18 2020 STIKO: Schutzimpfungen während COVID-19, Impfung gegen Japanische Enzephalitis - RKI
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
aktuelle daten und informationen zu infektionskrankheiten und public health 18 Epidemiologisches 2020 Bulletin 30. April 2020 STIKO: Schutzimpfungen während COVID-19, Impfung gegen Japanische Enzephalitis
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 2 Inhalt Stellungnahme der Ständigen Impfkommission: Durchführung von empfohlenen Schutzimpfungen während der COVID-19-Pandemie 3 Gerade während einer Pandemie kommt allgemein gültigen Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit große Bedeutung zu. Hierzu zählen vor allem die von der STIKO empfohlenen Impfungen. Die Pandemie sollte keinesfalls zu zusätzlichen Impflücken führen, mit der Gefahr von Ausbrüchen impfpräven- tabler Erkrankungen. Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung zur Impfung gegen Japanische Enzephalitis bei Reisen in Endemiegebiete und für Laborpersonal 5 Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Japanische Enzephalitis als Reiseimpfung für alle Reisenden bei Aufenthalten in entsprechenden Verbreitungsgebieten unter bestimmten Bedingungen und als beruflich in- dizierte Impfung für Laborpersonal, das gezielt mit vermehrungsfähigen Japanische-Enzephalitis-Virus-Wild- typstämmen arbeitet. In Deutschland ist derzeit nur ein inaktivierter Ganzvirusimpfstoff zugelassen. Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland (Update vom 29.4.2020) 28 Im Rahmen der COVID-19-Pandemie spielt die Labordiagnostik zu SARS-CoV-2 eine entscheidende Rolle. Daten zur Anzahl der durchgeführten Testungen zu SARS-CoV-2 sowie zur Anzahl der Personen mit den jeweiligen Testergebnissen und den Testkapazitäten werden aktuell über verschiedene Netzwerke bzw. Um- fragen erhoben. Es erfolgt ein Update gegenüber Ausgabe 17/2020. Zur aktuellen Situation bei ARE/Influenza in der 17. Kalenderwoche 2020 29 Impressum Herausgeber Allgmeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Telefon: 030 18754 – 23 24 Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons E-Mail: SeedatJ@rki.de Namensnennung 4.0 International Lizenz. Redaktionsassistenz: Francesca Smolinski Telefon: 030 18754 – 24 55 ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 3 Stellungnahme der Ständigen Impfkommission Durchführung von empfohlenen Schutzimpfungen während der COVID-19-Pandemie Aktuell gilt die öffentliche Aufmerksamkeit der ▶▶ Sollte bei einer Kontaktperson eine SARS-Cov-2- COVID-19-Pandemie und ihrer Bekämpfung. Viel Infektion nachgewiesen worden sein und diese wird unternommen, um die SARS-CoV-2-Ausbrei- asymptomatisch verlaufen, sollten Impfungen tung und damit Infektionen, Erkrankungen und frühestens 4 Wochen nach dem positiven Todesfälle zu verhindern. Ziel ist es, das Gesund- PCR-Befund erfolgen. heitssystem nicht zu überlasten und jederzeit eine suffiziente Versorgung der Betroffenen zu gewähr- leisten. Gerade während einer Pandemie kommt Priorisierung von Impfungen allgemein gültigen Präventionsmaßnahmen zum ▶▶ Grundsätzlich können und sollten alle von der Schutz der Gesundheit große Bedeutung zu. Hierzu STIKO empfohlenen Impfungen altersentspre- zählen vor allem die von der Ständigen Impfkom- chend durchgeführt werden. Besonders die Grund mission (STIKO) empfohlenen Impfungen. Die Pan immunisierung mit allen STIKO-empfohlenen demie sollte keinesfalls zu zusätzlichen Impflücken Impfungen im ersten und zweiten Lebensjahr führen, mit der Gefahr von Ausbrüchen impfprä- sollte unbedingt zeitgerecht begonnen werden ventabler Erkrankungen. Folgende Aspekte gilt es (ab 8 Wochen) und möglichst rechtzeitig (mit 15 bei der Durchführung von Impfungen während der Monaten) beendet werden. Da die Kontaktredu aktuellen Pandemie zu berücksichtigen: zierung zu den wichtigsten Maßnahmen der Be- kämpfung der COVID-19-Pandemie gehört, kann es sinnvoll sein, Auffrischimpfungen, die mit Mögliche Interaktionen von Impfungen einem breiten Zeitfenster empfohlen sind, erst und COVID-19 bei einem geringerem Pandemiegeschehen ▶▶ Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Aus durchzuführen. einandersetzung des Immunsystems mit SARS- CoV-2 durch eine in zeitlicher Nähe verabreichte ▶▶ Bei Personen im Alter ab 60 Jahren muss an die Impfung negativ beeinflusst wird. altersbedingten Impfempfehlungen zum Schutz vor Pneumokokken, Herpes zoster und die jähr- ▶▶ Anstehende Routineimpfungen entsprechend liche Influenza-Impfung gedacht werden. den STIKO-Empfehlungen sollen grundsätzlich nur bei akuten, schweren Erkrankungen verscho ▶▶ Besonders wichtig ist der Impfschutz bei Immun ben werden. supprimierten oder Personen mit anderen ge- sundheitlichen Risikofaktoren. Bitte überprüfen ▶▶ Impfungen bei COVID-19-Patienten sollen erst Sie den Impfstatus für empfohlene Indikations- nach vollständiger Genesung und frühestens impfungen (s. Tab. 2 in den STIKO-Empfeh 4 Wochen nach dem letzten positiven PCR- lungen). Detaillierte Anwendungshinweise der Befund erfolgen. STIKO für Impfungen von Patienten mit Im- mundefizienz bzw. Immunsuppression sind ▶▶ Impfungen von Kontaktpersonen können bei unter folgendem Link verfügbar: www.rki.de/ Symptomfreiheit 14 Tage nach dem letzten immundefizienz. potenziell infektiösen Kontakt erfolgen.
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 4 Organisation der Praxisabläufe ▶▶ Nutzen Sie bitte jeden Patientenkontakt, um den ▶▶ Es sollten Praxisabläufe gewährleistet sein, durch Impfstatus zu überprüfen und holen Sie gegebe- die die Möglichkeit einer Ansteckung mit SARS- nenfalls versäumte Impfungen nach. CoV-2 während des Impftermins soweit wie überhaupt möglich ausgeschlossen wird. ▶▶ Kann ein verabredeter Impftermin nicht einge- halten werden, weil der Impfstoff nicht verfügbar ▶▶ Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Infek ist, informieren Sie bitte den Patienten rechtzeitig. tionsrisiko in der Praxis zu vermindern. Diese richten sich natürlich auch nach den räumlichen ▶▶ Um die Zahl der Impftermine gering zu halten, Gegebenheiten und den Patienten der Praxis. ist es möglich, mehr als zwei Impfungen an ei- nem Termin zu verabreichen. ▶▶ Beispielsweise können gesonderte Impfsprech stunden eingerichtet werden. Impftermine ▶▶ Erinnerungssysteme können dabei helfen, sollten so organisiert werden, dass die Patien- Patienten, deren Eltern oder Sorgeberechtigte ten und deren Begleitpersonen möglichst bzw. Angehörige aktiv an fällige oder versäumte keine Wartezeit haben. Impfungen zu erinnern und zur Vereinbarung ▶▶ In der kinder- und jugendärztlichen Versor- von Impfterminen zu ermuntern. gung können gesonderte Sprechzeiten für Früh erkennungsuntersuchungen und Impfungen ▶▶ Die STIKO gibt altersabhängige Empfehlungen von infektfreien Kindern und Jugendlichen zur Verabreichung von Nachholimpfungen geplant werden. Zu den Kinder- und Säug- (s. Tabellen 9 A–E im Kapitel 6.10 der STIKO- lingsimpfungen sollten möglichst keine Ge- Empfehlungen: www.rki.de/stiko-empfehlungen). schwisterkinder mitgebracht werden. ▶▶ Bei der Vereinbarung der Impftermine soll dar- auf hingewiesen werden, dass diese ggf. verscho- ben werden müssen, falls der Patient oder die Begleitperson Erkältungssymptome hat. Autorinnen und Autoren Vorgeschlagene Zitierweise Ständige Impfkommission (STIKO) beim Ständige Impfkommission beim RKI: Stellungnahme Robert Koch-Institut der Ständigen Impfkommission: Durchführung von empfohlenen Schutzimpfungen während der Korrespondenz: STIKO-Geschaeftsstelle@rki.de COVID-19-Pandemie Epid Bull 2020;18:3 –4 | DOI 10.25646/6858
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 5 Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung zur Impfung gegen Japanische Enzephalitis bei Reisen in Endemiegebiete und für Laborpersonal Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat auf ihrer oder im Abstand von 1 Woche (Schnellschema: d 0 95. Sitzung am 4. März 2020 die Empfehlung der und d 7, zugelassen für die Anwendung von 18 – 65 Impfung gegen Japanische Enzephalitis bei Reisen Jahren). Bei Kindern im Alter von 2 Monaten bis 3 in Endemiegebiete und für Laborpersonal beschlos- Jahren sind 2 Dosen à 3 µg/0,25 ml im Abstand von sen. Hierzu erfolgten Diskussionen auf mehreren 4 Wochen erforderlich. Ab dem 3. Lebensjahr erhal- Sitzungen, wobei auch Stellungnahmen des Gemein- ten Kinder bei jeder Impfung die Erwachsenendo- samen Bundesausschusses (G-BA), der obersten Ge- sis, können jedoch nicht nach dem Schnellschema sundheitsbehörden der Bundesländer sowie betroffe- geimpft werden. Eine dritte Dosis (erste Auf- ner Fachgesellschaften Berücksichtigung fanden. frischimpfung) sollte bei einem fortgesetzten oder wiederholten Expositionsrisiko 12 – 24 Monate nach der Grundimmunisierung gegeben werden. Auch Empfehlung bei einer späteren Impfindikation (> 24 Monate Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Japani- nach Grundimmunisierung) ist von einem ausrei- sche Enzephalitis (JE) als Reiseimpfung (R) für alle chenden Impfschutz nach einmaliger Auffrischimp- Reisenden bei Aufenthalten in den unten genann- fung auszugehen. Bei fortbestehender Indikation ten Verbreitungsgebieten (fortlaufend Endemie- zur Impfung wird die Verabreichung der zweiten gebiete genannt) unter bestimmten Bedingungen Auffrischimpfung 10 Jahre nach der ersten Auf- und als beruflich indizierte Impfung (B) für Labor- frischimpfung empfohlen. Ziel der Impfung ist die personal, das gezielt mit vermehrungsfähigen Japa- Verhinderung von schweren Erkrankungen und nische-Enzephalitis-Virus-(JEV-)Wildtypstämmen Tod aufgrund einer JEV-Infektion bei Aufenthalten arbeitet. In Deutschland ist derzeit nur ein inakti- in Endemiegebieten oder bei Arbeit mit vermeh- vierter Ganzvirusimpfstoff zugelassen, der den rungsfähigen JEV-Wildtypstämmen. Stamm SA14-14-2 (Genotyp III) enthält, und unter dem Namen IXIARO vertrieben wird. Die Grund- Ergänzende Abbildungen und Tabellen zu diesem immunisierung mit diesem Impfstoff besteht bei Dokument finden Sie im Anhang unter: Erwachsenen aus 2 Dosen à 6 µg/0,5 ml im Abstand www.rki.de/JE_18_20 von 4 Wochen (klassisches Schema: d 0 und d 28) Auszug aus Tabelle 2 der STIKO-Empfehlungen – Japanische Enzephalitis Impfung Kate- Indikation Anmerkungen gegen gorie (Packungsbeilage/Fachinformation beachten) Japanische R Aufenthalte in Endemiegebieten (Südost-Asien, Grundimmunisierung mit 2 Dosen gemäß Fachin- Enzephalitis weite Teile von Indien, Korea, Japan, China, formation; eine Auffrischungsdosis vor erneuter West-Pazifik, Nordaustralien) während der Übertra- Exposition, frühestens 12 Monate nach der Grundi- gungszeit, insbesondere bei: mmunisierung • Reisen in aktuelle Ausbruchsgebiete • Langzeitaufenthalt (> 4 Wochen) • wiederholten Kurzzeitaufenthalten • voraussehbarem Aufenthalt in der Nähe von Reisfeldern und Schweinezucht (nicht auf länd- liche Gebiete begrenzt) B Laborpersonal, das gezielt mit vermehrungsfähigen JEV-Wildtypstämmen arbeitet
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 6 Wissenschaftliche Begründung geführt, wobei die gesamte bis zum 31. August 2019 verfügbare Literatur berücksichtigt wurde.63 1. Einleitung Die Japanische Enzephalitis (JE) ist eine Viruser- krankung, die durch vornehmlich nachtaktive 2. Erreger und Übertragung Stechmücken übertragen wird. Sie ist endemisch in Das JEV gehört wie das Gelbfiebervirus (YFV), das vielen Ländern Asiens, dem West-Pazifik und im Denguevirus (DENV), das West-Nil-Virus (WNV), das nördlichen Australien. Es wird geschätzt, dass in Zika-Virus (ZIKV) und das Tick-Borne-Encephali- den Endemiegebieten jährlich etwa 67.900 sympto- tis-Virus (TBEV) zur Familie der Flaviviridae; das matische Fälle von JE auftreten (Gesamtinzidenz 1,8 Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEV) pro 100.000 Einwohner), wobei schätzungsweise gehört zur Gruppe der TBEV. Das JEV ist ein behüll- nur ca. 10 % der tatsächlich aufgetretenen sympto- tes Virus mit einem Durchmesser von ca. 50 nm und matischen Fälle der Weltgesundheitsorganisation enthält einzelsträngige RNA mit positiver Polarität (WHO) übermittelt werden.1 (+ssRNA) bei einer Genomgröße von ca. 11 kB und nur geringfügigen Längenunterschieden zwischen Die meisten Infektionen mit dem JE-Virus (JEV) den Genotypen. Es sind 5 verschiedene Genotypen be- verlaufen bei der lokalen Bevölkerung in den En- kannt, von denen Genotyp I und III epidemiologisch demiegebieten asymptomatisch. Von den Patien- relevant sind.4 Genotyp IV wurde in Indonesien und ten, die eine Symptomatik entwickeln, erkranken Malaysia isoliert.5 Genotyp V wurde bislang nur sehr wiederum die meisten an einer milden Form selten nachgewiesen;6 er gilt als der älteste der Geno- (grippeähnliche Symptome) und nur ca. einer von typen, der sich von seinem Ursprungsgebiet in der 250 symptomatischen Patienten erkrankt schwer Region Indonesien-Malaysia aus in die heute bekann- (neurologische Symptomatik).2 Bei schwerem ten Endemiegebiete verbreitet und dabei genetisch Verlauf stirbt ca. 1/3 der Patienten und bei verändert hat.7 Alle Genotypen gehören zum gleichen 30 – 50 % der Überlebenden persistieren psychia- Serotyp und ihre Virulenz ist vergleichbar.8 Die Impf- trisch-neurologische Schäden.2 stoffe der neuesten Generation richten sich gegen den Genotyp III. Neuere Daten zeigen allerdings, Reisende können sich bei Aufenthalten in Endemie- dass in mehreren Regionen Genotyp I den Genotyp gebieten infizieren. In der Literatur findet sich keine III ersetzt hat.9-12 Diese Problematik wird in 7.2.2.1. einheitliche Risikoberechnung für Reisende. Dem ausführlich diskutiert. insgesamt niedrigen Risiko für den Einzelnen steht der möglicherweise schwere Verlauf der Erkran- Wat- und Zugvögel sind natürliche Wirte und Träger kung gegenüber. des JEV. Durch saisonale Wanderung verbreiten sie das JEV zwischen tropischen, subtropischen und Aufgrund der Verfügbarkeit eines gut verträglichen gemäßigten Klimazonen. Wilde und domestizierte und wirksamen Impfstoffs in Deutschland hat sich Schweine spielen als Träger und Amplifikatoren die STIKO eingehend mit der Risiko-Nutzen-Bewer- eine besondere Rolle in der Infektionskette, da sie tung dieses Impfstoffs (IXIARO) beschäftigt. Der auch ohne Vektoren das Virus untereinander über- Totimpfstoff ist bereits seit 2009 als einziger Impf- tragen können. Auch aus Fledermäusen konnte be- stoff in Deutschland für Erwachsene und seit 2013 für reits das JEV isoliert werden. Ihre Rolle bei der Kinder > 2 Monate zugelassen. In den letzten Jahren Übertragung ist allerdings noch nicht geklärt.13 sind zusätzlich Studien zur Langzeitimmunogenität erschienen, die einen Anhaltspunkt für den optima- Die Übertragung des JEV zwischen den Spezies fin- len Zeitpunkt der Auffrischimpfung liefern können. det saisonabhängig in den Endemiegebieten über Die STIKO hat die Bewertung nach ihrer Standard- eine Vielzahl von Stechmücken-Spezies statt, wobei vorgehensweise (SOP) vorgenommen 3 und in diesem Culex-Mücken der Culex vishnui-Gruppe, insb. Culex Rahmen einen systematischen Review zur Immuno- tritaeniorhynchus, die kompetentesten Vektoren sind.14 genität und Sicherheit des Impfstoffs IXIARO durch- Culex-Mücken brüten in Reisfeldern und stechen hauptsächlich kurz nach Sonnenuntergang und nach
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 7 Mitternacht. Eine Übertragung am Tag ist nicht aus- wie bilaterale, nicht selten hämorrhagische Läsio- geschlossen.15-17 Der Mensch ist nicht nur ein Fehl-, nen im Thalamus.26 sondern auch ein Blindwirt, der epidemiologisch kei- ne Rolle spielt. Die Virämie reicht üblicherweise nicht Ungefähr 30 % der Patienten mit schwerer JEV- aus, um Mücken zu infizieren und zu einer Übertra- Infektion sterben und die Hälfte der Überlebenden gung auf andere empfängliche Wirte beizutragen.18,19 leidet an persistierenden neurologischen Defiziten. Dazu gehören schwere motorische Defizite (ca. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch über 30 % der Überlebenden), kognitive und sprachliche Bluttransfusionen ist prinzipiell möglich.20 Defizite (ca. 20 %) oder rezidivierende Krampfanfälle (ca. 20 %).27 Eine wirksame spezifische Therapie ge- In Europa gibt es bisher keine autochthonen Infek- gen die Infektion mit JEV ist bisher nicht verfüg- tionen trotz des eventuellen Vorkommens einzelner bar.28 Im Falle einer Rekonvaleszenz kann diese Wo- für die Übertragung notwendiger Faktoren (wie z. B. chen bis zu mehreren Monaten andauern und ein- stehende Gewässer, Culex-Arten oder anderer Vek- hergehen mit Konzentrationsschwäche, rascher Er- toren,21 Schweinezucht). müdbarkeit, Persönlichkeitsveränderungen und z. B. einem Tremor.29 Nach einer durchgemachten Bei der Laborarbeit mit vermehrungsfähigen Infektion sind lebenslang Antikörper nachweisbar.18 JEV-Wildtypstämmen kann es ebenfalls zu einer Es ist allerdings nicht gesichert, ob diese einen Übertragung kommen. lebenslangen Schutz vermitteln. 3. Krankheitsbild 4. Risikofaktoren für eine Infektion und Infektionen mit dem JEV sind in der Region einen schweren Krankheitsverlauf Asien-Pazifik die Hauptursache für Enzephalitiden Die Möglichkeit für eine Infektion des Reisenden ist beim Menschen.19 Nach dem Stich einer infizierten in tropischen Gebieten aufgrund des Vorhanden- Mücke und einer Inkubationszeit von 5 – 15 Tagen seins von Vektor und natürlichen Wirten zwar ganz- kommt es zu einer plötzlich auftretenden fieberhaf- jährig gegeben, jedoch steigt das Risiko während ten Erkrankung, zu der auch Symptome wie Kopf- der Regenzeit.30 Während bislang das Risiko einer schmerzen, Schnupfen, Husten, Übelkeit, Erbre- Infektion auf ländliche Gebiete begrenzt galt, zei- chen und Durchfall gehören können.22 Ein kleiner gen zahlreiche Studien aus Endemieländern, dass Teil dieser symptomatisch erkrankten Patienten sich die Verbreitung auf periurbane und urbane kann im Rahmen einer Mitbeteiligung des zentra- Gebiete ausgebreitet hat.31-34 Entscheidend für eine len Nervensystems neurologische Symptome entwi- Übertragung ist das Vorhandensein von Reservoir- ckeln: Meningismus, Verwirrtheit, Verhaltensän- wirten (Schweinezucht) und Brutstätten von Vekto- derungen, Lähmungen, parkinsonähnliche Sympto- ren (Reisfelder). Bei erhöhter Exposition zum Vek- me, Krampfanfälle oder Bewusstseinsstörungen.22,23 tor steigt das Infektionsrisiko und deshalb sind wei- Ebenfalls häufig sind Hirnstammschädigungen.18 tere Risikofaktoren für eine JEV-Infektion der Auf- enthalt im Freien, kein Auftragen von Repellents Der diagnostische Nachweis des Virus ist durch mo- oder keine Benutzung von Mückennetzen. Außer- lekularbiologische Methoden möglich. Der Antikör- dem erhöhen fehlende JEV-spezifische Antikörper pernachweis im Serum oder Liquor kann durch ver- (bei Menschen, die weder die Infektion durchge- schiedene Verfahren erfolgen, ist aber teilweise macht haben noch geimpft sind) das Risiko einer durch kreuzreagierende Flavivirusantikörper er- symptomatischen Infektion.18,30,35 Bei Laborpersonal schwert. JEV-Antikörper können spezifisch mittels gilt die Exposition gegenüber vermehrungsfähigen IgM-capture-ELISA und Plaque-Neutralisationstests JEV-Wildtypstämmen als Risikofaktor. nachgewiesen werden.24 Es ist bisher nicht bekannt, welche Faktoren dazu In der MRT finden sich bei Infektion mit Arboviren führen, dass der überwiegende Teil der infizierten oft ein asymmetrischer Stammganglienbefall 25 so- Menschen keine Erkrankung und nur eine Minder-
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 8 Abb. 1 | Geografische Ausbreitung des Japanische Enzephalitis Virus 2019* * Quelle: Robert Koch-Institut, adaptiert nach CDC, 2019 24 heit einen schweren Krankheitsverlauf entwickelt. dehnt.44-46 Kürzlich wurde ein erster autochthoner Fall Grundsätzlich gehören zu den Risikofaktoren für in Afrika (Angola) registriert.47 Des Weiteren konnte einen schweren Krankheitsverlauf verschiedene das Virus aus Culex pipiens Stechmücken sowie aus Wirtsfaktoren wie z. B. höheres Alter,35,36 Schwan- Knochenmarkszellen von Vögeln in Italien isoliert gerschaft 37,38 und fehlende Immunität (JE-naiv), werden.48 Es erscheint demnach möglich, dass sich auch gegen andere Flaviviren, wie z. B. dem Den- das JEV sogar noch weiter auf andere Kontinente aus- guevirus.36,39,40 Infektionen und Erkrankungen kom- breiten könnte.19 JEV-Infektionen wurden früher men deutlich häufiger im Kindesalter vor, während nicht in Gebieten beobachtet, die 1.200 m oder höher das Risiko für eine neuroinvasive schwere JEV- liegen. Neuere Studien zeigten jedoch, dass es dem Erkrankung mit dem Alter steigt. Das Vorhanden- Virus auch in großen Höhen wie zum Beispiel in sein zerebraler Läsionen bei einer Infektion mit Tibet (2.900 m) gelingt, zwischen Moskitos und Ver- dem Schweinebandwurm zählt in Endemieländern tebraten zu zirkulieren.49 als weiterer Risikofaktor für einen schweren Ver- lauf.41 Bei tödlich verlaufenden JE-Fällen wurde in Durch das Zusammenspiel von Vektoren, Wirten, einer Studie in Indien eine erhöhte Prävalenz von Umwelt und Wetter kommen humane Infektionen zerebraler Zystizerkose beobachtet.42 insbesondere in Gegenden bzw. Zeiten mit hoher Vektordichte, stehenden Gewässern und Schweine- zucht vor.50 Während früher die Erkrankung fast 5. Epidemiologie ausschließlich mit einem Infektionsrisiko im länd- 5.1. Epidemiologie in Endemieländern lichen Raum assoziiert war, wurde durch die Zunah- Abbildung 1 zeigt die geografische Verbreitung des me an Schweinezucht sowie die rasche Größenzu- JEV. Betroffen sind fast alle Länder Südost-Asiens so- nahme von Städten in vielen asiatischen Ländern wie weite Teile von Indien, Korea, Japan und China. ein erhöhtes Risiko in periurbanen oder urbanen Mehr als 3 Milliarden Menschen leben in Endemie- Gebieten festgestellt.31-34 Abhängig von der geografi- oder Epidemiegebieten und haben damit ein perma- schen Lage findet die Übertragung in den Tropen nentes oder sporadisches Infektionsrisiko.43 In den ganzjährig und in den subtropischen und gemäßig- letzten Jahrzehnten hat sich die JEV-Aktivität bis nach ten Klimazonen saisonal statt.51 Nord-Australien (Torres Strait, Queensland) ausge-
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 9 Die Jahreszeit mit den höchsten JEV-Inzidenzen ist Da der Mensch ein Fehl- und ein Blindwirt ist, wird von Region zu Region unterschiedlich: In den ge- die Präsenz des Virus im Tierreservoir durch humane mäßigten Klimazonen von Japan und Korea liegt sie Impfprogramme nicht wesentlich beeinflusst. Das zwischen Mai und September, in Thailand, Kambod- bedeutet auch, dass das JEV-Infektionsrisiko für scha und Vietnam zwischen April und Oktober, in nicht-immune Personen (inklusive Reisende) durch Nepal und Nord-Indien zwischen September und das Vorhandensein eines nationalen Impfprogramms Dezember.18 in einer endemischen Region nicht beeinflusst wird. Die Inzidenz von JEV-Infektionen und JEV- Vor Implementierung eines Impfprogramms lag Enzephalitiden ist in den einzelnen Endemiegebie- die altersspezifische Inzidenz von JEV-Erkrankun- ten sehr unterschiedlich. Da die Surveillance der gen in Thailand zwischen 8 – 11/100.000 für Kinder Erkrankung in vielen Ländern nicht gut etabliert ist unter 4 Jahren, 7 – 10/100.000 für Kinder im Alter und auch die Labordiagnostik eine Herausforde- von 5 – 9 Jahren, 5 – 9/100.000 für Kinder im Alter rung darstellt, kann die tatsächliche Krankheitslast von 10 – 14 Jahren und unter 2/100.000 für Erwach- nicht sicher eingeschätzt werden.43 Es ist davon aus- sene.18 Die Seroprävalenz für die JE steigt mit dem zugehen, dass nur etwa 10 % der in den JEV-ende- Alter und liegt zum Beispiel bei den 13- bis 14-Jähri- mischen Ländern auftretenden Erkrankungen der gen in Indonesien, Vietnam und den Philippinen WHO gemeldet werden.1 bei > 70 %.32 Diese Altersverteilung beruht vermut- lich auf immunologischen Aspekten, möglicherweise In einer Übersichtsarbeit wurden 12 geeignete Stu- auch auf einer Kreuzprotektivität durch anti- dien ausgewertet, die 7 von 10 Inzidenzgruppen in DENV Antikörper, die einen Einfluss auf die Schwere 24 JEV-endemischen Ländern repräsentieren (Stu- von JEV-Infektionen haben können.39,40 Zu betonen dienzeitraum 1985 – 2008).1 Die geschätzten jährli- ist, dass es sich bei diesen Inzidenzen um die Erkran- chen Inzidenzraten zwischen den einzelnen Ende- kungshäufigkeit handelt. Der überwiegende Anteil mieländern variieren stark, wobei die Spannbreite von Infektionen mit dem Virus verläuft jedoch asym- von 0,003/100.000 Einwohnern in Japan bis zu ptomatisch und es findet nur eine Antikörper-Sero- 25,6/100.000 in Thailand reicht. Ca. 67.900 Fälle konversion statt. In einer Studie in Nord-Thailand traten dabei im Studienzeitraum im Jahresdurch- wurde ein Verhältnis von symptomatischer zu asym- schnitt auf (Gesamt-Inzidenz 1,8 pro 100.000/Jahr). ptomatischer Infektion von 1:300 beobachtet.53 Ungefähr 33.900 (50 %) dieser Fälle traten in Fest- landchina auf und ca. 51.000 (75 %) bei Kindern im Alter von 0 – 14 Jahren (Inzidenz: 5,4 pro 100.000). 5.2. Epidemiologische Daten zu Reisenden Geschätzte 55.000 Fälle (81 %) traten in Gebieten Während in den Endemiegebieten ca. 75 % der auf, in denen Impfprogramme bereits gut etabliert JE-Fälle bei Kindern ≤ 14 Jahren festgestellt werden 1 oder in Entwicklung sind, während ca. 12.900 (19 %) und daher in der frühen Erwachsenenzeit nahezu der Fälle in Gebieten festgestellt wurden, in denen mi- bei allen eine natürliche Immunität besteht, geht nimale oder keine Impfprogramme etabliert waren.1 man davon aus, dass diese fehlende Immunisie- Dies verdeutlicht, dass die Durchführung der beste- rung durch frühere Infektion(en) bei erwachsenen henden Impfprogramme noch weiter verbessert wer- Reisenden zu einem erhöhten Risiko im Vergleich den muss, um die Krankheitslast in den am stärksten zur lokalen Bevölkerung gleichen Alters für eine betroffenen Ländern wirkungsvoll zu senken. symptomatische Erkrankung beiträgt. Unter immu- nologisch JEV-naiven amerikanischen Soldaten in In einer Analyse für 14 Länder mit endemischer JE Korea entwickelte zum Beispiel einer von 25 infi- wurde für die Jahre 2007 – 2021 geschätzt, dass zierten Erwachsenen eine symptomatische Erkran- durch Impfkampagnen und Routineimpfungen die kung.54 Außerdem verläuft unabhängig davon, ob Anzahl der Erkrankungen um 193.676 Fälle, 43.446 man im Endemiegebiet dauerhaft oder nur kurzzei- Tote, 77.470 Fälle mit bleibenden Schäden, 6.622.932 tig exponiert war, die Erkrankung im Alter schwer- disability-adjusted life years (DALYS) sinken würde.52 wiegender. Das Durchschnittsalter der Reisenden liegt bei > 50 Jahren.35,36 Die Angaben zum JEV-
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 10 Referenz/Literaturangabe JEV-Erkrankungsrisiko Bemerkungen CDC Yellow Book, 2019 24 6 – 11/10.000/Jahr für Langzeitreisende und Aus- Annahme, dass das Risiko dem Risiko von Kindern in wanderer; sonst < 1/1 Mio. im Durchschnitt Endemiegebieten entspricht Halstead, Plotkin 2018 55 1/50.000 – 1/200.000 pro Woche Extrapoliert von jährl. Inzidenzraten der päd. Bev. im Endemiegebiet während Transmissionszeit: 0,1-2/10.000 Buhl et al., 2009 35 Minimale Ereignisrate pro Reise: ca. 1/400.000 Hochgerechnet von 14-Jahres-Beobachtungsperiode bei Reisen auch außerhalb der Regenzeit, schwedischen Reisenden (die Hälfte der Reisenden hatte einen unabhängig von Art oder Dauer der Reise Aufenthalt im Endemiegebiet von < 4 Wochen) Hatz et al., 2009 56 1,3/Jahr/7,1 Millionen Reisen Hochrechnung aus 40 weltweit gemeldeten Fällen zwischen 1972 (bei 17 Mio. europäischen Reisenden) und 2008 und Daten von Reisenden aus UK und der Schweiz Lehtinen et al., 2008 57 1/257.000/Reisen Hochrechnung nach Beobachtungszeitraum von 5 Jahren und (durchschnittlich 1 – 2 Wochen) Anzahl finnischer Reisender nach Thailand CDC Yellow Book, 1993 58 1/5.000/Woche – 1/200.000/Woche Extrapoliert von jährl. Inzidenzraten der gesamten Bev. im Endemiegebiet während Transmissionszeit: 10/10.000 Tab. 1 | Schätzungen des JEV-Erkrankungsrisikos bei Reisenden Erkrankungsrisiko für Reisende schwanken in der belle 1 genannten Zahlen wahrscheinlich eine Un- Literatur beträchtlich und sind untereinander terschätzung dar. Umso wichtiger ist es, alle Fakto- schwer vergleichbar aufgrund verschiedener Mess- ren einer Impfindikation zu berücksichtigen, um verfahren (Extrapolation auf der Basis von im Vorfeld diejenigen Reisenden zu identifizieren, Inzidenzraten der lokalen Bevölkerung, Hochrech- die von einer Impfung profitieren. nung nach Anzahl gemeldeter und sicher diagnos- tizierter Fälle bei Reisenden in verschiedenen Zeit- Faktoren, die einen Einfluss speziell auf das Infek- räumen, Erkrankungsfälle pro 10.000/Woche, Er- tionsrisiko von Reisenden haben, sind das Ziel, der krankungsfälle pro Reise ohne Zeitangabe oder pro Zeitpunkt, die Dauer und die Art der Reise, das in- Million Reisende, Berechnung für Reisende im dividuelle Risikoverhalten (Aufenthalt in Endemie- ländlichen Bereich während der JE-Saison; s. Tab. 1). gebieten, Exposition durch Aktivitäten im Freien Die Gesamtinzidenz für eine symptomatische JE oder mangelnder Mückenschutz) und der Serosta- für Menschen, die nicht aus Endemiegebieten stam- tus in Bezug auf Flaviviren. Generell kann man da- men und nach Asien reisen, wurde 1993 von den von ausgehen, dass aufgrund der Kumulation der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Expositionszeit Langzeitreisende ein höheres Risiko Prevention (US-CDC) auf < 1 pro 1 Million Reisende für eine JEV-Infektion haben als Kurzzeitreisende, geschätzt. Allerdings muss einschränkend festge- das Risiko in der Regenzeit aufgrund erhöhter Vek- stellt werden, dass vermutlich Kurzzeitreisende in tordichte größer ist, Infektionen dort gehäuft auftre- urbane Gegenden mit niedrigerem Infektionsrisiko ten, wo Wirt und Vektor vorkommen (auch in peri- zum größten Teil des Nenners beigetragen haben.22 urbanen oder urbanen Gebieten, wenn sie in der Es ist davon auszugehen, dass Auswanderer und Nähe von Schweinezucht und Reisfeldern liegen), Reisende, die sich eine längere Zeit (> 4 Wochen) in wenn kein adäquater Mückenschutz erfolgt.35 Aller- Gegenden mit andauernder Transmission aufhal- dings konnte in einer Fallserie von 21 reiseassoziier- ten, vermutlich ein ähnlich hohes Risiko haben wie ten JEV-Fällen in den Jahren 1992 – 2008 gezeigt die empfängliche pädiatrische Population im Ende- werden, dass mehr als die Hälfte der Fälle Kurzzeit- miegebiet (6 – 11 Fälle/100.000 Kinder pro Jahr 24 reisende betraf (d. h. Aufenthalt im Endemiegebiet bzw. 0,1 – 2 Fälle/10.000/Jahr 55). < 1 Monat), mehrere Reisende sich außerhalb der Regenzeit infiziert haben und kein Fall durch einen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ausbruch bedingt war.35 Von diesen 21 Fällen hatten Erkrankungsrisiko für Reisende insgesamt sehr 13 Reisende einen schwerwiegenden Verlauf (dauer- niedrig ist. Da JEV-Infektionen in den meisten Fäl- hafte neurologische Folgeschäden oder Tod). Auch len asymptomatisch verlaufen und nicht alle Ärzte bei einigen in den letzten Jahren beschriebenen Im- in Europa differentialdiagnostisch eine JE-Erkran- portfällen nach Deutschland handelte es sich um kung in Betracht ziehen, stellen die in Text und Ta-
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 11 zum Teil kürzere touristische Aufenthalte in Ost- lichkeitsreaktionen (17/10.000 Geimpften).61 Beide bzw. Südostasien.59,60 Impfstoffe waren zwar über Importapotheken verfüg- bar, aber in Deutschland formal nicht zugelassen. Es muss betont werden, dass auch innerhalb eines Landes aufgrund unterschiedlicher ökologischer Be- Im März 2009 wurde durch die europäische Arznei- dingungen das Risiko für eine JEV-Infektion nicht in mittelbehörde EMA der erste JEV-Impfstoff in Europa allen Gebieten gleich hoch ist. So ist zum Beispiel zugelassen: Der Impfstoff wurde von der österreichi- der Norden Thailands (und hier typischerweise die schen Intercell AG entwickelt und erhielt daher in Täler) weitaus mehr betroffen als der Süden.18 Aus Studien den firmeninternen Namen IC51. Da dieser der Anzahl an gemeldeten Erkrankungsfällen im je- Name auch in der Literatur gebräuchlich ist, wird er weiligen Land kann nicht auf das Risiko für den ein- hier an einigen Stellen verwendet. Später wurde der zelnen Reisenden geschlossen werden, da u. a. nati- Impfstoff von Novartis Behring unter dem Han- onale Impfprogramme in vielen Ländern zur deutli- delsnamen IXIARO vertrieben. Initial bestand die chen Reduktion der Krankheitslast geführt haben, Zulassung des Impfstoffs nur für Erwachsene. Seit das Virus aber weiterhin im Tierreservoir zirkuliert. 2013 ist er auch für Kinder ab einem Alter von 2 Mo- naten zugelassen, wobei für Kinder von 2 Monaten bis 3 Jahren besondere Dosierungsvorschriften gel- 6. Impfziel ten 62 (s. 7.2.1). Seit 2015 wird der Impfstoff durch die Ziel einer Impfung gegen das JEV ist die Verhinde- Firma GlaxoSmithKline (GSK) vertrieben. rung von schweren Erkrankungen und Tod durch eine JEV-Infektion bei Reisen in Endemiegebieten oder bei 7.2. IXIARO beruflicher Exposition im Labor. Die Verhinderung 7.2.1. Zusammensetzung und Applikation von milden Erkrankungen zählt zwar nicht zum Impf- Eine Dosis des inaktivierten Impfstoffs (0,5 ml) ent- ziel, ist aber ein zusätzlicher positiver Effekt. hält 6 µg des JE-Virusstamms SA14-14-2, der zum Genotyp III gehört. Im Gegensatz zu den oben ge- nannten JEV-Impfstoffen werden die in IXIARO 7. Impfstoffe gegen Japanische Enzephalitis enthaltenen Viren in Verozellen (Affennierenzellen) 7.1. Übersicht Impfstoffe gegen Japanische hergestellt. Aluminiumhydroxid (0,25 mg) ist in Enzephalitis diesem Impfstoff als Adjuvans enthalten. Sonstige Neben der Expositionsprophylaxe in Form eines Bestandteile sind: Natriumchlorid, Kaliumdihydro- konsequenten Mückenschutzes stehen verschiedene genphosphat, Dinatriumhydrogenphosphat und Impfstoffe zum Schutz vor einer JEV-Infektion zur Wasser für Injektionszwecke.62 Verfügung. In Deutschland kamen bis 2009 vor- nehmlich zwei Totimpfstoffe in der Reisemedizin Die Grundimmunisierung von Erwachsenen be- zur Anwendung, die beide auf Grundlage des steht aus zwei Dosen (jeweils 0,5 ml), die im Ab- Nakayama Erregerstamms vom Genotyp III herge- stand von vier Wochen intramuskulär in den Ober- stellt wurden: Der Impfstoff JE-VAX (produziert arm injiziert werden. Wenn nur noch wenig Zeit bis durch BIKEN, Japan und vertrieben durch Sanofi zur Abreise zur Verfügung steht, kann bei Erwach- Pasteur, Lyon, Frankreich) und der Impfstoff Japa- senen zwischen 18 und 65 Jahren auch auf ein nese Encephalitis Vaccine GCC der südkoreani- Schnellimmunisierungsschema ausgewichen wer- schen Green Cross Corporation (GCC). Beide enthal- den. Die beiden genannten Dosen werden hierbei ten formalininaktivierte Viren, die in Mäusehirnen in einem (Mindest-)Abstand von 7 Tagen verab- gezüchtet und anschließend aufgereinigt wurden. reicht. Kinder im Alter von 2 Monaten bis 3 Jahren Japan beendete jedoch im Mai 2005 das Routine- erhalten zwei Dosen von je 0,25 ml in den lateralen Impfprogramm mit JE-VAX aufgrund eines im zeit- Oberschenkel, ab dem dritten Lebensjahr entspricht lichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetre- die Impfstoffmenge pro Dosis der von Erwachsenen tenen Falls von akuter disseminierter Enzephalomye- (0,5 ml). Unabhängig vom angewendeten Schema litis und eines gehäuften Risikos von Überempfind- sollte die Grundimmunisierung ca. 1 Woche vor
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 12 Erreichen des Endemiegebietes abgeschlossen sein, tifizierten, die Einschlusskriterien erfüllenden Stu- um einen optimalen Schutz zu gewährleisten. dien, wurden die relevanten Daten extrahiert und in tabellarischer Form zusammengefasst. Das Verzer- In Ausnahmefällen kann IXIARO bei Patienten mit rungsrisiko wurde mit Hilfe der Cochrane Risk of Bias Thrombozytopenie oder Blutungsstörungen auch sub- Tools für randomisierte und nicht-randomisierte kutan verabreicht werden, da nach intramuskulärer Studien bewertet.64,65 Aufgrund der ausgeprägten Verabreichung vermehrt Blutungen auftreten können. Heterogenität der eingeschlossenen Studien wurde Eine subkutane Verabreichung kann zu einer verrin- keine Metaanalyse durchgeführt. gerten Immunantwort auf den Impfstoff führen.62 Die systematische Literatursuche führte zur Identi- Eine dritte Dosis (erste Auffrischimpfung) sollte bei fikation von 32 Studien (s. PRISMA-Chart im An- einem fortgesetzten Expositionsrisiko im Jahr nach hang). In 22 Studien wurde die Immunogenität un- der Grundimmunisierung gegeben werden (also tersucht, in 27 die Sicherheit und Verträglichkeit zwischen Monat 12 und 24 nach Abschluss der Erst- des Impfstoffs. Insgesamt gab es bei den Studien vakzination). Entsprechend wird die Verabreichung zur Immunogenität nur 2 randomisierte klinische der zweiten Auffrischimpfung 10 Jahre nach der ers- Studien (randomised clinical trials, RCT) mit einem ten Auffrischimpfung empfohlen. niedrigen Verzerrungsrisiko, während bei 18/27 Studien zur Sicherheit (RCT und Beobachtungsstu- Es bestehen folgende Gegenanzeigen:62 Überemp- dien) ein hohes Verzerrungsrisiko vorlag. Details findlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der können aus den beigefügten Tabellen 3 und 4 erse- sonstigen Bestandteile (z. B. Protaminsulfat). Perso- hen werden. Studien zur Wirksamkeit oder Effekti- nen, die nach der ersten Dosis Überempfindlich- vität des Impfstoffs in Bezug auf die Verhinderung keitsreaktionen gezeigt haben, soll keine zweite Do- einer JE wurden nicht gefunden. sis verabreicht werden. Bei Personen mit akuten, fieberhaften Infektionen muss die Verabreichung 7.2.2.1. Immunogenität verschoben werden.62 Im Folgenden werden die Daten zur Immunogenität des Impfstoffes IXIARO aus den in unseren Review 7.2.2. Immunogenität und Sicherheit eingeschlossenen Studien dargestellt. Als qualitativ Zur Untersuchung der Immunogenität und Sicher- hochwertiger Surrogatmarker für den Impfschutz heit von IXIARO wurde durch die Geschäftsstelle wurde die Serokonversion nach IXIARO-Gabe ver- der STIKO in enger Abstimmung mit der STIKO wendet,66,67 die in der Regel 3 – 8 Wochen nach der AG Reiseimpfungen ein systematischer Review letzten Impfung der Grundimmunisierung bzw. nach durchgeführt.63 Hierzu wurde eine systematische Applikation der Auffrischimpfung im Plaque-Reduk- Literatursuche in den Datenbanken Medline, Embase tions-Neutralisationstest (PRNT) bestimmt wurde. und Pubmed durchgeführt (Datum der letzten Die PRNT-Antikörperkonzentration wird berechnet, Suche: 31.8.2019). indem Serumverdünnungen mit Standardviruskon- zentrationen gemischt und die Neutralisation an- Entsprechend der PICO (Population, Intervention, hand der Plaquereduktion bestimmt wird. Ein anti- Comparator, Outcome) – Fragen wurden Studien un- JEV Antikörperwert ≥ 1:10 gilt als protektiv. Wegen abhängig vom Design eingeschlossen, welche Grun- der allgemein niedrigen Inzidenz symptomatischer dimmunisierungen oder Auffrischimpfungen mit Erkrankungen sind keine Daten aus IXIARO- IXIARO (alle Altersgruppen) alleine oder im Ver- Wirksamkeitsstudien verfügbar, weshalb man auf die gleich zu anderen JEV-Impfstoffen untersuchten Serokonversionsraten nach Impfung mit IXIARO zu- bzw. seine Immunogenität oder Verträglichkeit in rückgreifen muss, um auf die Verhinderung schwe- Co-Administration mit anderen reisemedizinisch rer klinischer Infektionen zu schließen. relevanten Impfstoffen verglichen. Einzig individu- elle Falluntersuchungen wurden nicht berücksich- Tabelle 2 im Anhang gibt eine Übersicht über die tigt. Relevante Endpunkte waren die Immunogeni- eingeschlossenen Studien. Die Studien zur Im- tät und die Sicherheit des Impfstoffs. Aus den iden- munogenität sind nicht einheitlich strukturiert, so
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 13 dass eine Vergleichbarkeit untereinander erschwert Schutz ausreicht bzw. dass eine ausreichende Tei- ist. In einigen Studien wurde die Immunogenität limmunität zu einem abgeschwächten Krankheits- von IXIARO im Vergleich zu anderen JEV-Impfstof- verlauf führt und evtl. auftretende subklinische In- fen gemessen,68-73 in anderen Studien wurde die Im- fektionen nicht diagnostiziert und demzufolge nicht munogenität von IXIARO bei Co-Administration registriert werden. mit anderen Impfstoffen (Hepatitis A, Tollwut, Meningokokken) verglichen 74-76 und/oder die Im- Kontrollierte Studien zur Immunogenität und/oder munogenität der Auffrischimpfung zu verschiede- Sicherheit der Impfung bei Stillenden oder Schwan- nen Zeitpunkten nach der Grundimmunisierung geren stehen nicht zur Verfügung. Ebenso ist bisher bestimmt.68,69,77-80 Die meisten publizierten Studien nicht untersucht, ob der Impfstoff in die Mutter- zu IXIARO wurden unter Einschluss von Teilneh- milch gelangt. Präklinische Studien bei schwange- mern aus Nichtendemieländern durchgeführt, 68,69,71- ren Ratten zeigten keinen schädigenden Einfluss 78,80-91 einige wenige auch mit Probanden aus Ende- auf Reproduktion, Geburtsgewicht, Überleben und mieländern.70,79,92-94 Entwicklung beim Nachwuchs. Allerdings wurde eine unvollständige Ossifikation des Skeletts in Ab- Im Kontext unserer Übersichtsarbeit fiel auf, dass 18 hängigkeit von der Anzahl der verabreichten Dosen von 20 Studien (90 %), die die Immunogenität des beobachtet, deren klinische Relation zum Impfstoff Impfstoffs untersuchen, für ihre Analyse aus- unklar ist.62 schließlich den JEV-Stamm SA14-14-2 vom Genotyp III (GIII) benutzten, der auch in IXIARO enthalten 7.2.2.1.1. Immunogenität bei Erwachsenen ist. Dies wirft die Frage auf, ob die hierdurch getrof- In insgesamt 7 Studien wurde die Immunogenität von fenen Aussagen auf alle Fälle von JEV-Infektionen IXIARO bei Erwachsenen untersucht.68,72,75,76,85,87,91 In übertragbar sind, da inzwischen in den meisten en- den betreffenden Studien wurden entweder verschie- demischen Regionen der JEV-Genotyp I (GI) vor- dene Dosierungen bzw. Schemata angewandt oder herrschend ist. IXIARO wurde mit einem anderen Impfstoff gegen die JE verglichen. In zwei Studien wurde die Immuno- Nur in zwei Studien wurde eine mögliche Kreuzpro- genität bei Co-Administration mit Hepatitis A bzw. tektion von GIII-Impfstoffen gegen GI-Genotypen Tollwut untersucht. In den genannten 7 Studien wur- untersucht.69,83 Ergebnisse der zweiten Follow-up-Stu- de letztendlich nur jeweils ein Studienarm als bestver- die zeigten bei einer kleinen Anzahl Probanden fügbare Evidenz zur Immunogenität ausgewertet, da (n = 15), dass 2 Jahre nach Grundimmunisierung kein Placebo-Arm inkludiert war (s. Tab. 2, S. 12). mit IXIARO eine ca. 73 %-ige Kreuzprotektion ge- gen GI besteht.69 Daraus wurde geschlossen, dass Die Zulassung des Impfstoffs beruht im Wesentli- bei fortgesetztem Expositionsrisiko eine Auffri- chen auf einer Phase-3-Vergleichsstudie (sog. schimpfung nicht später als nach 2 Jahren gegeben non-inferiority Studie) mit 867 Probanden, von de- werden sollte. Auch wenn es in mehreren Studien nen 430 den neuen JEV-Impfstoff IXIARO (an den bereits Bedenken gab, dass die Immunogenität der Tagen 0 und 28) und 437 den außerhalb Europas li- lebendattenuierten GIII-basierten Impfstoffe ge- zenzierten Impfstoff JE-VAX erhielten (an den Ta- genüber GI-Viren vermindert sein könnte,95-97 ist bei gen 0, 7 und 28).72 Der primäre Endpunkt der Stu- der aktuellen Datenlage davon auszugehen, dass ein die war die Immunogenität, die durch den Nach- GIII-basierter Impfstoff wie IXIARO eine gute kurz- weis von JEV-spezifischen Antikörpern im PRNT zeitige Kreuzprotektivität zwischen den Geno- nachgewiesen wurde. Die Serokonversionsrate (SCR) typen induziert.98-100 Daten zur Langzeitprotektion zum Tag 56 lag nach der Applikation von IXIARO bei sind noch ausstehend, bislang gibt es nur eine einzige 98 % und bei der Vergleichsvakzine bei 95 % (95 % (bereits erwähnte) Studie, die die Kreuzprotektivität Konfidenzintervall (KI) des Unterschiedes: bis 2 Jahre nach Grundimmunisierung untersucht.69 -1,33 – 3,43). Der geometrische Mittelwert (GMT) der Antikörperkonzentrationen für JEV-Antikörper un- Es ist vorstellbar, dass eine Kreuzreaktivität zwi- ter Probanden, die IXIARO verabreicht bekamen, schen einzelnen Genotypen für einen vollständigen
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 14 lag im Neutralisationstest signifikant höher als bei in Mäusehirn gezüchtetem Impfstoff gegen JEV er- Probanden mit JE-VAX (244 vs. 102).72 halten hatten und 59 seronaiv waren.91 In der Gruppe der bereits früher gegen JEV geimpften Probanden In einer früheren randomisierten, open-label Phase-2- zeigte sich sowohl an Tag 28 (nach der ersten Dosis) Dosisfindungs-Studie 85 waren bei 68 Probanden mit als auch an Tag 56 (nach der zweiten Dosis) eine verschiedenen Dosierungen folgende Serokonversi- Serokonversion zu 100 %. Im Vergleich dazu wiesen onsraten 4 Wochen nach der Gabe von 2 Impfstoff- 46 % (27/59) der seronaiven Probanden nach der dosen IXIARO nachgewiesen worden: 2 Dosen mit ersten Dosis eine schützende Antikörperkonzentra- jeweils 6 µg im Vergleich zu 2 Dosen mit jeweils 12 tion auf, nach der zweiten Dosis waren es 93 % µg führten nach 56 Tagen bei 95 % bzw. 100 % der (53/57). Hier konnte auch gezeigt werden, dass eine Probanden zur Serokonversion, nach 365 Tagen wa- Auffrischimpfung mit dem Verozell-Impfstoff bei ren in beiden Vergleichsgruppen in 100 % JEV-spezi- vorheriger Impfung mit einem anderen Impfstoff ge- fische neutralisierende Antikörper nachweisbar.85 gen JEV hohe Serokonversionsraten zur Folge hat.91 Eine weitere randomisierte, kontrollierte Phase-3- In einer finnischen Studie mit 4 Armen wurden in Studie hatte untersucht, ob eine Einzeldosis mit einem Arm 31 seronaiven Erwachsenen 2 Dosen doppelter Antigenmenge (12 µg) einen ähnlichen Ef- IXIARO verabreicht. Die Bestimmung der Antikör- fekt hat wie das Standard-Regime mit 2 Impfstoff- perkonzentration 4 – 8 Wochen nach der zweiten dosen von jeweils 6 µg.87 Die hochdosierte Einzelap- Dosis ergab für den JEV-Stamm SA14-14-2 eine Sero- plikation führte innerhalb von 28 Tagen bei 66 % konversion bei 97 % (30/31) und für den Nakaya- der Probanden (n = 114) zu einer Serokonversion im ma-Stamm bei 95 % (29/31).68 Vergleich zu 40 % nach der 6 µg-Applikation vor der zweiten Dosis (n = 113). Nach der Verabreichung der In zwei Studien wurde die Immunogenität von zweiten Dosis im Standard-Regime am Tag 28 wie- IXIARO bei Co-Administration mit Hepatitis-A-Vak- sen 97 % (95 % KI: 94,4 – 100,0) der Probanden am zine (Havrix 1440) bzw. mit einer Tollwutvakzine Tag 35 nach Beginn der Immunisierung eine Sero- (Rabipur) untersucht.75,76 Aus diesen Studien wer- konversion auf, während in der Gruppe mit einer den hier ausschließlich die Daten derjenigen Arme hochdosierten Einzelimpfung diese signifikant berichtet, in denen IXIARO alleine verabreicht wurde. niedriger bei 59 % (95 % KI: 49,7 – 67,8 %) lag.87 In der Studie mit Co-Administration mit Hepatitis A 75 lag die Serokonversionsraten für IXIARO alleine In einer vom Militär durchgeführten Studie war 103 bei 98,2 % (57/58), in der Studie mit Co-Administ- US-Marine-Soldaten IXIARO verabreicht worden, ration mit Tollwutimpfstoff die Rate für wobei 44 Soldaten bereits vorherige Impfungen mit IXIARO alleine bei 100 % (56/56).76 Studie Probanden § (n) Serokonversionsrate (%) GMT (Bestimmung 28 Tage nach 2. Impfung) Tauber et al., 2007 72 361 352 (98 %) 244 (Spanne 5 – 19.783) Lyons et al., 2007 85 22 21 (95 %) 327 (95 % KI: 253.3 – 422.8) Schuller et al., 2009 87 113 110 (97,3 %) 218 (95 % KI: 179.81 – 264.41) Woolpert et al., 2012 91 57 57 (93 %) 79 (95 % KI: 54 – 114) Erra et al., 2012 68 31 29 (94 % Nakayama), 120 Nakayama, 30 (97 % SA14-14-2) 499 SA14-14-2* (beide 4 – 8 Wochen nach letzter Impfung gemessen) Kaltenböck et al., 2009 75 58 57 (98,2 %) 192 (95 % KI: 147.9 – 249.8) Jelinek et al., 2015 76 49 49 (100 %) > 300 (Daten nur in Abbildung) Tab. 2 | Immunogenität von IXIARO (2 x 6 µg an d 0, 28) bei Erwachsenen aus Nicht-Endemiegebieten ohne Co-Administration anderer Impfstoffe §verwendet wurden die ‚per protocol populations‘; GMT = Geometric Mean Titre; KI = Konfidenzintervall; *Weder Spanne noch KI angegeben
Epidemiologisches Bulletin 18 | 2020 30. April 2020 15 Falls bei einer Basisimmunisierung die zweite Do- Impfung gegen FSME SCR wie bei Kindern oder sis vergessen wurde, konnte in einer Studie gezeigt jüngeren Erwachsenen erreicht.82 Ohne vorherige werden, dass auch bei Gabe der zweiten Dosis 23 positive Impfanamnese gegen FSME ist die SCR der Monate nach der ersten Dosis eine fast 100 %-ige älteren Generation nach JE-Impfung vergleichbar SCR erreicht werden kann.77 mit derjenigen nach Impfungen gegen Hepatitis A (Hep A), Hepatitis B (Hep B) oder Influenza. 7.2.2.1.2. Immunogenität bei Kindern Zur Immunogenität bei Kindern aus einem 7.2.2.1.4. Immunogenität bei Co-Administration mit Nicht-Endemiegebiet wurde in der systematischen anderen Impfstoffen Literatursuche nur eine Studie gefunden:84 In dieser In drei Studien wurde die gleichzeitige Anwendung einarmigen Studie wurde bei Probanden von 2 Mo- von IC51 mit MenACWY-Konjugatimpfstoff, Toll- naten – 18 Jahren die Immunogenität zu den beiden wutimpfstoff und Impfstoff gegen Hep A oder einer Zeitpunkten 2 Wochen und 7 Monate nach Ab- Kombination davon untersucht.74-76 In einer Studie schluss der Grundimmunisierung mit 2 Dosen nach gleichzeitiger Anwendung von Tollwutimpf- IXIARO untersucht. Bei Kindern > 2 Monaten bis 3 stoff mit oder ohne quadrivalenten Meningitisimpf- Jahren wurden im Abstand von 28 d jeweils 0,25 ml stoff betrug die SCR für JEV 99 % bei gleichzeitiger (3 µg), ab 3 Jahren je 0,5 ml (6 µg) pro Dosis verab- Tollwut- und 98 % bei gleichzeitiger Tollwut- und reicht. Die Daten zur Immunogenität zeigten 2 Wo- quadrivalenter Meningitis-Impfung.74 Die Studie, chen nach Grundimmunisierung bei allen 62 Pro- die nicht nur die gleichzeitige Verabreichung von banden (100 %) eine ausreichende Anzahl protekti- IC51 und Tollwutimpfstoff untersuchte, sondern ver Antikörper (PRNT50 Antikörperkonzentration auch das klassische mit dem fortgeschrittenen ≥ 10); nach 7 Monaten bestand diese noch bei 31/34 Impfschema beider Impfstoffe verglich, ergab, dass Probanden (91,2 %). 28 Tage nach der zweiten Impfdosis für JEV 99 % der Standardschemagruppe und 100 % der Gruppe Im Vergleich dazu zeigten Studien aus Verbrei- mit dem beschleunigten Schema PRNT-Antikörper- tungsgebieten, dass bei fast allen Kindern 28 Tage konzentrationen ≥ 10 erreichten.76 Die Studie mit nach Abschluss der Grundimmunisierung mit 2 Co-Administration von IC51 und Hep-A-Impfstoff Dosen eine ausreichende Seroprotektion erreicht ergab eine SCR von 100 % für die Gruppe mit Imp- werden konnte (in 2 Studien SCR > 95 %)70, 94. fung gegen Hep A und IC51 und 98 % für die Gruppe mit IC51 und Placebo.75 7.2.2.1.3. Immunogenität bei Älteren Zur Immunogenität bei Älteren gibt es nur eine 7.2.2.1.5. Einfluss von Antikörpern gegen andere Studie in einer Bevölkerungsgruppe eines Nicht-En- Flaviviren auf die Immunogenität demiegebietes von 2016.82 In dieser multizentri- In 6 Publikationen, die auf 5 Studien basierten, wur- schen einarmigen Studie erhielten 200 Probanden de der Einfluss einer vorherigen Impfung gegen im Alter von 64 – 83 Jahren 2 Dosen IXIARO im Ab- TBEV auf die Immunantwort bei JEV-Impfung un- stand von 28 Tagen. Die 42 Tage nach der zweiten tersucht.69,71,73,80,82,89 Eine multizentrische Phase-4- Dosis gemessene Serokonversionsrate (SCR) betrug Studie 82 fand bei Probanden > 65 Jahren eine Sero- 65 %, der GMT lag bei 37 (95 % KI: 29,2 – 47,8). In konversionsrate von 61 % (n = 168) ohne vorherige dieser Studie wurde eine Subgruppe von 29 Proban- TBEV-Impfung und von 90 % (n = 29) bei vorheriger den analysiert, die in den 5 Jahren vor der JEV-Imp- TBEV-Impfung (wie bereits unter 7.2.2.1.3. berichtet). fung eine Vakzination gegen TBEV erhalten hatten (FSME immun oder Encepur als Impfung gegen In einer Phase-3-Studie wurde die SCR bei Proban- FSME). Das FSME-Virus gehört wie das JE-Virus den mit vorbestehenden, Impfstoff-induzierten An- ebenfalls zur Familie der Flaviviridae, und anti-FSME tikörpern gegen TBEV nach Gabe der ersten und Antikörper können potenziell die Immunantwort der zweiten Dosis IXIARO getrennt untersucht.73 eines JEV-Impfstoffes beeinflussen. Die Serokon- Eingeschlossen wurden 81 Probanden mit und 339 versionsrate der FSME-vorgeimpften Subgruppe lag Probanden ohne vorbestehende anti-TBEV Antikör- bei 90 %. Somit werden nach vorangegangener per im Serum. Nach Verabreichung der ersten Dosis
Sie können auch lesen