Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...

Die Seite wird erstellt Fiete Wenzel
 
WEITER LESEN
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg

  Schwerpunkt 2019

Berufliches
                                                    iSt
                                                       oc
                                                          k/B
                                                             irt
                                                                el

   Lehramt
  Forschung · Lehre · Campus
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Editorial
Berufliche Bildung – Berufliches Lehramt
  Mit unserem Schwerpunkt wollen wir das Augenmerk auf die
Zukunft der beruflichen Bildung, aber besonders auf die berufliche
Lehrkräfteausbildung legen. Deutschlandweit fehlen seit Jahren
Berufsschullehrkräfte, insbesondere solche mit einem Lehramts-
studium der Naturwissenschaften, der Ingenieurwissenschaften,
der Informatik, aber auch der Textiltechnik oder im Pflegebereich.

   Die Pädagogische Hochschule ist eine auf die Bildungswissen-
schaften ausgerichtete Hochschule und der Schwerpunkt liegt in
der Lehrer/-innenausbildung für alle Schulformen. Die Betonung            Die skizzierten Studiengänge machen klar, dass Berufsschullehr-
liegt auf allen Schulformen und deshalb wurden – zum Teil in Ko-       kräfte über eine hohe Professionsqualität verfügen, wie es nur in
operation mit anderen Hochschulen – konsekutive Bachelor- und          einem beruflichen Lehramtsstudium mit anschließendem Vorbe-
Master-Studienprogramme bzw. berufliche Masterstudiengänge             reitungsdienst erreicht werden kann, so wie es die KMK-Standards
mit unterschiedlichen Schwerpunkten eingerichtet.                      (Kultursministerkonferenz) regelmäßig vorsehen.

  Ulrich Druwe gibt einen Einblick zur beruflichen Bildung bzw.          Der zweite Teil des Heftes informiert über wichtige Ereignisse
zum beruflichen Lehramt (S. 4), der durch die Beiträge im Schwer-      an der Hochschule.
punktteil vertieft wird. Andy Richter berichtet über die verschiede-
nen Angebote der Hochschule (S. 8), die Sicht unserer Kooperati-         In Lehre und Forschung ist u.a. über das Promotionskolleg DaZ/
onspartner über die sogenannten „Plus-Studiengänge“ vertiefen          DaF, das Alumni-Netzwerk DaF oder über ein TandemTeaching-
dies, so Christoph Nachtigall von der HAW Offenburg (S. 12) und        Projekt zu berichten. Studierende beteiligten sich intensiv am ers-
Patrick Schlaich, Bereichsleiter am Staatlichen Seminar für Didaktik   ten Christlich-Islamischen Studientag, aber auch an einem Projekt
und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Freiburg (S. 14).            „Kunst am Bau“ oder im „Projekt im Theater“.

   Klaus Meier und Ariane Storbeck, HAW Reutlingen, sind an der           Die aktuellen Profildaten zur Internationalisierung bescheinigen
Lehrkooperation zur beruflichen Bildung im Berufsfeld Textiltechnik    der Hochschule einen sehr guten Platz, das drückt sich auch in den
und Bekleigung beteiligt, die an der Hochschule von Anne-Marie         vielen internationalen Kooperationen und Projekten aus: u.a. mit
Grundmeier und Cathrine Stobel-Theunissen begleitet wird (S. 15).      Norwegen – England – Frankreich.
Und: Andrea Warnke u.a. stellen neue Masterstudiengänge vor, die
in die berufliche Fachrichtung Pflege oder Gesundheit gehen (S. 19).      Campus und darüber hinaus, das heißt beispielsweise intensive
                                                                       Kontakte zu Afghanistan, der Oblast Belgorod und Ungarn oder
   Um die Ausbildungssituation für das berufliche Lehramt in Frei-     Gäste verschiedener europäischer Partnerhochschulen zu emp-
burg im Blick zu haben, kommen auch Edgar Kösler von der Ka-           fangen, um sich über die Lehrer/-innenbildung auszutauschen.
tholischen Hochschule und Georg Wagensommer, Evangelische              Heißt aber auch, sich mit der Frage zu beschäftigen, „Wie inklusiv
Hochschule Freiburg, zu Wort. Die Katholische Hochschule bie-          ist die Hochschule?“, oder mittels dokumentarisch-biografischem
tet den Studiengang „Berufspädagogik im Gesundheitswesen“ an           Theater der Frage nachzugehen, „Was nährt uns?“.
(S. 22), der über die Kooperation mit der Pädagogischen Hochschu-
le in einen Master of Education münden kann. Die Evangelische            Feierliche Anlässe waren u.a. Preisverleihungen auf der FGCU-
Hochschule bietet einen Masterstudiengang an, der Studierende          Tagung (Fachgruppe Chemieunterrricht) an Doktorand/-innen der
als kirchliche Lehrkräfte qualifiziert, evangelische Religionslehre    Hochschule oder die Wahl zum Vorsitzenden der Fachgruppe Che-
im Bereich berufliche Schulen und berufliche Gymnasien zu er-          mieunterricht in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) oder
teilen (S. 26).                                                        die Eröffnung des Akademischen Jahres 2018/2019.

                                                                         Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Eintauchen in unse-
                                                                       ren Hochschulalltag.

                                                                         Die Redaktion
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Inhalt

Titelthema: Berufliches Lehramt
4        Berufliche Bildung
         Ein Überblick                                                                                                            Ulrich Druwe

8        Höheres Lehramt an beruflichen Schulen
         Kooperative Bachelor- und Masterstudiengänge                                                                             Andy Richter

12       Studiengänge mit der Option Lehramt
         Kooperation der Hochschule Offenburg mit der Pädagogischen Hochschule                                             Christoph Nachtigall

14       Mit einem Plus-Studiengang ins Lehramt an beruflichen Schulen
         Praxisphasen während des Studiums                                                                                     Patrick Schlaich

15       Lehrkooperation zur beruflichen Bildung im Berufsfeld Textiltechnik und Bekleidung
         Freiburg – Reutlingen – Albstadt-Sigmaringen       Anne-Marie Grundmeier · Klaus Meier · Ariane Storbeck · Cathrine Strobel-Theunissen

18       Drei neue Masterstudiengänge des beruflichen Lehramts
         Ein Blick zurück und drei nach vorn                                            Andrea Warnke · Andy Richter · Anne-Marie Grundmeier

20       „Mehr aus sich machen …“
         Studierende der drei neuen Masterstudiengänge stellen sich vor

22       Qualifizierte Fachkräfte in der Pflege
         Berufspädagogik an der Katholischen Hochschule Freiburg                                                                  Edgar Kösler

24       Beruf – Schule – Religion
         Ein Beitrag aus der Perspektive berufsorientierter Religionspädagogik                                           Georg Wagensommer
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Inhalt

Forschung · Lehre · Campus
Lehre und Forschung_________________________________________________________________ Sommersemester 2018
28       Aus dem Klassenzimmer zurück an die Hochschule
         Freiburger Teilprojekte des Promotionskollegs DaF/DaZ                                               Irene Bundschuh · Markus Willmann

29       „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“
         Das Seminar „Projektunterricht mit Musik in der Schule“                                                Andrea Óhidy · Martin Heidecker

30       Interreligiöses Begegnungslernen
         Erster Christlich-Islamischer Studientag am Institut der Theologien                                                   Dorothee Schlenke

32       „Kunst am Bau“ beim neuen Thomas-Areal in Freiburg
         Ein Seminarprojekt im Fach Kunst                                                                                           Martin Flashar

34       Die Chemiker/-innen der Pädagogischen Hochschule räumen ab
         Großer Erfolg bei der 35. Fortbildungs- und Vortragstagung der Fachgruppe Chemieunterricht                                      Helga Epp

35       Fremdsprachenlernen in Norwegen
         Ein multinationales Projekt zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrer/-innen                                           Dennis Strömsdörfer

36       Austausch mit der Universität Edinburgh
         Neue Erasmus-Kooperation                                                                                                    Andrea Óhidy

Wintersemster 2018|2019________________________________________________________________________________
37       School of Education startet
         Eine neue Phase für FACE                                                                                                   Rieke Kersting

38       In zwei Ländern zuhause
         Unterrichten in Deutschland und Frankreich mit den integrierten Studienprogrammen                  Katja Zaki · Olivier Mentz · Clara Fritz

40       Das EU-Projekt PREPARE
         Promoting reflective practice in the training of teachers using e-Portfolios                                                 Gerd Bräuer

42       20 Jahre „Projekt im Theater“
         Rückblick und Fortschreibung                                                                                Reinhold Voß · Ursula Elsner

45       Fachtag „Deutsch im Beruf“ und Alumni-Netzwerk DaF
         Zwei außergewöhnliche Studientage                                                          Zeynep Kalkavan-Aydın · Dennis Strömsdörfer

47       MenTa – Mentoring im Tandem
         Ein Programm für Nachwuchswissenschaftlerinnen zeigt Wirkung                                            Mara Olivia Kraft · Doris Schreck

Campus und darüber hinaus____________________________________________________________ Sommersemester 2018
49       Developing Teaching Methods Internationally
         Kooperationsprojekt mit einer afghanischen Universität            Uwe H. Bittlingmayer · Thomas Fuhr · Johannes Lebfromm · Martina Lins

50       Germanistische Institutspartnerschaft Freiburg – Belgorod
         Über einen lebendigen Studierendenaustausch                                                                         Dennis Strömsdörfer

51       Vielfältige Kooperationspotentiale mit der Universität Szeged/Ungarn
         Ausbau der internationalen Partnerschaft                                                                                 Krisztina Kovács
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
53    Auf dem Weg zu einem europäischen Bildungssystem
      NETT Meeting europäischer Partnerhochschulen zur Lehrer/-innenausbildung in Freiburg   Ursula Felber · Annette Himmelsbach

54    „Was nährt uns?“
      Dokumentarisch-biografisches Theater mit Studierenden
      Fragen zur szenischen Erarbeitung an die Theaterpädagogin Carolin Robert                     Anne Steiner · Benedikt Kessel

56    Wie inklusiv ist die Pädagogische Hochschule?
      Oder: Heute schon diskriminiert (worden)?                                                  Leona Cordi · Jutta Heppekausen

58    Aufstockung „Kleines Auditorium“
      Feierliche Übergabe                                                                                             Helga Epp

59    Neuer Vorsitzender der Fachgruppe Chemieunterricht in der GDCh
      Marco Oetken als erster Fachdidaktiker an der Spitze                                                     Peter Heinzerling

Wintersemster 2018|2019________________________________________________________________________________
60    Eröffnung des Akademischen Jahres 2018/2019                                                                     Helga Epp

62    Aus Seniorenstudium wird Studium Plus
      Mit dem neuen Namen kommen neue Angebote                                                            Nadja Schwendemann

Personalia · Porträts · Würdigungen_____________________________________________________ Sommersemester 2018
63    Elmar Stahl von A bis Z
      Zur Verabschiedung                                                                                          Monika Löffler

63    In Memoriam Wolfgang Hug
      *9.7.1931 †19.5.2018                                                                                  Thomas Martin Buck

Wintersemster 2018|2019________________________________________________________________________________
65    Zum Tod von Walter Glatt
      *17.6.1928 †5.11.2018                                                                       Hans-Georg Merz · Herbert Uhl

66    Zum Tod von Ehrensenator Dieter Merkle
      *6.4.1931 † 9.12.2018                                                                                         Rudolf Denk
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
ph·fr 2019
                                                                                                                              Ulrich Druwe

    Berufliche Bildung
    Ein Überblick

    W
                  ährend der Trend zum Stu-         schaft und Wissenschaft ist es, die Leis-
                  dium in Deutschland mit ca.       tungsfähigkeit und Qualität der berufli-
                  514.000 Studienanfänger/-         chen Bildung angesichts demografischer
                  innen im Jahr 2017 unver-         und technologischer Herausforderungen zu
    mindert anhält, sinkt seit 2011 die Zahl der    erhalten und weiterzuentwickeln. Konkre-
    neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge         te Handlungsfelder sehe ich vor allem an
    stetig. 2017 wurden dem Bundesinstitut für      den Schnittstellen unseres Bildungswesens.
    Berufsbildung (BIBB) bundesweit 523.290         Die Übergänge, Ab- und Anschlüsse müs-
    neu abgeschlossene Ausbildungsverträge          sen wir genauer in den Blick nehmen. Wir
    gemeldet. Den insgesamt 1.323.894 Azubis        wollen jeden einzelnen jungen Menschen
    standen im gleichen Jahr 2.844.978 Stu-         erreichen und ihn bestmöglich auf den Weg
    dierende gegenüber (vgl. Statistica 2018).      ins Arbeitsleben begleiten. Dabei muss es
    Innerhalb der letzten fünfzehn Jahre haben      uns zum einen noch besser gelingen, auch
    sich damit die Verhältnisse zwischen beruf-     leistungsstärkere junge Erwachsene von der
    licher und akademischer Bildung grund-          Attraktivität einer beruflichen Ausbildung
    legend verschoben. Diese Entwicklung ist        zu überzeugen. Zum anderen müssen wir
    einerseits auf den Trend zur schulischen        leistungsschwächere Jugendliche zielge-
    Höherqualifizierung (Abitur) zurückzufüh-       nauer auf eine Ausbildung vorbereiten und
    ren, entscheidender ist jedoch die sinkende     diese auch während ihrer Ausbildung weiter
    Zahl von Jugendlichen als Folge der demo-       unterstützen. Trotz vieler Anstrengungen
    grafischen Entwicklung.                         der Länder in den vergangenen Jahren ist
                                                    der direkte Übergang von der Schule in eine
       Angesichts des enormen Fachkräfte-           Berufsausbildung für manche Jugendliche       - In Berlin und Niedersachsen gibt es die
    mangels gerade im nichtakademischen             immer noch mit großen Schwierigkeiten         Berufsschule, den berufsqualifizierenden
    Bereich bleibt für viele Betriebe die eige-     verbunden.“ (Pressemitteilung des Kultus-     Lehrgang im 11. Schuljahr, den berufs-
    ne Ausbildung – und damit die berufli-          ministeriums vom 30.1.2017)                   qualifzierenden Lehrgang im 11. und 12.
    che Bildung – der Königsweg, um ihren                                                         Schuljahr, die Berufsfachschule (einjährig),
    Fachkräftebedarf langfristig zu sichern.        Das berufliche Schulwesen                     die Berufsfachschule (mehrjährig), die mo-
    Das zeigen aktuelle Ergebnisse einer Be-                                                      dulare duale Qualifizierungsmaßnahme –
    triebsbefragung des Bundesinstituts für            Die Schulstruktur der beruflichen Bil-     Stufe I, die modulare duale Qualifizierungs-
    Berufsbildung bei mehr als 2.000 Kleinst-,      dung ist in Deutschland stark zersplittert.   maßnahme – Stufe II, die Fachoberschule,
    Klein- und Mittelbetrieben, die im Jahr         – In Baden-Württemberg wird zwischen          die Berufsoberschule, die Gymnasiale Ober-
    2016 ausbildeten.                               Berufsschule und beruflichen Vollzeit-        stufe in Oberstufenzentren/Berufliches
                                                    schulen unterschieden: Die Berufsschule       Gymnasium und Fachschulen.
       Mittlerweile hat auch die Politik das The-   hat vier Schwerpunkte (gewerblich, kauf-      - Bremen bietet: die Berufsschule (duale
    ma aufgegriffen. Am 30.1.2017 sagte Kul-        männisch, landwirtschaftlich oder haus-       Ausbildung), die Fachoberschule, die Be-
    tusministerin Susanne Eisenmann als neue        wirtschaftlich-pflegerisch-sozialpäda-        rufsoberschule, das Berufliche Gymnasi-
    KMK-Präsidentin:                                gogisch); die beruflichen Vollzeitschulen     um, die zweijährige Höhere Handelsschule,
       „Das zentrale Thema für das Präsident-       gliedern sich in Berufsvorbereitungsjahr/     die einjährige ausbildungsvorbereitende
    schaftsjahr 2017 ist die berufliche Bildung,    Berufseinstiegsjahr, Berufsaufbauschulen,     Berufsfachschule, die Ausbildung zum As-
    die mit ihren vielfältigen Karriereperspek-     Berufsfachschulen, Berufskollegs, Fach-       sistenten/zur Assistentin, die Fachschule
    tiven auf unterschiedlichen Qualifikations-     schulen (berufliche Fort- und Weiterbil-      und die Werkschule.
    niveaus wieder viel stärker als aussichtsrei-   dung), Berufsoberschulen und Berufliche       - Hamburg kennt: die Berufsvorbereitungs-
    che Bildungsoption in den Blick genommen        Gymnasien.                                    schule, die Berufsschule, die Berufsfach-
    werden muss. (…) Mit dem Schwerpunkt-           - In Bayern findet man die Berufsschule,      schule teilqualifizierend, die Berufsfach-
    thema möchte ich einen Diskurs über die         die Berufsfachschule, die Berufliche Ober-    schule vollqualifizierend, die Fachschule,
    Zukunft der beruflichen Bildung anregen.        schule Bayern (BOB), Fachschulen und die      die Fachoberschule, die Berufsoberschule
4   Gemeinsame Aufgabe von Politik, Wirt-           Fachakademie.                                 und das Berufliche Gymnasium.
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Schwerpunkt Berufliches Lehramt
nnAbb. 1: Bildungsgänge im deutschen Bildungssystem (Quelle: Wikipedia, Duale Ausbildung)

- In Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,          schulreife bzw. über das Berufliche Gym-      genügen muss. Umso wichtiger sind ei-
NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-       nasium zum Abitur.                            nerseits gute Rahmenbedingungen in den
Anhalt und Schleswig-Holstein finden sich                                                   Betrieben. Hier haben Kleinst-, Klein- und
sechs bzw. sieben Typen: Berufsschule, Be-    Lernort Schule                                Mittelbetriebe zunehmend mit einem At-
rufsfachschule, Höhere Berufsfachschule,                                                    traktivitätsverlust zu kämpfen, aber sie sind
Fach-/Berufliches Gymnasium, Fachober-           Aktuell gibt es ca. 350 Ausbildungsberu-   auch oft nicht mehr in der Lage, die an-
schule, Fachschule sowie Berufsgrund-         fe; die wichtigsten Berufsfelder sind:        spruchsvollen Ausbildungsinhalte vollstän-
schule bzw. berufsbildende Förderschule.      ŸŸ Landwirtschaft, Natur, Umwelt,             dig selbst zu vermitteln. Andererseits ist der
- In Thüringen kommt noch das Berufs-         ŸŸ Produktion, Fertigung,                     Lernort Berufsschule gefordert, hat er doch
vorbereitungsjahr hinzu.                      ŸŸ Bau, Architektur, Vermessung,              mit zahlreichen neuen Erwartungen zu
                                              ŸŸ Metall, Maschinenbau,                      kämpfen, die sich mit Begriffen wie Inklu-
   Diese eher verwirrende Struktur des be-    ŸŸ Elektro,                                   sion, Migration und Digitalisierung stich-
ruflichen Schulwesens kann man wie folgt      ŸŸ IT, Computer,                              wortartig bestimmen lassen. Nach wie vor
zusammenfassen:                               ŸŸ Textiltechnik und Bekleidung,              gilt: „Die duale Berufsausbildung ist Teil des
   - Übergang für Jugendliche ohne Aus-       ŸŸ Naturwissenschaft,                         Bildungssystems in Deutschland und hat
bildungsplatz – schulische Berufsvorberei-    ŸŸ Verkehr, Logistik,                         daher neben einem beruflichen auch einen
tung, anschließend Übergang in die duale      ŸŸ Wirtschaft und Verwaltung,                 allgemeinen Bildungsauftrag. Sie ist damit
Ausbildung oder die vollqualifizierende Be-   ŸŸ Ernährung und Hauswirtschaft,              von einem Miteinander spezieller und ge-
rufsfachschule;                               ŸŸ Gesundheit,                                nereller Inhalte geprägt.“ (BIBB-Experten-
   - Bildungswege mit erstem Schulab-         ŸŸ Soziales, Pädagogik,                       monitor – Themenradar Duale Berufsbil-
schluss – duale Ausbildung oder die voll-     ŸŸ Kunst, Kultur, Gestaltung,                 dung. Frühjahr 2018, S. 17)
qualifizierende Berufsfachschule;             ŸŸ Medien.
   - Bildungswege mit mittlerem Schulab-                                                      Angesichts der zumindest drei genann-
schluss – duale Ausbildung oder schulische      Die wirtschaftlich-technologischen Ent-     ten Herausforderungen muss sich auch die
Ausbildung (vollqualifizierende Berufsfach-   wicklungen führen dazu, dass die Ausbil-      berufliche Schule verändern, um die du-
schule, Fachoberschule) ggf. mit Fachhoch-    dung heute immer höheren Ansprüchen           ale Berufsausbildung als Ganzes für die          5
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
ph·fr 2019

    Zukunft zu wappnen. Als besonders an-           gemeinbildenden Schulen immer noch fast         kräfte zu erreichen. Erforderlich hierfür ist
    spruchsvolle Aufgaben sehen Expert/-in-         die Hälfte aller Lehrkräfte in Deutschland      eine systematische Verknüpfung von Wis-
    nen für „die“ Berufsschule (vgl. ebd., S. 25)   fünfzig Jahre oder älter“ war. „Das bedeu-      sen (Kenntnisse), Können (Handeln) und
    folgende Themen:                                tet, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn     Einstellung (Haltung), wie es nur in einem
                                                    Jahren beinahe die Hälfte der (…) Lehrkräf-     fünfjährigen beruflichen Lehramtsstudium
    ŸŸ die Entwicklung von Modellen, um Be-         te aus dem Schuldienst ausscheiden wird.“       mit anschließendem Vorbereitungsdienst
       rufsschulunterricht auch online erteilen     (Monitor Lehrerbildung. Attraktiv und zu-       erreicht werden kann, so wie es die KMK-
       zu können;                                   kunftsorientiert?! 2017, S. 13)                 Standards regelmäßig vorsehen.
    ŸŸ die Entwicklung von Konzepten der Teil-
       zeitberufsausbildung;                           Aufgrund des Mangels hat sich seit lan-      Studium
    ŸŸ die Verzahnung dualer Berufsausbil-          gem in allen Bundesländern die Praxis des
       dungsgänge mit vor- und nachgelager-         Quer- oder Seiteneinstiegs etabliert, d.h.         In Baden-Württemberg kann das „Be-
       ten sowie parallelen (Berufs-)Bildungs-      Absolvent/-innen von Mangelfächern mit          rufliche Lehramt“ im technischen Bereich
       gängen,                                      einem universitären Master-Abschluss2           an der Universität Stuttgart, dem KIT in
    ŸŸ unter inhaltlichen Gesichtspunkten soll      werden entweder in den Vorbereitungs-           Karlsruhe sowie an allen sechs Pädago-
       der Vermittlung von Werten und Normen        dienst zugelassen oder können sogar di-         gischen Hochschulen in Kooperation mit
       sowie der Entwicklung von Werthaltun-        rekt in den Schuldienst mit einer parallelen    benachbarten Hochschulen für Angewand-
       gen in der dualen Berufsausbildung (wie-     päda­gogischdidaktischen Qualifizierung         te Wissenschaften studiert werden. Wirt-
       der) mehr Raum gegeben werden;               einsteigen. So verständlich diese Praxis aus    schaftspädagogik bieten die Universitäten
    ŸŸ eine Flexibilisierung der Ausbildungskon-    einer Mangelsituation heraus betrachtet         in Hohenheim, Konstanz und Mannheim
       zepte, um den besonderen Belangen der        sein mag, hat sie mittlerweile dazu geführt,    an. Die Schwerpunkte Gesundheit bzw. So-
       zunehmend heterogener werdenden Ju-          dass sich eine völlig verfehlte Sicht auf die   zialpädagogik finden sich an den Univer-
       gendlichen Rechnung zu tragen und für        Berufsschullehrkraft herausgebildet hat:        sitäten Heidelberg und Tübingen. Die all-
       sie so eine Beteiligung an der dualen Be-    Inzwischen gilt die Vorstellung, dass es        gemeinbildenden Fächer kann man zudem
       rufsausbildung attraktiv – bzw. oft erst     sich bei der Berufsschullehrkraft nur um        an den Universitäten des Landes studieren.
       möglich – zu machen (inklusive Bildung).     eine Fachlehrkraft handelt, die in erster
                                                    Linie für die Vermittlung von fachprakti-         Größte Standorte in Bezug auf die Stu-
    Lehramt berufliche Schulen                      schen Lerninhalten verantwortlich ist; da-      dierendenzahl für das „Berufliche Lehramt“
                                                    her soll sie sich vor allem mit der Berufs-     in Baden-Württemberg sind die Pädago-
      Vor dem Hintergrund der skizzierten He-       praxis auskennen. Dies geht teilweise sogar     gische Hochschule Freiburg/HAW Offen-
    rausforderungen und notwendigen Ent-            so weit, dass sich Bundesländer weigern,        burg (Wintersemester 2017/2018: 133 Stu-
    wicklungen ist spätestens jetzt ein Focus       überhaupt grundständige Berufsschullehr-        dierende) sowie die Universität Stuttgart
    auf die berufliche Lehrkräftebildung unab-      ämter zu entwickeln, weil sie mit den Quer-     (WS 2017/2018: 138 Studierende). Am KIT
    dingbar. Deutschlandweit fehlen seit Jah-       und Seiteneinsteiger/-innen ihren Bedarf        studieren lediglich 34 Personen Technik-
    ren Berufsschullehrkräfte1, insbesondere        punktgenau decken können.                       pädagogik. In Bezug auf die Absolvent/-
    solche mit einem Lehramtsstudium der                                                            innenzahlen stehen die Pädagogische
    Naturwissenschaften, Ingenieurwissen-              Angesichts der Notwendigkeit auch ei-        Hochschule Freiburg/HAW Offenburg an
    schaften jeder Fachrichtung, Informatik,        nen allgemeinen Bildungsauftrag zu erfül-       der Spitze mit 30 Absolvent/-innen; im
    aber auch der Sozialpädagogik oder der          len, d.h. etwa bestimmte Werthaltungen          WS 2017/2018 verzeichnete Stuttgart 21
    Textiltechnik und weitere. Dies hat einer-      (z.B. „demokratischer“ Bürger/„demokra-         Absolvent/-innen.
    seits finanzielle Gründe, da die besagten       tische“ Bürgerin) zu vermitteln, ist diese
    Berufsgruppen bei guter Konjunktur in           Vorstellung fatal. Hinzu kommt die aktu-          Angesichts des großen Bedarfs an Be-
    der Wirtschaft deutlich mehr verdienen,         elle Problematik, dass die zu unterrichten-     rufsschullehrkräften hat die Pädagogische
    andererseits gilt die Schüler/-innenschaft      den Jugendlichen und jungen Erwachse-           Hochschule Freiburg ihr Angebotsspekt-
    der „Berufsschule“ als problematisch, da        nen heterogene Hintergründe vorweisen           rum zum WS 2018/2019 um drei weite-
    Alter, Motivation, soziale Herkunft und         und deshalb eine inklusive Berufsbildung        re berufliche Master-Studienrichtungen
    Nationalität sehr unterschiedlich und die       im Zentrum stehen müsste.                       – Pflege, Gesundheit und Textiltechnik –,
    Einsatzorte vielfältig und pädagogisch he­                                                      jeweils in Kombination mit dem zweiten
    rausfordernd sind.                                Dies gelingt nur, wenn Berufsschullehr-       Fach „Wirtschafts- und Sozialmanage-
                                                    kräfte über eine hohe Professionsquali-         ment“ erweitert. Dies gelang im Rahmen
      Mittel- und langfristig wird sich der         tät verfügen, um eine Individualisierung        des Sonderprogramms „Master 2016“ des
    Mangel sogar noch erhöhen, da im Schul-         von Bildungsprozessen sowie eine multi-         Ministeriums für Wissenschaft, Forschung
6   jahr 2015/2016 „im Gegensatz zu den all-        professionelle Zusammenarbeit der Fach-         und Kunst.
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
Schwerpunkt Berufliches Lehramt
  Alle drei Studienrichtungen bauen auf         Zahlreiche organisatorische, administra-      desvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
einschlägigen Bachelor-Programmen auf:          tive und ökonomische Aufgaben könnten         verbände (BDA) sehen die Ursachen für das
                                                stattdessen an das von uns ausgebildete       Nachwuchsproblem in der Konkurrenz mit
ŸŸ B. Sc. Gesundheitspädagogik der PH Frei-     Fachpersonal delegiert werden; die Klini-     den Ingenieurwissenschaften, in Image-
   burg oder vergleichbare Studiengänge         ken würden besser funktionieren und Ärz-      problemen des Berufsbildes, aber auch in
   für den Master der Studienrichtung Ge-       te/Ärztinnen könnten sich auf medizinische    den Studienstrukturen (vgl. KMK, BDA und
   sundheit (M. Sc.),                           Fragen konzentrieren.                         DGB: Gemeinsam für starke Berufsschulen
ŸŸ B. Eng. Textiltechnologie/Textilmanage-                                                    in der digitalen Welt, 2017). Trotz aller Re-
   ment der Hochschule Reutlingen bzw.             Für das Lehramt an Beruflichen Schulen     formbemühungen, wie etwa Gewinnung
   B. Eng. Textil- und Bekleidungstechno-       in der Fachrichtung Textiltechnologie gibt    neuer Zielgruppen für das Studium, Reduk-
   logie der Hochschule Albstadt-Sigma-         es deutschlandweit nur noch ein weite-        tion der Studienabbrüche, Werbemaßnah-
   ringen oder vergleichbare Studiengänge       res Studienangebot, an der RWTH Aachen/       men o.ä. sind die Erfolge bislang marginal.
   für den Master der Studienrichtung Tex-      Hochschule Niederrhein. Hierüber kann der
   tiltechnik und Bekleidung (M. Sc.),          Bedarf an Lehrkräften schon heute nicht          Im Rahmen der Qualitätsoffensive Leh-
ŸŸ B. A. Berufspädagogik im Gesundheits-        gedeckt werden3. Aktuell liegt die Anzahl     rerbildung haben daher drei Universitäten
   wesen der Katholischen Hochschule Frei-      der Seiteneinsteiger/-innen in diesem Be-     (Stuttgart, Hannover/Osnabrück und die TU
   burg oder vergleichbare Studiengänge         rufsfeld bei über 65 Prozent. Baden-Würt-     Berlin) spezielle Projekte für das berufli-
   für den Master der Studienrichtung Pfle-     temberg deckt als traditionelles Textilland   che Lehramt entwickelt. Dies beginnt bei
   ge (M. Ed.).                                 seinen Bedarf nur über Seiteneinsteiger/-     gezielter Ansprache von Schüler/-innen,
                                                innen ab. Über den Lehrkräftebedarf hin-      über studienbegleitende Maßnahmen (z.B.
   In allen drei Bereichen besteht ein Bedarf   aus ist auch Potenzial in der Textil- und     spezielle Tutorien) bis hin zur Neuordnung
an qualifizierten Lehrpersonen. Die ehema-      Bekleidungsindustrie für Mitarbeiter/-in-     des gesamten Studiums. Über die Effekte
lige Sozialministerin Katrin Altpeter hatte     nen im Bereich Personalentwicklung/Wei-       ist bisher noch nichts bekannt, sie dürften
der Pädagogischen Hochschule Freiburg zu        terbildung gegeben, da die Textilindustrie    sich aber in Grenzen halten. |
dem angedachten Masterstudiengang Pfle-         mit dem Schwerpunkt technische Textilien
ge-/Gesundheitswissenschaft geschrieben,        am Produktionsstandort Deutschland sehr
dass sie ihn „für einen sehr guten Ansatz       erfolgreich ist.
[hält], um Lehrkräfte auszubilden, die die
gestiegenen Ansprüche an die Ausbildung         Bedeutung des beruflichen Lehramts
in der Pflege erfüllen und den Auszubil-
denden vermitteln können. (…) Insgesamt           Das System der beruflichen Bildung ist
kann der Studiengang sowohl in qualita-         mittlerweile international breit anerkannt.
tiver als auch quantitativer Hinsicht einen     Es ist ein zentraler Vorteil der deutschen
wichtigen Beitrag leisten zur Deckung des       Wirtschaft und mit erheblichen Wettbe-
Fachkräftebedarfs in der Pflege.“               werbsvorteilen für diese verbunden. Die
                                                Qualität dieses Systems hängt in beson-
   Das Masterprofil bietet zudem beruf-         derer Weise von den Lehrkräften an den         nnProf. Dr. Ulrich Druwe
lich verschiedenste Optionen, z.B. die hö-      Beruflichen Schulen ab; dies belegen alle      Rektor der Pädagogischen
here Laufbahn von Fachlehrkräften, leh-         einschlägigen Studien.4                        Hochschule Freiburg.
rende Tätigkeit an Fachschulen, berufliche
Fort- und Weiterbildung in öffentlicher           Allerdings macht sich nunmehr immer
und privater Trägerschaft sowie leiten-         deutlicher der Mangel an qualifizierten        Anmerkungen
de Positionen im Personal- und Gesund-          Lehrkräften bemerkbar (vgl. das Positions-     1) Gemäß KMK konnten seit 2010 nur knapp 80
heitsmanagement in Betrieben und Klini-         papier des Stifterverbands von 2017 „Lehr-     Prozent der Stellen mit Lehramtsabsolvent/-in-
ken oder in der Gesundheitspolitik. Beide       kräfte für Berufliche Schulen innovieren“),    nen besetzt werden. In den technischen Fächern
                                                                                               ist diese Quote deutlich niedriger.
Gesundheitsprofile leisten damit zudem          verbunden mit rasch steigenden neuen           2) In technischen Fächern zum Teil sogar nur
einen Beitrag zur – notwendigen – Aka-          Anforderungen (Inklusion, Digitalisierung      Bachelor-Abschluss.
demisierung der Gesundheitsberufe. Um           etc.). Die größte Herausforderung ist daher    3) Vgl. Grundmeier, A.-M.: Wissenschaftliche
dies an einem Beispiel zu erläutern: Weil       die Gewinnung von grundständig Studie-         Lehrkräfte gesucht im Berufsfeld Textiltechnik
                                                                                               und Bekleidung. In: Die berufsbildende Schule
es an entsprechend ausgebildetem Perso-         renden für dieses Lehramt.                     (BbSch) 65 (2013) 9, S. 255–259.
nal fehlt, müssen Ärzte Tätigkeiten in Klini-                                                  4) Z.B. Ebbinghaus u.a.: Ein Gegenstand – zwei
ken/Gemeinschafts­praxen übernehmen, für          Kultusministerkonferenz (KMK), Deut-         Perspektiven. In: Wirtschaft und Berufserzie-
die sie nicht qualifiziert und zu teuer sind.   scher Gewerkschaftsbund (DGB) und Bun-         hung, 2010, 62, S. 24ff.                         7
Berufliches Lehramt Schwerpunkt 2019 Forschung Lehre Campus - Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg - Pädagogische ...
ph·fr 2019

                                                                                                                            Andy Richter

    Höheres Lehramt
    an beruflichen Schulen
    Kooperative Bachelor- und Masterstudiengänge

    L
          ehrende an beruflichen Schulen wer-     Struktur des Kooperationsmodells PH           ŸŸ B. Sc. Wirtschaftsinformatik plus sowie
          den auf ein Berufsfeld vorbereitet,     Freiburg/HAW Offenburg                        ŸŸ B. Eng. Elektrische Energietechnik/Phy-
          das sich durch berufsvorbereitende                                                       sik plus.
          Maßnahmen (Berufseinstiegsjahr,            Die Unterschiede dieser Bachelor-Mas-
    Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorberei-      ter-Studienprogramme zu den klassischen         Die erhebliche Polyvalenz der Bachelor-
    tungsjahr – alle geregelt auf Bundesebe-      Universitätsstudiengängen mit dem Ziel        studiengänge eröffnet den Absolvent/-in-
    ne) bis zu Bildungsgängen, in denen die       „Höheres Lehramt an beruflichen Schu-         nen die folgenden Berufsperspektiven:
    allgemeine Hochschulreife (Technisches        len“ sind die kooperative Durchführung,
    Gymnasium, Berufliches Gymnasium, Be-         mit erheblicher Polyvalenz und konseku-       ŸŸ Master-Studium (M. Sc.) mit dem Ziel
    rufskolleg – teilweise länderspezifische      tivem Aufbau.                                    „Höheres Lehramt an beruflichen
    Bezeichnungen und Regelungen) erwor-                                                           Schulen“; dadurch erhalten erstmals
    ben wird, auszeichnet. Dieses breite Tätig-      Bachelorstudiengänge: Das Studium in          Studienbewerber/-innen mit Fachhoch-
    keitsspektrum erfordert sowohl eine fach-     den Bachelorstudiengängen umfasst ins-           schulreife die Möglichkeit, sich in einen
    wissenschaftlich exzellente Ausbildung als    gesamt sieben Semester. Neben ingeni-            Studiengang für das „Höhere Lehramt
    auch eine ausgeprägte pädagogische Pro-       eur- bzw. wirtschaftswissenschaftlichem          an beruflichen Schulen“ direkt einzu-
    fessionalisierung.                            Wissen der jeweiligen Fachgebiete werden         schreiben,
                                                  auch Kenntnisse vermittelt, die auf das       ŸŸ Master-Studium (M. Eng.) in der studier-
    Situation der Gewerbelehrer/-innen­           „Höhere Lehramt an beruflichen Schulen“          ten Fachwissenschaft mit dem späteren
    ausbildung in Deutschland und                 vorbereiten. Die ersten vier Studiensemes-       Ziel „Ingenieurtätigkeit“,
    Baden-Württemberg                             ter beinhalten ingenieur-, wirtschafts- und   ŸŸ Berufseinstieg: Ingenieurtätigkeit oder
                                                  erziehungswissenschaftliche Grundlagen.       ŸŸ Berufseinstieg: Betriebliches Bildungs-
      Auf Grund dieser hohen Anforderungen        Im fünften Semester fügt sich ein Praxis-        und Personalwesen.
    des Studiums und der in vieler Hinsicht an-   semester im ingenieurwissenschaftlichen
    spruchsvollen Berufstätigkeit fällt es den    Bereich ein. Im folgenden Semester wird          Masterstudiengänge: Das Studium in
    Universitäten schon immer sehr schwer,        das Studium sowohl in den jeweiligen          den Masterstudiengängen umfasst ins-
    ausreichenden Nachwuchs für ein ent-          Fachwissenschaften als auch in den Bil-       gesamt drei Semester. In Bezug auf den
    sprechendes Studium zu gewinnen. Alle         dungswissenschaften und den gewerblich-       ingenieur- bzw. wirtschaftswissenschaft-
    Bundesländer sind daher seit Jahrzehn-        technischen Fachdidaktiken vertieft. Zwei     lichen Bereich werden an der HAW Offen-
    ten gezwungen, mehr als fünfzig Prozent       Schulpraxisphasen an beruflichen Schulen      burg zunächst die im Bachelor-Studium
    des Gewerbelehrer/-innenbedarfs durch         erleichtern die spätere Entscheidungsfin-     gelegten Grundlagen ergänzt und weitere
    Quer- und Seiteneinsteiger/-innen ohne        dung für den Lehrberuf. Im siebten Semes-     Studieninhalte in der ersten und zweiten
    Lehramtsstudium zu decken.                    ter endet das Studium mit der Erstellung      beruflichen Fachrichtung vermittelt. Pa­
                                                  der Bachelor-Thesis.                          rallel dazu werden an der Pädagogischen
       Die PH-HAW-Kooperationsmodelle in                                                        Hochschule vertiefende Studien im Be-
    Baden-Württemberg wurden u.a. deshalb           In Kooperation mit der Hochschule Of-       reich der Bildungswissenschaften und
    ins Leben gerufen, weil es auch den Uni-      fenburg werden derzeit folgende konse-        in den jeweiligen Fachdidaktiken ange-
    versitäten im Lande nicht annähernd ge-       kutive Bachelorstudiengänge vom Institut      boten. Eine weitere schulpraktische Pha-
    lingt, den Bedarf Baden-Württembergs an       für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an       se ist integriert. Wesentlicher Bestandteil
    Lehrer/-innen für das berufliche Schul-       der Pädagogischen Hochschule Freiburg         des letzten Studiensemesters ist die Erstel-
    wesen zu decken. Die derzeitigen Stu-         getragen:                                     lung der Master-Thesis. Der Master-Ab-
    dierendenzahlen an der Pädagogischen                                                        schluss qualifiziert sowohl zur Zulassung
    Hochschule Freiburg liegen weit über den      ŸŸ B. Eng. Elektrotechnik/Informationstech-   zum Vorbereitungsdienst für die Laufbahn
    tatsächlich besetzten Studienplätzen an          nik plus,                                  des Höheren Schuldienstes an beruflichen
    den Universitäten des Landes und der Bun-     ŸŸ B. Eng. Mechatronik plus,                  Schulen als auch für außerschulische Tä-
8   desrepublik.                                  ŸŸ B. Eng. Medientechnik/Wirtschaft plus,     tigkeiten, bspw. in beruflicher Aus- und
Schwerpunkt Berufliches Lehramt
Weiterbildung. Nicht zuletzt besteht für
die Absolvent/-innen die Möglichkeit zur
Promotion in den Bildungswissenschaften.

  Folgende Masterstudiengänge wer-
den vom Institut für Berufs- und Wirt-
schaftspädagogik in Kooperation mit der
Hochschule Offenburg angeboten:

ŸŸ M. Sc. Berufliche Bildung Elektrotechnik/
   Informationstechnik,
ŸŸ M. Sc. Berufliche Bildung Mechatronik,
ŸŸ M. Sc. Berufliche Bildung Medientechnik/
   Wirtschaft,
ŸŸ M. Sc. Berufliche Bildung Informatik/
   Wirtschaft,
ŸŸ M. Sc. Berufliche Bildung Elektrische
   Energietechnik/Physik.

  Auch den Absolvent/-innen der drei­
semestrigen Masterstudiengänge mit dem
Ziel „Höheres Lehramt an beruflichen Schu-
len“ stehen wiederum mehrere Berufsper-
spektiven offen:

ŸŸ Einstieg in den Vorbereitungsdienst „Hö-
   heres Lehramt an beruflichen Schulen“,
ŸŸ Berufseinstieg: Betriebliches Bildungs-
   und Personalwesen in leitenden Positi-
   onen,
ŸŸ Berufseinstieg: Berufliche Weiterbil-
   dung in öffentlicher und privater Trä-
   gerschaft,
ŸŸ Berufseinstieg: Bildungsverwaltung, Bil-
   dungsmanagement und Bildungspolitik
   oder
ŸŸ Promotion in den Bildungswissenschaf-
   ten (Dr. phil./Dr. paed.).

  Zu den weiteren Perspektiven zählen –
insbesondere nach der Nutzung der Option
„Promotion in den Bildungswissenschaf-
ten“ – auch Tätigkeiten in der akademi-
schen Lehre sowie der berufspädagogi-
schen und fachdidaktischen Forschung.          9
ph·fr 2019

        Schulpraktische Studien: Sowohl in das        terien, der Rektorate der beteiligten       nis zum Einstellungsbedarf von jährlich
     jeweilige Bachelorstudium als auch in den        Hochschulen, der Berufspraxis und der       etwa 3.400 Lehrkräften in den Jahren 2010
     entsprechenden konsekutiven Masterstu-           relevanten Verbände (bspw. BvLB: Bun-       bis 2020 eine beträchtliche Unterdeckung
     diengang sind insgesamt drei schulprak-          desverband der Lehrkräfte für Berufs-       zu erwarten. Der Einstellungsbedarf kann
     tische Phasen integriert. Diese dienen u.a.      bildung e. V.),                             demnach im Durchschnitt nur zu 79 Pro-
     der ersten Anwendung der in den erzie-        ŸŸ Koordinierungsgruppen für jeden einzel-     zent gedeckt werden. Die Lücke zwischen
     hungswissenschaftlichen und fachdidakti-         nen der Studiengänge,                       Nachfrage und Angebot beträgt jährlich et-
     schen Veranstaltungen entwickelten Kom-       ŸŸ gemeinsame Prüfungsausschüsse sowie         was über 700 Lehrkräfte.“ (KMK 2011, S. 16)
     petenzen und sollen vor allem die spätere     ŸŸ gemeinsame Zulassungskommissionen.
     Entscheidungsfindung für den Lehrberuf                                                       Weiterentwicklungen
     erleichtern. Im Bachelorstudiengang fin-      Akkreditierung
     den zwei schulpraktische Phasen von je                                                          Das beschriebene Grundmodell zur Aus-
     drei Wochen Dauer und im Masterstudi-           Alle Bachelor- und auch alle Masterstu-      bildung angehender Lehrer/-innen für das
     engang eine Phase von vier Wochen – je-       diengänge wurden erfolgreich akkreditiert      berufliche Schulwesen wurde aufgrund der
     weils in der vorlesungsfreien Zeit – statt.   bzw. reakkreditiert. Besonders hervorzu-       guten Erfahrungen ausgebaut: Im Rahmen
                                                   heben ist, dass der zum Wintersemester         der Ausschreibung des landeseigenen Mas-
        Im Rahmen dieser Schulpraxis vertiefen     2003/2004 eingerichtete Bachelor-/Mas-         terprogramms 2016 konnte sich die Päda-
     die Studierenden ihr Wissen über das be-      terstudiengang mit der Fachrichtungs-          gogische Hochschule mit diesem Konzept
     rufliche Schulwesen, lernen ausgewählte       kombination „Elektrotechnik/Informations-      zur beruflichen Bildung durchsetzen und
     Aspekte der Bildungsgangplanung sowie         technik“ als erster Lehramtsstudiengang in     ergänzt das bisherige Angebot der beruf-
     der Schulorganisation kennen, nehmen          Deutschland überhaupt akkreditiert wurde.      lichen Bildung um drei Studienrichtungen
     im Rahmen von Hospitationen am Unter-                                                        mit insgesamt 45 Studienplätzen. Ein Stu-
     richt in verschiedenen Schularten teil und    Einstellungschancen der Absolvent/-            dienangebot dieser Art existiert bislang
     sammeln erste eigene Unterrichtserfah-        innen                                          noch nicht in Baden-Württemberg. Zum
     rungen. Während dieser Zeit übernehmen                                                       Wintersemester 2018/2019 starteten die
     sowohl erfahrene Lehrkräfte als auch die        Sowohl in Baden-Württemberg als auch         Masterstudiengänge:
     Lehrenden des Instituts für Berufs- und       deutschlandweit haben die Absolvent/-in-
     Wirtschaftspädagogik die Betreuung und        nen nach Abschluss ihres Vorbereitungs-        ŸŸ M. Ed. Berufliche Bildung – Pflege/Wirt-
     Beratung der Studierenden.                    dienstes sehr gute Einstellungschancen als        schafts- und Sozialmanagement,
                                                   Lehrende an beruflichen Schulen. Zur Lehr-     ŸŸ M. Sc. Berufspädagogik – Gesundheit/
        In die schulpraktischen Phasen sind Be-    kräftegewinnung in Baden-Württemberg              Wirtschafts- und Sozialmanagement
     gleitveranstaltungen am Staatlichen Semi-     erhalten die Anwärterinnen und Anwärter           sowie
     nar für Didaktik und Lehrerbildung (beruf-    bereits im Referendariat in den sogenann-      ŸŸ M. Sc. Berufspädagogik – Textiltechnik
     liche Schulen) Freiburg integriert.           ten „Mangelfächern“ (Elektrotechnik und           und Bekleidung/Wirtschaft.
                                                   Metalltechnik) einen Anwärtersonderzu-
       Die Einbindung der Schulpraxis in das       schlag in Höhe von 70 Prozent des Anwär-          Die jeweils viersemestrigen Masterstudi-
     Studium hat neben einer fundierten Unter-     tergrundbetrags. Für den Studienstandort       engänge bauen primär auf Bachelorstudi-
     stützung bei der Berufswahlentscheidung       Freiburg/Offenburg betrifft dies die Studie-   engängen der Pädagogischen Hochschule
     den Vorteil, dass sich das (in anderen Bun-   renden in den Fachrichtungskombinatio-         Freiburg (B. Sc. Gesundheitspädagogik für
     desländern oft zweijährige) Referendariat     nen „Elektrotechnik/Informationstechnik“,      den Master der Studienrichtung Gesund-
     auf eineinhalb Jahre verkürzt.                „Mechatronik“ sowie „Elektrische Energie-      heit), der Katholischen Hochschule Freiburg
                                                   technik/Physik“.                               (B. A. Berufspädagogik im Gesundheitswe-
     Ausgestaltung der Kooperation mit                                                            sen für den Master der Studienrichtung
     der Hochschule Offenburg                        Auch eine Erhebung der KMK zum               Pflege) bzw. der Hochschule Reutlingen
                                                   Lehrereinstellungsbedarf und Lehrerein-        (B. Eng. Textiltechnologie/Textilmanage-
       Für alle Bachelor- und auch Masterstu-      stellungsangebot in der Bundesrepublik         ment) sowie der Hochschule Albstadt-Sig-
     diengänge mit der Hochschule Offenburg        Deutschland (Juni 2011) verweist auf die       maringen (B. Eng. Textil- und Bekleidungs-
     wurden zur Verstetigung und Ausgestal-        exzellenten Einstellungschancen unserer        technologie) für den Master der beruflichen
     tung der Kooperation entsprechende Gre-       Absolvent/-innen: „Insbesondere bei den        Fachrichtung Textiltechnik und Bekleidung
     mien eingerichtet:                            Lehrämtern für den Sekundarbereich II (be-     auf. Mit der Hochschule Reutlingen und der
                                                   rufliche Fächer) oder für die beruflichen      Hochschule Albstadt-Sigmaringen beste-
     ŸŸ ein Lenkungsausschuss mit Vertreter/-      Schulen ist bei durchschnittlich 2.600 kal-    hen bereits Lehrkooperationen. Gleichzeitig
10      innen der beiden zuständigen Minis-        kulierten Neubewerber/-innen im Verhält-       stehen die neuen Angebote auch Bewer-
Schwerpunkt Berufliches Lehramt
berinnen und Bewerbern mit einem fach-        an beruflichen Schulen“ möglich ist. Die
lich eng verwandten Bachelor-Abschluss        Immatrikulation erfolgt jeweils zum Win-
anderer Hochschulen offen, in dem dort        tersemester. |
gelegte fachliche Grundlagen vertieft und
ergänzt werden.

   Das Studium umfasst jeweils die Berei-
che Bildungswissenschaften mit Berufs-
und Wirtschaftspädagogik, Fachdidaktik
und Schulpraktika sowie die Fachwissen-
schaft des jeweiligen Unterrichtsfachs. In
der Studienrichtung Gesundheit werden
darüber hinaus auch fachwissenschaftli-
che Inhalte der beruflichen Fachrichtung
vermittelt. Im Master mit der beruflichen
Fachrichtung Textiltechnik und Bekleidung
werden vor allem bildungswissenschaft-
liche Inhalte und Kompetenzen (Berufs-
und Wirtschaftspädagogik, Fachdidaktik,
Schulpraxis etc.) vermittelt, da davon aus-
gegangen wird, dass ein vertieftes ingeni-
eurwissenschaftliches und wirtschaftswis-
senschaftliches Studium vorliegt.

  Der Abschluss des M. Ed. in der Fachrich-
tung Pflege ermöglicht den Einstieg in den
Vorbereitungsdienst des Landes Baden-
Württemberg für das „Höhere Lehramt an
beruflichen Schulen“ sowie eine anschlie-
ßende Lehrtätigkeit an staatlichen und pri-
vaten Pflegeschulen.

   Absolventinnen und Absolventen der
weiteren beiden Fachrichtungen (Ab-
schluss M. Sc.) streben eine Lehrtätigkeit
in der beruflichen Aus-, Fort- und Weiter-
bildung an: in der Fachrichtung Gesund-
heit z.B. an Schulen des Gesundheitswe-
sens. In der Fachrichtung Textiltechnik und    nnProf. Dr. Andy Richter
Bekleidung sind es staatliche und private      Professor für Technik und ihre Didak-
Mode- und Textilschulen sowie eine Tätig-      tik sowie Fachdidaktik technischer
keit in der Weiterbildung der Textil- und      Fachrichtungen an der Pädagogi-
Modeindustrie, die den Absovent/-innen         schen Hochschule Freiburg.
offen stehen. Die entsprechenden Studi-
en- und Prüfungsordnungen wurden zu-           Literatur
dem im Hinblick auf die „Rahmenverein-         KMK – Sekretariat der Ständigen Konferenz der
barung über die Ausbildung und Prüfung         Kultusminister der Länder in der Bundesrepub-
für ein Lehramt der beruflichen Schulen        lik Deutschland (Juni 2011): Lehrereinstellungs-
                                               bedarf und Lehrereinstellungsangebot in der
(Lehramtstyp 5)“ der KMK so gestaltet,
                                               Bundesrepublik Deutschland Modellrechnung
dass nach dem Abschluss des Master-            2010–2020 (Juni 2011). Zu finden unter: http://
Studiums der Übergang in den Vorberei-         www.kmk.org/fileadmin/pdf/Statistik/BERICHT_
tungsdienst anderer Bundesländer bzw.          MODELLRECHNUNG_online.pdf, letzter Abruf:
der Direkteinstieg in das „Höhere Lehramt      1.10.2018.                                         11
ph·fr 2019

                                                                                                                       Christoph Nachtigall

     Studiengänge
     mit der Option Lehramt
     Kooperation der Hochschule Offenburg mit der Pädagogischen Hochschule

     S
            eit 2003 machen die Hochschule               Studierenden der Hochschule Offen-          Hochschulen angehören, besprochen und
            Offenburg und die Pädagogische            burg das Lehramt an beruflichen Schu-          nach Lösungen gesucht, wenn es irgend-
            Hochschule Freiburg gemeinsame            len zu ermöglichen, hilft, den notorischen     wo klemmt. Auf diese Weise wird ständig
            Sache. Fünf verschiedene Bachelor-        Lehrkräftemangel an beruflichen Schulen        gemeinsam an der Qualität der Studien-
     studiengänge tragen den Zusatz „plus“ im         zu lindern. Auch Studierenden ohne allge-      gänge gearbeitet.
     Namen, der darauf hinweist, dass auch Bil-       meine Hochschulreife wird damit der Weg
     dungswissenschaften im Studium vermit-           zum höheren Dienst im Lehramt geebnet.            Alle wichtigen Dokumente, wie bei-
     telt werden („plus Pädagogik“): Elektrotech-     Gleichzeitig bietet das Lehramt eine inte-     spielsweise die Studien- und Prüfungs-
     nik/Informationstechnik plus, Elektrische        ressante Alternative zur Berufstätigkeit in    ordnung, werden von den Gremien bei-
     Energietechnik/Physik plus, Mechatronik          der Industrie. Doch auch die Industrie pro-    der Hochschulen beschlossen. Auch an der
     plus, Medientechnik/Wirtschaft plus, Wirt-       fitiert: Absolvent/-innen der Plus-Studien-    Auswahl der Master-Studierenden und in
     schaftsinformatik plus.                          gänge haben außer den üblichen Qualifika-      den Prüfungsausschüssen sind Professo-
                                                      tionen als Ingenieurinnen und Ingenieure       rinnen und Professoren beider Hochschu-
        Absolvent/-innen dieser Studiengänge          Kenntnisse in den Bildungswissenschaften       len beteiligt.
     haben nach dem Studium einen Abschluss           erworben, die wertvoll für die Unterneh-
     in Händen, der sie für eine Berufstätigkeit in   men sind. Das gilt für die tägliche Arbeit     Für wen sind die Plus-Studiengänge
     der Industrie, für ein weiterführendes Mas-      in Entwicklungsprojekten, aber auch für        interessant?
     ter-Studium oder ein weiterführendes Mas-        die Tätigkeit der Absolvent/-innen in der
     ter-Lehramtsstudium qualifiziert. Letztere       betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder        Für die meisten Studierenden ist die
     werden auch gemeinsam von den beiden             bei der Schulung von Kunden.                   Wahlmöglichkeit zwischen Ingenieurberuf
     Hochschulen angeboten. Das Lehramt an                                                           und Lehrer/-innenberuf ausschlaggebend
     beruflichen Schulen und die Industrie ste-         Diese Beispiele zeigen, wie die Kooperati-   für die Entscheidung für einen Plus-Stu-
     hen als mögliche Arbeitsgebiete offen. Die       on der Pädagogischen Hochschule mit der        diengang. Einigen bringt das Studium den
     Entscheidung für das eine oder andere muss       Hochschule Offenburg Chancen eröffnet für      Lehrer/-innenberuf aber auch erst nahe. Ein
     erst nach sieben Semestern, die ein Praxisse-    die Studierenden, die Schulen, die Industrie   Student sagte zum Beispiel: „Der Studien-
     mester in der Industrie und zwei Schulprak-      und auch für die Hochschulen selbst.           gang bietet die Möglichkeit, Technik und
     tika enthalten, getroffen werden. Bis dahin                                                     Pädagogik zu verbinden. Die Schulpraxis-
     erwerben die Studierenden also Erfahrungen       Kooperation leben                              phasen haben das Interesse am Unterrich-
     aus beiden Berufsfeldern. Das ist der große                                                     ten geweckt und mir somit den Beruf des
     Vorteil dieses Studienmodells. Die Schul-           Wo viele zusammenarbeiten, muss auch        Lehrers näher gebracht.“
     praktika und das eventuelle Referendariat        koordiniert werden. Dies geschieht auf
     werden vom dritten Partner im Bunde, dem         mehreren Ebenen. Die Studierenden der            Für andere Studierende sind die Chancen
     Staatlichen Seminar für Didaktik und Leh-        Plus-Studiengänge studieren gleichzeitig       auf dem Arbeitsmarkt wichtiger: „Das zwei-
     rerbildung in Freiburg, organisiert.             an beiden Hochschulen und profitieren          gleisige Studium ist sehr interessant, weil
                                                      von beiden gleichermaßen. Beide Hoch-          man sich so für die Zukunft viele Chancen
     Kooperation als Win-Win-Situation                schulen haben jeweils eigene Kulturen, die     auf dem Arbeitsmarkt offen hält.“
     für alle Beteiligte                              sich ergänzen, aber auch unterscheiden.
                                                      Dies ist für die Studierenden Bereicherung        Manche Studierende wiederum möchten
        An beruflichen Schulen werden dringend        und Herausforderung zugleich.                  über den Tellerrand hinausschauen und se-
     Lehrer/-innen gesucht, die Inhalte vermit-                                                      hen den bildungswissenschaftlichen Anteil
     teln, die in den Studiengängen der Hoch-           Die Studienkommissionen an bei-              in ihrem Studium als Bereicherung und Er-
     schule Offenburg gelehrt werden. Viele der       den Hochschulen ermöglichen den Stu-           gänzung zu einem ingenieurwissenschaft-
     Studierenden aus Offenburg haben selbst          dierenden, mit den Professorinnen und          lichen Studium, der Spaß macht und später
     eine Berufsausbildung absolviert oder ihre       Professoren der Studiengänge zu reden,         im Beruf hilfreich ist.
     Hochschulzugangsberechtigung an einer            Anregungen zu geben und Probleme auf-
     beruflichen Schule erworben. Sie kennen          zuzeigen. Diese Aspekte werden in regel-         Zusammenfassend kann man sagen:
     diese Schulen also häufig aus eigener Er-        mäßigen Sitzungen der Koordinierungs-          Studium plus Pädagogik bietet eine Men-
12   fahrung.                                         gruppe, der Professor/-innen aus beiden        ge Vorteile! |
Schwerpunkt Berufliches Lehramt
nn„Sweaty“ ist ein Fußball spielender, humanoider
Roboter, der 2014 erstmals an der RoboCup Welt-
meisterschaft in Brasilien teilgenommen hat. Er ist
das „Aushängeschild“ der Hochschule Offenburg in
Sachen Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Elek-
trotechnik, Informationstechnik sowie Medien und
Informationswesen. Anhand des Projekts können die
Studierenden das in der Theorie, während ihres Stu-
diums, erlernte Wissen in die Praxis umsetzen und
durch eigene kreative Ideen ergänzen.
                           Foto: HAW Offenburg

  nnProf. Dr. Christoph Nachtigall
  Studiendekan der Bachelorstudien-
  gänge „Elektrische Energietechnik/
  Physik EP“ und „Elektrische Ener-
  gietechnik/Physikplus“ (EP-plus)
  (Fakultät für Elektrotechnik und
  Informationstechnik) an der HAW
  Offenburg.                                          13
ph·fr 2019

                                                                                                                              Patrick Schlaich

     Mit einem Plus-Studiengang ins
     Lehramt an beruflichen Schulen
     Praxisphasen während des Studiums

     W
                   enn von den Plus-Studien-         möglichkeiten an beruflichen Schulen sind     Kultusministeriums über den Vorberei-
                   gängen gesprochen wird,           somit äußerst vielfältig und reizvoll.        tungsdienst und die Zweite Staatsprüfung
                   dann sind damit die Koope-                                                      für die Laufbahn des höheren Schuldiens-
                   rationsstudiengänge der              Im Schulpraxissemester besuchen die        tes an beruflichen Schulen“ (kurz: BSPO II).
     Pädagogischen Hochschule Freiburg mit           Studierenden in jedem der drei Module an
     der Hochschule für angewandte Wissen-           drei Tagen das Staatliche Seminar für Di-       Für Studierende, die sich nach Abschluss
     schaften Offenburg gemeint. Diese Studi-        daktik und Lehrerbildung (SSDL, Berufliche    ihres Masters für das Lehramt entscheiden,
     engänge bieten den Studierenden die Mög-        Schulen) Freiburg, um dort in den Fach-       schließt sich an das Studium der 18-mo-
     lichkeit, nach Abschluss des Masters ihre       didaktiken der beiden Fächer (insgesamt       natige Vorbereitungsdienst für das höhere
     Berufslaufbahn wahlweise als Lehrer/-in         acht Stunden je Fach) sowie in den Erzie-     Lehramt an einem Staatlichen Seminar für
     an einer beruflichen Schule (im höheren         hungswissenschaften (insgesamt dreißig        Didaktik und Lehrerbildung nahtlos an. In
     Dienst) oder in der freien Wirtschaft zu        Stunden) auf den bevorstehenden Einsatz       Baden-Württemberg gibt es neben Freiburg
     beginnen. Das „Plus“ weist auf diese Po-        an den Schulen vorbereitet zu werden. Den     mit Karlsruhe, Stuttgart und Weingarten
     lyvalenz hin.                                   rechtlichen Rahmen dazu hat das Kultus-       drei weitere Seminarstandorte. Durch die
                                                     ministerium in Zusammenarbeit mit dem         bereits umfassende Vorbereitung auf die
       Eine weitere Besonderheit der Plus-Stu-       Ministerium für Wissenschaft, Forschung       Lehrtätigkeit seitens der Pädagogischen
     diengänge ist, dass die Studierenden Vorle-     und Kunst geschaffen. An den zugewiese-       Hochschule sowie die Unterrichtserfah-
     sungen und Seminare an zwei Fakultäten          nen Ausbildungsschulen machen die Stu-        rungen während des Praxissemesters –
     besuchen, da für das Lehramt im höheren         dierenden im Anschluss erste Unterrichts-     das fachwissenschaftliche Rüstzeug hat
     Dienst zwei Fächer erforderlich sind. An        erfahrungen, natürlich unter Beobachtung      die Hochschule Offenburg beigesteuert –
     der Hochschule Offenburg werden derzeit         und Anleitung einer Ausbildungslehrerin       fällt den Absolventinnen und Absolventen
     fünf Plus-Studiengänge angeboten: Elek-         oder eines Ausbildungslehrers. Das frühe      der Plus-Studiengänge der Weg durch das
     trotechnik/Informationstechnik plus (EI+),      Kennenlernen des Unterrichtens – das erste    Referendariat in der Regel leicht.
     Elektrische Energietechnik/Physik plus          Modul des Praxissemesters findet bereits
     (EP+), Informatik/Wirtschaft plus (WIN+),       im 3. Semester statt – hat sich als großer      So kann im Fazit gesagt werden, dass die
     Mechatronik plus (MK+), Medientechnik/          Vorteil erwiesen, weil die Studierenden       Plus-Studiengänge den Studierenden zwar
     Wirtschaft plus (MW+).                          schon in den ersten Semestern feststellen,    einiges abverlangen, sie aber im Anschluss
                                                     ob der Lehrberuf für sie in Frage kommt       bestens für das „Berufliche Lehramt“ oder
        Während ihres Studiums absolvieren           oder nicht. Ebenfalls denkbar ist, zunächst   für eine Industrietätigkeit qualifiziert sind. |
     die Studierenden ein Schulpraxissemester,       einige Jahre in der Industrie tätig zu sein
     das in drei Module aufgeteilt ist. Zwei drei-   und im Anschluss den Vorbereitungsdienst
     wöchigen Phasen während des Bachelor-           für das berufliche Lehramt zu absolvieren.
     Studiums schließt sich eine vierwöchige         Die hierdurch erworbene Berufserfahrung
     Phase im Master-Studium an. In dieser           ist im beruflichen Schulwesen von großem
     Zeit erhalten die Studierenden erste Ein-       Nutzen.
     blicke in die Tätigkeit als Lehrer/-in an ei-
     ner beruflichen Schule. Die Bezeichnung            Um einen reibungslosen Ablauf zu er-
     „beruflich“ ist hierbei als Überbegriff für     möglichen, finden zwischen den beteiligten
     Schularten zu verstehen, die Jugendliche        Institutionen – Pädagogische Hochschule
     und junge Erwachsene für eine Berufstä-         Freiburg, Hochschule Offenburg und SSDL
     tigkeit qualifizieren oder sie in einem Beruf   (Berufliche Schulen) Freiburg – regelmäßi-
     aus- oder weiterbilden. Neben der „klassi-      ge Treffen statt, an denen über die inhalt-     nnProf. Patrick Schlaich
     schen“ Berufsschule zählen beispielsweise       liche Ausgestaltung der Veranstaltungen         Bereichsleiter (Seminarentwicklung)
     ein-, zwei- und dreijährige Berufskollegs,      gesprochen und diese aufeinander ab-            am Staatlichen Seminar für Didaktik
     ein- und zweijährige Berufsfachschulen,         gestimmt werden. Als Grundlage hierfür          und Lehrerbildung (Berufliche Schu-
     die Beruflichen Gymnasien sowie Techni-         dienen die Studienordnungen der beiden          len) in Freiburg.
14   ker- und Meisterschulen dazu. Die Einsatz-      Hochschulen sowie die „Verordnung des
Sie können auch lesen