Übungen Personenrecht FS 2022, Gruppe 3

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Bettina Lienhard, RAin Dr. iur.

Übungen Personenrecht FS 2022, Gruppe 3

Anfang und Ende der Persönlichkeit

Literatur: HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbu-
ches, 5. Aufl., Bern 2020, §§ 3-5; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und
Personenrecht, 3. Aufl., Zürich 2016, N 726 ff.

Fall 1
Selina ist in der 28. Woche schwanger, als frühzeitig die Wehen einsetzen. Alle Versuche der
Ärzte, die Geburt zu stoppen, schlagen fehl, und Selina bringt einen Sohn zur Welt.

a)       Trotz sofortiger künstlicher Beatmung und Herzmassage gelingt es den Ärzten
         nicht, das Kind zu retten. Hat das Neugeborene die Rechtsfähigkeit erlangt?
         Inwiefern kann dies relevant sein?
Lösungsstichworte:
   - Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, diese zu
      erwerben und auszuüben (Art. 11 ZGB).
   - Gem. Art. 31 Abs. 1 ZGB beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollende-
      ten Geburt und endet mit dem Tod. Der Begriff „Persönlichkeit“ meint „Rechtsfähigkeit“
      (des Menschen; natürliche Personen).
   - Vollendete Geburt: Vollständiges Austreten des Kindes aus dem Mutterleib. „Leben“
      nach der vollendeten Geburt: Jedes selbständige Lebenszeichen resp. jede selbstän-
      dige Lebensäusserung des Neugeborenen nach dem vollständigen Austreten aus dem
      Mutterleib (insb. Herzschlag, Spontanatmung), wobei das geringste Lebenszeichen
      ausreicht.
   - Erfolgt die Atmung nur auf künstliche Weise und nicht durch das Kind selbst (und sei
      es nur mit einem einzigen selbständigen Atemzug), handelt es sich dabei nicht um eine
      Lebensäusserung des Kindes. Dasselbe gilt für die Herzmassage, wenn kein selbstän-
      diger (und sei es nur ein einziger) Herzschlag vorliegt.
   - Im konkreten Fall ist nur von künstlicher Beatmung und Herzmassage die Rede, nicht
      aber von einem selbständigen Atemzug oder Herzschlag. Ein Lebenszeichen ist offen-
      bar nicht erkennbar (SV nicht ganz eindeutig).
   - Mangels Lebenszeichen nach der vollendeten Geburt liegt eine sog. Totgeburt (Art. 9
      Abs. 2 ZStV; Definition der Totgeburt gem. Art. 9 Abs. 2 ZStV = blosse Ordnungsvor-
      schrift) vor. Das Kind hat folglich die Rechtsfähigkeit nicht erlangt und kann zu keinem
      Zeitpunkt Träger von Rechten und Pflichten sein.
   - Hätte das Kind (wenn auch nur kurz) die Rechtsfähigkeit erlangt, hätte es (rückwirkend
      ab Zeugung, Art. 31 Abs. 2 ZGB; Nasciturus [Art. 544, Art. 605 ZGB]) Rechte und
      Pflichten erlangen können, die nach seinem Tod (Ende der Rechtsfähigkeit) wiederum
      auf seine Erben hätten übergehen können.

b)       Selina möchte ihrem Sohn einen Namen geben. Ist dies zulässig?
Lösungsstichworte:
Übungen Personenrecht, Gruppe 3

     -   Totgeburten (Art. 9 Abs. 2 ZStV) werden ebenso wie Lebendgeburten im Personen-
         standsregister eingetragen (Art. 7 Abs. 2 lit. a, Art. 8 lit. e Ziff. 4, Art. 9 Abs. 1 ZStV).
     -   Gem. Art. 9 Abs. 3 ZStV können bei tot geborenen Kindern Familienname und Vorna-
         men erfasst werden, wenn es die zur Vornamensgebung berechtigten Personen (Art.
         301 Abs. 4 ZGB, Art. 37c Abs. 1 ZStV) wünschen. Welchen Nachnamen das Kind er-
         hält, richtet sich nach den familienrechtlichen Bestimmungen, s. Art. 270 ff. ZGB (und
         die Verweise in Art. 37 ff. ZStV).
     -   In der Regel ist die Mutter (bei gemeinsamer elterlicher Sorge gemeinsam mit dem
         Vater) sorgeberechtigt (Art. 296 Abs. 2, Art. 298a Abs. 5 ZGB). Die sorgeberechtigten
         Eltern geben dem Kind den Vornamen (Art. 301 Abs. 4 ZGB). Da keine anderen An-
         haltspunkte im Sachverhalt vorliegen, ist davon auszugehen, dass Selina berechtigt
         ist, dem Kind einen Vornamen zu geben und diesen zusammen mit dem Nachnamen
         im Personenstandsregister eintragen zu lassen.

c)       Variante: Bereits während der Schwangerschaft von Selina ist für die Ärzte er-
         kennbar, dass ihr Kind aufgrund einer schweren Erkrankung nicht überlebens-
         fähig sein wird. Selinas Sohn kommt nach 40 Schwangerschaftswochen per
         Kaiserschnitt zur Welt. Er atmet während zehn Minuten flach, aber selbständig.
         Danach setzt seine Atmung aus und sein Herz bleibt stehen. Auf medizinische
         Massnahmen wird aufgrund der schweren Erkrankung verzichtet. Hat das Neu-
         geborene die Rechtsfähigkeit erlangt?
Lösungsstichworte:
   - Die Lebensfähigkeit ist nicht Voraussetzung der Rechtsfähigkeit. Solange das Kind
      nach dem vollständigen Austreten aus dem Mutterleib ein (wenn auch noch so kleines)
      Lebenszeichen geäussert hat, tritt die Rechtsfähigkeit ein resp. entsteht die Persön-
      lichkeit, auch wenn von vornherein klar ist, dass sie sogleich wieder enden wird. Vo-
      rausgesetzt ist allerdings ein gewisser Reifegrad des Fötus; es muss möglich sein,
      dass sich das Kind ausserhalb des Mutterleibs weiterentwickelt.
   - Selinas Kind hat während zehn Minuten selbständig geatmet. Für das Erlangen der
      Rechtsfähigkeit des Kindes ist nicht erheblich, dass die Ärzte bereits während der
      Schwangerschaft wussten, dass es nicht überlebensfähig sein wird. Das Kind hat somit
      die Rechtsfähigkeit (rückwirkend zur Zeugung, Art. 31 Abs. 2 ZGB, Nasciturus
      [Art. 544, Art. 605 ZGB]) erlangt. Mit dem Tod (grs. vollständiger und irreversibler Aus-
      fall der Gehirnfunktion) erlischt die Rechtsfähigkeit.
   - Relevant insb. für den Erbanfall: Sind bspw. die Eltern unverheiratet (kein gesetzliches
      Erbrecht der Kindsmutter) und verstirbt der Vater des Kindes während der Schwanger-
      schaft, ist das Kind Erbe seines Vaters, sofern es nach vollendeter Geburt gelebt und
      damit (rückwirkend zur Zeugung) Rechtsfähigkeit/Erbfähigkeit (Art. 544 ZGB) erlangt
      hat. Verstirbt das Kind danach, ist die Mutter Erbin des Kindes und tritt auch hinsichtlich
      Nachlass des Kindsvaters an dessen Stelle (Art. 542 Abs. 2 ZGB).

Informationen zur Feststellung des Todes in Zusammenhang mit Organtransplantationen:

https://www.samw.ch/de/Ethik/Themen-A-bis-Z/Organtransplantation.html

SAMW-Richtlinien zur Feststellung des Todes im Hinblick auf Organtransplantationen und
Vorbereitung der Organentnahme:

https://www.samw.ch/dam/jcr:4a69851d-bd05-49b3-a209-3ce28d66372e/richtli-
nien_samw_feststellung_tod_organentnahme.pdf
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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

Anhang F zur Richtlinie (Feststellung des Todes und Organspendeprozess):

https://www.samw.ch/dam/jcr:f5c8a861-9f9b-4665-925c-9745391c0f16/richtli-
nien_samw_feststellung_tod_organentnahme_anhang_f.pdf

Anhang G zur Richtlinie (Vorlagen für Protokolle zur Feststellung des Todes):

https://www.samw.ch/dam/jcr:ca3d82c1-d590-48a5-816b-ee724e092135/richtli-
nien_samw_feststellung_tod_organentnahme_anhang_g.pdf

Hinweise zur praktischen Umsetzung der Richtlinie:

https://www.samw.ch/dam/jcr:436e4826-d071-42b6-a26e-a0b81321e3d0/hinweise_prakti-
sche_umsetzung_richtline_todesfeststellung.pdf

Fall 2
Sebastian und sein Vater Jakob begeben sich auf eine Herbstwanderung in den Bergen. Ent-
gegen ihren Erwartungen lichtet sich der Nebel nicht im Laufe des Tages. Als Sebastian aus-
rutscht und über einen Felsvorsprung mehrere 100 Meter in die Tiefe stürzt, reisst er den mit
ihm am Seil gehenden Jakob mit sich.

a)       Jakob ist sofort tot. Sebastian atmet nach dem Aufprall noch während etwa ei-
         ner Minute, erlangt aber das Bewusstsein nicht mehr. Welche rechtlichen Kon-
         sequenzen ergeben sich daraus?
Lösungsstichworte:
   - Die Persönlichkeit/Rechtsfähigkeit endet gem. Art. 31 Abs. 1 i.f. ZGB mit dem Tod.
      Massgebend für den Tod ist nach aktuellem Kenntnisstand der Wissenschaft der Hirn-
      tod, d.h. der vollständige und irreversible Funktionsausfalls des Gehirns.
   - Gemäss Sachverhalt ist Jakob sofort tot. Seine Rechtsfähigkeit hat damit im Zeitpunkt
      des Aufpralls geendet. Sebastian atmet noch während etwa einer Minute weiter. In
      dieser Zeit kann also noch kein vollständiger Funktionsausfall des Gehirns vorgelegen
      haben. Nach dem Aussetzen der Atmung wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit
      Sauerstoff versorgt. Es ist daher davon auszugehen, dass (mangels Wiederbelebungs-
      massnahmen) kurz darauf ein vollständiger und irreversibler Funktionsausfall des Ge-
      hirns eingetreten und Sebastian somit verstorben ist. Sebastians Rechtsfähigkeit endet
      erst zu diesem späteren Zeitpunkt. Es spielt keine Rolle, dass er davor nicht mehr bei
      Bewusstsein war (anders für die Handlungsfähigkeit [Art. 12 ff. ZGB], die Urteilsfähig-
      keit voraussetzt).
   - Sebastian hat seinen Vater entsprechend, wenn auch nur für kurze Zeit, überlebt. Dies
      kann insb. für übertragbare Rechte und Pflichten relevant sein. Der Fokus liegt dabei
      auf dem Erbrecht. Nachkommen sind gesetzliche (pflichtteilsgeschützte) Erben (Art.
      457, Art. 470 f. ZGB). Da Sebastian im Zeitpunkt von Jakobs Tod noch rechtsfähig und
      damit erbfähig (s. Art. 542 Abs. 1 ZGB) war, wurde er grs. (wenige Ausnahmen vorbe-
      halten) mit dessen Tod Erbe seines Vaters (Art. 537 Abs. 1, Art. 560 Abs. 1 ZGB).
   - Wenn ein Erbe stirbt, nachdem er den Erbgang erlebt hat, wie dies hier der Fall ist,
      vererbt sich sein Recht an der Erbschaft wiederum auf seine Erben (Art. 542 Abs. 2
      ZGB).

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b)       Als die Rettungskräfte Jakob und Sebastian nach dreitägiger Suche endlich auf-
         spüren, ist für den Notarzt in keiner Weise erkennbar, dass Sebastian nach dem
         Aufprall noch geatmet hat. Hat dieser Umstand eine rechtliche Bedeutung und
         wenn ja, welche?
Lösungsstichworte:
   - Art. 32 Abs. 2 ZGB sieht vor, dass mehrere gestorbene Personen als gleichzeitig ge-
      storben gelten, wenn nicht bewiesen werden kann, dass die eine Person die andere
      überlebt hat (sog. Kommorientenvermutung). Relevant ist in diesem Zusammenhang
      der relative Todeszeitpunkt (im Gegensatz zum absoluten Todeszeitpunkt, also Jahr,
      Tag, Stunde des Todes). Der relative Todeszeitpunkt betrifft die Reihenfolge des Ab-
      lebens mehrerer Personen, setzt also den Todeszeitpunkt einer Person in Relation
      zum Todeszeitpunkt einer anderen Person.
   - Dies kann insb. für erbrechtliche Ansprüche relevant sein. Gelten zwei Personen als
      gleichzeitig gestorben, hat keine der beiden Personen den Erbgang der anderen Per-
      son in rechts-/erbfähigem Zustand erlebt und kann daher nicht Erbe der anderen Per-
      son sein.
   - Wenn jemand sich darauf berufen will, Sebastian habe Jakob überlebt (was insb. für
      erbrechtliche Fragen relevant sein kann), hat er/sie dafür den Beweis zu erbringen (s.
      dazu Art. 32 Abs. 1 ZGB).
   - Für den Notarzt ist hier nicht erkennbar, dass Sebastian nach dem Aufprall noch gelebt
      hat. Sofern nicht beweisbar ist (z.B. durch Obduktion), dass Sebastian Jakob überlebt
      hat, greift die Vermutung von Art. 32 Abs. 2 ZGB und Jakob und Sebastian gelten als
      gleichzeitig verstorben, obwohl sie tatsächlich nicht zur gleichen Zeit verstorben sind.
   - Demnach wären in diesem Fall Vater und Sohn gegenseitig nicht erbberechtigt, da sie
      den Erbgang des jeweiligen anderen selbst nicht in erbfähigem Zustand erlebt haben.

Fall 3
Patricia und Adam sind seit fünf Jahren glücklich verheiratet. Um das fünfjährige Bestehen
ihrer Ehe zu feiern, unternehmen sie eine durch Spezialisten organisierte Safari in Tansania.
Sie übernachten mehrmals in Camps in der Savanne, um am frühen Morgen mit anderen Tou-
risten Wildtiere zu beobachten.

a)       Als Patricia eines Morgens in ihrem Zelt alleine aufwacht, geht sie davon aus,
         Adam sei bereits mit den anderen Safariteilnehmern beim Frühstück. Eine halbe
         Stunde später trifft sie auf den Gruppenleiter und erkundigt sich nach ihrem
         Mann. Weder er noch die anderen Teilnehmer haben ihn an diesem Morgen
         gesehen. Patricia stellt fest, dass Adams Rucksack, seine Schuhe und Kleidung
         sowie seine Wertsachen aus ihrem Zelt verschwunden sind. Die professionelle
         Suche nach Adam, am Boden und aus der Luft, bleibt erfolglos und wird nach
         einigen Tagen abgebrochen. Patricia reist nach zwei Wochen alleine nach
         Hause in die Schweiz. Wie geht es weiter?
Lösungsstichworte:
   - Aufgrund des Sachverhalts ist unsicher, was mit Adam geschehen ist. Es geht nicht
      hervor, ob das Camp so gelegen ist, dass Adam unmöglich alleine „verschwinden“
      könnte, ohne in akute Todesgefahr zu geraten. Fraglich ist auch, ob Adam allenfalls
      seine Rückfahrt organisiert hat und aus dem Camp abgeholt wurde. Sollte er sich
      nachts nur kurz die Beine vertreten haben und dann „verschleppt“ worden sein (durch
      ein Wildtier oder u.U. Entführer), stellt sich die Frage, weshalb er seinen Rucksack

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       sowie seine Wertsachen bei sich hatte. Diese könnten aber auch nachträglich durch
       allfällige Entführer entwendet worden sein.
   -   Die Anmerkung „glücklich verheiratet“ könnte dafür sprechen, dass Adam nicht freiwil-
       lig verschwunden ist. Allerdings könnten auch andere (für ihn in dem Moment gewich-
       tigere) Gründe vorliegen (z.B. finanzielle Schwierigkeiten), die dazu geführt haben
       könnten, dass er verschwinden wollte.
   -   Allenfalls kann abgeklärt werden, ob Geld von seinen Konten abgehoben wurde (was
       aber u.U. auch eine Drittperson tun könnte) oder ob die Kreditkarte benutzt wurde.
       Unter Umständen hat Adam schon vor der Reise Geld „abgezweigt“.
   -   Vom sicheren Tod von Adam (i.S.v. Art. 34 ZGB) kann unter diesen Umständen wohl
       nicht ausgegangen werden. Für die Anwendbarkeit von Art. 34 ZGB reicht eine blosse
       Todesgefahr nicht aus.
   -   Sofern Adam nicht wieder auftaucht resp. sich nicht meldet, könnte nach einer gewis-
       sen Zeit ein Verschollenheitsverfahren eingeleitet werden: Gem. Art. 35 Abs. 1 ZGB
       kann das Gericht eine Person auf Gesuch derer, die Rechte aus ihrem Tod ableiten
       (im Fall von Art. 550 ZGB von Amtes wegen), für verschollen erklären, wenn der Tod
       der Person höchst wahrscheinlich ist, weil sie in hoher Todesgefahr verschwunden ist
       oder seit langem nachrichtlos abwesend ist.
   -   Feststellungsbegehren beim zuständigen Gericht (Art. 21 ZPO; freiwillige Gerichtsbar-
       keit).
   -   Je nach Ausgangssituation für eine Verschollenerklärung sieht das Gesetz zwei ver-
       schiedene Fristen vor (Art. 36 Abs. 1 ZGB): Das Gesuch kann bei Verschwinden unter
       hoher Todesgefahr nach frühestens einem Jahr, bei nachrichtenloser Abwesenheit frü-
       hestens nach fünf Jahren seit der letzten Nachricht gestellt werden.
   -   Öffentliche Aufforderung durch das Gericht (i.d.R. im kant. Amtsblatt) an jedermann,
       sich innert einer bestimmten Frist zu melden, wenn er/sie Nachrichten über den Ver-
       schwundenen/Abwesenden geben kann (Art. 36 Abs. 2 ZGB). Die Frist ist auf mind.
       ein Jahr seit der ersten Auskündigung/öffentlichen Aufforderung anzusetzen (Art. 36
       Abs. 3 ZGB).
   -   Wenn sich innerhalb der Frist niemand mit Nachrichten über den Verschwundenen/Ab-
       wesenden meldet (auch der Abwesende/Verschwundene selbst), erklärt das Gericht
       den Verschwundenen/Abwesenden für verschollen (Feststellungsentscheid). Die Ver-
       schollenerklärung entfaltet rückwirkend auf den Zeitpunkt der Todesgefahr/der letzten
       Nachricht Wirkungen (wie wenn der Tod bewiesen wäre) (Art. 38 Abs. 1, 2 ZGB). Bei
       der Verschollenerklärung handelt es sich materiellrechtlich um eine (widerlegbare) To-
       desvermutung.
   -   Die Verschollenerklärung wird als solche ins Personenstandsregister eingetragen
       (Art. 7 Abs. 2 lit. n ZStV). Obwohl es sich bei der Verschollenerklärung materiellrecht-
       lich um eine Todesvermutung handelt und ihre Wirkung in vielen Punkten mit der Wir-
       kung des Todes übereinstimmt, wird im Personenstandsregister – anders als im An-
       wendungsbereich von Art. 34 ZGB – nicht der Tod (Art. 7 Abs. 2 lit. c ZStV) eingetra-
       gen.
   -   Die Ehe wird durch die Verschollenerklärung ex nunc aufgehoben (Art. 38 Abs. 3 ZGB).
       Art. 38 Abs. 2 ZGB gilt somit nicht für die Aufhebung der Ehe. Allerdings treten gewisse
       Wirkungen der Ehe in Anwendung von Art. 38 Abs. 2 ZGB rückwirkend ab Todesge-
       fahr/letzter Nachricht nicht mehr ein (BSK ZGB I-LARDELLI, Art. 38 N 8).
   -   Erbrechtliche Bestimmungen zur Verschollenerklärung: Art. 546 ff. ZGB.

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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

b)     Patricia ist krank und bleibt daher mit einigen anderen Teilnehmern und einem
       Gruppenleiter im Camp zurück, während sich Adam mit den übrigen Reiseteil-
       nehmern und einem Leiter im Safaribus auf Tierbeobachtungstour begibt. Als
       die Gruppe nicht wie erwartet am Mittag ins Camp zurückkehrt, macht sich der
       Gruppenleiter auf die Suche. Wenige Kilometer vom Camp entfernt findet er den
       bei einem Wasserloch parkierten Safaribus. Einige darin wartende verängstigte
       Gruppenteilnehmer erklären ihm, ihr Leiter und Adam seien vor etwa zwei Stun-
       den von Krokodilen gepackt und ins Wasser gerissen worden. Seither seien sie
       nicht mehr aufgetaucht. Die Suche bleibt erfolglos. Patricia reist nach zwei Wo-
       chen ohne Adam nach Hause in die Schweiz. Wie geht es weiter?
Lösungsstichworte:
   - Unterschied zwischen Art. 34 und Art. 35 ZGB: Im Fall von Art. 34 ZGB (unmittelbare
      Eintragung des Todes im Personenstandsregister, keine Fristen) wird Sicherheit des
      Todes vorausgesetzt (nicht blosse Wahrscheinlichkeit), für die Verschollenerklärung
      bloss hohe Wahrscheinlichkeit (infolge Verschwinden in hoher Todesgefahr oder lan-
      ger nachrichtenloser Abwesenheit). Hohe Anforderungen bez. Anwendbarkeit von Art.
      34 ZGB.
   - Bei Art. 34 ZGB Gestaltungsklage nach Art. 42 ZGB (auf Eintragung des Todes im
      Personenstandsregister), bei Art. 35 ZGB Feststellungsbegehren beim zuständigen
      Gericht.
   - Die anderen Safariteilnehmer haben beobachtet, wie Adam von einem Krokodil ge-
      packt und unter Wasser gezogen wurde. Er ist seit zwei Stunden nicht mehr aufge-
      taucht.
   - Eine Leiche wurde nicht gefunden. Unter diesen Umständen ist allerdings mit Sicher-
      heit davon auszugehen, dass Adam nicht überlebt hat. Sein Tod ist also nicht nur i.S.v.
      Art. 35 Abs. 1 ZGB höchstwahrscheinlich, sondern aufgrund der konkreten Umstände
      praktisch sicher/erwiesen.
   - Ein Verschollenheitsverfahren ist in diesem Fall nicht erforderlich; Art. 34 ZGB ist an-
      wendbar. Mit Klage nach Art. 42 ZGB kann demnach die Eintragung des Todes von
      Adam verlangt werden.
   - Keine erbrechtlichen Sicherungsbestimmungen wie bei der Verschollenheit (dazu
      Art. 546 ff. ZGB).

c)     Seit der Safari sind zehn Jahre vergangen. Adam wurde gerichtlich für verschol-
       len erklärt. Eines Morgens steht er plötzlich vor Patricias Haustür. Wie geht es
       weiter?
Lösungsstichworte:
   - Die Verschollenerklärung kann bei Auftauchen oder Feststellung des Zeitpunkts des
      Todes (Beweis des Todes) wieder rückgängig gemacht werden. Zuständig für die Auf-
      hebung der Verschollenerklärung ist das Gericht.
   - Durch die Verschollenerklärung wurde die Ehe aufgelöst. Sie lebt mit Aufheben der
      Verschollenerklärung nicht wieder auf. Die Partner müssten wieder heiraten.
   - Erbrechtliche Bestimmung bei Rückkehr des Verschollenen: Art. 547 ZGB.

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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

Verwandtschaft und Schwägerschaft

Literatur: HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbu-
ches, 5. Aufl., Bern 2020, § 8; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Per-
sonenrecht, 3. Aufl., Zürich 2016, N 655 ff.

Fall 4
Anna und Beat sind verheiratet. Sie haben drei gemeinsame Kinder, Conrad, Denise und Edi.
Anna hat aus einer früheren (geschiedenen) Ehe mit Niklaus zwei Kinder, Ferdinand und Gus-
tav. Während der Ehe mit Anna zeugt Beat mit seiner Bekannten Helen Tochter Ilsa. Annas
Bruder Jean hat mit seiner Frau Kathi zwei Töchter, Lisa und Mia.

Wer ist mit wem wie verwandt oder verschwägert? Welche Personen sind miteinander
weder verwandt noch verschwägert?
Lösungsstichworte:
   - Verwandtschaft und Schwägerschaft richten sich nach Art. 20 f. ZGB.
   - Verwandtschaft und Schwägerschaft bestimmen sich nach Graden (Art. 20 Abs. 1
      ZGB, Art. 21 Abs. 1 ZGB) und Linien (gerade Linie, Seitenlinie, Art. 20 Abs. 2 ZGB).
   - Anna und Beat sind mit ihren Kindern Conrad, Denise und Edi je in gerader Linie ersten
      Grades verwandt. Die Geschwister untereinander sind in der Seitenlinie zweiten Gra-
      des verwandt.
   - Anna ist mit ihren Kindern Ferdinand und Gustav in gerader Linie ersten Grades ver-
      wandt.
   - Beat ist mit Annas Kindern Ferdinand und Gustav in gerader Linie ersten Grades ver-
      schwägert.
   - Ferdinand und Gustav sind in der Seitenlinie zweiten Grades verwandt.
   - Conrad/Denise/Edi und Ferdinand/Gustav sind Halbgeschwister. Sie sind in der Sei-
      tenlinie zweiten Grades verwandt.
   - Niklaus ist mit seinen Kindern Ferdinand und Gustav in gerader Linie ersten Grades
      verwandt.
   - Helen ist mir ihrer Tochter Ilsa in gerader Linie ersten Grades verwandt.
   - Beat ist mit seiner Tochter Ilsa in gerader Linie ersten Grades verwandt.
   - Anna ist mit Beats Tochter Ilsa (aufgrund der Ehe mit Beat) in gerader Linie ersten
      Grades verschwägert.
   - Conrad/Denise/Edi und Ilsa sind Halbgeschwister und in der Seitenlinie zweiten Gra-
      des verwandt.
   - Anna ist mit Jean in der Seitenlinie zweiten Grades verwandt.
   - Niklaus ist mit Jean in der Seitenlinie zweiten Grades verschwägert (s. dazu Art. 21
      Abs. 2 ZGB  Scheidung löst Schwägerschaft nicht auf).
   - Beat ist mit Jean in der Seitenlinie zweiten Grades verschwägert.
   - Anna ist mit Kathi in der Seitenlinie zweiten Grades verschwägert.
   - Anna ist mit ihren Nichten Lisa und Mia in der Seitenlinie dritten Grades verwandt.
   - Beat ist mit Annas Nichten Lisa und Mia in der Seitenlinie dritten Grades verschwägert.
   - Niklaus ist mit Annas Nichten Lisa und Mia in der Seitenlinie dritten Grades verschwä-
      gert, sofern Annas Nichten während ihrer Ehe mit Niklaus bereits geboren waren. Wur-
      den sie erst nach der Scheidung geboren, besteht keine Schwägerschaft.
   - Conrad/Denise/Edi sowie Ferdinand/Gustav sind mit Lisa/Mia in der Seitenlinie vierten
      Grades verwandt (Cousins/Cousinen).
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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

     -Kathi und Jean sind mit ihren Töchtern Lisa und Mia in gerader Linie ersten Grades
      verwandt.
  - Jean ist mit Conrad/Denise/Edi sowie Ferdinand/Gustav (Nichten/Neffen) in der Sei-
      tenlinie dritten Grades verwandt.
  - Kathi ist mit Jeans Nichten/Neffen Conrad/Denise/Edi sowie Ferdinand/Gustav in der
      Seitenlinie dritten Grades verschwägert.
Weder verwandt noch verschwägert sind:
  - Anna und Beat  verheiratet (könnten aber theor. zusätzlich verwandt und/oder ver-
      schwägert sein, z.B. wenn sie Cousine und Cousin wären und vor der Heirat bereits
      eine Ehe mit einem Geschwister des andern bestanden hätte).
  - Anna und Niklaus  geschieden.
  - Beat und Niklaus sind weder verwandt noch verschwägert.
  - Niklaus und Conrad/Denise/Edi sind weder verwandt noch verschwägert.
  - Helen ist ausser mit ihrer Tochter Ilsa mit niemandem verwandt oder verschwägert.
  - Ferdinand/Gustav und Ilsa sind weder verwandt noch verschwägert.
  - Beat und Kathi sind weder verwandt noch verschwägert.
  - Niklaus und Kathi sind weder verwandt noch verschwägert.
  - Ilsa ist mit Jean und Kathi sowie Mia/Lisa weder verwandt noch verschwägert.
  - Ilsa ist mit Ferdinand/Gustav weder verwandt noch verschwägert.
  - Niklaus und Ilsa sind weder verwandt noch verschwägert.

Heimat und Wohnsitz

Literatur: HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbu-
ches, 5. Aufl., Bern 2020, § 9; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Per-
sonenrecht, 3. Aufl., Zürich 2016, N 665 ff.

Fall 5
Elisabeth hat seit Geburt das Bürgerrecht von Zürich ZH. Seit zehn Jahren lebt sie in Basel
BS. Sie lässt sich in Basel einbürgern und hat fortan das Bürgerrecht sowohl von Basel BS als
auch von Zürich ZH.

a)       Welcher Ort ist Elisabeths Heimatort?
Lösungsstichworte:
   - Gemäss Art. 22 Abs. 1 ZGB bestimmt sich die Heimat einer Person nach ihrem Bür-
      gerrecht. Art. 22 Abs. 3 ZGB hält für eine Person, der das Bürgerrecht an mehreren
      Orten zusteht, fest, dass für ihre Heimatangehörigkeit der Ort entscheidend ist, wo sie
      zugleich ihren Wohnsitz hat oder zuletzt gehabt hat, und mangels eines solchen Wohn-
      sitzes der Ort, dessen Bürgerrecht von ihr oder ihren Vorfahren zuletzt erworben wor-
      den ist. Nach wohl h.L. kann die Person (entgegen dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 3
      ZGB) auch mehrere Heimatorte haben (grs. ergibt sich aus der Norm, die auf den Hei-
      matort verweist, ob nur ein Heimatort massgebend sein soll oder ob für den jeweiligen
      Fall auch mehrere Heimatorte parallel bestehen können).
   - Elisabeth hat zwei Bürgerrechte, jenes von Zürich und jenes von Basel. Sie wohnt in
      Basel. Gestützt auf Art. 22 Abs. 3 ZGB ist grs. Basel ihr Heimatort. Im konkreten Fall
      ist auf die anzuwendende Norm abzustellen, die den Heimatort für eine bestimmte

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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

       Frage als massgebend bezeichnet. Sofern die Norm mehrere Heimatorte zulässt, wä-
       ren Basel und Zürich Heimatorte von Elisabeth.

b)     Elisabeth zieht nach der Einbürgerung in Basel nach Bern. Welcher Ort ist ihr
       Heimatort?
Lösungsstichworte:
   - Gestützt auf Art. 22 Abs. 3 ZGB ist jener Bürgerort ihr Heimatort, an welchem sie ihren
      Wohnsitz hat oder zuletzt hatte. Da Elisabeth das Bürgerrecht von Basel zukommt und
      sie auch in Basel gewohnt hat, ist grs. Basel ihr Heimatort, auch wenn sie nun in Bern
      wohnt. Im konkreten Fall ist auf die anzuwendende Norm abzustellen, die den Heima-
      tort für eine bestimmte Frage als massgebend bezeichnet. Sofern diese Norm mehrere
      Heimatorte zulässt, wären Basel und Zürich Heimatorte von Elisabeth.

c)     Elisabeth erwartet mit ihrem Partner Norbert ein Kind. Das Paar wohnt in Basel.
       Wo wird sich der Heimatort des Kindes befinden?
Lösungsstichworte:
   - Der Heimatort richtet sich nach dem Bürgerrecht (Art. 22 Abs. 1 ZGB). Somit ist fest-
      zustellen, welches Bürgerrecht das Kind haben wird, um eruieren zu können, wo sich
      sein Heimatort befinden wird.
   - Gemäss Art. 271 Abs. 1 ZGB erhält das Kind das Kantons- und Gemeindebürgerrecht
      desjenigen Elternteils, dessen Namen es trägt. Festzustellen ist folglich, welchen
      Nachnamen das Kind tragen wird.
   - Der Name des Kindes ist in Art. 270 f. ZGB geregelt.
   - Verheiratete Eltern bestimmen den Nachnamen der Kinder gemeinsam (Art. 270 Abs.
      1, 2 ZGB), wenn die Eltern verschiedene Nachnamen tragen. Sie können den Ledig-
      namen des Vaters oder der Mutter zum Nachnamen des Kindes bestimmen. Tragen
      sie einen gemeinsamen Namen, erhalten auch die Kinder diesen Namen (Art. 270 Abs.
      3 ZGB). S. auch Art. 37 ZStV.
   - Bei unverheirateten Eltern erhält das Kind den Ledignamen desjenigen Elternteils, dem
      die elterliche Sorge zusteht. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge bestimmen die Eltern,
      welchen ihrer Ledignamen ihre Kinder tragen sollen (Art. 270a Abs. 1 ZGB). S. auch
      Art. 37a ZStV.
   - Steht die elterliche Sorge keinem Elternteil zu, erhält das Kind den Ledignamen der
      Mutter (Art. 270a Abs. 3 ZGB).
   - Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, dass Elisabeth und ihr Partner verheiratet sind.
      Es käme also darauf an, wer die elterliche Sorge über das Kind innehat und bei ge-
      meinsamer elterlicher Sorge, ob die Eltern den Ledignamen der Mutter oder jenen des
      Vaters als Namen der Kinder bestimmen.
   - Trägt das Kind den Ledignamen von Elisabeth, wird es das Bürgerrecht von Zürich und
      Basel erhalten. Sein Heimatort wird nach Art. 22 Abs. 3 ZGB bestimmt; grs. ist davon
      auszugehen, dass bei diesem Szenario Basel sein Heimatort sein wird, wobei auf die
      Norm abzustellen ist, die den Heimatort für massgebend erklärt (s. auch a) und b) für
      die Bestimmung von Elisabeths Heimatort). Lässt die fragliche Norm mehrere Heimat-
      orte zu, wären Basel und Zürich Heimatorte des Kindes.

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Übungen Personenrecht, Gruppe 3

Fall 6
Markus studiert Rechtswissenschaften in Fribourg. Er lebt mit drei anderen Studenten in einer
WG. An den Wochenenden und in den Semesterferien fährt er häufig nach Zürich zu seinen
Eltern, wo er noch immer ein eigenes Zimmer hat. Für seinen Lebensunterhalt kommen haupt-
sächlich seine Eltern auf. Im zweiten Studienjahr beginnt Markus zwecks Mitfinanzierung sei-
nes Studiums mit einer Teilzeitarbeit (zwei Abende in der Woche) in der Bibliothek einer gros-
sen Berner Anwaltskanzlei. Dort lernt er seine Freundin Barbara kennen, die in Bern alleine in
einer Zweizimmerwohnung wohnt. Seither übernachtet er meistens in Bern bei seiner Freun-
din. Bei seinen Eltern hingegen übernachtet Markus nur noch etwa einmal alle zwei Monate,
wenn er seine Freunde in Zürich besucht. Ausserdem verbringt er weiterhin die Weihnachts-
ferien in Zürich und verreist mit seiner Familie im Februar jeweils für eine Woche nach Flims
GR in die Ferienwohnung der Eltern, um Ski zu fahren. Seine Schriften sind beim Einwohner-
amt in Zürich hinterlegt. In Fribourg hat er sich zu Beginn seines Studiums als Wochenaufent-
halter angemeldet.

Wo hat Markus seinen zivilrechtlichen Wohnsitz?
Lösungsstichworte:
   - Wohnsitz: Aufenthalt  wenn eine Person am betreffenden Ort bewohnbare Räume
      benützt; Absicht des dauernden Verbleibens  es ist nicht auf den inneren Willen ab-
      zustellen, sondern es ist zu prüfen, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände ob-
      jektiv schliessen lassen  Mittel- resp. Schwerpunkt der Lebensbeziehungen; mass-
      gebend ist das äussere Verhalten (wo die intensivsten gesellschaftlichen, familiären
      und beruflichen Beziehungen bestehen).
   - Hinterlegung der Schriften ist nicht ausschlaggebend, allerdings kann es ein Indiz sein.
   - Wer für den Unterhalt einer Person aufkommt, ist nicht entscheidend für die Bestim-
      mung des zivilrechtlichen Wohnsitzes.
   - Ausschliesslichkeit des Wohnsitzes: Art. 23 Abs. 2 ZGB  Markus kann nur einen
      Wohnsitz haben. Gleichzeitig Notwendigkeit eines Wohnsitzes (Art. 24 Abs. 1 ZGB e
      contrario)  er muss einen Wohnsitz haben.
   - Markus lebte vor seinem Studium offenbar bei seinen Eltern in Zürich. Es ist davon
      auszugehen, dass er in Zürich Wohnsitz begründet hat (als Kind abgeleiteter Wohnsitz
      gem. Art. 25 Abs. 1 ZGB, nach Erreichen der Volljährigkeit Absicht des dauernden
      Verbleibs i.S.v. Art. 23 Abs. 1 1. Teilsatz ZGB).
   - Zu prüfen ist nun, ob Markus einen neuen Wohnsitz begründet hat (Fribourg, Bern oder
      Flims).
   - Vorweggenommen werden kann, dass mit dem alljährlichen Ferienaufenthalt in Flims
      keine nach aussen erkennbare Absicht des dauernden Verbleibs einhergeht (im Übri-
      gen hat Markus diesbez. auch keine innere Absicht des dauernden Verbleibs), es fehlt
      an einem Mittel- oder Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen. In Flims hat Markus im
      konkreten Fall somit keinen Wohnsitz begründet.
   - Art. 23 Abs. 1 2. Teilsatz ZGB hält die (widerlegbare) Vermutung fest, dass ein sog.
      „Aufenthalt zu Sonderzwecken“ wie u.a. Ausbildung keinen Wohnsitz begründet. In der
      ersten Phase seines Studiums geht Markus regelmässig nach Hause; in Fribourg hält
      er sich grs. nur zu Studienzwecken auf. Eine gegen aussen erkennbare Absicht des
      dauernden Verbleibs geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Im zweiten Studienjahr

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       scheint sich Markus sogar noch seltener in Fribourg aufzuhalten. Aufgrund des geschil-
       derten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die Vermutung von Art. 23 Abs. 1 2.
       Teilsatz ZGB greift und Markus keinen Wohnsitz in Fribourg begründet hat.
   -   Gemäss Sachverhalt hält sich Markus ab dem zweiten Studienjahr überwiegend in
       Bern bei seiner Freundin auf, wobei er weiterhin in Fribourg studiert. Ausserdem arbei-
       tete er an zwei Abenden in Bern. Nach Zürich fährt er viel seltener als noch zu Beginn
       seines Studiums. Es stellt sich nun die Frage, ob er in Bern Wohnsitz begründet hat.
   -   Ob die Übernachtungen bei seiner Freundin und die Teilzeitarbeit ausreichen, um von
       einem Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen auszugehen, ist fraglich. Lassen diese
       erkennbaren äusseren Umstände objektiv darauf schliessen, dass Markus eine Absicht
       des dauernden Verbleibs habe? Hat er seine intensivsten gesellschaftlichen, berufli-
       chen und familiären Beziehungen in Bern? Seine Hauptbeschäftigung ist weiterhin das
       Studium, die Arbeit beschränkt sich auf wenige Stunden an zwei Abenden pro Woche.
       Eine Absicht des dauernden Verbleibs könnten allenfalls die Übernachtungen bei Bar-
       bara nahelegen, wenn er faktisch bei ihr eingezogen ist und es sich eben nicht um
       blosse Besuche handelt, sondern er gewissermassen bei ihr wohnt (ohne gemeldet zu
       sein). Der Sachverhalt gibt dazu keine näheren Informationen.
   -   Sollte das Begründen eines neuen Wohnsitzes in Bern verneint werden, läge ein Fall
       von Art. 24 Abs. 1 ZGB vor: Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt be-
       stehen, bis sie einen neuen Wohnsitz erworben hat. Markus hätte also in diesem Fall
       weiterhin Wohnsitz in Zürich, bis er an einem anderen Ort einen neuen Wohnsitz be-
       gründet hat. Dies gilt auch dann, wenn er sich nur noch selten in Zürich aufhält, dort
       nicht mehr seinen Lebensmittelpunkt (intensivste Beziehungen) und wohl auch keine
       Absicht des dauernden Verbleibs in Zürich hat.

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