A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...

Die Seite wird erstellt Violetta Pfeiffer
 
WEITER LESEN
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
O BEN
Abfall kann wunderschön sein ...     R  SC H
                                   VE         i 20 22
Littering hat globale Auswirkungen    f J u n
                                   au
Öffentliche Ausstellung am Rhein, vom Juni 2022 in Basel und Begleitbuch
Littering und seine globalen Auswirkungen auf Rohstoffe, Energie und Nahrungskette

©WasteArt

Projektbeschrieb

Bilder und Platzierung

Begleitbuch (Entwürfe)

22. Juni 2021
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Alle, die in irgendeiner Weise mit Littering zu tun
                                  haben oder in Kontakt kommen, legen dar, wie sich
                                  die Situation für sie darstellt und entwickeln Ideen,
                                  auch Utopische, wie dem Littering begegnet
                                  werden könnte.

Littering-Buch und Kunstprojekt

          Alles im Fluss
      Wer nutzt den Rhein?
   Eine interaktive Kampagne
https://www.allesimfluss.info/
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Das Gesamtkonzept der Litteringplakate

«Abfall kann wunderschön sein. Aber nur auf Bildern! Niemals an Deinem Lieblingsplatz.»
Dieser Gedanke stand am Anfang der Littering-Ausstellung. Fotografische Stillleben von
Abfall, «©WasteArt», auf Plakaten und Banner, am Ort des Geschehens. Ein soziologisches
Projekt

Ausgangslage:

Seit einigen Jahren sammle ich in Basel, am Rheinufer des St. Johanns den Abfall auf, weil
er mich stört und er eine grosse Verletzungsgefahr für Kinder und Rheinschwimmer ist. Die
Auseinandersetzung mit dem Abfall, eröffnete mir Einsichten in unsere Gesellschaft. Den
meisten Menschen ist Littering ein Ärgernis, und doch ist Abfall in unserer Stadt omnipräsent.
Abfall wurde zu den Emojis, den Icons unserer Lebensweise. Littering ist viel mehr, als ein
Ärgernis.
Erster Projektentwurf:

Ich räume den Abfall nicht nur weg, ich beschäftige mich auch als Fotograf damit. Ich mache
Stillleben von den Menschlichen Hinterlassenschaften. Nicht immer ist noch sichtbar, um was
es sich handelt. Es ist dem Betrachter überlassen, was er sieht. Die Gedanken sind frei. Wie ein
Archäologe kann er sich der ursprünglichen Verwendung annähern. Die Idee entstand, diese
Bilder, am Ort des Geschehens zu zeigen, um den Menschen, das Thema mit verstörender
Schönheit vor Augen zu halten. Eine Verbindung zwischen der Ikone und unserem gedanken-
losen Tun. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Ästhetik. Fasziniert und Dankbar über
die Tag tägliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtreinigung, möchte ich
deren Leistung auch sichtbar machen. Mehr noch als die Fussballer unseres FCBs sind Sie die
grossen Stars unserer Stadt, erhalten aber kaum Applaus, das muss sich ändern. Sie pflegen
das saubere Image unserer Stadt, wie sonst niemand. Sie halten unsere Stadt lebenswert. Die
Ausstellung und dieses Buch ist mein Applaus und mein Dank den Stadtreinigerinnen und
Stadtreinigern.
Der Lauf der Dinge:

Die Idee entpuppte sich schnell als grosse Aufgabe, zugleich trat Corona auf die Weltbühne
und Littering war plötzlich für niemand mehr Thema und die Restriktionen stoppten die
Planungen fast vollständig. Der Ausstellungstermin blieb. Die Einsicht, dass eine Ausstellung
schnell vergessen ist, bewog mich ein Buch zum Thema zu machen, in dem das Thema von
möglichst vielen Seiten, auf möglichst kontroverse Art behandelt wird.

Littering hat viele Ursachen, die auch im Wandel unserer Gesellschaft begründet sind. Was sagt
das aus über die Menschen, über unsere Gesellschaft? Welche Botschaften lesen wir heute
im Abfall, was lesen in 2000 Jahren die Archäologen im Abfall? Welche Schlüsse werden sie
ziehen? Meine Ausstellung ist eine Ikonografie der heutigen, westlichen Gesellschaft. Jedes
Plakat markiert ein Tatort. Wenn der Besucher eines der Plakate betrachtet, kann, ja muss er
die Verbindung zum Tatort machen, das direkt zu seinen Füssen liegt, denn da lag, was er jetzt
vor Augen hat, auf Augenhöhe. Ich hebe den Abfall nicht nur auf, um ihn zu entsorgen, ihn zum
Verschwinden zu bringen. Mit der Ausstellung hebe ich den Abfall auf Augenhöhe, halte ihn
der Gesellschaft vor Augen, mit all seiner zweifelhaften Ästhetik.
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Katalog und Begleitschrift

Wie bei jeder grossen Ausstellung, gibt es auch bei dieser einen Katalog.

Nebst der Katalogisierung der ausgestellten Bilder, zeige ich weitere Bilder, die am Rhein und
im St. Johann entstanden sind. Nicht nur aus der Serie «©WasteArt», auch aus der Serie «Am
Wegesrand». Während «©WasteArt» auf ein soziologisches Problem aufmerksam macht, will
die Serie «Am Wegesrand» auf die alltäglichen Schönheiten aufmerksam machen, an denen wir
meist achtlos vorbeigehen. Es lohnt sich, die Augen aufzumachen.

Da ich Littering als weitreichendes Problem mit globalen Auswirkungen auf Rohstoffe, Energie
und Nahrungskette sehe und als Ausdruck unserer heutigen Gesellschaft, möchte ich das
Thema mit Gastautoren vertiefen. Was bedeutet das Littering für die Stadtreinigung, für das
AUE, für den Tourismus, für die Politik, die Wirtschaft (...)? Welche Zahlen und Fakten gibt es
zum Thema? Sehr schön wäre ein geschichtlicher Abriss, der direkt Betroffenen, der Stadt-
reinigung. Wie ist sie entstanden, wie hat sie sich bis heute entwickelt, wie stellt sie sich ihre
Zukunft vor? So soll eine Bestandsaufnahme der Situation entstehen, auf der man gemeinsam
nach Lösungen suchen kann.

Ganz aktuell sind die Zusammenhänge, zwischen den «fridays for future» Demonstrationen, der
ausserordentlichen Lage wegen Corona und dem Abfall-Verhalten der Gesellschaft. Wie geht
Turbo-Konsum to go und die Sorge um das Klima zusammen? Wie hat sich das Littering, mit
Corona verändert? (...)
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Einführung

©WasteArt Intro
Warum ich mich mit dem Thema «Littering» beschäftige, warum ich es als
«elegantester Strassenwischer» (TeleBasel) mache und was mich dabei bewegt,
erfahren Sie in dieser Einführung.

Immer wieder werde ich gefragt, wa-           Ich sehe die Vermüllung dieser               weg heimwärts laufe, sehe ich Grup-
rum ich Abfall sammle und warum           wunderbaren Plätze als Spiegel und               pen von Jugendlichen, ausgestattet
ich das in edler Kleidung mache. Es       Symptom unserer immer schneller                  mit diversen Trag- und Rucksäcken
scheint auch sehr unglaubwürdig zu        drehenden Konsumgesellschaft und                 voll mit Getränken und Junkfood.
sein, dass das jemand freiwillig, aus     der damit einhergehenden Gedan-                  Am nächsten Morgen zeigt sich dort
freien Stücken, in seiner Freizeit tut.   kenlosigkeit als ein Soziologisches              dann ein trauriges Bild: viele ange-
Anfangs wurde selbst seitens Litte-       Problem. «Ich, jetzt, hier! Was nach             brochene Energy-Drinks, angefres-
ring-Organisationen angezweifelt,         mit ist? Egal!» Meine Beobachtung                sener Junkfood und halb leere Fla-
dass ich das freiwillig mache. Die        ist, dass sich diese Gedankenlosig-              schen billigsten Wodkas. Seit zwei,
Antwort ist einfach und vielschichtig     keit, quer durch alle Alters- und Ge-            drei Jahren finde ich immer mehr
zugleich. Die einfache Antwort: Ich       sellschaftsschichten zieht. Über Mit-            auch Grosspackungen von Tampons,
liebe meine Stadt, das St. Johann,        tag sind es eher Business-Menschen,              Kopfschmerztabletten und CO2-Pa-
das Rheinbord und ich mag es sau-         im Anzug oder eleganten Zweiteiler.              tronen. Zur Verwendung dieser drei
ber. So einfach!                          Abends sind es mehrheitlich Ju-                  Dinge, möchte ich hier nicht noch
                                          gendliche und junge Erwachsene,                  eine Anleitung bieten. Es geht offen-
   Dahinter steckt natürlich noch         die Party machen und einmal «die                 sichtlich darum, sich möglichst effizi-
deutlich mehr. Die «Geburt» des           Sau rauslassen» wollen. Was sich                 ent und billig «abzuschiessen». Also
«elegantesten Strassenwischers» war       dann auch am sehr hohen Geräusch-                möglichst schnell, möglichst weit
vor einigen Jahren, am ersten war-        pegel bemerkbar macht. Wenn ich                  weg der Realität zu sein. Was ist mit
men Wochenende Anfang April. Es           abends auf dem St. Johanns-Rhein-                diesen jungen Menschen passiert,
war ein herrlich sonniger und warmer
Sonntagmorgen. Wie so oft drehte                 1995              2000             2005             2012             2018
ich mit der Kamera meine Runden            kg/Jahr
                                                                                                                           Dänemark
am Rhein. Vier Viking-Kreuzfahrt-
schiffe lagen vor Anker. Edle Schiffe
für anspruchsvolle Passagiere. Doch                                                                                        Norwegen
da passte etwas absolut nicht ins
                                                                                                                           Schweiz
Bild: Das Rheinbord und die Berme
sahen aus, wie eine Müllhalde. Das
Erste, was die noblen Passagiere von                                                                                       Malta
                                                                                                                           Deutschland
Basel sehen, ist eine Müllhalde. Das
darf nicht der erste Eindruck von Ba-                                                                                      Österreich
sel sein! Darum nahm ich Tags dar-
auf, Kontakt mit der Stadtreinigung                                                                                        Frankreich
auf und bot an, an den Wochenen-                                                                                           Italien
den, freiwillig, den Abfall wegzuräu-           EU                                                                         England
men. Heute verstehe ich gut, war-
um mein Angebot nur auf mässige                                                                                            Lettland
Freude, ja eher auf Misstrauen stiess.
Heute weiss ich auch, dass ich zu Be-
ginn überprüft wurde. Mit den Front-                                                                                       Polen
mitarbeitern hatte ich jedoch rasch
ein sehr schönes Verhältnis. Auch die                                                                                      Rumänien
Feriengäste haben ihre Freude an                                                                                           Quelle: Eurostat

diesem Exoten.                            So viel Abfall pro Kopf und Jahr fällt in den verschiedenen Ländern der EU an.
                                          Quelle: Eurostat

Abfall zum 4-ten
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
was tut ihnen unsere Gesellschaft
an, dass sie der Realität so entflie-
hen müssen? Klar, dass in diesem Zu-
stand nicht nur Abfall, sondern alles
mögliche liegen bleibt und sehr viele
Scherben entstehen. In der Regel lie-
gen genug Tragtaschen herum, um
den ganzen Müll da rein zu packen,
und ihn in den bereitstehenden Con-
tainer oder Mistkübel zu entsorgen.
Sind das etwa die gleichen Jugend-
lichen, die freitags für ihre Zukunft
demonstrieren? Was für ein Wider-
spruch das wäre!

   Wenn ich unterwegs bin, werde
ich oft angesprochen. Ich nutze die-
se Gelegenheit auch, um über das
Littering zu sprechen. Interessan-      der mache, bestätigt Forschungser-       Abfall zu verstecken. Da wird gerne
terweise ist es allen bewusst, dass     gebnisse: Treffe ich auf Menschen,       ein sehr grosser Aufwand betrieben,
Abfall richtig entsorgt, oder besser    die Abfall verursachen und mache         den eigenen Abfall «unsichtbar» zu
recykliert gehört. Ausnahmslos alle     sie freundlich darauf aufmerksam,        machen. Das zeigt sich auch dann,
berichten mir, dass sie sehr umwelt-    dass sie ihren Abfall bitte in die be-   wenn das hohe Gras am Rheinbord
bewusst leben würden und selbst-        reitstehenden Container entsorgen        gemäht wird. Danach sammle ich nur
verständlich nicht nur ihren persön-    sollen, bleibt garantiert ein Berg       noch etwa die Hälfte des Abfalls, wie
lichen Abfall mitnehmen, sondern        Abfall liegen. Offenbar fühlen sich      bei hohem Gras. Da scheint offenbar
auch der, der ringsum liegt. Wäre       die Angesprochenen in ihrer Freiheit     noch eine Art «Restscham» vorhan-
dem wirklich so, könnte man überall     beschränkt und reagieren mit einer       den zu sein.
vom Boden essen. Wo nur sind all die    Trotzreaktion. Dass die Nutzer des
Menschen, die ihren Abfall liegen-      Rheinufers, durchaus wissen, dass sie       Was also tun, wenn doch alle ge-
lassen? Fällt der Mist vom Himmel?      ihren Abfall richtig entsorgen müss-     nau wüssten, wie sie sich zu verhal-
Eine Erfahrung, die ich immer wie-      ten, zeigt auch das Verhalten, den       ten hätten? Das Umweltbewusstsein

                                                                                                    Abfall zum 5-ten
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
und das Wissen über das notwen-
dige Verhalten und das tatsächliche
Verhalten, geht nach meiner eigenen
Beobachtung, am meisten bei der
jungen Generation auseinander. Den
Jungen ist völlig klar, dass wir das Ru-
der dringend rumreissen müssen, um
unseren Planeten noch zu retten. Sie
engagieren sich und demonstrieren
für ihre Zukunft. Die gleiche Genera-
tion ist aber dem masslosen Konsum
verfallen. Nutzt immer neuste Tech-
nik, macht gerne Party und konsu-
miert Junkfood. Lebt «to go». Dafür
kann man ihnen keinen Vorwurf ma-
chen. Die Wirtschaft ist schliesslich
darauf ausgerichtet, möglichst viel

                                           sett von Gesetzen und wirtschaft-         fordert sind, die Konsumenten dazu
                                           lichen Interessen. Die gesetzlichen       zu bringen, die Verpackung wieder
                                           Rahmenbedingungen der Grossver-           zurück zu bringen, selbst die Verpa-
                                           teiler, begünstigt die Vermeidung         ckung zu vermeiden, am Besten mit
                                           von Littering nicht. Für mich ist klar,   Mehrwegverpackungen zu ersetzen.
                                           die Bevölkerung, gegen die Wirt-          Denn ganz grundsätzlich muss es da-
                                           schaft zu «erziehen», geht nicht. Die     rum gehen, Verpackung und damit
                                           Wirtschaft und damit die Gesetzge-        Abfall zu vermeiden. Einwegverpa-
                                           bung muss dazu gebracht werden,           ckungen müssen unbedingt vermie-
Konsum zu generieren. Die Indust-          keinen Abfall mehr zu produzieren.        den, vielleicht sogar verboten wer-
rie, das Gewerbe tut Alles, damit es       Vielleicht extrem hohe Steuern auf        den. So werden Rohstoffe eingespart
möglichst einfach wird zu konsumie-        Verpackung oder der Zwang zu Re-          und die Umwelt geschont. Denn Lit-
ren. An jeder Ecke gibt es Lebens-         tour-Verpackung mit hohem Depot.          tering ist lokal, ein optisches, global
mittel «to go», in viel Verpackung.        Ein Thema, das ich in dieser Publika-     aber ein Ressourcen und Umweltpro-
Die Grossverteiler geben sich einen        tion, gerne breit diskutieren möch-       blem, das uns Alle angeht.
grünen Anstrich mit Nachhaltigkeits-       te. Die Buvetten und Bars am Rhein
abteilungen und mit der Teilnahme          erheben Fr. 2.- pro Gebinde. Das
an den Basler Littering Gesprächen.        kümmert offenbar nicht viele, wenn
Verdienen dann gutes Geld mit der          so viel Depot-Geschirr am Rhein lie-
Mitnahmeverpflegung, deren Verpa-          gen bleibt. Fr. 2.- Depot scheint viel
ckungen dann überall liegen bleibt.        zu wenig Anreiz, um ein Glas wieder
Aber auch die Industrie und die            zurück zu bringen. Das zeigt, dass die
Grossverteiler stecken in einem Kor-       Anbieter und der Gesetzgeber ge-

                                                                                         Ich muss aber feststellen, dass Ab-
                                                                                     fall in der Umwelt, dass Littering, we-
                                                                                     der bei den Grossverteilern (als Ab-
                                                                                     fall Emittenten, zum Beispiel durch
                                                                                     den Verkauf mobiler Verpflegung),
                                                                                     noch bei Leidtragenden, wie Basel
                                                                                     Tourismus, ein Thema ist, dem man
                                                                                     sich widmen möchte. Die «Basler Lit-
                                                                                     tering-Gespräche» sind eine Arbeits-
                                                                                     gemeinschaft, in der sich Behörden
                                                                                     und Wirtschaft in partnerschaftlicher
                                                                                     Weise seit fast zehn Jahren gegen
                                                                                     Littering engagieren. Die Arbeits-
                                                                                     gemeinschaft setzt sich zusammen
                                                                                     aus Coop, Migros, Manor, McDo-
                                                                                     nalds, Valora, Gewerbeverband Ba-
                                                                                     sel-Stadt, Pro Innerstadt sowie dem
                                                                                     Amt für Umwelt und Energie und
Abfall zum 6-ten
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
der Stadtreinigung. Diese sitzen an
einem Tisch und engagieren sich im-
mer wieder in verschiedensten Ak-
tionen für eine saubere Stadt Basel.
Ausser dem AUE und der Stadtreini-
gung, war kein Teilnehmer der Basler
Littering Gespräche bereit, sich in
diesem Buch zu äussern, was Litte-
ring für sie bedeutet und wie sie mit
diesem Thema umgehen. Reflexartig
frage ich mich, ob die Abteilungen
für Nachhaltigkeit und die «Basler
Littering Gespräche», nur greenwas-
hing für die Müllemittenten sind. Wie
immer ist die Realität aber viel kom-
plexer. Die Bio-Gurke wird nicht aus
lauter Lust am Abfall, in Plastik ver-
packt. Offenbar ist Die Angst sich
mit diesem Thema zu exponieren,           downs und Lock downs. Vieles ist               eine Anregung, auch wieder über
sehr gross, denn auch Greenpea-           jetzt schwieriger, ungewohnt. Alle             unsere Klimazukunft und damit über
ce und WWF wollten sich nicht zum         beschäftigen sich nur noch mit Co-             die Zukunft der Menschheit nachzu-
Thema äussern.                            rona und Corona muss für viele                 denken. Littering ist ein Teil, der
                                          Versäumnisse herhalten. Es ist das             globalen Ressourcenverschwen-
                                          Alles beherrschende Thema. Bei                 dung, die wir heute betreiben. Ich
                                          dem ganzen Corona-Verdruss, der                denke, das Littering-Projekt wäre
                                          mittlerweile um sich greift, wäre ein          einen Beitrag wert. Littering geht
                                          brennendes Umweltthema, vielleicht             uns Alle an.

   Mit Aufrufen in den Sozialen Me-
dien und mit Flyern, rief ich auf, dass
sich auch Nutzer des Rheinufers,
zum Thema äussern sollen. Ohne
Resonanz. Auch dies erstaunt mich,
da das Thema auf der Strasse die
Gemüter enorm erhitzt und die ab-
strusesten Reaktionen auslöst. Noch
nie habe ich jemanden gefunden,
den der Abfall nicht stört, noch nie
jemanden, der sagte, dass er seinen
Mist liegenlasse. Ich finde nur Men-
schen, die selbstverständlich immer,
konsequent alles wieder mitnehmen,
auch was nicht von ihnen selbst ist.
Trotzdem liegt überall Müll.

  Es ist mir klar, im Augenblick ist
Corona, die Gesellschaft schwankt         Abfall sammeln im Kleid und Frack: Zusammen mit Celina Burkfisch, der Fotografin der
                                          meisten Fotos von Andrea Giovanni Käppeli bei der Arbeit. Celina, ein grosses Foto-Talent.
zwischen Teilöffnungen, Teil-Lock
                                                                                                                 Abfall zum 7-ten
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Zum Geleit, wie ich zum Abfall kam

Littering, ein grosses Thema
Wie entstand das Littering, was macht das mit uns, welchen Einfluss hat Littering auf unsere
Gesellschaft, Tourismus Wirtschaft und Umwelt? Was sagt das Litteringverhalten über unsere Ge-
sellschaft und Wirtschaft aus?
Diese Fragen und noch viele mehr beschäftigen mich und werden mit der Fotoausstellung und
diesem Begleitbuch thematisiert.

Text & Fotos:
Andrea Giovanni Käppeli

Unbewusst bewegt mich dieses The-                                               Reisenden erwarten einen sehr ho-
ma, seit ich Kinder hatte. Wenn wir                                             hen Standard, keine Müllhalde. Die
Wandern, oder einfach nur in den                                                erzählen ihre Erlebnisse auch eher in
Wald gingen, kamen wir nicht nur                                                Einflussreichen Kreisen. Es darf also
mit Fundstücken der Natur wieder                                                nicht sein, dass Kreuzfahrtpassagiere
Heim. Wir hatten auch immer einen                                               in Basel in einer Müllhalde landen.
Sack mit Abfall eingesammelt. Der
Dreck hat uns in der Natur einfach                                                 Kurz entschlossen startete ich mit
gestört. Das ging so weit, dass wir                                             meinem Projekt, jeweils Samstag und
die Gastfreundschaft unseres Gast-         Richtig bewusst wurde mir das        Sonntagmorgen, den Abfall weg zu
gebers im Puschlav vermutlich regel-    Thema und der Begriff «Littering»       räumen. Ja, es gibt verständliche
mässig auf eine harte Probe gestellt    erst vor einigen Jahren: Früh im        Gründe, warum die Stadtreinigung
haben, nach jeder Wanderung, nach       April, am ersten warmen Wochen-         erst vorsichtig auf mein Angebot
jeder Bergtour waren unser Rucksä-      ende standen vier Viking-Kreuz-         reagierte. Aber ich durfte fortan, an
cke deutlich schwerer als beim Start.   fahrtschiffe im St. Johann vor Anker.   den Wochenenden das Rheinbord
Immer gefüllt mit Abfall, den wir un-   Das Rheinbord sah aus, wie eine         vom Müll befreien. Das Verhältnis mit
terwegs eingesammelt hatten.            Müllhalde. Menschen, die sich eine      den Frontmitarbeitern der Stadtrei-
                                        Viking-Kreuzfahrt leisten, sind alles   nigung war sehr schnell sehr herzlich
                                        andere als Rucksacktouristen. Diese     und kollegial. Das alleine ist mir ein
                                                                                grosser Dank und freut mich sehr.
                                                                                Für mich sind die Stadtreiniger, die
                                                                                unbeachteten Stars unserer Stadt.
                                                                                Sie sind es, die das Bild von Basel
                                                                                pflegen. Tag für Tag, bei jedem
                                                                                Wetter, jahrein jahraus.

                                                                                   Mit den Anwohnern und Nutzern
                                                                                des Rheinufer war mein Verhältnis in
                                                                                den ersten beiden Jahren noch sehr
                                                                                angespannt. Auf der Höhe des Feu-
                                                                                erwehrschiffes, wurde ich mehrere
                                                                                Male mit Steinen und Glasflaschen
                                                                                beworfen, als ich auf der Berme den
                                                                                Partyabfall wegräumen wollte. Es
                                                                                wurden auch plötzlich Ansprüche an
                                                                                mich gestellt: «Das werfen Sie jetzt
                                                                                aber nicht weg, das trennen Sie nach
                                                                                Blech, PET, weiss-, braun- und Bunt
Abfall zum 8-ten
A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
Glas und Papier …». Meine Antwort        «Aber Sie können ja ihr Zeug wa-           sehbare Müll, den Menschen hinter-
darauf: «Wenn Sie Ihren Abfall selbst    schen!» Kopfschüttelnd wandte ich          lassen, die eine gute Zeit, an einem
mit nachhause nehmen, können Sie         mich dem Scherbenteppich zu und            der schönsten Orte verbracht haben,
ihn fachgerecht ins Recycling brin-      liess die Dame wetternd stehen …           der danach alles andere als schön
gen, ich habe nur einen Sack, und                                                   ist. Da frage ich mich, was in diesen
der wird entsorgt.» Ganz bunt in Er-                                                Menschen vorgeht, die einen so
innerung ist mir eine Begebenheit                                                   wunderbaren Ort, einfach zumüllen.
an einem sonnigen Sonntagmor-                                                       Ich sehe aber auch die grosse Ver-
gen. Mitten auf der Wiese des San-                                                  schwendung: Jedes Getränke-Ge-
tihans-Parks, drückt ein Hund seine                                                 binde muss ich umdrehen, um es aus-
Wurst mitten auf die Spielwiese. Ich                                                zuleeren, bevor ich es in meinen Sack
schaue mich um, ob ich einen Hun-                                                   werfe. Aus Energy-Drink-Dosen fehlt
dehalter ausmachen kann. Ich sehe                                                   meist nur ein Schluck. Spritzt Ener-
eine gut gekleidete Dame mit Leine,                                                 gy-Drink auf meine Kleider, frisst es
am Rand des Parks. Unter der Jo-            Während das Unverständnis bei           Löcher in den Stoff und ins Schuhle-
hanniterbrücke finde ich dann einen      den Anwohnern zuweilen sehr gross          der. Bier wird im Schnitt zur Hälfte
gigantischen Scherbenteppich, über       war, ist dafür die Freude unserer Fe-      ausgetrunken. Oft bleiben aber auch
die gesamte Strassenbreite, von der      riengäste um so grösser. Es kommt          ungeöffnete Gebinde zurück. Mein
Mitte der Brücke bis zur Cargo-Bar.      immer wieder vor, dass von der Re-         Glasreiniger zuhause ist Wodka, der
Just, als ich den Besen zücken woll-     ling oder von den Balkonen der             ungeöffnet liegenblieb. Die Getränke
te, fährt mich die Dame mit Leine        Kreuzfahrtschiffe applaudiert wird,        sind eines. Zurückbleiben aber auch
aus dem Park an: «Machen Sie sofort      wenn ich im Frack den Abfall wegräu-       grosse Mengen an Lebensmittel. Oft
diese Scherben weg, sonst kann ich       me. Natürlich werde ich viel gefilmt       nur angebissen oder noch völlig un-
mit meinem Hund da nicht durch!»         und fotografiert. Viele Gäste wollen       angetastet. Wir scheinen in einem
«Und diese Schweinerei mit diesem        ein Selfie mit mir. Immer wieder be-       unglaublichen Überfluss zu leben.
Hundedreck räumen Sie auch gleich        komme ich Trinkgeld in buntesten           Und nein, es ist zu kurz gedacht, mit
weg, ist ja scheusslich!» Ich: «Gute     Währungen, die ich noch nie gese-          dem Finger auf sogenannte «Rand-
Dame, ich bin gerade erst angekom-       hen habe. Manchmal kommen Tour-            ständige» oder «sozial Schwache» zu
men und ich habe nur diesen kleinen      guides zu mir und fragen mich, was         zeigen. Ja, es gibt Ecken, wo ich auch
Besen, der nicht für eine so riesige     ich genau bin und was das soll und         Hinterlassenschaften dieser Mitmen-
Fläche geeignet ist, aber ich bemühe     sind dann erstaunt, dass das nichts        schen finde. Ich vermute aber, dass
mich. Der Hundedreck ist allerdings      Offizielles ist, sondern einfach mein      diese Menschen nicht das Geld für
Sache der Hundehalter, den nehme         kleines privates Engagement, damit         die grosse Verschwendung haben,
ich nicht mit.» Dame: «Aber Sie ha-      es unsere Gäste schön haben.               die ich vorfinde. Kein «Randständi-
ben doch Besen und Schaufel, damit                                                  ger» kauft sich im Hotel Drei-Köni-
können Sie den Dreck doch aufneh-           Das ist die schöne Seite meiner         ge eine Flasche Champagner, stösst
men!» Ich: «Mein Werkzeug steht bei      Aktion. Wie und was ich da so alles        mit zwei Chüppli an und lässt Gläser
mir zuhause im Hausflur, ich will kei-   finde, ist eine Art Sozial- oder Gesell-   und den ganzen Rest der Flasche am
ne Hundekacke im Hausflur.» Dame:        schaftsstudie. Da ist dieser unüber-       Rhein stehen.
Zum Geleit, wie ich zum Abfall kam

   Aus meiner Beobachtung ist Litte-       mehr. Alles muss schnell im Gehen       bere und lebenswerte Stadt bekom-
ring am Rheinufer, ein soziologisches      und beim Telefonieren und chatten,      men, ohne dass die Stadtreinigung,
Problem, das sich durch alle Gesell-       «to-go» konsumiert werden. Alles in     Tag täglich mit einer Effortleistung
schafts- und durch alle Altersschich-      Häppchen verpackt. Oft mehr Verpa-      die Stadt wieder sauber machen
ten zieht.                                 ckung als Lebensmittel. In meiner Ju-   muss.
                                           gend wären wir schlicht nicht in der
   Die einzige und vermutlich grösste      Lage gewesen solchen Müll zu pro-
Gruppe der Nutzer am Rheinufer, die        duzieren. «To go» kannten wir damals
mir ganz persönlich zu denken ge-          nicht. Getränke waren in Depot-Fla-
ben, sind Jugendliche. Die Generati-       schen, das Essen bereiteten wir zu-
on, die freitags die Schule schwänzt,      hause vor und brachten es in Papier
um für die Zukunft zu demonstrieren,       eingewickelt mit. Der wenige Abfall,
aber selbst in einer Konsumspirale         den das gab, nahmen wir wieder mit.
steckt, aus der sie kaum ausbrechen        Nicht aus Umweltschutzgründen, wir
kann. Es tut mir weh, wenn diese jun-      waren so erzogen worden.
gen Menschen mit den Fingern auf                                                      Ich hoffe, dass die Gastautoren
meine Generation zeigt und behaup-                                                 in diesem Begleitbuch, das Thema
tet, dass wir ihre Zukunft zerstört hät-                                           aus ihrem persönlichen Blickwinkel
ten. Unsere Generation, die das AKW                                                darlegen, mit Fakten belegen und
Kaiseraugst verhindert hat, unter an-                                              Lösungsansätze entwickeln, seien
derem mit WWF und Greenpeace                                                       sie noch so «utopisch». Ich hoffe
erstmals auf die Umweltprobleme                                                    auf eine möglichst kontroverse
aufmerksam gemacht hat. In unse-                                                   Diskussion.
rer Generation ist der Umwelt Akti-
vismus entstanden, und nun zeigen                                                    Andrea Giovanni Käppeli
Konsum-addicts mit den Fingern auf            Ich hoffe, dass meine Fotoausstel-
uns. Ich mache den «Jungen» nicht          lung, die Augen für dieses nicht nur      Dezember 2020
den Vorwurf, dass sie sich in einer        «optische Problem» öffnet. Dass wir
Konsumspirale befinden. Die ganze          verstehen lernen, was Littering glo-
Wirtschaft baut auf möglichst viel         bal verursacht, was Littering mit der
Konsum. Eine Mittagspause mit ei-          Gesellschaft und unserem Planeten
nem gepflegten Essen, gibt es nicht-       macht und wie wir wieder eine sau-

Abfall zum 10-ten
Bilder Verkauf

Fotografien von
Andrea Giovanni Käppeli
Nebst Auftragsarbeiten, wie Anlässe, Portraits oder Kunstreproduktionen, arbeite ich auch an
eigenen Arbeiten. Im Wesentlichen sind das Stillleben von Abfall, «©WasteArt» und «Disposable
Food» und von den unscheinbaren Dingen, den kleinen Schätzen «Am Wegesrand». Die Fotografien
sind Ausdruck meiner Beschäftigung mit den Menschen im urbanen Umfeld.

Selbst wenn übelriechender Abfall            Ich bin nicht nur Fotograf, ich bin       In Basel bekannt geworden bin
abgebildet ist, bestechen meine Bil-      auch ausgebildeter Peer-Psychiatrie.      ich allerdings mit einem eher kurio-
der durch grosse Ästhetik und Ruhe.       Ich habe die gesamte technische           sen Hobby. In der warmen Jahreszeit
Niemand käme auf die Idee, sich Ab-       Entwicklung in der Druckvorstufe,         sammle ich den Abfall am Rheinufer
fall ins Wohnzimmer zu hängen, doch       von der Dunkelkammer bis zum Di-          ein, im Frack natürlich! Dies zähle ich
diese Bilder passen sogar in eine         gitaldruck miterlebt und fast jeden       ebenfalls zu meiner Öffentlichkeits-
perfekt aufgeräumte Küche!                Produktionsschritt innerhalb der          arbeit.
                                          Druckindustrie, beruflich ausgeübt,
   Bei der Aufnahme inszeniere            von der Idee bis zum Versand. Da-            Die Fotos entstanden mit einer Ni-
ich nichts, ich berühre die Objekte       bei waren, wie selbstverständlich so      kon D500 und einer Nikon D850, mit
nicht. Ich suche lediglich eine anmu-     exotische anmutende Arbeiten, wie         Sigma ART Zoom 24 – 105mm DG
tende Perspektive, einen schönen          Laserschnitt und Prägearbeiten.           ƒ4, Sigma ART 135mm DG ƒ1.8, Sig-
Ausschnitt. Das Bild entsteht im Au-                                                ma APO 70-200mm ƒ2.8, AF-S Micro
genblick der Aufnahme. Grundsätz-           In der Psychiatrie engagiere ich        Nikkor 105mm ƒ2.8 und Nikkor DC-
lich retuschiere oder beschneide ich      mich sehr in der Selbsthilfe, leite ei-   105mm ƒ2.0 Objektiven
die Bilder nie. Bei der digitalen «Ent-   gene Gruppen, so auch das trialogi-
wicklung» hole ich lediglich das Bes-     sche Seminar Depression.
te aus den vorhandenen Daten.

  Meine Bilder erhalten nie Na-
men, um dem Betrachter keine
Vorgaben über seine eigenen Ge-
danken zu machen.

Auflage pro Bild: insgesamt maximal 10 Exemplare, in folgenden Varianten:

Echter Fotoabzug ultraHD hinter Acrylglas auf AluDibond
Format:                 40 × 60 cm Preis:                             Fr. 600.00    Die Bilder werden, nach meinen An-
Format:                 60 × 90 cm Preis:                            Fr. 1’100.00   weisungen, in einer Sammelbestel-
Format:                80 × 120 cm Preis:                            Fr. 1’750.00   lung, sorgfältig produziert.

Echter Fotoabzug ultraHD auf AluDibond                                              Aufgrund der sehr hohen Verpa-
Format:                 40 × 60 cm Preis:                             Fr. 500.00    ckungs- Porto- und Versicherungs-
Format:                 60 × 90 cm Preis:                             Fr. 900.00    kosten sind die Bilder nur auf Abho-
Format:                80 × 120 cm Preis:                            Fr. 1’350.00   lung erhältlich.

Jeweils mit Bildnummer, Aufnahmedatum und GPS-Koordinaten, nummeriert und signiert.
                                                                                                       Abfall zum 11-ten
Plastik in der Nahrungskette

Was hat Littering, was hat Plastik mit
der Nahrungskette zu tun?
Gaby Gorsky, ein Forscher des Labors für Ozeanografie in Villefranche-sur-Mer, in Frankreich sagte
einmal zu seinen Studenten: «Ihr braucht die Plastiktüten nicht wegzuwerfen. Würzt sie gut und
esst sie direkt. Denn sie landen ohnehin auf Euren Tellern, in welcher Form auch immer.»

Text:
Andrea Giovanni Käppeli

Wenn ich am Rhein unterwegs bin,                Die Welt erstickt im Plastik. Plastik   winziger werdenden Bruchstücken.
geht mir diese Aussage immer wie-           ist heute ein fester Bestandteil unse-      Dieses verteilt sich so fein, dass man
der durch den Kopf. Wie kommt er            rer Gewässer und Ozeane, genau wie          es heute überall findet: Von der Ark-
zu dieser Aussage und ist da wirklich       Algen oder Plankton. Menschen wer-          tis, über die tropischen Gewässer,
etwas dran? Essen wir Plastik? Das          fen Müll in den Rhein, oder der Wind        bis in die Antarktis, vom Meer bis in
klingt so eklig, dass ich dem nachge-       weht ihn dort hin. Das geschieht            das ewige Eis der Berge. Und immer
gangen bin.                                 überall, nicht nur am Rhein, an al-         mehr auch in den Organismen der
                                            len Gewässern und am Meer. Auch             Nahrungskette.
   Plastik ist heute unersetzlich.          Schiffe entledigen sich des Mülls
Massgeschneidert bei niedrigen              auf den Meeren. Und doch findet                Bisher ist noch kaum bekannt,
Herstellungskosten. Doch dieses             sich nur ein kleiner Teil des Plastiks,     was das Mikroplastik mit unserem
«perfekte» Material, das unseren            in den fünf riesigen Müllwirbeln der        Ökosystem anstellt und wie es un-
Alltag erleichtert, ja erst ermöglicht,     Ozeane. Wohin also «verschwindet»           sere Gesundheit schädigt. Als gesi-
wird zum Riesenproblem, sobald wir          das Plastik?                                chert gilt, dass Mikroplastik nicht nur
es nichtmehr brauchen. Sehr viel                                                        aus allerlei Schadstoffen besteht, sie
Plastik brauchen wir sehr schnell              Das Plastik verschwindet nicht.          wirken auch wie Magnete auf weite-
nichtmehr.                                  Es zerlegt sich vom Makroplastik,           re Schadstoffe, Bakterien, Algen und
                                            also den Tüten, Flaschen und Verpa-         Schalentiere, die dem Plastik anhaf-
                                            ckungen, zu Mikroplastik, den immer         ten. Über Planktonfresser gelangen
                                                                                        diese Schadstoffe auf dem Mikro-
                                                                                        plastik dann in die Nahrungskette
                                                             Plastik & Styropor         und damit auch auf unsere Teller.
                                                             Metall                         Bei den Mengen, die in den Ge-
                                                                                        wässern landet, müsste das Plastik
                                                             Glas                       in den fünf riesigen Müllwirbeln in
                                                                                        den Ozeanen, stetig zunehmen. Tat-
                                                             Gummi
                                                                                        sächlich bleibt die Menge dort aber
                                                             Holz                       relativ stabil, bei geschätzten 50 Mil-
                                                                                        liarden Teilen und einem Gewicht
                                                             Papier & Pappe             von 236´000 Tonnen, was ca. 1% der
                                                                                        Müllmenge entspricht, die Jährlich
                                                             Hygieneartikel             im Meer landet. Wo bleiben die rest-
                                                                                        lichen 99% des Mülls?
                                                             Kleidung
Müllzusammensetzung an der südlichen                                                      Zum einen sind alle Meeresströ-
Nordseeküste in Prozent.
(Nach OSPAR Intermediate Assessment 2017)
                                                             Sonstige                   me der Welt, miteinander verbunden
                                                                                        und somit auch die Plastikstrudel.
Abfall zum 12-ten
Damit kann jedes Plastikteil, überall
in allen Meeren und Küsten wieder
auftauchen. Zum anderen wird das
Plastik immer weiter zerkleinert, bis
man es nichtmehr sieht. Doch es ist
noch da, unsichtbar! Wenigstens ein
Teil davon. Und der Rest? Das Plastik
«verschwindet» von der Oberfläche.

   2010 Entstanden rund 275´000´000
Tonnen Plastikmüll, davon wurden
31›100›000 Tonnen unsachgemäss
entsorgt. Davon wiederum gelang-
ten etwa 8´000´000 Tonnen in die
Weltmeere. Erst einmal im Meer,
verliert sich meist die Spur des Mülls.
Doch wohin ist der ganze Müll «ver-
schwunden»? Der Zerfall in immer                                                                                Plastik in Wasserproben in 3000m                                                                 Mikroplastik kann die Magenwand
kleinere Teile könnte ein Grund sein,                                                                           Tiefe, ist 1000-Mal grösser als an der                                                        durchdringen und in den Blutkreis-
dass wir ihn nicht finden. Die Partikel                                                                         Oberfläche. Plastik befindet sich in                                                          lauf und das Lymphsystem gelangen
sind überall, aber so winzig, dass sie                                                                          allen Wasserschichten, mit zuneh-                                                             und so in weitere Organe und Ge-
schwer aufzuspüren sind, trotz der                                                                              mender Konzentration, bei zuneh-                                                              webe. Welche Konsequenzen das
gigantischen Menge.                                                                                             mender Tiefe und sammelt sich in                                                              Plastik in den Organen hat, ist noch
                                                                                                                Senken. Es hat sich längst in die Nah-                                                        wenig erforscht. Es hat sich aber ge-
    20 Kilometer vor der Mittelmeer-                                                                            rungskette eingegliedert und wan-                                                             zeigt, dass Jungfische, die mit Mik-
küste, in 1000m Tiefe zum Beispiel,                                                                             dert in der Nahrungskette von einem                                                           roplastik gefüttert wurden, um die
finden sich Berge von intakten Plas-                                                                            Organismus zum anderen. In grossen                                                            Plastikteile herum, häufig Leberkarz-
tikflaschen und anderen Plastikmüll                                                                             Teilen der Weltmeere besteht das                                                              inome bilden.
aus den 60er Jahren. Ohne Licht,                                                                                Plankton zu gut 50% aus Plastik. In
Sauerstoff und Wellenbewegung,                                                                                  den Verdauungssystemen der Plank-                                                                Mikroplastik wird von Algen, Bak-
dauert der Plastikabbau in der Tie-                                                                             tonfiltrierer, wie Walhaie, Heringe,                                                          terien und Schalentieren besiedelt.
fe, unendlich viel länger als an der                                                                            Makrelen und Bartenwalen, landet                                                              Das Plastik wandert auf den globalen
Meeresoberfläche. Plastik sammelt                                                                               also sehr viel Plastik. Aber auch Mu-                                                         Meeresströmungen an weit entfern-
sich in Rinnen am Meeresboden und                                                                               scheln, Röhrenwürmer, Korallen und                                                            te Orte. Es kann an jeden Ort, der
«fliesst» in die Tiefe, wo es sich dann                                                                         Schwämme ernähren sich vom kon-                                                               Meere gelangen. Auf diesem Weg ist
in der Tiefsee sammelt und kaum                                                                                 taminierten Plankton. Viele Plankton-                                                         genug Zeit für die Organismen, sich
zersetzt werden kann.                                                                                           fresser, wie Heringe, Makrelen und                                                            den neuen Umweltbedingungen an-
                                                                                                                Muscheln landen direkt auf unserem                                                            zupassen. So entstehen neue Arten,
  Forscher finden Mikroplastik an                                                                               Teller, damit auch das Plastik.                                                               dank Plastik. Mikroplastik ist so ein
Nesseltieren, Würmern und Korallen                                                                                                                                                                            bedeutender Weg zur Entstehung
der Tiefsee. Die Konzentration von                                                                                                                                                                            und Ausbreitung der Arten! Plastik-
                                                                                                                                                                                                              abfälle sind für diese Organismen ein
         DAS GLOBALE FÖRDERBAND                                                                                                                                                                               neues Transport-, Entwicklungs- und
   Das globale Förderband ist ein System
                                                                                                                                                                                                              Verbreitungsmittel. Die Entstehung
   von Meeresströmungen, die Wasser um
   die Welt transportieren. Während Wind in                                                                                                                                                                   von 120 neuen Arten an der kanadi-
   erster Linie Oberflächenströme antreibt,                                                             1                Arktischer Ozean                                                Kaltes Wasser
   werden tiefe Ströme durch Unterschiede
   in der Wasserdichte in einem Prozess an-                                                                                                                                              Warmes Wasser        schen Küste, ausgehend von einem
   getrieben, der thermohaline Zirkulation
   genannt wird. Die Dichte hängt sowohl
   von der Temperatur (Thermo) als auch
                                                                                                                                                                                                              grossen Stück Plastik, das durch eine
   vom Salzgehalt (Haline) des Wassers ab.
   Entlang dieses Förderbandes werden                                                                                                                                                                         japanische Flutwelle angespült wur-
   Wärme und Nährstoffe in einem gemächli-
   chen 1000-Jahres-Zyklus um die Welt
   bewegt.                                                                               Atlantik                                                                                           Pazifik
                                                                                                                                                                                                              de, hat Forscher davon überzeugt.
   Während es Wärme transportiert, hält das
   globale Förderband das Klima der Erde
   stabil. Allerdings haben Wissenschaftler in
   letzter Zeit eine Verlangsamung der Oze-                                    4
                                                                                                                                                               3                                                 Mikroplastik in den Gewässern,
   anzirkulation festgestellt. Mit dem Klima-
   wandel und steigenden Temperaturen
   kann sich der Prozess noch weiter verlang-
                                                                                                                                      Indischer
                                                                                                                                      Ozean
                                                                                                                                                                                                              unsichtbar, aber auch ungefährlich?
   samen und extreme Temperaturen in ver-
   schiedene Regionen der Welt bringen.                                                                                                                                                                       Vieles spricht dafür, dass es uns
                                                                                                                                                                                                              nicht guttut, fast Alles spricht dafür,
   OZEAN STRÖMUNGEN
                                             Warmes Wasser                                                              Südlicher Ozean
                                                                                                                                                                                                              dass es der Umwelt schadet. Plastik,
  Kühlung
                                             Fliesst zu den Polen
                                                                                                                                                                                                              grundsätzlich jeder Abfall, gehört
                                                                                                                                                                                                              entsorgt, besser recycelt aber auf
                                                            Erwärmung

                   Kaltes, salziges
                                                                                                            2
Übergangsschicht
                   Wasser sinkt ab

                                                                                                                                                                                                              keinen Fall in die Umwelt. Denn frü-
(thermocline)

                                                   Kaltes Wasser
                                                                        1   An den Polen wird kaltes
                                                                            Meerwasser salziger und
                                                                                                        2       Weil es keine Kontinente
                                                                                                                gibt, die den Strom blo-
                                                                                                                                             3    Tiefenwasser steigt an die
                                                                                                                                                  Oberfläche.
                                                                                                                                                                               4   Der warme Oberflächen-
                                                                                                                                                                                   strom fließt nach Norden
                                                                                                                                                                                                              her oder später landet es auf unseren
                                                                                                                                                                                                              Tellern.
                                Ausbreitung in
     POL                        der Tiefe          erwärmt                  Dichter durch Verdun-               ckieren kann der Strom                                             Richtung Grönland. Der
                                                   und steigt auf           stung und Eisbildung. Das           frei um die Antarktis                                              Zyklus beginnt von
                                                                            kalte, salzige, dichte              fliessen. Etwas Wasser                                             Neuem.
                                                                            Wasser sinkt und breitet            fliesst in den Indischen
                                                                            sich langsam aus.                   Ozean, während ein ande-
                                                                                                                rer Strom in den Pazifi-
                                  ÄQUATOR                                                                       schen Ozean reist.

                                                                                                                                                                                                                                 Abfall zum 13-ten
Artikel im Selbsthilfe Magazin

Sisyphos am Rheinufer
Wohin führt das mit unserer Gesellschaft, mit unserer Stadt, mit unserem Lebensraum?
Wohin gehst Du … Mit Deinem Mittagessen, Deiner Party? Mit Deinem Abfall?
Was sind die Wichtigsten Begriffe unserer Gesellschaftskultur? «Ich», «jetzt», «sofort», «to go»,
«egal», «die Anderen», «geht mich nichts an» …

Text & Fotos:
Andrea Giovanni Käppeli

Natürlich gibt es Organisationen,                                                 und Tampons, deren tatsächlichen
die versuchen gegen das Littering                                                 Einsatz ich hier ungerne erläutern
anzugehen. Doch mit «Aufklärungs-                                                 möchte. Neuerdings gesellen sich
kampagnen», die erklären, wie man                                                 Grosspackungen von CO2 Gas dazu,
sich verhalten sollte, wird offenbar                                              das den Suff weiter beschleunigt
eher wenig erreicht, denn eigentlich                                              und einen völlig wegtreten lässt. Üb-
wüssten wir alle, wie man sich verhal-                                            licherweise bleiben Grosspackungen
ten müsste. Die «Gehtmichnichts-                                                  von billigem Bier und Junkfood-Ver-
an-Generation» reagiert eh nicht                                                  packungen liegen. Aber es bleiben
auf erhobene Zeigefinger. Was aber       regelmässig Abfall zu sammeln, wun-      auch sehr teure Spezial-Biere, Weine,
fehlt, sind Vorbilder, die zeigen, wie   dere ich mich immer wieder, was da       Champagner und Cocktails liegen.
es geht.                                 alles liegen bleibt. Es gibt Einblicke   Was dabei auffällt: ich muss jede
                                         in Menschen, die sich möglichst bil-     Flasche, jede Dose zuerst ausleeren,
   Littering ist ein Phänomen, das       lig, aber hocheffizient «abschiessen»,   bevor ich sie in den Abfallsack ste-
uns tag täglich begegnet. Es ist so      möglichst schnell besoffen sein          cken kann. Im Durchschnitt wurde
normal geworden, dass wir oft nicht      wollen. Sie hinterlassen billigsten      von Energy-Drinks, nur ein Schluck,
mehr wahrnehmen, wenn irgend-            Junkfood, billigste Energydrinks,        von Bier nur ein bis zwei Drittel ge-
wo wieder Abfall rumliegt. Doch im       billigsten Wodka in ein oder zwei Li-    trunken. Von Wein, Champagner
Sommer, wenn es wieder Alle nach         ter Flaschen, Kopfschmerztabletten       und Schnaps, bleibt meist weniger
draussen zieht und die Nächte lau
sind und zu Partys unter Sternen-
himmel einladen, dann wird es of-
fensichtlich, dass man sich einen
schönen Platz, ohne Abfall suchen
muss. Wer im Rhein baden will, muss
festes Schuhwerk tragen, um nicht
ernsthafte Verletzungen von Scher-
ben, Kronkorken oder aufgerissenen
Blechdosen zu riskieren.

   Auf den ersten Blick habe ich völ-
liges Unverständnis, dem liegenge-
lassenen Abfall gegenüber. Denn
meist liegen beim zurückgelassenen
Abfall, genügend Säcke und Taschen
herum, um den Abfall in die immer
nahegelegenen Tonnen zu werfen.
Seit ich selbst angefangen habe,
Abfall zum 14-ten
übrig. Durchaus aber noch ungeöff-        wenige Ecken, wo sich auch «Rand-              In diesem Begleitbuch zur Foto-
nete Gebinde. Auch die Lebensmit-         ständige» aufhalten und Dreck hin-         ausstellung am Rheinufer, möchte
tel werden selten aufgegessen.            terlassen. Die sind aber eher Ausnah-      ich diesem Thema auf den Grund
                                          men. Sie haben vermutlich auch nicht       gehen. Ich möchte wissen, wie es de-
   Offenbar leben wir in einem riesi-     das Geld, um solche Übermengen zu          nen wunderbaren Menschen geht,
gen Überfluss, den wir mit den Hin-       kaufen, nur um sie, oft ungeöffnet,        die Tag täglich unseren Mist wieder
terlassenschaften zur Schau stellen.      liegen zu lassen. Randständige sind        wegräumen. Ich möchte offizielle
Es gibt offenbar kaum eine Wert-          eine Ausrede für das eigene Versa-         Stallen, wie die Stadtreinigung, das
schätzung gegenüber Lebensmit-            gen, oder um das schlechte Gewis-          AUE oder das Stadtteilsekretariat,
teln, die immer und überall, billig       sen zu beruhigen.                          aber auch Organisationen, die dem
verfügbar sind.                                                                      Littering den Kampf ansagen, zu
                                              Wohin führt uns das? Welche Lö-        Sprache kommen lassen. Ohne die
   Ja, das Leben hat sich in den letz-    sungen gibt es dazu? Helfen drakoni-       Stimme der Nutzer, wäre das Buch
ten 40 Jahren, seitdem ich selbst         sche Steuern auf Verpackungsmateri-        aber nicht vollständig. Die Antwor-
am Rheinufer gefestet habe, radikal       al, damit weniger davon verkauft und       ten werden so bunt sein, wie der Ab-
verändert. An jeder Ecke gibt es «To      dann liegen bleibt? Belehrungen und        fall selbst.
Go», in viel Alu, Plastik und Karton      Strafen halfen bisher nichts. Denn für
verpackt. Die Gesellschaft scheint        Littering gäbe es Bussen: Eine Ziga-
                                                                                       PS:
nicht mehr gewillt zu sein, zivilisiert   rettenkippe wegwerfen, kostet 80             Nicht immer allein. Ab und zu helfen
zu essen und zu geniessen. Alles          Franken. Doch selbst unser oberster          mir Mitarbeiter der Stadtreinigung. In
muss schnell gehen, im Gehen oder         Polizist wirft seine Kippe ins Rhein-        ihrer Freizeit! Wenn das nicht Engage-
                                                                                       ment und Liebe zum Job ist! An dieser
irgendwo draussen, unterwegs. Da          bord. Es fehlt offensichtlich an Vorbil-
                                                                                       Stelle möchte ich allen Mitarbeiterin-
scheint keine Zeit mehr, die Verpa-       dern. Offenbar lernt heute niemand           nen und Mitarbeitern der Stadtreini-
ckungen wieder zurück in die mit-         mehr Anstand oder logisches Den-             gung ein riesiges Dankeschön aus-
gebrachte Tasche zu stecken und im        ken. Ich höre oft: «Die kommen es ja         sprechen. Sie machen täglich einen
                                                                                       riesigen Job, eine Sisyphos-Arbeit.
Vorbeigehen, in den nächsten Con-         holen, dafür bezahle ich schliesslich
tainer zu werfen. Nein, die Tasche        Steuern.» Himmel! Willst Du Steu-
bleibt gleich auch liegen.                ern sparen, dann nimm Deinen Mist
                                          wieder mit! So drehe ich weiter allein
   Ich höre immer wieder den Vor-         meine Runden an den Wochenen-              Dieser Text stammt aus meinem
wurf, dass die «Randständigen»            den und staune, was ich da alles ein-      Artikel des Selbsthilfe Magazins,
diesen Dreck machen. Ja, es gibt          sammle.                                    Ausgabe 2020, Nummer 14

                                                                                                          Abfall zum 15-ten
Krisen eröfnen neue Möglichkeiten

Jede Krise eröffnet Chancen und
neue Möglichkeiten
In jeder Krise haben wir die Möglichkeit, in Lethargie, in die Opferrolle zu fallen und «hilflos» mit
den Fingern auf die «Schuldigen» zu zeigen, oder wir lösen von der Lethargie und suchen nach
neuen Möglichkeiten, nach neuen Normalitäten. Krisen sind immer auch Innovationstreiber.

Text & Fotos:
Andrea Giovanni Käppeli

Innerhalb des Anthropozän befinden        die Müllberge nicht sichtbar, da sich            plexe Systeme, die nicht mit simplen
wir uns in der Hochblüte des «Era         Reinigungsunternehmen bemühen,                   «Lösungen» gelöst werden können.
Vastis», dem Abfallzeitalter, in dem      den Abfall «verschwinden» zu lassen.             Dank der weit verbreiteten «Komple-
es gesellschaftlich akzeptiert und        Aus den Augen, aus dem Sinn.                     xitäts-Inkompetenz» der Menschen,
wirtschaftlich erwünscht ist, mög-                                                         sucht man trotzdem nach möglichst
lichst viel Abfall zu konsumieren und       Das Littering-Verhalten der Men-               simplen «Lösungen», hängt «Ver-
zu jeder Zeit, an jedem Ort, zu hinter-   schen, offenbart exemplarisch sein               schwörungs-Mythen» nach, zeigt
lassen. So kommt es, dass Milliarden      Verhalten gegenüber gesellschaftli-              mit Fingern auf Andere, «ich allei-
Menschen in Müllbergen leben. In          chen, ökologischen und klimatischen              ne kann ja nichts ausrichten», lässt
sogenannt zivilisierten Ländern sind      Herausforderungen. Alles hochkom-                es deshalb gleich bleiben, erhebt
                                                                                           den Zeigefinger: «man sollte», «man
                                                                                           müsste», «man könnte» … doch da-
                                                                                           mit verändert sich absolut nichts.
                                                                                           «Keine Veränderung ist die beste
                                                                                           Veränderung», scheint die Losung
                                                                                           der Wirtschaft zu sein, die uns vor je-
                                                                                           der dringend nötigen Veränderung,
                                                                                           mit Arbeitsplatzverlust droht. Doch
                                                                                           wenn wir die Nahrungsmittelpro-
                                                                                           duktion, Natur und Tierfreundlicher
                                                                                           gestalten, liegt die Forschung, das
     Nimm Dich selbst nicht so ernst,                                                      Wissen in unseren Händen. Stecken
                                                                                           wir unsere Klimaziele am höchsten,
     Du kannst nicht die Welt bewegen,                                                     entstehen unzählige Arbeitsplätze
                                                                                           in Forschung, Lehre und Produktion.
     aber vielleicht                                                                       Die «Nachzügler» müssen dann das
                                                                                           «Wissen» bei uns einkaufen. Sind wir
     beginnt eine Weltbewegung                                                             die «Nachzügler», müssen wir die
                                                                                           Technologie bei den Leadern ein-
     mit Deinem ersten Schritt                                                             kaufen. Wissen, Kreativität und For-
                                                                                           schung sind die einzigen Rohstoffe
                                                                                           der Schweiz, es werden künftig die
                                                                                           Wichtigsten Rohstoffe der Welt sein.
                                                                                           Fatal für unseren Wohlstand, wenn
                                                                                           wir da nicht zuvorderst dabei sind.

                                                                                              Littering ist exemplarisch für un-
                                                                                           sere Rohstoff-Verschwendung. Jeder
Abfall zum 16-ten
Nicht_ernst_nehmen.indd 1                                                 17.04.21 17:32
Stoff, der nicht wieder in den Kreis-       en. Für einen Moment. Danach hilft       mir eigenen Verstand. Die Zeit dazu
lauf zurück findet, ist eine Verschwen-     es, einen Schritt beiseite zu treten     habe ich ja jetzt. So kann ich auch
dung von Energie und endlichen              und Inventar zu machen: Wo stehe         Kontakte knüpfen, Ideen entwickeln,
Rohstoffen. Denn auch nachwach-             ich, was habe ich, was könnte ich da-    austauschen und umsetzen.
sende Rohstoffe sind nicht unendlich        raus machen, was bräuchte ich, um
verfügbar. Doch das RE-cycling ist          meine Ideen zu realisieren, wo und          Leider sind Krisenzeiten, auch
nur eine Notlösung, zumal es meist          wie bekomme ich das? Prozesse, die       immer eine Hochzeit von Verschwö-
ein DOWN-cycling, oder eine «ther-          Ruhe und Zeit brauchen.                  rungsmythen und «alternativen
mische Verwertung» (verbrennen) ist.                                                 Wahrheiten», in die sich Menschen
                                               In einer Krise sind doch Ruhe und     gerne flüchten, weil diese einfache
   Es gibt den Spruch: «Not macht           Zeit Mangelware! Ja, wenn ich mich       Lösungen für sehr komplexe Frage-
erfinderisch.» Ich finde, Not lähmt zu-     an den unveränderlichen Dingen auf-      stellungen anbieten. Das Denken
allererst. Doch schafft man es aus der      halte. Wenn ich mir Gedanken darü-       wird einem dabei bequemerweise
Schockstarre hinaus, dann kann man          ber mache, wieso ich da drinstecke       auch gleich abgenommen, man kann
eine Notsituation auch als Möglich-         und dass doch alles so schwierig ist,    schön mit den Fingern auf Andere
keit zur Erneuerung, zur Veränderung        ich doch selbst nichts tun kann. Dann    zeigen, sieht sich selbst als Opfer ei-
nutzen. In jeder Notsituation gibt es       fehlt mir die Zeit und die Musse. Las-   ner fremden Macht und sieht für sich
Profiteure. In den Aktuellen Krisen         se ich all die Beschäftigung mit den     keine Handlungsmöglichkeit. Das ist
müssen die Menschen, die Profiteu-          von mir selbst nicht beeinflussbaren     unglaublich bequem, fixiert aber
re werden, nicht die Politik, nicht die     Dingen weg und lenke meine Ge-           die Situation, es verändert absolut
Industrie. Wenn die Menschen profi-         danken um die Hindernisse herum,         nichts. Das ist der grosse Haken an
tieren, gewinnt auch die Politik und        kann ich in Ruhe, klare Gedanken         der schönen neuen Internet-Welt.
die Industrie.                              fassen. Nicht immer, aber immer öf-      Der Aufwand, die gefundenen Infor-
                                            ter, mit immer mehr Übung. Im Ruck-      mationen zu überprüfen, wird immer
    Zu oft habe ich Krisen erlebt, sie      sack, den wir Alle mit uns herumtra-     grösser, die Eigenverantwortung,
als sehr schlimm wahrgenommen,              gen, befindet sich nicht nur Ballast.    immer wichtiger. Das macht die Re-
aber immer mehr auch als Chan-              Da befindet sich so mancher Schatz,      cherche, sehr aufwändig. Doch mit
ce, als Möglichkeit zur Erneuerung,         so manches Werkzeug, das wir jetzt       der nötigen Ruhe und Gelassenheit,
zur Veränderung gesehen. Stimmt,            nutzen können. Wir sind nicht al-        können wir uns diese Zeit nehmen
nie freiwillig. Freiwilligkeit, die reine   lein, auch wenn wir das oft glauben.     und aus einer Krise, eine grosse
Freude am Tun, der Forscherdrang in         Selbst wenn ich noch niemanden           Chance machen. Neue, spannen-
uns, gilt schlechthin als Lebensqua-        kenne, von dem ich mir Hilfe erwar-      de Arbeitsplätze entstehen, eine
lität und Lernprozessor. Je heftiger        te. So gab es früher die Bücherei,       neue Normalität entwickelt sich. Ir-
wir eine Krise erleben, um so weniger       heute steht mir das ganze Internet       gendwann werden wir uns fragen,
dieser Lernprozessoren bleiben uns.         zur Verfügung. Dort kann ich von zu-     wie wir auf die Idee kamen, so vie-
Da erleichtert es bestimmt zu jam-          hause aus recherchieren, allerdings      le Rohstoffe und Energie einfach
mern, sich Luft zu verschaffen, sich        immer mit einer gewissen Skepsis,        wegzuwerfen, zu verschwenden.
den Unmut aus dem Leibe zu schrei-          mit Quervergleichen und mit dem

                                                                                                        Abfall zum 17-ten
Naturgewalten

Anthropozän
Der Mensch als Naturgewalt
In der Erdgeschichte gab es immer wieder radikale Wendepunkte, wie die kambrische Explosion, in
der fast alle heutigen Tierstämme im geologisch winzigen Zeitraum von 5 bis 10 Millionen
Jahren entstanden sind. Oder der Meteoriten Einschlag, der vor 66 Millionen Jahren vermutlich zum
Aussterben der Saurier führte. Das Auftreten des Menschen ist auch ein solcher Wendepunkt in der
Erdgeschichte.

Text & Fotos:
Andrea Giovanni Käppeli

Geschützt durch eine Atmosphäre,         völkern Menschen diesen Planeten,        gebremster Drang nach Eroberung
die schädliche Strahlung aus dem         die ihn in dieser kurzen Zeit so stark   und Wachstum, wird uns nun aber
Weltall abhält, hat sich in Jahrmilli-   verändert haben, wie dies sonst nur      zum Verhängnis, denn wir haben nur
arden, in einem aufeinander abge-        Naturgewalten in erdgeschichtlichen      diese eine Erde. Die Natur lässt sich
stimmten System aus Sonne, Luft,         Zeiträumen vermögen, oder wie vor        zwar ausbeuten, aber sie lässt nicht
Wasser und Land, Leben auf der           66 Millionen Jahren, der 10 bis 15       mit sich über die Konsequenzen un-
Erde entwickelt. Seit kurzem, einem      km grosse Meteoriteneinschläger im       seres Verhaltens verhandeln. Natur-
erdgeschichtlichen Wimpernschlag         Golf von Mexiko. Wir machten uns         gesetze sind nicht verhandelbar!
(3 Sekunden vor Mitternacht), be-        die Erde zum Untertanen! Unser un-

Abfall zum 18-ten
Wir sehen Veränderungen im ge-            Unsere «Technoshpäre», also all das
samten, komplexen System der Erde,            was wir erschaffen, verdrängt immer
neben dem Klima, das sich immer               mehr die Biosphäre, also das Leben,
schneller, immer stärker erwärmt, mit         das sich über Milliarden von Jahren
all den Problemen, die dies mit sich          entwickelt hatte. Bereits nutzen wir
bringt. Diese Veränderungen sind              etwa zwei Drittel der Erdoberfläche
anders und vollziehen sich schneller          und sind damit der dominierende
als in der bisherigen Erdgeschichte.          Faktor der Erde geworden. Etwa 50
Nach einer 11’000-jährigen Warm-              kg/m2 ist Mensch gemacht, das ist
zeit, müssten längst die Tempera-             mehr als alle Tiere und Pflanzen zu-
turen wieder fallen, wir müssten am           sammen. Unser Wirken hat ähnliche
Beginn einer neuen Eiszeit stehen.            Folgen, wie die Asteroiden-Einschlä-
Diese Veränderungen zeigen, dass              ge in der Frühgeschichte.
wir das Holozän, die seit etwa 11’700
Jahren andauernde warmzeitliche                  Es gibt unzählige Beispiele von
Epoche, die der letzten Kaltzeit folg-        Entwicklungen, für «saubere Lösun-
te, in die falsche Richtung verlassen.        gen» von Menschheitsproblemen,
Statt dass wir wieder in eine Kaltzeit        die sich als fatal entpuppten, weil
kommen, erwärmt sich das Klima so             man die Folgen der Entwicklungen       kurzfristigem Denken heraus, ohne
schnell, wie wohl noch nie in der Erd-        nicht bedacht hatte. So entwickelte    an die Folgen unseres Tuns zu den-
geschichte. Weil der Mensch all diese         Thomas Midgley 1930 das scheinbar      ken. Trotz der Nuklearkatastrophen
Veränderungen verursacht, nennen              ungiftige und unbrennbare FCKW-        von Tschernobyl und Fukushima, de-
wir diese neue Zeit, das «Anthro-             Gas. Es ersetzte giftige und explo-    ren Wahrscheinlichkeit von den Er-
pozän». Es ist unser Zeitalter, aber          sive Gase, die in der Industrie, vor   bauern, als extrem gering eingestuft
es gibt keinen Grund, auf diese Be-           allem zur Kühlung und in Spraydosen    wurden, erleben wir weltweit wieder
zeichnung stolz zu sein. Mit Techno-          eingesetzt wurden. Doch das neue       einen Boom von neuen Atomkraft-
logie gestalten und verändern wir die         Gas veränderte und zerstörte die       werken, die auch direkt am Meer
Welt. Wir sind so erfolgreich, dass wir       Ozonschicht der Erdatmosphäre, die     und auf seismischen Brüchen gebaut
jeden Winkel der Erde bevölkern. Bis          uns wie ein Schutzschild vor harter    werden. An Orten, wo Naturgewal-
im Jahr 2050, werden 10 Milliarden            Strahlung aus dem All schützt. Oder    ten wirken, die wir nicht beherrschen
Menschen diesen Planeten bevöl-               die scheinbar umweltfreundliche        können. Auch hier wird die Verant-
kern. Wir wurden zu einer Naturge-            Atomenergie, wird mit ihren strah-     wortung und die Verarbeitung der
walt, die die Erde verändert, die das         lenden Abfällen, die Erde noch viele   Folgen, an zukünftige Generationen
Komplexe Zusammenspiel des Le-                Millionen Jahre nach ihrer Nutzung     externalisiert. Noch immer zählt nur
bens aufbrach, ohne sich Gedanken             beschäftigen, lange nach dem Ver-      der Kurzfristige Gewinn, im Wissen,
über die Konsequenzen zu machen.              schwinden der Menschheit. Alles aus    dass die Folgen erst später auftreten
                                                                                     und dann zu gross sind, um vom Ver-
                                                                                     ursacher getragen zu werden. Kein
                                                                                     einziges Atomkraftwerk wird je in der
                                                                                     Lage sein, die Folgen eines Unfalls
                                                                                     zu tragen, oder Kosten für den Rück-
                                                                                     bau des Kraftwerks und die sichere
                                                                                     Lagerung der strahlenden Abfälle.
                                                                                     Das Uran-238, im explodierten Kraft-
                                                                                     werk von Tschernobyl, strahlt harte
                                                                                     Alpha- und Gamma Strahlen, mit ei-
                                                                                     ner Halbwertszeit von 4’468’000’000
                                                                                     Jahren. Es braucht also fast so lan-
                                                                                     ge, wie unser Planet schon existiert,
                                                                                     bis Uran-238 nur noch halb so stark
                                                                                     strahlt. Diese Verantwortung kann
                                                                                     selbst die gesamte Weltbevölkerung
                                                                                     nicht übernehmen. Jugendlichen
                                                                                     wird gerne vorgeworfen, unver-
                                                                                     antwortlich zu handeln. Die Wirt-
                                                                                     schaft handelt viel unverantwortli-
                                                                                     cher! Im Gegensatz zu Jugendlichen
                                                                                     in der Adoleszenz, weiss die Indust-
                                                                                     rie und die Politik genau was sie tut.

Meteoriten könnten unser leben verändern; der Mensch tut dies in jedem Fall!

                                                                                                       Abfall zum 19-ten
Sie können auch lesen