Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie - Hinweise für die Praxis 17. Februar 2020

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Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie
Hinweise für die Praxis

17. Februar 2020

  Ausgangslage                                         1. Arbeitspflicht

  Nach Auf treten des neuartigen Coronavirus in        Die Pf licht zur Arbeitsleistung wird grundsätz-
                                                       lich nicht berührt. Dem nicht erkrankten Arbeit-
  China und den USA hat die Weltgesundheitsor-
  ganisation (WHO) am 30. Januar 2020 den in-          nehmer steht kein generelles Zurückbehal-
  ternationalen Gesundheitsnotstand ausgeru-           tungsrecht zu, weil sich die Wahrscheinlichkeit
                                                       einer Ansteckung z. B. auf dem Weg zur Arbeit
  f en. Die Zahl der Inf izierten steigt weiter und
  auch in Deutschland sind erste Inf ektionen mit      oder durch Kontakte am Arbeitsplatz erhöht. Er
  dem Virus bestätigt worden. Das Auswärtige           ist weiterhin verpf lichtet, die ihm übertragenen
                                                       Auf gaben zu erf üllen, sowie den Anordnungen
  Amt hat eine Teilreisewarnung f ür China aus-
  gesprochen, die die Provinz Hubei umf asst.          der Vorgesetzten Folge zu leisten.

  Eine Pandemie kann Auswirkungen auf das              Ein          Zurückbehaltungsrecht            nach
                                                       § 273 Abs.1 BGB kommt f ür in Deutschland tä-
  Wirtschaf tsgeschehen in Deutschland haben.
  Von ihrer Intensität hängt es ab, wie stark Be-      tige Arbeitnehmer bei der Rückkehr eines Mit-
  triebe im Einzelnen erf asst werden und ob Ar-       arbeiters aus einer gef ährdeten Region - einer
                                                       Region, die von einer Reisewarnung betrof fen
  beitsabläuf e im gewohnten Umf ang sicherge-
  stellt bleiben. Ebenso stellt sich die Frage, wel-   ist - ebenf alls nicht in Betracht. Auf Wunsch des
  che Auswirkungen das Virus f ür den Einsatz          in Deutschland tätigen Arbeitnehmers kann der
                                                       Arbeitgeber diesen ohne Bezahlung f reistellen.
  von Arbeitnehmern außerhalb Deutschlands
                                                       Der Arbeitgeber ist bei dieser Entscheidung
  hat.
                                                       f rei.
  Die f olgenden Ausf ührungen geben einen
  Überblick über arbeitsvertraglichen Folgen,          2. Mitteilungsobliegenheiten des Arbeit-
  wenn Arbeitnehmer wegen des Coronavirus                 nehmers
  nicht beschäf tigt werden und über die Auswir-       Der Arbeitgeber kann im Rahmen seiner ar-
  kungen auf Entsendungen von Arbeitnehmern            beitsrechtlichen Fürsorgepf licht bei erkennba-
  in das Ausland. Zudem wird dargestellt, welche       ren Risiken verpf lichtet sein, mögliche Anste-
  Vorbereitungshandlungen getrof f en werden           ckungen durch zurückkehrende Arbeitnehmer
  können, um innerbetriebliche Folgen möglichst        über Auf klärungs- und Vorsichtsmaßnahmen
  einzugrenzen und auch datenschutzrechtliche          zu verhindern.
  Aspekte werden erörtert.                             Insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt, aus ei-
  I. Arbeitsverhältnisse in Deutschland                nem Auslandsauf enthalt zurückkehrende Ar-
                                                       beitnehmer darauf hin zu bef ragen, ob sie sich
  Nach Ausbruch einer neuartigen Virus-Erkran-         in einer gef ährdeten Region oder an Orten mit
  kungswelle stellen sich unterschiedliche ar-         einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko auf -
  beitsrechtliche Fragen, die die gegenseitigen        gehalten haben. Der Anspruch ist dabei regel-
  Verpf lichtungen aus dem Arbeitsvertrag betref -     mäßig auf eine Negativauskunf t beschränkt.
  f en.
Der Arbeitnehmer ist nicht verpf lichtet, Aus-      3. Vergütungsanspruch
kunf t über den genauen Auf enthaltsort zu ge-
                                                    Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen
ben.
                                                    einer konkreten Inf ektionsgef ahr einseitig f rei,
Der Arbeitgeber kann eine betriebsärztliche         so ist dem Arbeitnehmer die Leistungserbrin-
Untersuchung eines zurückgekehrten Mitarbei-        gung unmöglich und die Vergütungspf licht des
ters anordnen, sof ern er hieran ein berechtigtes   Arbeitgebers entf ällt grundsätzlich nach § 326
Interesse hat. Ein solches Interesse muss das       Abs.1 S.1 BGB.
Selbstbestimmungsrecht und die körperliche
Unversehrtheit des Mitarbeiters stets überwie-      Nach Ansicht des BGH kann § 616 BGB den
gen. Dies ist anhand einer umf assenden Abwä-       Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers auf -
gung aller maßgeblichen Umstände des Einzel-        rechterhalten (BGH, NJW 1979, 422, 424), so-
f alles zu prüf en.                                 f ern dies nicht einzelvertraglich oder tarif ver-
                                                    traglich ausgeschlossen worden ist. Die von
So kann das berechtigte Interesse des Arbeit-
                                                    dem Betrof f enen Arbeitnehmer ausgehende
gebers an der betriebsärztlichen Untersuchung
                                                    unverschuldete Ansteckungsgef ahr stelle ein
die geschützten Interessen des Arbeitnehmers
                                                    Arbeitshindernis dar. Der Arbeitgeber sei ge-
überwiegen, wenn der Arbeitnehmer besonde-
                                                    genüber seinen übrigen Arbeitnehmern und ge-
ren Ansteckungsrisiken ausgesetzt war. Davon
                                                    genüber jedermann aus Gründen der allgemei-
ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich
                                                    nen Verkehrssicherungspf licht verpf lichtet, den
der Arbeitnehmer in einer gef ährdeten Region
                                                    Betrieb von Ansteckungsgef ahren f reizuhalten.
auf gehalten hat, f ür die eine Reisewarnung des
                                                    Den Arbeitgeber trif f t die Lohnf ortzahlungs-
Auswärtigen Amts ausgesprochen worden war
                                                    pf licht nach § 616 BGB allerdings nur, sof ern
und der Arbeitnehmer an Orten mit erhöhtem
                                                    sich die Verhinderung von vornherein auf einen
Reise- und Publikumsverkehr wie Flughäf en
                                                    verhältnismäßig geringen Zeitraum beschränkt.
und Bahnhöf en zugegen war. Das kann auch
                                                    Dies hängt von den Umständen des Einzelf alls
dann gelten, wenn auf grund der konkreten Si-
                                                    ab. In diesem Zusammenhang g eht der BGH
tuation am Ort der Reise ein deutlich erhöhtes
                                                    grundsätzlich davon aus, dass die Höchstf rist
Ansteckungsrisiko besteht und die in Rede ste-
                                                    f ür die Fortzahlung von Entgelt nach § 616 BGB
hende Erkrankung sich durch ein besonders
                                                    im Fall einer Pandemie sechs Wochen betra-
hohes Ansteckungsrisiko auszeichnet.
                                                    gen kann.
Darüber hinaus kann der Arbeitgeber die Frei-
                                                    a) Entgeltfortzahlungsanspruch
stellung ohne oder gegen den Willen seines Ar-
beitnehmers erklären. Auf die Weise entbindet       Ist der Arbeitnehmer inf olge der Viruserkran-
der Arbeitgeber den betrof f enen Arbeitnehmer      kung arbeitsunf ähig, so hat er Anspruch auf
von seiner Leistungspf licht und verweigert ihm     Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1
den Zugang zum Betrieb. Dies setzt voraus,          EFZG. Allerdings kommt ein Entgeltf ortzah-
dass das Suspendierungsinteresse des Arbeit-        lungsanspruch nur dann in Betracht, wenn den
gebers das Interesse des Arbeitnehmers an ei-       Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein
ner vertragsgemäßen Beschäf tigung überwiegt        Verschulden trif f t.
und wird auf die Einhaltung arbeitsschutzrecht -
                                                    Ein Verschulden kommt u.a. in Betracht, wenn
licher Vorschrif ten (§ 4 Nr.1 ArbSchG) und die
                                                    der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise ge-
arbeitsrechtliche Fürsorgepf licht (§ 241 Abs.2
                                                    gen eine Reisewarnung des Auswärtigen Am-
BGB) gestützt.                                      tes verstoßen hat. Der Arbeitnehmer ist ver-
Das Suspendierungsinteresse überwiegt regel-        pf lichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers die f ür
mäßig, wenn der Arbeitgeber Grund f ür die An-      die Entstehung der Krankheit erheblichen Um-
nahme einer arbeitsunf ähigen Erkrankung hat,       stände im Einzelnen darzulegen. Verletzt der
obwohl sich der Arbeitnehmer selbst als ge-         Arbeitnehmer diese Mitwirkungspf lichten, so
sund ansieht. Daneben ist eine einseitige Frei-     geht dies zu seinen Lasten.
stellungserklärung durch den Arbeitgeber mög-
                                                    Insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt, aus ei-
lich, wenn von dem Arbeitnehmer eine Gesund-
                                                    nem privaten Auslandsauf enthalt zurückkeh-
heitsgef ahr f ür anderer Arbeitnehmer oder Kun-
                                                    rende Arbeitnehmer darauf hin zu bef ragen, ob
den ausgeht. Hierf ür genügt der konkrete Ver-
                                                    sie sich in einer gef ährdeten Region oder an
dacht der Inf izierung mit einer ansteckenden
                                                    Orten mit einem deutlich erhöhten Anste-
Krankheit wie dem Coronavirus und kann da-
                                                    ckungsrisiko auf gehalten haben. Der Anspruch
rauf gestützt werden, dass sich der Arbeitneh-
                                                    ist dabei regelmäßig auf eine Negativauskunf t
mer in einer gef ährdeten Region oder an Orten
mit einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko
auf gehalten hat.

                                                                                                     2
beschränkt. Der Arbeitnehmer ist nicht ver-        Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein
pf lichtet, Auskunf t über den genauen Auf ent-    solcher Entschädigungsanspruch allerdings
haltsort zu geben.                                 nur dann aus Billigkeitsgründen in Betracht,
                                                   wenn der Arbeitnehmer einen Entgeltausf all er-
b) Leistungen der Unfallversicherung
                                                   leidet. Dies soll nicht der Fall sein, wenn der Ar-
Versicherte, die sich in Deutschland im Rah-       beitgeber aus anderen gesetzlichen oder ver-
men ihrer versicherten Tätigkeit mit dem           traglichen Gründen zur Fortzahlung des Ent-
Coronavirus inf izieren, stehen grundsätzlich      gelts verpf lichtet ist (BGH, NJW 1979, 422,
unter dem Schutz der gesetzlichen Unf allversi-    424).
cherung. Dies dürf te derzeit in erster Linie
                                                   Nach Ansicht des BGH kann ein Beschäf ti-
Krankenhauspersonal und damit Versicherte
                                                   gungsverbot gem. § 31 If SG ein in der Person
der BGW ( Beruf sgenossenschaf t f ür Gesund-      des Arbeitnehmers liegendes, unverschuldetes
heitsdienst und Wohlf ahrtspf lege) betref f en.   Leistungshindernis nach § 616 BGB darstellen
c) Behördliche Maßnahmen                           und dementsprechend einen gesetzlichen An-
                                                   spruch auf Entgeltf ortzahlung begründen
Im Falle des Ausbruchs einer Pandemie kann         (BGH, NJW 1979, 422, 423). Hinderungsgrund
die zuständige Behörde diverse Maßnahmen           sei auch in diesem Fall die von dem Betrof f e-
nach dem Inf ektionsschutzgesetz (If SG) tref -    nen ausgehende Ansteckungsgef ahr.
f en. Hervorzuheben sind dabei die Quarantäne
und das beruf liche Tätigkeitsverbot gemäß §§      Den Arbeitgeber belaste die Lohnf ortzahlungs-
30, 31 If SG.                                      pf licht während des Tätigkeitsverbotes nach
                                                   § 616 BGB nach Ansicht des BGH nicht unbillig.
Gemäß § 56 Abs. 1 If SG erhält derjenige, der      Besteht der Verdacht einer Ansteckung eines
als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger,          Arbeitnehmers, so dürf e der Arbeitgeber ihn
Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Trä-     auch ohne ein behördliches Verbot nicht be-
ger von Krankheitserregern im Sinne von § 31       schäf tigen. Es obliege dem Arbeitgeber, diesen
Satz 2 If SG beruf lichen Tätigkeitsverboten un-   Arbeitnehmer von seiner Leistungspf licht zu
terliegt oder unterworf en ist und dadurch einen   entbinden und ihm unter Fortzahlung seiner
Verdienstausf all erleidet, eine Entschädigung     Vergütung den Zugang zum Betrieb zu verwei-
in Geld. Das gleiche gilt f ür Personen, die als   gern. Schließlich stelle der auszuschließend e
Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige ab-        Arbeitnehmer eine hinreichende Gef ahr f ür Le-
gesondert werden (Quarantäne), bei Ausschei-       ben oder Gesundheit der übrigen Arbeitnehmer
dern jedoch nur, wenn sie andere Maßnahmen         dar, der der Arbeitgeber im Rahmen seiner Für-
nicht bef olgen können. Hinsichtlich der einzel-   sorgepf licht entgegenwirken müsse.
nen Begrif f sbestimmungen wird auf § 2 If SG
                                                   Die Pf licht zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts
verwiesen.
                                                   nach § 616 BGB kann durch Einzel- oder Tarif -
Die Entschädigung erf olgt in Höhe des Kran-       vertrag ausgeschlossen werden. In diesem Fall
kengeldes, das auch die gesetzliche Kranken-       lebt die Entschädigungspf licht der jeweils zu-
kasse zahlen würde: Das sind 70 Prozent des        ständigen Behörde unmittelbar wieder auf . Nur
Bruttogehalts, aber nicht mehr als 90 Prozent      im Ausbildungsverhältnis ist eine solche Abbe-
des Nettogehalts. Zudem ist die Summe auf          dingung durch §§ 19, 25 BBiG untersagt.
109,38 Euro pro Tag gedeckelt (Stand 2020).
                                                   4. Betriebsrisiko
Gemäß § 56 Abs. 5 If SG hat der Arbeitgeber f ür
die Dauer des Arbeitsverhältnisses, jedoch         Sollte der Arbeitgeber im Fall der Erkrankung
längstens f ür sechs Wochen die Entschädigung      einer großen Zahl von Arbeitnehmern den Be-
anstelle der zuständigen Behörde auszuzah-         trieb nicht auf rechterhalten können, trägt er das
len. Der Arbeitgeber hat dann gegen die Be-        Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer arbeitswil-
hörde einen Erstattungsanspruch gem. § 56          lig und f ähig sind. Folgende Maßnahmen kön-
Abs. 5 If SG. Der Antrag ist gem. § 56 Abs. 11     nen helf en, um übermäßige Belastungen abzu-
If SG innerhalb von drei Monaten nach Einstel-     wehren:
lung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende        ▪   Der Arbeitgeber kann in Abstimmung mit
der Absonderung geltend zu machen. Gem.                dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Be-
§ 56 Abs. 12 If SG ist dem Arbeitgeber ein Vor-
                                                       trVG Kurzarbeit anordnen, um den Betrieb
schuss zu gewähren. Im Übrigen wird die Ent-
                                                       durch Senkung der Personalkosten vo-
schädigung von der zuständigen Behörde auf
Antrag der betref f enden Einzelperson gewährt.        rübergehend wirtschaf tlich zu entlasten.
                                                       Sof ern kein Betriebsrat vorhanden ist,

                                                                                                    3
kommt Kurzarbeit in Frage, soweit dies ein-       Schutz von Gesundheit und Leben der übrigen
    zelvertraglich vereinbart ist.                    Mitarbeiter und dient berechtigten Interessen.

▪   Im Falle eines Zulief erstopps auf grund des      Dem steht nicht entgegen, dass es sich um Ge-
    Coronavirus ist die Gewährung von Kurzar-         sundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Abs.1 DSGVO han-
                                                      delt. Die Erf üllung der Fürsorgepf licht des Ar-
    beitergeld zu prüf en. Es kann sich um einen
                                                      beitgebers zum Schutz vor einer weiteren Aus-
    Fall der konjunkturellen Kurzarbeit handeln.
                                                      breitung des Virus überwiegt das Selbstbestim-
    Voraussetzung zur Gewährung von Kurzar-           mungsrecht des erkrankten Arbeitnehmers, Art.
    beitergeld ist insbesondere der erhebliche        9 Abs. 1 DSGVO i. V. m.       § 26 Abs. 3 BDSG.
    Arbeitsausf all mit Entgeltausf all i.S.v. § 96
    Abs.1 Nr.4 SGB III. Zudem muss der Be-            II. Vorbeugende Maßnahmen
    trieb alles Mögliche tun, um die Kurzarbeit       Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzge-
    zu vermeiden. Dies vorausgesetzt, stellt ein      setz (ArbSchG) verpf lichtet, die erf orderlichen
    Zulief erausf all auf grund des Virus aber je-    Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Be-
    denf alls ein unabwendbares Ereignis i.S.v.       rücksichtigung der Umstände zu tref f en, die die
    § 96 Abs.1 Nr.1 SGB III dar.                      Sicherheit und Gesundheit der Beschäf tigten
                                                      bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich
▪   Ebenf alls ist der Arbeitgeber in besonderen      und zumutbar sind. Die Arbeitnehmer sind nach
    Situationen, wie z. B. in Notf ällen, berech-     §§ 15, 16 ArbSchG verpf lichtet, jede erhebliche
    tigt, Überstunden einseitig anzuordnen            Gef ahr f ür die Sicherheit und Gesundheit un-
    (BAG, Urteil vom 27.2.1981 – 2 AZR                verzüglich dem Arbeitgeber zu melden und
    1162/78). Auf grund seiner arbeitsvertragli-      dessen arbeitsschutzrechtlichen Weisunge n
    chen Treuepf licht ist der Arbeitnehmer in        nachzukommen.
    diesen Situationen verpf lichtet, Arbeiten        Dazu kann die Auf stellung eines „Pandemie-
    auch über das arbeitsvertraglich Verein-          plans“ z. B. auf Grundlage einer Rahmenb e-
    barte hinaus zu übernehmen.                       triebsvereinbarung f ür den Pandemief all mit
                                                      dem Betriebsrat gehören. Solche Planungen
    Unter einer „Notlage“ versteht das BAG
                                                      stellen sicher, dass das Unternehmen nicht un-
    eine ungewöhnliche Gef ährdung der Be-
                                                      vorbereitet von einer Pandemie überrascht
    triebsanlagen, der Waren oder der Arbeits-
                                                      wird, sondern geeignete Krisenstrategien zur
    plätze. Darüber hinaus hat das BAG auch
                                                      Verf ügung hat, die im Falle eines Falles kurz-
    die Gef ährdung der termingerechten Ab-
                                                      f ristig aktiviert werden können. Die Pandemie-
    wicklung eines Auf trags mit den o. g. Fol-
                                                      phasen der WHO können dabei zur Orientie-
    gen als besondere Situation anerkannt. Der
                                                      rung herangezogen werden. Folgende Rege-
    Anordnung des Arbeitgebers darf sich der
    Arbeitnehmer dann nicht verschließen,             lungen bieten sich an:
    wenn der Verzug der Abwicklung vom Ar-            ▪   Sachlicher Geltungsbereich: Sämtliche
    beitgeber nicht verschuldet ist und der Ar-           Maßnahmen, die im Zusammenhang mit
    beitnehmer bisher Überstunden geleistet               dem Auf treten einer Pandemie zum Schutz
    hat.                                                  vor Beeinträchtigungen von Leben und Ge-
5. Datenschutzrechtliche Erwägungen                       sundheit der Mitarbeiter erf orderlich sind.

Sobald der Verdacht einer Ansteckung besteht          ▪   Die Ansteckungsgef ahr durch Verhaltens -
oder ein Arbeitnehmer an dem Virus erkrankt               regeln reduzieren: Tragen von Schutzmas-
ist, muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepf licht         ken, Tragen von Schutzkleidung, regelmä-
gegenüber den übrigen Mitarbeitern nachkom-               ßiges Desinf izieren der Hände, Wechseln
men. Dadurch können die übrigen Arbeitneh-                der Kleidung beim Betreten des Betriebes,
mer Kenntnis von dem Verdacht der Anste-                  etc.
ckung bzw. der Viruserkrankung ihres Kollegen
erlangen.                                             ▪ Es sollte vereinbart werden, dass der Arbeit-
                                                        geber seinen Arbeitnehmern im Falle einer
In diesem Fall liegt eine Verarbeitung perso-
                                                        Pandemie auch solche Arbeiten zuweis en
nenbezogener Daten vor. Die Of f enlegung der
                                                        darf , die vertraglich nicht geschuldet sind.
Viruserkrankung im Betrieb stellt eine rechtmä-
ßige Verarbeitung personenbezogener Daten               Insof ern kann sein Weisungsrecht in örtli-
i.S.v. Art. 6 Abs.1 lit. b), d) und f ) DSGVO dar.      cher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht kon-
Sie erf olgt zur Erf üllung der arbeitsvertragli-       kretisiert werden (Versetzungen, Überstun-
chen Fürsorgepf licht des Arbeitgebers und zum          den, Vertretungsregeln).

                                                                                                     4
▪   Anordnung von Heim- bzw. Tele- oder              rückbehaltungsrecht zu. Es obliegt dem Arbeit-
    Kurzarbeit.                                      geber, einzelne Arbeitnehmer in Ausnahmef äl-
                                                     len (bei einer unmittelbaren Gef ahr f ür Leben
▪   Es kann f estgelegt werden, in welchem           oder Gesundheit) von ihrer Pf licht zur Erbrin-
    Umf ang Arbeitnehmer berechtigt sind,            gung der Arbeitsleistung zu entbinden.
    Überstunden abzubauen, unbezahlten Ur-
                                                     Etwas anderes kann im Falle einer Reisewar-
    laub zu beantragen etc.
                                                     nung des Auswärtigen Amts gelten. Erstreckt
▪   Geltungsdauer: Die Betriebsvereinbarung          sich die Warnung auf eine Region oder ein
    sollte ab dem Zeitpunkt des behördlich f est-    Land, in dem der Arbeitnehmer seine arbeits-
    gestellten Pandemief alls in Kraf t treten und   vertraglich geschuldete Leistung erbringt,
    solange f ortbestehen, bis die Pandemie-         kann dessen Pf licht zur Arbeitsleistung im Ein-
                                                     zelf all nach § 273 Abs.1 BGB entf allen. Dabei
    warnung auf gehoben wird.
                                                     kommt es darauf an, ob die arbeitsvertragliche
Darüber hinaus bieten sich Inf ormations- und        Tätigkeit vom Schutzzweck der Reisewarnung
Auf klärungsbroschüren zur allgemeinen Inf or-       erf asst wird. Dies kann z. B. an Orten mit er-
mation der Mitarbeiter an. Arbeitgeber sollten       höhtem Reise- und Publikumsverkehr wie
stets auf ausreichende Hygienemaßnahmen              Flughäf en und Bahnhöf en angenommen wer-
bei den betrieblichen Abläuf en achten. Um das       den. Nur dort ist der Arbeitnehmer den glei-
Risiko von Pandemien möglichst gering zu hal-        chen Gesundheitsgef ahren wie im Falle einer
ten, empf iehlt sich eine enge Zusammenarbeit        Entsendung ausgesetzt und die Leistungser-
mit den zuständigen Gesundheitsbehörden.             bringung unzumutbar.
III. Arbeitnehmerentsendung                          Ob f ür Arbeitnehmer, die sich bereits im Aus-
                                                     land auf halten, ein Anspruch auf vom Arbeit-
Grundsätzlich bleibt die Arbeitsleistung auch in     geber f inanzierte Rückkehr besteht, hängt
Territorien möglich, die in nennenswert em           ebenf alls vom Einzelf all ab. Dabei kommt es z.
Umf ang von Ansteckungskrankheiten betrof -
                                                     B. auf die geplante Auf enthaltsdauer des Ar-
f en sind. Es sind allerdings einige Besonder-       beitnehmers und die Perspektive im Hinblick
heiten zu beachten.                                  auf die Ausbreitung der Krankheit in den ent-
1. Zurückbehaltungsrecht                             sprechenden Regionen an.
Arbeitnehmern steht im Fall der Entsendung in        Ein bloßer Sicherheitshinweis des Auswärti-
ausländische Gebiete, in denen das Virus auf -       gen Amtes genügt nicht zur Annahme eines
tritt, grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht      Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers
zu. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nach §         nach § 273 Abs.1 BGB. Sicherheitshinweis e
273 Abs.1 BGB nur ausnahmsweise, soweit              machen auf länderspezif ische Risiken f ür Rei-
die Leistung dem Arbeitnehmer unzumutb ar            sende und Deutsche im Ausland auf merksam
ist. Dazu muss die Erbringung der Arbeitsleis-       und enthalten lediglich die Empf ehlung von
tung unter Umständen erf olgen, die f ür den Ar-     Reisen in diese Regionen Abstand zu nehmen.
beitnehmer mit erheblichen Gef ahren f ür Le-        Dies ist zur Begründung eines Zurückbehal-
ben oder Gesundheit einhergehen. Solange             tungsrechts oder eines Anspruchs auf Rück-
keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes             holung nicht ausreichend.
vorliegt, ist dies regelmäßig nicht der Fall.        2. Entgeltfortzahlungsanspruch
Soweit f ür einzelne Länder oder Regionen eine       Der Arbeitnehmer behält seinen vertraglichen
Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vor-              Vergütungsanspruch nur, wenn er die Reis e
liegt, können Arbeitnehmer ausnahmsweis e            berechtigterweise nicht antritt. Der Arbeitgeber
berechtigt sein, einer Entsendung in diese Ge-       kann diesem Arbeitnehmer dann auf grund sei-
biete zu widersprechen. Das Auswärtige Amt           nes Direktionsrechts eine andere Arbeit zuwei-
spricht Reisewarnungen aus, wenn generell
                                                     sen.
vor Reisen in diese Regionen gewarnt werden
muss. Insof ern werden auch die dort lebenden        Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Ausland
Deutschen auf gef ordert, das Land zu verlas-        auf und ist inf olge der Krankheit arbeitsunf ä-
sen.                                                 hig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung der
                                                     Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG, sof ern des-
Hält sich der Arbeitnehmer bereits im Ausland
                                                     sen Voraussetzungen erf üllt sind.
auf , so sind die Ausf ührungen zu den Arbeits-
verhältnissen in Deutschland übertragbar:
Dem Arbeitnehmer steht kein generelles Zu-

                                                                                                   5
sind oder waren, z. B. weil sie ihre Tätigkeit in
                                                            einem Katastrophen- oder auch Inf ektionsge-
   3. Leistungen der Unfallversicherung
                                                            biet ausüben und sich insof ern der damit ein-
   Versicherungsschutz besteht, wenn Versi-                 hergehenden Gef ährdung nicht entziehen kön-
   cherte von ihrem Arbeitgeber ins Ausland ent-            nen. Die Voraussetzungen sind jeweils im Ein-
   sendet werden bzw. entsandt worden sind und              zelf all zu prüf en.
   dort auf grund ihrer grundsätzlich versicherten
   Tätigkeit einer besonderen Gef ahr ausgesetzt

Ansprechpartner:

BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
verbände

Arbeits- und Tarifrecht
arbeitsrecht@arbeitgeber.de
T +49 30 2033-1200

Arbeitsmarkt
arbeitsmarkt@arbeitgeber.de
T +49 30 2033-1400

 Die BDA organisiert als Spitzenverband die sozial- und wirtschaf tspolitischen Interessen der
 gesamten deutschen Wirtschaf t. Wir bündeln die Interessen von einer Million Betrieben mit
 rund 20 Millionen Beschäf tigten. Diese Betriebe sind der BDA durch f reiwillige Mitgliedschaft
 in Arbeitgeberverbänden verbunden.

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