeit, sondere für „schutzwürdige Gruppen“ wie schwer- worunter im Wesentlichen Homeoffice und mobile behinderte Menschen von entscheidender Bedeu- Arbeit von unterwegs zu verstehen ist, war neben der tung sein kann, um überhaupt ihre Arbeit ausüben verminderten Kontrolle über die Arbeitsleistung der zu können. Mitarbeitenden die fehlende Betriebsgemeinschaft
Titel Rechtsanspruch auf Homeoffice „Mir haben die Studierenden im Sommersemester eminent „Homeoffice ist ein zentraler Wettbewerbs gefehlt. Ich hätte nie gedacht, dass eine Vorlesung, das parameter. Arbeitgeber, die sich ohne physische Gegenüber, so etwas Essentielles, sogar Existenzielles wirtschaftliche Zwänge Homeoffice verwei- für meine Tätigkeit ist.“ gern, werden dauerhaft an Akzeptanz verlieren.“ Prof. Dr. Christian Picker Prof. Dr. Christian Picker und schwindendes Zusammengehörig- bedeutet das für ihn: „Die Risiken und können dies nicht im Homeoffice. Das keitsgefühl. Dahinter steht die Überzeu- Chancen können nur individuell zwischen gleiche gilt für Pflegeberufe, Polizistin- gung, dass durch die Kommunikation vor den Betroffenen und damit im konkreten nen und Polizisten oder Menschen etwa Ort viel mehr Ideen entstehen als allein Arbeitsverhältnis geklärt werden. Ein ge- im Bäckerhandwerk. „Nehmen Sie einen Prof. Dr. Christian Picker forscht an der Universität und isoliert am heimischen Arbeitsplatz. nereller, einseitiger Rechtsanspruch wür- Betrieb, in dem die einen im Homeoffice Konstanz im Bereich Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Unternehmensrecht. Seine aktuellen Forschungsthemen Der Hochschullehrer Christian Picker de der Vielfalt unserer Arbeitswelt über- arbeiten dürfen, während die anderen in sind politischer Extremismus und die Arbeitswelt. macht aktuell eine ganz ähnliche Erfah- haupt nicht gerecht werden.“ den Betrieb kommen müssen. Das kann rung: Er vermisst den Austausch im Se- zu einer unglücklichen Zweiteilung der minarraum oder Hörsaal. „Mir haben die Hinzu kommt für den Arbeitsrechtler, Belegschaft führen und den Betriebs- Studierenden im Sommersemester emi- dass ein allgemeiner Rechtsanspruch auf frieden gefährden, der für ein Unterneh- nent gefehlt. Ich hätte nie gedacht, dass Homeoffice der Tatsache unberücksich- men eminent wichtig ist“, so der Jurist. eine Vorlesung, das physische Gegenüber, tigt lässt, dass viele Arbeitnehmerinnen Im erwähnten Aufsatz schreibt er darü- so etwas Essentielles, sogar Existenzielles und Arbeitnehmer nicht in der Lage sind, ber hinaus: „Auch wenn eine solche Un- für meine Tätigkeit ist.“ Für den Juristen dauerhaft im Homeoffice zu arbeiten. Ge- gleichbehandlung regelmäßig sachlich gestellten zum Beispiel typischerweise Selbstständige und (externe) Crowd- lautet eines der Hauptargumente, wes- schätzt wird, dass 60 Prozent aller Stel- gerechtfertigt ist, werden die benach- nicht grundlos entlassen. Dass er ihm sa- worker zurückgreift. „Die zunehmende halb er die Forderung nach einem Recht len orts- und tätigkeitsgebunden sind. teiligten ‚einfachen‘ Arbeitnehmer diese gen kann, wie er im Rahmen des Arbeits- ‚Entgrenzung der Weisungsmacht‘ wird auf Homeoffice, das vom SPD-geführten Tatsächlich kann Christian Picker auch nicht selten als einseitige Privilegierung vertrags arbeitet, ist der Ausgleich für zwangsläufig den schleichenden Verlust Bundesministerium für Arbeit und So- nicht erkennen, dass dem Wunsch nach der ‚Premiumarbeitnehmer‘ empfinden.“ diese Pflichten.“ Dieses Direktionsrecht der Arbeitnehmereigenschaft nach sich ziales vorgebracht wird, ablehnt: „Das Homeoffice aktuell von Arbeitgeberseite umfasst jedoch nicht nur den Inhalt der ziehen“, ist im Aufsatz „Rechtsanspruch grundsätzliche Bestimmungsrecht, welche mehrheitlich nicht entsprochen werden Vor allem aber wird für Christian Tätigkeit, „sondern grundsätzlich auch auf Homeoffice?“ nachzulesen. Arbeitsform unternehmerisch sinnvoll würde. Er ist überzeugt: „Homeoffice ist Picker mit dem Recht auf Homeoffice Ort und Zeit“. Ein Recht auf Homeoffice Die Verhandlung über Homeoffice ge- ist, muss hier beim Arbeitgeber liegen.“ ein zentraler Wettbewerbsparameter. Ar- unzulässigerweise die grundlegende Be- würde entsprechend „eine schleichende hört, so die Schlussfolgerung des Arbeits- Homeoffice soll auf Freiwilligkeit beruhen beitgeber, die sich ohne wirtschaftliche deutung des Arbeitsvertrags relativiert, Denaturierung“ dieser Essenz eines Ar- rechtlers, zum Angemessenen, und das ist – auf beiden Seiten. Zwänge Homeoffice verweigern, werden wobei er hier insbesondere das Wei- beitsvertrags bedeuten. Sache der Vertragsparteien, nicht des Staa- dauerhaft an Akzeptanz verlieren. Wir sungs- oder Direktionsrecht, „das Kö- tes: „Die (kollektive) Selbsthilfe hat hier Ein „weiser Spruch im Arbeitsrecht“ müssen der Arbeitswelt aber eine Zeit des nigsrecht des Arbeitgebers“, im Auge hat. Der schleichende Verlust der Vorrang vor der staatlichen Fremdhilfe.“ Der Wissenschaftler beruft sich auf Umdenkens geben.“ Der Arbeitsrechtler fasst es so zusam- Arbeitnehmereigenschaft | msp. „einen weisen Spruch im Arbeitsrecht“, men: „Der Arbeitsvertrag sagt, dass die Christian Picker sieht für den Fall, wonach der Gesetzgeber das Notwen- Wobei er durchaus gewichtige Grün- Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer dass sich die Sozialdemokraten mit ihrer dige und die Arbeitsvertragsparteien, de für eine solche Verweigerung sieht. weisungsabhängig Dienste erbringt. Im Forderung nach einem Rechtsanspruch insbesondere vertreten durch ihre Ge- Das Thema Ungleichbehandlung muss Gegenzug haben die Arbeitgeber erheb- auf Homeoffice durchsetzen, die Gefahr, werkschaften und Arbeitgeberverbände, für ihn in einer Arbeitswelt wie der deut- liche arbeitnehmerschutzrechtliche und dass sich die Arbeitgeberschaft dieser das Angemessene selbst regeln sollen. schen, in der die produzierende Branche sozialversicherungsrechtliche Pflichten Pflicht vermehrt entzieht, indem sie Christian Picker in campus.kn Vor dem Hintergrund, dass Homeoffice stark vertreten ist, berücksichtigt werden. ihren Arbeitnehmern gegenüber zu tra- statt auf Angestellte mit allen arbeits- – uni.kn/in-jeder-hinsicht sowohl Chancen als auch Risiken birgt, Menschen, die Autos zusammenbauen, gen. Ein Arbeitgeber kann einem An- rechtlichen Konsequenzen auf (Solo-)
Titel Jens Apitz ist seit 1999 Kanzler der Universität Konstanz. Er ist Arbeit und Corona Jurist und Betriebswirt. Rechtswissenschaften studierte er an den Universitäten Marburg und Tübingen. Während seines Referen dariats absolvierte er zudem ein juristisches Ergänzungsstudium an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und danach ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschafts lehre an der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschafts akademie. „Ich glaube, dass Vor seiner Zeit in Konstanz war Jens Apitz zunächst Referent im Rechtsamt und in der Abteilung Bauplanung und Liegenschaften an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen und später Leiter der Abteilung Studienangelegenheiten und des Dezernats Akade die Arbeit durch die mische Angelegenheiten. Dazwischen arbeitete er als Referent im Medizinreferat des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Erfahrungen der Jens Apitz war ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Lörrach. Aktuell ist er Beisitzer des Disziplinarsenats beim Verwaltungsge richtshof Baden-Württemberg. Corona-Zeit einen Flexibilisierungsschub Aber es war ja nicht nur die Verwaltung Auffassung zu diesem Thema während grundlegend geändert. Ich glaube, dass erhält“ von den Zugangsbeschränkungen betroffen. der Notbetrieb-Zeit der Universität wir viel mehr Vertrauen haben kön- Der Zugang etwa zur Bibliothek und zu den geändert. Was war Ihre alte und was ist nen. Außerdem bin ich inzwischen der Forschungslaboren war zu Anfang eben- Ihre neue Überzeugung dazu? Meinung, dass man zu Hause sehr wohl falls stark eingeschränkt. Es bedurfte eini- Wir haben seit etlichen Jahren eine konzentriert arbeiten kann. Auch über ger Überlegungen im Rektorat, bis wir Wege Dienstvereinbarung mit dem Personal- Dienstreisen denke ich heute ganz an- gefunden haben, den Zugang zu den Labor- rat zum Thema Telearbeit. Im letzten ders. Ich konnte mir vor einem halben Jens Apitz wurde zum vierten Mal zum Kanzler der Universität Konstanz Arbeitsplätzen wieder zu ermöglichen. Da Jahr vor der Corona-Krise hatte ich den Jahr nicht vorstellen, dass es eine ande- gewählt. Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen im Home waren die Naturwissenschaften natürlich Eindruck, dass wir zu freizügig mit den re Möglichkeit gibt, an einer Kanzlerar- in ganz besonderem Maß betroffen. Möglichkeiten, zu Hause zu arbeiten, beitskreis-Sitzung in Berlin teilzuneh- office, warum er Homeoffice nun für ein wichtiges Element zukünftiger umgegangen sind. Ich habe die Anträge men, als morgens in aller Herrgottsfrühe Arbeitsregelungen hält und welche Themen seine Arbeit in den kommen- Machen Sie auch Homeoffice? dann etwas restriktiver beschieden, das nach Zürich zu fahren, dort in den Flie- den Jahren bestimmen werden. Ja, ich mache Homeoffice. Am Anfang heißt, ich habe ihnen in der Regel ent- ger zu steigen, in Berlin die Sitzung ab- des Notbetriebs habe ich fast zu hundert sprochen, aber nicht in vollem Umfang. zuhalten und abends wieder zurück- Prozent Homeoffice gemacht und bin nur Tatsächlich hatte ich auch ein Problem zufliegen, um gegen 23 Uhr zu Hause selten an die Universität gekommen, um damit, einem Teil der Kolleginnen und anzukommen. Inzwischen finden diese das, was nur im Büro möglich war, zu er- Kollegen deutlich mehr Flexibilität ein- Sitzungen per Videokonferenz statt, die uni’kon: Herr Apitz, herzlichen Glückwunsch zur Wie ist der Universitätsbetrieb während des Notbe- ledigen. Ansonsten habe ich mich an die zuräumen als anderen, deren Arbeit, wie mich anstatt eines ganzen Tages gerade Wiederwahl als Kanzler der Universität Konstanz. triebs, was die Erledigung der anfallenden Arbeiten Regelungen des Notbetriebs gehalten und wir damals überzeugt waren, vor Ort er- mal zwei Stunden kosten. Die Wahl fand am 17. Juli 2020 statt, mitten in der betrifft, verlaufen? habe von zu Hause aus gearbeitet. ledigt werden muss. Das betraf in meiner Corona-Situation. Auf was liegt in Zeiten der Pan- Aus meiner Sicht haben die Abläufe überraschend Vorstellung auch Serviceeinrichtungen, Sie sagten, es gäbe eine Dienstverein- demie das besondere Augenmerk des Kanzlers der gut funktioniert. Unmittelbar nach dem 16. März gab Und wie lief es im Homeoffice? die wir geschaffen haben, um für unser barung zum Thema Telearbeit mit dem Universität Konstanz? Was war und ist Ihnen als es Verzögerungen bei Einstellungs- und Beschaffungs- Das ging gut. Ich habe mich zuerst na- wissenschaftliches Personal und unsere Personalrat. Wird diese Dienstver- oberster Personalchef in solch einer Krisensituation anträgen. Wir haben ja zunächst alle Mitarbeiterinnen türlich eingewöhnen müssen in die tech- Studierenden besondere Unterstützungs- einbarung an die neuen Erkenntnisse wichtig? und Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, und nicht nischen Möglichkeiten, die unsere Kolle- und Beratungsangebote zu bieten. Durch angepasst werden? Jens Apitz: Ich hoffe, es wurde und wird deutlich, alle Aufgaben konnten vom Homeoffice aus erledigt ginnen und Kollegen vom KIM sehr rasch die Bedingungen der Corona-Krise haben Die geltende Dienstvereinbarung zur dass mir persönlich und auch dem gesamten Rekto- werden. Wir haben aber darauf reagiert und einzelne bereitgestellt haben, und habe schnell ge- wir alle viel gelernt. Viele Dinge, die man Telearbeit haben wir ohnehin während rat die Gesundheit aller Mitglieder der Universität Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter – selbstver- lernt, meine Besprechungen mit Telefon- sich zuvor nicht vorstellen konnte, sind der Corona-Zeit weitgehend ausgesetzt. besonders am Herzen liegt. Und dass wir unsere Ent- ständlich unter Wahrung der Schutzmaßnahmen – vor und Videokonferenz zu führen. selbstverständlich geworden: Zum Bei- Das Rektorat hat mit dem Personalrat scheidungen zuallererst am Gesundheitsschutz der Ort geholt, die die Anträge erledigt haben. Jetzt hat spiel, dass Teambesprechungen und Bera- vereinbart, dass wir zu diesem Thema Universitätsmitglieder ausgerichtet haben. Ich bin sich das eingependelt. Wir haben in der Verwaltung Sie haben in Ihrer Rede bei der gemein- tungsgespräche keine physische Präsenz eine neue Dienstvereinbarung abschlie- überzeugt, dass die Entscheidung, am 16. März in den auf weiten Strecken wieder Präsenzbetrieb, der al- samen Sitzung des Universitätsrates erfordern, sondern genauso gut – mit an- ßen werden, die deutlich über die bis- Notbetrieb überzugehen, richtig gewesen ist. Es be- lerdings noch eingeschränkt ist durch Vorgaben, was und des Senats der Universität Konstanz deren Vorteilen und anderen Nachteilen herige mit dem Personalrat vereinbarte deutete im Wesentlichen eine Zugangsbeschränkung Abstand und die maximale Belegung von Räumen be- zur Kanzlerwahl das Thema Homeof- – als Videokonferenz stattfinden können. Regelung hinausgehen wird. zur Universität, um mögliche Infektionswege auf dem trifft. Die meisten Büros dürfen nur durch eine Person fice angesprochen. Sie sagten bei dieser Meine Auffassung von Homeoffice Gelände der Universität zu unterbrechen. belegt sein. Das ist alles gut organisiert. Gelegenheit sinngemäß, sie hätten ihre hat sich durch die eigenen Erfahrungen
S. 19 Titel Arbeit und Corona Können Sie dazu schon ein paar Punkte ein größerer Hörsaal befinden werden. nennen? Sie sind auch als Ersatzfläche notwendig, Bisher durfte Homeoffice nur bis zu um in die dringende Sanierung der Ge- einem bestimmten Prozentsatz der Ar- bäude C, D und E einsteigen zu können. beitszeit vereinbart werden. Wir wollen Ein weiteres Bauvorhaben ist ein Modul- es künftig deutlich flexibler handhaben. bau für die BiSE, die Binational School Es gibt Überlegungen, dass man eventuell of Education. Und dann steht natürlich ganz von zu Hause aus arbeiten kann. Wa- das große Bauvorhaben an, auf das wir rum sollte es zum Beispiel nicht möglich alle warten, das Forum Konstanz (siehe sein, dass die Universität Konstanz eine auch S. 38 bis S. 43). Dieses Gebäude ist Person beschäftigt, die ihren Wohnsitz in ja eines der zentralen Leuchtturmprojekte Hamburg hat und von dort aus arbeitet? Zumindest muss man darüber nachden- unserer Exzellenzstrategie und wird einen großen Gewinn für die Universität Kons- selbst mit so tollen Hilfsmitteln wie dem Renate Pfeifer, Leiterin der ken. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitar- beiter kann dann allerdings nicht mehr tanz bedeuten. Daneben verhandeln wir mit dem Land über eine neue Sporthalle, Computer die Arbeit deutlich mehr statt weniger geworden ist. Die Arbeit wird Abteilung Personal und Recht, darauf zählen, dass sie bzw. er an der Uni- versität einen festen Schreibtisch hat. ein Ersatzgebäude für die Tierforschungs- anlage, wir wollen ein neues Gebäude für einfach anders werden. Mit einer flexiblen Homeoffice-Regelung werden zum Bei- zum Thema Homeoffice Forschungslabore der Geistes- und Sozial- spiel bestimmte Kernarbeitszeiten nicht Zurück zu Ihrer Wiederwahl als Kanzler wissenschaften und viele weitere Umbau- mehr vereinbar sein, das heißt, ob man der Universität Konstanz. Was werden und Sanierungsmaßnahmen. Und dann tagsüber, in der Nacht, an den Werktagen Schwerpunktthemen Ihrer vierten Amts- wird ja auch die Max-Planck-Gesellschaft oder am Sonntag arbeitet. Wir haben ja uni’kon: Frau Pfeifer, Sie machen seit fünf Jahren sein kann, wenn Arbeit und Freizeit nicht räumlich zeit sein? noch ein eigenes Gebäude für das Max- die technischen Hilfsmittel, die uns die Homeoffice. Wie oft in der Woche haben Sie vor den getrennt sind und man meint, immer wieder mal kurz Was mich natürlich zuvorderst interes- Planck-Institut für Verhaltensbiologie auf Arbeit überall und jederzeit ermöglichen. Corona-Zeiten von Ihrem heimischen Schreibtisch an den Rechner gehen zu müssen. Man verliert auch siert, ist, wen wir als neue Rektorin oder unserem Campus errichten. Ich glaube, dass die Arbeit durch die Er- aus gearbeitet? ein wenig den Kontakt zu den Kolleginnen und Kolle- neuen Rektor bekommen. Internationalisierung ist ein weiteres fahrungen der Corona-Zeit einen Flexi- Renate Pfeifer: Vor Corona habe ich zwei bis gen sowie zu den Informationen in seinem Arbeits- Wir haben etliche Bauvorhaben in großes Thema. Die Verwaltung kann gar bilisierungsschub erhält. Umso wichtiger dreimal pro Woche von zu Hause aus gearbeitet. Ich bereich und in der Universität. Nachteilig empfinde der Pipeline. Relativ rasch werden wir nicht international genug aufgestellt sein wird der Schutz vor der ständigen Erreich- war ja fast jeden Tag im Büro, bin aber öfter wegen ich ebenfalls, dass man für andere schlechter zu er- zunächst das neue VCC-Gebäude für das angesichts dessen, dass Studierende und barkeit sein. Das ist auch für unseren Per- der Kinderbetreuung früher nach Hause gegangen reichen ist – das möchten wir zukünftig besser regeln. Center for Visual Computing of Collec- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- sonalrat ein sehr wichtiges Anliegen. und habe dann am Nachmittag oder Abend noch von tives beziehen können. Weitere größere ler inzwischen von überall auf der Welt Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu Hause aus gearbeitet. Jens Apitz, der Kanzler der Universität Konstanz, Bauvorhaben sind dann zum Beispiel die zu uns kommen. Die Verwaltung verfügt zur Gegenwart machen. Vielen Universi- hat eine neue Dienstvereinbarung mit dem Perso- Erweiterung der Universität um ein neu- in weiten Teilen über die entsprechenden tätsmitgliedern sind die einschränken- Aus Ihrer eigenen Erfahrung und aus Ihrer Erfah- nalrat angekündigt, die größere Flexibilität in Sa- es X-Gebäude, gleich im räumlichen An- Kompetenzen, um mit ihnen gut zu kom- den Maßnahmen, die das Rektorat im rung als Leiterin der Abteilung Personal und Recht: chen Homeoffice ermöglichen soll (siehe Interview schluss an das V-Gebäude. Eigentlich wer- munizieren. Wir brauchen aber noch mehr Notbetrieb ergriffen hat, entweder nicht Was sind die Vorteile und was sind die Nachteile S. 14). Was ist nach Ihrer Auffassung die richtige den es zwei Gebäude sein, in denen sich englische Sprachkurse. Mit dem Lehrgang weit genug oder zu weit gegangen. Diese von Homeoffice? Balance zwischen heimischem Arbeitsplatz und sowohl Büro- als auch Seminarräume und zur Verbesserung der interkulturellen Kritik zu äußern ist selbstverständlich ihr Die Vorteile von Homeoffice sind die Flexibilität Büro an der Universität? Kompetenz haben wir schon ein tolles In- Recht. Dabei ist mir manchmal aber etwas – ich kann die Arbeit kurzzeitig unterbrechen, um Die richtige Balance ist meines Erachtens diejeni- strument, das unter anderem auch einen zu kurz gekommen: Wir sollten beden- beispielsweise eine Frage der Kinder zu beantworten. ge, die wir derzeit in der Dienstvereinbarung bereits internationalen Austausch beinhaltet. ken, in welcher Lage wir als Beschäftigte Die haben wiederum die Gewissheit, dass jemand zu geregelt haben: Mindestens die Hälfte der eigenen in- des Öffentlichen Dienstes sind. Niemand Hause ist. Dieser Vorteil lässt sich sicherlich auch auf dividuellen Arbeitszeit vor Ort zu sein, um den Kon- Zum Schluss würde ich gern noch auf von uns musste sich Sorgen um seinen Ar- Beschäftigte mit Pflegeaufgaben übertragen. Dann takt zu den Kolleginnen und Kollegen sowie zu den das Thema Zukunft der Arbeit kommen. beitsplatz und um sein Gehalt machen, im kann man zu Hause auch oft konzentrierter arbeiten, Informationen nicht zu verlieren. Und dann hängt es Werden wir in Zukunft zum Beispiel Gegensatz zu vielen Menschen, die ihre da es weniger Unterbrechungen gibt. Viele Beschäf- natürlich von der Art der Arbeit ab: Manche Arbeit angesichts zunehmender Digitalisierung Arbeit verloren haben, weil ihren Betrie- tigte schätzen es auch, dass der lange Anfahrtsweg kann nicht von zu Hause aus erledigt werden, insbe- der Arbeitsplätze weniger arbeiten? ben die Nachfrage weggebrochen ist, oder wegfällt. sondere die mit viel Service- und Beratungscharakter. Ich glaube nicht, dass die Arbeit we- die in Kurzarbeit geschickt wurden. Ich Auch wenn dies in Corona-Zeiten zum Teil anders ge- niger wird. Ich kann mir aber vorstellen, möchte gern daran erinnern, dass wir hier Der Nachteil kann sein, dass es manchen schwer- regelt ist, denke ich, dass wir nach Corona wieder zu dass es in Zukunft viel mehr flexiblere an der Universität Grund haben, dankbar fällt, zu Hause ein Ende zu finden; dass es belastend Präsenzberatung zurückkehren werden. Arbeitsmodelle geben wird. Alle Erfah- zu sein. rung aus der Vergangenheit zeigt, dass | Das Interview führte Maria Schorpp.
Titel Achtsamkeit in der Arbeitswelt Im Hier und Jetzt sein, frei von Wer- tung und offen gegenüber dem sein, was ist – noch vor wenigen Jahrzehnten wurden solche Zustandsbeschreibungen Anfänger belächelt und in die Esoterik-Ecke ge- schoben. Das hat sich inzwischen unter dem Stichwort „Achtsamkeit“ geändert. Achtsamkeit lässt sich lernen, mittels meditativer Praktiken, aber auch über in den Alltag integrierte Handlungen. Auch Universitäten machen ihren Mitgliedern geist heute Angebote, Achtsamkeit einzu- üben. Mehr noch: Zen, Yoga, Kontemp- lation, Tai Chi, Qigong und Co. werden erforscht, um zu entschlüsseln, worauf ihre Wirkung beruht, die nicht zuletzt den Arbeitsalltag der Menschen ent- scheidend zum Besseren zu verändern schlägt vermag. Dr. Frank Oberzaucher ist Lecturer und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geschichte, Soziologie, Sportwis Dr. Frank Oberzaucher, Lecturer und senschaft und empirische Bildungsforschung. Seine aktuellen wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach- Hauptforschungsgebiete sind qualitative Methoden, Kommuni bereich Geschichte und Soziologie und kation im institutionellen Kontext sowie achtsame Berufe. zuständig für qualitative Forschungsme- Routine thoden, untersucht, wie Achtsamkeit- spraktiken vermittelt und angeeignet werden. Insbesondere interessiert ihn ihre Integrierbarkeit in Psychothera- seine Feldforschung etwa in ein Medita- alien und Lehrbüchern zu finden sind. pieformen und ihre praktische Anwen- tionszentrum zurück, das kann auch ein Das Datenspektrum der Analysen um- dung. Gerade in der Psychotherapie ist Schweigekloster sein, und er praktiziert fasst dabei auch Audio- und Videoauf- ein erhöhtes Maß an Unterscheidungs- regelmäßig Zen und Qigong. zeichnungen, Beobachtungsprotokolle, fähigkeit von Wahrnehmungen, Empfin- Tagebucheinträge sowie ethnografische dungen und Gefühlen notwendig, damit Er versteht Achtsamkeit als soziale Interviews. die therapierende Person diese richtig Praxis. Achtsamkeit ist demzufolge kein Der Soziologe Dr. Frank Oberzaucher forscht zu zuordnen kann, die die Patientin/der Pa- rein innerpsychisches und egologisches Nach zwei Bissen geht der Geist Achtsamkeitspraktiken und zu Berufen tient bei ihr auslöst. Die Frage der the- Phänomen, sondern eine soziale, ver- auf Wanderschaft rapierenden Person lautet: Gehören die körperte und zu vollziehende Tätigkeit. Achtsamkeit als soziale Praxis zu bzw. Tätigkeiten, in denen Achtsamkeit eine Wahrnehmungen zu mir und meiner Bio- In seinem kürzlich erschienenen Aufsatz verstehen, betont auch ihren Übungs- tragende Rolle spielt. grafie oder zu meinem Gegenüber? „Das Selbst kultivieren – Praktiken der charakter in alltäglichen Handlungen. Achtsamkeit in spirituellen und psy- Beispiel Essen. „Ich habe mir ein Essen Zur Feldforschung ins Schweigekloster chotherapeutischen Handlungsfeldern“, zubereitet. Nun setze ich mich hin und Als qualitativ forschender Soziologe den er gemeinsam mit dem Konstanzer versuche, zehn Minuten lang mein Essen begibt sich Frank Oberzaucher mitten Kultursoziologen Dr. Clemens Eisen- zu essen. Die Übung besteht darin, jeden hinein in sein Forschungsgebiet, was in mann geschrieben hat, wird das Problem Bissen bewusst wahrzunehmen und zu dem Fall bedeutet: Er begibt sich an die der Beobachtung und Beschreibung von schmecken, in dem, was er ist.“ Der Acht- Orte, an denen Achtsamkeit vermittelt Praktiken der Achtsamkeit expliziert samkeitslaie wird schnell feststellen: und eingeübt wird. „Damit ich zu Acht- und mittels des soziologischen Ansat- Nach spätestens zwei Bissen geht der samkeit forschen kann, muss ich sie zes namens Ethnomethodologie em- Geist auf Wanderschaft. Entweder legen erlernen und regelmäßige Achtsamkeit- pirisch untersucht. Ziel ist dabei auch, sich Bewertungen auf das reine organi- spraxis betreiben. Ich muss mich selbst das „Wie-es-gemacht-wird“ im Vollzug sche Aufnehmen. Der Geschmack wird mit diesem Kompetenzsystem vertraut sowie die diesen Tätigkeiten – hier: Psy- eingeordnet und bewertet. Oder er rich- machen und gleichzeitig herausarbeiten, chotherapie – zugrunde liegenden prak- tet seine Aufmerksamkeit auf Zukünf- wie diese Praxis in psychotherapeuti- tischen Kompetenzen herauszuarbeiten. tiges, indem die Gedanken schon viel- schen oder beraterischen Kontexten ein- Schließlich sind das Kunstfertigkeiten, leicht bei der Person sind, die man nach gesetzt wird“, sagt er. So zieht er sich für die gerade nicht in Ausbildungsmateri- dem Essen treffen möchte. Oberzaucher:
Titel Achtsamkeit in der Arbeitswelt Call for Applications: „Die meisten von uns sind relativ selten Lesarten zu sein. Es gilt, dass das, was Senior Fellowships at the Zukunftskolleg am Tag im Augenblick, im Hier und Jetzt. sich zeigt, immer wieder neu ist. Zudem fällt es uns nicht einmal auf, höchstens wenn die Kürbissuppe nicht Gegen den routinierten Blick auf die im Mund landet, sondern das frisch ge- Welt stellt beispielsweise das Zen den bügelte Hemd verziert.“ Durch das stän- sogenannten „Anfängergeist“ und die dige Einüben von Achtsamkeitspraktiken Grundüberzeugung, dass es nichts im wird deutlich, dass Bewußtheit im Alltag Leben gibt, das sich wiederholt. Jeder durchaus steigerbar zu sein scheint und Moment ist potenziell neu. Es ist nur der dass das Leben (mit Achtsamkeit) nicht menschliche Geist, der etwas als bekannt besser oder schlechter, aber dafür tiefer behandelt. Etwas zugespitzt formuliert wahrgenommen werden kann. stellen, indem etwa die gesamte Beleg- sagt Oberzaucher, „dass man die wahren schaft in den Zen-Kurs geschickt wird. Kenner psychotherapeutischen Handelns „Wir stolpern durch den Tag, weil Eine kritische Lesart des Achtsamkeits- daran erkennt, dass sie so handeln, als ob wir gedanklich eigentlich immer schon booms sieht Oberzaucher durchaus ge- sie Anfänger wären, ohne zu versuchen, irgendwo anders sind“, meint der So- boten, indem er betont, dass „Achtsam- etwas als besonders gewandt und kunst- ziologe. „Man kann sagen, einen Groß- keit im Zuge der westlichen Aneignung voll zu machen“. teil unseres Vermögens schöpfen wir gar der buddhistischen Spiritualität ent- | msp. nicht aus. Wir sind teilbewusste Arbeit- fremdet“ worden sei und sich so mehr nehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Acht- und mehr einer Kommerzialisierung im samkeit hat positive Auswirkungen auf Dienste einer „neoliberalen Leidideolo- die Gesundheit, das zeigen eine Reihe gie“ verschrieben hätte. von naturwissenschaftlichen Studien. Allerdings gehört es zum Wesen uralter Kenne ich schon, ich weiß, wie es geht Achtsamkeitspraktiken, die sich – ob Was sich im Arbeitsalltag zwischen Christentum, Buddhismus, Hinduismus den Menschen und den gegenwärtigen oder Islam – in jeder Religion wiederfin- Moment schiebt, ist häufig die Routine. den, völlig absichtslos zu sein. Selbstver- ständlich geht es auch nicht darum, mit So sehr sie entlasten kann, so sehr birgt sie die Gefahr zu erstarren – nach dem Application deadline: dieser Technik Arbeitgebern eine weitere Motto: „Kenne ich alles schon, mache Optimierungsstrategie zur Verfügung zu ich schon seit zehn Jahren, ich weiß, wie es geht und bin schließlich Experte oder 15 December 2020 at 11:59 PM Expertin.“ In heilenden Berufen wie dem (CET) psychotherapeutischen Bereich ist solch All applications and required eine Einstellung besonders fatal. Anstatt documents must be submitted in Frau X aufgrund von Symptomen gleich More information: uni- eine Depression zu attestieren, gilt es, offen für alternative Diagnosen oder konstanz.de/zukunftskolleg/fellowships/ zukunftskolleg.seniors@uni.kn senior-fellowship/
Titel Arbeit und Familie Arbeit und Familie – das Leben als Kompromiss? Dr. Ariane Bertogg forscht seit April 2020 am Zukunftskolleg der Universität Konstanz zur Vereinbarkeit von Arbeit und familiärer Betreuung. Ihr sowohl mikro- als auch makrosoziologischer Ansatz betrachtet die individuellen Lebenswege sowie das sozio-politische und kulturelle Umfeld der Menschen. uni’kon hat mit ihr über neue Vereinbarkeitsherausforderungen in der zweiten Lebenshälfte gesprochen. Adobe Stock 132264066 Waldbach. uni'kon: Frau Bertogg, wir werden kommt, dass es teilweise für ältere Arbeit- Pflege angewiesen sein werden. Für den „Ich kann zeigen, dass intensive Pflege oder immer älter, also arbeiten wir immer nehmerinnen und Arbeitnehmer schwierig Wohlfahrtsstaat bedeutet das, neue und länger. Stimmt das? ist, eine neue Stelle zu finden , wenn sie situationsgerechte Pflegemodelle bereit- Betreuung schon dazu führt, dass die Teilnahme Dr. Ariane Bertogg: Ja und nein. Ei- arbeitslos oder via Frührente zum Gehen zustellen und zu finanzieren. Über die nerseits wurde in den allermeisten europä- aufgefordert werden. Pflegeversicherung finanzieren wir diese am Arbeitsmarkt eher verfrüht aufgegeben ischen Ländern das offizielle Rentenalter schon heute mit. Das finanzielle Volumen erhöht. Dies ist eine sozialpolitische Reak- Demographisches Altern stellt sowohl in diesen Töpfen reicht aber bereits heute wird – und zwar von Frauen wie von Männern!“ tion auf die gestiegene Lebenserwartung. den Wohlfahrtsstaat als auch jeden nicht aus, um den Pflegebedarf im benö- Hauptzweck einer solchen Reform ist, das Einzelnen vor neue Herausforderungen. tigten Umfang zu decken. Für Individuen Rentensystem zu entlasten. Andererseits Vor welche konkret? bedeutet das daher, dass informelle – also liegt das durchschnittliche effektive Ren- Die demografische Alterung setzt sich privat organisierte – Hilfe- und Pflegear- Dr. Ariane Bertogg tenalter in nicht wenigen Ländern einige aus mehreren Komponenten zusammen, rangements die staatlichen Leistungen Jahre unter dem offiziellen. Zum Beispiel unter anderem der gestiegenen Lebens- komplementieren müssen. Eine infor- Deutschland: Seit den 1970er-Jahren bis erwartung, der gesunkenen Geburtenrate melle Pflegebeziehung verändert aber die Anfang der 2000er-Jahre ist das effekti- und dem nach hinten verschobenen Erst- Macht- und Abhängigkeitskonstellatio- ve Rentenalter kontinuierlich gesunken, geburtenalter. Dies hat vielfältige Fol- nen innerhalb von Familien. Dies sind die Trendwende kam vor zirka 15 Jahren. gen, beispielsweise die, dass wir in den ganz individuelle biografische Heraus- Sprich: Wer es sich leisten kann, in Früh- letzten Jahren unseres Lebens mit ho- forderungen, denen sich Pflegende und – uni.kn/ungleichheit-arbeitsmarkt rente zu gehen, tut dies auch oft. Hinzu her Wahrscheinlichkeit auf umfassende Gepflegte stellen müssen, die psychisch
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