Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

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Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen
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https://doi.org/10.1007/s11612-022-00618-9

 HAUPTBEITRÄGE - THEMENTEIL

Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und
Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen
Evelyn Kästner1       · Katja Rudolph2

Angenommen: 3. Januar 2022
© Der/die Autor(en) 2022

Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag in der Zeitschrift „Gruppe. Interaktion. Organisation.“ beantwortet die Frage, wie insbesondere
Unternehmen in eher innovationsfernen Branchen wie der Versicherungs- und Energiebranche ihre Arbeitnehmer:innen
über alle Altersstufen hinweg so unterstützen können, dass innovatives Verhalten am Arbeitsplatz optimal gefördert wird.
Hintergrund ist, dass in den kommenden Jahren zwei Welten aufeinanderprallen: Unternehmen müssen innovativ sein,
um im Wettbewerb zu bestehen. New Work als strategischer Ansatz ist dabei in aller Munde. Gleichzeitig steigt das
Durchschnittsalter der Beschäftigten, weil qualifizierter Nachwuchs in vielen Bereichen fehlt.
In einer quantitativen Online-Befragung wurden auf Basis validierter Skalen Daten zur kreativitätsförderlichen Gestal-
tung des Arbeitsumfelds, zur Erwartungshaltung an New Work, zum innovativen Verhalten im Arbeitsumfeld und zur
Zufriedenheit mit dem Ausschöpfungsgrad des eigenen Innovationspotenzials (Ausschöpfungszufriedenheit) erhoben. Die
Antwortenden wurden mithilfe einer K-Means-Clusteranalyse nach Alter und innovativem Verhalten gruppiert, um im
Folgenden die jüngeren Innovativen („Junge Wilde“) mit den älteren Innovativen („Erfahrene Pioniere“) vergleichen zu
können.
Ein durchaus überraschendes Ergebnis ist, dass „die jungen Wilden“ mehr Führung und Struktur benötigen als „die
erfahrenen Pioniere“. Da Innovativität signifikant mit der Ausschöpfungszufriedenheit korreliert, wurden ferner in linearen
Regressionsanalysen die Treiber dieser Zufriedenheit im Arbeitsumfeld untersucht. Altersunabhängig führen regelmäßige
Schulungen und Übungen zu mehr Zufriedenheit. Jedoch benötigen „die jungen Wilden“ Führung und Unterstützung und
kommen mit Projektgruppen weniger gut zurecht. „Die erfahrenen Pioniere“ hingegen benötigen in erster Linie den Willen
und die Infrastruktur zum gegenseitigen Austausch. Die Ergebnisse legen daher eine altersabhängige Ausgestaltung des
Arbeitsumfelds und des Führungsverhaltens nahe.

Schlüsselwörter New Work · Innovativität · Kreativität · Zufriedenheit · Demographischer Wandel · Employer Branding

The young savages need leadership: drivers of innovativeness and satisfaction in the work
environment of innovation-deficient industries

Abstract
This article in the journal “Gruppe. Interaction. Organisation.” answers the question of how companies in sectors that tend
to be less innovative (e.g. insurance and energy sectors) can foster their employees’ innovative behaviour across all age
groups. This is of high importance since companies have to be innovative in order to survive in competition; New Work
as a strategic approach is on everyone’s lips. At the same time, the average age of employees is rising because qualified
young people are lacking in many areas.

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 Prof. Dr. Evelyn Kästner                                         Macromedia, Leipzig (Sachsen), Deutschland
    e.kaestner@macromedia.de                                   2
                                                                   Professur für Allgemeine BWL, Marketing & E-Business,
    Prof. Dr. Katja Rudolph                                        Hochschule Merseburg, Merseburg (Sachsen-Anhalt),
    katja.rudolph@hs-merseburg.de                                  Deutschland

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Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen
E. Kästner, K. Rudolph

A quantitative online survey based on validated scales was used to collect data on the design of a creativity-enhancing
work environment, on expectations of New Work, on innovative behaviour in the working environment and on satisfaction
with the degree of utilisation of one’s own innovation potential (utilisation satisfaction). The respondents were grouped
by age and innovative behaviour with the help of a K-Means cluster analysis in order to be able to compare the younger
innovators (“young savages”) with the older innovators (“experienced pioneers”).
A surprising result is that “the young savages” need more guidance and structure than “the experienced pioneers”. Since
innovativeness correlates significantly with utilisation satisfaction, linear regression analyses were also used to examine
the drivers of this satisfaction in the work environment. Regardless of age, regular training and exercises lead to more
satisfaction. However, the “young savages” also need guidance and support and are less able to cope with project groups.
The “experienced pioneers”, on the other hand, primarily need the will and the infrastructure for mutual exchange. The
results therefore suggest an age-dependent design of the working environment and leadership behaviour.

Keywords New Work · Innovativeness · Creativity · Satisfaction · Demographic change · Employer branding

1 Einleitung                                                   tenfalls durchschnittlich, wenn nicht gar unterdurchschnitt-
                                                               lich ist.
Innovationen sind die treibende Kraft und die Zukunft des          Gleichzeitig besteht branchenübergreifend seit mittler-
Wirtschaftsstandorts Deutschland. Auf Unternehmensebe-         weile zwei Jahrzehnten ein verstärkter Kampf um qua-
ne helfen sie dabei, Unternehmensziele zu erreichen, Ge-       lifizierte Angestellte, weil die sog. Baby-Boomer – also
winn und Marktanteile zu steigern, Kund:innenbedürfnisse       Mitarbeitendenkohorten aus den geburtenstarken 60er und
zu befriedigen und neue Kaufimpulse zu generieren (Segler      70er-Jahren – vermehrt den Arbeitsmarkt verlassen (Geis-
2000). Doch eine außergewöhnliche Innovation von heute         Thöne 2021, S. 3). Dabei kommt dem Aufbau einer Ar-
verliert am nächsten Tag bereits an Wert, und Unterneh-        beitgebermarke (Employer Brand) eine große Bedeutung
men müssen permanent innovativ sein, um im Wettbewerb          zu: Unternehmen versprechen potenziellen wie auch ak-
langfristig zu bestehen. Organisationen sehen sich deshalb     tuellen Arbeitnehmer:innen kommunikativ Wertschätzung
einem gewaltigen Innovationsdruck ausgesetzt. Aus diesem       und Entwicklungsräume, finanzielle Benefits und sonsti-
Grund ist Innovativität längst nicht mehr nur ein Nice-to-     ge Nutzenvorteile, um sich vom Wettbewerb, der ähnliche
Have, sondern wird branchenübergreifend immer mehr zum         Arbeitsplätze anbietet, abzuheben (Melde und Benz 2014,
elementaren Bestandteil der Unternehmens-DNA (Rammer           S. 6).
2021, S. 6f.).                                                     Erschwerend kommt hinzu, dass das Durchschnittsalter
    Da jede Innovativität im Unternehmen bei der Kreativi-     des verbleibenden Mitarbeitendenstamms in vielen Bran-
tät einzelner Menschen oder Teams beginnt (Amabile et al.      chen kontinuierlich ansteigt, weil wegen des demographi-
1996, S. 1155), rücken die Mitarbeiter:innen und ihre in-      schen Wandels qualifizierter Nachwuchs fehlt (BIB 2019;
novativen Verhaltensweisen immer stärker in den Blick-         Volkholz 2005, S. 47ff.). Mit Blick auf Erkenntnisse der
punkt des Interesses. Der Ansatz der sogenannten New           Alternsforschung, wonach die kognitive Leistungsfähigkeit
Work soll dabei helfen, ein Arbeitsumfeld zu gestalten, in     ab einem Alter +50 kontinuierlich abnimmt (Reischies und
dem die Wünsche der Mitarbeiter:innen nach Autonomie           Lindenberger 2010), stellt sich die Frage, wie Unterneh-
bei der zeitlichen und räumlichen Arbeitsgestaltung, Agi-      men eine auf mittelfristige Sicht schrumpfende und vor al-
lität, Selbst- und Mitbestimmung durch flache Hierarchi-       lem älter werdende Belegschaft dabei unterstützen können,
en, agile Teams oder Co-Working-Bereiche erfüllt werden        das vorhandene Erfahrungswissen in einer förderlichen Ar-
(Grüling 2019), um das kreative Potenzial eines und einer      beitsumgebung in innovative Verhaltensweisen zu überfüh-
Jeden optimal auszuschöpfen (Kästner 2009, S. 13). Die         ren (Noefer et al. 2009).
Etablierung solcher Strukturen und Mindsets funktioniert in        Zielsetzung des Beitrages ist es deshalb, diejenigen Trei-
einigen sehr innovationslastigen Branchen gut, stellt Bran-    ber von Innovativität im Arbeitsumfeld zu identifizieren, die
chen, bei denen Innovativität nur auf den zweiten Blick        die Belegschaft von Unternehmen in eher unternehmensfer-
Relevanz hat, jedoch vor große Herausforderungen. Derar-       nen Branchen unabhängig vom Alter der Mitarbeitenden zu
tige Branchen sind laut ZEW Branchenreport Innovatio-          innovativen Verhaltensweisen führen. Dabei stehen folgen-
nen (2021) des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirt-          de Forschungsfragen im Vordergrund:
schaftsforschung (ZEW) beispielsweise die Energie- wie
                                                                  F1: Wie können Unternehmen in eher innovationsfernen
auch die Versicherungsbranche, in denen die Innovations-
                                                                   Branchen ihre Mitarbeitenden über alle Altersstufen hin-
leistung im Vergleich zur deutschen Gesamtwirtschaft bes-

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Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

    weg so unterstützen, dass innovatives Verhalten am Ar-                Wissen die Grundlage für Kreativität darstellt, zu viel
    beitsplatz optimal gefördert wird?                                     Fachwissen den Assoziationshintergrund allerdings ein-
   F2: Wie kann es gelingen, die eigene Belegschaft über                  engt,
    alle Altersstufen hinweg zufriedener zu machen, damit                 gemessen am Intelligenzquotienten (IQ) eine Mindestin-
    sie im Kampf um Talente im Unternehmen bleibt?                         telligenz notwendig ist, jenseits eines IQ von 120 jedoch
                                                                           keine Steigerung der kreativen Leistungen mehr erkenn-
   Zur Beantwortung dieser Fragen sollen zunächst die                      bar ist,
theoretischen Grundlagen für eine innovationsförderliche                  divergente Denkprozesse, die darauf ausgerichtet sind,
Arbeitsumgebung, der Zusammenhang zwischen Zufrie-                         mehrere alternative Lösungen für Problemstellungen zu
denheit und Innovativität und der daraus abgeleitete Be-                   entwickeln, positiv mit Kreativität korrelieren.
zugsrahmen des Beitrags dargestellt werden. Nachfolgend
werden die Ergebnisse einer standardisierten Onlinebefra-                  Im Hinblick auf Wissen und Denkprozesse spielt das
gung vorgestellt, welche die Elemente der Unternehmens-                Alter eine Rolle bei der individuellen kreativen Leistungs-
kultur (das Wollen von Innovation) und der Unternehmens-               fähigkeit. Gemäß dem Zwei-Komponenten-Modell lebens-
struktur (das Dürfen von Innovation) vor dem Hintergrund               langer intellektueller Entwicklung (Baltes et al. 1999,
des Kreativitätspotenzials des Individuums (das Können                 S. 486ff.) erreicht die fluide Intelligenz, die Grundlage
von Innovation) untersucht haben.                                      des divergenten Denkens ist, im Alter von etwa 30 Jahren
                                                                       ihren Höhepunkt und nimmt danach erst langsam, dann
                                                                       deutlich schneller kontinuierlich ab. Im Gegensatz dazu
2 Theoretischer Hintergrund                                            bleibt die erfahrungsbasierte kristalline Intelligenz auch im
                                                                       Alter stabil oder steigt mit den Jahren an.
2.1 Das Können von Innovation: Individuelle                                Zum Einfluss von Emotionen auf Kreativität gibt es keine
    Kreativität als Ausgangsbasis von Innovativität                    einheitlichen empirischen Erkenntnisse (vgl. dazu ausführ-
                                                                       lich Kästner 2009, S. 79ff.). Emotionen sollen hier als ei-
„Die Kreativität ist der Ursprung, aus dem [...] neue Inno-            ne kognitiv interpretierte physiologische Erregung verstan-
vationen geboren werden“ (Segler 2000, S. 77), ohne Krea-              den werden, die eine emotional geprägte Verhaltensweise
tivität gibt es keine Innovation (Brem 2016, S. 87). Mit               – einen Affekt – nach sich zieht (Kleinginna und Klein-
Kreativität ist dabei eine geistige Ressource gemeint, die             ginna 1981, S. 349). Der Einfluss des Affekts auf kreatives
grundsätzlich bei jedem Individuum zu finden ist und einen             Handeln ist abhängig von Stärke und Qualität (positiv vs.
schöpferischen Denkprozess umfasst „[...], bei dem Erfah-              negativ) der Emotion. Eine generell gültige, unidirektio-
rungen der Vergangenheit kombiniert und wieder kombi-                  nale Kausalität zwischen Emotion und Kreativität ist also
niert werden, oftmals mit geistigen Verzerrungen, in ei-               nicht belegt (Kästner 2009, S. 93f.). Dennoch ist die un-
ner solchen Art und Weise, dass man mit neuen Dingen,                  ternehmensseitige Steuerung des emotionalen Klimas am
neuen Mustern, neuen Formen und Konfigurationen her-                   Arbeitsplatz von Relevanz für kreatives Verhalten. Denn
vorkommt“ (Winkelhofer 2006, S. 9). Dabei ist zwischen                 die schwankenden emotionalen Stimmungen im Arbeits-
dem Kreativitätspotenzial, das in unterschiedlichem Maße               umfeld – das von eher schwachen emotionalen Bindungen
in jedem Menschen gegeben ist (Gough 1979), und der tat-               geprägt ist (Ruef 2002, S. 429ff.) – können das Handeln von
sächlich sichtbaren Kreativität zu unterscheiden, die sich in          Mitarbeitenden in die eine wie die andere Richtung beein-
Abhängigkeit von individuellen Gegebenheiten und Umfeld                flussen (Barsade und Gibson 1998, S. 88ff.). Eng mit dem
ganz unterschiedlich äußern kann.                                      Affekt verbunden ist auch die Zufriedenheit von Mitarbei-
   Bei den individuellen Gegebenheiten spielen insbeson-               tenden, also die Erfüllung ihrer Erwartungshaltung. Zahl-
dere die Intelligenz, das Alter, Emotionen und motivationa-            reiche Studien belegen einen unidirektionalen Zusammen-
le Komponenten eine Rolle. Unter Intelligenz soll hier „das            hang: Zufriedenheit und kreatives Verhalten korrelieren po-
gesamte multifaktorielle Gebilde menschlicher kognitiver               sitiv, wobei das Arbeitsumfeld wiederum die Zufriedenheit
Fähigkeiten“ (Kästner 2009, S. 62) verstanden werden, zu               beeinflusst (Janssen und Van Yperen 2004, S. 376ff.; Judge
dem auch das im Laufe des Lebens erworbene Wissen sowie                und Ilies 2004, S. 665ff.). Im Umkehrschluss bedeutet dies,
die generelle Denkfähigkeit gehören. Auch wenn die Er-                 dass Unternehmen, die es nicht schaffen, das vorhandene
gebnislage zum Zusammenhang zwischen Intelligenz und                   Kreativitätspotenzial auszuschöpfen, mit einer geringeren
Kreativität sehr divers ist (vgl. dazu ausführlich Kästner             Zufriedenheit wie auch Kreativität rechnen müssen (Shal-
2009, S. 59ff.), lässt sich zusammenfassen, dass                       ley et al. 2000, S. 219ff.).
                                                                           Hinsichtlich motivationaler Komponenten ist zwischen
                                                                       intrinsischer und extrinsischer Motivation zu unterschei-
                                                                       den. Bei intrinsisch motiviertem Handeln erfolgt das Ver-

                                                                                                                              K
E. Kästner, K. Rudolph

halten aus eigenem, innerem Antrieb (etwa zur Befriedi-         angerissen, braucht es ein Umfeld, das das vorhandene krea-
gung des Selbstverwirklichungsbedürfnisses oder zum Er-         tive Potenzial ausschöpft, damit daraus Innovationen wer-
reichen eines Flow-Zustands) (Collins und Amabile 2006,         den (Oldham und Cummings 1996, S. 609ff.).
S. 300f.), während extrinsisch motiviertes Handeln durch           Innovativität muss im Unternehmen gewollt und fest in
Anreize kontrolliert wird, die nicht Teil der eigenen Hand-     der Unternehmenskultur verankert sein: im Willen zur För-
lung sind (etwa Belohnungen, Restriktionen, Bewertungen)        derung, Motivation und emotionalen Bindung jedes und je-
(Eisenberger und Cameron 1996, S. 1154). Die empiri-            der Mitarbeitenden. Dieses „Wollen“ von Innovativität ist
sche Erkenntnislage zeigt wenig überraschend sehr deutlich      Voraussetzung dafür, dass auch Strukturen geschaffen wer-
einen positiven Zusammenhang zwischen intrinsischer Mo-         den, in denen Mitarbeitende Innovativität leben „dürfen“
tivation und kreativem Verhalten (Csikszentmihalyi 1988,        (vgl. Disselkamp 2012, S. 73).
S. 167), weist für extrinsische Motivation aber verschiede-        Zu einer in diesem Sinne innovationsfreundlichen Un-
ne Ergebnisse auf (vgl. ausführlich Kästner 2009, S. 96ff.):    ternehmenskultur zählen ein unterstützender Führungsstil
                                                                ebenso wie flache Hierarchien, ein bewusster Kommunika-
   Werden extrinsische Einflüsse als kontrollierend empfun-
                                                                tions- und Wissenstransfer, ein emotional positives Klima,
    den (bspw. personen- statt arbeitsbezogenes Feedback
                                                                ein motivierendes Anreizsystem und Prozesstrainings (vgl.
    des bzw. der Vorgesetzten), haben sie einen negativen
                                                                dazu ausführlich Kästner 2009, S. 111ff.) sowie psycholo-
    Einfluss auf die individuelle Kreativität, auch wenn die
                                                                gische Sicherheit (vgl. Edmondson 2018, S. 16) – also jene
    individuelle Produktivität dadurch steigen kann (Shalley
                                                                Umfeldkomponenten, die die oben beschriebenen indivi-
    1995, S. 491ff.).
                                                                duellen Determinanten von Kreativität unternehmensseitig
   Sind extrinsische Einflüsse dabei hilfreich, die eige-
                                                                unterstützen. Eine innovationsfreundliche Unternehmens-
    ne Kompetenz- und Selbstbestimmungswahrnehmung
                                                                kultur erhöht nach einer Untersuchung von Ernst (2003)
    zu unterstützen, indem konstruktive Verbesserungsvor-
                                                                signifikant den Innovationserfolg (S. 39). Dafür werden
    schläge oder Zeit- und Denkfreiräume geboten werden,
                                                                Freiräume zum Innovieren benötigt (ebd.), die ihrerseits
    hat dies einen positiven Effekt auf kreative Leistungen
                                                                von einem Betriebsklima abhängen, das etwa das Teilen
    (Collins und Amabile 2006, S. 304f.).
                                                                von Wissen begünstigt und die Angst vor Fehlern reduziert
   Wie oben bereits beschrieben, ist Kreativität Vorausset-     (Disselkamp 2012, S. 75). Darüber hinaus sind offene, hier-
zung für Innovation. Innovation wird hier verstanden als        archieübergreifende Kommunikationswege und klare Rege-
die erfolgreiche Umsetzung und Vermarktung von indivi-          lungen, die es Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen ermög-
duellen kreativen Ideen (Amabile 1988, S. 126; Fuglsang         lichen, zu innovieren, relevante Faktoren einer innovations-
2008, S. 6). Dabei kommt den Mitarbeitenden mit ihrer           freundlichen Unternehmenskultur, die Innovationen „will“
Kreativität in jeder einzelnen Phase des Innovationspro-        und damit die Basis des „Dürfens“ liefert (ebd., S. 76f.).
zesses eine wichtige Bedeutung zu (vgl. dazu überblicks-        Weiterhin zählen Handlungsspielräume der Mitarbeitenden,
haft Kästner 2009, S. 51ff.), weil für die Innovativität ei-    Konfliktbewusstsein, die Bereitschaft, auch externe Koope-
nes Unternehmens nicht nur Produktinnovationen, sondern         rationen einzugehen sowie ein Personalmanagement, das
ebenso Prozess-, Führungs- oder Marketinginnovation be-         kreative Leistungen fördert und anerkennt, zu den Innova-
nötigt werden, die mithin in allen Innovationsphasen krea-      tionsfreiräumen (ebd., S. 77.).
tiver Verhaltensweisen bedürfen (Higgins und Wiese 1996,           Neben kulturellen sind v. a. auch strukturelle Aspekte
S. 12ff.). Diese Erkenntnis macht für die nachfolgende em-      in Unternehmen dafür verantwortlich, dass Mitarbeitende
pirische Untersuchung eine produktunabhängige Betrach-          tatsächlich (nicht) innovieren „dürfen“. Innovationsförder-
tung von Innovativität nötig, die sich auf innovative Verhal-   liche Strukturen umfassen etwa Aspekte wie die Möglich-
tensmuster im Arbeitsumfeld stützt.                             keit zum agilen Arbeiten, Inspiration durch ein kreatives
                                                                Arbeitsumfeld oder Anreize z. B. durch Innovationswettbe-
2.2 Das Wollen und Dürfen von Innovation:                       werbe/Preise (BWG AG o.J.). Dazu zählt auch das Ver-
    Innovationsfreundliche Unternehmenskultur,                  ständnis, Innovationen nicht auf einzelne Abteilungen zu
    innovationsförderliche Strukturen & New Work                beschränken oder sogar unternehmensübergreifend voran-
                                                                zutreiben und die entsprechenden Austauschformate dafür
Individuelle Kreativität ist ein notwendiger, nicht jedoch      zur Verfügung zu stellen (Disselkamp 2012, S. 80).
hinreichender Faktor zur Ermöglichung von Innovativität            Eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur – das
(Carayannis und Gonzalez 2003, S. 159). Denn interessan-        „Wollen“ von Innovativität – und eine innovationsfreundli-
terweise führt die angeborene Ressource von Kreativität,        che Unternehmensstruktur, die das „Dürfen“ von Innovation
das Kreativitätspotenzial, nicht notwendigerweise auch zu       tatsächlich ermöglicht, gehen Hand in Hand und sind, wie
innovativen Verhaltensweisen. Wie bereits bei der Zufrie-       die Ausführungen oben zeigen, nicht immer trennscharf.
denheit als individuelle Determinante von Kreativität kurz      Das Konzept „New Work“ greift beide Voraussetzungen

K
Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

für Innovativität auf und verwebt sie zu einer Unterneh-
mensphilosophie, in welcher sich der Mensch als Ursprung
aller Innovationen in einer flexiblen Arbeitsumgebung best-
möglich entfalten kann (Grüling 2019, S. 9ff.). Der Begriff
New Work wurde von dem Sozialphilosophen Frithjof Berg-
mann geprägt, der das Konstrukt aus einem gesellschafts-
politischen Kontext heraus betrachtet und einen alternativen
Ansatz zur Lohnarbeit entwirft, welchen er als „Neue Ar-
beit“ bezeichnet (Bergmann 2004). Bergmann hatte dabei
eine konkrete Form der Arbeit im Sinne, von der die heutige
Verwendung des Begriffs New Work abweicht. Eine einheit-
liche Definition des Begriffes gibt es nicht, die Forschung
hierzu steht noch an den Anfängen (ebd, S. 1). Heute ver-
steht man unter New Work die „grundlegende und nachhal-
tige Veränderung der Arbeitswelt“ (Hackl et al. 2017, S. 3),           Abb. 1 Bezugsrahmen zur Darstellung der Einflussfaktoren auf inno-
wozu entsprechende Initiativen und Maßnahmen wie z. B.                 vative Verhaltensweisen im Arbeitsumfeld. (Quelle: Eigene Darstel-
moderne Raumkonzepte und flexible Arbeitszeiten gehören.               lung)

3 Methodisches Vorgehen                                                zusammengefasst. Aus ihm lassen sich – in Zusammenhang
                                                                       mit den in der Einleitung aufgestellten Forschungsfragen –
3.1 Entwicklung eines Bezugsrahmens                                    folgende zu prüfende Hypothesen ableiten:
                                                                          H-F1-a: Je höher das Kreativitätspotenzial von Mitarbei-
Innovativität kann im Unternehmen nur dort entstehen, wo
                                                                           tenden ist, desto stärker zeigen sie innovative Verhaltens-
kreatives Potenzial, innovationsfreundliche Unternehmens-
                                                                           weisen.
kultur und innovationsförderliche Strukturen aufeinander-
                                                                          H-F1-b: Trifft ein hohes Kreativitätspotenzial auf eine in-
treffen (Woodman et al. 1993, S. 294). Dabei ist jedem und
                                                                           novationsfreundliche Unternehmenskultur, hat dies einen
jeder Mitarbeitenden ein individuelles Kreativitätspotenzi-
                                                                           positiven Einfluss auf innovative Verhaltensweisen.
al inhärent, ebenso wie eine solide erlernte Wissensbasis,
                                                                          H-F1-c: Trifft ein hohes Kreativitätspotenzial auf eine
die jedoch insbesondere erst durch einen bewussten Wis-
                                                                           innovationsförderliche Unternehmensstruktur, hat dies
sens- und Erfahrungsaustausch zu neuartigen Assoziatio-
                                                                           einen positiven Einfluss auf innovative Verhaltenswei-
nen und kreativen Ideen führt. All dies benötigt eine Unter-
                                                                           sen.
nehmenskultur, in der ein unterstützender Führungsstil und
                                                                          H-F1-d: Wie stark innovationsfreundliche Unterneh-
hierarchieübergreifende Kommunikationsstrukturen gelebt
                                                                           menskultur und innovationsförderliche Unternehmens-
werden, die divergentes Denken fördert und fordert und auf
                                                                           struktur zu einer Ausschöpfung des individuellen Krea-
diese Weise den Willen demonstriert, dass kreatives Ver-
                                                                           tivitätspotenzials führen, hängt vom Alter der Mitarbei-
halten wertgeschätzt wird. Ein derartige innovationsfreund-
                                                                           tenden ab.
liche Unternehmenskultur lässt sich strukturell bspw. mit-
                                                                          H-F2-a: Je höher die Zufriedenheit mit der Ausschöpfung
hilfe von Konzepten der New Work umsetzen, die indivi-
                                                                           der eigenen Innovativität (Ausschöpfungszufriedenheit)
duelle Freiräume, Mitspracherecht und vor allem physische
                                                                           eingeschätzt wird, desto stärker zeigen Mitarbeitende in-
und geistige Austauschräume schafft. Auf diese Weise kann
                                                                           novative Verhaltensweisen.
unter den Mitarbeitenden ein positives emotionales Klima
                                                                          H-F2-b: Je besser innovationsfreundliche Unternehmens-
entstehen, in dem sie mit der Ausschöpfung ihres indivi-
                                                                           kultur und innovationsförderliche Unternehmensstruktur
duellen Potenzials zufrieden sind, was ebenfalls zu einer
                                                                           das individuelle Kreativitätspotenzial ausschöpfen, desto
Innovativitätssteigerung führen kann. Mit Blick auf die al-
                                                                           höher ist auch die empfundene Ausschöpfungszufrieden-
ternde Belegschaft ist darüber hinaus davon auszugehen,
                                                                           heit.
dass trotz sinkender fluider Intelligenz im Alter das Erfah-
                                                                          H-F2-c: Die Ausschöpfungszufriedenheit beeinflusst den
rungswissen in Kombination mit einer innovationsförderli-
                                                                           Effekt, den innovationsfreundliche Unternehmenskultur
chen Arbeitsumgebung und Unternehmenskultur dennoch
                                                                           und innovationsförderliche Unternehmensstruktur bei
zu innovativen Verhaltensweisen führen kann (Noefer et al.
                                                                           der Überführung bestehenden Kreativitätspotenzials in
2009).
                                                                           innovatives Verhalten haben, positiv.
   Die postulierten Zusammenhänge sind in Abb. 1 im Be-
zugsrahmen der nachfolgenden empirischen Untersuchung

                                                                                                                              K
E. Kästner, K. Rudolph

3.2 Die Energie- und Versicherungsbranche als eher            auch die Versicherungsbranche mit Fachkräftemangel zu
    innovationsferne Grundgesamtheit                          kämpfen (AGV 2020, S. 29). Gleichzeitig steigt der Alters-
                                                              durchschnitt der Beschäftigten, sodass die am häufigsten
Es gibt zahlreiche empirische Belege dafür, dass Innova-      vertretene Altersgruppe mittlerweile die der über Mitt-
tivität in Unternehmen branchenübergreifend immer mehr        Fünziger ist (AGV o.J.).
zum elementaren Bestandteil der Unternehmens-DNA wird
(Rammer 2021, S. 6f.). Das Bundesministerium für Bildung      3.3 Erhebungsinstrument und Stichprobe
und Forschung (BMBF 2020) belegt diesen Trend mit stetig
steigenden bundesweiten Ausgaben für Forschung und Ent-       Als Erhebungsinstrument wurde eine standardisierte Befra-
wicklung. Dennoch gibt es auch Branchen, bei denen die In-    gung mit größtenteils geschlossenen und wenigen offenen
novationsleistung vergleichsweise geringer ist und entspre-   Fragen entwickelt, die sich – wo immer es möglich war –
chend unterhalb des bundesdeutschen Durchschnitts liegt,      auf vorhandene Skalen stützte. Neben üblichen soziodemo-
wie dies in der Energie- sowie der Versicherungsbranche       graphischen Angaben zu Branchenzugehörigkeit, Unter-
der Fall ist (ZEW 2021).                                      nehmensgröße und Position im Unternehmen wurde das
   Für eine Untersuchung der Treiber von Innovativität und    Alter offen abgefragt, um mit einem metrischen Skalenni-
Zufriedenheit im Arbeitsumfeld sind solche als eher inno-     veau rechnen zu können. Das Kreativitätspotenzial wurde
vationsfern zu klassifizierenden Branchen besonders geeig-    über die Creative Personality Scale von Gough (1979) ab-
net, weil hier unternehmensspezifische Unterschiede hin-      gefragt (in einer deutschen Übersetzung von Kästner 2009,
sichtlich der innovationsfreundlichen Kulturen und inno-      S. 166ff.), nach der sich das individuelle Kreativitätspoten-
vationsförderlichen Strukturen noch am ehesten beobacht-      zial aus zeitlich verhältnismäßig stabilen kreativitäts(ir-)re-
bar sind. Zudem haben für diese Branchen mögliche Hand-       levanten Persönlichkeitseigenschaften ableiten lässt (die
lungsempfehlungen eine besondere Relevanz, wenn es dar-       Skalenreliabilität ist mit Cronbach’s Alpha = 0,629 für krea-
um geht, die eigene Innovationsfähigkeit zu steigern. Des-    tivitätsrelevante Eigenschaften, Cronbach’s Alpha = 0,510
halb beschränkt die vorliegende Untersuchung sich haupt-      für kreativitätshemmende Eigenschaften und Cronbach’s
sächlich auf die Energie- und Versicherungsbranche, wel-      Alpha = 0,523 für die Gesamtskala gerade noch akzeptabel).
che im Vergleich zu anderen Branchen geringe Innovati-        Die Komponenten einer innovationsfreundlichen Unterneh-
onsausgaben sowie eine geringe Innovationsintensität auf-     menskultur sind einer repräsentativen Erhebung von Käst-
weisen (ZEW 2021, S. 5).                                      ner (2009, S. 168ff.; Cronbach’s Alpha 0,908) entnommen,
   Die Energiebranche wird in dieser Studie als Gesamtheit    die Skala zur Erfassung der strukturellen Gegebenheiten
der Unternehmen in Deutschland in den Tätigkeitsgebieten      eines innovationsförderlichen Arbeitsumfelds basiert auf
Elektrizitäts-, Gas-, Wärme- und Kälte- sowie Wasserver-      Hays et al. (2016, S. 10, Cronbach’s Alpha = 0,831). Einzig
sorgung gemäß der Definition des statistischen Bundes-        zur Erfassung der Komponenten von New Work wurde in
amtes verstanden und bestand Ende 2020 aus ca. 2300           Zusammenarbeit mit New Work-Experten eine eigene Skala
Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten (Statistisches      entwickelt, die Items zur Arbeitsplatzgestaltung, zu Aus-
Bundesamt 2021). Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die         tauschmöglichkeiten, zur Organisationsstruktur sowie zu
Branche knapp 260.000 Personen, wovon ca. 78 % in der         individuellen Förderangeboten für Mitarbeitende abfragte
Elektrizitätsversorgung tätig waren (ebd.). Die Branche       und in Folgestudien zu validieren ist, mit einem Cronbach’s
erzielte dabei Ende 2020 einen Jahresumsatz von knapp         Alpha = 0,832 aber bereits eine sehr gute interne Skalenkon-
590 Mrd. C (Statistisches Bundesamt 2021a). Wie viele         sistenz aufweist. Für die Erhebung innovativer Verhaltens-
andere Branchen bekommt auch die Energiebranche den           weisen im Arbeitsumfeld wurde auf eine Skala von Sarges
Fachkräftemangel zunehmend zu spüren (Preuß 2021).            (2013, S. 465, Cronbach’s Alpha = 0,842) zurückgegriffen.
   Die Versicherungsbranche wird für diese Studie ver-        Die Zufriedenheit wurde als doppeltes Globalkonstrukt mit
standen als Unternehmen der Bereiche Lebens-, Kranken-,       vierstufiger Ratingskala abgefragt: einmal als generelle
Schaden- und Unfallversicherung sowie Rückversiche-           Zufriedenheit im Arbeitsumfeld sowie als tatsächlich krea-
rer, Pensionskassen und Sterbekassen unter deutscher          tivitätsrelevante Zufriedenheit mit der selbstempfundenen
Bundesaufsicht (GDV 2020, S. 15). Ende 2019 zählte            Ausschöpfung des eigenen kreativen Potenzials (Ausschöp-
die Branche in Deutschland 530 Unternehmen, wovon             fungszufriedenheit). Ersteres wurde nur abgefragt, um für
ca. 200 Schadens- oder Unfallversicherer und ca. 80 Le-       die Ausschöpfungszufriedenheit Effekte der allgemeinen
bensversicherer waren (ebd.). 2018 erzielte die Branche       Zufriedenheitseinschätzung zu minimieren.
293 Mrd. C Umsatz (ebd., S. 39) und beschäftigte En-             Der Online-Fragebogen wurde im Zeitraum vom 22. Sep-
de 2019 ca. 291.000 Arbeitnehmer:innen sowie zusätz-          tember 2020 bis 30. November 2020 über Verteiler der
lich knapp 200.000 selbstständige Versicherungsvermittler/    Versicherungsforen Leipzig (ca. 1400 potenzielle Be-
-berater:innen (ebd., S. 15). Wie die Energiebranche hat      fragungsteilnehmer:innen) und der Energieforen Leipzig

K
Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

Tab. 1 Demographische
                                   Geschlechtszugehörigkeit                                    Branchenzugehörigkeit
Charakteristika des Datensatzes.
(Quelle: Eigene Darstellung)       Männlich                                   45,1 %           Energiewirtschaft                        43,7 %
                                   Weiblich                                   53,5 %           Assekuranz (Versicherungen)              23,9 %
                                   Divers                                     1,4 %            Bildung & Forschung                      9,9 %
                                   Alter                                                       Marketing & Werbung                      8,5 %
                                   ¿                                          39,7 Jahre       Sonstige Dienstleistungen                5,6 %
                                   Unternehmensgröße                                           Beratung                                 4,2 %
                                   KMU                                        31,4 %           Wirtschaft und Finanzen                  4,2 %
                                   Große Unternehmen                          27,1 %           Kreativitätspotenzial
                                   Sehr große Unternehmen & Konzerne          41,5 %           ¿                                        3,72
                                                                                               Innovatives Verhalten im Arbeitsumfeld
                                                                                               ¿                                        4,00

(1388 potenzielle Befragungsteilnehmer:innen) sowie über               4 Empirischer Befund
private Verteiler der Autorinnen und Praxispartner bei den
Versicherungsforen Leipzig sowie Energieforen Leipzig                  4.1 Varianz innerhalb der Hauptvariablen
(ca. 200 potenzielle Befragungsteilnehmer:innen) ins Feld
gegeben. Die Rücklaufquote lag bei 2,4 % und brachte                   Bevor die multivariate Hypothesenprüfung erfolgen kann,
71 verwertbare Datensätze. Die Befragung ist mithin nicht              sollen die Hauptvariablen Kreativitätspotenzial KI, inno-
repräsentativ, zeigt jedoch signifikante Ergebnisse, so dass           vatives Verhalten Inno, innovationsfreundliche Unterneh-
dennoch von einer grundsätzlichen Gültigkeit der Aussa-                menskultur iUK und innovationsförderliche Unternehmens-
gen ausgegangen werden kann (Cook et al. 2000, S. 821f.).              struktur iUS kurz deskriptiv beschrieben werden. Wie in
Die geringe Rücklaufquote wird auf das spezifische Thema               Tab. 2 ersichtlich wird, ist die Varianz innerhalb der Varia-
zurückgeführt, das nur für einen Teil der angeschriebe-                blen, gemessen an der Skalenspannweite, eher gering, was
nen Personen relevant war. Die Datenanalyse erfolgte mit               als Bestätigung für die Homogenität innerhalb der Stich-
SPSS 25 mit einer Erweiterung für Moderations- und                     probe interpretiert werden kann und bei den folgenden Be-
Mediationsanalysen durch PROCESS 4.0 (Hayes 2018).                     rechnungen zu berücksichtigen ist.
    Hinsichtlich der demographischen Charakteristika des
Datensatzes (vgl. Tab. 1) ist festzustellen, dass eine leichte         4.2 Kreativitätspotenzial, Alter, innovations-
Mehrheit der Befragten angab, weiblichen Geschlechts zu                    freundliche Unternehmenskultur und
sein. Im Durchschnitt waren die Befragten knapp 40 Jahre                   innovationsförderliche Unternehmensstruktur
alt. Die Branchenzugehörigkeit entspricht den verwende-                    als Treiber von innovativem Verhalten
ten Verteilern: ein knappes Viertel der Befragten arbeitet in
der Versicherungsbranche, knapp 44 % in der Energiebran-               Eine der Grundvoraussetzungen für innovatives Verhal-
che, so dass der Datensatz wie angestrebt einen Großteil an            ten im Arbeitsumfeld ist das Kreativitätspotenzial der
Befragten aus eher innovationsfernen Branchen beinhaltet.              Mitarbeitenden. Eine lineare Regressionsanalyse des inno-
Entsprechend der EU-Klassifikation (Europäische Kommis-                vativen Verhaltens Inno in Abhängigkeit vom Kreativitäts-
sion 2015, S. 10) konnten 31 % der Antworten kleinen und               potenzial KI zeigt ein hoch signifikantes Gesamtmodell,
mittelständischen Unternehmen bis 249 Mitarbeitenden zu-               F (1, 69) = 16,686, p < 0,001, mit einer mittleren bis ho-
geordnet werden, die restlichen verteilen sich auf 27 % gro-           hen Varianzaufklärung von 19,5 %. Das Vorhandensein des
ße Unternehmen mit bis zu 999 Mitarbeitenden und 41 %                  Kreativitätspotenzials ist mithin ein wichtiger Treiber inno-
sehr große Unternehmen oder Konzerne mit 1000 und mehr                 vativen Verhaltens, Hypothese H-F1-a kann damit bestätigt
Mitarbeitenden. Das durchschnittliche Kreativitätspotenzial            werden.
der Mitarbeitenden ist, klassifiziert in 5 Klassen, mit einem
Wert von 3,71 auf einer Skala von 1 (sehr geringes Kreati-
vitätspotenzial) bis 5 (sehr hohes Kreativitätspotenzial) im           Tab. 2 Varianz innerhalb der Variablen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Vergleich zu einer für die Gesamtbevölkerung repräsenta-               Variable Skalen-               N    Min   Max Mittel-    Standard-
                                                                                spannweite                           wert       abweichung
tiven Untersuchung (Kästner 2009; Wert 3,27) leicht über-
durchschnittlich, der durchschnittliche Wert für das inno-             KI          –12 bis +18 [30]   71   –2    13    8,20     2,755
vative Verhalten im Arbeitsumfeld, ebenfalls klassifiziert in          Inno        16 bis 64 [49]     71   40    64    50,45    5,684
fünf Klassen, liegt bei 4,00 (Skala 1 „gar nicht innovativ“            iUK         15 bis 60 [46]     71   22    60    41,25    8,220
bis 5 „sehr innovativ“) und damit in einem hohen Bereich.              iUS         0 bis 120 [121]    71   12    78    40,80    15,504

                                                                                                                                 K
E. Kästner, K. Rudolph

   Wie jedoch in den theoretischen Grundlagen dargelegt,       legen, dass mit Rückgang der fluiden Intelligenz die In-
kommt der innovationsfreundlichen Unternehmenskultur           novativität mit steigendem Alter zurückgeht. Gleichzeitig
iUK eine wichtige Rolle bei der Ausschöpfung des Krea-         bleibt die erfahrungsbasierte kristalline Intelligenz auch im
tivitätspotenzials zu (Woodman et al. 1993, S. 294). Es        Alter stabil oder steigt mit den Jahren an. Mithilfe einer
wurde daher eine Moderationsanalyse durchgeführt, um zu        weiteren Moderationsanalyse sollte bestimmt werden, ob
bestimmen, ob die Interaktion zwischen Kreativitätspoten-      die Interaktion zwischen Kreativitätspotenzial KI und Al-
zial KI und innovationsfreundlicher Unternehmenskultur         ter innovatives Verhalten im Arbeitsumfeld Inno signifi-
iUK innovatives Verhalten im Arbeitsumfeld Inno signifi-       kant vorhersagt. Das Gesamtmodell war erneut signifikant,
kant vorhersagt. Das Gesamtmodell war hoch signifikant,        F (3, 66) = 7,8159, p < 0,001, mit einer mittleren bis hohen
F (3, 67) = 11,8368, p < 0,001, mit einer recht hohen Vari-    Varianzaufklärung von 20,06 %. Jedoch besteht kein Mo-
anzaufklärung von 24,07 %. Jedoch konnten die Ergebnisse       derationseffekt der Variablen Alter auf die Beziehung zwi-
keinen Moderationseffekt der innovationsfreundlichen Un-       schen Kreativitätspotenzial KI und innovativem Verhalten
ternehmenskultur iUK auf die Beziehung zwischen Krea-          Inno: R2 = 0,05 %, F (1, 66) = 0,3795, p = 0,540 bei einem
tivitätspotenzial KI auf innovatives Verhalten Inno finden,    95 % Konfidenzintervall [–0,0702, 0,0191]. Die Ausschöp-
R2 = 0,04 %, F (1, 67) = 0,0596, p = 0,808 bei 95 % Konfi-    fung des Kreativitätspotenzials im Arbeitsumfeld ist also
denzintervall [–0,0653, 0,0437]. In eher innovationsfernen     nicht altersabhängig, Hypothese H-F1-d muss daher wider-
Branchen hat eine innovationsfreundliche Unternehmens-         legt werden.
kultur also keinen Einfluss darauf, ob aus einem kreativen        Als erstes Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass
Potenzial innovatives Verhalten wird. Hypothese H-F1-b         nur das individuelle Kreativitätspotenzial einen hohen di-
wurde mithin widerlegt.                                        rekten Einfluss auf innovatives Verhalten im Arbeitsum-
   Nach den Ausführungen zum Können (Kreativitätspo-           feld von eher innovationsfernen Branchen hat. Eine inno-
tenzial) und Wollen (Unternehmenskultur) von Innovativi-       vationsfreundliche Unternehmenskultur hat kaum einen Ef-
tät sollen nun die Ergebnisse zum Dürfen von Innovativität     fekt, das Angebot eines innovationsförderlichen Umfeldes
vorgestellt werden: der innovationsfreundlichen Unterneh-      (Struktur, Angebote) hat zumindest einen kleinen direkten
mensstruktur. Dafür wurden die 20 Items der Eigenskala als     sowie einen moderierenden Effekt auf die Überführung des
Summenwert iUS zusammengefasst. Eine lineare Regressi-         vorhandenen Potenzials in innovatives Verhalten. Das Alter
onsanalyse des innovativen Verhaltens Inno in Abhängig-        beeinflusst innovatives Verhalten hingegen nicht.
keit von der innovationsfreundlichen Unternehmensstruktur
iUS zeigt ein signifikantes Gesamtmodell, F (1, 69) = 6,424,   4.3 Ausschöpfungszufriedenheit als direkter und
p = 0,014, mit einer geringen Varianzaufklärung von 8,5 %.         indirekter Treiber von innovativem Verhalten
Es gibt also einen kleinen direkten Effekt von innovati-
onsförderlichen Angeboten auf das innovative Verhalten.        Ein weiterer Treiber von Innovativität ist die sogenann-
Auch hier ist gemäß den theoretischen Ausführungen ein         te Ausschöpfungszufriedenheit. Ihr zufolge steigt die In-
Moderationseffekt zu erwarten, bei dem das Vorhanden-          novativität im Arbeitsumfeld, je zufriedener Arbeitnehmer
sein innovationsförderlicher Strukturen die Ausschöpfung       und Arbeitnehmerinnen mit der Ausschöpfung ihres ei-
des Kreativitätspotenzials als innovatives Verhalten beein-    genen kreativen Potenzials im Arbeitsumfeld sind (Shal-
flusst. Die durchgeführte Moderationsanalyse zeigt in ei-      ley et al. 2000, S. 215ff.). Eine einfache lineare Regres-
nem hoch signifikanten Gesamtmodell mit F (3, 67) = 7,465,     sion zeigt in einem schwach signifikanten Gesamtmodell,
p < 0,001 und einer hohen Varianzaufklärung von 28,3 %         F (1, 69) = 3,781, p = 0,056, mit einer geringen Varianzauf-
einen schwach signifikanten Moderationseffekt, nach dem        klärung von 5,2 % einen kleinen direkten Effekt der Aus-
die innovationsfreundliche Unternehmensstruktur iUS den        schöpfungszufriedenheit ZufrAus auf innovatives Verhalten
direkten Effekt zwischen Kreativitätspotenzial KI und in-      Inno. Nimmt man das Kreativitätspotenzial KI in die Re-
novativem Verhalten Inno schwach signifikant moderiert,        gressionsgleichung auf, erreichen in einem hoch signifikan-
R2 = 4,2 %, F (1, 67) = 3,902, p = 0,052 bei einem Konfi-     ten Gesamtmodell, F (2, 68) = 10,982, p < 0,001, die beiden
denzintervall von 95 % [–0,060, –0,008]. Das Angebot von       Variablen eine Varianzaufklärung des innovativen Verhal-
Strukturen, in denen Innovativität gelebt werden kann, hat     tens von hohen 24,4 %. Um zu prüfen, ob es einen zu-
also einen zusätzlichen, wenn auch kleinen Effekt auf die      sätzlichen moderierenden Effekt der Ausschöpfungszufrie-
Ausschöpfung des Kreativitätspotenzials im Arbeitsumfeld.      denheit ZufrAus auf den direkten Zusammenhang zwischen
Hypothese H-F1-c kann bestätigt werden, wenngleich der         Kreativitätpotenzial KI und innovativem Verhalten Inno gibt
ermittelte Effekt kleiner ist als erwartet.                    – ob also die Verwandlung kreativen Potenzials in inno-
   Ein weiterer möglicher Einflussfaktor auf innovatives       vative Verhaltensweisen von der Ausschöpfungszufrieden-
Verhalten ist das Alter, dessen Einflussqualität in der Li-    heit beeinflusst wird – wurde auch hier eine Moderations-
teratur jedoch ambivalent gesehen wird. Viele Autoren be-      analyse durchgeführt. Trotz signifikanten Gesamtmodells,

K
Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

F (3, 67) = 10,4685, p < 0,001, mit einer hohen Varianzer-             Tab. 3 Beschreibung von drei Mitarbeitendenclustern anhand der Va-
klärung von 25,82 % liegt kein zusätzlicher Moderations-               riablen „Alter“ und „Innovativität“. (Quelle: Eigene Darstellung)
effekt vor (R2 = 1,41 %, F (1, 67) = 1,6615, p = 0,202 bei                              „Die jungen     „Das Mittel-         „Die erfahrenen
einem 95 % Konfidenzintervall [–0,9609, 0,1120]). H-F2-a                                 Wilden“         maß“                 Pioniere“
kann dennoch für einen kleinen direkten Effekt bestätigt               n                 33              22                   12
werden.                                                                Alters-¿          32,97           41,46                50,74
    Um zu überprüfen, ob die Ausschöpfungszufriedenheit                Innovativität     50,62           42,42                54,30
                                                                       (16–64)
ZufrAus den Effekt der innovationsfreundlichen Unterneh-
                                                                       Geschlecht        50 % | 50 %     38,5 % |             39,1 % | 60,9 %
menskultur iUK bzw. der innovationsförderlichen Unter-                 (m | w | d)       | 0%            53,8 % | 7,7 %       | 0%
nehmensstruktur iUS auf innovatives Verhalten Inno ganz
oder partiell mediiert, wurden zwei Mediationsanalysen be-
rechnet. Entsprechend den Vorgaben nach Baron und Kenny                4.4 Clusteranalyse nach Alter und Innovativität
(1986) liegen bei beiden Modellen keine Mediationseffek-
te vor, weil entweder der direkte Effekt nicht signifikant             Um Treiber von innovativem Verhalten im Arbeitsumfeld
war (iUK) und/oder einer der beiden indirekten Pfade nicht             in Abhängigkeit vom Alter zu identifizieren, wurden die
signifikant war. Hypothese H-F2-c ist daher zu widerlegen.             Befragten mittels einer K-Means-Clusteranalyse (vgl. zum
Auffällig im Mediationsmodell der innovationsförderlichen              analytischen Vorgehen Bacher et al. 2010, S. 15) zunächst
Unternehmensstruktur iUS war jedoch der hoch signifikant               anhand der Variablen Alter (metrisch) und innovatives Ver-
(p < 0,001) positive indirekte Effekt zwischen iUS und Aus-            halten Inno (metrischer Summenwert aus der formativen
schöpfungszufriedenheit, der sich auch in einer linearen Re-           Summation aller Item-Bewertungen) in drei Gruppen klas-
gression mit der Ausschöpfungszufriedenheit ZufrAus als                sifiziert. Sie lassen sich wie folgt beschreiben (vgl. Tab. 3):
abhängige und der innovationsförderlichen Unternehmens-
                                                                          Gruppe 1 ist 32,97 Jahre alt und erreicht als Summen-
struktur iUS als unabhängige Variable bestätigt. Das hoch
                                                                           wert der Innovativität (Skala 16–64) einen Wert von
signifikante Gesamtmodell mit F (1, 69) = 19,492, p < 0,001,
                                                                           50,62 Punkten. Wir nennen diese Gruppe „Die jungen
kann 22 % der Varianz der Ausschöpfungszufriedenheit er-
                                                                           Wilden“.
klären. Damit kann Hypothese H-F2-b teilweise bestätigt
                                                                          Gruppe 2 ist 41,46 Jahre alt und ist mit einem Summen-
werden.
                                                                           wert der Innovativität von 42,42 nur mittelmäßig innova-
    Zusammenfassend lässt sich aus den bisherigen Ergeb-
                                                                           tiv. Diese Gruppe nennen wir „Das Mittelmaß“.
nissen ableiten, dass im vorliegenden Gesamtdatensatz von
                                                                          Gruppe 3 ist 50,74 Jahre alt und erreicht mit einer Inno-
Befragten aus vornehmlich eher innovationsfernen Bran-
                                                                           vativitätssumme von 54,30 einen sehr hohen Wert. Wir
chen das Kreativitätspotenzial sowie konkrete Angebote zur
                                                                           nennen diese Gruppe „Die erfahrenen Pioniere“.
Innovationsförderung, nicht jedoch die innovationsfreund-
liche Unternehmenskultur zu innovativem Verhalten und                     Für die weiteren Analysen ist insbesondere der Vergleich
Ausschöpfungszufriedenheit führen. Zudem zeigen sich                   zwischen den „jungen Wilden“ und den „erfahrenen Pionie-
signifikante Zusammenhänge zwischen Ausschöpfungszu-                   ren“ von Interesse: Maßnahmen, die über beide Altersgrup-
friedenheit und innovativem Verhalten.                                 pen zu Innovativität und Zufriedenheit führen, sind nicht al-
    Im Folgenden soll daher ganz konkret analysiert wer-               tersspezifisch. Treten Unterschiede in den Ergebnissen auf,
den, woraus sich diese Ausschöpfungszufriedenheit als ei-              kann der Rückschluss gezogen werden, dass ältere Innova-
ne der Grundlagen für innovatives Verhalten speist. Bislang            tive in diesen Punkten ein anderes Arbeitsumfeld benötigen,
wurden die Zusammenhänge auf Basis von Summenwer-                      um innovativ und zufrieden zu sein, als jüngere Innovative.
ten analysiert, um möglichst viel Informationsvarianz zu
verwerten. Für die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsum-               4.5 Einflussfaktoren auf die
feldes zur Förderung von Innovativität und Zufriedenheit                   Ausschöpfungszufriedenheit bei jüngeren und
braucht es jedoch einen detaillierten Blick auf einzelne ge-               älteren Innovativen
staltbare Parameter. Dabei soll es darum gehen, für diejeni-
gen Befragten, die tatsächlich innovatives Verhalten zeigen,           Zur Untersuchung der konkreten Einflussfaktoren der Aus-
die Arbeitsumgebung sowie die Treiber ihrer Zufriedenheit              schöpfungszufriedenheit werden lineare Regressionsanaly-
zu untersuchen. Mit Blick auf die Lebensrealität in Unter-             sen zum Einfluss der innovationsfreundlichen Unterneh-
nehmen – alternde Belegschaften und Kampf um hochqua-                  menskultur iUK und der innovationsförderlichen Unterneh-
lifizierten Nachwuchs – wird dabei im Folgenden ein Split              mensstruktur iUS auf die Ausschöpfungszufriedenheit Zu-
nach Alter vorgenommen.                                                frAus im Vergleich der Cluster „die jungen Wilden“ und
                                                                       „die erfahrenen Pioniere“ vorgestellt. Damit soll die Frage
                                                                       beantwortet werden, wie eine Arbeitsumgebung gestaltet

                                                                                                                                  K
E. Kästner, K. Rudolph

Tab. 4 Güte der Gesamtmodelle für die Regressionen iUK ! ZufrAus.     sich „die jungen Wilden“ dort nicht so entfalten können im
(Quelle: Eigene Darstellung)                                          Vergleich zu einer Konstellation, in der sie Teams selbst
ItemsiUK ! ZufrAus            R2        F (df)              Sign      zusammenstellen oder alleine arbeiten können. „Die erfah-
„Die jungen Wilden“           0,681     2,561 (15,18)       0,030     renen Pioniere“ hingegen benötigen den Austausch mit an-
„Die erfahrenen Pioniere“     0,960     11,151 (15, 7)      0,002     deren Kolleg:innen. Interessant ist, dass unabhängig vom
                                                                      Alter Innovative regelmäßige Schulungen und Übungen er-
                                                                      warten. Insgesamt ist der Einfluss der innovationsfreundli-
sein muss, damit sie die Erwartungen der Mitarbeitenden               chen Unternehmenskultur auf die Ausschöpfungszufrieden-
erfüllt und diese mit der Ausschöpfung ihres kreativen Po-            heit auf Ebene der Einzelitems jedoch ebenso überschaubar
tenzials zufrieden sind. Als minimal erforderliches Signi-            wie der oben besprochene Einfluss auf innovative Verhal-
fikanzniveau wird wegen des erwartbar geringen Einzel-                tensweisen.
einflusses der Items im Folgenden mit einer Irrtumswahr-                 Bei der innovationsförderlichen Unternehmensstruktur
scheinlichkeit von < 10 % gerechnet (p < 0,100) (Pritschet            ermöglichte der Fragebogen die Angabe, dass strukturel-
et al. 2016).                                                         le Items im eigenen Unternehmen nicht umgesetzt wer-
    Die Untersuchung des Einflusses einzelner Items der in-           den oder nicht bekannt sind. Durch listen- und paarweise
novationsförderlichen Unternehmenskultur ergab zunächst               Fallausschlüsse ist eine Regressionsanalyse mangels gülti-
für die beiden Cluster zwei signifikante Gesamtmodelle mit            ger Fälle hier nicht möglich. Stattdessen wurden zweisei-
hoher erklärter Gesamtvarianz (vgl. Tab. 4).                          tige Korrelationen (nach Pearson) der Einzelitems mit der
    Die Kollinearitätsdiagnostik war für „die jungen Wil-             Ausschöpfungszufriedenheit gerechnet (vgl. Tab. 7).
den“ unauffällig (alle Toleranzwerte > 0,1). Bei den „erfah-             In Bestätigung der Analyse der Treiber von Ausschöp-
renen Pionieren“ hingegen zeigten sich bei den Variablen              fungszufriedenheit im Hinblick auf die Unternehmenskul-
„Die Vorgesetzten geben auf schnellstem Wege Feedback“,               tur benötigen „die erfahrenen Pioniere“ bei den strukturel-
„Für die Lösung von Problemen arbeiten oft Kollegen unter-            len Gegebenheiten vor allem Austauschformate und -flä-
schiedlicher Abteilungen zusammen“ und „Der Austausch                 chen. „Die jungen Wilden“ hingegen sind dann zufrieden
über alle Führungsebenen hinweg ist unkompliziert“ Tole-              mit der Ausschöpfung ihres kreativen Potenzials, wenn sie
ranzwerte < 0,1 – Hinweise auf eine starke Multikollinea-             fast das gesamte Spektrum des New-Work-Konzeptes nut-
rität der Variablen, was auf die sehr hohe Skalenreliabilität         zen können; angefangen von flexibler Arbeitsorganisation
(Cronbach’s Alpha 0,908) zurückzuführen ist. Insbesondere             über Methoden und Strukturen des Ideenmanagements bis
„Die Vorgesetzten geben auf schnellstem Wege Feedback“                hin zu Austauschformaten.
und „Der Austausch über alle Führungsebenen hinweg ist                   Die Ergebnisse zum Einfluss einzelner Komponenten
unkompliziert“ korrelieren extrem hoch (zweiseitige Kor-              einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur und
relation nach Pearson 0,941, p < 0,001). Die drei Variablen           innovationsförderlichen Unternehmensstruktur sind ein
wurden daher aus der Regression für dieses Cluster ausge-             weiterer deutlicher Beleg für Hypothese H-F2-b. Es las-
schlossen. Wie in Tab. 5 dargestellt, zeigte sich im Ergebnis         sen sich bei innovativen Mitarbeitenden klare Hinweise
kaum eine Änderung der erklärten Varianz im zweiten Re-               dafür finden, dass Komponenten innovationsfreundlicher
gressionsmodell, die Kollinearitätsdiagnostik war nun un-             Unternehmenskultur und einer innovationsförderlichen
auffällig.                                                            Unternehmensstruktur zu einer höheren Ausschöpfungszu-
    Wie Tab. 6 zeigt, speist sich die Ausschöpfungszufrie-            friedenheit führen, und zwar abhängig vom Alter.
denheit der jüngeren im Vergleich zu den älteren Innova-
tiven aus wenigen konkreten Komponenten einer innovati-               4.6 Zusammenfassung des empirischen Befundes
onsfreundlichen Unternehmenskultur. „Die jungen Wilden“
empfinden ihr Potenzial dann als ausgeschöpft, wenn sie               Mittels linearer Regressionsanalysen, Moderations- und
Anleitung erhalten – durch Schulungen oder ihre Vorge-                Mediationsanalysen, Cluster- und Korrelationsanalysen
setzten. Die Zusammenstellung effektiver Projektgruppen               wurden in diesem Beitrag die Treiber innovativen Ver-
durch die Vorgesetzen hat allerdings einen negativen Ein-             haltens in eher innovationsfernen Branchen untersucht.
fluss auf die Ausschöpfungszufriedenheit, mutmaßlich, weil            Dabei wurde deutlich, dass das individuelle Kreativitäts-
                                                                      potenzial, das einem Menschen individuell inhärent ist,
Tab. 5 Güte der Gesamtmodelle für die Regressionen iUK ! ZufrAus      auch im Arbeitsumfeld einen wichtigen Treiber innovati-
mit angepasstem Modell für „die erfahrenen Pioniere“ nach Kollinea-   ven Verhaltens darstellt. Entgegen sonstigen empirischen
ritätsdiagnostik. (Quelle: Eigene Darstellung)
                                                                      Untersuchungen zeigt sich jedoch, dass es keinen direkten
ItemsiUK ! ZufrAus            R2        F (df)              Sign
                                                                      Zusammenhang zwischen einer innovationsfreundlichen
„Die jungen Wilden“           0,681     2,561 (15,18)       0,030     Unternehmenskultur und innovativem Verhalten gibt –
„Die erfahrenen Pioniere“     0,830     4,060 (12, 10)      0,017     möglicherweise verhalten sich Mitarbeitende in innovati-

K
Die jungen Wilden brauchen Führung: Treiber von Innovativität und Zufriedenheit im Arbeitsumfeld innovationsferner Branchen

Tab. 6 Clusterspezifische Einflüsse der Einzelitems innovationsfreundlicher Unternehmenskultur auf die Ausschöpfungszufriedenheit. (Quelle:
Eigene Darstellung)
                                                            „Die jungen Wilden“                    „Die erfahrenen Pioniere“
                                                            Beta         T            Sig          Beta          T              Sig
(Konstante)                                                 –           –0,195        0,848        –              –1,638        0,132
Die Hierarchien sind flach.                                 –0,008      –0,039        0,969        –0,081         –0,330        0,748
Es gibt für jeden Posten klar geregelte Aufstiegschancen.   –0,063      –0,345        0,734        –0,060         –0,283        0,783
Es gibt regelmäßige Schulungen und Übungen.                 0,457       1,936         0,069        0,451          2,660         0,024
Es finden regelmäßig Brainstormings zur Ideengenerie-       0,096       0,445         0,661        0,324          1,547         0,153
rung statt.
Die Vorgesetzten geben auf schnellstem Wege Feedback.       0,434       1,867         0,078        Variable ausgeschlossen
Die Vorgesetzten stellen effektive Projektgruppen zusam-    –0,508      –1,755        0,096        0,049          0,180         0,861
men.
Die Vorgesetzten stehen ihren Mitarbeitern mit Rat und      0,028       0,128         0,900        0,225          0,791         0,447
Tat zur Seite.
Jeder hat die Freiheit, eigene Ideen zu entwickeln und      0,223       1,312         0,206        –0,350         –1,341        0,210
anzubringen.
Jeder wird regelmäßig bewertet und bekommt Feedback         0,076       0,406         0,689        –0,009         –0,026        0,979
zu seiner Arbeit.
Wer besonders gute Arbeit leistet, wird dafür belohnt.      0,170       0,831         0,417        –0,096         –0,429        0,677
Für die Lösung von Problemen arbeiten oft Kollegen          0,007       0,034         0,973        Variable ausgeschlossen
unterschiedlicher Abteilungen zusammen.
Der Austausch über alle Führungsebenen hinweg ist           0,375       1,706         0,105        Variable ausgeschlossen
unkompliziert.
Bei schwierigen Problemen helfen sich die Kollegen          –0,277      –1,645        0,117        0,724          2,478         0,033
gegenseitig.
Das persönliche Arbeitsklima innerhalb der Abteilungen      0,180       1,025         0,319        –0,201         –0,900        0,398
ist gut.
Das persönliche Arbeitsklima zwischen den Abteilungen       0,012       0,041         0,968        0,250          1,476         0,183
ist gut.
Signifikante Zusammenhänge mit p < 0,100 sind kursiv markiert

onsfernen Branchen trotzdem innovativ, auch wenn keine                 viel mehr Führung und Unterstützung als ältere Innovative
innovationsfreundliche Unternehmenskultur gelebt wird.                 („die erfahrenen Pioniere“). Dies ist insofern überraschend,
Innovationsförderliche Angebote in der Arbeitsstrukturie-              als die sog. Generation Y als sehr freiheitsliebend und mit
rung hingegen besitzen einen kleinen direkten Einfluss                 starkem Fokus auf individuelle Selbstverwirklichung ver-
auf innovative Verhaltensweisen und beeinflussen zudem                 bunden wird (Klös et al. 2016, S. 20ff.), lässt sich aber
positiv, ob aus einem individuellen Kreativitätspotenzial              mit dem mangelnden Erfahrungsschatz dennoch verargu-
innovatives Verhalten wird. Diese Zusammenhänge haben                  mentieren. Gespiegelt wird diese Suche nach Sicherheit
sich als altersunabhängig herausgestellt.                              und Anleitung bei gleichzeitigem Drang nach Individua-
   Als weiterer Treiber innovativen Verhaltens konnte die              lität auch in der verstärkten Nutzung verschiedenster Kom-
Zufriedenheit mit der selbstempfundenen Ausschöpfung                   ponenten der sog. New Work, die gleichermaßen flexible
des eigenen Potenzials im Arbeitsumfeld ausgemacht wer-                Strukturen, aber auch Austauschformate und Rahmenkon-
den. Diese Ausschöpfungszufriedenheit hat einen kleinen                strukte für Innovationen (Ideenmanagement, Kreativräume)
direkten Effekt auf das innovative Verhalten, der noch stär-           umfassen. Die „erfahrenen Pioniere“ hingegen brauchen in
ker wird, wenn das Kreativitätspotenzial in die Einfluss-              erster Linie Flächen und Strukturen für interpersonellen
gleichung mit aufgenommen wird. Wenn Menschen mit                      Austausch, was sich mit der theoretischen Annahme deckt,
hohem Kreativitätspotenzial eine hohe Ausschöpfungszu-                 dass mit steigendem Alter das Erfahrungswissen nur durch
friedenheit empfinden, führt dies zu deutlich innovativerem            kollaborativen Austausch zu innovativen Verhaltensweisen
Verhalten im Arbeitsumfeld.                                            führt (Noefer et al. 2009).
   Ein Blick in die Treiber der Ausschöpfungszufriedenheit                 Insgesamt hat sich gezeigt, dass Befragte aus eher in-
zeigt, dass unabhängig vom Alter der Befragten regelmäßi-              novationsfernen Branchen ein anderes Einflussmuster bei
ge Schulungen und Übungen zu mehr Zufriedenheit führen.                innovativem Verhalten zu zeigen scheinen, als dies in Bran-
Allerdings erwarten junge Innovative („die jungen Wilden“)             chen der Fall ist, in denen Innovationen bereits zur Unter-

                                                                                                                               K
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