Aktuell 22 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Ist die Abgeltungsteuer Reform der Steuer - DHPG

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Aktuell 22 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Ist die Abgeltungsteuer Reform der Steuer - DHPG
Neues aus Wirtschaft,
Steuern und Recht

aktuell
06 22
Ist die Abgeltungsteuer   Reform der Steuer­       Entlastungspakete wegen
verfassungswidrig?        sätze und der Orts­      hoher Energiekosten
                          bestimmung von Ver­
                          anstaltungen in der EU
Aktuell 22 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Ist die Abgeltungsteuer Reform der Steuer - DHPG
Inhalt

Editorial

Interview

04 Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt – Handlungsbedarf für Unternehmen

Top News

06 Ist die Abgeltungsteuer ­verfassungswidrig?
06 Reform der Steuersätze und der Ortsbestimmung von Veranstaltungen in der EU
07 Entlastungspakete wegen hoher Energiekosten

Praxistipp

08 Revisionssicher archivieren – papierlos in die Zukunft

News für Ihr Geschäft

09   Darlegungs- und Beweislast für die Vergütung von Ü   ­ berstunden
09   Rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres einer GmbH möglich?
10   Steuerneutrale Kapitalrückzahlung von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften
11   Was tun bei treuwidriger A
                              ­ nmaßung der Gesell­schafterstellung?
11   Direktanspruch: Halten Sie sich schadlos beim F
                                                   ­ inanzamt
12   Vorsteuervergütung: Kein Vorsteuerabzug durch Neuausstellung der Rechnung
13   Vorsteuerabzug bei Gründung von Gesellschaften

Kurz notiert

14 Presse, Veröffentlichungen
15 dhpg intern, Veranstaltungen, Zahlungstermine

Impressum

Herausgeber                        Redaktion                Konzeption, Layout    Eine Haftung für den Inhalt kann
dhpg Dr. Harzem & Partner mbB      Dr. Andreas Rohde        www.2erpack.com       trotz sorgfältiger Bearbeitung
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft    (verantwortlich),        Herstellung           nicht übernommen werden.
Steuerberatungsgesellschaft        Dr. Lutz Engelsing,      Köllen Druck+Verlag   dhpg aktuell erscheint monatlich
Marie-Kahle-Allee 2                Brigitte Schultes        GmbH                  und kann auch als PDF-Datei
53113 Bonn                         info@dhpg.de             53117 Bonn            bezogen werden.

                                                            Fotos                 Stand: 25.5.2022
                                                            Bernd Roselieb        Änderungen vorbehalten.
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Editorial

                                                                             Dr. Olaf Lüke
                                                                             ist Rechtsanwalt bei der dhpg. Er berät
                                                                             mittelständische Unternehmen und
                                                                             ihre Gesellschafter sowie Vereine
                                                                             und Stiftungen in gesellschafts- und
                                                                             steuerrechtlichen Fragen. Er gilt als
                                                                             ausgewiesener Experte im Personen-
                                                                             und Kapitalgesellschaftsrecht. Regel­
                                                                             mäßig begleitet er mit seinem Team
                                                                             Unternehmen bei Umstrukturierungen
                                                                             sowie in nationalen und internationa­
                                                                             len M&A-Transaktionen.

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten             Rechtsprechung und verpflichtet Arbeitgeber einmal
besteht Handlungsbedarf: Das Bundesjustizminis­            mehr zur Einführung eines objektiven, verlässlichen
terium hat den Referentenentwurf für ein Hinweis­          und zugänglichen Arbeitszeiterfassungssystems, wie
geberschutzgesetz vorgelegt, was zur Folge hat, dass       es 2019 bereits der Europäische Gerichtshof ge­
Unternehmen dieser Größe bei Inkrafttreten des Ge­         macht hat.
setzes ein Hinweisgebersystem vorweisen müssen.
Das Gesetz tritt voraussichtlich noch dieses Jahr in       Immer weiter steigende Energie- und Rohstoffpreise
Kraft. Kleinere Unternehmen haben etwas mehr Zeit.         sowie die höchste Inflationsrate seit 40 Jahren haben
Im Interview erklärt Dr. Christian Lenz, worauf es nun     dafür gesorgt, dass die Ampelkoalition in den ver­
ankommt.                                                   gangenen Wochen Entlastungspakete geschnürt hat.
                                                           Zudem wurde das Vierte Corona-Steuerhilfe­      gesetz
Finden Sie sich auch in der Situation wieder, dass Sie     verabschiedet und das Steuerentlastungsgesetz 2022
im Homeoffice arbeiten und lediglich zur Freigabe          befindet sich im Gesetzgebungsverfahren. Wir haben
oder Ablage von Rechnungen oder Belegen ins Büro           einen Überblick dieser Maßnahmen für Sie zusam­
kommen müssen? Oder werden bei Ihnen Belege                mengestellt.
gemailt, ausgedruckt, geprüft und später wieder ge­
scannt? Der digitale Belegfluss gestaltet sich in vielen   Sollten Sie Fragen zu diesen oder weiteren Themen
Unternehmen noch recht holprig. In unserem Pra­            der Ausgabe haben, zögern Sie nicht, uns anzuspre­
xistipp erklären wir Ihnen, wie dieser unter den Ge­       chen. Wir beraten Sie persönlich.
sichtspunkten der Revisionssicherheit gelingt.
                                                           Ihr
Anfang Mai hat das Bundesarbeitsgericht ein wich­
tiges Urteil zur Zeiterfassung gefällt, in dem es die
Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast für die
Vergütung von Überstunden konkretisiert hat. Mit
seiner Entscheidung folgt das Gericht der bisherigen       Dr. Olaf Lüke
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Interview

    Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt –
    Handlungsbedarf für Unternehmen
    Das Bundesjustizministerium hat kürzlich einen Referentenentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz
    (HinSchG) vorgelegt, wodurch der zwischenzeitlich ins Stocken geratene Gesetzgebungsprozess
    wieder Fahrt aufnimmt und konkreter Handlungsbedarf für Unternehmen besteht. Denn wenn
    alles nach Plan läuft und der Bundesrat zustimmt, wird das Hinweisgeberschutzgesetz im Laufe
    des Jahres verabschiedet. Bereits Ende 2021 hätte die EU-Whistleblower-Richtlinie in Form des
    Hinweisgeberschutzgesetzes in deutsches Recht umgesetzt sein sollen. Da man sich in der
    vergangenen Legislatur­periode jedoch nicht abschließend auf einen Gesetzentwurf einigen konnte, ist
    das Vorhaben „im Sande verlaufen“. Unser Experte erklärt, was nun wichtig wird.

    Interview: Dr. Christian Lenz

    Was ist das Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes?               Was müssen Unternehmer konkret machen?
    Dr. Christian Lenz: Allzu häufig fallen Menschen in ihrem      Lenz: Unternehmen sind mit Inkrafttreten des Hinweis­
    Arbeitsumfeld Missstände auf – etwa Umweltverstöße             geberschutzgesetzes dazu verpflichtet, Hinweisgeber­
    oder Korruption. Aus Angst vor einer Kündigung oder            systeme zu etablieren bzw. bestehende Systeme auf
    anderen Repressalien melden sie diese Verstöße jedoch          entsprechende Konformität zu überprüfen, um künftig
    nicht innerhalb des Unternehmens bzw. an Behörden.             gemeldeten Missständen gemäß den Gesetzesvorgaben
    Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, Hinweis­           zu begegnen. Um diese Hinweise besser erfassen zu
    geberinnen und Hinweisgeber – auch in Deutschland              können, gilt es, im Hinweisgebersystem zwei gleichwertig
    häufig Whistleblower genannt – vor derartigen                  nebeneinanderstehende Meldekanäle zu schaffen:eine
    Repressalien zu schützen, was bislang nicht der Fall war.      interne und eine externe Meldestelle. Unternehmen mit
    Kommt ein Fall vor Gericht, hilft eine im Gesetzentwurf        mehr als 250 Angestellten sind dazu aufgerufen, sofort
    vorgesehene Beweislastumkehr: Erleidet jemand nach             bzw. zum Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgeset­
    einem Hinweis Repressalien, gehen die Richter:innen            zes tätig zu werden. Kleinere Unternehmen (50 bis 249
    erst einmal davon aus, dass die Kündigung als Reaktion         Beschäftigte) haben noch bis zum 17.12.2023 Zeit für die
    auf seinen Hinweis erfolgt ist. Der Entwurf enthält            Umsetzung. Alternativ können Unternehmen auch Dritte,
    aber auch Regeln zugunsten von Arbeitgeber:innen,              wie z.B. Rechtsanwaltskanzleien, mit der Wahrnehmung
    um mit missbräuchlichen Hinweisen umzugehen,                   der Aufgaben der internen Meldestelle beauftragen. Hin­
    etwa Schadensersatzansprüche bei grob fahrlässigen             weise, die bei einer internen Meldestelle eingehen, wer­
    Falschmeldungen.                                               den auf Stichhaltigkeit geprüft, die Stelle hält Kontakt mit
                                                                   der Hinweisgeberin bzw. dem Hinweisgeber und kann
    Wen betrifft das Hinweisgeberschutzgesetz?                     eine interne Untersuchung in Gang bringen, um Hinweise
    Lenz: Der persönliche Anwendungsbereich umfasst alle          zunächst konstruktiv im Unternehmen selbst zu lösen.
    Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld (Privatwirtschaft    Im Rahmen des externen Meldesystems fungieren nach
    und öffentlicher Sektor) Informationen über Verstöße         dem Gesetzentwurf künftig das Bundesamt für Justiz,
    erlangt haben. Dies betrifft sowohl laufende, zukünftige so­   die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das
    wie frühere berufliche Tätigkeiten, in denen sich hinweis­     Bundeskartellamt sowie gegebenenfalls externe Melde­
    gebende Personen im Falle einer Meldung oder Offenle­          stellen der Bundesländer als leicht zugängliche zentrale
    gung hypothetisch Repressalien ausgesetzt sehen könnten.       Auffangmeldestellen.
    Der sachliche Anwendungsbereich greift die durch das
    EU-Recht vorgegebenen Rechtsbereiche auf. Einbezogen           Mit welchen Sanktionen ist zu rechnen, wenn man
    werden dabei auch das deutsche Straf- und Ordnungswid­         den Vorgaben des Gesetzes nicht nachkommt?
    rigkeitenrecht sowie Verstöße gegen den Umweltschutz           Lenz: Werden die Anforderungen des Hinweisgeber­
    oder die Produktsicherheit. Ganz praktisch betrifft die        schutzgesetzes nicht erfüllt, drohen Unternehmen
    Umsetzung des Gesetzes Unternehmen mit mehr als 250            empfindliche Bußgelder. Laut EU-Hinweisgeber-Richtlinie
    Beschäftigten. Für sie besteht sofortiger Handlungsbedarf.     haben Unternehmen, die Hinweisgebende an einer Mel­
    Kleinere Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) werden          dung behindern oder sich andere Verstöße zuschulden
    erst ab Ende 2023 verpflichtet.                                kommen lassen, mit Sanktionen zu rechnen. Der jetzige

4   dhpg aktuell 06/22
Aktuell 22 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Ist die Abgeltungsteuer Reform der Steuer - DHPG
Gesetzentwurf sieht Geldbußen bis 100.000 € vor. Nach
der Richtlinie bedarf es wirksamer, angemessener und
abschreckender Sanktionen, um den Schutz der Hinweis­
gebenden zu gewährleisten. Zudem sollte nicht ver­
kannt werden, dass auch Reputationsschäden entstehen
können, wenn Hinweisen nicht nachgegangen wird oder
Whistleblower sich an die Öffentlichkeit wenden.

Kann die dhpg Unternehmen bei der Implementie­
rung eines Hinweisgebersystems unterstützen?
Lenz: Natürlich. Die dhpg bietet verschiedene Unterstüt­
zungsmöglichkeiten zur Erfüllung der Vorgaben aus dem
Hinweisgeberschutzgesetz. So können unsere Expert:in­
nen als Ombudsfrau bzw. Ombudsmann tätig werden
oder bei der Implementierung bzw. beim Umgang mit              Dr. Christian Lenz
eingehenden Meldungen über das Hinweisgebersystem              ist Rechtsanwalt bei der dhpg. Der
beraten. Auch der Einsatz einer vollintegrierten, DSGVO-­      Fokus seiner Tätigkeit liegt in der IT-
konformen Softwarelösung ist möglich. Meldende                 und datenschutzrechtlichen Beratung
können über einen Link, der z.B. im Intranet platziert wird,   mittelständischer Unternehmen. Er
ihre Meldung abgeben. Hierüber ist es nicht möglich,           ist ein ausgewiesener Experte bei
diese Meldung zurückzuverfolgen. Die Expert:innen der          Fragestellungen zur EU-DSGVO und
dhpg führen eine Erstbeurteilung der Meldung durch,            hat viele Unternehmen bei deren
verarbeiten sie weiter und empfehlen etwaige weitere           Umsetzung begleitet. Daneben
Maßnahmen. Optional beraten sie dann tiefer, um mög­           unterstützt er Unternehmen
liche Missstände abzustellen. Die Implementierung wird         beim Schutz ihrer Betriebs- und
durch eine Auftaktschulungsunterlage begleitet und kann        Geschäfts­geheimnisse entsprechend
auf Wunsch in ein ganzheitliches Compliance-Manage­            dem Gesetz zum Schutz von
ment-System (CMS) eingebunden werden. Ein Beratungs­           Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG).
schwerpunkt sind auch konzernweite Lösungen, die der
jetzige Gesetzentwurf in § 14 ermöglicht.

  Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder wir Sie bei
  der Implementierung eines Hinweisgebersystems in
  Ihrem Unternehmen unterstützen können, sprechen
  Sie uns gerne an.

                                                                                                         5
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Top News                                                          eine groß angelegte Steuerreform nach sich ziehen. Denn
                                                                      zur Wahrheit gehört auch, dass der geringere Abgeltung­
    Unternehmen                                                       steuersatz teilweise die steuerliche Vorbelastung auf Ebene
                                                                      der ausschüttenden Kapitalgesellschaft berücksichtigt. Ob
     Ist die Abgeltungsteuer                                          eine Abschaffung der Abgeltungsteuer auch eine Rückkehr
                                                                      zum Halbeinkünfteverfahren bedeuten würde, bleibt abzu­
    ­verfassungswidrig?                                               warten.

    Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Vor­
    schriften über die Abgeltungsteuer für nicht verein­
    bar mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes                     Unternehmen
    und hat sie dem Bundesverfassungsgericht mit
    Beschluss vom 18.3.2022 zur Prüfung vorgelegt.                    Reform der Steuersätze und
    Besonderer Steuersatz mit Abgeltungswirkung                       der Ortsbestimmung von
    Seit dem 1.1.2009 werden Kapitaleinkünfte, also insbesonde­
    re Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Aktien          Veranstaltungen in der EU
    oder Fonds, mit dem besonderen Steuersatz von 25 % ver­
    steuert (zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kir­   Derzeit wird die Abschaffung der Mehrwertsteuer
    chensteuer). Hat dieser Kapitalertrag dem Kapitalertragsteuer­    auf Lebensmittel diskutiert. Dem standen bisher die
    abzug – z.B. durch die depotführende Bank – unterlegen, so        Vorgaben der EU, das heißt die Mehrwert­steuer-
    kommt diesem Steuerabzug Abgeltungswirkung zu. Die Ein­           Systemrichtlinie (MwStSystRL), entgegen. Diese
    künfte müssen dann grundsätzlich in der Einkommensteuer­          wurde nun am 6.4.2022 entscheidend geändert.
    erklärung nicht mehr angegeben werden. Eine Günstiger­            Die Änderungen betreffen die Anwendung ermä­
    prüfung erlaubt aber eine Besteuerung mit einem geringeren        ßigter Steuersätze und die Bestimmung des Ver­
    persönlichen Steuersatz. Darüber hinaus gibt es verschiedene      anstaltungsorts. Wir zeigen Ihnen, worum es geht
    Ausnahmen von der Abgeltungsteuer.                                und welche Konsequenzen dies für Ihr Unterneh­
                                                                      men hat.
    Lieber 25 % auf x als 42 % auf nix
    Die Abgeltungsteuer wurde zum Jahr 2009 wesentlich mit der        Seit 30 Jahren regelt Anhang III der MwStSystRL die Waren
    Bekämpfung der Steuerhinterziehung begründet. Der geringe­        und Dienstleistungen, die ermäßigt besteuert werden kön­
    re Steuersatz von 25 % sollte einen Anreiz für Anleger darstel­   nen. Hinzu kamen noch, historisch bedingt, Ausnahmen für
    len, bislang unversteuertes Vermögen aus dem Ausland wie­         einzelne Mitgliedstaaten. Veranstaltungsleistungen an oder
    der in Deutschland anzulegen. In Erinnerung ist daher auch        gegenüber Nichtunternehmer:innen sowie Eintrittsberech­
    der Ausspruch des damaligen Finanzministers, Peer Stein­          tigungen zu Veranstaltungen für Unternehmer:innen wer­
    brück, geblieben: „Lieber 25 % auf x als 42 % auf nix.“ Darüber   den derzeit am Veranstaltungsort besteuert.
    hinaus sollte mit der Abgeltungsteuer eine Vereinfachung des
    Besteuerungsverfahrens erreicht werden.                           Reform der Steuersätze in der EU
                                                                      Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen (Anhang
    Verfassungswidrige Ungleichbehandlung                             III der MwStSystRL), die dem ermäßigten Steuersatz unter­
    Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts be­          liegen, wird erweitert um Waren und Dienstleistungen, die
    nachteiligt der besondere Steuersatz von 25 % für Kapital­        der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit sowie der Digitali­
    einkünfte die Bezieher:innen anderer Einkünfte, für die die       sierung dienen. Hierunter fallen z.B. Solarpaneele, (Elektro-)
    Einkommensteuer bis zu 45 % beträgt, und stellt somit eine        Fahrräder, Schutzmasken sowie Live-Streaming von Sport-
    Ungleichbehandlung dar. Die vom Gesetzgeber genannten             und Kulturveranstaltungen. Umsätze, die als schädlich für
    Rechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung ge­            die Umwelt bzw. das Klima gelten, können die Mitglied­
    nügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Ins­       staaten letztmals bis Ende 2029 ermäßigt besteuern bzw.
    besondere diene die Abgeltungsteuer heute nicht mehr der          von der Umsatzsteuer befreien. Ausnahmeregelungen für
    Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Hierfür stünden der           einzelne Mitgliedstaaten werden weitestgehend bis spätes­
    Finanzverwaltung inzwischen deutlich bessere Instrumente          tens 2032 abgeschafft. Die Mitgliedstaaten können nun auf
    zur Verfügung als noch im Jahr 2009. Auch trage die Abge­         maximal 24 Kategorien der im Anhang III der MwStSystRL
    ltungsteuer nicht zu einer Vereinfachung des Besteuerungs­        aufgeführten Waren und Dienstleistungen zwei ermäßig­
    verfahrens bei. Aus diesen Gründen holt das Finanzgericht         te Steuersätze von mindestens 5 % anwenden. Zusätzlich
    eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Fra­       kann für bestimmte, maximal sieben Kategorien ein ermä­
    ge der Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer ein.              ßigter Steuersatz von unter 5 % bzw. eine Steuerbefreiung
                                                                      mit Recht auf Vorsteuerabzug gewährt werden.
    Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
    bleibt abzuwarten                                                 Änderung der Ortsbestimmung für Veranstaltungen
    Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts           Veranstaltungen und Eintrittsberechtigungen hierzu wer­
    können einige Jahre vergehen. Würde die Abgeltung­steuer          den zukünftig am Sitz des Empfängers besteuert, sofern
    tatsächlich als verfassungswidrig eingestuft, dürfte dies         die Veranstaltungen virtuell zugänglich sind.

6   dhpg aktuell 06/22
Potenzieller Mehraufwand für die Unternehmen                    / Kinderbonus 2022 als zusätzliche Einmalzahlung für Fa­
Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten muss bis zum               milien von 100 € pro Kind: Der Bonus soll im Juli an die
31.12.2024 erfolgen. Sie können nun freier bei der Festset­     Eltern ausbezahlt werden. Wie bereits in der Vergangen­
z­ung der Steuersätze agieren. Positiv zu bewerten ist, dass    heit bei den Corona-Sonderzahlungen für Kinder wird der
ein weiterer Schritt zur Harmonisierung unternommen             Bonus in der Steuererklärung auf den Kinderfreibetrag an­
wurde, insbesondere durch die künftige Abschaffung von          gerechnet. Das Bundesfinanzministerium geht davon aus,
Ausnahmen. Zudem werden Begünstigungen für nicht för­           dass ein zusammenveranlagtes Elternpaar mit ein, zwei
derungswürdig geltende Bereiche abgeschafft zugunsten           oder drei Kindern bis zu einem Einkommen von 69.810 €
der Förderung von Maßnahmen, die dem Klimawandel und            in voller Höhe vom Kinderbonus für alle Kinder profitiert –
der Digitalisierung dienen.                                     danach wird dieser allmählich abgeschmolzen.
                                                                / Vergünstigte Tickets für den ÖPNV: Von Juni bis August
Für die Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig wer­         soll man für jeweils 9 € im Monat in ganz Deutschland den
den, dürfte es nicht einfacher werden. Denn eine zutref­        öffentlichen Nahverkehr nutzen können. Fernverkehrszüge
fende Kalkulation und Rechnung setzen die Kenntnis der          sind ausgenommen. Inhaber:innen von Semester-, Monats-
jeweils aktuell gültigen Steuersätze in den Mitgliedstaaten     oder Jahresabos sollen die „zu viel“ gezahlten Beträge er­
voraus. Dies gilt derzeit insbesondere für den Versandhan­      stattet bekommen.
del an Privatpersonen und elektronische Dienstleistungen.       / Energiesteuer auf Kraftstoffe soll für drei Monate
Zukünftig wird dies auch grenzüberschreitende Lieferun­         (ebenfalls von Juni bis August) gesenkt werden. Für Ben­
gen an Unternehmen betreffen, sofern die EU das Bestim­         zin reduziert sich der Energiesteuersatz um 29,55 ct/l, für
mungslandprinzip, wie beabsichtigt, auch im B2B-Bereich         Dieselkraftstoff um 14,04 ct/l. Um wie viel der Spritpreis
umsetzt. Hinzu kommen Abgrenzungsfragen für alle Un­            wirklich günstiger wird, werden auch die Mineralölkonzer­
ternehmen. Schon jetzt beschäftigen sich die Finanz­            ne mitbestimmen.
gerichte regelmäßig mit der Abgrenzung von begünstigten         / Einmalzahlung für Empfänger:innen von Sozialleistun-
und nicht begünstigten Umsätzen.                                gen in Höhe von 200 €

                                                                Steuerentlastungsgesetz 2022
                                                                Die Energiepreispauschale und der Kinderbonus sind in das
Privat                                                          Gesetzgebungsverfahren zum Steuerentlastungs­gesetz
                                                                2022 eingeflossen. Gleichzeitig wurden zusätzlich folgen­
Entlastungspakete wegen                                         de (rückwirkend zum Jahresbeginn geltende) Maßnahmen
                                                                beschlossen:
hoher Energiekosten
                                                                / Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt um 200 € auf
Die Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs                   1.200 €.
in der Ukraine haben massive Auswirkungen auf die               / Der Grundfreibetrag steigt um 363 € auf 10.347 €.
Preise für Energie und Lebensmittel. Nachdem die                / Die Entfernungspauschale für Fernpendler:innen (ab
Inflationsrate im April 2022 mit 7,4 % den höchsten             dem 21. Kilometer) sowie die Mobilitätsprämie steigen auf
Stand nach über 40 Jahren erreichte, entschloss                 38 ct.
sich die Ampelkoalition zu weiteren Entlastungen.
                                                                Viertes Corona-Steuerhilfegesetz
Kabinett billigt Entlastungspakete                              Bereits am 16.2.2022 wurden mit dem Vierten Corona-­
Angesichts der stark steigenden Energiepreise will die Bun­     Steuerhilfegesetz weitere steuerliche Entlastungen umge­
desregierung Bürger:innen umfassend und unbürokratisch          setzt:
entlasten. Dafür hat die Ampelkoalition zwei Entlastungs­
pakete geschnürt. Die Maßnahmen sind in diverse Gesetz­         / erweiterte Verlustverrechnung (bis Ende 2023 verlän­
gebungsverfahren eingeflossen, denen der Bundesrat am           gert),
20.5.2022 zugestimmt hat.                                       / Verlängerung der degressiven Abschreibung um ein Jahr
                                                                (für Anschaffungen bis Ende 2022),
Zweites Entlastungspaket vom 27.4.2022                          / Verlängerung der Homeoffice-Pauschale (bis Ende 2022),
Im Kabinett wurden am 27.4.2022 im Einzelnen insbeson­          / steuerfreie Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (Verlänge­
dere folgende Maßnahmen beschlossen:                            rung bis Juni 2022),
                                                                / Steuerfreiheit für Corona-Pflegebonus bis zu 3.000 €
/ Einmalige Energiepauschale in Höhe von 300 € für              und
alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen. Arbeit­         / Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen
nehmer­:innen und Beamt:innen sollen die Förderung im           2020, 2021 und 2022.
September über ihren Arbeitgeber in der Gehaltsabrech­
nung ausbezahlt bekommen. Bei Selbstständigen wird die          Zur Entlastung bei den Stromkosten entfällt zum 1.7.2022
Einkommensteuervorauszahlung einmalig um diesen Be­             die EEG-Umlage. Die sich daraus ergebende Entlastung
trag gekürzt. Wer nicht erwerbstätig ist, geht leer aus, also   von 3,72 ct je kw/h müssen die Stromanbieter in vollem
z.B. Minijobber, Rentner und Studenten. Die spätere Steuer­     Umfang an die Endverbraucher:innen weitergeben.
pflicht mindert faktisch die Entlastung.

                                                                                                                              7
Praxistipp

    Revisionssicher archivieren – papierlos in die Zukunft
    Unter dem Titel „Modern Finance“ hat die dhpg zu Beginn des Jahres eine Online-Seminarreihe aufgesetzt. Ziel ist es,
    die Eckpfeiler eines modernen Finanzbereichs zu betrachten und Handlungsempfehlungen zu geben. Der zweite Teil
    beleuchtet die revisionssichere Archivierung.

    Was bedeutet revisionssichere Archivierung?                   / Schärfen Sie durch regelmäßige Schulungen das IT-Risiko­
    GoBD-konforme bzw. digitale, revisionssichere Archivie­       bewusstsein der beteiligten Mitarbeitenden.
    rung bedeutet, dass                                           / Klären Sie in einer Aufbau- und Ablauforganisation, wer für
                                                                  welche Prozesse verantwortlich ist, und erstellen Sie entspre­
    / aufbewahrungspflichtige Dokumente, Belege und Unter­        chende Arbeitsanweisungen.
    lagen über die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Auf­     / Etablieren Sie physische Sicherungsmaßnahmen im Server­
    bewahrungsfrist in einem elektronischen Archivsystem ver­     raum bzw. über einen zertifizierten Cloudanbieter.
    wahrt werden,                                                 / Erstellen Sie ein Berechtigungskonzept und einen Berech­
    / die im Archiv abgelegten Dokumente und Unterlagen vor       tigungsvergabeprozess für beteiligte Mitarbeitende sowie ein
    einer Änderung oder Manipulation geschützt sind,              Datensicherungskonzept.
    / die Informationen im Archiv nachvollziehbar gespeichert,    / Auch ein Changemanagement-Konzept, das das Einspielen
    auffindbar und unveränderbar sind und                         und Testing von Updates und den ordnungsgemäßen Trans­
    / die Daten einem Rechtesystem unterliegen und vor unbe­      port in das Produktivsystem umfasst, ist unerlässlich.
    rechtigtem Zugriff geschützt sind.                            / Definieren Sie, welche Dokumententypen archiviert wer­
                                                                  den sollen und welche Löschfristen jeweils gelten.
    Zudem müssen die zugrunde liegende IT-Software, die
    Technik und die Archivierung selbst der Revisionssicherheit   Verfahrensdokumentation
    genügen. Wenngleich es viel zu beachten gilt, kann der di­    Für den IT-gestützten Archivierungsprozess ist eine Verfah­
    gitale Belegfluss mit der richtigen Vorbereitung und einem    rensdokumentation zu erstellen. Nach den GoBD umfasst
    strukturierten Plan unter den Gesichtspunkten der Revisi­     sie eine Anwenderdokumentation und technische System­
    onssicherheit gelingen.                                       dokumentation der genutzten Systeme, eine Betriebsdo­
                                                                  kumentation über den sicheren IT-Betrieb und eine Pro­
    Revisionssichere Archivierungssoftware                        zessdokumentation der implementierten Verfahren und
    Grundlage der revisionssicheren Archivierung bildet die       Kontrollen. Sie dient als Nachweis, dass die Ordnungsvor­
    Wahl der richtigen Archivierungssoftware. Stellen Sie hier­   schriften der Abgabenordnung (AO) erfüllt sind, und muss
    bei sicher, dass diese über eine GoBD-Konformitätserklä­      für einen sachverständigen Dritten verständlich und in an­
    rung des Softwareherstellers verfügt und nach IDW PS 880      gemessener Zeit nachprüfbar sein sowie über die gesetz­
    (für nationale Produkte) bzw. ISAE 3000 (für internationale   liche Aufbewahrungsfrist vorgehalten werden. Ein Betrieb­
    Software) – jeweils Standards für die Prüfung von Software­   sprüfer sollte mittels nachvollziehbarer Änderungshistorie
    produkten – zertifiziert ist. Auch weitere Zertifizierungen   erkennen können, welche Version zu einem bestimmten
    wie z.B die ISO 27001, eine Norm für Informationssicher­      Prüfungszeitraum gültig war. Legen Sie die Verfahrensdoku­
    heits-Managementsysteme, oder der IDW PS 951 als Tes­         mentation zentral ab und prüfen Sie sie regelmäßig.
    tierung des internen Kontrollsystems von Dienstleistungs­
    unternehmen sind wertvolle Qualitätsmerkmale, soweit Sie      Sollten Sie Fragen zur revisionssicheren Archivierung haben
    beabsichtigen, Ihre Archivdaten beim Anbieter z.B. in eine    oder Unterstützung bei der Implementierung benötigen,
    Cloud auszulagern.                                            sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie persönlich.

    Revisionssicherer Archivierungsprozess
    Zunächst gilt es zu klären, welche Dokumente und Unter­         Weitere Informationen finden Sie hier.
    lagen überhaupt archiviert werden sollen und dürfen (z.B.
    Urkunden, Eingangsrechnungen, Kontoauszüge, Liefer­             Modern Finance: Folgende Online-Seminare sind als
    scheine etc.). Stellen Sie sicher, dass nur abgeschlossene,     Aufzeichnung verfügbar:
    d.h. archivierungsfähige Geschäftsvorfälle vollständig und
    richtig archiviert werden. Der IT-gestützte Archivierungs­      / Management-Informationssysteme – Reporting ohne
    prozess sollte zudem verfahrenstechnisch und kontrollseitig     Excel
    die ordnungsgemäße Archivierung der Belege sicherstellen.       / Revisionssicher archivieren – papierlos in die Zukunft
                                                                    / Prozesse standardisieren – effizient arbeiten und Kos­
    Sicherer IT-Betrieb                                             ten sparen
    Der IT-Betrieb muss durch organisatorische und technische       / Moderne Daten- und Systemarchitektur – Digitalisie­
    Maßnahmen (TOMs) die Unveränderbarkeit der archivierten         rung richtig anpacken
    Daten sicherstellen:                                            / Neu: am 23.6.2022! Compliance – der Organisation
                                                                    Rechtssicherheit geben

                                                                    Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie die Inhalte inte­
8   dhpg aktuell 06/22                                              ressieren oder Sie Einladungen zu unseren Online-
                                                                    Seminaren erhalten möchten.
News für Ihr Geschäft

GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                     Veranlassung von Überstunden. Dieser Rechtsprechung
                                                              hat das BAG jetzt eine Absage erteilt. Bei der Frage nach der
 Darlegungs- und Beweislast                                   Bezahlung von Überstunden sei die Vergütung betroffen,
                                                              nicht der Arbeitsschutz. Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeit­
 für die Vergütung von                                        erfassung verlagere die Beweislast im Überstundenvergüt­
                                                              ungsprozess daher nicht auf den Arbeitgeber.
­Überstunden
                                                              Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich seine             Die Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung des EuGH
frühere Rechtsprechung zur Darlegungs- und                    senkt nicht die prozessualen Hürden, die Arbeitnehmer:in­
Beweislast für die Vergütung von Überstunden                  nen überwinden müssen, um die Vergütung von Über­
bestätigt. Danach liegt diese weiterhin beim Arbeit­          stunden einzuklagen. Die Entscheidung ist zu begrüßen,
nehmer.                                                       denn sie verschafft den Arbeitsvertragsparteien wieder die
                                                              Rechts­sicherheit, die vor der EuGH-Entscheidung bestan­
Worum geht es?                                                den hat.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 4.5.2022 seine frü­
here Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast für        Dies ändert nichts an der Verpflichtung des Arbeitgebers,
die Vergütung von Überstunden bestätigt. Danach muss ein      die Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung einzuhalten, mit
Arbeitnehmer, der die Vergütung für geleistete Überstunden    dem Ziel, die Anforderungen des Arbeitszeitrechts zu er­
erhalten möchte, zweierlei darlegen und beweisen:             füllen.

/D  ie Überstunden sind angefallen. Der Arbeitnehmer hat
   mehr Arbeit als normal geleistet oder sich auf Weisung
   des Arbeitgebers dazu bereitgehalten.                      GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen
/ Der Arbeitgeber hat die geleisteten Überstunden aus­
   drücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder        Rückwirkende Änderung des
   nachträglich gebilligt.
                                                              Geschäftsjahres einer GmbH
Ist das eine neue Entwicklung?
Nein. Mit der Entscheidung bestätigt das BAG seine bishe­     möglich?
rige Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast der
Arbeitnehmer:innen bei der Geltendmachung von Vergü­          Die Änderung des Geschäftsjahres einer GmbH
tungsansprüchen für Überstunden.                              kann nicht rückwirkend erfolgen. Dies entschied
                                                              das Oberlandesgericht Jena. Die Änderung des
Bringt die Entscheidung dennoch neue Erkenntnisse?            Geschäftsjahres muss vor Beginn des neuen und
Ja! Grund dafür ist die Einordnung der Rechtsprechungs­       vor Ablauf des entstandenen Rumpfgeschäftsjahres
linie in das bisherige Entscheidungsgefüge der Gerichte.      zum Handelsregister angemeldet werden.
2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit sei­
nem sogenannten Stechuhr-Urteil eine aufmerksamkeits­         Registergericht weist Anmeldung zurück
erregende Entscheidung zur Verpflichtung des Arbeit­          Eine GmbH hatte in ihrem Gesellschaftsvertrag das Ka­
gebers zur Arbeitszeiterfassung getroffen. Danach ist der     lenderjahr als Geschäftsjahr festgelegt. Mit Beschluss der
Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und   Gesellschafterversammlung von August 2020 sollte das
zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen.         Geschäftsjahr in ein abweichendes Wirtschaftsjahr auf den
                                                              Zeitraum vom 1.10. bis 30.9. geändert werden. Der Ge­
Die Begründung für diese Verpflichtung leiten die Luxem­      schäftsführer meldete die Änderung im Januar 2021 zum
burger Richter:innen aus der Arbeitszeitrichtlinie und der    Handelsregister der GmbH an. Das Registergericht wies
Charta der Grundrechte der EU ab. Sie regeln die Arbeits­     die Anmeldung zurück mit der Begründung, dass die Dau­
zeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn. Arbeitnehmer:innen     er des Rumpfgeschäftsjahres unklar und eine rückwirken­
sollen durch die Begrenzung der höchstzulässigen Arbeits­     de Änderung des Geschäftsjahres unzulässig sei. Dagegen
zeit vor Gesundheitsgefährdungen geschützt werden. Kla­       wehrte sich die GmbH und bekam Recht.
rer Fokus der EuGH-Entscheidung ist der Arbeitsschutz!
                                                              Änderung muss vor neuem Geschäftsjahr erfolgen
Das Stechuhr-Urteil hat die Frage aufgeworfen, ob es dem      Die Richter:innen betonten, dass weder eine unzulässige
Arbeitgeber im Überstundenvergütungsprozess zum Nach­         Rückwirkung vorgelegen habe, noch hätten hinsichtlich
teil gereicht, wenn er die Verpflichtung zur Einführung ei­   der Dauer des Rumpfgeschäftsjahres Unklarheiten bestan­
nes Arbeitszeiterfassungssystems nicht umsetzt. So hat das    den. Es reiche aus, wenn die Änderung während des neuen
Arbeitsgericht Emden entschieden, ein Arbeitnehmer sei        Rumpfgeschäftsjahres (hier bis zum 30.9.) und vor Beginn
dann nicht mehr beweispflichtig für die arbeitgeberseitige    des neuen Geschäftsjahrs (hier vor dem 1.10.2021) erfolge.

                                                                                                                              9
Weil aus dem Handelsregister das Datum der Eintragung           Kapitalrückzahlung aus einer Drittstaaten-Kapital­
     und damit die Wirksamkeit der Änderung des Geschäftsjah­        gesellschaft bisher steuerpflichtig
     res zu erkennen sei, werde der Rechtsverkehr auch hinrei­       Der Bundesfinanzhof hatte bereits vor einigen Jahren ent­
     chend geschützt.                                                schieden, dass eine steuerneutrale Einlagerückgewähr auch
                                                                     durch Drittstaatengesellschaften vorgenommen werden
     Wichtig: Eintrag im Handelsregister ändern                      kann. Die Finanzverwaltung hatte sich dem bislang jedoch
     Die Änderung eines im GmbH-Gesellschaftsvertrag festge­         nicht angeschlossen. Nach bisheriger Auffassung der Fi­
     legten Geschäftsjahres ist eine Änderung des Gesellschafts­     nanzverwaltung führte jede Auszahlung, gleich ob es sich
     vertrags selbst und daher zwingend im Handelsregister           hierbei um eine tatsächliche Gewinnausschüttung oder um
     einzutragen. Das bedeutet, dass eine rückwirkende Ände­         eine Rückzahlung von zuvor eingezahltem Kapital handelte,
     rung des Geschäftsjahres nach dessen Ablauf grundsätz­          zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die der
     lich unzulässig ist. Weil durch die Änderung ein Rumpfge­       deutschen Besteuerung unterlagen. Die Finanzverwaltung
     schäftsjahr entsteht, muss die Eintragung des geänderten        begründete dies mit dem Fehlen des steuerlichen Einlage­
     Geschäftsjahres vor Ablauf des entstandenen Rumpfge­            kontos bei Drittstaaten-Kapitalgesellschaften. Bei inländischen
     schäftsjahres erfolgen. Ist das Geschäftsjahr nicht im Ge­      Kapitalgesellschaften sei ein solches Konto für Einlagen des
     sellschaftsvertrag einer GmbH festgelegt und soll geändert      Gesellschafters zu führen. Eine Auszahlung des zuvor einge­
     werden, empfiehlt es sich aus Vorsichtsgründen für die          zahlten Kapitals (Einlagenrückgewähr) mindere das steuerli­
     Praxis, auch hier von einer anzumeldenden Änderung des          che Einlagekonto und führe dadurch nicht zu steuerpflichti­
     Gesellschaftsvertrags auszugehen. Das Oberlandesgericht         gen Einkünften. Da für Drittstaaten-­Kapitalgesellschaften kein
     Jena hatte diesen Fall offengelassen; die mehrheitlich in       steuerliches Einlagekonto geführt werde, sei auch keine steu­
     der juristischen Literatur vertretene Ansicht geht von einer    erneutrale Kapitalrückzahlung möglich.
     eintragungspflichtigen Satzungsänderung aus.
                                                                     Steuerneutrale Rückzahlung mit geeigneten
                                                                     ­Nachweisen möglich
                                                                     Mit dem BMF-Schreiben schließt sich die Finanzverwal­
     GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen                               tung der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
                                                                     an. Die steuerneutrale Kapitalrückzahlung für Drittstaa­ten-
     Steuerneutrale Kapitalrück­                                     Kapitalgesellschaften wird nun grundsätzlich akzeptiert.

     zahlung von Drittstaaten-                                       Bei der Auszahlung von nicht in das Nennkapital geleiste­
                                                                     ten Einlagen (z.B. der Kapitalrücklage) findet – wie im In­
     Kapitalgesellschaften                                           landsfall – die gesetzliche Verwendungsreihenfolge ent­
                                                                     sprechende Anwendung. Ein Direktzugriff auf den Betrag
     Mit dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums                  der Einlagen ist nicht zulässig. Hierzu sind zunächst auf
     vom 21.4.2022 sind jetzt auch Kapitalrück­                      Grundlage der ausländischen Handelsbilanz der ausschütt­
     zahlungen von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften                bare Gewinn, das Nennkapital und die nicht in das Nenn­
     steuerneutral möglich. Die Finanzverwaltung                     kapital geleisteten Einlagen zu ermitteln. Unter Beachtung
     hat sich damit der Rechtsprechung des Bundes­                   der Verwendungsreihenfolge (vorrangige Verwendung von
     finanzhofs angeschlossen. Die steuerneutrale                    nicht ausgeschütteten Gewinnen) kann dann eine steuer­
     Auszahlung ist jedoch von der Erbringung                        neutrale Einlagerückgewähr vorliegen. Das BMF-Schreiben
     bestimmter Nachweise abhängig.                                  verlangt hierzu jedoch folgende Nachweise:

     Gleichbehandlung in- und ausländischer                          / Nachweis der unbeschränkten Steuerpflicht im Drittland
     Kapitalgesellschaften                                           / Höhe der Beteiligung der inländischen Anteilseigner
     Mit dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom              / Beschluss und Kontoauszüge über die Ausschüttung
     21.4.2022 (BMF-Schreiben) erkennt die Finanzverwaltung          / Ausländische Bilanz der ausschüttenden Kapitalgesellschaft
     an, dass auch Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten – das
     heißt Ländern, die weder zur EU noch zum EWR-Raum ge­           Auch die Rückzahlung von Nennkapital ist durch geeignete
     hören – Nennkapital bzw. nicht in das Nennkapital geleis­       Unterlagen, insbesondere den Beschluss über die Nenn­
     tete Einlagen (z.B. aus der Kapitalrücklage) steuerneutral an   kapitalherabsetzung, nachzuweisen. Außerdem soll eine
     ihre deutschen Anteilseigner zurückzahlen können. Für Ka­       Nennkapitalauskehrung innerhalb von fünf Jahren nach der
     pitalgesellschaften aus EU-/EWR-Staaten bestand aufgrund        Ausgabe neuer Anteile (Kapitalerhöhung) stets zu steuer­
     einer besonderen Regelung im Körperschaftsteuerrecht            pflichtigen Einkünften beim Anteilseigner führen.
     bereits die Möglichkeit, mithilfe eines gesonderten Antrags
     eine steuerneutrale Rückzahlung zu erreichen. Für inlän­        Fazit
     dische Kapitalgesellschaften wird das sogenannte steuer­        Dass die Finanzverwaltung sich nun der Auffassung des Bun­
     liche Einlagekonto geführt, bei dessen Auszahlung keine         desfinanzhofs angeschlossen hat, ist zu begrüßen. Die Steu­
     steuerpflichtigen Einkünfte vorliegen.                          erneutralität hängt indes weiterhin von der Erbringung der
                                                                     vorgenannten Nachweise ab. Es bleibt abzuwarten, welche
                                                                     Maßstäbe die einzelnen Finanzämter an diese Nachweise
                                                                     stellen.

10   dhpg aktuell 06/22
GmbH-Geschäftsführer                                           dass der Beklagte in besonders verwerflicher Weise eine
                                                               formale Rechtsposition ausgenutzt und ausschließlich zu
Was tun bei treuwidriger                                       eigenen Zwecken gehandelt hatte. Den Schaden des Klä­
                                                               gers erblickten die Richter:innen darin, dass der von ihm
­Anmaßung der Gesell­                                          gehaltene Geschäftsanteil im Wert gemindert sei, weil
                                                               dem Beklagten durch die generelle Änderung des Mehr­
 schafterstellung?                                             heitserfordernisses nunmehr stets eine Sperrminorität zu­
                                                               stünde. Das Gericht wies noch auf Folgendes hin: Werde
Hat ein Gesellschafter unter sittenwidriger Anma­              ein Gesellschafterbeschluss nicht rechtzeitig angefochten,
ßung der (Allein-)Gesellschafterstellung eine Ände­            bedeute dies nicht, dass ein Schadenersatzanspruch aus­
rung des GmbH-Gesellschaftsvertrags beschlossen,               geschlossen sei, der auf die Änderung des Gesellschafts­
kann dies für die Zukunft rückgängig gemacht                   vertrags für die Zukunft gerichtet ist. Da die Gesellschafter
werden.                                                        :innen es ohnehin in der Hand haben, Beschlüsse jederzeit
                                                               zu ändern oder neu zu fassen, besteht für den künftigen
Sittenwidrige Täuschung?                                       Rechtsverkehr kein Anspruch auf Rechtssicherheit.
Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer
GmbH, gleichzeitig der Beklagte, hielt 80 % der GmbH-­         Nie die Formalia vernachlässigen
Anteile treuhänderisch für den Kläger und 20 % für sich        Der entschiedene Fall beweist die zentrale Bedeutung der
selbst. Mitte August 2011 kündigte der Kläger den Treu­        Gesellschafterliste einer GmbH und zeigt deutlich die for­
handvertrag, sodass die 80-prozentige Beteiligung auf ihn      malistische Struktur des deutschen GmbH-Rechts. Gerade
überging. Der mitwirkende Notar reichte daraufhin eine         bei Streitigkeiten unter den Gesellschafter:innen und bei
neue Gesellschafterliste ein, die den Kläger mit 80 % und      dem Versuch, eine eingetretene „falsche“ – aber im Han­
den Beklagten als Gesellschafter mit 20 % am Stammkapi­        delsregister abgebildete – Rechtslage wieder rückgängig
tal der GmbH auswies. Daraufhin reichte der Beklagte An­       zu machen, ist guter Rat teuer. Es empfiehlt sich daher,
fang September 2011 eine neue Gesellschafterliste ein, die     von Beginn an auf gute Rechtsberatung zu setzen, um die
wiederum ihn als Alleingesellschafter auswies. Im Oktober      Ausschöpfung des gesamten Instanzenzugs möglichst zu
2011 hielt der Beklagte als (formal) alleiniger Gesellschaf­   vermeiden.
ter eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss mit
allen Stimmen, dass zukünftig sämtliche Beschlüsse der
GmbH für ihr Zustandekommen einer Mehrheit von 85 %
bedürften, was faktisch ein Vetorecht zu seinen Gunsten        Unternehmen
bedeutete. Trotz rechtskräftiger Feststellung des Frankf­
urter Landgerichts im Juni 2012, dass der Kläger seit der      Direktanspruch: ­Halten
Kündigung des Treuhandvertrags Inhaber der 80-prozen­
tigen Beteiligung ist, weigerte sich der Beklagte als allei­   Sie sich schadlos beim
niger GmbH-Geschäftsführer nach wie vor, eine korrekte
Gesellschafterliste einzureichen. Schließlich erwirkte der     ­Finanzamt
Kläger die Einreichung einer solchen Liste durch einen
Notar und forderte sodann vom Beklagten die Mitwirkung         Wer kennt das nicht: Der Betriebsprüfer kommt
bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Beschluss­        und versagt den Vorsteuerabzug aus einer Ein­
quorums im Gesellschaftsvertrag. Er begründete dies damit,     gangsrechnung, da die Umsatzsteuer in der Rech­
dass er vom Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt      nung zu Unrecht ausgewiesen wurde. Sie fordern
worden sei und deshalb die Änderung des Gesellschafts­         vom Rechnungsaussteller die Korrektur der Rech­
vertrags verlangen könne. Der Beklagte meint, der Kläger       nung und die Rückzahlung der Umsatzsteuer. Es
hätte den mehrheitsändernden Beschluss anfechten müs­          passiert allerdings nichts, z.B. weil der Lieferant
sen, der nun bestandskräftig sei. Außerdem fechte er den       sich mittlerweile in der Insolvenz befindet. Bisher
Treuhandvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Das Ber­       lief dies unter „dumm gelaufen“, doch nun besteht
liner Kammergericht gab schließlich dem Kläger recht.          Hoffnung. Holen Sie sich die Umsatzsteuer vom
                                                               Finanzamt über den „Direktanspruch“ wieder. Das
Rechtsposition ausgenutzt                                      Bundesfinanzministerium hat nun die Vorausset­
Nach Ansicht der Richter:innen lag tatsächlich eine vor­       zungen hierzu dargestellt.
sätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Beklagten
mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs des Klägers         Rechtslage
vor. Er habe schon deshalb vorsätzlich gehandelt, weil er      Der Direktanspruch resultiert aus der Rechtsprechung des
davon ausgegangen sei, dass der Kläger nach Kündigung          Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach erfordert u.a.
des Treuhandvertrags selbst Gesellschafter der GmbH ge­        der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer, dass Leis­
worden sei. Wäre er sicher gewesen, dass der Treuhandver­      tungsempfänger die Erstattung von rechtsgrundlos gezahl­
trag aufgrund seiner Anfechtung nichtig sei, hätte er keine    ter Umsatzsteuer gegenüber dem Fiskus geltend machen
Änderung des Beschlussquorums im Gesellschaftsvertrag          können, wenn beim Rechnungsaussteller nichts mehr zu
zu seinen eigenen Gunsten erwirken müssen. Die Sitten­         holen ist.
widrigkeit der Schädigung ergab sich demzufolge daraus,

                                                                                                                               11
Direktanspruch gemäß Bundesfinanzministerium                    Unternehmen
     Laut Bundesfinanzministerium ist der Direktanspruch im
     Billigkeits- und nicht im Festsetzungsverfahren geltend         Vorsteuervergütung: Kein
     zu machen. Zuständig ist hierfür das Finanzamt des Leis­
     tungsempfängers. Es wird daher im Einzelfall entschieden.       Vorsteuerabzug durch Neu­
     Hierbei wird auch ein mögliches Mitverschulden des Leis­
     tungsempfängers in die Entscheidung einbezogen. Der An­         ausstellung der Rechnung
     spruch ist nachrangig gegenüber dem Anspruch auf Kor­
     rektur. Der Leistungsempfänger muss daher zunächst die          Unternehmer können sich im Rahmen des Vor­
     Korrektur gegenüber dem Leistenden zivilrechtlich geltend       steuervergütungsverfahrens Vorsteuer in anderen
     machen, in der Regel auch bei dessen Zahlungsunfähigkeit.       Mitgliedstaaten der EU erstatten lassen. Der An­
     Dies gilt nur dann nicht, wenn bereits ein Insolvenzantrag      trag muss bis zum 30. September des Folgejahres
     des Leistenden mangels Masse abgelehnt wurde. Ist der           gestellt werden. Wird die Frist verpasst, ist der
     Anspruch gegenüber dem Leistenden verjährt oder wurde           Vorsteuerabzug weg. Da helfen auch „kreative“
     eine Bruttopreisvereinbarung getroffen, so greift der Direkt­   Lösungen nicht.
     anspruch nicht. Ferner setzt der Direktanspruch u.a. noch
     voraus, dass der Rechnungsaussteller tatsächlich eine Leis­     Steht Neuausstellung Erstattung entgegen?
     tung erbracht hat und der Fiskus noch bereichert ist.           Ein Unternehmen (A) mit Sitz in Frankreich beantragte für
                                                                     das Jahr 2012 die Erstattung von ca. 91.000 € Vorsteuer
     Anspruch möglich, aber unter restriktiven Bedin­                in Rumänien. Der Antrag wurde im Jahr 2014 aufgrund
     gungen                                                          nicht ordnungsgemäßer Rechnungen abgelehnt. Der Lie­
     Unternehmen können sich nun gegebenenfalls beim Fiskus          ferant stornierte daraufhin die im Jahr 2012 ausgestellten
     schadlos halten, wenn die Korrektur der Umsatzsteuer über       Rechnungen und stellte im Jahr 2015 neue Rechnungen
     den leistenden Unternehmer scheitert. Allerdings sind die       über die Lieferungen aus. Im Jahr 2014 fusionierte A mit
     vom Bundesfinanzministerium geforderten Voraussetzun­           der Klägerin. Diese stellte auf Basis der neuen Rechnun­
     gen hierfür hoch. So muss z.B. zunächst ernsthaft versucht      gen für 2015 einen erneuten Erstattungsantrag. Strittig war
     worden sein, den Anspruch auf Erstattung der rechtsgrund­       insbesondere, ob die Stornierung und Neuausstellung der
     los gezahlten Umsatzsteuer zivilrechtlich gegenüber dem         Rechnungen der Erstattung im Jahr 2015 entgegenstehen.
     leistenden Unternehmer geltend zu machen. Dies sollte
     dokumentiert werden. Weiterhin ist zu beachten, dass der        Entscheidung
     Anspruch im Billigkeitsverfahren geltend zu machen ist. Ein     Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) setzt die Geltend­
     Einspruch gegen eine Umsatzsteuerfestsetzung hilft hier         machung der Erstattung voraus, dass eine entsprechende
     nicht weiter bzw. würde ins Leere laufen.                       Rechnung vorliegt. Nur wenn ein Dokument so fehlerhaft
                                                                     ist, dass die zur Begründung eines Erstattungsantrags er­
     Fazit                                                           forderlichen Angaben fehlen, stellt dies keine Rechnung in
     So positiv die grundsätzliche Akzeptanz des Direkt­             diesem Sinne dar. Die Erstattung kann nicht allein deswe­
     anspruchs durch das Bundesfinanzministerium auch ist:           gen abgelehnt werden, weil die Rechnung erst nach dem
     Lassen Sie es erst gar nicht so weit kommen. Prüfen Sie die     Zeitraum ausgestellt wurde, in dem der Steueranspruch
     Eingangsrechnungen und lassen sie diese, falls erforderlich,    entstanden ist. Allerdings haben die einseitige Stornierung
     unverzüglich korrigieren. Alles andere kostet Sie zwar nun      einer Rechnung durch den Lieferanten – ohne Rückgän­
     gegebenenfalls nicht mehr die Umsatzsteuer, aber unnötig        gigmachung der Lieferung selbst – und die spätere Neu­
     viel Geld und Zeit.                                             ausstellung der Rechnung keinen Einfluss auf einen Erstat­
                                                                     tungsantrag, der bestandskräftig abgelehnt wurde.

                                                                     Rechnung ist nicht gleich Rechnung
                                                                     Das Urteil entspricht der jüngsten Rechtsprechung des
                                                                     EuGH zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung. So ist
                                                                     grundsätzlich zwischen Rechnungen zu unterscheiden,
                                                                     die zwar aufgrund von Mängeln nicht für den Vorsteuer­
                                                                     abzug ausreichen, aber dennoch Rechnungen im Sinne
                                                                     der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie darstellen, und Do­
                                                                     kumenten, die nicht als Rechnungen anzuerkennen sind
                                                                     (Nichtrechnungen). Während Erstere (nur) rückwirkend zu
                                                                     berichtigen sind, können Letztere nicht korrigiert werden,
                                                                     sondern es bedarf der erstmaligen Ausstellung einer Rech­
                                                                     nung, die dann den Vorsteuerabzug auch erst im Zeitpunkt
                                                                     ihrer Ausstellung zulässt.

                                                                     Diese Differenzierung legt der EuGH auch dem Vorsteuer­
                                                                     vergütungsverfahren zugrunde. Da die ursprünglichen Do­
                                                                     kumente zwar Mängel hatten, aber als Rechnungen galten,

12   dhpg aktuell 06/22
konnte die Erstattung nur für das Jahr 2012 geltend gemacht       können sowohl Lieferungen als auch sonstige Leistungen
werden. Aufgrund der Bestandskraft der Ablehnung des An­          sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Investitions­
trags war dies nicht mehr möglich. Der EuGH weist zu Recht        umsatzes ist, dass Leistungen tatsächlich auf die künftige
darauf hin, dass in diesem Fall die Stornierung und Neuausstel­   Gesellschaft übertragen und von dieser für unternehmeri­
lung der Rechnungen dazu dienen könnten, die Bestandskraft        sche Zwecke genutzt werden. Scheitert die geplante Grün­
zu umgehen. Ein Erstattungsantrag in einem späteren Jahr als      dung, steht das dem Vorsteuerabzug eines ursprünglich
dem des Leistungsbezugs ist damit aber nicht grundsätzlich        geplanten Investitionsumsatzes nicht entgegen.
ausgeschlossen. Voraussetzung hierfür ist, dass in diesem Zeit­
raum die erstmalige Abrechnung der Leistungen erfolgt. Hier­      Auseinandersetzungen mit dem Fiskus zu erwarten
zu hätten im Fall aber die ursprünglichen Abrechnungsdoku­        Positiv ist, dass das Bundesfinanzministerium nun erstmals
mente als Nichtrechnungen beurteilt werden müssen.                den Vorsteuerabzug in solchen Konstellationen zulässt. Der
                                                                  Wortlaut des Schreibens mag den Eindruck erwecken, dass
Wer also versucht, misslungene Erstattungsanträge durch           dem nun keine Grenzen gesetzt sind. Dem ist jedoch nicht
Vorlage „neuer“ Rechnungen wie im dargestellten Fall zu           so, wenn man die vom Bundesfinanzministerium zitierte
retten, wird scheitern. Fazit daher wie immer: Nur die Kon­       Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betrachtet. Dem­
trolle und sofortige Berichtigung von Rechnungen schüt­           nach sollen z.B. Beratungskosten, die vom Gesellschafter
zen vor Schäden.                                                  im Hinblick auf die beabsichtigte Gründung der Kapital­
                                                                  gesellschaft bezogen werden, keine Investitionsumsätze
                                                                  darstellen. Auseinandersetzungen mit dem Fiskus hinsicht­
                                                                  lich der Frage, ob ein Investitionsumsatz vorliegt, sind somit
Unternehmen                                                       zu erwarten. Um dies zu vermeiden, sollte die Übertragung,
                                                                  soweit möglich, entgeltlich erfolgen. Hier ist allerdings zu
Vorsteuerabzug bei Grün­                                          beachten, dass dies ein Organschaftsverhältnis begründen
                                                                  kann. Fragen Sie im Zweifelsfall unsere Expert:innen.
dung von Gesellschaften
Häufig beziehen Gesellschafter bzw. Vorgrün­
dungsgesellschaften Leistungen, die später auf die
noch zu gründende Kapitalgesellschaft übertragen
werden. Beschränkt sich die Tätigkeit der Gesell­
schafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft dann
auf die Übertragung dieser Leistungen, das heißt,
sind sie ansonsten nicht unternehmerisch tätig, so
entbrennt häufig Streit darüber, ob die bezogenen
Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigen. Das
Bundesfinanzministerium hat nun hierzu Stellung
bezogen.

Differenzierung zwischen entgeltlicher und nicht
entgeltlicher Übertragung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) unterscheidet zwi­
schen entgeltlicher und nicht entgeltlicher Übertragung.
Veräußert ein Gesellschafter bzw. eine zur Gründung ei­
ner Kapitalgesellschaft gegründete Personengesellschaft
(Vorgründungsgesellschaft) bezogene Leistungen nach
Gründung der Kapitalgesellschaft an die Genannten, so
steht ihnen der Vorsteuerabzug hieraus unter den üblichen
Voraussetzungen zu. Dem steht nicht entgegen, dass der
Gesellschafter bzw. die Vorgründungsgesellschaft keine
anderen Umsätze beabsichtigt und die Umsätze als Ge­
schäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz
(UStG) nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Maßgeblich für
den Vorsteuerabzug sind die beabsichtigten Umsätze der
Kapitalgesellschaft.

Erfolgt die Übertragung nicht entgeltlich, so kann dem
Gesellschafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft ein Vor­
steuerabzug zustehen, wenn es sich aus Sicht der künftigen
Kapitalgesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt.
Zudem muss die geplante Tätigkeit der künftigen Gesell­
schaft den Vorsteuerabzug zulassen. Investitionsumsätze

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