ESASTER DDATESATES LESEPROBE - My Casting München

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LESEPROBE

DESASTER
 DATES
ROMAN

        Natalia Beller
Impressum

        Taschenbuchausgabe 01/2019
Copyright © dieser Ausgabe by TORUK VERLAG
   eine Marke der roundaboutmedia GmbH
       Lektorat: Lena Berning, Legden.
 Umschlaggestaltung: Juliane Ehrlicher, Leipzig.
        Satz: Juliane Ehrlicher, Leipzig.
               Print in Germany.

            ISBN 978-3-9820822-3-3

             www.toruk-verlag.de
Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1    Wie konnte es nur soweit kommen?… 13
Kapitel 2    Die Trennung & wie alles begann… 18
Kapitel 3    Es geht immer weiter – vor allem für Andere… 24
Kapitel 4    Urlaub… 31
Kapitel 5    Nach dem Urlaub eine neue Liebe – zumindest
             Ansatzweise… 42
Kapitel 6    Kurz und schmerzhaft… 52
Kapitel 7    Aftermath… 59
Kapitel 8    Online Dating – Teil I… 63
Kapitel 9    Der paranoide Mann mit der Handtasche… 72
Kapitel 10   Der Unterhosen-Mann… 82
Kapitel 11   Der Vater & sein Sohn… 88
Kapitel 12   Stefan & Klara… 99
Kapitel 13   Online Dating – Teil II… 111
Kapitel 14   Marco… 118
Kapitel 15   Marco & das Pornovideo… 125
Kapitel 16   Hoffnungslosigkeit… 133
Kapitel 17   Lukas & sein Ego… 140
Kapitel 18   Digitalisierung… 148
Kapitel 19   So spielt das Leben… 158
Kapitel 20   Notaufnahme… 167
Kapitel 21   Wenn Gott Pläne macht… 174
Kapitel 22 Neues zu Hause… 178
Kapitel 23 Die lange Nacht der Musik…181
Kapitel 24   Bittersüßer Nachtschatten… 186
Kapitel 25   Sophies Entscheidung… 190
Kapitel 26   Hiobsbotschaft… 196
Kapitel 27   Gebrochenes Herz… 200
Kapitel 28   Verlobt… 206
Kapitel 29   Unbekannte Post… 212
Kapitel 30   Wenn sich eine Seele in eine
             andere verliebt… 216
Kapitel 31   Nachtgebete… 223
Kapitel 32   Verzweilung… 228
Kapitel 33   Freundschaften… 232
Kapitel 34   Liebeskummer & der Tod… 238
Kapitel 35   Beerdigung & Börsengang… 243
Kapitel 36   Ein neuer Horizont… 247
Kapitel 37   Online Dating – Teil III… 255
Kapitel 38   Alexander… 262
Kapitel 39   Alexander & seine verkehrte Vorstellung
             von Beziehungen… 267
Kapitel 40   Speed-Dating… 273
Kapitel 41   Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch… 281
Kapitel 42   Der Mustang & der Unbekannte… 288

             Bonus Desaster Dates… 292
KAPITEL 1

   Wie konnte es nur soweit kommen?

Der Geruch eines alten Rasenmähers und Benzin steigt
mir in die Nase. Es ist dunkel, aber nicht so dunkel, dass
ich nichts mehr erkennen kann. Der Werkzeugkasten
liegt halb offen auf einem Handwerkertisch, der optisch
perfekt ins Ambiente passt und an der Wand steht. Ein
anderer Werkzeugkasten steht auf dem Boden. Der Be-
reich, wo normalerweise das Auto – wahrscheinlich ein 7er
BMW, wenn ich raten müsste – parkt, ist frei und relativ
sauber. An sich beeindruckt mich die Ordnung und Sau-
berkeit dieser Garage. Der Mensch, dem diese gehört,
scheint eine Leidenschaft für fahrbaren Untersatz zu ha-
ben. Da liegen Zeitschriften und jede Menge Utensilien.
Wahrscheinlich bastelt diese Person auch selbst gerne an
Autos rum. Eventuell wohnt hier ja ein modernes Milleni-
al-Pärchen, vielleicht so um die 30, frisch verheiratet. Viel-
leicht aber auch ein etwas älteres Paar… Oder vielleicht
eine Single-Frau, mit Doktortitel, einer Karriere und ei-
nem tollen Job… denn die Ausstattung sieht alles andere
als billig aus.
   Ich lehne an den vier ordentlich gestapelten Winterrei-
fen.
   Ich stecke fest.
   In einer fremden Garage und bin mir nicht einmal wirk-
lich 100 % sicher, wo ich genau bin. Für wie lange ich da
noch eingesperrt bin, das weiß ich nicht. Eine knappe

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Stunde ist bereits vergangen. Ich versuche mich selbst
zu beruhigen und nicht in Panik zu verfallen. Mein Handy
habe ich dabei und versuche irgendjemanden aus mei-
nem Freundeskreis zu erreichen. Aber wie spielt das Le-
ben? Wenn man in einer Notsituation ist, dann erreicht
man NIEMANDEN und die, die man erreicht, hatten ge-
rade an diesem Tag den glorreichen Einfall spontan zur
Kampenwand zum Wandern zu fahren, »weil das Wetter
so traumhaft ist« oder zum Gardasee, weil man ja schon
lange nichts mehr mit der Familie unternommen hat. Ty-
pisch für mich und meine Umstände. Mich sollte eigent-
lich gar nichts mehr wundern.
   Ob ich jemals hier herauskomme? Während ich mich
mit meinen Gedanken zu beruhigen versuche und die
Situation analysiere, sehen mich die Knopfaugen meines
Pomeranian an. Mein Hund Richie atmet geschmeidig
aus, gähnt und legt seinen Kopf wieder auf seine Vorder-
pfoten. Er scheint nicht zu realisieren, dass das, was ge-
rade passiert, nicht geplant war. Nein, nichts davon. Rein
gar nichts.

Wie konnte es nur soweit kommen? Was war passiert? In
solchen Situationen scheint man sich immer wieder sein
eigenes Leben vor Augen zu halten und absolut jede Tat,
von seiner Geburt an bis zum aktuellen Tag, in Frage zu
stellen. Und dann wurde es mir klar: Dies alles passiert,
weil ich sehr, sehr schlechte Entscheidungen treffe. Oft,
wenn nicht sogar immer. Obwohl, immer ist etwas hart
ausgedrückt… bedienen wir uns lieber mit oft. Ich sollte
mich selbst nicht so hart dissen.

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Ich schaue auf mein Handy, ein iPhone X, dass ich mir für
1200 EUR gegönnt habe. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Wozu das Ganze? Damit ich es als Uhr und Wecker, sowie
ab und an zum Musikhören benutze. Man ist zwar stän-
dig erreichbar, mittlerweile wirklich fast jeder Mensch auf
der Welt, doch noch nie waren die Einsamkeitsquoten so
hoch, wie in diesen Zeiten. Seltsam, wozu der Konsum uns
alle treibt. Dabei brauchen wir das alles doch überhaupt
nicht zum Leben.

20:42 Uhr. Ich war nur mit meinem Hund beim Abendspa-
ziergang. »Probiere mal eine neue Route… gehen wir mal
eine neue Straße entlang, dann hat dein Hundi viel Neu-
es zu schnüffeln…«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu
meinem Hund. Ich bin zwar der Auffassung, dass er mich
versteht, aber versteht er wirklich, was ich sage? Zumin-
dest wird er immer sehr glücklich und aufgeregt, wenn ich
die Worte »Fressen« und »Gassi« erwähne. Oder ist das
eher Zufall? Ich bleibe dabei, mein Hund versteht mich.
Ansonsten sind mir die ganzen Unterhaltungen, die ich
täglich mit ihm führe, doch sehr unangenehm.

16 % Akku… Hoffentlich hält der noch eine Weile. Wie
lange halten 16 % Akku? Also in Minuten? Weiß das je-
mand? Wissen die Mitarbeiter von Apple das eigentlich?
Seltsame Fragen, die mir durch den Kopf schießen. Na-
türlich komme ich hier heraus. Muss ja. Irgendwann zu-
mindest. Der Besitzer dieser Garage und allem, was dazu-
gehört wird doch hoffentlich bald wieder zurückkommen.
Oder ist der vorhin in den Urlaub weggefahren? Oh Shit…

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»Du bist schuld, du Puschel!«, fetze ich in die Richtung
meines kleinen Hundes. »Weil du immer jedem dummen
Geruch nachlaufen musst! Jetzt sitzen wir hier fest… und
wenn wir hier nie mehr rauskommen?« Er dreht nur sei-
nen Kopf und schaut mich verwundert an. »Du hast Glück,
dass du so süß bist, sonst würde ich dir das nie mehr ver-
zeihen.«
   Die Polizei könnte ich rufen. Oder ruft man da eher die
Feuerwehr? Gut, die Feuerwehr ist eventuell übertrieben.
Schließlich muss man hier nicht durch Granit bohren, um
mich rauszuholen. Im Prinzip reicht ein Schlüssel und ich
gelange in die Freiheit.
   Und wenn ich die anrufe, was soll ich denen erzählen?
»Hallo, ja, Polizei? Ich stecke in einer fremden Garage
fest, in der ich nichts verloren habe, weil mein Hund hier
unkontrolliert reingelaufen ist. Könnt ihr mich bitte be-
freien? Wenn ihr schon dabei seid, schickt bitte hübsche,
single Polizisten zu mir, ich bin nämlich noch zu haben.«
Zu peinlich. Nein, das geht nicht.

Bis 21:00 Uhr warte ich noch, dann überlege ich mir einen
Plan. Scheint eine gute Zeit zu sein. Ich rüttle vorsichtshal-
ber zum vierten Mal an dem großen Garagentor, das sich
aber keinen Millimeter weit bewegt und setze mich ent-
täuscht auf eine schwarze Box, die nach Technikzubehör
aussieht. Sennheiser steht drauf. Welche Rolle die wohl
spielt? Sennheiser, die machen doch auch Mikrofone?

20:58 Uhr… und ich höre, wie sich ein Auto der Einfahrt
nähert und bin innerhalb von Millisekunden erleichtert.

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Gleich wird das Garagentor aufgehen und ich bin frei.
Aber was soll ich sagen? Ich kann ja nicht einfach an –
wem auch immer – vorbeilaufen, mit meinem Hund an der
Leine und auf Wiedersehen winken? Hoffentlich ist die
Person, die mir gleich gegenüber steht nett und freund-
lich…

»Reiß dich zusammen, das ist nichts Schlimmes, du kannst
alles erklären. Alles wird gut.«, lüstere ich mir selbst zu.

Das moderne Garagentor öffnet sich und ein weinroter
Ford Mustang kommt mir entgegen. Mit dem 7er BMW
lag ich wohl offensichtlich falsch.

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KAPITEL 2

    Die Trennung & wie alles begann

»Ich kann es nicht mehr hören!«, schreit mir mein Freund
ins Gesicht.
   Ich verdrehe jedes Mal die Augen, wenn mir dieser Satz
entgegengebracht wird. Pech, du musst es dir anhören,
weil du nachgefragt hast. Ist doch logisch, oder?
   Den Grund für unseren Streit und die vielen Ausein-
andersetzungen davor wird wohl kaum ein »normales«
Pärchen verstehen oder nachvollziehen können: Es ist
nämlich unser Glaube. Er ist Muslim, ich bin neugeborene
Christin, die davor gute 26 Jahre Atheistin war. In meiner
Euphorie und neuen Erkenntnissen wollte ich ihm natür-
lich von allem erzählen. Von den übernatürlichen Erleb-
nissen in den letzten Wochen, von den überwältigenden
neuen Gefühlen, von der Wahrheit, die ich gefunden und
von den Lehren, die ich von Jesus hatte.

Er aber als Muslim, hineingeboren in eine fromme, mus-
limische, libanesische Familie, konnte mit all dem nichts
anfangen. Die Argumente, die ich brachte, die Suren, die
ich zitierte, die Hadithe, die ich ihm aufzeigte, auch die
Biograie seines Propheten, nichts davon konnten eine
Diskussion vorantreiben oder ihn zum Denken anregen.
Er lehnte alles vehement ab und sah jegliche Kritik, die ich

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übte, egal wie sanft ich das auch versuchte, als absolute
Beleidigung an.
   »Schau es dir doch wenigstens mal an. Ist das so schwer
für dich? Ich denke mir doch nichts aus? So steht das da
wirklich geschrieben. Ist das ein Gott, an den du glauben
willst?«, versuche ich ihn zu überzeugen.

»Du gehst mir derbe auf die Nerven! Entscheide dich
jetzt, entweder dieser Jesus, oder ICH!«, schreit er mich
weiter an.
   Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich soll mich ent-
scheiden zwischen dem Retter meiner Seele und ihm?
Dem Gott, dem ich gehorchen möchte und der mein Herz
gewonnen hat und ihm? Ich soll mich entscheiden zwi-
schen »will ich meinen Glauben ausleben und Teil meines
Lebens machen, wie es sich für einen richtigen Christen
gehört« und ihm? Hat er das gerade wirklich gesagt? Eini-
ge Minuten der Stille vergehen.

»Und? Warum sagst du nichts?!«, nun scheint er ungedul-
dig zu werden.
  »Alles klar, dann ist das so…«, sage ich, ohne zu bemer-
ken, dass ich den Satz davor nur gedacht und nicht laut
ausgesprochen habe. »Dann gehe ich jetzt. Mach’s gut.«

Ich nehme meine Tasche in die Hand und verlasse das
Büro seines Autohauses. Wenn dies der Wille Gottes ist,
dann ist das so und ich kann damit leben. Die Tür knallt laut
hinter mir zu und ich versuche mich mit aller Kraft davon
abzuhalten mich umzudrehen und nach hinten zu sehen.

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Ich werde mich nicht umdrehen. Ich laufe schnurstracks
auf meinen silbernen Golf 6 zu, in der kleinen Hoffnung,
er wird mir hinterherlaufen, doch das tut er nicht. Dafür
ist er viel zu stolz und gekränkt in seiner Ehre. Schließlich
habe ich mich gerade gegen ihn entschieden.

Ich sitze in dem Auto, das er für mich gesucht und ge-
funden hatte. Wir hatten es gemeinsam Probegefahren
und er hat beim VW Händler einen guten Preis für mich
ausgehandelt. Schließlich weiß er als selbstständiger Au-
tohändler sehr gut, wie man das macht. Einen Top Preis
für einen Top Jahreswagen. Das Auto, mit dem wir ge-
meinsam in Paris, in Brüssel, in Berlin und in Köln waren.
Die unzähligen Roadtrips, die wir miteinander in den letz-
ten dreieinhalb Jahren unternommen hatten. Die Erinne-
rungen und die Gespräche und zugegebenermaßen auch
die kleinen Streitigkeiten, die mit jedem Zentimeter die-
ses Auto zusammenhängen, schießen mir mit 160 km/h
durch den Kopf.

War es das wirklich gewesen, nach über drei Jahren Bezie-
hung? Nein, du wirst jetzt NICHT weinen. Das ist zu sehr
Klischee. Du wirst jetzt keine Träne vergießen. Ja, er ist
der erste Mann, den du so richtig geliebt hast. Der erste
Mann, dem du alles von dir erzählt hast. Der erste Mann,
der dich so richtig von Herzen zum Lachen gebracht hat –
nicht mit dummen Sprüchen, sondern einfach mit seiner
ehrlichen Art. Aber du wirst jetzt nicht weinen.

Warum waren die Dinge, die früher nie eine Rolle gespielt
haben, jetzt auf einmal so präsent? Warum spielten sie

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denn jetzt auf einmal eine so große Rolle? Es gibt doch
muslimisch-christliche Paare, bei denen es funktioniert.
Warum geht das bei uns nicht? Seit Monaten dieselbe
Schikane, die ich selbst nicht mehr ertrage. Ich dachte, ich
würde diesen Mann einmal heiraten. Doch diesen Gedan-
ken hatte ich eliminiert, als er mir bei einem Abendessen
einmal sagte, dass ich Muslimin werden muss, wenn ich
will, dass er mich heiratet. Geht es denn noch unroman-
tischer? Man kann doch bei so einem Thema nicht so ab-
wertend reden?
   Es spielte sowieso keine Rolle mehr. Es war vorbei.
   Wir hatten uns getrennt. Endgültig.

Nicht so, wie die anderen drei Mal zuvor, wo wir nach
wenigen Tagen wieder zusammengekommen waren. Bei
dem Gedanken muss ich zugeben, dass die Beziehung
wohl um einiges stürmischer war, als ich es mir selbst im-
mer zurechtgelegt hatte. Aber so ist es nun einmal, wenn
zwei sehr temperamentvolle Menschen, die beide sehr
gern möglichst immer recht haben, zusammenkommen.
So stürmisch es auch gewesen sein mag, es war dennoch
Liebe da. So tiefe Liebe, wie ich sie zuvor noch für kei-
nen anderen Mann empfunden habe – dachte ich. Doch
die Zukunft wird mich eines Besseren belehren. Aber das
weiß ich in diesem Moment noch nicht.

Ich drehe den Zündschlüssel um und fahre aus dem Park-
platz raus Richtung zu Hause. Ich wohne noch bei mei-
nen Eltern, noch zwei Wochen, um genau zu sein, bis die
Möbel für meine erste eigene Wohnung geliefert werden.

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Darauf konnte ich mich freuen. Das konnte ich nutzen, um
mich von der Trennung, die soeben stattgefunden hat,
die ich noch gar nicht richtig wahrgenommen habe, ab-
zulenken.
   Dein Leben geht weiter Yvette, bleib ganz ruhig. Du
bist noch jung, hast einen guten Job, bist erfolgreich und
die Welt steht dir offen.
   Manchmal muss man für sich selbst die beste Freundin
sein und sich Mut zusprechen. Dennoch habe ich Angst.
Angst vor dem Liebeskummer und Angst davor, über ei-
nen Mann hinwegkommen zu müssen, mit dem ich die
letzten dreieinhalb Jahre meines Lebens verbracht und
den ich fast jeden Tag gesehen habe. Es wird schmerzhaft
werden, das weiß ich. Es wird bitter werden, da gibt es
keinen Ausweg. Es werden viele Tränen ließen und vie-
le schlalose Nächte ins Land ziehen, bis sich die Wolken
lösen und der Sonnenschein wieder durchkommt. Doch
ich werde es schaffen. Ich habe schon ganz andere Dinge
geschafft.

Als ich zu Hause ankomme ist alles ruhig und die Lichter
sind aus. Mein Vater schläft bereits, um für die Frühschicht
am nächsten Morgen it zu sein. Meine Mutter ist noch
nicht zu Hause, da sie noch bei der Spätschicht ist. Ich bin
dankbar für die Ruhe und möchte mich schnell ins Bett
legen, bevor ich einem meiner Eltern über den Weg laufe
und eventuelle Fragen beantworten muss, die ich nicht
beantworten möchte. Ich weiß außerdem, dass meine
Mutter über die Trennung mehr als erleichtert sein wird,
da sie ihn sowieso nie sonderlich mochte. Meinen Vater

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interessierte die Beziehung wenig, da er mir immer nur
sagte, »Stell mir erst dann einen Mann vor, wenn dieser
vorhat, dich zu heiraten. Ansonsten will ich die überhaupt
nicht sehen.« Und so handhabte ich das Ganze auch,
denn offensichtlich wollte mein jetzt Ex-Freund mich nicht
heiraten.
   Ich putze mir die Zähne und sehe in mein trauriges
Spiegelbild und kann nicht vermeiden, dass mir einige
Tränen die Wangen herunterkullern. Andere Paare tren-
nen sich wegen Geldproblemen, weil einer der Beteilig-
ten fremdgeht, wegen Gewalt oder Sonstigem. Wir ha-
ben uns getrennt, weil er von mir verlangt, dass ich mich
zwischen ihm oder Jesus entscheide. Kann man das denn
jemals irgendjemandem erzählen? Wird doch sowieso
niemand nachvollziehen können, vor allem nicht meine
Entscheidung.

Ich liege im Bett und starre im Dunkeln die Decke an.
Ich muss morgen früh raus, um trotz der 51 km einfachen
Fahrt rechtzeitig und vor allem vor meinem Chef, dem
CEO der Firma, im Büro zu sein. Darauf legt er besonders
großen Wert, obwohl er selbst niemals pünktlich ist.

Doch an die Arbeit kann ich gar nicht denken. Momentan
ist mir sowieso alles egal.

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KAPITEL 3

     Es geht immer weiter – vor allem
               für Andere

Die Trennung ist nun einige Wochen her und mir geht es
erstaunlicherweise besser als gedacht. Ich hatte viel um
die Ohren, was mich abgelenkt hat. Ich bin umgezogen
und wohne jetzt nur noch 4 km von meiner Arbeit weg
und nicht mehr 51 km. Ich beschäftige mich mit der Ein-
richtung meiner Wohnung und dem Kennenlernen neuer
Menschen. So wie Frauen das immer machen, telefonie-
re ich stundenlang mit meinen zwei besten Freundinnen,
auch wenn wir dasselbe Thema zum 73. Mal durchkauen.
Es könnte ja sein, dass man irgendeinen Aspekt überse-
hen hat? Das können wir ja nicht zulassen. Analysieren
und Frauenfreundschaften ergänzen sich hervorragend.
Frauen wären sowieso die allerbesten CIA Agenten. Alle
anderen männlichen Mitarbeiter kann das CIA regelrecht
nach Hause schicken.
   Ich muss zugeben, dass ich der Meinung bin, dass es
mir besser geht, als meinem Ex und der Gedanke hält
mich bei guter Laune. Ob es wirklich so ist? Keine Ah-
nung. Aber ich rede mir das einfach ein. Auch wenn ich oft
der Meinung bin, dass Männer überhaupt nicht fähig sind,
Liebeskummer oder irgendeine Art von Herzschmerz zu
empinden. Zumindest machen sie den Anschein, dass sie
diese Emotion überhaupt nicht haben.

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Inmitten meiner Gedanken erreicht mich eine WhatsApp
Nachricht von Ina, meiner besten Freundin, die ich bereits
seit der Schulzeit kenne – seit über 20 Jahren.

Ina: »Ich muss dir was zeigen, was dir nicht gefallen wird.«
   Ich: »Was genau? Was ist passiert?«
   Ina sendet mir einen Screenshot eines Facebook Proils
zu. Ein Mädchen im Hijab, kaum älter als 21 Jahre – so der
Anschein – steht vor einem großen Brunnen neben einem
Mann, der sie im Arm hat. Ich traue kaum meinen Augen
und vergrößere das Bild.
   Unglaublich! Es ist mein Ex-Freund! Und darunter die
Beschriftung »Makthuba« auf Arabisch.

Ich: »Wo hast du das gefunden? Er hat sein Facebook Pro-
il gelöscht, schon vor Monaten.«
   Ina: »Habe eine Studienkollegin, die mit ihr auf Face-
book befreundet ist und sie hatte das Bild geliked und ich
habe es durch Zufall gesehen.«
   Ich musste erstmal schlucken. Denn zwischenzeitlich
Google ich, was Makthuba bedeutet, um ganz sicher zu
gehen, dass meine Vermutung richtig ist. Es bedeutet
verlobt.
   Verlobt?
   VERLOBT?!

Wir haben uns vor kaum mehr als zwei Monaten ge-
trennt?! Welcher normale Mensch verlobt sich bitte so
schnell? Eine Million Fragen rasen mir durch den Kopf.
Eine Million Szenarien, die sich in meinen Gedanken zu

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