Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW

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Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
Erziehung & Wissenschaft        12/2021
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

                   LEITUNG
                   BRAUCHT
Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
2 GASTKOMMENTAR

      STEPHAN                                                                                                         NADINE

                                                                Foto: privat

                                                                                                       Foto: privat
GERHARD HUBER                                                                                                         SCHNEIDER

              Kernkompetenzen guter Führung
               In der Corona-Krise standen Schulleiterinnen und Schulleiter     und Einbeziehen etablierter Team- und Kooperationsstruktu-
               vor sehr großen Herausforderungen. Von einem Tag auf den         ren und -prozesse auf allen Ebenen angezeigt. Dazu bedarf es
               anderen mussten neue Wege beschritten werden, für viele          neben schulinterner Zusammenarbeit zudem einer intensiven
               war die Ungewissheit die einzige Konstante, auf die Verlass      Kooperation zwischen Regierungsebene und Schulamtsebe-
               war. In dieser Zeit hat sich gute Führung insbesondere da­rin    ne, um für Schulleitungen, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und
               gezeigt, wie Schulleiterinnen und Schulleiter in den Hand-       Schüler bei konkreten Bedarfen erreichbar zu sein, und einer
               lungsfeldern Kommunikation, Kooperation und Strategiear-         differenzierten, übergeordneten Strategie, wer wann welche
               beit agiert haben.                                               Aufgaben übernimmt.
               Die pandemische Krise hatte auf schulorganisatorischer und       Führungskräfte gestalten mit und für ihre Kollegen und Kol-
               (schul)administrativer Ebene starke Auswirkungen – so wurde      leginnen Bildungsräume zum Wohl der Kinder und Jugend-
               Kommunikation zu einer bedeutenden systemischen Aufgabe          lichen sowie zur Unterstützung der Eltern. In Zeiten einer
               während der Pandemie: Kommunikation reduziert Unsicher-          Krise werden bereits bestehende Herausforderungen ver-
               heit und schafft Transparenz, insbesondere dort, wo Adressa­     stärkt – und es kommen ganz neue hinzu. Gleichzeitig sind
               ten aktiv mit einbezogen werden, wenn zum Beispiel die           die zur Verfügung stehenden Ressourcen stark reduziert.
               Personaleinsatzplanung in Absprache mit den Lehrkräften er-      Insbesondere diejenigen Schulleitungen haben die Krise
               folgt. Kommunikation ist immer zu kontextualisieren. Je nach     relativ gut bewältigt, die von Beginn an Strategiearbeit ge-
               Ziel und Zielgruppe ist zu überlegen, wer, in welcher Form, in   leistet und die bisher geltenden schulischen Zielsetzungen
               welchem Umfang und wann kommuniziert. Das heißt, Kom-            und deren Machbarkeit vor dem Hintergrund der neuen
               munikationsinhalte, Botschaften sind stringent und eindeutig,    Gegebenheiten aktiv und im besten Fall kollegial reflektiert
               sachlich und adressatengerecht aufzubereiten. So berichtet       und schließlich zügig korrigiert haben: Was schaffen wir mit
               im Rahmen unserer Interviewstudie (Huber et al. 2020b) eine      den vorhandenen Mitteln? Was ist das Wichtigste? Wo set-
               Schulleitung etwa, dass sie während der Pandemie und der         zen wir Prioritäten? Was ist Pflicht, was Kür? Wie können wir
               Schulschließungen in einem wöchentlichen Newsletter an ihr       die Pflichtaufgaben effektiv (und effizient) umsetzen? Aber
               Kollegium Hintergrundinfos und die behördlichen Infos zu-        auch: Wo liegen Chancen für Veränderung? Was bringt uns
               sammengefasst und diesen immer mittwochs den Lehrkräf-           voran? Dabei umfasst strategisches Handeln gemäß der BIO-
               ten zugestellt hat, also regelmäßig und dosiert.                 Strategie (Huber 2020b) die drei Perspektiven Bewahren,
               Von Kooperation in und zwischen Schulen sowie mit anderen        Innovieren und Optimieren und ist unabhängig von einer
               Partnern werden immer wieder positive Wirkungen ange-            Krise die zentrale Führungsaufgabe.
               nommen (vgl. u. a. Huber 2020a). Insbesondere die Zusam-
               menarbeit der Lehrkräfte soll der Entwicklung der Qualität       Prof. Stephan Gerhard Huber,
               von Schulen und Unterricht dienen und somit zu besseren          Leiter des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie (IBB)
               Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler beitragen.          an der Pädagogischen Hochschule Zug, Schweiz
               Doch effektive und effiziente Kooperationen zu initiieren und    Nadine Schneider,
               am Laufen zu halten, ist mitunter eine mühsame Dauerauf-         wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe „Bildungsmanage-
               gabe. Dennoch ist gerade in der Krise das Aufrechterhalten       ment“ der Erfurt School of Education (ESE) an der Universität Erfurt

  Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
INHALT   3

                                                                   Prämie
Inhalt                                                           des Monat
                                                                           s
                                                                       Seite 5
                                                                                              IMPRESSUM
                                                                                              Erziehung und Wissenschaft
                                                                                              Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 73. Jg.

                                                                                              Herausgeberin:
                                                                                              Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                              im Deutschen Gewerkschaftsbund
                                                                                              Vorsitzende: Maike Finnern
                                                                                              Redaktionsleiter: Ulf Rödde
Gastkommentar                                                                                 Redaktion: Jürgen Amendt
                                                                                              Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
Kernkompetenzen guter Führung                                                     Seite 2    Postanschrift der Redaktion:
                                                                                              Reifenberger Straße 21
Impressum                                                                         Seite 3    60489 Frankfurt am Main
                                                                                              Telefon 069 78973-0
                                                                                              Fax 069 78973-202
Auf einen Blick                                                                   Seite 4    katja.wenzel@gew.de
                                                                                              www.gew.de
                                                                                              facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
Prämie des Monats                                                                 Seite 5    twitter.com/gew_bund

                                                                                              Redaktionsschluss ist in der Regel
Schwerpunkt: Leitung in Bildungseinrichtungen                                                 der 7. eines jeden Monats.
1.   Die vielfältigen Aufgaben einer Schulleitung: „Gezittert wie ein Anfänger“   Seite 6    Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
                                                                                              Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
2.   Zusatzqualifizierungen für angehende Schulrektoren: Leiten im Team           Seite 10   ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
3.   Arbeitsbelastung: „Schulleitungen sind Troubleshooter“                       Seite 12    und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
                                                                                               ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
4.   Aufgaben einer Kita-Leitung: „Aus- und Weiterbildung ist das A und O“        Seite 14
5.   Tipps für gutes Leiten von Kita und Schule: „Der Blick von außen hilft“      Seite 16   Die E&W finden Sie als PDF auf der GEW-Website unter:
6.   Das „Gute-Kita-Gesetz“ und die Führungsrolle: Leitung braucht Zeit           Seite 18   www.gew.de/eundw.
                                                                                              Hier wird die E&W auch archiviert.
7.   Hochschulrat und Hochschulgremien: Zwischen Partizipation und Folklore       Seite 20
8.   Gute Leitung in der Erwachsenenbildung: „Politisches Denken mitbringen“      Seite 22   Gestaltung:
                                                                                              Werbeagentur Zimmermann GmbH
                                                                                              Kurhessenstraße 14
Frauen                                                                                        60431 Frankfurt am Main
GEW-Fachtagung: „Frauen gehen in Führung“                                         Seite 24   Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
                                                                                              beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
Bildungspolitik                                                                               Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
                                                                                              Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
Bildungspolitisches Forum: Mit MINT zu mehr Klimaschutz                           Seite 25   Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
                                                                                              Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
Gesellschaftspolitik                                                                          Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
                                                                                              jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
1. Vierte Corona-Welle: Jetzt sind die Länder gefordert!                          Seite 26   verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
2. Finanzwissenschaftler Birger Scholz: Die Schuldenbremse muss weg!              Seite 28   plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
                                                                                              dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
3. 50. Jahrestag Radikalenerlass: „Lebenslange Abstrafung“                        Seite 30   stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
                                                                                              der Herausgeberin dar.
Berufliche Bildung und Weiterbildung                                                          Verlag mit Anzeigenabteilung:
DGB-Studie zur Berufsausbildung in der Corona-Pandemie: Zwiespältiges Fazit       Seite 32   Stamm Verlag GmbH
                                                                                              Goldammerweg 16
                                                                                              45134 Essen
Hochschule und Forschung                                                                      Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
#IchBinHanna-Tagung: „Wer zahlt, schafft an“                                      Seite 34   Telefon 0201 84300-0
                                                                                              Fax 0201 472590
                                                                                              anzeigen@stamm.de
Medien                                                                                        www.erziehungundwissenschaft.de
Graphic Recording: Simultandolmetschen mit Papier und Stift                       Seite 36   gültige Anzeigenpreisliste Nr. 41
                                                                                              vom 01.01.2019,
                                                                                              Anzeigenschluss
Schule                                                                                        ca. am 5. des Vormonats
Fortbildung übt Handlungswege bei sexuellem Missbrauch: Was ist los mit Jaron?    Seite 38   Nutzungsrechte für digitale Pressespiegel erhalten Sie
                                                                                              über die PMG Presse-Monitor GmbH unter
Internationales                                                                               www.presse-monitor.de
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Belarus: Zu Staatsfeinden erklärt       Seite 40   Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main

fair childhood – Bildung statt Kinderarbeit
Ist auf Fairtrade-Siegel bei Discountern Verlass? – Treiber und Bremser           Seite 42

GEW-Intern                                                                                    ISSN 0342-0671
1. Nachruf auf Prof. Rolf Dobischat: Ein Kämpfer für Chancengleichheit            Seite 44                                                             e
2. Finanzieller Ausgleich im Streikfall: Mehr Geld für die Streikkasse            Seite 44
                                                                                              Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
                                                                                              gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.
                                                                                                                                                     emi
                                                                                                                                                    d
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Mitgliederforum                                                                   Seite 45                                                    -      n
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Titel: Werbeagentur Zimmermann
                                                                                                                       I
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Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
4 AUF EINEN BLICK

                BAföG-Empfänger brauchen Hilfe                                                                  Geringer Frauenanteil
                Wegen der gestiege­                                                                             Nur rund jede vierte Professorenstelle an deutschen Hoch-
                nen Energiepreise                                                                               schulen ist mit einer Frau besetzt. Wie das Statistische Bun-
                fordert das Deutsche                                                                            desamt in Wiesbaden Mitte November mitteilte, lag der An-
                Studentenwerk einen                                                                             teil der Professorinnen im vergangenen Jahr wie 2019 bei
                einmaligen Heizkos-                                                                             26 Prozent. Vor zehn Jahren hatte der Frauenanteil an den

                                                                                   Foto: IMAGO/Christian Ohde
                tenzuschuss für Stu-                                                                            ­Professorenstellen sogar nur bei 19 Prozent gelegen.
                dierende mit wenig                                                                               Dabei seien Frauen zu Beginn der akademischen Laufbahn
                Einkommen sowie für                                                                              noch überproportional vertreten, hieß es weiter. Den Anga-
                BAföG-Empfängerin-                                                                               ben zufolge waren im Wintersemester 2020/2021 über die
                nen und -Empfänger.                                                                              Hälfte (52 Prozent) der Studienanfängerinnen und -anfänger
                „Diesen Studierenden Studierende mit geringen Einkom-                                           Frauen. „In den höheren Stadien der akademischen Lauf-
                muss unter die Arme men und BAföG-Empfänger sind von                                            bahn sind Frauen zunehmend unterrepräsentiert“, erklärten
                gegriffen werden, da- steigenden Energiekosten besonders                                        die Statistiker. So lag ihr Anteil bei abgeschlossenen Promo-
                mit sie ihre Energie­ betroffen. Für sie fordert das Deut-                                      tionen 2020 bei 45 Prozent, bei den abgeschlossenen Habili-
                rechnungen bezah- sche Studentenwerk einen Heizkos-                                             tationen waren es 35 Prozent.
                len können“, erklärte tenzuschuss.
                Generalsekretär Mat-
                thias ­Anbuhl Anfang                                                                            Buchgutschein-Aktion
                November in einer Pressemitteilung. Anbuhl verwies auf                                           Am 23. April 2022 ist Welttag des Buches. Zu diesem Anlass
                eine Regelung von vor 20 Jahren. Damals hatte die rot-grü-                                       startet die Stiftung Lesen gemeinsam mit den Kultusminis-
                ne Bundesregierung zur sozialen Abfederung hoher Öl- und                                         terien aller Bundesländer, dem Börsenverein des Deutschen
                Spritpreise Entlastungen für Pendler und auch einen Heizkos-                                     Buchhandels, dem cbj-Verlag, der Deutschen Post AG und
                tenzuschuss für einkommensschwache Haushalte und BAföG-                                         dem ZDF die Buchgutschein-Aktion „Ich schenk dir eine Ge-
                Empfänger beschlossen. Maximal 100 Mark gab es für die                                          schichte“. Gegen Vorlage eines Gutscheins erhalten Schüle-
                Studierenden damals. „Heute müsste der Zuschuss sicher das                                      rinnen und Schüler der 4. und 5. Klassen im Buchhandel ein
                Doppelte betragen, aber ansonsten könnte man das Verfah-                                        Exemplar des neuen Welttagbuches „Iva, Samo und der ge-
                ren 1:1 wieder anwenden“, so Anbuhl.                                                            heime Hexensee“ von Kinderbuchautorin Bettina Obrecht
                                                                                                                und Illustrator Timo Grubing. Es handele sich dabei um einen
                                                                                                                ­Comicroman, der eigens zu diesem Anlass verfasst wird, wie
                Kreisau in 14 Filmen                                                                             die Stiftung mitteilte. Die Lehrkräfte aller teilnehmenden
                Das Dorf Kreisau (polnisch Krzyżowa) ist vor allem als Na-                                       Klassen erhalten zusätzlich methodisch-didaktisches Begleit-
                mensgeber für die Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“                                            material zum Welttagsroman. Ziel ist es, Schülerinnen und
                bekannt. In den 1940er-Jahren hatten sich in dem Ort anti-                                       Schülern rund um den Welttag des Buches Lesefreude zu
                faschistisch gesinnte Persönlichkeiten aus dem Adel, dem                                         schenken, um deren Lesekompetenz zu steigern. Die Bestel-
                Bürgertum, der Arbeiterbewegung sowie des Katholizis-                                            lung der Buchgutscheine ist noch bis zum 31. Januar 2022 unter­
                mus und Protestantismus getroffen. Der Ort in der polni-                                         www.welttag-des-buches.de möglich.
                schen Wojewodschaft Niederschlesien beherbergt heute
                eine der größten internationalen Jugendbegegnungsstät-
                ten Europas, in der sich unter anderem Schulklassen aus                                           Dritte Tarifverhandlungsrunde Länder
                Deutschland und Polen treffen. Hier befindet sich auch das                                        Gewerkschaften und Vertreter der Tarifgemeinschaft deut-
                bekannte Berghaus, in dem der „Kreisauer Kreis“ seinen                                            scher Länder (TdL) haben sich am 28. und 29. November
                Widerstand gegen das deutsche Naziregime organisierte.                                            in Potsdam zur dritten Tarifverhandlungsrunde für die Be-
                Hier fand aber auch 1989 die Versöhnungsmesse zwischen                                            schäftigten des öffentlichen Diensts der Länder getroffen.
                Polen und Deutschland statt.                                                                      Die Verhandlungen fanden nach Drucklegung dieser E&W
                Die vielseitige Geschichte des Ortes hat allerdings keinen fes-                                   statt. Wir berichten in der Januar-Ausgabe der E&W. Alle
                ten Platz im Allgemeinwissen in Deutschland. Dies soll ein Vi-                                    aktuellen Infos zur Tarifrunde finden Sie auf der GEW-Web-
                deoguide ändern, der sowohl die Geschichte Kreisaus als auch                                      site unter: ­www.gew.de/dasgewinnenwir. Nach der ergeb-
                die der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung erzählt.                                   nislosen zweiten Verhandlungsrunde Anfang November
                Der Videoguide setzt sich aus 14 kurzen Filmen zusammen.                                          kritisierte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern die Blocka-
                Jeder Streifen stellt ein wichtiges Ereignis, einen spannenden                                    dehaltung der Arbeitgeber, die kein Angebot vorgelegt hat-
                Ort oder auch die Tätigkeit der Stiftung Kreisau vor. Jeder Film                                  ten. In der Corona-Pandemie hätten auch die Lehrkräfte,
                des Videoguides wurde in zwei Sprachversionen gedreht:                                            Lehrenden an Hochschulen, Erzieherinnen und Erzieher so-
                auf Deutsch und auf Polnisch mit englischen Untertiteln.                                          wie sozialpäda­gogische Fachkräfte das Land am Laufen ge-
                Die Filme sind kostenlos auf www.history.krzyzowa.org.pl                                          halten, so Finnern. „Die Beschäftigten erwarten Lösungen,
                sowie auf www.youtube.com/user/fundacjakrzyzowa zu                                                sie erwarten zu Recht eine ordentliche Gehaltssteigerung.“
                sehen.

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                                                      den Heinrich-Rodenstein-Fonds für verfolgte Gewerkschafter*innen

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         www.gew.de/praemienwerbung                                                                                                                            *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder
                                                                                                                                                                 des GEW-Landesverbandes Niedersachsen.

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Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
6 LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

              „Gezittert wie ein Anfänger“
                                                                                                                              // Schulleitungen sind für vieles
                                                                                                                              verantwortlich; sie müssen bei-
                                                                                                                              spielsweise das Budget verwal-
                                                                                                                              ten, den Ganztag organisieren,
                                                                                                                              die Schulentwicklung voran-
                                                                                                                              treiben oder auch die Inklusion
                                                                                                                              stemmen. Wie meistert man
                                                                                                                              diese Verantwortung, und wie
                                                                                                                              bereitet man sich darauf vor? //

                                                                                                                              Als Ronald Rahmig Schulleiter wurde,
                                                                                                                              fühlte er sich eigentlich gut vorbereitet.
                                                                                                                              Er hatte zuvor bereits als Abteilungslei-
                                                                                                                              ter einer beruflichen Schule erste Lei-
                                                                                                                              tungserfahrung gesammelt, der dortige
                                                                                                                              Schulleiter zeigte ihm immer wieder,
                                                                                                                              worauf es bei der Führung eines Schul-
                                                                                                                              betriebs ankommt: Wie binde ich die
                                                                                                                              Kolleginnen und Kollegen ein, wie or-
                                                                                                                              ganisiere ich die Personalentwicklung,
                                                                                                                              wie funktioniert das Zusammenspiel
                                                                                                                              mit Handwerks- und Handelskammer,
                                                                                                                              mit Bezirk und Verwaltung, wo liegen
                                                                                                                              die Fallstricke in der Zusammenarbeit
                                                                                                                              mit der Schulaufsicht? „Es war gut und
                                                                                                                              wichtig, langsam in die Leitungsrolle
                                                                                                                              hineinzuwachsen“, sagt Rahmig rück-
                                                                                                                              blickend. 2010 übernahm er die Leitung
                                                                                                                              des Oberstufenzentrums Kraftfahrzeug­
                                                                                                                              technik in Berlin, eine Schule mit 2.000
                                                                                                                              Schülerinnen und Schülern, die mit
                                                                                                                              400 Betrieben zusammenarbeitet, und
                                                                                                                              merkte doch im Alltag schnell: „Es gibt
                                                                                                                              vieles, was ich vorher nicht wusste.“
                                                                                                                              Mit dem Ausmaß der Bürokratie bei
                                                                                                                              Einstellungen oder der Finanzverwal-
                                                                                                                              tung einer Schule etwa, einigem, das
                                                                                                                              fortan seinen Alltag erschwerte, hätte
                                                                                                                              er nie gerechnet. Rahmig: „Schulleitun-
                                                                                                                              gen brauchen mehr Fortbildungen und
                                                                                                                              begleitendes Coaching, um für solche
                                                                                                                              Aufgaben gewappnet zu sein.“

                                                                                                                              Fortbildung Pflicht
                                                                                                                              Heute ist Rahmig ein alter Hase an der
                                                                                                     Foto: Kay Herschelmann

                                                                                                                              Spitze der Berufsschule und setzt sich im
                                                                                                                              Vorstand der Vereinigung der Berliner
                                                                                                                              Schulleiterinnen und Schulleiter (VBS)
                                                                                                                              für eine gute Vorbereitung und bessere
               Ronald Rahmig hält strukturelle Veränderungen für wichtig, damit Schulleiterinnen                              Arbeitsbedingungen für Schulleitungen
               und Schulleiter ihre Aufgabe besser bewältigen können: „Lehre und Leitung beißen                               ein. Denn die Belastungen haben in den
               sich, Unterricht verlangt Regelmäßigkeit, Schulleitung Flexibilität – nur so können                            vergangenen Jahren noch einmal zu­
               wir die Vielfalt der Aufgaben und Termine wahrnehmen.“                                                         genommen. Schulleitungen sind neuer-

  Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                        7

dings auch zuständig für Budgets und        J­ ankofsky: „Gerade hier besteht großer      meine Fortbildung entwickelt, sondern
Haushaltsführung, müssen Inklusion           Bedarf, weil die klassischen Führungs-       als konkrete Vorbereitung auf eine Lei-
stemmen, Ganztagsschule organisie-           kompetenzen immer seltener tragen.“          tungsaufgabe.“ Das große Interesse an
ren, Schulentwicklung vorantreiben. Sie      Denn hinter ihnen stand die Vorstellung      dem Angebot sieht er als positive Bot-
sind stets eingeklemmt zwischen den          eines stabilen Systems, das es zu dirigie-   schaft: „Eine Schule zu leiten, ist trotz
Erwartungen der Schulaufsicht und des        ren gelte, der Tanker Schule, den man        komplexer Aufgaben offenbar durchaus
Bezirks sowie denen des Kollegiums           sorgfältig geplant durch den Alltag steu-    noch ziemlich attraktiv. Wir haben sehr
und der Eltern und „im Zweifelsfall am       ert. „Heute aber sind Veränderungsfähig-     aufgeschlossene, motivierte Teilneh-
Schluss an allem schuld“, sagt Rahmig.       keit und viel Selbstreflexion gefragt.“ Um   merinnen und Teilnehmer aus allen
„Wer will sich schon so einen Stress an-     eine Schule wie ein Schnellboot flink und    Schulformen.“
tun?“ Die Folge: In vielen Bundeslän-        flexibel durch die sich rasant wandelnden    Neben der Fortbildung setzt der Berli-
dern bleiben Leitungsposten unbesetzt.       Zeitläufe manövrieren zu können.             ner Senat seit einigen Jahren auf zwei-
Allein Berlin muss in den kommenden                                                       tägige Assessments, eine Art freiwil-
drei Jahren für jede zweite Schule eine     Lange Wartezeiten                             lige Potenzialanalyse für angehende
neue Leitung finden, das macht 400 im       „Die Fortbildungen sind ein absolut           Schulleitungen. Doch der Status des
gesamten Land.                              sinnvolles Angebot“, findet Thomas            Angebots sei unklar, so Personalrat Ro-
Schon 2013 hat die Hauptstadt eine          Rosenbaum, Gesamtpersonalrat der              senbaum. „Ein offizielles Rekrutierungs-
Fortbildung entwickelt. Im Gegensatz        allgemeinbildenden Schulen in Berlin.         instrument ist es nicht, für die Entschei-
zu Angeboten in den meisten anderen         Allerdings: „Die Wartezeiten sind viel        dung der Bewerberauswahl soll es laut
Bundesländern ist diese nicht freiwil-      zu lang.“ Laut Verwaltungsvorschrift          Senat keine Rolle spielen. Erst wurde es
lig, sondern Pflicht für Kandidatinnen      müssten Schulleitungsanwärterinnen            nur einzelnen Kandidatinnen und Kan-
und Kandidaten. Das Qualifizierungs-        und -anwärter zwar vor der Bewerbung          didaten angeboten, jetzt gibt es Aus-
programm „Vor dem Amt“ umfasst 120          um einen Leitungsposten die Qualifi-          hänge an den Schulen.“ Ein „Kasperle­
Stunden und wird vom Landesinstitut         zierung abgeschlossen haben. Doch             theater“ findet das Rosenbaum, dabei
für Schule und Medien Berlin-Branden-       da es wenig Plätze gibt, sei das kaum         wäre es aus seiner Sicht durchaus sinn-
burg (LISUM) und einer Reihe anderer,       realistisch. „Wir kennen Interessierte,       voll, strukturierte Fortbildung und Po-
anerkannter Weiterbildungsinstitute         die bis zu zwei Jahre warten mussten.“        tenzialanalyse zu verbinden, im Idealfall
angeboten. Im 60-stündigen Basismo-         Aus pragmatischen Gründen nimmt die           ergänzt um Coaching und Supervision.
dul geht es um Grundlagen der Kom-          Senatsverwaltung mittlerweile auch            Nach Auskunft der Senatsverwaltung
munikation und Feedback, Leadership-        Bewerbungen an, in denen die Lehr-            entwickelt die Fachgruppe Fortbildung
Stile und Rollenbewusstsein, Umgang         kräfte erst einen Teil der Qualifizierung     derzeit neue Formate dazu.                   >>>
mit Belastungen, Konfliktmoderation         vorweisen können. Den verbleibenden
und Qualitätsentwicklung. In weiteren       Teil müssen die künftigen Schulleitun-
60 Stunden werden die Kenntnisse ver-       gen dann vor Amtsantritt machen – so-           Große Gehaltsunterschiede
tieft – vom gelungenen Delegieren über      fern sie einen Platz bekommen. Eine             Die Bereitschaft, Führungsverant-
Teamkultur bis zur Reflexion des eige-      Anfrage des Personalrats beim Senat             wortung zu übernehmen, und die
nen Leitungsverständnisses.                 ergab: „Wer in Stellenbesetzungsver-            höhere Arbeitsbelastung (s. Sei-
„Uns ist die Aktivierung der Teilnehmen-    fahren gute Aussichten hat, kann in             te 12 f.) schlagen sich für Schullei-
den dabei wichtiger als die Theorie“, er-   der Warteliste vorgezogen werden“, so           tungen nicht gleich in einem deut-
läutert Bernd Jankofsky, Abteilungsleiter   Rosenbaum.                                      lich höheren Gehalt nieder. So bringt
Schul- und Personalentwicklung beim         Das LISUM hat Konsequenzen gezogen.             eine ­Konrektorenstelle an Grund-
LISUM. Nach kurzen Inputs werden pra-       Ab Frühjahr 2022 soll das Kursangebot           oder Hauptschulen oft nur eine
xisnahe Aufgaben in Kleingruppen oder       zwei, drei Jahre lang auf je 300 Plätze         Amtszulage von 100 bis 200 Euro
Rollenspielen bearbeitet und reflektiert.   verdoppelt werden, um den Rückstau              brutto. Leitungen kleinerer Grund-
Ein Dozententandem aus externen Lea-        abzubauen und ausreichend Bewerbe-              schulen hängen oft in Besoldungs-
dership-Profis und leitungserfahrenen       rinnen und Bewerber zu qualifizieren.           gruppe A13 fest, bei Schulen der Se-
Pä­dagogen begleitet die Gruppe. Am         „Dann hätten wir pro zu besetzen-               kundarstufe I ist je nach Schulgröße
Ende soll jede und jeder ein eigenes,       der Stelle mindestens drei potenzielle          bei A14 oder A15 Schluss. An größe-
differenziertes Führungskonzept entwi-      Kandidatinnen oder Kandidaten, eine             ren Gymnasien oder Berufsschulen
ckeln: Was soll meinen Stil prägen, wel-    solide Grundlage.“ Plätze in erheblich          bekommt die Leitung in A16 bis zu
che Struktur will ich dem Miteinander       größerem Umfang bereitzustellen, ist            40 Prozent brutto mehr als die Lehr-
an der Schule geben, welches Verständ-      aus Jankofskys Sicht nicht sinnvoll. „Die       kräfte an der Schule.            jam
nis habe ich von pädagogischer Arbeit?      Qualifizierung wurde nicht als allge-

                                                                                                           Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
8 LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

         >>>   Mehrgleisig zu fahren, viele unter-            institut der niedersächsischen Wirt-                                dass seine Macht zugleich mehr Gren-
               schiedliche Wege der Vorbereitung zu           schaft (BNW), dreimal zwei Tage, ein                                zen hätte als in jedem anderen Ma-
               nutzen – Mirko Truscelli weiß, was das         gebündelter Rundumblick in die Lei-                                 nagementjob: Er kann weder verset-
               bringt. Er ist Schulleiter in Stuhr-Brinkum    tungswelt und ihre spezifischen Auf-                                zen noch andere Aufgaben zuweisen,
               südlich von Bremen in Niedersachsen,           gaben. „Vor allem die Auseinander-                                  schon gar nicht entlassen. Lehrkraft
               und auch dort gibt es eine Fortbildungs-       setzung mit dem Rollenwechsel hat                                   bleibt Lehrkraft. „Danach wusste ich:
               pflicht – allerdings greift diese erst dann,   mir sehr geholfen.“ Wie ist es, in einer                            Ich will das, ich kann das, und was ich
               wenn man die Zusage in der Tasche hat.         Machtposition zu sein, in Gesprächen                                noch nicht kann, werde ich lernen.“
               Trotzdem wurde Truscelli schon vorher          mit dem Personalrat als Schulleiter                                 Dafür bietet die niedersächsische
               aktiv, auf eigene Faust. Sicher, an seiner     plötzlich auf der Arbeitgeberseite zu                               Pflichtfortbildung ein reiches Toolkit:
               Motivation zur Schulleitung hatte er kei-      stehen? Kann er es aushalten, gegen-                                gut 230 Stunden neben dem Job, vom
               nen Zweifel. Er wollte Schule gerechter        über Kolleginnen und Kollegen auch                                  Instrumentenkoffer der Führungskom-
               machen, endlich mehr selbst gestalten          unpopuläre Entscheidungen durchzu-                                  munikation über Schulrecht bis zu Per-
               können. Aber wäre er für den Job an der        setzen, manchmal vielleicht harte per-                              sonalauswahl und Qualitätsentwick-
               Spitze wirklich geeignet?                      sönliche Dienstgespräche mit rechtlich                              lung. Truscelli: „Die Kombination beider
               Truscelli buchte die Fortbildung „Ver-         verbindlichen Weisungen zu führen?                                  Angebote ist optimal.“ Auch wenn er
               walter oder Gestalter“ beim Bildungs-          Damit zurechtkommen zu müssen,                                      vor dem ersten Dienstgespräch, in dem
                                                                                                                                  er einen erwachsenen Menschen zu-
                                                                                                                                  rechtweisen musste, „gezittert hat wie
                                                                                                                                  ein Anfänger“, sagt Truscelli. „Der Ernst-
                                                                                                                                  fall Schule lässt sich eben nur bis zu ei-
                                                                                                                                  nem gewissen Grad üben.“

                                                                                                                                  Mehr Austausch nötig
                                                                                                                                  Sein Berliner Kollege Rahmig hält struk-
                                                                                                                                  turelle Veränderungen für wichtig, da-
                                                                                                                                  mit Schulleiterinnen und Schulleiter
                                                                                                                                  ihre Aufgabe besser bewältigen kön-
                                                                                                                                  nen: Dass etwa Schulleitungen noch
                                                                                                                                  unterrichten müssen, mache den Füh-
                                                                                                                                  rungsalltag schwieriger. „Lehre und
                                                                                                                                  Leitung beißen sich, Unterricht verlangt
                                                                                                                                  Regelmäßigkeit, Schulleitung Flexibili-
                                                                                                                                  tät – nur so können wir die Vielfalt der
                                                                                                                                  Aufgaben und Termine wahrnehmen.“
                                                                                                                                  Zweiter Wunsch: mehr organisierter
                                                                                                                                  Austausch und kollegiales Feedback
                                                                                                                                  zwischen den Schulleitungen. „Auch für
                                                                                                                                  die alten Hasen ist es wichtig, dass die
                                                                                                                                  eigene Perspektive immer wieder kali-
                                                                                                                                  briert wird. Wie machen das die ande-
                                                                                                                                  ren? Bin ich auf dem richtigen Kurs?“
                                                                                                                                  Für Truscelli gehört es inzwischen zum
                                                                                                                                  Alltag, seine Erfahrungen weiterzuge-
                                                                                                                                  ben. Seit 2019 gehört er zum Ausbil-
                                                                                                                                  dungsteam für Schulleiterkurse des nie-
                                                                                                                                  dersächsischen Bildungsministeriums.
                                                                                                                                  „Ich will Lehrkräfte beim Schritt in die
                                                                                                                                  oberste Schuletage unterstützen wie
                                                                                                                                  ein guter Fußballtrainer“, sagt Truscelli.
                                                                                                      Foto: Babette Brandenburg

                                                                                                                                  „Und melde gleichzeitig der Verwaltung
                                                                                                                                  zurück, wenn es Reformbedarf in der
                                                                                                                                  Weiterbildung gibt – weil sich Schule
                                                                                                                                  ständig verändert.“

               Mirko Truscelli hatte an seiner Motivation zum Schulleiter nie gezweifelt. Er wollte                               Anja Dilk,
               Schule gerechter machen, endlich mehr selbst gestalten können.                                                     freie Journalistin

  Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
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 Erziehung und Wissenschaft
Erziehung & Wissenschaft 12/2021 - GEW
10 LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

                Leiten im Team
                 // Obwohl Schulleitung eine                 Für die neue Aufgabe hat sich die Leh-
                 Schlüsselrolle in der Bildungs-             rerin für Mathematik und Informatik
                 landschaft spielt, werden viele             speziell weitergebildet. Sie hat sich
                 Führungskräfte kaum auf ihre                nach der staatlichen Schulleitungsqua-
                 Aufgaben vorbereitet. Oft fehlt             lifizierung, die in Nordrhein-Westfalen
                 es an grundständigen Zusatzqua-             (NRW) obligatorisch ist und Grund-
                 lifizierungen der Lehrkräfte und            kompetenzen für pädagogisches Füh-
                 an Mindeststandards. Doch es                rungswissen vermittelt, auch an der
                 gibt auch positive Beispiele. //            Deutschen Akademie für Pädagogische
                                                             Führungskräfte (DAPF) in Dortmund
                 Simone Holl ist ein echtes Energiebündel.   eingeschrieben. „Ich hatte das Bedürf-
                 Die 56-jährige Leiterin des Max-Born-       nis“, sagt Holl, „über die grundständige
                 Berufskollegs in Recklinghausen gestal-     Fortbildung hinaus in den Austausch
                 tet gern und stößt immer wieder Verän-      mit anderen Schulleitungen zu kommen

                                                                                                                                                                  Foto: Bert Butzke
                 derungen an. In ihrer Karriere hat sie      und mehr über den wissenschaftlichen
                 an Mathebüchern, Lehrplänen und Prü-        Blick zu erfahren.“ Und sie habe es nicht
                 fungsanforderungen mitgeschrieben, sie      bereut. „Die DAPF hat mir den Rücken
                 hat in der Lehrerausbildung und im Düs-     gestärkt, Schulleitung als Machtpromo-                 Schulleiterin Simone Holl hat davon pro-
                 seldorfer Schulministerium als Pädagogin    tor zu sehen und mit Widerständen um-                  fitiert, dass die staatliche Schulleitungs-
                 gearbeitet. Kein Wunder, dass sie Anfang    zugehen. Dafür bin ich sehr dankbar.“                  qualifizierung in Nordrhein-Westfalen
                 2018 als stellvertretende Schulleiterin                                                            obligatorisch ist. Sie sagt: „Schulleitung
                 die nächste Chance ergriff und den frei-    Leadership und Gestaltung                              kann man nicht aus dem Stand heraus
                 werdenden Chefposten ihres Vorgängers       Selbstverständlich ist das alles nicht.                übernehmen. Man braucht Fortbildun-
                 übernahm. „Ich habe viele Ideen, Schule     Laut der Studie „Schulleitungen in                     gen, die die Angst vor der Aufgabe neh-
                 zu verbessern“, sagt Holl. Jetzt arbeitet   Deutschland“ mit 405 zufällig ausge-                   men und den Realitätssinn schärfen.“
                 sie mit ihrem Leitungsteam an neuen         wählten Schulleitungen gab die Hälf-
                 Zielen für das Berufskolleg: Europa-        te der Befragten an, weder an einem
                 schule, Schule der Zukunft, Talentschu-     Landesinstitut noch bei einer Vorberei-                für die Leitungsaufgaben qualifiziert
                 le, digitale, moderne, gesunde Schule.      tungsqualifikation an einer Universität                worden zu sein. Für viele Führungskräf-
                                                                                                                    te beginne der Aufstieg in die Schullei-
                                                                                                                    tung eher mit einer Förderung durch
                                                                                                                    Mentorinnen und Mentoren, die den
                                                                                                                    Kolleginnen und Kollegen Aufgaben
                                                                                                                    übertragen haben, schreibt das Auto-
                                                                                                                    renteam der gemeinsamen Studie der
                                                                                                                    Universitäten Tübingen und Lüneburg
                                                                                                                    sowie der Pä­da­gogischen Hochschule
                                                                                                                    der Nordwestschweiz.
                                                                                                                    Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstands-
                                                                                                                    mitglied Schule, ist dieser Missstand
                                                                                                                    ein Dorn im Auge. „Neben der päda-
                                                                                                                    gogischen Qualifikation braucht Schul-
                                                                                                                    leitung sehr gute Kommunikations-,
                                                                                                                    Kooperations- und Organisationsfähig-
                                                                                                                    keiten, um ein Team von Pädagoginnen
                                                                                                                    und Pädagogen und weiteres pädago-
                                                                                                     Foto: privat

                                                                                                                    gisches Personal zu führen, um Schü-
                                                                                                                    lerinnen und Schüler sowie Eltern in
                 Gründervater der Deutschen Akademie für Pädagogische Führungskräfte ist Hans-                      die Schulgemeinschaft zu integrieren“,
                 Günter Rolff. „Ausbildungsgänge für Schulleitungen sind in Deutschland ein lücken-                 sagt sie. Die immense Aufgabenfülle
                 hafter Flickenteppich und viel zu schwach entwickelt“, sagt der emeritierte Professor              sei in der Corona-Pandemie besonders
                 für Bildungsforschung.                                                                             augenfällig geworden. Zwar gebe es in

    Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                            11

einzelnen Bundesländern wie Hamburg        für Bildungsforschung und bis heute          bliert, Fortbildungsmöglichkeiten und
und NRW Landesinstitute und Fort-          ein führender Schulleitungs-Experte.         Netzwerke vergrößert und neue Räume
bildungsreihen, aber keine verlässli-      „Ausbildungsgänge für Schulleitungen         geschaffen. In den ersten zwei Jahren
chen Aussagen über die Qualifizierung.     sind in Deutschland ein lückenhafter         als Schulleiterin hat sie dafür Supervi-
„Schulleitungen benötigen eine gute        Flickenteppich und viel zu schwach           sionen der Bezirksregierung genutzt.
Vorbereitung und eine gute Unterstüt-      entwickelt“, sagt der 82-jährige Erzie-      Inzwischen fühlt sie sich fit genug, den
zung bei der Ausübung ihrer Rolle“, so     hungswissenschaftler. „2005 war es           Job ohne externe Hilfe zu bewältigen.
Bensinger-Stolze weiter. „Und es wäre      noch schlimmer.“ Deshalb habe er sich        „Schulleitung kann man nicht aus dem
hilfreich, wenn Schulleiterinnen und       seinerzeit entschieden, die bundesweit       Stand heraus übernehmen“, sagt sie.
Schulleitern mehr Verwaltungstätig­        einmalige Akademie für pädagogische          „Man braucht Fortbildungen, die die
keiten abgenommen würden, statt            Führungskräfte ins Leben zu rufen. Die       Angst vor der Aufgabe nehmen und den
ihnen immer mehr aufzubürden.“ Die         DAPF will zertifizierte Ausbildungsgän-      Realitätssinn schärfen.“ Auch dass sie
wachsende Aufgabenflut mache es            ge auf universitärem Niveau anbieten         zuvor stellvertretende Leiterin an ih-
schwierig, inhaltlich zu gestalten.        und dringend benötigte Kompetenzen           rer Schule war, habe ihr sehr geholfen,
Die DAPF sieht sich als eine Vorreiterin   vermitteln. „Schulleitung ist ein ei-        Schwierigkeiten und Herausforderun-
bei der Vermittlung von Management-        genständiger Beruf und sollte auch so        gen besser zu erkennen und zu verste-
Qualitäten in Schulleitungen. „Die An-     gesehen werden“, betont Rolff. „Doch         hen. Sie könne diesen Weg nur weiter-
sprüche an Leitung nehmen rapide zu“,      bundesweit fehlen Standards für die          empfehlen. Und sie wünsche sich, dass
heißt es schon im Leitungsverständnis      Ausbildung. Während der Corona-              es mehr freiwillige Patenmodelle gäbe,
der DAPF von 2006. An großen wie auch      Pandemie hat sich noch einmal deut-
kleinen Schulen gehe es neben Erzie-       lich gezeigt, was für ein Skandal dieses
hung und Unterrichtsentwicklung nicht      Manko ist.“
zuletzt um Personal- und Gesundheits-
management, Budgetgestaltung, Fort-        Bundesweit fehlen Standards
bildungsplanung, Qualitätsmanage­ment      Schulleitung ist dabei für Rolff zualler-
und vieles mehr. „Deshalb ist verteilte    erst Teamaufgabe. Er hat 20 Kompe-
Führung angesagt.“                         tenzen zusammengetragen, darunter
Der wissenschaftliche Leiter der DAPF,     Fähigkeiten für Strategie, Gestaltung,
Wolfgang Böttcher, erläutert das Kon-      Steuerung, Reflexion, Kooperation und
zept weiter. „Schulleitung ist heute       Fürsorge, aber auch Entscheidungs-,
Organisationsentwicklung“, sagt der        Personalentwicklungs-, Management-
Seniorprofessor für Erziehungswissen-      und Chaos-Kompetenzen sowie die Fä-
schaft. „Es geht um Leadership und         higkeit zur Konfluenz: zur ganzheitlichen
Gestaltung der Organisation Schule –       Zusammenführung von arbeitsteiligen
und um die entsprechenden Kompe-           Teams. „Eine Schulleitung kann das al-
tenzen und Qualitäten.“ Es reiche nicht    les nicht allein stemmen. Es braucht ein
                                                                                                                                     Foto: privat

mehr allein, ein guter Pädagoge zu ein.    ganzes Team.“ Bis heute frage er sich,
„Schulleitungen müssen selbst geschult     warum es an deutschen Auslandsschu-
werden.“                                   len eine Doppelspitze aus pädagogi-          Schulleitungen müssten heute mehr
Der Grund für die Entwicklung liege        scher Leitung und Verwaltungsleitung         sein als gute Pädagoginnen und Päda­
nicht zuletzt in der Politik: Ministeri-   gibt – nicht aber im Inland.                 gogen, sagt Prof. Wolfgang Böttcher,
en würden sich immer weiter aus ihrer      Wie schwierig Führung werden kann,           wissenschaftlicher Leiter der Deutschen
Lenkungsfunktion zurückziehen und          wenn man Veränderungen umsetzen              Akademie für Pädagogische Führungs-
Schulen sich selbst überlassen. Damit      möchte, weiß Schulleiterin Holl aus          kräfte. Sie brauchten Kenntnisse in
würden immer mehr Aufgaben und             ­Erfahrung. Etwa ein Drittel eines Kolle-    Organisationsentwicklung und Perso-
Verantwortung an Schulen übertragen.        giums sei bei Innovationen vorn mit da-     nalführung.
Doch deren Leitungen gerieten ins Di-       bei, ein Drittel gehe eher abwartend mit,
lemma. „Gerade Schulen in sozialen          und ein weiteres Drittel verhalte sich
Brennpunkten fühlen sich im Stich gelas-    skeptisch bis ablehnend. Veränderungs-      in denen sich erfahrene und angehen-
sen“, sagt Böttcher. Hinzu komme, dass      prozesse müssten daher von guter Füh-       de Schulleitungen austauschen können.
Schule von akademischem Lehrpersonal        rung begleitet werden – besonders an        Holl setzt diesen Gedanken bereits um
lebt – also von autonomen, autarken         einer großen Schule wie ihrem Berufs-       und gibt ihr Wissen weiter: Sie ist inzwi-
Profis, die sich ungern bevormunden         kolleg mit 160 Lehrkräften und 3.200        schen nebenberuflich Dozentin an der
lassen. „Umso wichtiger sind gute Füh-      Schülerinnen und Schülern. Doch inzwi-      DAPF.
rungskompetenzen“, betont Böttcher.         schen hat Holl Erfolge erzielt. Sie hat
Gründervater der DAPF ist Hans-             ganz im Sinne der DAPF Leitungsgrup-        Sven Heitkamp,
Günter Rolff, emeritierter Professor        pen, Teams und Arbeitsgruppen eta-          freier Journalist

                                                                                                            Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
12 LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

                                                                                                               Lehrkräfte leiden häu-
                                                                                                               figer an einem Burnout
                                                                                                               als Beschäftigte in vielen
                                                                                                               anderen Berufsgruppen.
                                                                                                               Besonders hoch ist die
                                                                                                               Belastung für Schulleite-
                                                                                                               rinnen und -leiter.

           „Schulleitungen sind
           Troubleshooter“

                                                                                                                                                       Foto: IMAGO/serienlicht
                 // Lehrkräfte in Deutschland                   gungen nie das Merkmal „Schulleitung“       springen ein, wenn unterstützt wer-
                 arbeiten im Durchschnitt länger                abgefragt. Das hätte zu Verzerrungen        den muss oder Unterricht auszufallen
                 als vergleichbare Beschäftigte im              geführt, weil viele Schulleiterinnen und    droht. Damit aber nicht genug: Bei den
                 öffentlichen Dienst. Dies gefähr-              -leiter aus Sorge, man könne sie iden-      sogenannten außer­unterrichtlichen Tä-
                 det nicht zuletzt die Gesundheit               tifizieren, vermutlich nicht teilgenom-     tigkeiten liegt ihre Mehrarbeit deutlich
                 vieler Lehrerinnen und Lehrer.                 men hätten. Schulleiterinnen und -leiter    über dem Soll. Bei einem Soll von zum
                 Das geht aus einer Arbeitszeit-                lassen sich allerdings – selbstverständ-    Beispiel 11 Wochenstunden lagen sie in
                 studie der Universität Göttingen               lich anonymisiert – über die Anzahl der     unserer Studie teilweise bei 20 Stunden
                 hervor, die unter der Leitung des              Funktionsstunden identifizieren. In einer   pro Woche!
                 Sozialwissenschaftlers Frank Muß­-             Sonderauswertung unserer Arbeitszeit-       E&W: Um welche Tätigkeiten handelt es
                 mann entstanden ist*. Immens                   studie, die wir für das Expertengremium     sich hierbei?
                 ist auch die Belastung der Schul-              Arbeitszeitanalyse des niedersächsi-        Mußmann: Das sind beispielsweise
                 leiterinnen und -leiter. //                    schen Kultusministeriums erstellt haben,    ­pädagogische Gespräche mit Schülern,
                                                                kamen wir zu dem Schluss, dass Lehr-         Eltern, Lehrkräften, ferner Schulfeste,
                 E&W: Einige Schulleiterinnen und -leiter       kräfte an Grundschulen, Gesamtschulen        Projekttage etc. oder auch die Teilnah-
                 klagen derzeit mit Unterstützung der           und Gymnasien im Schnitt eine Stunde         me an Ausschüssen und Konferenzen.
                 GEW gegen ihren Dienstherren, das Land         und 40 Minuten in der Woche Mehr-
                 Niedersachsen. Der Vorwurf: Dieser un-         arbeit leisten, bei den Schulleiterinnen
                 ternehme nichts gegen die immense              und -leitern beträgt die Mehrbelastung
                 Arbeitsbelastung der Lehrkräfte, insbe-        6 Stunden und 42 Minuten.
                 sondere der Schulleitungen. Sie haben in       E&W: Die Mehrbelastung der Lehrkräfte
                 mehreren Studien die Arbeitszeitbelas-         ergibt sich in der Regel aus ihren Unter-
                 tung der Lehrkräfte untersucht und sind        richtsverpflichtungen, also aus Vor- und
                 dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass           Nachbereitung sowie Unterricht, aus
                                                                                                                                                       Foto: picture alliance/dpa/Holger Hollemann

                 deren Wochenarbeitszeit deutlich über          außerunterrichtlichen Tätigkeiten wie
                 den Normvorgaben für Beschäftigte im           Dienstbesprechungen, Elternabenden
                 öffentlichen Dienst liegt. Und das schon       etc. Welchen besonderen Belastungen
                 seit Jahren. Trifft das auch auf Schulleite-   sind Schulleitungen dabei ausgesetzt?
                 rinnen und -leiter zu?                         Mußmann: Schulleiterinnen und -leiter
                 Frank Mußmann: Grundsätzlich ja, al-           sind erst einmal für die gesamte Orga-
                 lerdings lässt sich das aus den Studien        nisation verantwortlich und Entschei-
                 nicht direkt ableiten. Aus methodischen        dungsträger vor Ort. Und dann sind sie
                 Gründen haben wir bei unseren Befra-           häufig Troubleshooter, das heißt, sie       Frank Mußmann

    Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                             13

                                                                                                                                              www.vincera-kliniken.de
E&W: Wie wirkt sich diese Mehr-
belastung insbesondere auf die
                                           nicht einfach. Wenn sich zum Bei-
                                           spiel ein Schulleiter abends nach of-
                                                                                    VINCERA KLINIK
psychische Gesundheit aus?                 fiziellem Dienstschluss mit anderen      BAD WALDSEE
Mußmann: Die Burnout-Werte sind            Schulleiterinnen und -leitern trifft,
in unseren Untersuchungen im               um sich über gemeinsame Proble-
Durchschnitt aller Lehrkräfte hoch.        me und Vorhaben auszutauschen,           Die familiäre Privatklinik für Psychosomatische
Im Schnitt liegen sie auf einer            dann kann dies schlecht als Privat-      Medizin und Psychotherapie
Skala von 0 bis 100 bei Lehrkräf-          vergnügen abgetan werden, nur
                                                                                       Depressive Erkankungen
ten zwischen 50 und 60, bei an-            weil man sich dazu in einer Gast­
                                           stätte getroffen hat.
                                                                                       Folgeerkrankungen von chronischer
deren Berufsgruppen eher unter
                                                                                       Stressbelastung wie „Burnout“,
50 Punkten. Besonders ­belastete           E&W: Dass ein Schulleiter morgens
                                                                                       Schlafstörungen, Bluthochdruck,
Lehrkraftgruppen überschreiten             die Schule aufschließen muss, weil
                                                                                       Kopf- und Rückenschmerzen
aber auch die Schwelle von 60              der Hausmeister erkrankt ist, ist
                                                                                       Posstraumatische Belastungsstörungen
Punkten und tragen dann ein er-            auch keine Seltenheit. Was muss
höhtes Risiko, ein Burnout zu er-          sich im System Schule ändern?               Angst- und Panikstörungen
leiden. Schulleiterinnen und -lei-         Mußmann: Aufgrund der Tatsache,             Somatoforme Störungen
ter dürften hier keine Ausnahme            dass es an den meisten Schulen              Persönlichkeits- und
bilden. Repräsentative Daten dazu          noch immer keine multiprofessio-            Verhaltensstörungen
haben wir allerdings nicht, da die         nellen Teams gibt und die Personal-         Essstörungen
identifizierte Gruppe in unserer           decke durchweg dünn ist, müssen
­Arbeitszeitstudie zu klein war.           Schulleiterinnen und -leiter immer                                                  Bad Waldsee
 E&W: Das Verwaltungsgericht Han-          wieder die Lücken schließen, das ist     Vincera Klinik Bad Waldsee GmbH
 nover hat Ende 2020 die Klage             leider so. Kein Schulleiter und keine    Badstraße 28 | 88339 Bad Waldsee | Tel.: 0800 45 40 262
 eines der eingangs erwähnten              Schulleiterin sollte sich mit IT- oder
 Schulleiter abgewiesen, obwohl es         Verwaltungsaufgaben herumschla-
 die Mehrarbeit ausdrücklich aner-         gen müssen. Mehr Personal und
 kannte. Wie erklären Sie sich das?        multiprofessionelle Teams würden
 Mußmann: Dass das Gericht die             nicht nur die Lehrkräfte, sondern
 außerordentliche Arbeitsbelastung         ebenso Schulleitungen entlasten
 des Schulleiters bestätigt hat, ist zu-   und Mehrarbeit reduzieren. Wir
 nächst einmal eine wichtige gericht-      dürfen den Blick aber nicht nur auf
 liche Feststellung. Dass es die Klage     die oberste Leitungsebene richten.
 dennoch zurückgewiesen hat, weil          Unsere Auswertung für das nie-
 die Form der Arbeitszeit­erfassung        dersächsische Expertengremium
 im vorliegenden Fall nicht immer
 eindeutig gewesen sei, kann ich so
                                           hat zum Beispiel auch gezeigt, dass
                                           bei den Koordinatorinnen und Ko-
                                                                                    www.vielfalt-mediathek.de                       s
 nicht nachvollziehen. Zuordnungs-         ordinatoren, die auf der Ebene zwi-
 fragen, also für welche Tätigkeit ge-     schen Leitung und den Lehrkräften
 nau wie viel Zeit aufgewendet wur-        tätig und unter anderem für die
 de, sind nachgelagert. Es kann ja         Stundenpläne zuständig sind, die         Bildungsmaterial gegen Rechtsextremismus,
 auch der Hektik des Tagesgeschäfts        Mehrarbeit und die psychische Be-        Menschenfeindlichkeit und Gewalt.
 geschuldet sein, wenn zum Beispiel        lastung besonders hoch sind.             Für Demokratie, Vielfalt und Anerkennung.
 Gespräche mit Hausmeistern als                                                     Diskriminierung im Klassenraum?
 „außerunterrichtlich“ und nicht als       Interview: Jürgen Amendt,
 „Schulleitungstätigkeit“ eingetra-        Redakteur der „Erziehung und
                                                                                    Rechte Sprüche im Seminar?
 gen werden. Entscheidend ist doch,        Wissenschaft“                            Über 2.500 Materialien zum
 dass die Mehrarbeit angefallen ist –                                               kostenlosen Download
 und zwar durchgängig und über ei-
 nen längeren Zeitraum hinweg. Das         *Kooperationsstelle Hochschulen          › Broschüren und Bücher
 wird in der nächsten Instanz geklärt      und Gewerkschaften der Georg-            › Unterrichtsmaterial und Arbeitsblätter
 werden müssen. Es handelt sich um         August-Universität Göttingen. Frank      › Trainingsordner und Handbücher
 eine Einzelfallentscheidung, das          Mußmann, Martin Rieth­müller,            › Audios und Videos
 Problem stark überhöhter Arbeits-         Thomas Hardwig: Nieder­sächsische
 zeiten bei Lehrkräften und insbe-         Arbeitszeitstudie Lehrkräfte an
 sondere Schulleitungen ist damit          öffentlichen Schulen 2015/2016:
 keineswegs vom Tisch. Die Zuord-          bit.ly/azstudie-lehrkraefte-2015-16
 nung von Tätigkeiten ist manchmal         (s. E&W 9/2016)

                                                                                                      Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
14 LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

                „Aus- und Weiterbildung
                ist das A und O“
                 // Ob Personalführung, Team­                 penräume kurzerhand zu Funktionsräu-         terentwicklung von Kitas als Bildungs-
                 entwicklung, Dienstplan oder                 men umgestaltet, die allen Kindern aus       einrichtungen zu geben oder sich der
                 Betriebs­wirtschaft: Die Aufgaben            allen Gruppen offen stehen. „Das kann        Personalführung zu widmen.“
                 einer Kita-Leitung sind enorm.               nicht gelingen“, sagt Nguimba. Kein          Auch für Nguimba stellt sich im Alltag
                 Dafür braucht es Zeit und Quali­             Wunder, dass das Team frustriert ge-         stets die Frage: „Was fällt hinten runter?“
                 fikation. //                                 wesen sei. Für sie stand fest, dass sie es   Melden sich drei Fachkräfte krank, werde
                                                              anders machen will. In der Einrichtung       sich wohl kaum eine Leiterin ins Büro set-
                 Bei ihrer ersten Stelle als Kita-Leiterin    wird jetzt sehr viel mehr geredet als frü-   zen und mit pädagogischen Grundsatz-
                 in einem Berliner Kinderladen hat Kati       her. Um ewige Debatten in großer Run-        fragen auseinandersetzen. Klar ist auch,
                 Nguimba die Dienstpläne nach Feier-          de zu begrenzen, wurde die Kita in drei      dass Dienstpläne geschrieben werden
                 abend zu Hause geschrieben. „In so           Abteilungen unterteilt, mit jeweils sechs    müssen; außerdem ist der Handwerker
                 einer kleinen Einrichtung bist du Erzie-     bis acht Kolleginnen und Kollegen.           wegen der kaputten Lampe zu benach-
                 herin und machst die Kita-Leitung quasi      Jedes Team entscheidet autonom über          richtigen und neues Toilettenpapier zu
                 im Ehrenamt“, berichtet die 51-Jährige.      alles, was die eigene Gruppe betrifft.       bestellen. Einfach mal durch die Kita
                 Wie Excel-Tabellen die Zahl der Über-        „Ich muss aushalten, wenn jemand             laufen und jeder Fachkraft ein positives
                 stunden automatisch ausrechnen oder          anders entscheidet als ich es für rich-      Feedback geben? Oft Fehlanzeige.
                 das Budget mit Einnahmen und Ausga-          tig halte.“ Beispiel: Die Leiterin ist ein
                 ben auflisten, hat sie sich selbst beige-    großer Fan des offenen Konzepts. Doch
                 bracht. Größere Herausforderungen            nicht jede Abteilung in der Kita war dazu
                 waren Personalführung und Team­ent­          bereit. Deshalb arbeiten zwei Gruppen
                 wicklung. „Doch daran hakt es leider         offen, eine bleibt beim geschlossenen
                 oft.“ Im Alltag fehle es Leitungskräften     Konzept. „Das ist völlig okay“, betont
                 häufig an Qualifikation – und Zeit.          Nguimba. „So etwas braucht Zeit. Ge-
                 Auch Nguimba merkte schnell, dass ihre       gen den Widerstand des Teams kann
                 Leitungstätigkeit neben der normalen         es nicht gelingen.“
                 Gruppenarbeit auf der Strecke blieb.         Für ihre Leitungstätigkeit ist die Päda-
                 „Es war kaum möglich, das große Gan-         gogin freigestellt. Das ist nicht selbst-
                 ze im Blick zu haben oder pädagogische       verständlich. Das GEW-Vorstandsmit-
                 Prozesse anzustoßen.“ Deshalb suchte         glied für Jugendhilfe und Sozialarbeit,
                 sie sich bewusst eine Stelle, die diesen     Doreen Siebernik, verweist darauf, dass
                 Spagat nicht mehr erforderte, und ar-        einem aktuellen Monitoring des Gute-
                 beitet jetzt in einer kommunalen Ein-        Kita-Gesetzes zufolge 45,9 Prozent der
                 richtung mit 115 Kindern in Berlin-Wed-      Kita-Leitungen neben ihrer Leitungstä-
                 ding. Da sie viel Fachliteratur liest und    tigkeit noch andere Aufgaben haben.
                 regelmäßig Fortbildungen besucht, hat        Das stelle die Leitungskräfte vor enor-
                 Nguimba eine klare Vorstellung davon,        me Herausforderungen. Je größer die
                 wie sie die Kita leiten möchte. „Kollegia-   Einrichtung, desto größer die Chance
                 le Führung“ nennt sie ihren Stil. Konkret    auf eine Freistellung. „Aber desto grö-
                 heißt das: Verantwortung abgeben und         ßer ist auch der Aufgabenbereich“,
                 das Team so viel wie möglich selbst ent-     fügt die gelernte Erzieherin hinzu. Ob
                 scheiden lassen.                             Gesundheitsschutz, Inklusion, Elternar-
                                                              beit, Hygiene, Ernährung, Kinderschutz
                 Kaum Zeit für Personalführung                oder Digitalisierung: Die Leitung muss
                 Als Nguimba ihre neue Stelle antrat,         alles im Blick haben. Hinzu kommen
                 stieß sie auf eine Einrichtung mit sehr      Verwaltungsaufgaben wie Buchhal-
                 hierarchischen Strukturen. So habe die       tung, Finanzen und Personalplanung.
                 frühere Leiterin zum Beispiel nach ei-       „Das größte Problem ist ganz klar, dass
                 ner Fortbildung mehr oder weniger im         es an zeitlichen Ressourcen fehlt“, be-
                 Alleingang beschlossen, die Kita auf of-     tont Siebernik. „Da bleibt kaum Luft, um
                 fene Arbeit umzustellen – und die Grup-      Impulse für Innovationen und die Wei-

    Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
LEITUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                            15

Neben mehr Zeit braucht es allerdings         Mit ihrer langjährigen Kampagne zur Auf-                          ten feste Fortbildungszeiten am besten
auch das Knowhow. „Die Aus- und Wei-          wertung der Sozial- und Erziehungsberu-                           bereits im Jahresprogramm verankern.
terbildung von Kita-Leitungen ist das         fe haben die Gewerkschaften erreicht,                             Auch Fröbel-Aufsichtsrat Hocke sieht
A und O“, sagt Nobert Hocke, aktiv im         dass Kita-Leitungskräfte endlich deutlich                         vor allem die Träger in der Verantwor-
Aufsichtsrat des gemeinnützigen Kita-         besser bezahlt werden. „Das macht den                             tung: „Da hat zum Glück ein Umdenken
Trägers Fröbel. Ob Ausbau der Krippen-        Beruf attraktiver“, sagt Siebernik.                               stattgefunden.“ Vor allem in großen
plätze, Ganztagsbetreuung, Inklusion                                                                            Städten wie Berlin gebe es inzwischen
oder Arbeit im offenen Konzept – Kitas        Praxiserfahrung ist wichtig                                       viele gute Angebote. Allerdings erlebe
müssten viele Veränderungen stemmen.          GEW-Vorstandsmitglied Siebernik be-                               er immer wieder, dass Teilnehmerin-
Zudem würden die administrativen An-          tont, dass die Praxiserfahrung min-                               nen eine Fortbildung im letzten Mo-
forderungen immer anspruchsvoller.            destens genauso wichtig sei wie die                               ment absagten, weil sie wegen akuter
Nach Ansicht von Siebernik ist eine           Theorie. Neben einer akademischen                                 Personalnot nicht in der Einrichtung
akademische Ausbildung sinnvoll. Für          Vorbereitung auf den Beruf muss ihrer                             fehlen könnten. „Wir brauchen einen
Kita-Leitungen habe sich ein Studium          Meinung nach immer auch der klassi-                               Personalschlüssel von 100 Prozent plus
der Kindheitspädagogik oder des Sozial-       sche Weg möglich sein: Üblicherweise                              x, damit Leitungskräfte nicht immer die
managements bewährt. Allerdings gibt          arbeiten Kita-Leitungen vorher jahre-                             Löcher stopfen müssen“, fordert der Ki-
die Gewerkschafterin zu bedenken, dass        lang als Erzieherin in einer Einrichtung                          ta-Experte. Zudem sei die Situation auf
aktuell nur jede vierte Absolventin bzw.      und übernehmen den Posten, wenn die                               dem Land deutlich schwieriger: Dort
jeder vierte Absolvent danach auch wirk-      Leitungskraft in den Ruhestand geht.                              setzten sich Leitungskräfte bei Pro­
lich in der Kita arbeite. Am allerwichtigs-   So oder so gilt: „Kita-Leitungen müssen                           blemen häufig abends mit dem Pfarrer
ten ist ihrer Meinung nach, dass Kita-Lei-    auf ihre Aufgaben gut vorbereitet und                             oder Bürgermeister zusammen. „Wir
tung als Profession verstanden wird: „Der     kontinuierlich weitergebildet werden“,                            können sie damit nicht alleinlassen.“
Beruf muss Wertschätzung erfahren.“           sagt die Kita-Expertin. Die Träger müss-                          Auch Nguimba hört von Kolleginnen
                                                                                                                und Kollegen immer wieder, dass in
                                                                                                                kleinen Städten die Wege weit und die
                                                  Kati Nguimba hat                                              Angebote rar seien. Bei kleinen Trägern
                                                  eine klare Vorstel-                                           oder Elterninitiativen fehlten häufig die
                                                  lung davon, wie                                               Strukturen. Die 51-Jährige ist dankbar
                                                  sie die Kita leiten                                          über die „supertollen Möglichkeiten“ in
                                                  möchte. „Kollegiale                                          Berlin. Dazu gehört regelmäßige Super-
                                                  Führung“ nennt sie                                           vision: Die Leiterin hält es für sehr wich-
                                                  ihren Stil. Konkret                                          tig, sich immer wieder mit der eigenen
                                                  heißt das: Verant-                                           Rolle und Biografie auseinanderzuset-
                                                  wortung abgeben                                              zen. „Das hilft zum Beispiel, Kritik an-
                                                  und das Team so                                              nehmen zu können und nicht persönlich
                                                  viel wie möglich                                             beleidigt zu sein.“ Auch der Austausch
                                                  selbst entscheiden                                           mit anderen Leitungskräften tut ihr gut:
                                                  lassen.                                                      Wie damit umgehen, wenn eine Kolle-
                                                                                                               gin ständig krank ist? „Es ist wertvoll zu
                                                                                                               hören, wie andere schon mal so eine
                                                                                                               ­Situation gemeistert haben.“
                                                                                                                Außerdem habe zur guten Stimmung
                                                                                                                in der Kita beigetragen, dass ein exter-
                                                                                                                ner Coach zwei Jahre lang regelmäßig
                                                                                                                vorbeikam. Vorher herrschte in einer
                                                                                                                Abteilung oft dicke Luft, beispielsweise
                                                                                                                gab es Ärger wegen der Dienstpläne.
                                                                                                                Zusammen mit dem Coach schaute das
                                                                                                                Team genau, worum es eigentlich geht.
                                                                                                                Zum Schluss einigten sich die Kollegin-
                                                                                                                nen darauf, dass sie im Wechsel alle
                                                                                                                zwei Wochen für die Planung der Diens-
                                                                                                                te zuständig sind. „Das hat einiges an
                                                                                      Foto: Kay Herschelmann

                                                                                                                Zündstoff rausgenommen.“

                                                                                                               Kathrin Hedtke,
                                                                                                               freie Journalistin

                                                                                                                                    Erziehung und Wissenschaft | 12/2021
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