Kommunikation & - Löffel Abrar

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Kommunikation
 &Recht
Betriebs-Berater für
  Medien Telekommunikation Multimedia

       7/8         Editorial I: YouTuber sind keine Zeitungsredaktionen
                   Dr. Simon Assion
                   Editorial II: 5G nach der Auktion: Und jetzt? · Dr. Grace Nacimiento

       K&R   433   Die Europäische Urheberrechtsrichtlinie (EU) 2019/790
                   Marthe Schaper und Dr. Urs Verweyen
             441   Die Entwicklung des Urheberrechts seit Mitte 2018
                   Dr. Alexander R. Klett und Dr. Christoph Mikyska
             447   Besteht ein Restore-Anspruch bei #twittersperrt?
                   Sebastian Laoutoumai und Oliver Löffel
             451   Änderungen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch das
                   GeschGehG – Eine Synopse · Alev Gündoğdu und Sascha Hurst
             456   Zur Kompatibilität beim Updating verbundener Systeme
                   Dr. Florian Deusch und Prof. Dr. Tobias Eggendorfer
             464   Zur Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereiches der DSGVO
                   Dr. Christian Rabe
             468   Aktuelle Lizenzgebühren in Patentlizenz-, Know-how- und
                   Computerprogrammlizenz-Verträgen: 2017/2018
                   Dr. Michael Groß
             473   Länderreport Österreich · Prof. Dr. Clemens Thiele
             475   EuGH: Kontaktdaten im Fernabsatz müssen nicht zwingend eine
                   Telefonnummer umfassen
                   mit Kommentar von Dr. Christian Dienstbühl
             487   EuGH: E-Mail-Dienst ohne Vermittlung eines Internetzugangs stellt
                   keinen elektronischen Kommunikationsdienst dar
                   mit Kommentar von Pascal Schumacher

                   Beilage 1/2019
                   18. @kit-Kongress – 8. Forum „Kommunikation & Recht“ und
                   @kit-Tagung „Künstliche Intelligenz“

             22. Jahrgang      Juli /August 2019                        Seiten 433 – 532

                                                 ·
K &R        7/8/2019                                                              Laoutoumai/Lçffel, #twittersperrt                    447

   RA Sebastian Laoutoumai, LL.M., Essen und RA Oliver Lçffel, Dsseldorf *

   Besteht ein Restore-Anspruch bei #twittersperrt?
   Durchsetzung von Ansprchen auf Wiederherstellung rechtmßiger
   Meinungsußerungen auf Social Media Plattformen

Social Media Plattformen stehen derzeit stark im Fokus          die Wahlen durch gezielte Desinformationskampagnen aus
des Gesetzgebers und der Gerichte. Die Mçglichkeit, ano-        dem (nicht-europischen) Ausland gestçrt werden kçnn-
nym seine Meinung frei zu verçffentlichen, birgt das Risi-      ten.2 Aufgrund der Erfahrungen aus den zurckliegenden
ko, dass auch Beitrge verçffentlicht werden, die in die        Wahlkmpfen, insbesondere aus den USA hatte es sich die
Rechte Dritter eingreifen kçnnen. In diesem Zusammen-           Europische Kommission zur Aufgabe gemacht, eine Ein-
hang wurden den Betreibern reichweitenstarker Plattfor-         flussnahme auf die Wahlen durch gezielte Desinformati-
men ber das NetzDG weitreichende Pflichten zur Verfol-         onskampagnen zu verhindern.3 Hierzu wurde ein Aktions-
gung rechtswidriger ußerungen auferlegt. Neu ist, dass         plan gegen Desinformationen erstellt, der verschiedene
Social Media Plattformen auch jenseits von Hate Speech          Maßnahmen beinhaltete und auf vier Sulen aufbaut, nm-
beginnen, Beitrge zu lçschen, die nach der Ansicht der         lich:
Betreiber geeignet sind, andere Nutzer zu beeinflussen. Es      – Ausbau der Fhigkeiten der Organe der Union, Des-
stellt sich die Frage, ob es nach der Lçschung eines               informationen zu erkennen, zu untersuchen und zu ent-
rechtlich zulssigen Beitrags einen Anspruch auf Wieder-           hllen;
herstellung gibt und wenn ja, wie dieser prozessual durch-      – Mehr koordinierte und gemeinsame Maßnahmen der
gesetzt werden kann.                                               EU-Organe und der Mitgliedsstaaten zum Thema Des-
                                                                   information;
I. Hintergrund                                                  – Mobilisierung des Privatsektors bei der Bekmpfung
                                                                   von Desinformation;
Kurz vor den Wahlen des neuen Europaparlamentes muss-           – Sensibilisierung fr das Thema Desinformation in der
ten zahlreiche Nutzer des Social Media Dienstes Twitter            Gesellschaft und Ausbau ihrer Widerstandsfhigkeit.
feststellen, dass deren Accounts aufgrund bestimmter Bei-
trge gesperrt wurden. Hintergrund dieser Sperren sind
genderte Nutzungsbedingungen, die es Twitter erlauben          2. Begriff der „Desinformation“
sollen, auch solche Beitrge sperren zu kçnnen, die zwar        Im Zentrum smtlicher Maßnahmen steht der Begriff der
im Grunde keine Straftat darstellen oder sonst in rechts-       „Desinformation“. Dieser wird von der Europischen
widriger Art und Weise in die Rechte eines Dritten ein-         Kommission wie folgt definiert:
greifen, aber aufgrund ihres Inhaltes geeignet sind, Ein-
fluss auf das Wahlverhalten anderer Nutzer zu nehmen. So        „Desinformationen sind nachweislich falsche oder irrefh-
heißt es in der Richtlinie zur Integritt von Wahlen unter      rende Informationen, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen
anderem:                                                        Gewinns oder der vorstzlichen Tuschung der ffentlich-
                                                                keit konzipiert, vorgelegt und verbreitet werden und çf-
„Was gilt als Verstoß gegen diese Richtlinie? Das Verbot        fentlichen Schaden anrichten kçnnen. Unter ‚çffentlichem
von Verhalten und Inhalten, die wir gemß dieser Richtli-       Schaden‘ sind Bedrohungen fr die demokratischen Pro-
nie als ‚manipulativ‘ einstufen, gilt fr drei Kategorien:      zesse sowie fr çffentliche Gter wie die Gesundheit der
Irrefhrende Informationen zur Teilnahme.                       Unionsbrgerinnen und -brger, die Umwelt und die Si-
Es ist nicht erlaubt, falsche oder irrefhrende Informatio-     cherheit zu verstehen. Versehentliche Fehler bei der Be-
nen zur Art und Weise der Teilnahme an einer Wahl oder          richterstattung, Satire und Parodien oder eindeutig gekenn-
einer anderen Brgerabstimmung zu teilen. Dies umfasst,         zeichnete parteiliche Nachrichten oder Kommentare sind
ist aber nicht beschrnkt auf:                                  keine Desinformation.“4
– Irrefhrende Informationen ber die Art und Weise der         Da relativ schnell ein Beitrag geeignet ist, auf die Wahl-
    Abstimmung oder die Registrierung fr eine Wahl             entscheidung anderer Nutzer Einfluss zu nehmen, beinhal-
    (z. B. dass es mçglich ist, per Tweet, SMS, E-Mail oder     tet die Definition ausdrcklich ein Korrektiv. Hiernach
    Telefon abzustimmen).                                       sollen bestimmte Fallkonstellationen ausdrcklich nicht
– Irrefhrende Informationen zu den Voraussetzungen
    fr die Wahlberechtigung, z. B. erforderliche Identitts-   * Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. XII. Alle zitierten Internetquel-
    nachweise.                                                    len wurden zuletzt abgerufen am 28. 6. 2019.
                                                                1 Richtlinie zur Integritt von Wahlen, abrufbar unter: https://help.twitter.
– Irrefhrende Aussagen oder Informationen zum amtlich            com/de/rules-and-policies/election-integrity-policy.
    festgelegten Datum oder zur Uhrzeit der Wahl“.1             2 Hinweis der Bundesregierung zum EU-Aktionsplan gegen Desinforma-
                                                                  tionen, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/di
                                                                  gitalisierung/gut-geschuetzt-gegen-desinformationen-1601226.
1. Vorstoß der Europischen Kommission im Kampf                 3 Aktionsplan gegen Desinformation der Europischen Kommission vom
   um Desinformationskampagnen                                    5. 12. 2018, S. 1 f., abrufbar unter: https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/
                                                                  aktionsplan_gegen_desinformation.pdf; ausfhrlich zu den rechtlichen
Twitter reagierte mit dieser nderung der eigenen Nut-            Implikationen des Kampfes gegen Desinformation Mafi-Gudarzi, ZRP
zungsbedingungen auf einen Vorstoß der Europischen               2019, 65 ff.
                                                                4 Aktionsplan gegen Desinformation der Europischen Kommission vom
Kommission zur Bekmpfung von Falschinformationen                 5. 12. 2018, S. 1, abrufbar unter: https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/akti
im Vorfeld von Wahlen. Man ist davon ausgegangen, dass            onsplan_gegen_desinformation.pdf.
448       Laoutoumai/Lçffel, #twittersperrt                                                                     7/8/2019           K &R

als Desinformation gelten, wozu auch Beitrge mit satiri-    Betreiber die Nutzung seiner Online-Plattform nur be-
schem oder parodistischem Hintergrund gehçren.               schrnken, soweit dafr eine vertragliche oder eine gesetz-
                                                             liche Grundlage besteht.14 Dabei steht es den Betreibern
3. Einbindung der Online-Plattformen                         von Online-Plattformen zunchst frei, Richtlinien aufzu-
Aufgrund ihrer enormen Reichweite spielen Online-Platt-      stellen, mit denen das Nutzungsverhalten auf der eigenen
formen bei der Bekmpfung von Desinformationen eine          Plattform geregelt werden soll.15 Auf Basis dieser Richt-
wesentliche Rolle.5 Vor diesem Hintergrund beinhaltet        linien steht es den Betreibern dann auch grundstzlich frei,
der Aktionsplan als dritte Sule die Mobilisierung des       Beitrge, die gegen diese Richtlinien verstoßen, zu sperren
Privatsektors bei der Bekmpfung von Desinformationen.       und zu lçschen.16 Dieser Grundsatz findet jedoch dort
In diesem Zusammenhang haben die großen Online-Platt-        seine Grenzen, wo die Ausbung der eigenen Befugnisse
formen (Facebook, Google, Twitter und Mozilla) einen         durch den Betreiber einer Online-Plattform nicht mehr im
gemeinsamen Verhaltenskodex unterzeichnet. Hierdurch         Einklang steht mit den Wertentscheidungen des Grund-
verpflichten sich die Online-Plattformen, geeignete Maß-     gesetzes.17 Insoweit entfalten die Grundrechte, hier ins-
nahmen zur Bekmpfung von Desinformationen zu er-            besondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach
greifen. In diesem Kontext sind dann auch die zahlrei-       Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG mittelbare Drittwirkung.18 Anerkannt
chen Sperren auf Twitter zu beurteilen. Nach den zahl-       ist, dass Grundrechte als Teil der objektiven Wertordnung
reichen gerichtlichen Entscheidungen zur Lçschung von        des Grundgesetzes eine Ausstrahlungswirkung auf das
sog. Hate-Speech6 stellt sich die Frage erneut, ob ein       Zivilrecht haben.19 Hieraus wird zum einen gefolgert, dass
Nutzer einen Anspruch auf Wiederherstellung eines von        bereits deswegen zulssige Meinungsußerungen eines
einer Online-Plattform gesperrten Beitrages hat und wenn     Nutzers berhaupt nicht gelçscht werden drfen.20 ber-
ja, wie ein solcher Anspruch prozessual durchgesetzt         wiegend wird jedoch zu Recht vertreten, dass eine Ent-
werden kann.7                                                scheidung ber die Lçschung/Sperrung erst nach einer
                                                             Abwgung der sich gegenberliegenden Interessen im
                                                             Einzelfall erfolgen darf. Diese Abwgung kann im Zweifel
II. Materiell-rechtlicher Anspruch auf Wieder-               auch dazu fhren, dass eine an sich rechtmßige Mei-
    herstellung                                              nungsußerung durch den Betreiber einer Online-Platt-
Ob ein Anspruch auf Wiederherstellung eines Beitrages        form gelçscht werden darf, wenn seine Interessen im Ein-
besteht, hngt maßgeblich von der Frage ab, ob die Online-   zelfall berwiegen.21
Plattform den Beitrag sperren oder gar lçschen durfte. Ist   Bei der anzustellenden Interessenabwgung sind folglich
die Lçschung oder Sperrung des Beitrages bereits zulssig,   die Interessen des Nutzers mit den Interessen des Betrei-
besteht kein Raum mehr fr einen Anspruch des Nutzers        bers der Online-Plattform gegenberzustellen. Die kolli-
auf Wiederherstellung.                                       dierenden Grundrechtspositionen der Beteiligten sind da-
                                                             her in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem
1. Vertragliche Grundlage                                    Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu
a) Bestehen eines Vertragsverhltnis zwischen Nutzer und     bringen, dass sie fr alle Beteiligten mçglichst weitgehend
    Plattform                                                wirksam werden.22 Die Nutzer kçnnen sich dabei auf das
                                                             Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1
Zwischen dem Betreiber der Online-Plattform und dem          GG berufen. Der Betreiber der Online-Plattform kann sich
einzelnen Nutzer besteht ein Vertrag ber die Nutzung der
konkreten Plattform.8 Dabei kann es fr die Frage nach der    5 Aktionsplan gegen Desinformation der Europischen Kommission vom
Berechtigung zur Lçschung eines Beitrages regelmßig            5. 12. 2018, S. 9, abrufbar unter: https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/akti
dahinstehen, unter welchen Vertragstypen des Brger-            onsplan_gegen_desinformation.pdf.
                                                              6 LG Frankfurt a. M., 14. 5. 2018 – 2-03 O 182/18; OLG Karlsruhe, 25. 6.
lichen Gesetzbuches (z. B. Dienst- od. Mietvertrag) der         2018 – 15 W 86/18; OLG Dresden, 8. 8. 2018 – 4 W 577/18; OLG Mn-
Nutzungsvertrag zu fassen ist.9                                 chen, 24. 8. 2018 – 18 W 1294/18; K&R 2019, 131 ff.; LG Heidelberg,
                                                                28. 8. 2018 – 1 O 71/18; OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18; OLG
                                                                Mnchen, 17. 9. 2018 – 18 W 1383/18; LG Offenburg, 26. 9. 2018 –
b) Gegenseitige Pflichten aus dem Vertragsverhltnis            2 O 310/18; LG Bamberg, 18. 10. 2018 – 2 O 248/17.
Bereits aus dem Nutzungsvertrag ist der Betreiber einer       7 Bezogen auf die Hate-Speech-Flle ist die Literatur uneinheitlich, wobei
                                                                diese wohl zu Recht dazu tendiert, dem Nutzer einen Anspruch auf
Online-Plattform in jedem Fall dazu verpflichtet, die On-       Wiederherstellung nicht zu gewhren, so unter anderem: Ldemann,
line-Plattform ihren Nutzern unter anderem fr die Verçf-       MMR 2019, 279 ff.; Beurskens, NJW 2018, 3418 ff.; Ring, MDR 2018,
fentlichung von Inhalten zur Verfgung zu stellen.10 Dabei      1469 ff.; Spindler, CR 2019, 238 ff.; Heeremann/Selzer, CR 2019, 271 ff.;
                                                                differenziert Holznagel, CR 2018, 369 ff.; wohl a. A. Elsaß/Labusga/Ti-
wird dem Nutzer regelmßig erlaubt, eigene Beitrge zu          chy, CR 2019, 234 ff.
verfassen und zu posten und die Beitrge anderer Nutzer zu    8 LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
kommentieren oder zu bewerten.11 Die genaue Gegenleis-          diesem Heft); OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
                                                              9 OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
tung des Nutzers ist nicht stets klar umrissen, sie liegt    10 OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
regelmßig jedoch darin, dass der Betreiber der Online-      11 Vgl. OLG Mnchen, 17. 9. 2018 – 18 W 1383/18.
Plattform die erhaltenen Daten des Nutzers unter anderem     12 Brutigam/v. Sonnleithner, in: Hornung/Mller-Terpitz, Rechtshandbuch
                                                                Social Media, 2015, Kap. 3, S. 43 f., Rn. 18.
fr Werbezwecke nutzen darf.12                               13 LG Offenburg, 26. 9. 2018 – 2 O 310/18.
                                                             14 LG Offenburg, 26. 9. 2018 – 2 O 310/18.
c) Berechtigung der Plattform zur Lçschung und               15 LG Offenburg, 26. 9. 2018 – 2 O 310/18.
                                                             16 LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
   Sperrung                                                     diesem Heft).
Aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen          17 LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
                                                                diesem Heft); LG Offenburg, 26. 9. 2018 – 2 O 310/18.
Nutzungsvertrag ist der Betreiber einer Online-Plattform     18 LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
also zunchst gegenber seinen Nutzern verpflichtet, die        diesem Heft); LG Offenburg, 26. 9. 2018 – 2 O 310/18.
bereitgestellt Infrastruktur zur Einstellung eigener und     19 BVerfG, 23. 4. 1986 – 2 BvR 487/80.
                                                             20 LG Frankfurt a. M., 14. 5. 2018 – 2-03 O 182/18.
Kommentierung fremder Inhalte zur Verfgung zu stel-         21 Statt vieler nur OLG Dresden, 8. 8. 2018 – 4 W 577/18.
len.13 Aufgrund dieser vertraglichen Bindung kann der        22 OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
K &R        7/8/2019                                                              Laoutoumai/Lçffel, #twittersperrt               449
dagegen auf die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG (allg.         Die Interessenabwgung kann im Einzelfall freilich auch
Handlungsfreiheit), 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit), 14           zugunsten des Betreibers der Online-Plattform ausgehen,
Abs. 1 GG (Eigentumsfreiheit) berufen. Da aber die von          insbesondere dann, wenn Nutzer zur bewussten Beeinflus-
den Online-Plattformen erlassenen Richtlinien auch dem          sung der anderen Nutzer bewusst unwahre Tatsachenbe-
Schutz der anderen Nutzer dienen, sind auch deren Inte-         hauptungen aufstellen. In diesem Fall kann sich der Nutzer
ressen bei der Abwgung der sich gegenberstehenden             bereits nicht auf die Meinungsußerungsfreiheit nach
Interessen mit einzubeziehen.23 In den von den Gerichten        Art. 5 Abs. 1 GG berufen, da diese die Behauptung unwah-
bislang entschiedenen Fllen zur Lçschung von Hate              rer Tatsachen gerade nicht umfasst. Darber hinaus ist zu
Speech-Kommentaren fiel die Interessenabwgung ber-            bercksichtigen, dass mit der Richtlinie zur Integritt von
wiegend zugunsten der Betreiber der Online-Plattformen          Wahlen das Ziel verfolgt wird, Wahlen vor Manipulatio-
aus.24 Dies wurde regelmßig damit begrndet, dass bei          nen oder Beeintrchtigungen zu bewahren. Hierbei handelt
einer unterbliebenen Lçschung bzw. Sperrung der Betrei-         es sich um ein weiteres berechtigtes Interesse, was gegen-
ber selber Gefahr liefe, wegen rechtswidriger Inhalte, die      ber der bewussten Verbreitung von unwahren Tatsachen
Straftatbestnde nach § 1 Abs. 3 NetzDG erfllten, ber         Vorrang genießt.
§ 4 NetzDG, oder bei unerlaubten Handlungen als mittel-
barer Stçrer in Anspruch genommen zu werden.25 So fhrt         2. Zwischenergebnis
das OLG Stuttgart hierzu stellvertretend aus:                   Die Rechtsprechung tendiert in den Hate Speech Sachver-
„Besteht fr die Ag. nach den Umstnden jedoch eine             halten dazu, Betreibern von Online-Plattformen ein Recht
berechtigte Gefahr, selbst gem. § 4 NetzDG oder als mit-        zur Lçschung von Beitrgen zuzugestehen, wenn diese
telbare Stçrerin in Anspruch genommen zu werden, hat die        Beitrge die berechtigte Gefahr fr den Betreiber begrn-
Meinungsfreiheit, und zwar lediglich, seine Meinung ge-         den, bei Nicht-Lçschung selber in Anspruch genommen zu
rade auf der Plattform der Ag. zu ußern, im Rahmen der         werden. Diese Gefahr besteht im Kontext der Bekmpfung
Abwgung jedenfalls zurckzutreten. (...). Es handelt sich      von Desinformation regelmßig nicht, insbesondere dann
um eine Meinungsußerung zumindest hart an der Grenze           nicht, wenn der Beitrag erkennbar einen satirischen Hin-
zur unzulssigen Schmhkritik. Schmhkritik genießt             tergrund hat. Die Sperrung bzw. Lçschung eines solchen
nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Sie setzt voraus,        Beitrages greift damit in unzulssiger Weise in die Rechte
dass jenseits auch polemischer und berspitzter Kritik          des Nutzers ein und begrnden einen Anspruch auf Wie-
nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern         derherstellung des gelçschten bzw. gesperrten Beitrages.31
allein die Diffamierung der Person im Vordergrund               Anders kann die Interessenabwgung dann ausfallen, wenn
steht.“26                                                       der betroffene Beitrag unter die Definition von „Desinfor-
Vergegenwrtigt man sich noch einmal die Definition von         mation“ subsumiert werden kann. In diesem Fall sind vor
„Desinformation“ und auch die zitierte Richtlinie von           allem auch die Interessen der anderen Nutzer zu berck-
Twitter, stellt man sehr schnell fest, dass die Gefahr der      sichtigen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, von
eigenen Inanspruchnahme bei Beitrgen im Kontext der            gezielten Falschinformationen verschont zu bleiben.
Bekmpfung von Desinformation nicht besteht. Beitrge
wie                                                             III. Durchsetzung des Anspruchs auf Wieder-
„Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung fr alle                 herstellung
AfD-Whler. Unbedingt den Stimmzettel unterschrei-              Steht fest, dass die Sperrung bzw. Lçschung eines Beitra-
ben.;-)“27                                                      ges zu Unrecht erfolgt ist, stellt sich die Frage, wie ein
setzen den Betreiber einer Online-Plattform nicht der Ge-       Anspruch auf Wiederherstellung durchgesetzt werden
fahr aus, selber von einem Dritten in Anspruch genommen         kann.
zu werden. Weder wird hier eine Katalogtat des § 1 Abs. 3
NetzDG verwirklicht, noch handelt es sich um einen Kom-         1. Außergerichtliches Vorgehen
mentar, der sich hat an der Grenze zur unzulssigen             Die Nutzungsbedingungen von Twitter sehen ein eigenes
Schmhkritik bewegt. Bei diesem Beitrag handelt es sich         Einspruchsverfahren vor. Ist ein Nutzer mit der Sperrung
erkennbar um einen satirischen Beitrag. Zwar soll hier-         seines Beitrages nicht einverstanden, kann er hiergegen bei
durch zugleich die eigene innere Ablehnung zur Politik der      Twitter Einspruch erheben. Ob die Durchfhrung dieses
AfD zum Ausdruck gebracht werden. Hierdurch werden              Einspruchsverfahrens eine fçrmliche außergerichtliche
aber die Grenzen zur Schmhkritik erkennbar nicht ber-         Abmahnung ersetzt, drfte zweifelhaft sein, sodass relativ
schritten.28 Hierbei handelt es sich noch nicht einmal um       zeitnah auch eine fçrmliche Abmahnung mit einer ent-
„Desinformation“ im Sinne des gemeinsamen Verhaltens-           sprechenden Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten
kodexes, sodass auch eine Beanstandung durch die Euro-          Unterlassungserklrung ausgesprochen werden sollte, um
pische Kommission nicht zu befrchten ist. Bercksich-         eine negative Kostenfolge bei einem sofortigen Aner-
tigt man all dies, spricht vieles dafr, dass die Interessen-   kenntnisses zu vermeiden.
abwgung in einem solchen Fall zugunsten des betroffenen
Nutzers ausfllt.29 Der Nutzer kann auch nicht mit der          23   OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
Begrndung auf eine andere Online-Plattform verwiesen           24   Statt aller nur OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
                                                                25   OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
werden, dass von dem Grundrecht auf freie Meinungsu-           26   OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
ßerung nicht umfasst sei, seine Meinung allein auf einer        27   Dieser Beitrag war zum Beispiel Gegenstand des Verfahrens LG Nrnberg-
ganz bestimmten Plattform verbreiten zu kçnnen. Diese                Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in diesem Heft).
                                                                28   LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
Argumentation blendet aus, dass zwischen den Parteien ein            diesem Heft).
Vertragsverhltnis besteht, welches einen Erfllungsan-         29   So auch LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019,
spruch allein gegen seinen Vertragspartner begrndet, die-           524 ff. (in diesem Heft); LG Dresden, 21. 6. 2019 – 1 a O 1056/19.
                                                                30   OLG Mnchen, 24. 8. 2018 – 18 W 1294/18, K&R 2019, 131 ff.
ser sich hierber also nicht mit Verweis auf andere Anbie-      31   LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
ter hinwegsetzen kann.30                                             diesem Heft); LG Dresden, 21. 6. 2019 – 1 a O 1056/19.
450       Laoutoumai/Lçffel, #twittersperrt                                                              7/8/2019         K &R

2. Gerichtliches Vorgehen                                     Lçschungen regelmßig eines zweiten Antrages, denn in
                                                              der Pflicht einen ganz bestimmten Beitrag wiederherzu-
a) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfgung            stellen ist nicht zugleich die Pflicht enthalten, es knftig zu
aa) Vorfrage: Keine unzulssige Vorwegnahme                   unterlassen, vergleichbare Beitrge erneut zu sperren bzw.
     der Hauptsache                                           zu lçschen.
Bei der Durchsetzung von Ansprchen auf Wiederherstel-
lung eines zu Unrecht gesperrten bzw. gelçschten Beitra-      bb) rtliche Zustndigkeit
ges stellt sich die Frage, ob hiermit eine Leistungsverf-    rtlich zustndig fr Streitigkeiten, die aus dem Nutzungs-
gung oder eine auf Unterlassung gerichtete Verfgung zu       verhltnis mit dem Betreiber einer Online-Plattform resul-
beantragen ist. Die Beantwortung dieser Frage hat erheb-      tieren, ist das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers. Das
liche Auswirkungen auf den zu stellenden Antrag, denn die     ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, 18 Abs. 1 EuGVVO.37
erfolgreiche Beantragung einer Leistungsverfgung im
Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen        cc) Anwendbares Recht
Verfgung darf nicht zu einer unzulssigen Vorwegnahme        Auf das streitige Vertragsverhltnis findet das Recht der
der Hauptsache fhren.                                        Bundesrepublik Deutschland Anwendung, was sich aus
Zur Beantwortung dieser Frage ist zunchst darauf abzu-       Art. 1, 3, 6 Rom I-VO ergibt.38
stellen, welches Ziel mit dem gerichtlichen Antrag verfolgt
werden soll. Bezogen auf den konkret gesperrten bzw.          dd) Verfgungsgrund
gelçschten Beitrag wird es dem Antragsteller darum ge-
                                                              Ein Verfgungsgrund ist immer dann gegeben, wenn kon-
hen, dass dieser Beitrag wieder ber die Online-Plattform
                                                              krete Anhaltspunkte fr eine bevorstehende erneute Zu-
abrufbar ist. Hier geht es also um die Entsperrung bzw.
                                                              widerhandlung gegen das Unterlassungsgebot bestehen.
Wiederherstellung des Beitrages. Daneben wird aber auch
                                                              Am 15. 5. 2019 waren Vertreter von Twitter im Digital-
begehrt, knftig von unberechtigten Sperren bzw. Lç-
                                                              ausschuss des Deutschen Bundestages zu einer Anhçrung.
schungen verschont zu bleiben. Hinsichtlich des ersten
                                                              Im Rahmen dieser Anhçrung wurden zwar Fehler bei der
Begehrens spricht vieles dafr, dieses als eine Leistung
                                                              Bewertung einzelner Sperrmaßnahmen eingerumt, die
zu qualifizieren, die vom Betreiber der Online-Plattform
                                                              Maßnahmen wurden im Grundsatz jedoch seitens Twitter
verlangt wird. Das in die Zukunft gerichtete zweite Be-
                                                              verteidigt. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass
gehren ist dagegen auf ein Unterlassen gerichtet.
                                                              auch weiterhin Beitrge mit satirischem oder parodisti-
Fr die Einordnung der Entsperrung bzw. Wiederherstel-        schem Hintergrund im Kontext von Wahlen gesperrt wr-
lung als Leistungsverfgung wird vorgebracht, dass es sich    den. Damit bestehen hinreichende Anhaltspunkte fr wei-
hierbei um die Durchsetzung des vertraglichen Erfllungs-     tere Zuwiderhandlungen, insbesondere auch deswegen,
anspruches geht.32 berwiegend wird von der Rechtspre-        weil Twitter die betreffende Richtlinie nicht an die Defi-
chung jedoch davon ausgegangen, dass es sich auch in          nition von „Desinformation“ angepasst hat. Darber hin-
Bezug auf die Wiederherstellung eines gesperrten bzw.         aus wird das Bestehen eines Verfgungsgrundes bejaht,
gelçschten Beitrages nicht um eine eigenstndige Leis-        wenn der gesperrte Account auch beruflich und politisch
tungsverfgung handelt, sondern dieses Begehren im Un-        genutzt wird, und diese Ttigkeiten durch die Sperre nach-
terlassungsanspruch enthalten sei.33 Begrndet wird dies      haltig eingeschrnkt werden.39
damit, dass den Betreiber einer Online-Plattform nach
einer Unterlassungsverfgung zugleich auch eine Hand-         ee) Verfgungsanspruch
lungspflicht treffe, sodass der Unterlassungsanspruch zu-
gleich zu einem Erfllungsanspruch fhre.34 Diese Ansicht     Der fr den Erlass einer einstweiligen Verfgung erforder-
steht dabei im Ergebnis im Einklang mit der aktuell noch      liche Verfgungsanspruch ergibt sich aus dem bestehen-
gltigen Rechtsprechung des BGH zum Umfang der Un-            den materiell-rechtlichen Anspruch auf Wiederherstellung
terlassungspflicht. Nach dieser Rechtsprechung ist der Un-    des gelçschten bzw. gesperrten Beitrages und der Unter-
terlassungsschuldner nicht nur verpflichtet, knftig den      lassung knftiger Lçschungen bzw. Sperrungen.
Verbotstenor zu beachten, er muss auch aktiv werden
und beispielsweise rechtsverletzende Waren zurckru-          b) Vollstreckung im Ausland
fen.35                                                        Betreiber reichweitenstarker Online-Plattformen, wie
Mit Blick auf die derzeit noch aktuelle Rechtsprechung des    Twitter, haben ihren Sitz regelmßig nicht in Deutschland,
BGH zum Umfang der Unterlassungspflicht, spricht vieles       sondern im Ausland. Damit eine einstweilige Verfgung
dafr, dass auch knftig die Gerichte berwiegend einen       gegenber dem Betreiber Pflichten entfalten kann, muss
Unterlassungsantrag ausreichen lassen, auch wenn es dem       diese vollzogen werden, also im Parteibetrieb zugestellt
Betroffenen fr die isolierte Frage der Wiederherstellung     werden. Hat sich im Rahmen des Verfahrens ein in
tatschlich um einen Erfllungsanspruch und damit um          Deutschland ansssiger Rechtsanwalt bestellt, ist eine
eine Leistung geht. Wird dieses Leistungsverlangen als        Vollziehung regelmßig unproblematisch, da die Zustel-
Bestandteil des Unterlassungsanspruches gefasst, stellt       lung der einstweiligen Verfgung nach § 172 Abs. 1 ZPO
sich die Frage nach einer unzulssigen Vorwegnahme der        32 OLG Mnchen, 24. 8. 2018 – 18 W 1294/18, K&R 2019, 131 ff.; LG
Hauptsache naturgemß nicht. Aber auch dann, wenn man            Berlin, 9. 8. 2018 – 27 O 355/18.
von einer Leistungsverfgung ausginge, tendiert die           33 Statt vieler nur LG Offenburg, 2. 6. 2018 – 2 O 310/18.
Rechtsprechung in diesen Fllen dazu, nicht von einer         34 LG Offenburg, 2. 6. 2018 – 2 O 310/18.
                                                              35 BGH, 11. 10. 2017 – I ZB 96/16.
unzulssigen Vorwegnahme der Hauptsache auszugehen,           36 OLG Mnchen, 24. 8. 2018 – 18 W 1294/18, K&R 2019, 131 ff.; LG
mit der Folge, dass die beantragte Leistungsverfgung            Berlin, 9. 8. 2018 – 27 O 355/18.
ausnahmsweise auch im Wege der einstweiligen Verf-           37 OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
                                                              38 OLG Stuttgart, 6. 9. 2018 – 4 W 63/18.
gung geltend gemacht werden kann.36 Dann aber bedarf es       39 LG Nrnberg-Frth, 7. 6. 2019 – 11 O 3362/19, K&R 2019, 524 ff. (in
fr die knftige Unterlassung weiterer Sperrungen bzw.           diesem Heft); LG Dresden, 21. 6. 2019 – 1 a O 1056/19.
K &R        7/8/2019              Gndoğdu/Hurst, Schutz von Geschftsgeheimnissen durch das GeschGehG                           451
in diesem Fall an den Prozess- bzw. Verfahrensbevoll-          berechtigten Interessen der betroffenen Nutzer die Interes-
mchtigten zu erfolgen hat. Um eine solche Vollziehung         sen der Online-Plattform berwiegen. Das ist immer dann
zu erschweren, kann es sein, dass sich gerade aus diesem       der Fall, wenn es sich um satirische Beitrge handelt, die in
Grund kein Verfahrensbevollmchtigter bestellt, sodass         keiner denkbaren Lesart geeignet sind, die Interessen des
direkt an die Partei ins Ausland zugestellt werden muss.       Betreibers der Online-Plattform oder anderer Nutzer nach-
Allerdings reicht es fr die fristgerechte Vollziehung dann    haltig zu beeintrchtigen.
aus, dass innerhalb der Vollziehungsfrist die Auslandszu-      Die von Twitter neu hinzugefgten Richtlinien zur Be-
stellung an den Betreiber der Online-Plattform beantragt       kmpfung von Falschinformationen im Kontext von Wah-
wird und die tatschliche Zustellung ohne jede vom An-         len drften in ihrer jetzigen Ausgestaltung zu weit gefasst
tragsteller zu vertretende Verzçgerung bewirkt wird.40         sein und die Interessen der Nutzer unzumutbar beeintrch-
                                                               tigen, da danach nahezu jeder satirische Beitrag im politi-
IV. Ausblick                                                   schen Kontext geeignet sein kann, Einfluss auf die Wahl-
Die Bemhungen der Europischen Kommission im Vor-             entscheidung von anderen Nutzern zu nehmen. Zu einer
feld von Wahlen die Brgerinnen und Brger vor gezielten       anderen Auslegung kme man womçglich dann, wenn sich
Desinformationskampagnen zu schtzen sind ein wichti-          Twitter bei der Formulierung der Verbotstatbestnde an
ges Ziel im demokratischen Meinungsbildungsprozess.            der Definition von „Desinformation“ der Europischen
Dabei ist es auch verstndlich, dass die großen Online-        Kommission orientieren wrde. Diese beinhaltet Ausnah-
Plattformen bei diesen Bemhungen einbezogen werden.           metatbestnde, die von dem Verbot nicht umfasst sein
Gleichwohl darf dies nicht dazu fhren, dass Online-Platt-     sollen. Durch diese Ausnahmetatbestnde bliebe es den
formen zulssige Meinungsußerungen auf der Basis zu           Nutzern auch im Vorfeld von Wahlen mçglich, sich auf
weitereichender Nutzungsbedingungen auf Zuruf sperren          eine satirische Art und Weise ber die bevorstehenden
oder gar lçschen. Freilich kçnnen sich Online-Plattformen      Wahlen auszutauschen.
auf den Grundsatz der Privatautonomie und auf ihr virtu-
elles Hausrecht berufen. Beides ist allerdings nicht schran-
kenlos und findet insbesondere dort ihre Grenzen, wo die       40 OLG Frankfurt a. M., 1. 7. 2014 – 6 U 104/14.

   RAin Alev Gndoğdu und Wiss. Mitarbeiter Sascha Hurst, Berlin*

   nderungen fr den Schutz von Geschftsgeheimnissen
   durch das GeschGehG – Eine Synopse
Bereits 2016 ist die EU-RL 2016/943 ber den Schutz            damit als subjektive Rechte – anerkannt, sondern unter-
vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschfts-           scheiden sich von Immaterialgterrechten insofern, als
informationen („Geschftsgeheimnisse“) vor rechtswid-          dass sie dem Inhaber keine subjektiven Ausschließlich-
rigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offen-           keits- oder Ausschließungsrechte gewhren.1 Daher wur-
legung („Geheimnisschutzrichtlinie“) in Kraft getreten.        den sie rechtlich bisher nicht einheitlich geschtzt, son-
Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie endete am 9. 6.         dern nur dort, wo es das Gesetz ausdrcklich vorsah.2
2018 und wurde vom deutschen Gesetzgeber verpasst.             Der Zweck des Geschftsgeheimnisschutzes war dabei
Schließlich wurde sie mit dem Gesetz zum Schutz von            nicht ausdrcklich festgelegt, wurde aber darin gesehen,
Geschftsgeheimnissen (GeschGehG) umgesetzt, das seit          Unternehmen vor Schden durch Wirtschaftsspionage zu
dem 26. 4. 2019 in Kraft ist. Dadurch wird der Schutz          bewahren.3
von Geschftsgeheimnissen im deutschen Recht erstmals
einheitlich geregelt. Im Folgenden werden einige recht-        2. Rechtslage nach dem GeschGehG
liche nderungen, die mit dem GeschGehG verbunden              Die Umsetzung der Richtlinie ndert nichts an dieser
sind, aufgezeigt und mit der bisherigen Rechtslage ver-        Rechtsnatur von Geschftsgeheimnissen. Es wird kein sub-
glichen.                                                       jektives Recht an Geschftsgeheimnissen geschaffen, das
                                                               dem Inhaber dieselbe Rechtsposition gewhren wrde wie
I. Systematik des Geschftsgeheimnisschutzes                   etwa einem Patentinhaber. Denn ohne die faktische Ge-
                                                               heimhaltung der Informationen gibt es schon keinen
1. Bisherige Rechtslage
Geschftsgeheimnisse waren bisher im deutschen Recht            * Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. XII.
nicht einheitlich geregelt. Der Schwerpunkt ihres Schut-        1 Hauck, NJW 2016, 2218, 2218.
zes lag auf den nebenstrafrechtlichen Vorschriften der          2 Z. B. § 140 c Abs. 1 S. 3 PatG, § 203 StGB, § 138 TKG, § 6 S. 2 IFG, § 85
                                                                  GmbHG, § 172 Nr. 2 GVG, § 52 S. 2 ArbGG, § 99 Abs. 2 VwGO.
§§ 17 bis 19 UWG. Sie sind nicht als einem Rechtssub-           3 Kçhler, in: Kçhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 17
jekt ausschließlich zugewiesenen Vermçgenswerte – und             Rn. 2.
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