Behandlung einer akuten lymphoblastischen Leukämie nach der Therapiestudie AIEOP-BFM ALL 2009

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AIEOP-BFM ALL 2009                   Patienteninformation                                     1
Version 1.3, 07.01.2013             (Eltern/Sorgeberechtigte)

   Behandlung einer akuten lymphoblastischen Leukämie nach der
               Therapiestudie AIEOP-BFM ALL 2009
AIEOP-BFM ALL 2009: Internationales kooperatives Behandlungsprotokoll für
   Kinder und Jugendliche mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL)
    Patienteninformation für Eltern und Sorgeberechtigte zur Vorbereitung der mündlichen
                        Aufklärung durch den behandelnden Prüfarzt
                                  EudraCT-Nr. 2007-004270-43

Prüfstelle:__________________________________________________________________
Prüfärzte:__________________________________________________________________
Prüfärzte telefonisch erreichbar unter:____________________________________________

Liebe Eltern,
bei Ihrem Kind wurde eine Leukämie (Blutkrebs) festgestellt. Die Behandlung Ihres Kindes
soll nach einem Therapieprotokoll durchgeführt werden. Dieses ist im Rahmen der AIEOP-
BFM ALL 2009-Studie entwickelt worden und berücksichtigt den aktuellen wissenschaft-
lichen Kenntnisstand. Im Folgenden geben wir Ihnen nähere Informationen zur Erkrankung
und zu dieser Therapiestudie. Um dies besser verständlich zu machen, folgt zunächst ein
allgemeiner Überblick über die Gesamtbehandlung (kursiv). Anschließend wird detaillierter
auf die einzelnen Aspekte eingegangen. Im Anschluss möchten wir Sie um Ihre Einwilligung
zur Teilnahme Ihres Kindes an dieser Studie bitten.
Akute lymphoblastische Leukämie (ALL)
Die akute lymphoblastische Leukämie oder kurz ALL ist die häufigste Art der Leukämie
(Blutkrebs) im Kindes- und Jugendalter und macht etwa ein Drittel aller Krebserkrankungen
in dieser Altersgruppe aus. Jährlich erkranken in Deutschland ca. 500 Kinder und
Jugendliche. Ohne Behandlung nimmt die ALL in der Regel einen raschen Verlauf. Die
Leukämiezellen breiten sich schnell im ganzen Körper aus und durch Störung der
Organfunktionen kommt es zu schweren Erkrankungen, die innerhalb von kürzerer Zeit zum
Tod führen. Vor 40 Jahren lag die Heilungsrate nur bei 20-30%. Durch den Einsatz von
Studien zur Therapieoptimierung konnte in den letzten Jahrzehnten die Prognose von ALL
im Kindesalter erheblich verbessert werden. Heutzutage können durch die Kombination
mehrerer Chemotherapie-Medikamente ungefähr 90% der Kinder dauerhaft geheilt werden.
Therapie
Das Ziel der Behandlung besteht darin, die Leukämiezellen im Körper möglichst vollständig
zu vernichten, so dass das Knochenmark seine Funktion als blutbildendes Organ wieder
aufnehmen kann.
Dafür erfordert die ALL eine sofortige und intensive Chemotherapie, worunter man eine
Behandlung mit zellwachstumshemmenden Medikamenten versteht (Zytostatika, „Zyto“ =
Zelle, „statik“ = aufhalten). Da ein einzelnes Medikament in der Regel nicht ausreicht, um alle
Leukämiezellen zu vernichten, werden Kombinationen verschiedenartig wirkender
Zytostatika eingesetzt (Polychemotherapie).
Die Behandlung erfolgt in mehreren Phasen. Dies hat den Vorteil, dass Leukämiezellen, die
während einer Phase nicht zerstört wurden, in einer der nachfolgenden Behandlungsphasen
vernichtet werden können. Dazwischen liegen Behandlungspausen, die dem Körper die
Möglichkeit zur Erholung geben.
Um die Nebenwirkungen der Behandlung so gering wie möglich zu halten, wollen wir die
Therapie einerseits möglichst niedrig dosieren. Andererseits soll jedes Kind so viel Therapie
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bekommen, dass die Leukämie überwunden werden kann. Um diese beiden
unterschiedlichen Ziele zu verbinden, erfolgt die Behandlung gestaffelt nach der jeweiligen
Gefährlichkeit der ALL. Als sehr sinnvoll hat sich in den vorangegangenen Studien die
Gruppeneinteilung anhand von unterschiedlichen Faktoren herausgestellt. Diese klinischen
und biologischen Faktoren sind zum Teil bei der Diagnose bekannt, andere ergeben sich in
den ersten Wochen der Therapie (z.B. ein wichtiges Kriterium: das erste Ansprechen auf die
Therapie). Da diese Faktoren das Risiko eines möglichen Rückfalls der Krebserkrankung
beschreiben, werden sie Risikofaktoren genannt. Somit wird Ihr Kind in einer von drei
Risikogruppen mit einem angepassten Therapieplan behandelt werden. Das
Behandlungsprotokoll und die individuellen Risikofaktoren wird der behandelnde Arzt Ihres
Kindes genau mit Ihnen besprechen.

   langsames Therapieansprechen        hohes Rückfallrisiko       Risikogruppe HR (Hochrisiko)

   rasches Therapieansprechen          mittleres Rückfallrisiko   Risikogruppe MR (Mittelrisiko)

   sehr rasches Therapieansprechen     niedriges Rückfallrisiko   Risikogruppe SR (Standardrisiko)

Abbildung 1 Vereinfachtes Schema der Patienteneingruppierung
Zusätzlich zur Chemotherapie kann bei einigen Kindern eine Bestrahlung des Gehirns
(Schädelbestrahlung) oder eine Knochenmarktransplantation notwendig werden. Ob dies für
Ihr Kind zutrifft, besprechen Sie bitte mit dem behandelnden Arzt.
Die gesamte Behandlungsdauer beträgt in der Regel zwei Jahre. Sie setzt sich aus einer
intensiven Therapiephase mit vielen Klinikaufenthalten (ca. ½ Jahr) und einer eher
gemäßigten, meist ambulanten Erhaltungstherapie (ca. 1½ Jahre) zusammen.
Studie
In den Anfängen der Leukämiebehandlung gab es keine einheitlichen Therapiekonzepte zur
Behandlung von Kindern mit ALL. Krebserkrankungen sind bei Kindern eher selten und jede
Klinik für sich behandelt deshalb nur wenige Patienten pro Jahr. Dies macht es schwer, die
Erfolge oder Misserfolge der Behandlungen einzelner Patienten zu verallgemeinern. Die
Behandlung nach einheitlichen Therapiestandards in sogenannten Therapieoptimierungs-
studien ermöglicht es, verschiedene Therapiestrategien miteinander zu vergleichen und
daraus für die Zukunft zu lernen. Dies führte in den letzten 30 Jahren zu einer bedeutsamen
Verbesserung der Heilungsrate bei Kindern und Jugendlichen mit ALL. Während zu Beginn
der Therapieoptimierungsstudien ungefähr 30% der Patienten geheilt wurden, werden
heutzutage über 90% der Kinder mit ALL wieder gesund.
Ihr Kind soll nach dem Therapieprotokoll der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 behandelt
werden. Diese Studie ist in Deutschland die 9. Folgestudie zur Behandlung von ALL im
Kindesalter. Sieben Studiengruppen aus Deutschland und sechs weiteren Ländern haben
sich für die Durchführung dieser Studie zusammengeschlossen. Das bedeutet, dass jährlich
über 900 Kinder und Jugendliche mit ALL nach dem gleichen Therapiekonzept behandelt
werden. In Deutschland nehmen ca. 50 Kinderkliniken an der Studie teil. Das Konzept der
Studie AIEOP-BFM ALL 2009 wurde aus den eigenen Ergebnissen der Vorläuferstudien
sowie den international neuesten Erkenntnissen erarbeitet. Dies führt zu einem sehr hohen
Behandlungsstandard für leukämiekranke Kinder und Jugendliche.
Darüber hinaus beinhaltet diese Studie auch einen Forschungsteil zur Beantwortung neuer
wissenschaftlicher Fragen. Das Ziel hierbei ist die Weiterentwicklung und Verbesserung der
bestehenden Behandlungskonzepte. Hierfür werden leicht abgewandelte neue
Therapiekonzepte im Vergleich zu den bestehenden Therapiestandards auf ihre Wirksamkeit
überprüft. Verschiedene Daten der Patienten zu Krankheit und Therapie werden in der
Studienzentrale in Kiel dokumentiert und nach Abschluss der Studie ausgewertet. Hierbei
stehen insbesondere die Verbesserung der Heilungsrate und die Verringerung der

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Therapienebenwirkungen im Mittelpunkt. Die neuen Erkenntnisse fließen dann in das
Therapieprotokoll der nächste Studie mit ein.
Zudem finden in der Therapieoptimierungsstudie AIEOP-BFM ALL 2009 wissenschaftliche
Begleitforschungsprojekte im Labor statt. Diese sollen helfen, die biologischen Abläufe der
Leukämie z.B. bei der Krankheitsentstehung besser zu verstehen.
Wir hoffen, wir haben Ihnen einen übersichtlichen Einblick in den Behandlungsablauf einer
Leukämie gegeben, damit die anschließenden detaillierten Ausführungen besser
verständlich sind.

Krebserkrankung: Akute lymphoblastische Leukämie (ALL)
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die häufigste Art der Leukämie im
Kindesalter. Dieser Blutkrebs entsteht im Knochenmark, dem Ort der Blutbildung. Hier
kommt es zu einer übermäßigen Vermehrung bestimmter weißer Blutkörperchen, den
Leukämiezellen bzw. Blasten. Im Gegensatz zu gesunden weißen Blutkörperchen
(Leukozyten) teilen sich die Leukämiezellen schneller, häufiger und unkontrolliert. Sie
bleiben in einem frühen, unreifen Stadium ihrer Entwicklung stehen und können daher auch
nicht die Funktionen eines reifen, gesunden Leukozyten übernehmen. Durch die
unkontrollierte Vermehrung der Leukämiezellen im Knochenmark wird auch die normale
Blutbildung (rote Blutkörperchen, Blutplättchen) verdrängt. Dies bedeutet, dass die
verschiedenen lebenswichtigen Funktionen wie Immunabwehr, Versorgung des Körpers mit
Sauerstoff und Blutstillung gestört sind. Damit lassen sich auch die ersten Krankheitszeichen
(Symptome) erklären. Innerhalb weniger Wochen können sich Müdigkeit, Lustlosigkeit und
ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Hautblässe zeigen. Häufige Infekte mit Fieber oder
eine erhöhte Blutungsneigung können ebenfalls auffallen. Bei Fortschreiten der Erkrankung
können die Leukämiezellen aber auch andere Organe wie z.B. Leber, Milz und Lymphknoten
befallen. Dies kann sich in Bauchschmerzen, geschwollenen Lymphknoten oder
Knochenschmerzen äußern.
Neben einer körperlichen Untersuchung sind vor allem die Untersuchungen von Blut und
Knochenmark wichtig für die Diagnosestellung. Beides wird auch während der Behandlung
häufiger kontrolliert werden, um den Erfolg der Therapie zu überprüfen. Weitere Organ-
untersuchungen sind ebenfalls anfangs wichtig um die Ausdehnung der Leukämie auf diese
Organe zu bewerten. Dazu gehören z.B. Ultraschall der Bauchorgane (Milz, Leber),
Röntgenuntersuchungen und andere spezielle bildgebende Verfahren (Gehirn) und eine
Punktion der Rückenmarkflüssigkeit (Lumbalpunktion).
Die ALL ist keine einheitliche Erkrankung. Sie umfasst verschiedene Unterformen, die sich
bezüglich Krankheitsverlauf, Heilungsaussichten (Prognose) und Therapiemöglichkeiten zum
Teil deutlich voneinander unterscheiden. Dies erfordert unterschiedliche Behandlungs-
strategien.
Risikofaktoren und Risikogruppen
Durch die wissenschaftliche Forschung vorheriger Studien konnten verschiedene klinische
und biologische Faktoren gefunden werden, die einen entscheidenden Einfluss auf die
Prognose der Patienten haben. Anhand dieser Risikofaktoren ist die Einteilung der Patienten
in drei Gruppen mit unterschiedlicher Rückfallwahrscheinlichkeit (Rückfallrisiko) möglich. Die
Intensität der Therapie wird an dieses Rückfallrisiko angepasst. Dies ist insofern wichtig, als
mit einer intensiveren Chemotherapie (nötig für Patienten mit höherem Rückfallrisiko) auch
mehr Nebenwirkungen verbunden sind, die teilweise auch schwerwiegend verlaufen können.
Als biologische Risikofaktoren werden spezifische Veränderungen in den Leukämiezellen
(Zellzytologie, Zellimmunologie, genetische Merkmale) bezeichnet. Diese ermöglichen die
Einteilung in ALL-Unterformen. Ein wichtiger klinischer Faktor für die Einteilung in
unterschiedliche Risikogruppen (Risikostratifizierung) ist das Ansprechen der Leukämie auf
die Therapie. Hierfür wird mit verschiedenen Methoden in Blut und Knochenmark untersucht,

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ob und wie schnell die Leukämiezellen durch die verabreichte Chemotherapie verschwinden.
Die einfachste Methode ist die Betrachtung des Blutes oder Knochenmarks unter dem
Mikroskop. Dabei können die Leukämiezellen durch ihr besonderes Aussehen erkannt
werden. Mit anderen, molekularbiologischen und zellbiologischen Methoden, die eine
deutlich höhere Empfindlichkeit haben, ist es möglich, sogar eine verbliebene Leukämiezelle
unter 10 000 normalen Zellen zu identifizieren (minimale Resterkrankung, minimal residual
disease, MRD). Mit dem Mikroskop wäre diese Zelle nicht mehr nachweisbar gewesen. Je
länger Leukämiezellen unter Therapie noch nachweisbar sind, desto höher ist das
Rückfallrisiko und desto intensiver ist die benötigte Chemotherapie, die benötigt wird, um die
Leukämie vollständig zum Verschwinden zu bringen.
Die Ergebnisse bezüglich der Risikofaktoren für Ihr Kind und die davon abhängige
Gruppeneinteilung besprechen Sie bitte mit dem behandelnden Arzt.
Therapieoptimierungsstudien
Die Behandlung Ihres Kindes soll in der Therapiestudie AIEOP-BFM ALL 2009 erfolgen. Seit
einigen Jahrzehnten werden weltweit Kinder und Jugendliche mit bösartigen (malignen)
Erkrankungen in sogenannten Therapieoptimierungsstudien behandelt. Solche Studien
sollen in der pädiatrischen Onkologie (d. h. Heilkunde für Krebserkrankungen im Kindesalter)
flächendeckend eine qualitätsgesicherte Behandlung gewährleisten. Die Behandlung dieser
im Kindes- und Jugendalter sehr seltenen Erkrankungen erfolgt somit nach einheitlichen
Therapiestandards, die als Grundlage die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse haben.
Die erkrankten Kinder werden in kinderonkologischen Zentren behandelt, die eine
fachkompetente (ärztliche, pflegerische und psychosoziale) Versorgung und Betreuung
gewährleisten. Die Studienzentrale der Therapieoptimierungsstudie in Kiel entwickelt in
Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten Studiengruppen das Behandlungsprotokoll und
berät die Studienkliniken bei auftretenden medizinischen Fragen und Problemen der
Patienten. Außerdem werden dort die relevanten Untersuchungsbefunde in enger
Zusammenarbeit mit den Laboren begutachtet und bewertet.
Darüber hinaus beinhaltet eine Therapieoptimierungsstudie auch einen Forschungsteil, der
der Beantwortung wissenschaftlicher Fragen dient. Das Ziel hierbei ist stets die
Weiterentwicklung und Verbesserung der bestehenden Behandlungskonzepte. Dabei stehen
die Heilungsrate und Vermeidung von Therapiekomplikationen im Mittelpunkt. In den meisten
Studien, so auch in der Studie AIEOP-BFM ALL 2009, erfolgt dies durch die Untersuchung
der Wirksamkeit bestehender Therapiestandards im Vergleich zu nur leicht abgewandelten
neuen Therapiekonzepten. Hierfür werden in der Studienzentrale verschiedene Daten der
Patienten zu Krankheit und Therapie erhoben und nach Abschluss der Studie ausgewertet.
Des Weiteren bieten die Therapieoptimierungsstudien die Grundlage für wissenschaftliche
Begleitforschungsprojekte im Labor.
In den letzten Jahrzehnten konnte durch den Einsatz von Therapieoptimierungsstudien die
Prognose von Krebserkrankungen im Kindesalter erheblich verbessert werden. Dennoch
kommt es auch heute noch bei ungefähr 20% der Kinder und Jugendlichen mit ALL trotz
immer besserer Behandlung zu einem Rückfall der Krankheit. Somit besteht die
Notwendigkeit weiterer Studien zur Verbesserung der Heilungsraten.
Ziel der Studie AIEOP-BFM ALL 2009
Für die Durchführung der Therapieoptimierungsstudie AIEOP-BFM ALL 2009 haben sich auf
dem Gebiet der ALL spezialisierte Kinderärzte aus Deutschland, Österreich, der Schweiz,
Italien, Tschechien, Israel und Australien zusammengeschlossen. Sie haben ein
gemeinsames Therapiekonzept entwickelt, das auf den Ergebnissen und Erfahrungen aus
den vorangegangenen Therapiestudien beruht.
Das Ziel der klinischen Studie ist die Optimierung der Chemotherapie, die sich zum einen in
der Verbesserung der Heilungschancen und zum anderen in der Reduktion der
Therapienebenwirkungen äußert. Die Einteilung der Patienten in Gruppen in Abhängigkeit
definierter Risikofaktoren ermöglicht es, diese Ziele zu kombinieren. Für bestimmte Patienten
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mit voraussichtlich guter Prognose soll die Chemotherapie weiter reduziert werden, um so
auch das Risiko schwerer therapiebedingter Nebenwirkungen zu senken. Ist nach Erfahrung
der letzten Studien aufgrund von Risikofaktoren eine schlechtere Heilungsrate bzw. ein
höheres Rückfallrisiko zu erwarten, soll dies durch die Intensivierung der Therapie
verbessert werden.
Das Ziel der wissenschaftlichen Begleitforschung ist ein besseres Verständnis für die
Biologie der Erkrankung und die Mechanismen der Krankheitsentstehung, um neue
Medikamente, Therapieansätze oder diagnostische Methoden zu entwickeln.
Therapie
Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand kann eine ALL nur durch die
Behandlung mit einer intensiven Chemotherapie geheilt werden. Die gesamte
Behandlungsdauer beträgt in der Regel zwei Jahre. Sie setzt sich aus einer intensiven
Therapiephase mit vielen Klinikaufenthalten (ca. ½ Jahr) und einer eher gemäßigten, meist
ambulanten Erhaltungstherapie (ca. 1½ Jahre) zusammen. Die Abbildung 2 zeigt ein Beispiel
eines Behandlungsschemas.

            Therapieelemente
       (Protokolle, Therapieblöcke)

     Prot. I      Prot. M      Prot. II
     8 Medika-    2 Medika-    8 Medika-                               2-3 Medikamente
       mente        mente        mente

            Intensivtherapie                                       Erhaltungstherapie
               ca. 1/2 Jahr                                          ca. 1 1/2 Jahre

Abbildung 2 Übersichtsplan der Chemotherapie mit intensiver Phase und Erhaltungstherapie am
Beispiel der Therapie für die Standardrisikogruppe

Behandlung mit einer Polychemotherapie
Es hat sich gezeigt, dass die Gabe eines einzelnen Anti-Leukämie-Medikaments nicht
ausreicht, um einen Patienten von einer ALL zu heilen. Daher beinhalten die heutzutage
eingesetzten Therapiepläne eine Kombination verschiedener Zytostatika (Chemotherapie),
die gleichzeitig oder in Folge verabreicht werden (Polychemotherapie). Die insgesamt zwei
Jahre dauernde Behandlung setzt sich aus mehreren Therapieelementen zusammen, die
auch als Therapieblöcke oder Protokolle bezeichnet werden. In jedem dieser
Therapieelemente werden verschiedene Zytostatika in unterschiedlicher Kombination
verabreicht. In der intensiven Therapiephase, die ungefähr sechs bis sieben Monate dauert,
werden sicherlich viele Klinikbesuche bzw. Klinikaufenthalte notwendig sein. In der
anschließenden Phase, der sogenannten Erhaltungstherapie, ist die Chemotherapie weniger
intensiv und kann im Regelfall weitgehend ambulant erfolgen. Ein zeitlicher Ablaufplan der
Therapieelemente, aus dem auch die verschiedenen verabreichten Medikamente
hervorgehen, wird Ihnen vom behandelnden Arzt Ihres Kindes ausgehändigt werden.
Therapie in den unterschiedlichen Risikogruppen
In Abhängigkeit von der Risikogruppe erhalten die Patienten eine etwas unterschiedliche
Therapie. Alle Patienten erhalten zu Beginn das intensive Therapieelement „Protokoll I“, das
etwa 9 Wochen dauert. Für Patienten mit niedrigerem Rückfallrisiko (Risikogruppen
Standardrisiko, SR oder mittleres Risiko, MR) schließen sich dann das sogenannte
„Protokoll M“ (8 Wochen) und das „Protokoll II“ (7 Wochen) an (siehe Abbildung 3). Zwischen
diesen Therapieelementen sind jeweils ungefähr 2 Wochen Therapiepause vorgesehen.

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Patienten mit hohem Rückfallrisiko (Hochrisiko, HR) erhalten anstelle von „Protokoll M“ drei
kurze aber sehr intensive Therapieblöcke („HR-Blöcke“), die alle drei Wochen wiederholt
werden. Darauf folgt das Therapieelement „Protokoll III“ (4 Wochen) mit anschließender
Erhaltungstherapie über 4 Wochen. „Protokoll III“ wird insgesamt dreimal verabreicht.
Zwischendurch gibt es immer wieder Therapiepausen zur Erholung für den Körper.
Für einen Teil der Hochrisikopatienten ist eine Knochenmarktransplantation notwendig, die
meist nach dem 3. HR-Block durchgeführt wird. Bei einem sehr kleinen Teil der Patienten
lässt sich mit verschiedenen Labormethoden die Leukämie leider auch noch nach dem
3. HR-Block) nachweisen. Diese Patienten bekommen vor der Knochenmarktransplantation
eine noch weiter intensivierte Chemotherapie (DNX-FLA, s. Abbildung. 3).
Die oben bereits erwähnte Erhaltungstherapie wird allen Patienten, die keine Knochenmark-
transplantation erhalten, nach Abschluss der intensiven Therapiephase bis zwei Jahre nach
Diagnosestellung verabreicht.

 Risikogruppe                                          Erhaltungstherapie
                       Prot. M      Prot.II
  SR oder MR

        Prot. I

                                                                                     Erhaltungstherapie
 Risikogruppe      H     H   H   Prot. III        Prot. III       Prot. III
           HR      R     R   R

                                               Knochenmarktransplantation

                                              DNX-FLA + Knochenmarktransplantation

Abbildung 3 Unterschiedlicher Behandlungsplan für Patienten der Gruppen Standardrisiko (SR) oder
mittleres Risiko (MR) und der Hochrisikogruppe (HR).
Knochenmarktransplantation
Einem kleinen Teil der Patienten mit sehr hohem Rückfallrisiko wird die Empfehlung einer
Knochenmarktransplantation (auch Stammzelltransplantation genannt) ausgesprochen. Da
die Knochenmarktransplantation kein Bestandteil der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 ist, gibt
es für die betroffenen Kinder eine eigene Studie (ALL SZT-BFM 2003). Diese Studie
beinhaltet außerdem die Nachbeobachtung nach Ende der Therapie. Sollte die
Knochenmarktransplantation bei Ihrem Kind infrage kommen, werden Sie über den neuen
Therapieplan gesondert aufgeklärt werden und um Ihre Einwilligung gebeten.
Schädelbestrahlung
Für einige Patienten, die ein höheres Risiko haben, einen Rückfall im Gehirn (zentrales
Nervensystem) zu erleiden, ist außerdem eine Bestrahlung des Schädels am Ende der
Intensivtherapie geplant. Falls Ihr Kind eine Schädelbestrahlung erhalten sollte, werden Sie
über das genaue Vorgehen und die mit der Bestrahlung verbundenen Risiken gesondert
aufgeklärt.
Randomisierter Vergleich von Therapiearmen
Ein Grundprinzip der Therapieoptimierungsstudien besteht darin, neue Therapieelemente
kontrolliert gegen die übliche Therapie zu prüfen. Für diese neuen Therapieelemente besteht
die gut begründete Annahme (wissenschaftliche Erkenntnisse), dass sie einen Vorteil
gegenüber der bisher verabreichten Therapie haben. Um dies mit einem möglichst hohen
Maß an Kontrolle und Sicherheit beweisen zu können, ist ein kontrollierter Vergleich des
„alten“ Therapiearmes (Kontrollarm) mit dem „neuen“ Therapiearm (Prüfarm) notwendig.
Dafür werden die Patienten per Zufallsentscheidung einem der beiden Arme zugeteilt
(Kontrollarm oder Prüfarm). Dieses Vorgehen, das mit dem Werfen einer Münze vergleichbar
ist, wird durch ein Computerprogramm vorgenommen und wird Randomisierung genannt.
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In der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 sind drei Randomisierungen vorgesehen:
1. Randomisierung R1: Diese Randomisierung wird in einer Subgruppe von Patienten
   durchgeführt, bei der aufgrund bestimmter biologischer Eigenschaften der Leukämie oder
   aufgrund eines sehr raschen Therapieansprechens von einer sehr guten Prognose der
   ALL ausgegangen werden kann. Geprüft wird in dem frühen Therapieabschnitt Protokoll I
   die Anwendung von zwei Gaben des Zytostatikums Daunorubicin (Prüfarm) im Vergleich
   zu vier Gaben (Kontrollarm). Die Ziele dieser Randomisierung sind die Verminderung
   schwerer Nebenwirkungen in dieser Therapiephase sowie eine Verringerung eventueller
   Spätfolgen ohne dass es zu einer Zunahme von Rückfällen kommt.
2. Randomisierung R2: Diese Randomisierung betrifft die Risikogruppe MR (mittleres
   Risiko) und wird bei Patienten mit sogenannter B-Vorläufer ALL (Unterform der ALL)
   durchgeführt. In dieser Randomisierung wird im Prüfarm in einer späteren Therapiephase
   das Medikament Asparaginase über 20 Wochen verabreicht und mit dem Kontrollarm mit
   einer kürzeren Asparaginase-Phase von 2 Wochen verglichen. Das Ziel dieser
   Randomisierung ist die Verbesserung des Überlebens der Patienten durch die
   Verminderung von Rückfällen der ALL.
3. Randomisierung RHR: Diese Randomisierung ist für Patienten der Risikogruppe HR
   (Hochrisiko) vorgesehen. Bei diesen Patienten soll in der frühen Phase der Therapie
   (Protokoll I) die Wirksamkeit einer verlängerten Gabe des Medikaments Asparaginase
   (Prüfarm) mit der bisher üblichen kürzeren Therapie (Kontrollarm) verglichen werden. Die
   Ziele dieser Randomisierung sind eine bessere Reduktion der Leukämiezellen in dieser
   frühen Therapiephase sowie die Verbesserung des Überlebens der Patienten durch die
   Verminderung von Rückfällen.
Wie oben dargestellt, sind nicht alle Randomisierungen für alle Patienten vorgesehen.
Grundsätzlich ist die Teilnahme an den Randomisierungen freiwillig und unabhängig von der
Teilnahme an der Studie. Sollte ihr Kind für die Teilnahme an einer oder mehreren der
Randomisierungen infrage kommen, werden Sie hierüber noch genauer aufgeklärt und
gesondert um Ihre Einwilligung gebeten werden.
Anwendung von Medikamenten außerhalb des Zulassungsbereiches
Für alle im Protokoll AIEOP-BFM ALL 2009 eingesetzten Chemotherapie-Medikamente
existiert eine behördliche Zulassung. Für einzelne dieser Medikamente erstreckt sich die
Zulassung aber nicht auf die Behandlung von Kindern oder auf die Behandlung einer akuten
lymphoblastischen Leukämie. Dies betrifft die folgenden Medikamente:
PEG-L-Asparaginase: Das Medikament PEG-L-Asparaginase wurde in den bisherigen ALL-
BFM-Studien nur als Ausweichpräparat bei allergischer Reaktion auf die konventionelle,
sogenannte „native“ E.coli-L-Asparaginase eingesetzt. Für diesen Einsatzbereich ist PEG-L-
Asparaginase im Kindes- und Erwachsenenalter zur Behandlung der ALL zugelassen. Aus
anderen Studien gibt es Hinweise dafür, dass der Einsatz von PEG-L-Asparaginase Vorteile
hinsichtlich der Wirksamkeit und der Bildung von Antikörpern gegen Asparaginase haben
könnte. In der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 wird PEG-L-Asparaginase daher jetzt bei allen
Patienten ab Beginn der Chemotherapie angewendet.
Fludarabin: Dieses Medikament wird in dem Therapieelement DNX-FLA angewendet. Für
weniger als 1% aller Patienten wird dieses Therapieelement zum Einsatz kommen, nämlich
für die Patienten, bei denen die konventionelle Chemotherapie keine ausreichende
Wirksamkeit gezeigt hat. Fludarabin ist nicht für die Behandlung der ALL im Kindesalter
zugelassen. Im Rahmen von individuellen Heilversuchen wurde DNX-FLA bei Kindern mit
schwer zu behandelnder ALL angewendet und zeigte hier bei einem Teil der Patienten eine
gute Wirksamkeit.
Daunoxome (liposomales Daunorubicin): Auch Daunoxome ist Bestandteil des
Therapieelementes DNX-FLA. Der dem Daunoxome zugrunde liegende Wirkstoff
Daunorubicin ist für die Behandlung der ALL im Kindesalter zugelassen. Für Daunoxome
selbst existiert in dieser Indikation bisher keine Zulassung. Im Rahmen von individuellen
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Heilversuchen wurde DNX-FLA bei Kindern mit schwer zu behandelnder ALL angewendet
und zeigte hier bei einem Teil der Patienten eine gute Wirksamkeit.
Eingesetzte Medikamente
Die folgenden Medikamente kommen in den verschiedenen Therapieelementen zur
Anwendung. Welche Therapieelemente Ihr Kind erhalten wird, hängt von der
Behandlungsgruppe ab.
„Protokoll IA“: Prednison, Vincristin, Daunorubicin, PEG-L-Asparaginase, Methotrexat
(intrathekal), ggf. außerdem Dexamethason oder Cyclophosphamid
„Protokoll IB”: Cyclophosphamid, Cytarabin, Mercaptopurin, Methotrexat (intrathekal), ggf.
außerdem PEG-L-Asparaginase
„Protokoll M”: Mercaptopurin, Methotrexat (intravenös und intrathekal)
„Protokoll II”: Dexamethason,      Vincristin,    Doxorubicin,           PEG-L-Asparaginase,
Cyclophosphamid, Cytarabin, Thioguanin, Methotrexat (intrathekal)
„HR-Blöcke” (in unterschiedlicher Kombination): Dexamethason, Vincristin, Cytarabin,
Cyclophosphamid, Ifosfamid, Etoposid, Vindesin, Daunorubicin, PEG-L-Asparaginase,
Methotrexat (intravenous und intrathekal)
„Protokoll III”: Dexamethason,     Vincristin,    Doxorubicin,           PEG-L--Asparaginase
Cyclophosphamid, Cytarabin, Thioguanin, Methotrexat (intrathekal)
„DNX-FLA”:        Fludarabin,   Cytarabin,     Daunoxome        (=liposomales   Daunorubicin),
Methotrexat (intrathekal)
 „Erhaltungstherapie”: Mercaptopurin, Methotrexat (oral und ggf. außerdem intrathekal),
ggf. außerdem PEG-L-Asparaginase,
Ihre behandelnden Ärzte werden Ihnen die Pläne der verschiedenen Therapieelemente
aushändigen aus denen ersichtlich wird, wann welche Medikamente verabreicht werden.
Verabreichung der Medikamente
Die meisten Medikamente der Therapie AIEOP-BFM ALL 2009 müssen direkt in ein
Blutgefäß („intravenös“) verabreicht werden. Um die Gabe der Medikamente zu erleichtern,
wird Ihr Kind voraussichtlich einen sogenannten zentralen Venenverweilkatheter erhalten.
Dieser Katheter wird in einer kurzen Operation in ein großes Blutgefäß (Vene) eingelegt und
kann dort in der Regel für die gesamte Dauer der Intensivtherapie verbleiben. Über den
Katheter können Medikamente und Infusionen sicher verabreicht werden. Zudem können
über ihn die meisten Blutentnahmen durchgeführt werden, so dass eine extra Punktion einer
Vene nicht notwendig ist.
Ein Teil der Medikamente während der Intensivtherapie und vor allem die Medikamente der
Erhaltungstherapie können nur als Tabletten geschluckt werden. Falls es damit anfangs
Probleme gibt, werden Ihnen das Pflegepersonal, Ihre betreuenden Ärzte und Psychologen
helfen, einen Weg zu finden, dass Ihr Kind die Medikamente einnimmt.
Eine weitere Verabreichungsform von Medikamenten stellt die sogenannte „intrathekale“
Gabe dar. Hierfür wird der Rückenmarkkanal im unteren Abschnitt der Wirbelsäule punktiert
(Lumbalpunktion, LP) und die Medikamente werden direkt in die Flüssigkeit des
Rückenmarkkanals (Liquor) gegeben. Die intrathekale Verabreichung der Medikamente ist
notwendig, weil die Zytostatika über den Blutweg nur schlecht das Gehirn (zentrale
Nervensystem) erreichen können. Ansonsten kommt es vermehrt zu Rückfällen im zentralen
Nervensystem. Diese Punktion kann in einer kurzen Narkose vorgenommen werden, so dass
Ihr Kind keine unangenehmen Erinnerungen daran haben wird.
Nebenwirkungen der Chemotherapie
Die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente, die im Rahmen der Therapie nach AIEOP-
BFM ALL 2009 eingesetzt werden, sind gut bekannt. Fachinformationen zu jedem der
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Medikamente sind verfügbar und können Ihnen auf Wunsch gerne ausgehändigt werden. Im
Therapieprotokoll AIEOP-BFM ALL 2009 werden mehrere Medikamente miteinander
kombiniert. Durch diese Kombination können auch die Nebenwirkungen verändert oder
verstärkt werden. Daher kann von den Angaben in den Fachinformationen nur bedingt auf
die Häufigkeiten und Schweregrade der Nebenwirkungen geschlossen werden, die bei der
Therapie nach AIEOP-BFM ALL 2009 erwartet werden. Die folgende Darstellung der
Nebenwirkungen beruht daher im Wesentlichen auf den Erfahrungen, die in der
vorangegangenen Studie ALL-BFM 2000 und in anderen Studien mit ähnlicher
Kombinationschemotherapie gemacht wurden. Die im nächsten Abschnitt verwendeten
Häufigkeiten der Nebenwirkungen sind folgendermaßen definiert:
Sehr häufig: mehr als 1 von 10 behandelten Patienten
Häufig: 1 bis 10 von 100 behandelten Patienten
Gelegentlich: 1 bis 10 von 1 000 behandelten Patienten
Selten: 1 bis 10 von 10 000 behandelten Patienten
Sehr selten: weniger als 1 von 10 000 behandelten Patienten
Vereinfacht dargestellt, besteht die Wirkung der Zytostatika darin, dass sie die Teilung und
damit die Vermehrung von Zellen verhindern. Zellen, die sich schnell vermehren, wie z.B. die
Leukämiezellen, sind daher besonders empfindlich gegenüber zytostatischen
Medikamenten. Dieser erwünschten Wirkung steht gegenüber, dass auch die Zellteilung von
gesunden, insbesondere von sich schnell teilenden Körperzellen beeinträchtigt wird. Zu
diesen Zellen gehören vor allem die gesunden Zellen des Knochenmarks, die für die normale
Blutbildung zuständig sind, sowie Zellen der Haarwurzeln und der Schleimhaut. Dies kann
unter der Chemotherapie zu verschiedenen Nebenwirkungen führen:
Eine verminderte Bildung der normalen Blutzellen ist bei allen Patienten zu erwarten. Durch
den entstehenden Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen
(Thrombozyten) besteht die Gefahr von Blutarmut (Anämie) und Blutungen, so dass bei fast
allen Patienten Transfusionen von Blutprodukten notwendig werden. Transfusionen bergen
ein sehr geringes Risiko der Übertragung von Krankheiten. Dieses liegt für Hepatitis B bei
1:260 000, für Hepatitis C und HIV bei 1:4 000 000. Außerdem kann es zu allergischen
Reaktionen oder Unverträglichkeiten kommen. Eine Verminderung der weißen
Blutkörperchen (Leukozyten) erhöht das Risiko für Infektionen, die bei den Patienten sehr
häufig auftreten.
Ein vorübergehender Haarausfall ist bei nahezu allen Patienten zu erwarten. Sehr häufig
kommt es auch zu vorübergehenden Schäden an den Schleimhäuten.
Viele der eingesetzten Zytostatika verursachen außerdem sehr häufig Übelkeit und
Erbrechen. Dies ist aber in den meisten Fällen durch Medikamente gut zu bekämpfen. Wie
auch viele andere Medikamente, können die im Therapieprotokoll AIEOP-BFM ALL 2009
eingesetzten Medikamente allergische Reaktionen hervorrufen. Bei dem Medikament
Asparaginase ist dies sehr häufig zu erwarten, aber nur sehr selten kommt es zu einem
lebensbedrohlichen Verlauf dieser Reaktionen in Form eines allergischen Schocks. Bei den
anderen eingesetzten Medikamenten sind allergische Reaktionen selten.
Neben diesen allgemeinen Nebenwirkungen, die die meisten der eingesetzten Zytostatika
betreffen, gibt es auch weitere spezifische Nebenwirkungen, die unter der Therapie auftreten
können. Unter den Cortisonpräparaten Dexamethason und Prednison kommt es sehr häufig
zu einer deutlichen Steigerung des Appetits, einer vorübergehenden übermäßigen
Gewichtszunahme und zu Stimmungsschwankungen.
Die versehentliche Infusion oder Injektion von Zytostatika in das Gewebe neben das
punktierte Blutgefäß wird Paravasat genannt. Es kann bei einigen der eingesetzten
Medikamente (insbesondere Daunorubicin, Doxorubicin, Vincristin und Vindesine) zu
schweren Gewebeschädigungen führen. Dieses Risiko kann durch die Anlage eines
zentralen Katheters allerdings weitestgehend minimiert werden, so dass Paravasate nur
noch sehr selten vorkommen.
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Weitere mögliche Nebenwirkungen sind: Entstehung von Blutgerinnseln (Thrombosen,
häufig); Störungen der Organfunktionen [v.a. Herz (selten), Leber (sehr häufig), Nieren
(häufig) und Gehirn (häufig), Bauchspeicheldrüse (gelegentlich)], die im Regelfall reversibel
sind und nur selten zu bleibenden Schäden führen; vorübergehende Schmerzen/Schwäche
in den Gliedmaßen (Neuropathie) (sehr häufig); Schädigungen des Knochen
(Knochennekrosen) (häufig); die Entstehung weiterer bösartiger Erkrankungen (ca. 1%).
Es ist bekannt, dass viele der verabreichten Medikamente unter Umständen die spätere
Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Wie hoch dieses Risiko nach einer
Chemotherapie ist, insbesondere bei der Behandlung von Kindern vor Beginn der Pubertät,
lässt sich jedoch schwer einschätzen, da dazu keine ausreichenden Daten vorliegen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die in der Studie eingesetzten Medikamente zu
Schäden an reifenden Ei- und Samenzellen oder am ungeborenen Kind führen, ist für die
Dauer der Therapie und mindestens ein Jahr danach eine effektive Schwangerschafts-
verhütung sicherzustellen. Zu einer effektiven Schwangerschaftsverhütung wird mindestens
die Benutzung von Kontrazeptiva (z.B. „Pille“) und zusätzlich die uneingeschränkte
Benutzung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr empfohlen. Zudem wird dringend
empfohlen, einen Frauenarzt hinzuzuziehen.
Sollte Ihr Kind (als Vater oder Mutter) dennoch unter Chemotherapie oder im Jahr nach
Therapieende ein Kind erwarten, so sollte dies sofort dem Prüfarzt mitgeteilt werden.
Über die bekannten Nebenwirkungen hinaus besteht die Möglichkeit, dass bisher nicht
bekannte Nebenwirkungen der Therapie auftreten.
Bei einer eventuell notwendig werdenden Knochenmarktransplantation im Anschluss an die
Therapie im Rahmen der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 ist eine spätere Unfruchtbarkeit sehr
wahrscheinlich. Bei Jungen nach der Pubertät gibt es die Möglichkeit der
Spermienasservierung (Aufbewahrung), die allerdings vor Beginn der Chemotherapie
erfolgen muss, da während der Therapiephase und auch direkt vor der
Knochenmarktransplantation keine ausreichend langen Therapiepausen gemacht werden
können. Bei Mädchen nach der Pubertät ist eine Asservierung von Eizellen theoretisch auch
möglich. Dies ist aber deutlich aufwendiger und daher in den meisten Fällen leider praktisch
nicht umsetzbar.
Die meisten der aufgeführten Nebenwirkungen sind nur vorübergehend und können mit den
zur Verfügung stehenden Medikamenten und Maßnahmen gut behandelt werden. Es kann
aber nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu bleibenden Schäden kommt oder zu
schwerwiegenden, bisweilen lebensbedrohlichen Verläufen, die sogar tödlich enden können.
Dieses Risiko bleibt trotz vieler Möglichkeiten zur Vermeidung und Behandlung der
Therapiekomplikationen leider bestehen. Es sollte aber vor dem Hintergrund dessen
gesehen werden, dass die ALL eine Erkrankung darstellt, die nach dem derzeitigen Stand
der Wissenschaft ohne fachgerechte Therapie nicht geheilt werden kann. Auch bei der
Behandlung außerhalb der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 nach anderen fachgerechten
Therapiekonzepten, wären die Art und Häufigkeit der erwarteten Nebenwirkungen
voraussichtlich ähnlich.
Untersuchungen während der Therapie
Zu Beginn der Erkrankung wurden Ihrem Kind Knochenmark und Blut entnommen, in denen
Leukämiezellen nachgewiesen wurden, so dass die Diagnose der ALL gestellt werden
konnte. Um das Ansprechen der Erkrankung auf die Therapie zu überprüfen, müssen auch
während der Therapie regelmäßig Knochenmark und Blut entnommen werden, um zu
untersuchen, ob noch Leukämiezellen nachweisbar sind. Diese Untersuchungen sind nicht
studienspezifisch, sondern wären auch erforderlich, wenn Ihr Kind ohne Teilnahme an der
Studie mit einer Chemotherapie behandelt würde. Des Weiteren wird das Knochenmark mit
molekularbiologischen und zellbiologischen Methoden auf das Vorhandensein von minimaler
Resterkrankung untersucht. Diese Untersuchungen sind für die Einschätzung des
Rückfallrisikos und die Zuordnung zu einer Risikogruppe erforderlich.

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Im Rahmen dieser Knochenmarkpunktionen ist außerdem die Gewinnung von Knochenmark
für verschiedene Begleitforschungsprojekte vorgesehen. Über diese Begleitstudien werden
Sie noch gesondert aufgeklärt werden und um Ihr Einverständnis zur Teilnahme gebeten.
Die Begleitstudien sollen helfen, die Biologie der Erkrankung besser verstehen zu lernen und
weitere Risikofaktoren zu identifizieren. Dadurch sollen Patienten noch besser nach ihrem
individuellen Muster behandelt werden können.
Um Nebenwirkungen der Chemotherapie frühzeitig erkennen und ggf. behandeln zu können,
sind außerdem in regelmäßigen Abständen Kontrollen von verschiedenen Blutwerten und
der Funktion innerer Organe wie z.B. der Herzfunktion notwendig. Auch diese
Untersuchungen sind nicht für die Studie spezifisch, sondern bei der Durchführung jeder
Chemotherapie erforderlich.
Infolge der Bildung von Antikörpern gegen das Medikament PEG-L-Asparaginase bauen
manche Patienten nach Gabe des Medikamentes keine ausreichenden Medikamenten-
spiegel im Blut auf, so dass PEG-L-Asparaginase nicht wirksam werden kann. Daher sind
bei allen Patienten in den Phasen der Behandlung mit PEG-L-Asparaginase regelmäßige
Messungen der Medikamentenspiegel und der Antikörper vorgesehen. Zeigt sich, dass die
Spiegel zu niedrig sind, wird Ihr Kind ein anderes Asparaginase-Präparat (Erwinia-
Asparaginase) erhalten.
Sponsor, Ethikkommission, Versicherungsschutz, behördliche Auflagen
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H) in Kiel übernimmt für diese Studie die
Sponsorschaft. Die Studie wird mit Fördermitteln der Deutschen Krebshilfe e.V. unterstützt.
Das Protokoll der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 wurde der zuständigen Ethikkommission
vorgelegt und ist in der vorliegenden Fassung zustimmend bewertet worden. Die Studie
wurde durch die zuständige Behörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte,
BfArM) genehmigt. Hier wurde für betroffene Personen eine Kontaktstelle eingerichtet, an die
Sie sich im Bedarfsfall wenden können (BfArM, Fachgebiet Klinische Prüfung/Inspektionen,
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee    3,   53175     Bonn,   Telefon:   0228-2074318,        E-Mail:
klinpruefung@bfarm.de).
Für die Teilnehmer der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 besteht zum Ausgleich eines
Vermögensschadens infolge einer studienbedingten Gesundheitsschädigung der für
klinische Prüfungen vorgeschriebene Versicherungsschutz bei der HDI-Gerling Industrie
Versicherung AG (Am Schönenkamp 45, 40599 Düsseldorf, Tel. 0211-7482-292,
Fax 0211-7482-462, Versicherungsscheinnummer 48 15757572). Die Höchstleistung pro
versicherter Person beträgt 500 000,- Euro. Diese Versicherung deckt alle Schäden, die
Ihrem Kind durch studienspezifische Maßnahmen im Rahmen der Studie AIEOP-
BFM ALL 2009 entstehen. Für diese Studie besteht keine Wegeunfallversicherung (also eine
Versicherung,      die   Schäden     auf   dem     Weg     zur    Klinik  abdeckt).   Die
Versicherungsobliegenheiten werden Ihnen ausgehändigt. Um den Versicherungsschutz
nicht zu gefährden, beachten Sie bitte insbesondere folgende Punkte: Während der Dauer
der Studie sollte eine andere medizinische Behandlung mit Ausnahme von Notfallsituationen
nur nach Rücksprache mit dem verantwortlichen Arzt erfolgen. Eine Notfallbehandlung muss
nachträglich an den Prüfarzt gemeldet werden. Bei Verdacht auf einen studienbedingten
Gesundheitsschaden ist der verantwortliche Prüfarzt sofort zu benachrichtigen. Eine
Gesundheitsschädigung, die als Folge der klinischen Prüfung eingetreten sein könnte,
müssen Sie dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzeigen. Im Schadensfall werden auch
Ihre personenbezogenen versicherungsrelevanten Daten an den Versicherer gemeldet.
Für die Zeit der Teilnahme an der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 darf der Patient an keiner
sonstigen klinischen Studie teilnehmen. Dies gilt nicht für durch die Studienleitung
genehmigte Begleitstudien.
Freiwilligkeit der Teilnahme an der Studie und Behandlungsalternativen
Die Teilnahme an der Studie ist selbstverständlich freiwillig. Bei Teilnahme an der Studie
werden Sie gebeten, die Einwilligungserklärung zu unterschreiben. Diese Einwilligung
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können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen. Hieraus werden keine Nachteile
für die weitere Behandlung oder in der Beziehung zu Ihrem Arzt entstehen. Bei einem
Widerruf der Studienteilnahme werden keine weiteren Daten erhoben, und bei bereits
erhobenen Daten wird der Personenbezug gelöscht (Anonymisierung). Danach ist ein Zugriff
auf die bereits erhobenen Daten weiterhin möglich, sollte dies für die Prüfung des
Therapiekonzeptes erforderlich erscheinen. In einer gesonderten Aufklärung erhalten Sie
Informationen über den Umgang mit den im Rahmen der Studie erhobenen Daten.
Sollte Ihr Kind nicht an der Studie AIEOP-BFM ALL 2009 teilnehmen, stellt die nach dem
derzeitigen Wissenstand angemessene Behandlung ebenfalls eine Kombinations-
chemotherapie dar. Diese setzt sich aus denselben oder sehr ähnlichen Medikamenten
zusammen wie die Therapie des Standardarmes nach AIEOP-BFM ALL 2009.
Allgemeine Information
Sollten sich im Verlauf der Studie wichtige neue die Studie betreffende Erkenntnisse
ergeben, werden die behandelnden Ärzte Sie umgehend darüber informieren. Es besteht die
Möglichkeit, dass die Studie vorzeitig beendet wird, z. B. wenn sich bereits während der
Laufzeit der Studie eine deutliche Überlegenheit eines Behandlungsarmes zeigt oder es
unerwartete schwere Nebenwirkungen geben sollte. Sollte dies eintreten, werden Sie
darüber umgehend informiert werden.
Diese Studie wird nur in Zusammenarbeit von Kliniken, Studienzentrale und anderen
beteiligten Einrichtungen, wie Laboren und Datenverarbeitungszentren ermöglicht. Daraus
ergibt sich die Notwendigkeit der Weitergabe von im Rahmen der Studie erhobenen
Krankheitsdaten an die beteiligten Institutionen, um die Daten wissenschaftlich auszuwerten.
Für die Studienteilnahme ist es notwendig, dass Sie Ihre Einwilligung zur Weitergabe
bestimmter, auch personenbezogener Daten geben. Hierzu werden Sie noch gesondert
aufgeklärt und um Ihre Einwilligung gebeten werden. Bei aus den Studiendaten
hervorgehenden wissenschaftlichen Publikationen finden ausschließlich anonymisierte Daten
Verwendung. Des Weiteren können im Rahmen von Prüfungen, z. B. durch Vertreter von
Überwachungsbehörden oder Ethikkommissionen, Daten weitergegeben werden. Alle
Personen, die Einblick in die gespeicherten Daten haben, sind zur Wahrung des
Datengeheimnisses verpflichtet.
Ansprechpartner für weitere Fragen
Falls Sie jetzt oder im weiteren Verlauf noch weitere Fragen zu Studie AIEOP-
BFM ALL 2009 haben, steht Ihnen Ihr verantwortlicher Prüfarzt _____________________
unter der Telefonnummer ____________________ zur Verfügung.

EudraCT-Nr: 2007-004270-43
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