"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...

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"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
67. Jahrgang · Nr. 2 · Herbst 2012

  Pfarrblatt

  »Du bist
   einmalig!«
Schwerpunkt        Einmaligkeit und Vielfalt: Genetik, Lebensphasen, Bildung, Leid, Aufbrüche
Dompfarre          Lange Nacht der Kirchen · Steffl- und Wr. Kirtag · Ausstellung: Der Domschatz
Spirituelles       Kunstprojekte, Lebensgeschichten: Pater Pio, Mutter Teresa, Veronika
Literatur          „Echtzeit“ · „Leben – Wie geht das?“ · „Krisen bewältigen“ · „Zwei Leben“
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
Inhalt                                       Editorial
■   Editorial                            2
■
■
■
    Wort des Dompfarrers
    Die Durchschnittsfalle
    Gottes Bild in mir herausbilden 6
                                         3
                                         4   Grüß Gott!
                                             Per E-Mail hatte ich die Einladung zu einer
■   Leben schützen – von Anfang an 8
■   Jeder Mensch will leben              9   Buchpräsentation bekommen: „Die Durch-
■   Im Elend die Würde                       schnittsfalle. Gene – Talente – Chancen“
    nicht verlieren                     10   von Markus Hengstschläger. Buch und
■   Jedes Kind verdient die besten           Autor waren mir nicht unbekannt: Hat-
    (schulischen) Chancen               11
                                             ten wir doch im Oster-Pfarrblatt eben
■   Essstörungen – zwischen
    Lifestyle und Lebensgefahr          12   dieses Buch von eben diesem Autor re-
■   Erfahrungen teilen, Ideen                zensieren lassen. Umso interessanter
    einbringen, mitgestalten            12
                                             war, den Verfasser eines Bestsellers ein-
■   »Quo vadis?«                        14
                                             mal über sein Buch reden zu hören.
■   Trauer hat so viele Gesichter,
    wie es Menschen gibt                16        Rasch hatte sich die Buchhandlung
■   Was uns einmalig macht,                  gefüllt. Deutlich mehr Gäste waren ge-
    sind unsere Stärken                 17   kommen, als Sessel zur Verfügung stan-
■   Du bist gut – Du gehörst zu uns 18
                                             den. Doch der Vortrag ließ die Zeit wie im
■   Kommunikation als Prävention 19
                                             Flug vergehen. Einer der größten derzeit       spricht uns auch im Innersten an.
■   Wiener Charta                       20
                                             begangenen Fehler Österreichs sei, so              Irgendwann war mir klar: Das ist ein
■   Einmaliges Europa                   21
■   Kulturpflanzenvielfalt              22   Hengstschläger, alle auf Durchschnitt zu       Thema fürs Pfarrblatt! „Du bist einma-
■   Wie fördern Sie andere darin,            trimmen. Nicht auffallen zu wollen schei-      lig!“ Denn eigentlich wissen wir, dass wir
    ihre Einmaligkeit zu entdecken? 24       ne zwar aufs Erste angenehm und pro-           einmalig sind. Doch wenn es um die Um-
■   Der Domschatz kehrt zurück          26   blemlos zu sein – doch die ungewisse und       setzung im Alltag geht, schaut es schon
■   Der neue PGR St. Stephan            27   herausfordernde Zukunft lasse sich nun         wieder ganz anders aus. Und vielfach ist
■   Erstkommunionfeiern 2012            28   einmal nicht von Menschen gestalten, die       auch gar nicht erwünscht, dass wir unse-
■   Pfarr-Firmung                       30   ihre individuellen Fähigkeiten nicht ent-      re Einmaligkeit leben.
■   »Rückenwind«                        31
                                             faltet haben und gewohnt sind, sie weder
■   JU-nite: Party im Curhaus           31
                                             einbringen zu können noch zu müssen.           Einmaligkeit tut uns gut
■   10. Steffl-Kirtag und 3. Wr. Kirtag 32
                                             Mit Humor und originellen Beispielen aus       Das Redaktionsteam war begeistert, die
■   Lange Nacht der Kirchen             34
                                             Biologie und Genetik hat der jüngste Uni-      Autoren leicht gewonnen. Und noch bei
■   Hilfe für argentinische Kinder 36
■   49. Flohmarkt der Dompfarre 37           versitätsprofessor für medizinische Gene-      keiner anderen Ausgabe habe ich schon
■   Alles Klimt                         37   tik es schnell geschafft, die Aufmerksam-      im Vorfeld so viele so positive Rückmel-
■   Vor 60 Jahren                       38   keit seiner Zuhörer zu gewinnen, uns zum       dungen auf den Titel eines Pfarrblattes
■   Besonderheiten in St. Stephan 39         Lachen zu bringen – und eine Atmosphä-         bekommen: „Das ist gut, das gefällt mir!“
■   Pater Pio                           40   re zu schaffen, in der man nicht mehr          „Das ist super!“ Einige haben gleich zu
■   Mutter Teresa                       41   Durchschnitt sein wollte. Es lag in der        erzählen begonnen, wie schwer es Kin-
■   Barmherziger Jesus                  42   Luft: Seine Individualität zu leben wird       der und Jugendliche in Kindergarten und
■   »Veronika reicht Jesus das               dem Menschen nicht nur gerecht, es             Schule haben, einmalig sein zu dürfen.
    Schweißtuch«                        43
                                                                                            Manche haben das Thema in aller Ruhe
■   Dem Leben auf der Spur              44
                                               Hinweis.                                     auf sich wirken lassen und sich dann et-
■   Mein Draht zu Gott                  44
                                               Wir bitten Autoren und Leser um Ver-         wa derart geäußert: „Ja, das ist eine
■   »Krisen bewältigen – Viktor E.             ständnis, dass wir aus Gründen der bes-
    Frankls 10 Thesen in der Praxis« 45                                                     wichtige Sache“. Andere haben einfach
                                               seren Lesbarkeit und der Unversehrtheit
■   »Zwei Leben«                        46                                                  über das ganze Gesicht gestrahlt.
                                               der Sprache Bezeichnungen wie „Christ“,
■   »Und schaut der Steffl                     „Katholik“ etc. so wie das ebenfalls gram-        Wir haben es also anscheinend gern,
    lächelnd auf uns nieder…«           47
                                               matikalisch maskuline Wort Mensch als        wenn uns jemand sagt, dass wir einma-
■   Chronik                             48
                                               inklusiv, also geschlechtsneutral verste-    lig sind. Es tut uns gut zu wissen, für ei-
■   Nacht der Mystik                    48
                                               hen und verwenden. Die Redaktion.            nen anderen Menschen jemand Beson-
■   Zum Gedenken an
    Dr. Max Josef Allmayer-Beck         49                                                  derer zu sein. „Wie oft ist die Mona Lisa
■   Zum Gedenken an                            Reaktionen.
                                                                                            schon kopiert worden. Und trotzdem
    P. Maximilian Svoboda OP            49     Wenn Sie uns etwas mitteilen wollen,
                                               dann zögern Sie nicht: Schreiben Sie an:     stehen die Leute nach wie vor Schlange,
■   Termine in St. Stephan              50
                                               Dompfarre St. Stephan, „Pfarrblatt“, Ste-    um sich das Original anzusehen“ – Louis
■   Mariazeller-Fest am 8. Sept.        51
■   Zum Nachdenken                      52     phansplatz 3, A-1010 Wien, od. per E-Mail:   Armstrong bringt mit diesem Beispiel
                                               dompfarre-st.stephan@edw.or.at               auf den Punkt, dass ein Original durch
■   Impressum                           52
                                                                                            nichts zu ersetzen ist.

2 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
PB Herbst 2012 28.08.12 20:41 Seite 3

                                                       Wort des Dompfarrers

                                                       Liebe Freunde!
           Wozu Originalität, Einmaligkeit, Indi-      Es braucht nicht erst die kriminalistische
       vidualität Menschen anregt, wie sie da-         Feststellung des Fingerabdrucks, um da-
       durch in ihrer Arbeit inspiriert und berei-     von überzeugt zu sein, dass jeder Mensch
       chert werden und welche Herausforde-            unverwechselbar einmalig ist. Wie groß
       rungen dies mit sich bringt, können Sie         ist die Freude bei den Eltern, wenn sie ihr
       in diesem Pfarrblatt auf den Seiten 4–23        Baby zur Taufe bringen, und ich im Na-
       lesen. Auf Buchliebhaber warten vier            men Gottes diese Einmaligkeit des Ge-
       Buchrezensionen (S. 40–42). Wer die             schenkes des Lebens ins deutende Wort
       jüngsten Kunstprojekte im Stephansdom           und in die sakramentale Geste der Was-
       näher kennen lernen möchte, erfährt et-         sertaufe bringen kann. Ein besonderes,
       was darüber auf den Seiten 36–39. Na-           mir sehr ans Herz gewachsene Lied wird
       türlich berichten wir (ab S. 24) aus dem        immer wieder bei so einem Freudenfest
       Leben der Dompfarre – vom 10. Steffl-Kir-       angestimmt:
       tag und vom Wiener Kirtag, von der Lan-              „1. Vergiss es nie: Dass du lebst, war
       gen Nacht der Kirchen; außerdem wird            keine eigene Idee, und dass du atmest,          hat seinen eigenen unendlichen Wert.
       Ihnen der neu konstituierte Pfarrge-            kein Entschluss von dir. Vergiss es nie: Dass   Jeder Mensch ist der Bruder, die Schwes-
       meinderat vorgestellt. Und Sie erhalten         du lebst, war eines anderen Idee, und dass      ter, für die Jesus Christus sein Leben hin-
       eine ausführliche Terminübersicht, so-          du atmest, sein Geschenk an dich.               gegeben hat. Gott hat sich jeden einzeln
       wie Detailinformationen zur aktuellen                (Refrain:) Du bist gewollt, kein Kind      ausgedacht als Wunder mit seinem spe-
       Domschatz-Ausstellung.                          des Zufalls, keine Laune der Natur, ganz        ziellen Auftrag. Keiner ist „Gottes verges-
           Markus Hengstschläger, dessen Buch          egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst      senes Kind“, das ihm gleichgültig wäre.
       „Die Durchschnittsfalle“ Ideengeber die-        oder Dur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein       Bischof Manfred Scheuer hat es vor Jah-
       ses Pfarrblatt-Themas war, weist darauf         genialer noch dazu. Du bist du … Das ist        ren in seinem sehr lesenswerten Buch
       hin: „Das Wichtigste, was wir aufbringen        der Clou, ja der Clou: Ja, du bist du.          „Christlicher Lebensstil heute“ in vielen
       müssen, um die Fragen der Zukunft zu                 2. Vergiss es nie: Niemand denkt und       Beispielen variiert (Tyrolia, 2005).
       beantworten, wenn sie dann einmal Ge-           fühlt und handelt so wie du, und nie-                Zum Thema „Einmalig“ fällt mir auch
       genwart geworden sind, ist Mut!“                mand lächelt so, wie du’s grad tust. Ver-       das Gebet des kleinen Nicolas Peter ein.
           In diesem Sinne wünsche ich uns             giss es nie: Niemand sieht den Himmel           Als Taufpriester war ich zu seinem 2. Ge-
       Mut, die Zukunft zu gestalten, Weisheit,        ganz genau wie du, und niemand hat je,          burtstag eingeladen. Es ist ja eine recht
       unsere individuellen Talente zu entde-          was du weißt gewusst.                           schwierige Aufgabe, einem Kind das Bit-
       cken und Freude daran, unsere Einmalig-              3. Vergiss es nie: Dein Gesicht hat nie-   te- und Danke-Sagen beizubringen. Und
       keit zu leben.                                  mand sonst auf dieser Welt, und solche          wenn dann auch noch das abendliche
                                                       Augen hast alleine du. Vergiss es nie: Du       Beten einen erfolgreichen Niederschlag
       Ihre                                            bist reich, egal ob mit, ob ohne Geld, denn     findet, ist der Stolz der Eltern besonders
                                                       du kannst leben! Niemand lebt wie du.“          groß. Also wird der blitzschnell in der
                                                       (Text: Jürgen Werth)                            Wohnung herumwirbelnde Nicolas ge-
                                                            Jedem Menschen ist das zugesagt:           beten, ob er nicht doch vor der in großer
       Susanne Leibrecht, Redaktionsleitung            dem gesunden wie dem kranken, dem               Zahl versammelten Verwandtschaft und
                                                       starken wie dem schwachen, dem soge-            allen Festgästen sein Lieblingsgebet laut
          Das ist es mir wert.                         nannten normalen und ganz besonders             vorsprechen könnte? Er überlegt kurz,
          Danke, dass Sie unser Pfarrblatt lesen!      auch dem behinderten. Welche Heraus-            und dann – nach einer für die liebende
          Die Produktion eines Heftes kostet rund
                                                       forderung es heute auf Grund der Präna-         Mutter gefühlten Unendlichkeit – hebt
          3 Euro.
                                                       taldiagnostik bedeutet, zum Leben un-           er nach dem Kreuzzeichen an: „Bitte,
               In den vergangenen Jahren konnten
          wir im Schnitt mit den eingelangten          bedingt ja zu sagen, weiß ich aus vielen        danke, Bussi, Amen.“
          Spenden etwa ein Viertel der anfallenden     Gesprächen mit Eltern von Kindern mit                Eine einmalige Zusammenfassung
          Jahreskosten decken.                         besonderen Bedürfnissen.                        des christlichen Betens eines gerade ein-
               Wenn Sie uns unterstützten möch-             Gott schreibt das Hoheitszeichen           mal Zweijährigen.
          ten, überweisen Sie bitte Ihren finanziel-
                                                       seiner Liebe und Würde auf die Stirn ei-        Ihr
          len Beitrag mit dem beigelegten Zahl-
          scheinen auf unser Pfarrblatt-Konto.         nes jeden. Keiner ist wiederholbar und
          Herzlichen Dank!                             ersetzbar, keiner ist eine Nummer oder
                                                       ein bloßes Serienprodukt. Jeder Mensch          Toni Faber, Dompfarrer

                                                                                                Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 3
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
»Du bist einmalig!«

  Die Durchschnittsfalle. Anders ist besser.
  Von Markus Hengstschläger

  Anders zu sein und möglichst viele ande-     ben schenkt. Niemand kann heute be-           innovativen politischen Lösungen. Nicht
  re (Andersartige), Verschiedene im Sys-      haupten, was nötiger ist und sein wird,       nur, dass es heute leider sehr beliebt ist,
  tem zu haben ist die mächtigste Eigen-       weil man die Zukunft nicht kennt. Und so      wenn die nächste Generation nicht auf-
  schaft auf dem spannenden, aber eben         lange das so bleibt (und wer glaubt           fällt. Es ist außerdem mehr als beliebt,
  auch herausfordernden Weg in die Zu-         schon, dass sich das jemals ändern wird),     selbst nicht aufzufallen. Nichts – so
  kunft. Niemand weiß, wie die Zukunft         besteht die einzige Chance darin, sich auf    glaubt so mancher – macht stärker, als
  aussieht. Niemand weiß heute schon,          die Zukunft vorzubereiten, möglichst Viele    als Tropfen im großen Meer des Durch-
  welche Fähigkeiten wir eines Tages zur       im System zu haben, die anders sind.          schnitts aufzugehen. Nichts – so irren so
  Lösung der noch kommenden Probleme                                                         viele – macht stärker, als sagen zu kön-
  benötigen. Ein Grundelement der Zu-          Die Gefahr,                                   nen, „wir“ (und nicht „ich“). Die Sehn-
  kunft ist, dass sie Neues bringt, uns noch   nicht auffallen zu wollen                     sucht, sich hinter einer Phalanx Gleich-
  nicht Dagewesenes an den Kopf wirft,         Wer einen neuen Weg gehen will, muss          gesinnter zu verstecken, war wohl noch
  ohne Rücksicht auf unseren aktuellen         den alten verlassen. Individualität ist das   nie so groß. In Wirklichkeit sollten wir al-
  Stand des Wissens. Daher kann auch nie-      höchste Gut, wenn es darum geht, sich         les daran setzen, eine Ansammlung von
  mand behaupten, der Eine/das Eine wä-        auf die Zukunft vorzubereiten. Der Durch-     Individuen zu werden mit dem höchst-
  re heute wichtiger und förderungswür-        schnitt erbringt keinerlei wissenschaftli-    möglichen Grad an Anderssein.
  diger als der Andere/das Andere. Wer         che Spitzenleistungen, die wir für eine           Die Individualität unseres Humanka-
  heute wertet, wer heute von sich be-         erfolgreiche Zukunft so bitter nötig ha-      pitals, auf die wir bauen müssen, stellt
  hauptet zu wissen, was wir wirklich          ben werden. Der Durchschnitt erbringt         immer das Ergebnis der Wechselwirkung
  brauchen werden, der sollte wohl idea-       aber auch keine sportlichen Spitzenleis-      zwischen Genetik und Umwelt dar. Der
  lerweise eine Glaskugel haben und zu-        tungen, keinerlei künstlerische Ausnah-       Mensch ist individuell, weil er genetisch
  mindest jemanden finden, der ihm Glau-       meleistungen und natürlich auch keine         individuell ist und weil er seine individu-

4 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
Unsere Überlebenschance:                      bringen, all das ist bitter nötig. Aber
                                               individuelle Talente                          nicht um den Durchschnitt zu heben,
          Univ. Prof.                          Es besteht kein Zweifel: Die Individuali-     sondern weil es die einzige Möglichkeit
  Mag. Dr. Markus                              tät in unserem System kann nicht auf die      darstellt, die sonst verborgenen Talente
 Hengstschläger ist                            Genetik, der Mensch kann niemals auf          zu entdecken und durch Erwecken in be-
       Vorstand des                            seine Gene reduziert werden. Erfolg ist       sondere Leistungen umzusetzen. Es gibt
        Instituts für                          immer das Ergebnis der Wechselwirkung         nur eine Elite. Die Elite ist in der Lage, et-
Medizinische Gene-                             aus Genetik und Umwelt. Gene sind wie         was Besonderes, etwas Neues, etwas
  tik, Medizinische                            Bleistift und Papier, aber die Geschichte     noch nie Dagewesenes zu leisten. Sie hat
  Universität Wien                             schreiben wir selbst. Aber es scheint, als    schöpferische Kraft. Der Durchschnitt
                                               wollten wir nicht mehr alle Geschichten       kann das nicht, aber jedes Individuum
 ellen Umwelteinflüsse hatte und hat.          lesen! Wir begehen gerade den fatalen         kann das. Darum sind wir alle Elite, eine
 Wohingegen unsere genetische Indivi-          Fehler zu glauben, nicht jeder Mensch         Elite aus Individuen. Diese Elite muss aus
 dualität unantastbar ist und bleibt, ist es   habe Talente und nicht jedes Talent sei       ihrem Dornröschenschlaf erweckt wer-
 die Individualität, Verschiedenartigkeit      wertvoll. Mit diesen beiden Irrtümern         den. Erfolg, etwas Neues zu leisten, die
 und Streuungsbreite unserer Umwelt-           muss aufgeräumt werden. Jeder Mensch          tägliche Mondlandung ist keine Frage
 einflüsse, die wir uns gerade selbst dezi-    besitzt Talente, sicher mehrere, vielleicht   des Alters, der Religion, der Hautfarbe
 mieren. Leider vor allem auch mit negati-     sogar viele. Wir können und dürfen auf        oder der geografischen Herkunft – je-
 ven Auswirkungen auf die Nutzung un-          kein einziges Talent verzichten, ob wir es    doch eine Frage der Individualität, der
 serer individuellen biologischen Leis-        im Kleinkind entdecken oder bei unseren       Chance, seine individuellen Leistungsvor-
 tungsvoraussetzungen.                         Großeltern. Lebenslanges Lernen und           aussetzungen zu entdecken und umzu-
     Wenn wir uns auf die Zukunft heute        bildungsferne Schichten zur Bildung zu        setzen.                                     ■
 optimal vorbereiten wollen, muss unser
 Ziel sein, jedem Einzelnen die Chance zu
 geben, seine individuellen Leistungsvo-
 raussetzungen zu entdecken und sie
 durch harte Arbeit in eine besondere
 Leistung umzusetzen. Eine besondere in-
 dividuelle Leistung wird dann schließlich
 zum heiß ersehnten Erfolg. Besondere
 Leistungsvoraussetzungen allein sind
 eben keinerlei Erfolgsgarantie. Besonde-
 re Leistungsvoraussetzungen (= Genetik)
 können nur durch harte Arbeit (= Um-
 welt) entdeckt und in eine besondere
 Leistung (= Erfolg) umgesetzt werden.

 Die Zukunft bringt Fragen und
 Probleme mit sich, die wir nur mit
 größtmöglicher Nutzung menschlicher
 Vielfalt und Talente lösen können;
 Durchschnitt hilft uns nicht weiter

                                                                                      Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 5
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
»Du bist einmalig!«

  Gottes Bild in mir herausbilden
  Matthias Beck über die genetische Einmaligkeit des Menschen

  Jeder Mensch ist einmalig. Er ist es sogar   Zelldifferenzierung findet durch die Inak-   Stress und Depression verändern die
  genetisch. Auch eineiige Zwillinge sind      tivierung (Abschalten) von Genen statt.      Genaktivität nicht nur bei zahlreichen
  es. Sie haben zwar dasselbe Genom, un-       So wie bei einer Flöte ein jeweils anderer   Immunbotenstoffen …, sondern auch in
  terscheiden sich aber doch durch die so-     Ton herauskommt, wenn man andere Lö-         Zellen des Immunsystems ..., sodass de-
  genannten epigenetischen Verschal-           cher öffnet oder schließt. Diese An- und     ren Abwehrkraft gegenüber Erregern
  tungsmuster. Diese Verschaltungen be-        Abschaltmechanismen finden nicht nur         und gegenüber Tumorzellen entschei-
  deuten, dass die Information für den Or-     in der Embryonalentwicklung statt, son-      dend vermindert ist“.
  ganismus nicht nur in den Genen liegt,       dern im gesamten weiteren Leben.
  sondern auch darin, wie diese Gene ge-           Zwar ist das Grundgenom des Men-         Wechselwirkung
  schaltet, d.h. aktiviert oder inaktiviert    schen festgelegt, kann aber durch äuße-      zwischen Innen und Außen
  werden. Die für diese Schaltung zustän-      re und innere Faktoren, die die Schal-       Zwischenmenschliche Beziehungen und
  digen epigenetischen Einflüsse liegen        tung von Genen beeinflusst, modifiziert      auch das Innenleben des Menschen ha-
  zum Teil in den Bereichen zwischen den       werden. Das heißt konkret, dass z.B.         ben also Einfluss auf das Immunsystem
  Genen, die man bisher für „sinnloses         ständige innere Zerrissenheit, Unruhe,       und die genetischen Verschaltungen.
  Zeug“ gehalten hat, zum Teil in den Zel-     Angst anders auf die genetischen Ver-        Wie aber kommt der Mensch zu seinem
  len selbst oder den Zellmembranen, sie       schaltungen einwirken als innerer Frie-      inneren Gleichgewicht? Innere Harmo-
  liegen aber auch in äußeren Einflüssen       den, Gelassenheit, Ruhe, Stimmigkeit,        nie oder auch innere „Stimmigkeit“ sind
  wie der Ernährung, Sport, zwischen-          positive Lebensdynamik. Lange schon          ein dialogisches Prinzip: der Mensch
  menschlichen Beziehungen sowie im In-        weiß man, dass ständige Zerrissenheit        muss sich einstimmen in eine Wirklich-
  nenleben des Menschen mit seinem             und negativer Stress das Immunsystem         keit, die er vorfindet. Diese Wirklichkeit
  Denken und Fühlen.                           unterdrücken können, so dass Krankhei-       findet er draußen vor, aber auch in sich
      Auf diese Schaltmechanismen ist          ten leichter entstehen. Heute kennt          selbst. Der Mensch ist ein in die Welt Ge-
  man bei der Analyse der Embryonalent-        man auch die genetischen Hintergrün-         worfener (Heidegger) und ausgestattet
  wicklung gestoßen. In der Embryonal-         de. „Dass zwischenmenschliche Bezie-         mit einer einmaligen genetischen Prä-
  entwicklung sind bis zum Achtzellstadi-      hungen Einfluss auf die Aktivität von        gung mit bestimmten Talenten. Diese
  um alle Zellen nahezu gleich und fangen      Genen … haben, hat sich auch für das         Vorgaben sollen entfaltet werden. Das
  dann an, sich zu differenzieren. Diese       Immunsystem als zutreffend erwiesen.         Vorgegebene ist dem Menschen als Le-

6 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
Autoren dieser Nummer.
Jeder Mensch hat eine individuelle                                                               Ao. Univ.-Prof. DDr. Matthias Beck, Institut für
Genkombination.                                                                                     Moraltheologie, Katholisch-Theologische Fakul-
                                                                                                    tät der Universität Wien
Jeder Mensch ist Abbild Gottes.                                                                  Dr. Johannes Berchtold, stellv. Vorsitzender PGR
Jeder Mensch ist einzigartig.                                                                       St. Stephan
                                                                                                 P. Mag. Viliam Stefan Dóci OP, Prior des Dominika-
                                                                                                    nerordens Wien
                                                                                                 Mag. Thomas Dolezal, Dommusikus
                                              Prof. DDr. Matthias                                Mag. Karin Domany, PGR St. Stephan, Redaktion
                                                     Beck doziert                                Stefan Domany, JUgend St. Stephan
                                                                                                 Manfred Eggner, Musiker
                                                  am Institut für                                Dr. Walter Emberger, Gründer und Geschäftsfüh-
                                              Moraltheologie der                                    rer von Teach for Austria
                                                                                                 Maggie Entenfellner, Journalistin, Tierschützerin
                                                Universität Wien                                 Dompfarrer Toni Faber
                                                                                                 Johannes Faber, Galerist
                                                                                                 Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein, LL.M.,
bensaufgabe aufgegeben. Der Mensch            leiblich erfahrbar, ebenso das Wirken                 Redaktion
                                                                                                 Sandra Frauenberger, Stadträtin f. Integration,
soll seine Talente zur Entfaltung bringen,    Gottes: Der Mensch ist Tempel des Heili-              Frauenfragen, Konsumentenschutz u. Personal
so sagt es das Christentum. Aber nicht        gen Geistes.                                       Roman Gerhardt, Diplom-Museologe,
                                                                                                    Betreuung und Beratung der Ausstellung
als reine Selbstverwirklichung, sondern                                                             „Der Domschatz kehrt zurück“
                                                                                                 Prim. Univ.-Prof. Dr. Christoph Gisinger, Instituts-
als Verwirklichung dessen, was Gott in        Autorität, die wachsen lässt                          direktor und Ärztlicher Leiter im Wiener Haus
ihn hineingelegt hat. Der Mensch ist Bild     Eine solche innere Bildung des Men-                   der Barmherzigkeit
                                                                                                 Mag. Elisabeth Gruber, Mitarbeiterin im VIKTOR
Gottes, d.h. er ist mehr, als er aus sich     schen bedarf zunächst der äußeren Au-                 FRANKL ZENTRUM WIEN
selbst heraus sein kann. In ihm ist der       torität (Eltern, Schule, Kirche), die Sig-         Reinhard H. Gruber, Domarchivar
                                                                                                 Gabriele Haselberger, Therapeutin bei intakt
absolute Grund des Seins, den die Chris-      mund Freud als Über-Ich bezeichnet hat.            Univ. Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger, Vor-
                                                                                                    stand des Instituts für Medizinische Genetik,
ten Gott nennen, präsent. Gott als der        Dann aber muss der Mensch langsam zu                  Medizinische Universität Wien
Grund allen Seins ist dem Menschen in-        seiner inneren Autorität heranreifen, die          Mag. Martina Kronthaler, Generalsekretärin der
                                                                                                    aktion leben österreich
nerlicher als er sich selbst innerlich sein   die Autorität Gottes im Menschen ist.              Mag. Susanne Leibrecht, Redaktionsleitung
                                                                                                 Msgr. Leo M. Maasburg, Nationaldirektor der
kann (Augustinus). Deshalb stößt der          Diese Autorität will den Menschen groß
                                                                                                    Päpstlichen Missionswerke in Österreich
Mensch, der sich nach innen wendet            machen (augere: wachsen lassen). Mit               OStR Prof. Franz Michal, ehrenamtlicher Mitarbei-
                                                                                                    ter der Dompfarre
(durch Gebet und Reflexion; reflectere:       dieser Autorität (dem Heiligen Geist)              Haya Molcho, Szenewirtin und -köchin, Catering-
sich nach innen beugen) auf die Größe,        wird der Mensch getauft, in der Firmung               unternehmerin, Kochbuchautorin, Besitzerin der
                                                                                                    Multikulti-Lokale Neni, Betreiberin des Tel Aviv
Tiefe und Weite Gottes. Im Menschen ist       wird diese innere Prägekraft vertieft und             Beach am Donaukanal
                                                                                                 Dr. Thomas Müller, Kriminalpsychologe,
Gott selbst gegenwärtig, der Mensch ist       bestätigt. Eine der Gaben des Heiligen
                                                                                                    Fallanalytiker und Buchautor
das Bild Gottes. Jeder Mensch ist das         Geistes ist Erkenntnis, und einige seiner          Dr. Gabriele Payr, Generaldirektorin Wr. Stadtwerke
                                                                                                 Mag. Ines Pfundner, Kontaktstelle Kindertrauer
Ebenbild Gottes auf je individuelle Weise.    Früchte sind tiefer Friede, Sanftmut und              Caritas EDW, Koordinatorin Mobiles Caritas Hos-
Moses ist es anders als Paulus, und jeder     Freude. Der Mensch findet seinen inne-                piz NÖ, Trauerbegleiterin, Kunsttherapeutin, Au-
                                                                                                    torin und Schauspielerin
von uns ist es auf seine je eigene Weise.     ren Frieden und seine Freude in dem Ma-            Veronika Schermann, Leitung von Hilfsprojekten
                                                                                                    in Argentinien im Auftrag der ED Wien
    Der Mensch soll dieses Bild, das in       ße er mit dem göttlichen Willen in Über-           Kardinal Dr. Christoph Schönborn, Wr. Erzbischof
ihm ist, im Laufe seines Lebens heraus-       einstimmung lebt. Er kommt in eine in-             Marion Schwarz, Mitarbeiterin der Öffentlich-
                                                                                                    keitsarbeit von ARCHE NOAH
bilden, vielleicht wird es sogar schmerz-     nere Zerrissenheit, Unruhe und Angst,              Mag. Art Anton Sever, Akademischer Bildhauer
haft aus ihm „heraus gemeißelt“ wie der       wenn er aus dieser Einheit heraus fällt.              und Restaurator
                                                                                                 Dr. Ingeborg Sickinger, Geschäftsführerin Alumni-
Löwe aus dem Marmorblock. Das ist Bil-            Von hier schließt sich der Kreis zu-              verband der Universität Wien
                                                                                                 Jesuitenpater P. Georg Sporschill, Sozialarbeiter,
dung im tiefsten Sinne. Der Mensch soll       rück zur Genetik und zu den genetischen               CONCORDIA
zu dem herangebildet werden, der er von       Verschaltungen sowie Fragen von Krank-             Mimi Steffanides, Jungschar St. Stephan
                                                                                                 Prof. Dr. Leopold Stieger, Initiator v. Seniors4success
Gott her schon ist. Dazu bedarf es der Er-    heit und Gesundheit. Auch diese haben              Mag. Marie-Therese Störck, Jungschar und
kenntnis, der Herzensbildung, der Geis-       mit dem Innenleben des Menschen zu                    PGR St. Stephan
                                                                                                 Dr. Ursula Struppe, Projektleiterin „Wiener Charta“
tesbildung und der spirituellen Unter-        tun und daher auch mit seiner spirituel-           Mag. Herwig Sturm, Vorsitzender des Ökumeni-
                                                                                                    schen Rates der Kirchen in Ö. und Bischof i.R. der
weisung. Diese sollte sich besonders auf      len Dimension. Die Herausbildung des                  Evang. Kirche A.B. in Österreich
die sogenannte Unterscheidung der             Bildes Gottes im Menschen ist eine le-             Hubert von Goisern, Musiker
                                                                                                 P. Mag. Stefan Weig OSFS, theologisch-pädagogi-
Geister beziehen. Der Mensch kann die         benslange Aufgabe. Sie dient dem Ein-                 scher Referent im „Quo vadis?“
verschiedenen Stimmen in sich („Geis-         zelnen und seinen Mitmenschen.          ■
ter“) und die Stimme der Mutter, des Va-                                                         Redaktion.
                                              1 Siehe auch die Buchrezension zu
ters, der Gesellschaft, des Über-Ich von                                                         Redaktionsleitung: Mag. Susanne Leibrecht
                                                „Leben – Wie geht das?“ auf S. 44                Lektorat: Reinhard H. Gruber, Daniela Tollmann
der Stimme Gottes unterscheiden ler-                                                             Redaktionsteam: Dompfarrer Toni Faber,
                                              2 J. Bauer, Gedächtnis des Körpers, 143f
nen. All diese Stimmen verursachen je                                                              Mag. Karin Domany, Mag. Heinrich Foglar-
                                              3 Vgl. beispielsweise „Das Gleichnis                 Deinhardstein, Reinhard H. Gruber,
unterschiedliche Seelenregungen im              von den anvertrauten Talenten“                     Annelise Höbart, Mag. Birgit Staudinger
Menschen. Diese Seelenregungen sind             (Mt 25,14–30 und Lk 19,12–27)

                                                                                         Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 7
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
»Du bist einmalig!«

  Leben schützen – von Anfang an
  Von Martina Kronthaler

  Das Leben jedes Menschen beginnt, so-         sehen im drei bis fünf Tage alten Embryo
  bald sich die Kerne von Ei- und Samenzel-     einen nützlichen Rohstoff. So wird an
  le vereinigt haben. Ab diesem Zeitpunkt       den kultivierten Zellen eines zerstörten
  vollzieht sich aus der befruchteten Eizelle   Embryos die Toxizität von Medikamen-
  kontinuierliche Entwicklung: Embryo –         ten geprüft – als Alternative zu Tierver-        Mag. Martina
  Fetus – Neugeborenes – Baby – Kleinkind       suchen. Bei der Degradierung des Em-             Kronthaler ist
  – Jugendlicher – Erwachsener – alter          bryos geht es also auch um Geld.              Generalsekretärin
  Mensch, bis hin zum Tod. Unaufhörlich.                                                       der aktion leben
  Vorausgesetzt, niemand stoppt diese Ent-      Mehr oder weniger Recht                              österreich
  faltung von außen oder ein genetischer        auf Leben?                                     (aktionleben.at)
  Defekt verhindert diese Entwicklung.          Viele meinen zudem, ein Embryo hätte
      Der Lebensfaden eines jeden von uns       weniger Recht auf Leben als ein ungebo-       ob eine Frau ein Kind mit Down-Syn-
  entrollt sich seit der Befruchtung. Wir       renes Kind mit sechs oder sieben Mona-        drom erwartet. Der „Vorteil“: Der nach
  waren nie jemand anders, wir existieren       ten oder ein geborenes Kind oder ein er-      dieser Diagnose zu 90 Prozent erfolgen-
  immer nur in anderer Gestalt.                 wachsener Mensch. Das Konzept des             de Schwangerschaftsabbruch kann frü-
      Die Idee, den Lebensbeginn eines          „abgestuften Lebensschutzes“ knüpft           her durchgeführt werden, ein Spätab-
  Menschen zu einem späteren Zeitpunkt          das Recht auf Leben an Bedingungen            bruch bliebe den Beteiligten erspart. Der
  anzusetzen, beruht auf bestimmten In-         wie Grad der Entwicklung, Schmerzemp-         Schauspieler Sebastian Urbanski – er hat
  teressen. Wird der Anfang eines Men-          finden, Bewusstsein. Zu Ende gedacht ist      Down-Syndrom – erklärte dazu Anfang
  schenlebens zum Beispiel mit der Einnis-      dieses Konzept gefährlich für uns alle. Was   Juli: „Ich finde, dass dieser Test verboten
  tung des Embryos in die Gebärmutter           passiert am Lebensende? Wird das Recht        sein sollte, weil wir Behinderte auch
  zwischen dem fünften und siebten Tag          auf Leben gemindert, weil ein Mensch          Menschen sind. Ich finde, dass diese Sor-
  gleichgesetzt, bringt dies die Erlaubnis      nicht mehr selbstständig gehen und es-        tierung bei der Vorgeburt nicht in Ord-
  für embryonale Stammzellforschung             sen kann? Diese Denkweise würde auch          nung ist.“
  mit sich. Denn so gedacht, wird bei die-      das Töten eines schon lebensfähigen be-
  ser Forschung kein embryonaler Mensch         hinderten Kindes oder eines mit Down-         Bedingungsloses
  am ca. dritten Tag seiner Existenz zer-       Syndrom im Mutterleib rechtfertigen.          Angenommen sein
  stört, sondern „nur“ ein Zellhaufen – der         Seit kurzem ist ein neuer Bluttest auf    Schützen Verbote davor, Kinder vor der
  wir alle einmal waren. Die Befürworter        den Markt, mit dem bis zur 12. Schwan-        Geburt wegen einer Chromosomenab-
  der embryonalen Stammzellforschung            gerschaftswoche erkannt werden kann,          weichung zu töten? Oder treibt nicht
                                                                                              vielmehr die Angst vor dem uner-
                                                                                              wünschten Anderssein, der Ausgren-
                                                                                              zung, der Probleme mit Kindergärten,
                                                                                              Schulen, Ausbildungs- und Arbeitsplät-
                                                                                              zen, Eltern dazu, sich gegen ein Kind mit
                                                                                              Down-Syndrom zu entscheiden? Dage-
                                                                                              gen helfen Bedingungen, die Inklusion
                                                                                              ermöglichen, viel mehr.
                                                                                                  Und wie kann es überhaupt gelin-
                                                                                              gen, Menschen im Embryonalstadium
                                                                                              Empathie entgegenzubringen und sie
                                                                                              nicht als „Mehrzeller“ zu betrachten –
                                                                                              ein Begriff, der dem Embryo jedes
                                                                                              Menschsein abspricht?
                                                                                                  Wir meinen, zum einen durch fun-
                                                                                              dierte und respektvolle Information über
                                                                                              die Vorgänge des Lebensanfangs. Wissen
                                                                                              kann faszinieren und Ehrfurcht vor der
                                                                                              Komplexität der ersten neun Monate ➜

8 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
Jeder Mensch will leben
Christoph Gisinger über das medizinisch Machbare und die christliche Ethik

Medizin und Technik sind im letzen Jahr-     hörigen oder eine vorliegende schriftli-
hundert immer mehr zusammenge-               che Patientenverfügung bei Entschei-
wachsen und damit hat sich auch die Le-      dungen für eine Behandlung. Im Einzel- Prim. Univ.-Prof. Dr.
benserwartung vieler Menschen erhöht.        fall ist es hilfreich, sich die Frage zu stel- Christoph Gisinger
Andererseits gelten viele als „unheilbar     len: Was würde der Patient bestimmt ist Institutsdirektor
krank“ und pflegebedürftig, sie verbrin-     nicht wollen? In diesem ethischen Ent- und Ärztlicher Leiter
gen ihre letzten Lebensjahre in Pflege-      scheidungsprozess übernimmt der Ethi-            im Wiener Haus
einrichtungen. Diese Seite der Medizin       ker die Funktion des „Reiseberaters“. Es der Barmherzigkeit
wird oft als kalt, fast unmenschlich und     geht um die Erhebung der Situation und            (www.hausder-
brutal empfunden; sie muss heute durch       der Fakten. Zur Frage nach dem Reiseziel, barmherzigkeit.at)
eine Kultur der einfühlsamen Beglei-         das heißt welche Aufgaben im Leben
tung, des Abschiednehmens und des            des Bewohners noch erledigt werden             wechslung und Freude gestillt werden –
Sterbens unbedingt ergänzt werden. Wir       müssen, kann der Arzt nur eine Einschät-       so wie alle medizinischen, pflegerischen
im Haus der Barmherzigkeit fühlen uns        zung der Krankheits-Prognose beitra-           und spirituellen Bedürfnisse. Wie wir alle
für Menschen mit besonders hohem Be-         gen: Dabei hat sich die Unterscheidung         wollen die Bewohner eine angenehme
treuungsbedarf zuständig: Sie haben          bewährt, was „im besten Fall“ und was          Wohnqualität, Privatsphäre und Ge-
schwere chronische Erkrankungen oder         „im wahrscheinlichsten Fall“ passieren         meinschaft erleben. Wenn die Betreu-
Behinderungen, sind überwiegend in           wird. Von der Biographie und den indivi-       ungs- und Lebensumstände stimmen,
(sehr) hohem Lebensalter. Sie erfahren       duellen Werten der betroffenen Person          entsteht der Wunsch zu sterben erst gar
die Betreuung in einem Umfeld, das sie       lässt sich die Antwort ableiten. Abhän-        nicht. Freuen wir uns, dass die moderne
nicht immer freiwillig gewählt haben.        gig davon stellt sich erst zuletzt die Fra-    Medizin so viel kann. Schaffen wir in un-
Somit sind wir besonders intensiv mit        ge nach der konkreten medizinischen            seren Gesundheitseinrichtungen jene
ethischen Fragen in der Geriatrie kon-       Maßnahme, wie zum Beispiel nach                Bedingungen für die von uns betreuten
frontiert. Immer wieder kommt es zu          künstlicher Ernährung.                         Menschen, dass sich kein Mensch aus
Entscheidungen über das, was medizi-                                                        dem „So-Leben“ freiwillig verabschie-
nisch machbar und ethisch vertretbar         Begegnung auf Augenhöhe                        den möchte.
ist. Häufig wird dabei vorschnell über Lö-   Im Haus der Barmherzigkeit wollen wir              Jeder Mensch will leben. Diejenigen,
sungen und bestimmte Behandlungs-            den pflegebedürftigen Bewohnern mit            die ein Nicht-Leben-Wollen signalisieren
methoden diskutiert.                         Respekt, Würde und Wertschätzung be-           meinen meist, so nicht leben zu wollen.
                                             gegnen und auf jede einzelne Persön-           An diesem „so“ gilt es zu arbeiten –
Wer entscheidet                              lichkeit mit ihrer Biographie eingehen.        durch die Qualität der Betreuung, der
und wer wird behandelt?                      Auch in einer Langzeitpflegeeinrichtung        Zuwendung und einer würdevollen Kul-
Hochbetagte Patienten haben oft nur ei-      sollen die Bedürfnisse nach Humor, Ab-         tur des Sterbens.                       ■
ne sehr eingeschränkte Entscheidungs-
fähigkeit. Aber selbst demente Patienten
können weit mehr beurteilen, als ihnen
üblicherweise zugetraut wird. Wenn der
Wille des Patienten nicht mehr erforscht
werden kann, helfen Hinweise der Ange-

➜ fördern. Zum anderen brauchen Kinder
und Jugendliche die Erfahrung, dass sie
bedingungslos angenommen werden,
wie sie sind. Am eigenen Leib zu spüren,
dass Einmaligkeit geschätzt wird, befä-
higt, anderen Menschen genauso zu be-
gegnen: achtsam und das Leben in jeder       Im Haus der Barmherzigkeit steht der einzelne Mensch mit seiner individuellen Lebens-
Daseinsform schätzend und schützend. ■       und Leidensgeschichte im Mittelpunkt – bis zuletzt

                                                                                    Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 9
"Du bist einmalig!" - Pfarrblatt - Kindertrauer und ...
»Du bist einmalig!«

   Im Elend die Würde nicht verlieren
   Von P. Georg Sporschill SJ

                                                                                               schimpften, weil ich ihnen keine Unter-
                                                                                               kunft verschaffen konnte. Plötzlich stie-
                                                                                               ßen sie einen kleinen Buben zu mir, mit
                                                                                               dem kompromisslosen Auftrag: „Den
                                                                                               aber nimmst Du mit!“ Die Halbstarken
                                                                                               verblieben im Elend, den Kleinen aber
                                                                                               vertrauten sie mir an. Ich nahm Razvan
                                                                                               mit in unser Haus für Straßenkinder. Sei-
                                                                                               ne Schwester ist in einem Kanal unter
                                                                                               den Straßen der Stadt gestorben, der
                                                                                               Bruder kommt auch nicht mehr aus dem
                                                                                               Elend heraus. Razvan ist Bäcker gewor-
                                                                                               den, spielt in unserem CONCORDIA-
                                                                                               Orchester Klarinette und ist begeisterter
                                                                                               Fußballer – ein froher, junger Mann. Er
                                                                                               betet viel für seine Geschwister. Auch die
                                                                                               Burschen am Bahnhof in Bukarest haben
                                                                                               trotz Drogen und Elend die Würde nicht
                                                                                               verloren. Sie wollten den Kleinen retten.

                                                                                               Der Glanz, der von innen kommt
                                                                                               Es gibt noch unendlich viel zu tun und
   P. Georg Sporschill SJ baut seit über 20 Jahren in Osteuropa ein Betreuungsnetz für ver-    doch ist die Welt gerettet. Wegen Willi,
   wahrloste Jugendliche und Straßenkinder auf (www.concordia.or.at)                           wegen Razvan. Und vielen anderen, die
                                                                                               Heilung finden oder helfen.
   Oft werde ich von Leuten, die die Not in      sich die zarte Stimme der Bewährungs-             „Wer ein Leben rettet, rettet die gan-
   den Medien mit verfolgen, gefragt, ob         helferin. „Herr Rat, bedenken Sie, wie lan-   ze Welt“. Wenn du einen Menschen be-
   unser Einsatz für Straßenkinder und Ob-       ge Willi diesmal ohne Rückfall war!“ Der      rührst und es dir tatsächlich gelingt, sein
   dachlose nicht nur ein Tropfen auf den        Richter öffnete noch einmal den Akt und       Gesicht aufzuhellen oder ihm einen
   heißen Stein sei. Ihnen antworte ich mit      rechnete nach. Diesmal lag die letzte Ge-     Schritt weiterzuhelfen, hast du das Welt-
   dem Zitat aus dem Talmud „Wer ein Le-         walttat sieben Monate zurück, davor war       gefühl, ein Wunder zu wirken. Du fühlst
   ben rettet, rettet die ganze Welt“. Es ist    Willi schon nach drei Monaten rückfällig      dich selber stark und staunst über die
   das Motto für meine Arbeit geworden.          geworden. Der Richter lächelte und er         Würde, die in einem Gesicht plötzlich
   Darin kommt das biblische Verständnis         gab dem Angeklagten noch einmal eine          aufstrahlt. Es ist ein Glanz, der von innen
   vom Menschen zum Ausdruck: Er ist ein-        Bewährung. Eine völlig unerwartete            kommt und nicht von der äußeren
   malig und alle Welt wert.                     Chance. Das war vor fast 30 Jahren. Seit-     Schönheit. Und zwar auf beiden Seiten:
                                                 her ist mein Freund nie mehr rückfällig       beim Helfer wie beim Hilfsbedürftigen.
   Eine zweite Chance                            geworden, er trinkt keinen Alkohol mehr,      Es ist eine Gnade, im eigenen Leben Be-
   Willi war einer meiner ersten Schützlin-      lebt selbständig, hilft in der Nachbar-       rufung und Sinn zu spüren. Dann bleibt
   ge im Jugendhaus der Caritas in Wien,         schaft und ist eine Freude für viele. Seine   die Frage: Wer hat wem mehr geholfen?
   das ich für Strafentlassene und Obdach-       Jugend war elend und er hat auch viel             Als ich noch den schönen Titel „Sand-
   lose gegründet hatte. Er ist wie ein gro-     Elend angerichtet. Doch seine Menschen-       lerpapst von Wien“ trug, war einer mei-
   ßer Bär, war immer betrunken und hatte        würde war stärker.                            ner trostlosen Begleiter Frankie. Er hat
   alle zwei bis drei Monate eine Schlägerei.                                                  im Elend seine Würde nicht verloren und
   Willi brachte es auf sechs Vorstrafen, im-    Verantwortung                                 sie auch noch bei anderen zum Strahlen
   mer bedingt. Nun stand er wieder vor          für die Schwächsten                           gebracht. Ich hörte es gerne, wenn er je-
   dem Richter. Diesmal sollte er lange und      Jahre später, nachts am Bahnhof von Bu-       de junge Mitarbeiterin ansprach mit
   unbedingt ins Gefängnis. Der dicke Akt        karest. Ein paar Jugendliche bedrängten       „Mei Anzige“ (Meine Einzige). Jede hat
   sollte geschlossen werden. Da meldete         mich. Es war eine Drogenbande. Sie            sich gefreut, und für jede stimmte es. ■

10 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
Jedes Kind verdient die besten
(schulischen) Chancen
Von Walter Emberger

Jedes Kind in Österreich ist einmalig       der Initiative zählen etwa die Spitzenma-
und soll die Chance haben, sein Potenzial   nagerin Monika Kircher oder Salzburgs
voll auszuschöpfen – und das unabhän-       Landeshauptfrau Gabi Burgstaller.
gig von Herkunft und Familienhinter-
grund. Daher bringt Teach For Austria ab    Professionelle Vorbereitung
diesem Herbst persönlich und fachlich       auf die besondere Aufgabe
herausragende Hochschulabsolventen         Die „Fellows“ (also die ausgewählten Dr. Walter Emberger
für zwei Jahre als vollwertige Lehrkräfte  Jungakademiker) erhalten die pädagogi-          ist Gründer und
an Hauptschulen und Neue Mittelschu-       sche Vorbereitung für ihren Einsatz in ei- Geschäftsführer von
len. Dies soll in Stadtteilen mit einem    ner Sommerakademie, die in Salzburg            Teach for Austria
besonders hohen Anteil an Kindern und      stattfindet. Diese ist aber nur ein Teil der
Jugendlichen aus einkommensschwa-          Ausbildung, darüber hinaus gibt es einen     rere andere Möglichkeiten haben? Diese
chen und bildungsfernen Familien ge-       Online-Campus und die konstante Beglei-      Leute suchen Professionalität, sie wollen
schehen. Junge Menschen, die sonst         tung durch Tutoren und Mentoren wäh-         Herausforderung – und eine Klasse in
nach der Hauptschule sehr oft in AMS-      rend der zwei Jahre als Lehrer. Dadurch er-  unseren Partnerschulen ist sehr heraus-
Kursen landen, erhalten Unterricht von     werben die Fellows Kompetenzen und Fä-       fordernd. Sie wollen auch schnell Verant-
besonders engagierten Lehrern, die ih-     higkeiten, um das Interesse von weniger      wortung übernehmen, wie dies Füh-
nen Vorbild sind und in ihnen das not-     privilegierten Kindern und Jugendlichen      rungspersonen allgemein wollen. Die
wendige „Feuer für Bildung und Leis-       zu wecken, diese zu hervorragenden Leis-     Fellows weisen ein breites Spektrum auf
tung“ entfachen. Dadurch steigen ihre      tungen zu führen und damit ihre Bil-         – von Physik über Wirtschaft zu Betriebs-
Chancen auf gute Lehrstellen oder wei-     dungs- und Berufschancen zu erhöhen.         psychologie, Linguistik, Oper, Molekular-
terführende Schulen.                           Das Besondere daran: Diese Fähigkei-     biologie und Medizininformatik. Nach
    Gegründet 2011, hat Teach for Austria  ten sind nicht nur für die Arbeit mit        Abschluss des zweijährigen Programms
mit Unterstützung der Industriellenver-    Schülern wichtig, sie decken sich auch       werden die Fellows Teil eines stetig
einigung und einer Reihe namhafter         stark mit jenen Fähigkeiten, die erfolg-     wachsenden Netzwerkes von führenden
österreichischer Unternehmen für den       reiche Führungskräfte aufweisen.             Akteuren in Wirtschaft und Gesellschaft,
ersten Jahrgang 25 Top-Hochschulabsol-                                                  die sich in Fragen der Bildung und Chan-
venten rekrutiert, die ab September in     Idealismus als Karriereweg                   cengerechtigkeit engagieren.
Wien und Salzburg unterrichten werden.     Warum machen diese jungen Hoch-
Zu den prominentesten Unterstützern        schulabsolventen das, wo sie doch meh-       Weltweit vernetzt und erfolgreich
                                                                                        Teach For Austria möchte die Durchlässig-
                                                                                        keit zwischen Schule und Wirtschaft und
                                                                                        die Mobilität in und aus dem Lehrerberuf
                                                                                        erhöhen. Es heißt eben nicht mehr „einmal
                                                                                        Lehrer, immer Lehrer“, sondern Lehrer für
                                                                                        eine begrenzte Dauer. Das Modell wurde
                                                                                        vor 21 Jahren als Teach For America in den
                                                                                        USA gestartet, vor zehn Jahren begann Te-
                                                                                        ach First in England. Als gemeinnützige
                                                                                        Organisation ist Teach For Austria Teil des
                                                                                        internationalen Bildungsnetzwerks Teach
                                                                                        For All, das in 25 Ländern tätig ist, bei-
                                                                                        spielsweise in Deutschland, Spanien, Bul-
                                                                                        garien, Indien, China, Chile und Austra-
Die Fellows, also ausgewählte Jungakademiker, des ersten Jahrgangs von Teach For        lien. Weltweit waren bereits rund 40.000
Austria (www.teachforaustria.at)                                                        inspirierende Lehrkräfte im Einsatz.     ■

                                                                                  Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 11
»Du bist einmalig!«

   Essstörungen – Erkrankung zwischen
   Lifestyle und Lebensgefahr
   Von Gabriele Haselberger

   „Sei so wie du bist, aber wenn du anders      dem Anspruch nach Einmaligkeit der           hören will, dann nur wenn „man“ so und
   bist als wir, gehörst du nicht dazu!“: In     Wunsch nach Zugehörigkeit scheinbar          so aussieht, bestimmte Dinge hat bzw.
   unserer heutigen Gesellschaft steht           entgegen. Denn, wenn „man“ dazu ge-          trägt. Dieser Zwiespalt beschreibt das
                                                                                              Spannungsfeld, in dem sich Menschen,
                                                                                              die an einer Essstörung erkrankt sind,
                                                                                              bewegen. Essstörungen sind in allen ent-
                                                                                              wickelten Industrienationen im Vor-
                                                                                              marsch. In Österreich wird die Zahl der
                                                                                              Betroffenen mit 200.000 Erkrankten an-
                                                                                              gegeben, die Dunkelziffer ist nach epide-
                                                                                              miologischen Studien allerdings sehr
                                                                                              hoch; vor allem bei Mädchen und jungen
                                                                                              Frauen, aber immer mehr auch bei Bur-
                                                                                              schen kann dieses Phänomen beobach-
                                                                                              tet werden. Das Spektrum reicht von
                                                                                              „normalem“ Diätverhalten über subkli-
                                                                                              nische bis hin zu klinischen Formen von
                                                                                              Essstörungen. Zu Essstörungen zählen
                                                                                              Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge
                                                                                              Eating Disorder (meist mit Übergewicht
                                                                                              verbunden) und nicht näher bezeichnete
   Das Angebot an Lebensmitteln wird immer größer, die Menschen sollen immer schlanker        Essstörungen. Auslöser einer Essstörung
   werden - ein Teufelskreis, vor allem für Mädchen und Frauen                                kann vieles sein: ein Wort, ein Blick, eine

   Erfahrungen teilen, Ideen einbringen,
   Ingeborg Sickinger über den                   die größte: Aktuell bevölkern über 90.000    startet ist: Die vielen Alumni (also Absol-
   Alumniverband                                 Studierende die Hörsäle im Hauptgebäu-       venten) anzusprechen und Verbindung
   der Universität Wien                          de am neu umbenannten Universitäts-          zu ihnen aufzubauen. Das Einmalige am
   Die Universität und der Dom zu St. Ste-       ring und in den rund 60 Standorten quer      Alumniverband der Universität Wien ist:
   phan sind beide in ihrer Art einmalige        durch Wien. Eine Stadt ohne diesen breit-    Alumni werden – nach dem Mitarbeits-
   Kristallisationspunkte unserer Stadt. Was     gefächerten akademischen Nachwuchs           prinzip – zum Mitwirken eingeladen. Das
   beide verbindet ist schon einmal ihre lan-    wäre um vieles ärmer. Die Absolventen        geht vom einmaligen Ideen-Entwickeln
   ge Geschichte und Tradition: die Universi-    unserer Universität bleiben gerne in Wien    in einem Caféhaus in Uni-Nähe bis zur
   tät Wien wurde im Jahr 1365 gegründet –       wohnen (rund 83 Prozent) und sind als        Trägerschaft für ein Projekt, je nach indi-
   im selben Jahr wurde die Stephanskirche       Verantwortungs- und Meinungsträger in        vidueller Begabung und Bereitschaft.
   zur Kapitelkirche in Wien, beides vor an-     vielen Bereichen gestaltend tätig: als Ju-       Alumni werden eingeladen, ihre
   nähernd 650 Jahren. Beide Institutionen       risten, Lehrer, Psychologen, Informatiker,   Kompetenz, Erfahrung und Motivation
   haben jahrhundertelang inspirierend           Sozial- und Geisteswissenschaftler, Wirt-    einzubringen, bei Projekten wie:
   und prägend für das Kultur- und Geistes-      schafts- und Naturwissenschaftler, als       ˘ alma – das Mentoring-Programm
   leben, das Wissenschafts- und Wirt-           Priester und Theologen.                      zum Berufseinstieg: Berufserfahrene
   schaftsleben, das intellektuelle und das                                                   Alumni begleiten Studierende in der Ab-
   religiöse Leben in dieser Stadt gewirkt.      Das Mitarbeitsprinzip                        schlussphase beim Berufseinstieg
       Die Universität Wien ist die älteste im   Hier setzt der Auftrag des Absolventen-      ˘ u:start – das Programm für Selbstän-
   deutschen Sprachraum – und bei weitem         verbandes an, der vor drei Jahren neu ge-    digkeit und Gründung: Alumni, die selbst

12 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
für die öffentliche Meinung. Idealisierte    Autonomie entwickelt sich diese Erkran-
                                              Körperbilder in den Medien sind ein Fak-     kung, die – so scheint es – ein psy-
                                              tor, der junge Frauen und mittlerweile       chischer Ausdruck unserer Wohlstands-
                                              auch Männer immer mehr beeinflusst.          gesellschaft ist. Essstörungen sind je-
          Gabriele                            Untersuchungen zeigen, dass 50 Prozent       doch keine Lifestyle-Erscheinung, son-
    Haselberger ist                           der Mädchen sich um ihren Körper sor-        dern ernstzunehmende Erkrankungen;
      bewegungs-                              gen, denn das Körperbild ist ein wesent-     wenn sie nicht behandelt werden, kön-
       analytische                            liches Element der Identität. Nachweis-      nen sie tödlich enden bzw. bleibende
      Therapeutin                             lich ist das in den Massenmedien ver-        körperliche Schäden zurücklassen.    ■
         bei intakt                           mittelte Idealgewicht immer geringer
                                              geworden, ähnlich das Körperbild der           intakt .
 dumme Bemerkung – die Ursachen lie-          Barbie, die seit 50 Jahren einer deutli-       ˘ Das Behandlungsprogramm
 gen jedoch tiefer verborgen.                 chen Schlankheitskur unterzogen wur-           umfasst die drei Säulen Medizin,
                                              de. Der Körper wird zum Objekt sozialer        Psychotherapie und Therapie
 Essstörungen als Spiegel einer               und kultureller Zuschreibungen. Welcher        ˘ Das Team besteht aus Ärzten
 Wohlstandsgesellschaft                       Körper allerdings als schön bezeichnet         verschiedener Fachbereiche,
 Ursachen für eine Essstörung setzen sich     wird ist kultur- und epochenabhängig.          Psychotherapeuten und Experten
 aus verschiedenen Faktoren zusammen,         Darüber hinaus beeinflussen individuel-        angrenzender Bereiche
 wie etwa gesellschaftlichen. Makaber: Ist    le Faktoren die Ausbildung einer Essstö-       ˘ Weitere Angebote:
 Hunger in der sogenannten Dritten und        rung: der Umgang mit Gefühlen, mit             • Eltern- und Angehörigenarbeit
 Vierten Welt eines der Hauptprobleme,        Leistung und Anerkennung, mit Freund-          • Präventionsarbeit an Schulen
 leidet die Wohlstandsgesellschaft an der     schaften, sowie das eigene Selbstwert-
 Über-Fülle oder hungert freiwillig. Ess-     gefühl und die Konfliktfähigkeit spielen
 störungen scheinen mit dieser Fülle ein-     dabei eine Rolle. Häufig liegen traumati-
 her zu gehen. Die Reglementierung des        sche Erlebnisse dieser Erkrankung zu-
 Körpers, speziell des weiblichen, zieht      grunde.
 sich wie ein rotes Band durch die Ge-            Essstörungen bilden sich in Über-
 schichte. War es früher das Korsett, rei-    gangsphasen aus, die von Orientierungs-
 chen die Maßnahmen jetzt von Diäten          losigkeit gekennzeichnet sind. Im Grenz-
 bis zur Schönheitschirurgie. So spielt die   bereich von Gemeinsamkeit versus Indi-
 Kontrolle der Bilder eine zentrale Rolle     vidualität, von Abhängigkeit hin zu mehr

mitgestalten
                                              Persönlich angesprochen                      ungsverhältnisse herrschen – dennoch:
                                              Rund 100 ehrenamtliche Alumni arbei-         Der Wert des Studiums an der Universi-
                                              ten aktuell in den unterschiedlichen Pro-    tät Wien ist für den einzelnen in hohem
                                              jekten mit. Der Schlüssel dabei ist: Die     Maß präsent, und zeigt sich in der ausge-
      Dr. Ingeborg                            individuelle Begabung und Erfahrung          prägten Bereitschaft etwas zurückzuge-
      Sickinger ist                           der einzelnen Personen zu erkennen und       ben.
 Geschäftsführerin                            anzusprechen – wenn das gelingt, hat es           Haben Sie auch an der Universität
      des Alumni-                             ein überwältigendes Echo in der Bereit-      Wien studiert? Dann laden wir Sie herzlich
    verbandes der                             schaft, sich für eine gute Sache einzuset-   ein uns zu besuchen: www.alumni.ac.at ■
  Universität Wien                            zen. „Sie haben an der Universität Wien
                                              studiert und einen interessanten Le-
 ein Unternehmen gegründet oder sich          benslauf, den ich in XING gefunden habe
 erfolgreich selbständig gemacht haben,       – wir bauen hier ein neues Projekt auf,
 begleiten junge Gründer                      hätten Sie Interesse mitzuwirken?“ Die
 ˘ Biology – what else? So nennt sich ei-     Alumni empfinden es als Wertschät-
 ne Fachgruppe von Biologen, die ihrem        zung, ganz persönlich gefragt zu sein.
 Fach eine Stimme geben möchte. Ein               Selbst wenn die Universität Wien ex-
 Beispiel für das Entstehen von Fachgrup-     trem unterfinanziert ist und in manchen
 pen durch und mit Alumni-Beteiligung.        Studienrichtungen schlechte Betreu-

                                                                                    Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 13
»Du bist einmalig!«

                                              »Quo vadis?« – und wohin
                                              Von P. Mag. Stefan Weig OSFS

                                              Einmalig sind wir von Gott geschaffen      gagement in der Kirche“ sind deshalb
                                              mit unserem unverwechselbaren Finger-      verschiedene Workshops für Schüler und
                                              abdruck und unserer Handschrift. Dies      Firmkandidaten. Mit diesen Angeboten
                                              wurde einmal mehr deutlich als wieder      soll auf bisher unentdeckte Möglichkei-
                                              eine Schulklasse, diesmal aus dem tradi-   ten im Leben hingewiesen werden. Worin
                                              tionsreichen Stiftsgymnasium Krems-        besteht meine Einmaligkeit? Die Schüler
                                              münster in Oberösterreich, zu uns ins      können im „Quo vadis?“ Kirche und Or-
                                              „Quo vadis?“ kam und ihre Spuren hin-      den als alternative Wege kennenlernen
                                              terließ.                                   und sich Hilfen für ihren Lebensweg ho-
                                                  Im neuen Begegnungs- und Informa-      len. Dazu bieten wir folgende Themen an:
                                              tionszentrum der österreichischen Or-          Beim „Spring ins Leben“ geht es um
                                              den und des Canisiuswerkes geht es ge-     ein erstes Kennenlernen von Berufsmög-
                                              rade darum, seine je eigene Berufung zu    lichkeiten in der Kirche. Nach einem kur-
                                              entdecken. Dabei wird der Einzelne wahr-   zen Impulsfilm über Ruf, Beruf und Beru-
                                              genommen mit seinen Bedürfnissen           fung wird der Frage nachgegangen, wo-
                                              und Sehnsüchten. Es gibt Bereiche, die     rin der eigene Sinn des Lebens besteht:
                                              Gott niemand anderem als dem Einzel-       Was will Gott gerade von mir, dass ich
                                              nen ans Herz und in die Hände legen        tun soll?
                                              möchte. Er hat für jeden von uns eine          Im Entscheidungsworkshop gibt es
                                              sehr persönliche Aufgabe vorgesehen.       Tipps für das Treffen guter Entscheidun-
                                                                                         gen. Außerdem gibt es einen Austausch
                                              Spring ins Leben! – Angebote für           von Erfahrungen über gelungene Ent-
                                              Schüler und Jugendliche                    scheidungsfindung. Eingeladene Or-
                                              Ein Schwerpunkt im „Treffpunkt für En-     densleute aus verschiedenen kirchlichen

       Mo.–Fr. 10 – 16 Uhr
       Stephansplatz 6, 1010 Wien
       Tel. 01/512 03 85 – quovadis.or.at
       Offene Türen! Kommen Sie
       vorbei – wir freuen uns auf Sie!

                                              Ins Begegnungs- und Informationszentrum der österreichischen Orden und des
                                              Canisiuswerkes kommen immer wieder auch Schulklassen, um der Frage nachzugehen:
                                              „Quo vadis?“ – Wohin gehst du?

14 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012
gehst Du?
 Gemeinschaften wollen vor allem Mut           den Angeboten, die draußen vor der Tür
 machen, das eigene Leben selbstverant-        bereit liegen und entscheiden sich spon-
 wortlich in die Hand zu nehmen.               tan, hereinzukommen. Dort werden sie
    Bei „FACEbook – FAITHbook“ erzählen        von einem hauptamtlichen Team aus Or-
 Ordensfrauen und -männer ein Kapitel          densleuten, Theologen, weiteren Ange-
 aus ihrem Leben und beantworten im An-        stellten sowie ehrenamtlichen Helfern       P. Mag. Stefan Weig
 schluss Fragen über Gott und die Welt.        aus verschiedenen Ordensgemeinschaf-           OSFS arbeitet als
                                               ten erwartet. Viele Besucher staunen über    theologisch-päda-
 Atemholen –                                   die modernisierten Räume am Stephans-        gogischer Referent
 Stille mitten in der City                     platz 6, die Transparenz und Freund-            im „Quo vadis?“
 Im Raum der Stille kann das Gehörte und       lichkeit verkörpern. Bei einem Kaffee er-
 Gesagte dann noch einmal nachklingen.         geben sich oftmals interessante Gesprä-      nern und -frauen zwanglos ins Gespräch
 Dort findet auch jeden Werktag von            che über Orden, Kirche und Themen            zu kommen und dabei Anregungen für
 Montag bis Freitag um 12 Uhr eine Atem-       rund um Berufung.                            das eigene Leben mitzunehmen.        ■
 pause statt, zu der jeder herzlich eingela-
 den ist. 15 Minuten Zeit zum Durchatmen,      Ordensleute live
 zur Stille, zum Beten und Auftanken. Auf-     Jeden Monat präsentiert sich eine andere
 merksam auf Gott hören und ihm immer          Ordensgemeinschaft und informiert über
 mehr Raum geben in meinem Leben.              ihre Spiritualität, ihre Aufgaben und
 Auch das soll im „Quo vadis?“ geschehen.      Schwerpunkte. Sowohl während des Ta-
                                               ges als auch bei verschiedenen Abendver-
 Ort der Begegnung                             anstaltungen stehen die lichtdurchflute-
 Viele Passanten schauen im Vorbeigehen        ten Räume für Begegnungen offen. So
 durch die Glasfenster herein, stöbern in      gibt es die Möglichkeit, mit Ordensmän-

 Das Team von „Quo vadis?“, das sich aus Ordensleuten verschiedener Gemeinschaften zusammensetzt, lädt in den neugestalteten
 Räumen zum Gespräch ein – z. B. zum regelmäßigen Gebet um 12 Uhr (Mo.–Fr.); aber auch für einen Austausch bei einem Häferl Kaffee
 stehen die Türen offen

                                                                                    Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Herbst 2012 15
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