DER KOSMETIK-CHECK Hormone in Kosmetika - BUND-Studie zu hormonell wirksamen Stoffen in Kosmetika

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DER KOSMETIK-CHECK Hormone in Kosmetika - BUND-Studie zu hormonell wirksamen Stoffen in Kosmetika
OHNE
     Hormone
      Un be de nk lic h

                                    ACHT UN G
                                    Ho rm on e

 DER KOSMETIK-CHECK
 Hormone in Kosmetika
 BUND-Studie zu hormonell wirksamen Stoffen
 in Kosmetika

kapitel                                          ACHTUNG PLASTIK! 1
DER KOSMETIK-CHECK Hormone in Kosmetika - BUND-Studie zu hormonell wirksamen Stoffen in Kosmetika
Inhalt

  4                 Zusammenfassung

  6                 Einleitung

  7                 Hormonell wirksame Chemikalien und ihre Risiken

10                  Hormonell wirksame Chemikalien in Kosmetika

11                  Marktstudie zur Verwendungshäufigkeit der Stoffe

14                  Im Fokus: Parabene und UV-Filter

17                  Unzureichender Schutz durch die Gesetzgebung

20                  Schlussfolgerungen

21                  Anhang

22                  Literaturverzeichnis

Impressum: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) · Friends of the Earth Germany · Am Köllnischen Park 1 · 10179 Berlin · Tel.: (0 30) 2 75 86-40 ·
Fax: (0 30) 2 75 86-440 · Text: Sarah Häuser und Jurek Vengels · V.i.S.d.P.: Dr. Norbert Franck · Gestaltung: N & U GmbH, Berlin · Grafiken: igelb GmbH, Köln
Die Auswertung der Inhaltsstoffangaben erfolgte in Kooperation mit Codecheck.info. Weder der BUND noch Codecheck können eine Garantie dafür übernehmen, dass alle
in der Codecheck-Datenbank aufgeführten Informationen richtig sind. Unternehmen können eventuelle falsche Angaben zu einzelnen Produkten direkt über ein Formular
auf der Website www.codecheck.info korrigieren. Der direkte Link zur Produktseite ist auch in der ToxFox-App aufgeführt.
Weitere Informationen zum Thema und unsere App finden Sie unter www.bund.net/toxfox

2 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                                                                                                inhalt
DER KOSMETIK-CHECK Hormone in Kosmetika - BUND-Studie zu hormonell wirksamen Stoffen in Kosmetika
Zusammenfassung

Hormoncocktail im Badezimmer                                      Was bedeutet das für VerbraucherInnen?
Duschgel, Zahnpasta, Gesichtscreme, Sonnenschutz, Deodo-          Die in einem einzelnen Produkt enthaltene Menge dieser
rant, Wimperntusche, Lippenstift... Wie viele Körperpflege-       Stoffe ist in der Regel sehr gering und macht noch nicht
produkte benutzen Sie täglich? Kosmetika sollen schön und         krank. Fast jedes fünfte Produkt enthält jedoch gleich mehrere
sauber machen. Und man will sich etwas Gutes tun, wenn            hormonell wirksame Chemikalien. Hinzu kommen weitere All-
man sie aufträgt. Doch das ist nicht immer der Fall. Denn         tagsprodukte, in denen Stoffe mit hormoneller Wirkung, wie
häufig enthalten sie Stoffe, die unser Hormonsystem stören        Phthalat-Weichmacher oder Bisphenol A, enthalten sind. Da
können.                                                           sich die Wirkung der Stoffe aus verschiedenen Quellen im
                                                                  Körper aufsummiert, kann so ein gefährlicher Hormoncocktail
In der ersten Studie dieser Größenordnung hat der BUND            zusammenkommen. Tatsächlich weisen Wissenschaftler im
mehr als 60.000 Kosmetik-Produkte auf dem deutschspra-            menschlichen Blut regelmäßig eine ganze Reihe hormonell
chigen Markt darauf hin ausgewertet, ob sie hormonell wirk-       wirksamer Chemikalien nach, darunter auch Parabene und
same Stoffe enthalten oder nicht.                                 UV-Filter aus der Kosmetik. Dabei werden teilweise bereits
                                                                  Konzentrationen erreicht, die im Tierversuch zu Gesundheits-
                                                                  schäden geführt haben.
Welche Risiken bergen hormonell wirksame
Chemikalien?
Hormonell wirksame Stoffe werden in Kosmetika vor allem
als Konservierungsmittel und UV-Filter eingesetzt. Die Stoffe
können über die Haut in den Körper aufgenommen werden.               Ergebnisse im Überblick:
Vor allem Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Pubertierende         ● Anzahl der ausgewerteten Körperpflegeprodukte:
sind durch hormonell wirksame Chemikalien gefährdet. Denn              62.559
diese Stoffe können sensible Entwicklungsphasen stören. Sie          ● Davon belastet: 18.542 (= 30 %)
werden mit gesundheitlichen Problemen in Verbindung ge-              ● Anteil der belasteten Artikel bei den Marktführern
bracht, die in den letzten Jahrzehnten weltweit immer häufiger         L'Óreal und Beiersdorf (u. a. Nivea): 45 % bzw. 46 %
auftreten. Dazu gehören ein Rückgang der Spermienqualität            ● Größte Unternehmen ohne belastete Produkte: alva
und -anzahl, bestimmte hormonbedingte Krebsarten wie                   Naturkosmetik, Laverana Naturkosmetik, Logocos
Brust-, Prostata- und Hodenkrebs, verfrühte Pubertät bei               Naturkosmetik, Martina Gebhardt Naturkosmetik,
Mädchen, sowie Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern.                  Weleda Naturkosmetik
                                                                     ● Am häufigsten verwendeter hormonell wirksamer
                                                                       Stoff: Methylparaben (Konservierungsmittel), in 24 %
Jedes dritte Produkt ist belastet                                      aller Produkte enthalten
Unsere Untersuchung hat ergeben, dass knapp ein Drittel der          ● Anteil der Produkte, die mehrere hormonell wirksame
über 60.000 Körperpflegeprodukte hormonell wirksame Che-               Stoffe enthalten: 20 %
mikalien enthalten. Mit 46 % bzw. 45 % sind die Produkte             ● Insgesamt wurden 15 verschiedene Stoffe in Kos-
der Marktführer Beiersdorf (u. a. Nivea) und L'Óreal über-             metika gefunden, die von der EU in ihrer Prioritäten-
durchschnittlich oft belastet. Dass das nicht sein muss, zeigen        liste für hormonell wirksame Stoffe mit der höchsten
Naturkosmetikfirmen, deren Produkte frei von diesen Stoffen            Priorität belegt wurden. Für alle diese Stoffe wurde
sind. Auch konventionelle Anbieter können es besser, das zeigt         die hormonelle Wirksamkeit in Tierversuchen doku-
dm: Nur 17 Prozent der Eigenprodukte der Drogeriekette sind            mentiert.
betroffen.

Zusammenfassung                                                                              Tox Fox – Der Kosmetik-Check 3
Was ist zu tun?
Es ist an der Zeit zu handeln: In einem so körpernahen Bereich
wie der Körperpflege haben hormonell wirksame Stoffe nichts
zu suchen. Daher sollten sie für den Einsatz in Kosmetikpro-
dukten verboten werden. Solange dies noch nicht geschehen
ist, müssen Hersteller ihrer Verantwortung gerecht werden
und hormonell wirksame Stoffe freiwillig aus ihren Produkten
verbannen. Es gibt genügend Unternehmen, denen dies bereits
erfolgreich gelungen ist.

Wie können sich VerbraucherInnen schützen?
Um VerbraucherInnen zu helfen, sich schon heute vor hor-
monell wirksamen Chemikalien zu schützen, hat der BUND
eine kostenlose Kosmetik-App entwickelt. Mit der ToxFox-
App für das iPhone können VerbraucherInnen sofort erfahren,
ob ein Kosmetikprodukt künstliche Hormonstoffe enthält.
Dazu muss lediglich der Strichcode eines Produkts mit der
Handy-Kamera eingescannt werden. Bei belasteten Produkten
kann außerdem ganz einfach eine Protestnachricht an den
Hersteller gesendet werden. Die KundInnen können so ein
deutliches Signal setzen, dass sie sichere Kosmetika ohne
schädliche Stoffe wollen. Für VerbraucherInnen ohne iPhone
steht der Service auch auf der Website www.bund.net/toxfox
zur Verfügung.

4 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                   Zusammendassung
Einleitung

Mehr als fünf Kilogramm Kosmetik1 nutzen wir jährlich pro
Person. Dazu gehören Körperpflegemittel wie Duschgel, Zahn-
pasta, Gesichtscreme und Sonnenschutz genauso wie Parfüm
und dekorative Kosmetik wie Wimperntusche und Lippenstift.
Tausende unterschiedliche Substanzen werden als Inhaltsstoffe
in diesen kosmetischen Produkten verwendet. Die meisten
davon sind harmlos, doch nicht alle sind für unsere Gesundheit
so gut, wie man es sich wünschen würde.

Insbesondere für die Gruppe der so genannten hormonell
wirksamen Chemikalien gibt es immer mehr Hinweise darauf,
dass sie zu ernsthaften Gesundheitsrisiken führen können. Zu
dieser Gruppe gehören unter anderem Parabene als Konser-
vierungsmittel und bestimme chemische UV-Filter.

Wir haben den Kosmetik-Check gemacht und untersucht,
welche Risiken von hormonell wirksamen Stoffen in Körper-
pflegeprodukten ausgehen, wie häufig sie Verwendung finden
und welche Hersteller besonders viele oder wenig belastete
Produkte im Sortiment haben. Außerdem erfahren Sie auf
den folgenden Seiten, welche Lücken es in der Gesetzgebung
gibt, was zu tun ist, um sie zu schließen und wie sich Ver-
braucherInnen schon heute vor den Risiken hormonell wirk-
samer Chemikalien in Kosmetikprodukten schützen können.
                                                                 BU: So wünschen wir uns alle Egebnisse

   Chemikalien in Kosmetika
   Insgesamt gibt es über 10.500 verschiedene Substan-
   zen, die in Kosmetika enthalten sein können. Es ist un-
   möglich, sich in einer Studie mit all diesen Chemikalien
   auseinanderzusetzen. Diese Publikation konzentriert
   sich daher auf hormonell wirksame Chemikalien als
   eine Stoffgruppe, die in den letzten Jahren besonders
   in die Kritik geraten ist.

   Hormonell wirksame Stoffe zu vermeiden ist ein guter
   Anfang. Man sollte aber wissen, dass es noch weitere
   Inhaltsstoffe von Kosmetika mit problematischen Ei-
   genschaften gibt, wie bestimmte Duftstoffe, PEGs,
   Formaldehyd oder Petrolatum. Letztlich sind der Ge-
   setzgeber und die Hersteller gefordert, die Sicherheit        1   In dieser Publikation fassen wir unter dem Begriff Kosmetik Körper-
   von kosmetischen Produkten insgesamt zu verbessern.               pflegeprodukte (wie z. B. Duschgel, Pflegelotionen), Duftmittel (Par-
                                                                     füm) und dekorative Kosmetik (z. B. Make-up) zusammen.

Einleitung                                                                                        Tox Fox – Der Kosmetik-Check 5
Hormonell wirksame Chemikalien
  und ihre Risiken

Was sind hormonell wirksame Chemikalien?                        den Stoffwechsel und die Sättigung betreffen (WHO/UNEP
Die Weltgesundheitsorganisation hat hormonell wirksame          2013).
Chemikalien im Frühjahr 2013 als „globale Bedrohung" be-
zeichnet. Denn es deuten immer mehr Studien darauf hin,
dass sie zu verschiedenen Krankheiten führen können, die in     Hormonbedingte Krankheiten weltweit auf
den vergangenen Jahren häufiger geworden sind.                  dem Vormarsch
                                                                Hormonelle Schadstoffe werden unter anderem mit Unfrucht-
Zur Gruppe der hormonell wirksamen Chemikalien gehören          barkeit oder reduzierter Fruchtbarkeit, Lern- und Gedächt-
zahlreiche unterschiedliche Stoffe. Etwa 550 Chemikalien,       nisschwierigkeiten, Fettleibigkeit, Altersdiabetes, Herzkreis-
die im Verdacht stehen, ähnlich wie Hormone zu wirken, wur-     lauferkrankungen, verfrühter Pubertät und verschiedenen
den von der Europäischen Union zunächst identifiziert. Zum      hormonbedingten Krebsarten wie Brust-, Hoden-und Prosta-
Teil handelt es sich dabei um Massenchemikalien, die in zahl-   takrebs in Verbindung gebracht (Kortenkamp 2012;
reichen Alltagsprodukten eingesetzt werden und in hohen         WHO/UNEP 2013; Diamanti-Kandarakis et. al 2009)
Mengen in die Umwelt gelangen. Dazu gehören neben Kos-
metik-Inhaltsstoffen auch Zusätze in Kunststoff wie Bisphenol   Viele dieser Krankheiten treten in den letzten Jahr-
A und Phthalat-Weichmacher genauso wie mittlerweile ver-        zehnten gehäuft auf (WHO/UNEP 2013; EEA 2012;):
botene aber langlebige Stoffe wie das Pestizid DDT oder in-     • In Europa hat ein großer Teil der jungen Männer (bis zu
dustrielle Schmiermittel wie PCB.                                 40 %) eine verminderte Spermienqualität
                                                                • Bei männlichen Neugeborenen in der westlichen Welt wer-
Hormonell wirksame Chemikalien sind synthetische Stoffe,          den immer häufiger Missbildungen der Geschlechtsorgane
die ähnlich wirken wie körpereigene Hormone. Sie sind meist       wie Hodenhochstand oder Entwicklungsstörungen der
nicht akut giftig, können jedoch wichtige Entwicklungspro-        Harnröhre festgestellt
zesse stören, die in ganz bestimmten Zeitfenstern des Wachs-    • Hormonbedingte Krebsarten (z. B. Brust-, Prostata- und
tums ablaufen. Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Puber-        Hodenkrebs) sind in den letzten 40–50 Jahren weltweit
tierende reagieren besonders empfindlich auf hormonelle           häufiger geworden. Brustkrebs ist die häufigste Krebsart
Schadstoffe. Viele Substanzen wirken dabei auf die gleichen       bei Frauen, mit den höchsten Erkrankungsraten in Nord-
Hormonrezeptoren wie natürliche Geschlechtshormone, zum           amerika, Australien und Nordeuropa. In westlichen Gesell-
Beispiel die weiblichen Sexualhormone, Östrogene, oder deren      schaften ist Prostatakrebs die häufigste Krebsart bei Män-
männliches Pendant, die Androgene. Auch ihre Effekte auf          nern. In Europa sind die Fälle von Schilddrüsenkrebs
das Schilddrüsenhormonsystem sind bekannt. Sie können aber        zwischen 5.3 % (Schweiz) und 155.6 % (Frankreich) ange-
auch weitere Hormonsysteme beeinflussen, manche hormonell         stiegen
wirksamen Chemikalien interagieren mit mehreren Hormon-         • In den USA und in verschiedenen europäischen Ländern
rezeptoren gleichzeitig. Damit können sie alle Vorgänge des       gibt es einen Trend zur verfrühten Pubertät bei Mädchen
Körpers beeinflussen und stören, die von Hormonen gesteuert       (verbunden mit einer frühen Brustentwicklung)
werden. Das Hormonsystem kontrolliert eine große Anzahl         • Fettleibigkeit und Diabetes-Typ-2 treten in den letzten 40
von Prozessen im Körper, auch der frühen Entwicklung. Dazu        Jahren in der westlichen Welt deutlich häufiger auf
gehört die Zelldifferenzierung während der Embryonalent-        • Verhaltensstörungen wie ADHS, Autismus und Lernschwie-
wicklung, die zur Bildung von Geweben und Organen führt.          rigkeiten bei Kindern haben in den letzten Jahrzehnten
Hormone und ihre Signalwege sind auch bei Erwachsenen             weltweit zugenommen
entscheidend für das normale Funktionieren von Körperfunk-      • Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind in den Industrieländern
tionen. Hormonell wirksame Chemikalien betreffen wahr-            die Allergie- und Asthmaraten bei Kindern stark angestie-
scheinlich alle hormonellen Systeme und reichen von denen,        gen.
die die Entwicklung und das Funktionieren der Fortpflan-
zungsorgane steuern bis zu den Geweben und Organen, die

6 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                               Hormonell wirksame Chemikalien
Grafik: BUND/iGelb

                     Diese nicht übertragbaren Krankheiten haben in den letzten        Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und
                     Jahrzehnten mit einer Geschwindigkeit zugenommen, die es          besonders gefährdet
                     ausschließen lässt, dass die Ursachen rein genetischer Natur
                     sind. Das zeigt sich auch bei Studien mit Migranten, bei denen    Bei hormonellen Schadstoffen ist der Zeitpunkt der Belastung
                     sich die Erkrankungshäufigkeit nach der Migration von Län-        von großer Bedeutung. Erwachsene reagieren in der Regel
                     dern mit niedriger Rate in Länder mit hoher Rate ebenfalls        wesentlich unempfindlicher auf hormonelle Stoffe als ein Fö-
                     erhöht hat. Das lässt sich vor allem bei Menschen beobachten,     tus im Mutterleib, ein Kleinkind oder ein Teenager in der Pu-
                     die ihr Heimatland in einem jungen Alter verlassen haben          bertät. Das liegt daran, dass es besonders sensible Zeitfenster
                     bzw. bei Migranten zweiter und dritter Generation. Auch eine      des Wachstums gibt, in denen Weichen für die gesunde Ent-
                     verbesserte Diagnose von bestimmten Erkrankungen kann den         wicklung eines Menschen gestellt werden. Belastungen wäh-
                     Anstieg nicht erklären. Daher müssen Umwelt- und Lebens-          rend kritischer Entwicklungsphasen können zu irreversiblen
                     stilfaktoren eine Rolle spielen: Als Einflussfaktoren werden      Schäden führen, während die Effekte auf Erwachsene zu ver-
                     zum Beispiel die Ernährung, das Alter der Mutter, virale Krank-   schwinden scheinen, sobald die Belastung aufhört. Häufig
                     heiten und Chemikalienbelastungen diskutiert (EEA 2012).          zeigen sich die Schädigungen, die ihren Ursprung in einer
                     Auffällig ist, dass diese oft als Zivilisationskrankheiten be-    frühen Belastung mit hormonell wirksamen Chemikalien ha-
                     zeichneten Störungen parallel zum massiven Wachstum der           ben, nicht sofort. Sie treten stattdessen erst Jahre oder Jahr-
                     chemischen Industrie häufiger geworden sind. Die Theorie,         zehnte später auf, zum Beispiel wenn Fortpflanzungsorgane
                     dass hormonelle Chemikalien hier eine wichtige Rolle spielen,     betroffen sind und das die Spermienqualität im späteren
                     wird dadurch gestützt, dass viele der genannten gesundheit-       Leben beeinflusst (Kortenkamp et. al 2012).
                     lichen Beeinträchtigungen mit dem Hormonsystem in Ver-
                     bindung stehen. Stoffe mit hormonellen Eigenschaften haben        Während sensibler Zeitfenster der Entwicklung können bereits
                     zudem im Tierversuch zu ähnlichen Krankheiten geführt wie         extrem niedrige Dosen zu einer Störung des Hormonsystems
                     sie beim Menschen beobachtet werden. Auch bei wildlebenden        führen. Niedrige Dosen führen teilweise sogar zu stärkeren
                     Tierpopulationen treten Schädigungen durch hormonell wirk-        Effekten als höhere Dosen. Dieser Wirkmechanismus ist für
                     same Umweltchemikalien auf.                                       natürliche Hormone bekannt. Für hormonell wirksame Che-

                     Hormonell wirksame Chemikalien                                                               Tox Fox – Der Kosmetik-Check 7
mikalien wird dieser Widerspruch zur traditionellen toxikolo-   alleine keinen beobachtbaren Effekt besitzen. Bei Stoffen mit
gischen Maxime „Die Dosis macht das Gift" erst seit einiger     gleichartiger Wirkung (z. B. Östrogene, Androgene oder Schild-
Zeit anerkannt (Vandenberg et. al 2012).                        drüsenhormone) geht man davon aus, dass sich die Wirkungen
                                                                addieren (Kortenkamp 2007). So zeigten Nachkommen von
Vor allem Schwangere und Eltern von Kleinkindern sowie          Ratten, die während der Schwangerschaft mehreren hormo-
Teenager sollten deshalb darauf achten, dass sie Kosmetika      nellen Stoffen in für sich alleine betrachtet wirkungslosen
frei von hormonellen Stoffen verwenden. Föten im Mutterleib     Einzeldosen ausgesetzt waren, Deformationen der männlichen
können über die Kosmetik, die die Schwangere benutzt, mit       Genitalien. Die Studie, die die Kombinationswirkung von 13
hormonellen Stoffen belastet werden, die die Plazentaschranke   ähnlich wirkenden Chemikalien (u. a. Parabene und UV-Filter
überwinden können.                                              aus Kosmetika, Phthalat-Weichmacher, Pestizide sowie Bisphe-
                                                                nol A) in für den Menschen realistischen Belastungshöhen
                                                                untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass insbesondere
Der Cocktail-Effekt                                             Frauen im gebärfähigen Alter nicht ausreichend vor Kombi-
Human-Biomonitoring-Studien zeigen, dass jeder Mensch           nationseffekten durch hormonell wirksame Chemikalien ge-
eine Vielzahl von Chemikalien im Körper hat. Bei diesen Un-     schützt sind (Christiansen 2012).
tersuchungen – durchgeführt zum Beispiel von der Europäi-
schen Kommission oder dem deutschen Umweltbundesamt –           Durch den vielfachen Einsatz von Parabenen und UV-Filtern
werden menschliche Körperflüssigkeiten und -gewebe auf          in Kosmetika können also Kombinationswirkungen auftreten.
ihre Belastung mit Schadstoffen untersucht (Euractiv 2012;      Die gegenwärtige Risikobewertung der Europäischen Union
Umweltbundesamt 2013).                                          berücksichtigt diese Cocktaileffekte jedoch nicht und kon-
                                                                zentriert sich nach wie vor auf Grenzwerte für einzelne Stoffe.
Studien haben außerdem gezeigt, dass sich hormonell wirk-       Auch die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass
same Chemikalien gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken        die Gesundheitsrisiken, die von Kombinationswirkungen hor-
können. Sie wirken dann sozusagen als Chemikaliencocktail,      monell wirksamer Chemikalien ausgehen, stark unterschätzt
der einen deutlichen Effekt haben kann, selbst wenn die ein-    werden.
zelnen Stoffe in so niedrigen Dosen vorhanden sind, dass sie

                                                                                                                                  Grafik: BUND/Anne Erwand

Beim Einkaufen kurz inne halten, Barcode scannen und ganz einfach eine richtige Kaufentscheidung treffen.

8 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                               Hormonell wirksame Chemikalient
Hormonell wirksame Chemikalien
  in Kosmetika

Hormonell wirksame Stoffe weisen erhebliche Gesundheits-           Die 16 Stoffe sind (jeweils mit ihrer INCI Bezeichnung):
risiken auf und kommen in vielen Produkten zum Einsatz.            • Als Konservierungsmittel: Methylparaben, Propylparaben,
Doch wie häufig sind sie eigentlich? Wir wollten wissen, wie         Ethylparaben, Butylparaben
viele hormonell wirksame Stoffe in Kosmetika verwendet wer-        • Als UV-Filter: Ethylhexyl Methoxycinnamate (OMC),
den, wie häufig sie vorkommen und welche Unterschiede es             4-Methylbenzylidene Camphor, 3-Benzylidene Camphor
in der Verbreitung zwischen einzelnen Herstellern und Pro-         • Als UV-Absorber:2 Bezonphenone-1 und Benzophenone-2
duktgruppen gibt.                                                  • Als Haarfärbemittel: Resorcinol
                                                                   • Als Conditioner für Haut und Haare: Cyclotetrasiloxane
                                                                   • Als Antioxidationsmittel: Butylhydroxyanisol (BHA)
Welche hormonell wirksamen Stoffe werden                           • Zum Schutz vor Bakterien: Boric Acid
in Kosmetika verwendet?                                            • Als Denaturierungsmittel: Diethyl phthalate
In einem ersten Schritt haben wir untersucht, welche hor-          • Als Hautpflegemittel: Hydroxycinnamic acid
monell wirksamen Stoffe in Kosmetik eingesetzt werden.             • Als Hautschutzmittel: Dihydroxybiphenyl
Grundlage hierfür ist ein Abgleich der Prioritätenliste für hor-
monell wirksame Chemikalien der Europäischen Union (EU)
mit der sogenannten INCI-Liste (International Nomenclature
of Cosmetic Ingredients). In der INCI-Liste werden kosmetische
Inhaltsstoffe mit ihrer international einheitlichen Bezeichnung
aufgelistet. Auf der EU-Prioritätenliste wurden Stoffe, die als
potentielle hormonelle Schadstoffe gelten, zusammengetra-
gen, um sie für die weitere Bewertung zu priorisieren. Mit
der höchsten Priorität wurden dabei Stoffe belegt, für die die
hormonelle Wirkung in Tierversuchen (sogenannten In-Vivo-
Studien) nachgewiesen wurde. Diese fallen in die Kategorie
1. Neben den in Kategorie 1 aufgeführten Substanzen gibt es
in den Kategorien 2 und 3 der EU-Liste weitere Substanzen,
die im Verdacht stehen, hormonell zu wirken, die jedoch bisher
weniger gut untersucht sind. Wir beschränken uns in dieser
Studie auf die Stoffe der Kategorie 1, da für sie bisher am
besten belegt ist, dass sie das Hormonsystem stören können.

Insgesamt gibt es 194 Chemikalien, die in die Kategorie 1 der
EU-Prioritätenliste fallen. Von diesen werden 16 auch in der
INCI-Liste für kosmetische Inhaltsstoffe geführt und kommen
somit für die Verwendung in Kosmetika- und Körperpflege-
produkten in Betracht.

                                                                   2   Im Gegensatz zu UV-Filtern dienen UV-Absorber nicht dem Schutz
                                                                       der Haut vor UV-Strahlen, sondern dem Schutz des Produkts vor Son-
                                                                       neneinstrahlung.

Hormonell wirksame Chemikalien in Chemikalien                                                      Tox Fox – Der Kosmetik-Check 9
Marktstudie zur Verwendungshäufigkeit
  der Stoffe

Erschreckendes Ergebnis: fast jedes dritte                      formieren können. Die Produktinformationen in der Code-
Produkt ist belastet                                            check-Datenbank wurden überwiegend von NutzerInnen der
In einem zweiten Schritt wollten wir herausfinden, wie häufig   Plattform selbst zusammengetragen. So können z. B. die In-
die oben genannten Stoffe tatsächlich in Kosmetikprodukten      haltstoffangaben von Kosmetikprodukten auf der Verpackung
eingesetzt werden. Hierzu hat der Schweizer Verein Code-        über ein Webformular in die Codecheck Datenbank eingetra-
check.info für den BUND alle Inhaltsstoffangaben kosmeti-       gen werden.
scher Produkte in seiner Datenbank auf das Vorhandensein
der 16 oben aufgeführten hormonell wirksamen Stoffe elek-       Bei der Fülle der Daten können in Einzelfällen falsche Angaben
tronisch überprüft. Zum Zeitpunkt der Auswertung (Ende Juni     zu einzelnen Produkten nicht ausgeschlossen werden, etwa
2013) lagen in der Codecheck Datenbank insgesamt zu 62.559      durch Tippfehler, oder weil sich die Zusammensetzung eines
kosmetischen Produkten Inhaltsstoff-Angaben vor. Sie stellt     Produkts nach der Eintragung in die Datenbank geändert hat.
somit die umfangreichste uns bekannte Datenbasis über die       Auf Grund des Umfangs der Daten war es nicht möglich, alle
Inhaltsstoffe von kosmetischen Mitteln auf dem deutschspra-     Eintragungen zu überprüfen. Durch die Gemeinschaft der
chigen Markt dar.                                               NutzerInnen findet – ähnlich etwa wie bei Wikipedia – jedoch
                                                                eine Selbstkontrolle der Informationen statt: fehlende, veral-
Von den 62.559 überprüften Kosmetik- und Körperpflegepro-       tete oder falsche Angaben können auf der Codecheck-Website
dukten enthielten 18.542 mindestens einen hormonell wirk-       korrigiert werden. Auch Unternehmen haben so die Möglich-
samen Stoff. Somit sind fast 30 % aller Produkte mit diesen     keit, die Angaben zu ihren Produkten zu überprüfen und bei
problematischen Chemikalien belastet.                           Bedarf richtigzustellen.

                                                                Auch kann es vorkommen, dass zu einem Produkt mehrere
Datengrundlage und Vorgehensweise                               Einträge vorhanden sind. Dies kann zum einen unterschiedliche
Codecheck.info betreibt ein Webportal und eine Smartphone-      Chargen widerspiegeln. Teilweise kann es jedoch auch sein,
Applikation, über die sich VerbraucherInnen aus der Schweiz,    dass ein und dasselbe Produkt mit leicht unterschiedlichen
Deutschland und Österreich über Produkteigenschaften in-        Bezeichnungen in die Datenbank eingetragen wurde. Dadurch

                                                                                                                                 Grafik: BUND

10 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                              Marktstudie zur Verwendungshäufigkeit der Stoffe
könnte es theoretisch zu Verzerrungen in der Auswertung                   samen Stoffen in Kosmetika überflüssig, weil vermeidbar, ist.
                     kommen. Wir gehen jedoch davon, dass sich einzelne Dop-                   Bei den Marktführern Beiersdorf (Nivea) und L'Óreal enthält
                     peleintragungen oder falsche Angaben weitgehend ausglei-                  fast jedes zweite Produkt hormonell wirksame Stoffe. Das
                     chen und somit nicht zu wesentlichen Abweichungen bei den                 passt weder zum Image der „Familienmarke“ von Nivea noch
                     im Folgenden vorgestellten Trends führen dürften.                         zum „schön und sexy“-Image von L'Óreal. Bei L'Óreal steht
                                                                                               dies zudem in besonderem Maße im Widerspruch zu den ei-
                                                                                               genen Ansprüchen an die Nachhaltigkeit der Produkte. So
                     Hochpreisige Marken und Marktführer sind                                  hatte der Konzern auf seiner Website bereits 2009 angekün-
                     stark betroffen – Naturkosmetik kommt                                     digt, alle Rohstoffe vor der Verwendung auf hormonelle Wirk-
                     ohne hormonell schädliche Stoffe aus                                      samkeit testen zu wollen (L'Óreal 2009).
                     Eine Auflistung der Belastung aller Hersteller, die mit min-
                     destens 100 Produkten in der Auswertung vertreten waren,
                     finden Sie im Anhang.3 Die höchste Belastung weisen die                   Belastung unterschiedlicher Produktgruppen
                     Produkte der Firma Basler Haar-Kosmetik mit 72 % auf. Auf-                Nicht nur zwischen den einzelnen Herstellern gibt es Unter-
                     fallend ist, dass auch viele Hersteller aus dem Hochpreisseg-             schiede beim Anteil der belasteten Produkte, sondern auch
                     ment stark betroffen sind, wie z. B. Chanel (66 %) und Shiseido           zwischen den einzelnen Produktkategorien. Dies verdeutlicht
                     (50 %). Dagegen waren „nur“ 17 % der Artikel der Eigenmarken              die folgende Abbildung, für die wir uns beispielhaft sechs
                     von dm Drogeriemarkt betroffen. Naturkosmetik ist in der                  Produktgruppen näher angeschaut haben, die im Laufe eines
                     Regel sogar gänzlich frei von hormonell wirksamen Chemi-                  Tages in einem Durchschnittshaushalt benutzt werden könn-
                     kalien. Dies belegt, dass die Verwendung von hormonell wirk-              ten.
Grafik: BUND/iGelb

                     3   Die Produkte sind in der Codecheck-Datenbank zusammen mit ihrer Barcode-Nummer gespeichert. Darüber findet auch die Zuordnung der
                         Hersteller statt. Daher wurden in diesem Teil der Marktstudie nur die Artikel berücksichtigt, die auf Grund ihrer Barcode-Nummer eindeutig
                         einem Hersteller zugeordnet werden konnten. Dies war für insgesamt 32.073 Artikel möglich.

                     Marktstudie zur Verwendungshäufigkeit der Stoffe                                                      Tox Fox – Der Kosmetik-Check 11
Dabei erweisen sich ausgerechnet Sonnenschutzmittel (33 %)         des Tages aufsummiert und damit auch die Belastung mit
und Haarwachs (36 %), also lange auf dem Körper verbleibende       den in den Produkten enthaltenen hormonell wirksamen Che-
Produkte, als überdurchschnittlich stark belastet. Auf Grund       mikalien.
der langen Verweilzeit auf dem Körper ist hier die Aufnahme
hormoneller Stoffe über die Haut wahrscheinlicher als bei
Produkten, die nach kurzer Zeit wieder abgewaschen werden          Welche Stoffe kommen in Kosmetika am
(z. B. Rasierschaum). Gemischte Gefühle mag man dabei haben,       häufigsten vor?
dass Baby-Shampoo als besonders sensibles Produkt „nur“ in         Die hormonell wirksamen Chemikalien, die in unserer Aus-
knapp neun Prozent der Fälle hormonell wirksame Stoffe ent-        wertung am häufigsten gefunden wurden, sind Parabene. Sie
hält. Zwar ist dies der geringste Wert in der obigen Auswahl,      werden als Konservierungsmittel eingesetzt. So ist allein Me-
gerade Produkte für Kinder sollten aber generell frei von hor-     thylparaben in 24 % aller Kosmetika auf dem deutschspra-
monell wirksamen Stoffen sein. Darüber hinaus benutzen viele       chigen Markt enthalten. Propylparaben findet sich in 18 %
Eltern normale Kosmetik auch für Babys und Kleinkinder.            aller Produkte, Ethylparaben in 12 % und Butylparaben in
                                                                   10 % aller Produkte. Häufig werden die Stoffe zusammen ein-
Die Unterschiede in der Belastung der verschiedenen Pro-           gesetzt. Nach den Parabenen ist der UV-Filter Ethylhexyl Me-
duktgruppen erklären sich teilweise aus der Funktion der ein-      thoxycinnamate (OMC) der mit gut 4 % am fünfthäufigsten
zelnen eingesetzten Substanzen: Parabene werden als Kon-           verwendete hormonelle Stoff. Alle übrigen überprüften Stoffe
servierungsmittel zum Beispiel eher in Produkten mit hohem         werden mit je unter 1 % weitaus seltener eingesetzt. Einen
Wasseranteil verwendet, weil sich darin Bakterien leichter         Stoff, nämlich Dihydroxbiphenyl, haben wir in den Produkten
vermehren können. UV-Filter finden sich naturgemäß häufig          nicht finden können, obwohl er als kosmetischer Inhaltstoff
in Sonnencremes, kommen aber auch in Pflegelotionen, Ge-           in der INCI-Liste geführt wird.
sichtscremes und Lippenpflege-Stiften vor. Nötig ist der Ein-
satz hormonell wirksamer Substanzen aber nicht: in allen be-       Die vier genannten Parabene und OMC werden als die mit
trachteten Produktgruppen kommt die Mehrheit der Produkte          großem Abstand am häufigsten gefundenen hormonellen
bereits ohne hormonell wirksame Stoffe aus.                        Stoffe im folgenden Kapitel ausführlich betrachtet.

Hormoncocktail im Badezimmer
Unsere Auswertung hat außerdem ergeben, dass viele Kör-            Inhaltsstoff             Anzahl der Produkte    Prozent von N
perpflegeprodukte nicht nur eine gefährliche Chemikalie ent-
halten, sondern gleich mehrere. Jedes fünfte Kosmetikprodukt       Methylparaben                  15064                24,08
enthält zwei oder mehr hormonell wirksame Stoffe. Immerhin         Propylparaben                  11335                18,12
rund 8 % der Produkte enthalten gleich vier dieser Stoffe auf      Ethylparaben                    7357                11,76
einmal. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen im Laufe            Butylparaben                    6203                 9,92
eines Tages eine ganze Reihe verschiedener Körperpflegepro-        Ethylhexyl Methoxycin-          2677                 4,28
dukte benutzen.                                                    namate (OMC)
                                                                   BHA                               338                0,54
Die EU-Kommission schätzt, dass jeder Verbraucher und jede         Resorcinol                        276                0,44
Verbraucherin im Durchschnitt pro Tag mindestens sieben            Benzophenone-1                    260                0,42
Kosmetikartikel verwendet. Eine Befragung in den Vereinigten       Cyclotetrasiloxane                104                0,17
Staaten kam auf zwölf Produkte, die Frauen durchschnittlich        Benzophenone-2                     91                0,15
pro Tag nutzen, und sechs bei Männern (Environmental Wor-          4-Methylbenzylidene                82                0,13
king Group 2004). Diese Werte könnten durchaus noch zu             Camphor
niedrig angesetzt sein. Denn kosmetische Mittel gehören so         Boric Acid                         64                0,10
selbstverständlich zum Alltag, dass wir sie oft gar nicht mehr     Diethyl phthalate                  43                0,07
bewusst wahrnehmen. Es ist daher gut möglich, dass Ver-            Hydroxycinnamic acid               11                0,02
braucherInnen bei Befragungen zu ihrem Kosmetik-Konsum             3-Benzylidene Camphor               7                0,01
weniger Produkte einfallen, als sie tatsächlich benutzen. Allein   Dihydroxbiphenyl                    0                0,00
während der täglichen Morgenwäsche kommen wir oft schon
mit fünf oder mehr Kosmetika in Berührung: Flüssigseife,
Zahnpasta, Duschgel, Gesichtscreme, Deo... und dabei hat der
Tag noch nicht einmal richtig angefangen. Man kann sich
ausmalen, wie sich die Zahl der benutzten Artikel im Laufe

12 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                   Marktstudie zur Verwendungshäufigkeit der Stoffe
Im Fokus: Parabene und UV-Filter

Parabene                                                        Verschiedene In-Vitro-Studien haben gezeigt, dass Parabene
                                                                leicht durch Tierhaut dringen können. Studien mit freiwilligen
Funktion                                                        Probanden legen nahe, dass sich Parabene über den Zeitraum
Parabene werden als Konservierungsmittel in Kosmetika ein-      eines Monats in der Hornschicht der Haut ansammeln können
gesetzt. Sie sollen das Wachstum von Mikroorganismen und        und dass der Parabengehalt im Körper nach der Verwendung
Bakterien verhindern. Diese können Geruch und Aussehen des      von Cremes, die Parabene enthalten, ansteigt (Health & Envi-
Produkts beeinträchtigen und den Verwender infizieren. Meist    ronment 2013).
sind sie in Produkten enthalten, die einen hohen Wasseranteil
haben, wie Shampoos, Haarspülungen, Bodylotions und Dusch-      Eine US-amerikanische Studie, die Urinproben von rund 2.500
gels sowie in Sonnenschutzmitteln.                              Menschen analysierte, wies Methyl- und Propylparaben in
                                                                99.1 % bzw. 92.7 % der Menschen nach (Calafat et al. 2010).
Die laut unserer Auswertung am häufigsten verwendeten Pa-       In einer aktuellen norwegischen Studie hatten regelmäßige
rabene sind Methyl-, Propyl-, Ethyl- und Butylparaben. Me-      Nutzer von Körperpflegeprodukten mehr Parabene im Körper
thyl- and Ethylparaben werden aufgrund ihrer chemischen         als andere untersuchte Umweltschadstoffe. Bei schwangeren
Struktur und der Anzahl der Kohlenstoffatome auch als kurz-     Ratten wurde eine höhere Menge Butylparaben im Frucht-
kettige Parabene bezeichnet, Propyl- und Butylparaben als       wasser und im Fötus nachgewiesen als im Blut des Muttertiers.
langkettige.                                                    Dies lässt auf eine Anreicherung des Stoffes im Fötus schließen
                                                                (ChemSec 2011).
Hormonelle Wirkung
Parabene besitzen eine östrogene Wirkung – d.h. sie wirken      Parabene werden im Körper in das Abbauprodukt PHBA um-
ähnlich wie weibliche Sexualhormone. Human-basierte In-         gewandelt und über den Urin ausgeschieden. Der Abbau von
Vitro Daten zeigen bei langkettigen Parabenen eine stärkere     Parabenen scheint bei Neugeborenen und Säuglingen noch
östrogene Wirkung als bei kurzkettigen. Daher wirken Butyl-     nicht so effektiv zu funktionieren wie bei Erwachsenen. Denn
paraben und Propylparaben stärker östrogen als Methyl- und      in den ersten Monaten nach der Geburt sind die Enzyme, die
Ethylparaben (SCCS 2010).                                       an der Metabolisierung von Parabenen beteiligt sind, noch
                                                                nicht ausgereift. Daher kann es sein, dass Neugeborene und
Eine Studie der technischen Universität von Dänemark ergab,     Säuglinge unter sechs Monaten nach dem Auftragen von be-
dass die östrogene Wirkung der aufgenommenen Parabene           lasteter Kosmetika höhere Gehalte von Parabenen im Körper
im Blut die Wirkung der natürlichen Östrogene während der       haben als Erwachsene (SCCS 2013).
Kindheit möglicherweise überschreitet (DTU 2009).
                                                                Gesundheitsschäden durch Parabene
Propyl- und Butylparabe zeigen außerdem auch anti-andro-        Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission bringt
gene Effekte, sie können also die Wirkung des männlichen        Parabene mit folgenden Gesundheitsproblemen in Verbindung:
Sexualhormons Androgen hemmen. Zudem beeinflussen sie           verfrühte Pubertät bei Mädchen, Erkrankungen der weiblichen
wahrscheinlich auch mittels weiterer Mechanismen das Hor-       Geschlechtsorgane, Brustkrebs, Schilddrüsenkrebs und Stö-
monsystem (EU Commission 2012).                                 rungen der Nervenentwicklung (Kortenkamp et. al 2012). Pa-
                                                                rabene könnten darüber hinaus auch zur Fettleibigkeit bei-
Aufnahme in den menschlichen Körper                             tragen. Butyl- und Propylparaben beeinflussen den Fettabbau
Parabene können über die Haut und den Verdauungstrakt in        (Pan Hu et al. 2012; ChemSec 2011).
den Körper gelangen. Eine Studie der Universität Kopenhagen
hat gezeigt, dass Butylparaben vom menschlichen Körper auf-     Beeinträchtigungen der männlichen Fortpflanzungsfä-
genommen wird, nachdem es auf die Haut aufgetragen wurde.       higkeit
Einige Stunden nach dem Auftragen auf die Haut konnte der       Butylparaben und Propylparaben haben neben ihrer östroge-
Stoff im Blut nachgewiesen werden (Rezaq Janjua et al 2007).    nen auch eine anti-androgene Wirkung. Butylparaben zeigte

Im Fokus: Parabene und UV-Filter                                                          Tox Fox – Der Kosmetik-Check 13
im Tierversuch bereits in geringen Dosen negative Effekte auf    andere hormonell wirksame Stoffe. Insbesondere Drogeriemärkte
das Fortpflanzungssystem männlicher Mäuse. So schädigte          und andere Einzelhandelsketten reagierten dort und stellten
es die Bildung von Spermien in den Hoden und führte zu           ihre Produktion um. Naturkosmetik mit den Siegeln von NATRUE
einer Verringerung der Spermienanzahl und -mobilität. Zudem      und BDIH kommt auch bei uns grundsätzlich ohne Parabene
verringerte es die Testosteron-Konzentration. Eine Belastung     aus. Das zeigt, dass eine Substitution möglich ist.
der Mutter kann negative Effekte auf den männlichen Nach-        Prinzipiell gibt es drei Ansätze, auf Parabene zu verzichten:
wuchs haben. Propylparaben wirkte sich ebenfalls negativ

                                                                                                                 BU?
auf die männlichen Fortpflanzungsfunktionen aus. Es redu-
zierte bereits in geringen Dosen die tägliche Spermienpro-
duktion und die Testosteron-Konzentration bei Ratten (EU
Commission 2012).

Brustkrebs
Eine britische Studie von 2004 wies Spuren von fünf Parabe-
nen in den Brustkrebstumoren von 19 von 20 untersuchten          1. Alternative Konservierungsmittel einsetzen
Frauen nach. Das beweist noch keinen kausalen Zusammen-          Die schwedische Organisation ChemSec hat eine ganze Reihe
hang zwischen Parabenen und Brustkrebs. Aber es zeigt, dass      von möglichen Alternativen zu Parabenen identifiziert, die
intakte, nicht metabolisierte Parabene im Brustgewebe ver-       für die Verwendung in Kosmetik bereits zugelassen sind. Al-
bleiben können (Darbre et al. 2004). 2012 wies eine größer       lerdings sollte beim Ersatz von problematischen Substanzen
angelegte Studie Parabene in fast 100 % der Gewebeproben         „der Teufel nicht mit dem Beelzebub ausgetrieben werden“,
von Brustkrebspatientinnen nach, in 96 von 160 Proben (60 %)     d.h. dass ein Austausch durch Stoffe mit ebenfalls schädlichen
wurden gleich 5 verschiedene Parabene entdeckt (Barr et al.      Eigenschaften vermieden werden muss. ChemSec hat daher
2012). Propyl- und Methylparaben wiesen die höchsten Ge-         drei mögliche Alternativen näher untersucht (Phenoxyethanol,
halte auf.                                                       Sorbic acid, Benzoic acid) und kam dabei zu gemischten Er-
                                                                 gebnissen: Prinzipiell scheinen diese Stoffe von ihrer konser-
Inzwischen weiß man, dass natürliche Östrogene bei der Ent-      vierenden Wirkung her geeignet zu sein. Es gibt jedoch geringe
stehung von Brustkrebs eine Rolle spielen. Je mehr Östrogene     Hinweise darauf, dass Phenoxyethanol neurotoxisch wirken
die sensiblen Bereiche des Brustgewebes während eines Frau-      könnte. Die beiden Säuren Sorbic acid und Bezoic acid haben
enlebens erreichen, desto höher ist das Risiko für Brustkrebs.   vermutlich keine toxische Wirkung, könnten aber sensibili-
Das gleiche gilt für synthetische Östrogene in Arzneimitteln     sierend auf die Haut oder die Augen wirken (ChemSec 2013).
(z. B. Hormontherapie während der Wechseljahre) und sehr         Zunehmend in die Kritik gerät aktuell Methylisothiazolinon
wahrscheinlich auch für hormonell wirksame Chemikalien in        (MI), ein weiteres Konservierungsmittel, das teilweise als Al-
Alltagsprodukten. Das Brustgewebe ist während bestimmter         ternative zu Parabenen eingesetzt wird. So berichtete der
Zeitfenster besonders empfindlich gegenüber krebserregenden      Spiegel kürzlich, dass hierauf in Versuchen 3-5 % der Pro-
Umwelteinflüssen: in der Pubertät, weil die Brust dann die       banden allergisch reagierten. Eine perfekte Lösung sind diese
erste bedeutende Wachstumsphase erlebt, und während der          Stoffe somit nicht. Allerdings kommen nach der ChemSec-
Entwicklung im Mutterleib, weil dann das Brustgewebe an-         Studie prinzipiell noch viele weitere Stoffe als Paraben-Ersatz
gelegt wird (Kortenkamp 2008).                                   in Betracht, die im Rahmen der Untersuchung jedoch nicht
                                                                 vertieft geprüft werden konnten.

Alternativen zu Parabenen                                        2. Umstellungen in der Rezeptur
Konservierungsmittel dienen dazu, kosmetische Produkte vor       Viele Naturkosmetikhersteller setzen darauf, ein „Gleichge-
dem frühzeitigen Verderb, z. B. durch bakterielle Verunreini-    wicht“ zwischen den Inhaltstoffen einer Rezeptur herzustellen,
gungen, zu schützen. So verlangt die EU-Kosmetikverordnung       das zusätzliche Konservierungsmittel überflüssig macht. Die
eine Mindesthaltbarkeit von 30 Monaten. Die Menge und die        konservierende Wirkung geht hier teilweise auch von der na-
Wahl des Konservierungsmittels hängt ab von der Art, der         türlichen konservierenden Nebenwirkung einzelner Zutaten
Verpackung und der Haltbarkeit des Produkts. Parabene wer-       aus, wie z. B. von essenziellen pflanzlichen Ölen, Alkoholen
den besonders häufig eingesetzt, da sie preisgünstig und wirk-   und Extrakten von Heilpflanzen.
sam gegenüber vielen Mikroorganismen sind.
                                                                 3. Umstellung des Herstellungsprozesses und der Ver-
Es gibt Alternativen zur Verwendung von Parabenen. So be-           packung
werben immer mehr Hersteller ihre Produkte als „frei von Pa-     Es ist möglich, Körperpflegeprodukte ohne Konservierungs-
rabenen“. In Dänemark verzichteten viele Hersteller nach Pro-    mittel herzustellen, wenn sie unter Reinraumbedingungen
testen von Verbraucherschutzorganisationen auf Parabene und      produziert wurden und in einer Verpackung verpackt sind, die

14 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                               Im Fokus: Parabene und UV-Filter
keinen Transfer von Mikroorganismen vom Benutzer auf das          hauptsächlich eingesetzt werden, nur 2,6 % aller Kosmetika
Produkt ermöglichen. Dieser Ansatz ist sehr viel versprechend,    ausmachen, ist diese Zahl relativ gering. In der Produktgruppe
da er ganz ohne potentiell schädliche Stoffe auskommt. Tat-       der Sonnencremes ist der Anteil der Produkte, der OMC ent-
sächlich gibt es auch bereits mehrere Firmen am Markt (z. B.      hält, deshalb wesentlich höher.
Sterisol AB, Aptar, Salient Asia Pacific, MWV), die Verpackun-
gen für Kosmetika anbieten, die Konservierungsmittel über-        OMC hat eine östrogene Wirkung. In einer Studie mit Brust-
flüssig machen (ChemSec 2013).                                    krebszellen führte OMC zu einem schnelleren Wachstum der
                                                                  Zellen (Schlumpf et. al 2001). Möglicherweise kann OMC auch
Es existieren also Alternativen zum Einsatz von Parabenen als     das Hormonsystem der Schilddrüse beeinflussen (Schmutzler
Konservierungsmittel. Allerdings gibt es keinen universalen Er-   et al. 2004). Eine Studie stellte Effekte bei Dosen fest, die bei
satz - die beste Lösung hängt jeweils vom Typ des Produkts ab.    der Verwendung von OMC-haltiger Kosmetika überschritten
                                                                  werden. Die Autoren empfehlen deshalb, den Einsatz von OMC
                                                                  in Körperpflegeprodukten zu reduzieren (Klammer et al. 2005).
UV-Filter
                                                                  Alternativen zu chemischen UV Filtern
Funktion                                                          Als Alternative zu chemischen UV-Filtern wie OMC stehen
Chemische UV-Filter sind in Sonnencremes und in vielen an-        mineralische UV-Filter (z. B. Titandioxid und Zinkoxid) zur Ver-
deren Körperpflegeprodukten wie z. B. Gesichtscremes oder         fügung. Diese reflektieren das Sonnenlicht wie kleine Spiegel
Make-Ups enthalten. In Abhängigkeit vom Sonnenschutzfaktor        und sorgen so für Schutz vor schädlicher UV-Strahlung. Früher
werden sie als einzelner Wirkstoff oder als eine Kombination      waren mineralische Sonnencremes dicke weiße Pasten. Heute
verschiedener Stoffe eingesetzt. Es gibt auch UV-Filter in Kos-   werden die Mineralien meist auf Nanogröße verkleinert. So
metik, die nicht dem UV-Schutz der Haut, sondern dem Pro-         sind die Cremes dünnflüssiger und lassen sich leicht verteilen.
duktschutz dienen.                                                Allerdings gibt es noch offene Fragen hinsichtlich der Risiken
                                                                  von Nano-Titandioxid und -Zinkoxid. Bei Versuchstieren hat
Hormonelle Wirkung                                                Titandioxid nach Einatmen zu Entzündungen und Tumoren in
Die meisten chemischen UV-Filter besitzen eine östrogene          der Lunge geführt. Auf die Haut aufgetragen, scheint es jedoch
Wirkung, seltener wirken sie anti-androgen. Nach oraler Gabe      sicher zu sein. So haben Studien gezeigt, dass die Partikel
von hohen Mengen verschiedener UV-Filter während der              nicht durch gesunde Haut dringen – im Gegensatz zu den
Schwangerschaft zeigten sich bei den Nachkommen von Rat-          chemischen UV-Filtern, wie OMC. Probleme könnten die Na-
ten irreversible östrogene Wirkungen sowie Auswirkungen           nomaterialien auch in der Umwelt verursachen: Nano-Titan-
auf die Schilddrüse (EU Commission 2011; 2012).                   dioxid hat sich in Versuchen als schädlich für Wasserlebewesen
                                                                  herausgestellt (SRU 2011).
Aufnahme in den menschlichen Körper
Chemische UV-Filter werden über die Haut (Cremes), den            Der beste Schutz vor schädlicher UV-Strahlung ist es, zu viel
Mund (Lippenpflegestifte) und über die Lunge (Sprays) auf-        Sonne zu vermeiden. Die größte Mittagshitze, zwischen 12
genommen.                                                         und 15 Uhr, verbringt man am besten im Schatten. Kinder
                                                                  sollten Kleidung aus leichtem aber sonnendichtem Gewebe
Dass UV-Filter aus Kosmetika in den menschlichen Körper           tragen – am besten von Kopf bis Fuß. Trotzdem: Jeder Son-
gelangen, wurde in verschiedenen Studien gezeigt: In 96 %         nenbrand erhöht das Risiko für Hautkrebs. Nicht cremen ist
der Urinproben einer US-Studie wurde der UV-Filter 3-BC           daher bei starker Sonnenstrahlung keine Lösung. Wir emp-
entdeckt (Krause, M. 2012). Eine Schweizer Untersuchung           fehlen auf Sonnenschutz in Sprayform wegen der Gefahr des
wies UV-Filter in Muttermilch nach. Die Milch von mehr als        Einatmens zu verzichten und bei den Cremes zu Naturkosmetik
drei Viertel der untersuchten Frauen enthielt UV-Filter. Es       zu greifen. Diese ist frei von hormonell wirksamen chemischen
konnte ein eindeutiger Zusammenhang zur Verwendung von            Filtern und enthält in der Regel mineralischen Sonnenschutz,
Kosmetikprodukten hergestellt werden. Babys werden also           also Titandioxid oder Zinkoxid. Teilweise werden auch Son-
während ihrer frühen Entwicklungsphase mit UV-Filtern be-         nenschutzmittel angeboten, in denen diese mineralischen Fil-
lastet, wenn ihre Mütter entsprechende Kosmetika benutzen         ter in größerer Form eingesetzt werden. Wer Nanomaterialien
(Schlumpf et al 2008).                                            vermeiden will, kann im Verzeichnis der Inhaltstoffe darauf
                                                                  achten, ob hinter Titandioxid oder Zinkoxid der Zusatz „nano“
Ethylhexylmethoxycinnamate (OMC)                                  auftaucht, denn seit Juli 2013 gibt es eine Kennzeichnungs-
Der am häufigsten verwendete hormonell wirksame UV-Filter         pflicht für Nanomaterialien in Kosmetika.
ist Ethylhexylmethoxycinnamate (auch: Octyl-Methoxycin-
namate, kurz OMC), der in über 4 % aller Körperpflegeprodukte
enthalten war. Da Sonnenschutzmittel, in denen die UV-Filter

Im Fokus: Parabene und UV-Filter                                                             Tox Fox – Der Kosmetik-Check 15
Unzureichender Schutz durch die
  Gesetzgebung

Die Herstellung und Vermarktung von kosmetischen Mitteln          paraben und Butylparaben – in Produkten für Kinder unter
ist in der EU durch die Europäische Kosmetik-Verordnung re-       drei Jahren verboten. Grundlage war eine Einschätzung des
guliert. Sie besagt, dass die Hersteller für die Bewertung der    Danish National Food Instituts. Es geht davon aus, dass die
Sicherheit ihrer Rezepturen selbst verantwortlich sind. Für       Menge an Propylparaben im Blut von Kindern im Verhältnis
jedes Produkt muss eine Risikobewertung durch den Hersteller      so hoch ist wie Konzentrationen, die bei Jungtieren bereits
vorgenommen und bereitgehalten werden. Die Behörden über-         zu einer Störung des Hormonsystems führten
prüfen die Bewertungen der Hersteller stichprobenartig. Die
Verordnung verbietet bestimmte Stoffe für die Verwendung
in Kosmetika grundsätzlich, einige dürfen nur bis zu einer
festgelegten Höchstmenge eingesetzt werden. Trotz ihrer Ri-
siken sind alle in dieser Studie betrachteten Stoffe aktuell in
Kosmetika erlaubt. Teilweise bestehen jedoch Obergrenzen
für ihren Gehalt im Produkt, die z. B. für Propyl- und Butylpa-
raben bei 0,19 % liegen. Methyl- und Ethylparaben dürfen zu
je 0,4 % enthalten sein, für eine Parabenmischung gilt die
Obergrenze von 0,8 %. Wenn diese Grenzwerte eingehalten
werden, sollen kosmetische Produkte nach Einschätzung des
wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherhit der
EU (SCCS) sicher sein. Die Obergrenzen für Propyl- und Bu-
tylparaben hat der SCCS erst kürzlich bestätigt.

Also doch alles in Ordnung? Leider nein. Denn die aktuelle
Praxis der Risikobewertung hat ein großes Manko: es wird
immer nur die Konzentration problematischer Substanzen in-
nerhalb eines Produkts bewertet. Tatsächlich sind wir jedoch
im Alltag einer Vielzahl von Produkten ausgesetzt, die hor-
monell wirksame Stoffe enthalten. So hat unsere Untersu-
chung gezeigt, dass fast jedes Dritte Kosmetikprodukt hor-
monell wirksame Chemikalien enthält, immerhin jedes Fünfte
enthielt gleich zwei oder mehrere solcher Stoffe. Wie im
ersten Kapitel dargestellt, zeigen wissenschaftliche Studien,
dass sich die Wirkung mehrerer hormoneller Stoffe im Körper
aufaddieren kann. Ohne Berücksichtigung dieses Cocktail-Ef-
fekts läuft die Kontrolle hormonell wirksamer Chemikalien
ins Leere. Zudem berücksichtigt die gängige Praxis der Risi-
kobewertung nicht ausreichend, dass hormonelle Stoffe in
sensiblen Zeitfenstern der Entwicklung auch bei extrem nied-
rigen Dosen Schäden anrichten können.

Inzwischen ist Bewegung in die Diskussion um die Bewertung
und Regulierung hormoneller Stoffe gekommen. So gibt es
einige Länder, die diese Gruppe von Chemikalien besser kon-
trollieren möchten und nicht mehr bereit sind zu warten, bis
sich alle Akteure in der EU einig sind. So wurde in Dänemark
2011 der Einsatz der zwei gefährlichsten Parabene – Propyl-

16 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                                Unzureichender Schutz durch die Gesetzgebung
Schlussfolgerungen

Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass hormonell wirksame          Stärkung der EU-Strategie zur Kontrolle hormonell
Chemikalien breite Anwendung in Kosmetika und Körperpfle-         wirksamer Stoffe
gemitteln finden, obwohl sich die Anzeichen für die Risiken       Aktuell überarbeitet die Europäische Union ihre Strategie für
dieser Stoffe mehren. Von mehr als 60.000 ausgewerteten           den Umgang mit hormonell wirksamen Stoffen. Gemeinsam
Produkten war fast jedes Dritte betroffen. Bei den Marktfüh-      haben rund 25 Organisationen aus ganz Europa (darunter
rern L'Óreal und Beiersdorf (Nivea) ist sogar fast jedes zweite   auch der BUND) einen Appell an die Entscheidungsträger auf
Produkt belastet. Zumeist enthalten die Produkte Parabene         EU-Ebene veröffentlicht. Darin fordern wir unter anderem die
als Konservierungsmittel oder chemische UV-Filter, wie OMC.       Aufstellung eines Zeitplans mit konkreten Zielen, bis wann
Zur Belastung durch Kosmetikprodukte kommen noch hor-             welche hormonell wirksamen Stoffe ersetzt werden müssen
monelle Schadstoffe aus anderen Produkten dazu, wie etwa          (EDC Free 2013). Cocktail-Effekte müssen zudem in der Risi-
Phthalat-Weichmacher und Bisphenol A aus Kunststoffen. Im         kobewertung von Chemikalien berücksichtigt werden. Alle re-
Blut praktisch jedes Menschen lässt sich heute ein ganzer         levanten Gesetzgebungen sind so anzupassen, dass hormonell
„Cocktail“ künstlicher hormonähnlicher Stoffe nachweisen.         wirksame Chemikalien nicht mehr in Alltagsprodukten ein-
Wissenschaftliche Studien zeigen: die Wirkung dieser Stoffe       gesetzt werden dürfen. Für Kosmetika bietet sich mit der an-
kann sich im Körper aufsummieren – das einzelne Produkt           stehenden Überarbeitung der Kosmetikverordnung schon bald
macht uns nicht krank, wohl aber die Summe der Belastung          eine Chance, die nicht verpasst werden sollte.
durch die Vielzahl der Quellen. Ärzte stellen seit Jahren einen
Anstieg von Krankheitsbildern fest, die auch in Tierversuchen     Überprüfung der Kosmetik-Verordnung 2015
durch hormonell wirksame Stoffen ausgelöst wurden. Dazu           2015 wird die EU Kosmetik-Verordnung darauf hin überprüft,
gehören ein Rückgang der Spermienqualität, verfrühte Pu-          wie hormonell wirksame Stoffe in kosmetischen Mitteln zu-
bertät bei Mädchen und eine Zunahme von Brust- und Ho-            künftig kontrolliert werden sollen. Dieses politische Hand-
denkrebs. Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Teenager in        lungsfenster muss genutzt werden, um hormonell wirksame
der Pubertät sind durch hormonähnliche Fremdstoffe beson-         Chemikalien in Kosmetika und Körperpflegeprodukten zu ver-
ders gefährdet, da Hormone die körperliche und geistige Ent-      bieten.
wicklung steuern.
                                                                  Nationales Verbot für langkettige Parabene als Sofort-
                                                                  maßname
Was muss getan werden?                                            Wenn es um die Gesundheit unserer Kinder geht, sollten wir
Um die Belastung der Menschen zu reduzieren, müssen wir           uns keine Experiment erlauben. Solange es kein europäisches
bei der Quelle ansetzen – bei den Produkten. Wo immer mög-        Verbot gibt, fordern wir vom Verbraucherschutzministerium
lich, sollten hormonell wirksame Stoffe vorsorglich durch si-     als Sofortmaßnahme die Übernahme des dänischen Verbots
cherere Alternativen ersetzt werden. Unsere Studie zeigt, dass    von Propyl- und Butylparaben in Produkten für Kinder unter
dies im Bereich der Körperpflege schon heute machbar ist.         3 Jahren. Es gibt keinen Grund, warum Kinder in Deutschland
Für alle Arten kosmetischer Mittel haben wir Produkte ge-         weniger gut vor gefährlichen Stoffen geschützt werden sollten,
funden, die ohne diese Substanzen auskommen. Vor allem            als in Dänemark.
die Hersteller von Naturkosmetik gehen hier mit gutem Bei-
spiel voran. Auch unter den konventionellen Anbietern ist es
einigen Herstellern bereits gelungen, diese Problemstoffe aus
vielen Produkten zu verbannen. Die Belastung mit hormonellen
Chemikalien kann also maßgeblich reduziert werden. Sowohl
die Politik, als auch die Hersteller müssen jetzt handeln:

Schlussfolgerungen                                                                         Tox Fox – Der Kosmetik-Check 17
Hersteller müssen hormonelle Chemikalien ersetzen
Schön und gepflegt sein ist ein Riesengeschäft: Im Jahr 2012
lagen die Ausgaben für Körperpflege- und Kosmetikprodukte
in Deutschland bei 12,9 Milliarden Euro (Industrieverband
Körperpflege und Waschmittel (IKW 2012). Wer so viel Umsatz
generiert, sollte auch in der Lage sein, sichere Produkte an-
zubieten. Wir erwarten von den Kosmetik-Herstellern, dass
sie Verantwortung übernehmen und nicht warten, bis hor-
monell wirksame Substanzen durch die Politik verboten wer-
den. Unsere Untersuchung zeigt, dass der Verzicht auf diese
Stoffe schon heute machbar ist. Wir fordern daher von den
Herstellern die Festlegung klarer Zeitpläne für die Substitution
aller Inhaltsstoffe mit hormoneller Wirkung durch sicherere
Alternativen. Als Marktführer sehen wir dabei die Konzerne
L'Óreal und Beiersdorf (Nivea) in besonderer Verantwortung.

18 Tox Fox – Der Kosmetik-Check                                    Schlussfolgerungen
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