FAKTENCHECK SO LEBEN WIR - FÜR DIE VIELEN, NICHT DIE WENIGEN - Otto Bauer ...
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FAKTENCHECK SO LEBEN WIR IMPRESSUM 1. Auflage, November 2020 Medieninhaber: Marie Jahoda – Otto Bauer Institut, Landstraße 36, 4020 Linz, Telefon: ( 05) 7726 1131 ZVR-Nr.: 465027902 Redaktion: Georg Hubmann, Johannes Rendl, Nora Waldhör Grafik: contentschmiede Hersteller: Gutenberg-Werbering Ges. m.b.H, 4020 Linz Bestellung unter: office@jbi.or.at Die Broschüre und die Grafiken stehen auf unserer Webseite unter www.jbi.or.at zur Verfügung
VORWORT „Die Welt wird unübersichtlicher. Das Marie Jahoda – Otto Bauer Institut arbeitet an der Schnittstelle zwi- Diese Broschüre schen wissenschaftlicher Forschung und politischer Praxis. Denn um die zeigt zentrale Zukunft gestalten zu können ist es notwendig, sich mit der Gegenwart und Daten und Fakten den notwendigen Voraussetzung für ein gelungenes Zusammenleben aus- einander zu setzen. Das gilt im Großen genauso wie im Kleinen. Unsere für mehr Klarheit aktuelle Analyse unter dem Titel „Faktencheck - So leben wir“ zeigt dazu in schwierigen die wichtigsten Kennzahlen, Daten und Fakten in den Bereichen Ungleich- Zeiten.“ heit, Sozialstaat, Arbeit, Bildung und Umwelt. Die Grundlage für diese Broschüre bilden verschiedene Studien von Universitäten, der Arbei- terkammer und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Daten aus dem Arbeitsmarktservice, dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger oder der Statistik Austria. Hinter all diesen Zahlen, Daten und Fakten stecken konkrete Lebensge- schichten. Die Geschichten von Menschen, die ihre Wünsche und Träume von einem erfüllten Leben umsetzen möchten. Das ist gerade in der Co- rona-Pandemie mit allen gesundheitlichen Risiken und den dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen nicht einfach. Die Situa- tion zeigt, wie wichtig ein gut ausgebauter Sozialstaat ist. Aber es braucht Dr. Georg Hubmann eine Stärkung der öffentlichen Systeme und der sozialen Absicherung, Marie Jahoda – Otto Bauer Institut damit in der Krise die Ungleichheit nicht weiter zunimmt. Wenn über 400.000 Menschen ohne Beschäftigung dastehen, wenn der Anteil der Kinderbetreuungs- möglichkeiten mit ausreichenden Öffnungszeiten viel zu langsam steigt und der Zugang zur Bildung immer noch stark von dem Bildungsstand der Eltern abhängt, dann ist klar: Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zu einer gerechten Gesellschaft. Kluge Politik bedeutet, diese Fakten ernst zu nehmen und daraus die richtigen Ableitungen zu treffen, damit unsere Lebensumstände und unsere Gesellschaft freier, gleicher, gerech- ter und solidarischer werden können. Diesen Prozess der Verbindung von wissenschaft- licher Analyse und Umsetzung in der Politik unterstützen wir mit unserer Arbeit und den vorliegenden Daten. Für weitere Rückfragen und Analysen stehen wir gerne zur Verfügung.
INHALT UNGLEICHHEIT Vermögensverteilung 6 Erbschaftssteuer 7 ManagerInnengehälter 8 Armutsgefährdung 9 Demokratie 10 SOZIALSTAAT Gemeinwohl 11 Pensionen 12 Jugendarbeitslosigkeit 13 Jugend ohne Zukunft 14 Gesundheit und Pflege 15 Ein-Personen-Unternehmen 16 Löhne und Mieten 17 Wohnungsmarkt 18 Gewalt an Frauen 19
BESCHÄFTIGUNG Beschäftigungslosigkeit 20 Arbeitszeitverkürzung 21 Systemrelevante Berufe 22 Arbeit und Gesundheit 23 Prekäre Arbeit 24 Gleichbehandlung 25 BILDUNG Kinderbetreuung 26 Gerechte Bildung 27 Bildungschancen 28 Soziale Lage der Studierenden 29 UMWELT Wirtschaft und Industrie 30 Flächenversiegelung 31 Mobilität 32 Freier Seezugang 33
Vermögensverteilung UNGLEICHHEIT Gleichheit ist Glück Der größte Profiteur einer gerechten Verteilung die Vermögenden über eine Vermögens- und Erb- ist die Gesellschaft selbst. Soziale Spannungen, schaftsbesteuerung zum Wohl unserer Gesell- Lebenserwartung, Gesundheit, Bildungschan- schaft mehr beitragen und wir so einen Pfad zu cen, Geburtenrate, Verbrechensrate und viele mehr Gleichheit einschlagen. andere Faktoren stehen in einem direkten Zu- sammenhang zur Verteilung von Vermögen. Es Zum Weiterlesen: gilt: Je gleicher die Einkommen und Vermögen Fessler, P./Lindner, P./Schürz, M. (2019): Eurosys- verteilt sind, desto glücklicher ist unsere Gesell- tem Household Finance and Consumption Survey schaft. Leider ist das in Österreich nicht der Fall. 2017. First results for Austria, Österreichische Das reichste 1 % besitzt rund 40 % des Nettover- Nationalbank, unter: mögens, die ärmsten 50 % gerade einmal 2,5 %. http://bit.do/vermoegensverteilung01 Keine breite Mittelschicht bei Vermögen AK Wien/Marie Jahoda - Otto Bauer Institut (2020): In Österreich gibt es keine Mittelschicht bei der Vermögensverteilung. Für die Vielen, nicht die Vermögensverteilung. Die üblichen Vermögensge- Wenigen, unter: genstände sind in der unteren Hälfte das Auto oder http://bit.do/vermoegensverteilung02 ein Sparbuch. In der oberen Mitte ist es das Eigen- heim. Erst unter den reichsten 20 % sind Wert- papiere ein Faktor und in den Top 5 % Immobilien, LINKTIPP: Zinshäuser und Unternehmensbeteiligungen. Alle Zahlen und Daten zu Verteilungsfragen in Österreich Die Corona-Krise hat viele Menschen an den Rand gibt es auf einen Blick unter: verteilung.at ihrer Existenz gebracht. Es wird also Zeit, dass WER HAT WELCHEN ANTEIL AM VERMÖGEN? Ärmste 50% Reichsten 11-50% Reichste 6-10% Reichste 2-5% Reichstes 1% besitzen 2,5% besitzen 31,75% besitzen 9,5% besitzen 15,7% besitzen 40,5% Quelle: Ferschli et al., 2017 6 | Faktencheck
WER ERBT WIEVIEL? UNGLEICHHEIT Untere 90 % Top 10 % Top 1 % erben ∅ 120.000 € erben ∅ 830.000 € erben ∅ 3.373.000 € Quelle: HFCS, 2014 Erbschaftssteuer Erben ist keine Leistung Erbschaften sind in Österreich sehr ungleich verteilt. Die Mehrheit ist für eine Erbschaftssteuer Wer wieviel erbt hängt davon ab, in welche Familie Erbschaften sind ein zentraler Grund für die unglei- man hineingeboren wird und das macht einen großen che Verteilung von Vermögen in Österreich und soll- Unterschied in den Lebenschancen der Menschen. ten daher besteuert werden. Das sehen auch mehr In den unteren 90 % der Bevölkerung erbt nur jeder als die Hälfte der ÖsterreicherInnen so. Entgegen al- dritte Haushalt. Durchschnittlich geht es dabei um ler Mythen ist die Besteuerung von Erbschaften eine 120.000 Euro, meist in Form einer Immobilie, eines populäre Forderung: 72 % sind dafür! Fahrzeuges oder Geld. Je reicher ein Haushalt ist, desto höher ist die Chance auf ein Erbe und desto grö- ßer ist es natürlich auch. Die oberen 10 % der Bevöl- WUSSTEST DU SCHON? kerung erben mit einer Wahrscheinlichkeit von 71 %. Erbschaften gewinnen in den nächsten Jahrzehn- Die Erbschaft beläuft sich dann im Durchschnitt auf ten an Bedeutung. 2020 werden 12-15 Milliarden Euro 830.000 Euro. Das Top 1% erbt im Durchschnitt über- vererbt, 2030 schon 17-20 Milliarden und 2040 etwa 23 haupt 3,4 Millionen Euro. Aufgrund der schlechten Milliarden Euro. Dadurch steigt das finanzielle Potential Datenlage bei der Erfassung des Vermögens reicher einer Erbschaftssteuer enorm. Dieses Geld wird bei der Haushalte, muss man aber davon ausgehen, dass in Bekämpfung des Pflegenotstands und der Arbeitslosig- Wahrheit wesentlich höhere Werte vererbt werden. keit dringend benötigt. Faktencheck | 7
ManagerInnengehälter UNGLEICHHEIT Ist das verdient? Quelle: Wieser, 2020 1 : 24 1 : 43 1 : 57 2003 2015 2019 VERHÄLTNIS VON LÖHNEN UND MANAGER/INNENGEHÄLTERN Eine im April 2020 von der AK Wien durchgeführ- tungspolitik von Aufsichtsräten braucht es einen te Analyse der im Austrian Traded Index (ATX) „Angemessenheitsfaktor” von ArbeiterInnen- gelisteten Unternehmen zeigte, dass ein durch- und ManagerInnengehältern, um ein weiteres schnittliches Managementgehalt im Jahr 2019 Auseinanderdriften zu verhindern. Außerdem bei 1,9 Millionen Euro lag. Das ist 57-mal mehr als ist zentral, dass sich das Management Ziele im ein mittleres Einkommen in Österreich und der Interesse der MitarbeiterInnen steckt und da- zweithöchste Wert seit der ersten Erhebung im bei die Belegschaft einbindet: Wie zum Beispiel Jahr 2003. Der Trend der letzten Jahre bestätigt die Sicherung der Arbeitsplätze, die Gestaltung sich: Vorstandsvergütungen haben sich in den der Arbeitsbedingungen oder Gesundheits- und großen börsennotierten Unternehmen immer Sicherheitsfragen im Betrieb. Große Unterneh- mehr vom übrigen Lohn- und Gehaltsgefüge abge- men, die während der Corona-Krise staatliche koppelt. Ein Beispiel: In der voestalpine verdienen Zuwendungen bekommen haben, müssen in je- ManagerInnen das 41-fache ihrer Beschäftigten. dem Fall die Ausschüttung von Boni pausieren und in den Erhalt von Arbeitsplätzen im Betrieb Die SpitzenverdienerInnen investieren. Die Spitzenreiter im Gehaltsranking sind Rai- ner Seele (OMV) mit 7,2 Millionen, Wilhelm Zum Weiterlesen: Hörmanseder (Mayr-Melnhof) mit 5,2 Millionen AK Wien/Marie Jahoda - Otto Bauer Institut (2020): und Anas Abuzaakouk (BAWAG) mit 4,9 Mil- Einkommensverteilung. Für die Vielen, nicht die lionen Euro Jahresgehalt. Angesichts der Höhe Wenigen, unter: von Managementbezügen und der wachsen- http://bit.do/managerinnengehaelter01 den gesellschaftlichen Ungleichheit muss über eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer Wieser, C. (2020): Vorstandsvergütung in den ATX nachgedacht werden. Nur so kann der immense Unternehmen. Gehälter-Ranking und Vergütungs- Reichtum an der Spitze der Einkommenspyra- politik nach AktRÄG 2019, AK Wien, unter: mide gerecht umverteilt werden. Für die Vergü- http://bit.do/managerinnengehaelter02 8 | Faktencheck
Armutsgefährdung UNGLEICHHEIT Es trifft 1,5 Millionen Menschen Die Armutsgefährdungsschwelle liegt 2020 in Ös- liche Offensive von Nöten, um Armut effektiv zu terreich bei 1.286 Euro monatlich für Ein-Perso- bekämpfen. Die Anhebung der Nettoersatzrate nen-Haushalte. Bei einem Erwachsenen mit einem beim Arbeitslosengeld auf 70 % und die Erhöhung Kind sind es 1.671 Euro und für zwei Erwachsene der Notstandshilfe, sowie Investitionspakete zur mit zwei Kindern 2.700 Euro. In Österreich sind möglichst raschen Senkung der Arbeitslosigkeit rund 1,5 Millionen Menschen oder 17 % der Gesamt- bieten sich in der Krise als effektive Mittel gegen bevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefähr- die Armutsbedrohung an. Dazu gehören auch det. In Oberösterreich trifft es 156.000 Menschen eine Jobgarantie und der Ausbau des sozialen oder 11 % der Bevölkerung. 303.000 Kinder und Ju- Wohnbaus. gendliche leben in armutsgefährdeten Haushalten und das in einem der zwanzig reichsten Länder der WUSSTEST DU SCHON? Welt. Nach dem Corona-Lockdown und dem star- 15 % der armutsbetroffenen Kinder und Jugendlichen le- ken Anstieg der Arbeitslosigkeit ist damit zu rech- ben in überbelegten Wohnungen, 10 % in schimmeligen nen, dass diese Zahlen erneut steigen werden. und 18 % in lauten Wohnsituationen. Im Durchschnitt haben sie nur 14 qm² Platz zum Leben, Spielen und Ler- Gesamtstaatliche Offensive nen. Das erschwert den sozialen Aufstieg durch Bildung In einer derartigen Situation ist eine gesamtstaat- erheblich. WO LIEGT DIE ARMUTSSCHWELLE? WER IST BETROFFEN? 1 ERWACHSENE/R 1 ERWACHSENE/R 2 ERWACHSENE 2 ERWACHSENE + 1 KIND + 2 KINDER Quelle: Armutskonferenz/Statistik Austria, 2020 BETROFFENE 321.000 BETROFFENE 261.000 BETROFFENE 16.000 BETROFFENE 116.000 Armutsschwelle Armutsschwelle Armutsschwelle Armutsschwelle 1.286 € 1.671 € 1.929 € 2.700 € Faktencheck | 9
Demokratie UNGLEICHHEIT Wer beteiligt sich? „MIT MEINER STIMME BEI DER NATIONALRATSWAHL KANN ICH DIE Quelle: SORA, 2019 ZUKUNFT ÖSTERREICHS MITBESTIMMEN.“ 55 % 42 % 29 % 70 % 19 % 81 % nicht wenig sehr ziemlich nicht wenig sehr ziemlich nicht wenig sehr ziemlich ökonomisch ökonomisch ökonomisch schwächstes Drittel mittleres Drittel stärkstes Drittel Ökonomische Ungleichheit schafft nicht nur In der oberen Dienstklasse geben 70 % an sich für unterschiedliche Lebensbedingungen, sondern Politik zu interessieren, bei den ArbeiterInnen mit sie beeinflusst auch die Beteiligung am demo- formal niedriger Qualifikation sind es 50 % und nur kratischen Prozess. Nur 42 % des ökonomisch 30 % bei den Arbeitslosen. Die Politik hat ein Glaub- schwächsten Drittels der ÖsterreicherInnen glau- würdigkeitsproblem, sie scheint die Interessen der ben, dass sie mit ihrer Stimme bei Wahlen etwas ArbeiterInnen und der ökonomisch Benachteilig- verändern können. Hingegen sind 81 % aus dem ten nicht ordentlich zu vertreten, sondern nur die reichsten Drittel der ÖsterreicherInnen davon Interessen der besser Gestellten. Das ist eine Seite überzeugt, dass ihre Stimme etwas zählt. Dem- der laufend sinkenden Wahlbeteiligungen. entsprechend geht nur die Hälfte des ökonomisch schwächsten Drittels wählen, während es 80 % Auf der anderen Seite stehen 1,4 Millionen Men- des reichsten Drittels tun. schen, die nicht wählen dürfen, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben oder gar Politikverdruss in der arbeitenden Bevölkerung hier geboren sind, da sie z.B. eine andere Staats- Nach einer Arbeiterkammererhebung beteiligten bürgerschaft haben. Damit sich wirklich alle sich hauptsächlich die Beamten und Angestellten in Menschen, die in Österreich leben, am demokra- leitenden und mittleren Positionen an der National- tischen Prozess beteiligen können, braucht es ratswahl 2017. Deutlich weniger manuell Arbeiten- eine Änderung des Wahlrechts: Jeder Mensch mit de gingen zur Wahl und überhaupt nur die Hälfte Lebensmittelpunkt in Österreich soll nach drei aller Arbeitslosen. Das Interesse an Politik im All- Jahren das aktive und das passive Wahlrecht aus- gemeinen ist ein Spiegelbild der Wahlbeteiligung. üben können. 10 | Faktencheck
Gemeinwohl SOZIALSTAAT Alle leisten einen Beitrag Ob Straße, Schiene, Krankenhaus oder Schule: kommensanteil, der für diese Steuern aufgewendet Wir alle leisten mit unseren Steuern und Abga- wird. Haushalte mit niedrigen Einkommen müssen ben einen Beitrag zum Gemeinwohl. Die Lohn- einen größeren Anteil für Konsumausgaben verwen- steuer liefert mit etwa 28 Milliarden Euro einen den (z.B.: Lebensmittel, Miete, Handyrechnungen) großen Teil der öffentlichen Einnahmen. Sie ist in und bezahlen dafür Mehrwertsteuer. Haushalte am Österreich progressiv gestaltet: Sie steigt mit dem oberen Ende der Einkommensverteilung sparen hin- Anwachsen des Einkommens an. Verdient man gegen einen beträchtlichen Anteil ihres Einkommens 1 Million Euro, so wird der höchste Steuersatz von und zahlen dafür keine Mehrwertsteuer. 55 % schlagend. Die Einkommenssteuer für Selbst- ständige bringt in etwa 5 Milliarden Euro. Neben Entlastung der Einkommen aus Arbeit den Steuereinnahmen machen die Sozialversiche- Klar ist, dass wir alle in den Sozialstaat einzahlen rungsbeiträge der DienstnehmerInnen 30 Milliar- und ihn damit finanzieren. Jedoch sind Einkom- den bei den öffentlichen Einnahmen aus. Diese sind men aus Arbeit wesentlich höher steuerlich belastet prozentual für alle gleich, außer bei der Deckelung als Kapitaleinkommen. Letztere generieren nur 2,3 der Höchstbeitragsgrundlage für sehr hohe Einkom- Milliarden Euro und sind mit 25 % auf Zinseinkom- men und der Befreiung von geringen Einkommen. men und 27,5 % auf Dividenden recht niedrig be- Der größte Teil der Steuereinnahmen kommt jedoch steuert. Es wird also Zeit für Gerechtigkeit zu sor- aus der Mehrwertsteuer (29 Milliarden Euro). Kon- gen, die Arbeitseinkommen zu entlasten und von sumsteuern, wie die Mehrwertsteuer, wirken regres- den Kapitaleinkommen einen gerechten Beitrag zu siv: je höher das Einkommen, desto niedriger der Ein- verlangen. WER TRÄGT WIEVIEL ZUM GEMEINWOHL BEI? Jedes Symbol = 1 % Steuern und Abgaben vom Einkommen. Steuer auf Konsum Sozialversicherung Einkommenssteuer Kapitalertragssteuer Quelle: Humer/Moser, 2016 Steuern und Abgaben des Steuern und Abgaben des Steuern und Abgaben des unteren Drittels: 33,7 %. mittleren Drittels: 37,5 %. oberen Drittels: 40,5 %. Faktencheck | 11
Pensionen SOZIALSTAAT Das System funktioniert – aber nur für Männer! Immer wieder kommt das heimische Pensionssys- terreich 1.196 Euro pro Monat. Die Mindestpension tem unter Druck: Seit der Einführung des Umla- liegt für Einzelpersonen bei 966 Euro monatlich. geverfahrens versuchen neoliberale Parteien und 76 % zuerkannter Alterspensionen liegen über die- Gruppen gegen die Interessen der Allgemeinheit sem Richtwert. Während 89 % der Männer auf 40 die private Pensionsvorsorge durchzusetzen. Dem Versicherungsjahre kommen, sind es lediglich 41 % österreichischen Pensionssystem wird im Inland der Frauen. Männer erhalten im Durchschnitt 42 % der Kollaps nachgesagt, während es im Ausland mehr Pension als Frauen. In Oberösterreich sind es gelobt wird. Allen Unkenrufen zum Trotz bleibt sogar 47%, das ist die zweitgrößte Kluft zwischen festzuhalten: Unser Pensionssystem ist stabil und Männer- und Frauenpensionen nach Vorarlberg. sicher. Damit das System weiterhin so gut funk- Es besteht also dringender Handlungsbedarf. tionieren kann, gilt es genügend Menschen in den Um den Pensionsunterschied zwischen Män- Arbeitsprozess zu integrieren und für gute Löh- nern und Frauen auszugleichen, braucht es unter ne zu sorgen. Deshalb sind Forderungen wie eine anderem eine Ausweitung der Anrechnung von Jobgarantie und gute Löhne so wesentlich, weil sie Karenzzeiten und den flächendeckenden Aus- neben dem laufenden Einkommen, auch das Aus- bau der Kinderbetreuung, sowie die allgemeine kommen der derzeitigen PensionistInnen sichern, Aufwertung von Zeiten der Kinderbetreuung und sowie später einmal die eigene Rente. Gerade in der Pflege für die Pension. Ziel muss für alle Pensio- Corona-Krise hat es sich als Vorteil herausgestellt, nen weiterhin bleiben, die Kaufkraft der Pensio- dass 90 % der Pensionsleistungen in Österreich nistInnen zu stärken, um Altersarmut vorzubeu- nicht an die dramatisch gesunkenen Börsenkurse gen und auch der jüngeren Generation ein gutes angebunden waren, wie es bei privaten Pensions- System zu übergeben. versicherungen der Fall ist. Zum Weiterlesen: Oberösterreich bei Frauenpensionen Vorletzter Wöss, J. (2020): Sozialstaat – Stabilitätsanker in der Die durchschnittliche Alterspension beträgt in Ös- Krise, unter: http://bit.do/pensionen BRUTTOPENSIONEN VON FRAUEN UND MÄNNERN IM VERGLEICH Quelle: MA 23 - Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien, 2020 2254 € 2032 € 2051 € 1901 € 1938 € 1989 € 1968 € 1899 € 1855 € Männer 1327 € 1173 € 1147 € 1102 € 1073 € 1053 € 1090 € 1072 € 999 € Frauen Vorarlberg Oberösterreich Tirol Burgenland Steiermark Niederösterreich Salzburg Kärnten Wien 12 | Faktencheck
Jugendarbeitslosigkeit SOZIALSTAAT Unsere Zukunft sichern JUGENDARBEITSLOSIGKEIT STEIGT RASCH SEPTEMBER 2019 SEPTEMBER 2020 62.853 + 10,6 % 69.503 Quelle: BMAFJ, 2020 Rutscht die Wirtschaft in die Krise steigen die Ar- selben Zeitpunkt 4.330, das ist ein Plus von 20 %. beitslosenzahlen und weniger neue Arbeitskräfte Eine verlorene Generation droht, deshalb braucht werden eingestellt. Jobchancen für Schulabsol- es ein Jugendrettungspaket. Die überbetrieb- ventInnen gehen genauso zurück wie das Lehr- lichen Ausbildungsangebote müssen ausgebaut stellenangebot. Außerdem sind junge Menschen und eine Jobgarantie für junge Menschen einge- eher von Kündigungen betroffen als ältere: Denn in führt werden. Für SchulabsolventInnen, die in die älteren Arbeitskräfte haben die Unternehmen der aktuellen Krise keine Arbeit finden können, schon mehr Geld und Zeit investiert. Auch rechtlich gilt es zusätzliche Ausbildungsprogramme zu drückt sich dieses Missverhältnis in kürzerer Kün- entwickeln. Eine Job- und Ausbildungsgarantie digungsfrist und schwächerem Kündigungsschutz für alle unter 25 Jahren ist das wirksamste Mittel bei weniger langer Betriebszugehörigkeit aus. um eine verlorene Generation zu verhindern und jungen Menschen auch in der Corona-Krise Zu- Eine verlorene Generation droht kunftsperspektiven zu geben. Nach dem ersten Corona-Lockdown ist der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit umso dramatischer. Im September 2020 waren österreichweit 69.503 WUSSTEST DU SCHON? junge Menschen entweder arbeitslos oder in Schu- Eine Arbeitslosigkeitsdauer von sechs Monaten bei lungen. 8.406 davon waren auf Lehrstellensuche. 22-jährigen führt zu einem um 8 % geringeren Stun- Das ist ein Plus von 10,6 % gegenüber dem Vorjahr. denlohn im Alter von 23 Jahren. Mit 26 Jahren liegt der Im selben Zeitraum waren in Oberösterreich 5.201 Lohnunterschied immer noch bei 5 % und mit 30 bis 31 Personen unter 25 arbeitslos, 2019 waren es zum Jahren bei 2 bis 3 %. Faktencheck | 13
WIEVIELE NEET-JUGENDLICHE GIBT ES IN ÖSTERREICH? SOZIALSTAAT Szenarien: NEET-Quote nach BIP-Entwicklung 12 % 11 % 10 % 9% 8% Quelle: Bacher, Tamesberger/Eurostat, 2020 7% 6% 5% Szenario 2: BIP -7,5 % Szenario 3: BIP -10 % Szenario 1: BIP -5 % 4% 3% 2% 1% 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Jugend ohne Zukunft Ausbildung schafft Perspektiven Junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die sich Jobgarantie für Jugendliche weder in Beschäftigung, Ausbildung oder Schulung Unternimmt man nichts wird die NEET-Quote befinden, werden als „NEET“ (Not in Employment, durch die angespannte Situation am Arbeits- Education or Training) bezeichnet. Die NEET-Quote markt weiter steigen. Sinnvolle Maßnahmen lag 2019 in Österreich bei 7,1 %, das sind 65.200 Be- zur Vermeidung eines wachsenden NEET-Teils troffene. Bis 2009 ist die NEET-Quote leicht zurück- unter Jugendlichen sind Jugendcoachings und gegangen, seitdem hat sie sich auf hohem Niveau eine Ausbildungspflicht bis 18, sowie eine Aus- verfestigt. In Oberösterreich zeichnete sich 2019 bildungsgarantie bis 25 Jahre. So geben wir vielen eine positive Entwicklung ab: die NEET-Quote sank jungen Menschen eine gute Zukunftsperspektive auf 5,3 %. Durch die generell steigende Arbeitslosig- und verhindern eine verlorene Generation. keit in der Corona-Krise und die fehlende Unter- stützung für Junge wird die NEET-Quote wieder ansteigen. Statistisch am häufigsten betroffen sind Zum Weiterlesen: ältere Jugendliche, Jugendliche in Städten und Ju- Bacher, J. (2020): NEET-Jugendliche in Österreich: gendliche mit Migrationshintergrund. Die Gründe Problemausmaß, volkswirtschaftliche Kosten und sind meist früher Schulabgang oder Erkrankungen, Handlungsempfehlungen, unter: bei Frauen oft auch Betreuungspflichten. http://bit.do/neet-jugendliche 14 | Faktencheck
Gesundheit und Pflege SOZIALSTAAT Weg mit dem Sparstift! Unser Gesundheitswesen ist seit Jahrzehnten nals im Pflege- und Krankenhausbereich klagt über unter Druck. In Österreich wurden seit 1994 15 % verschiedene körperliche und psychische Beschwer- der Akutbetten eingespart. In Oberösterreich wa- den. Viele kommen aus Pflichtbewusstsein gegen- ren es sogar 20 %. Das hat sich mit dem Ausbruch über den KollegInnen auch krank zur Arbeit, damit des Coronavirus als großer Fehler herausgestellt. diese den Ausfall nicht kompensieren müssen. Das Große Teile der Gesundheitsinfrastruktur dürfen schlägt sich auf die Zufriedenheit am Arbeitsplatz daher nicht gewinnorientiert organisiert werden, nieder: Ein Großteil der Beschäftigten geht davon sondern müssen einer Bedarfsorientierung folgen. aus, dass sie ihren Beruf nicht bis zur Pension aus- Mehr Effizienz kann hingegen im besseren Zusam- üben können. Eine Aufstockung der personellen menspiel von niedergelassenen ÄrztInnen und Spi- Kapazitäten ist dringend notwendig, dafür müssen tälern erzielt werden, anstatt blind den Sparstift aber auch die Löhne angehoben und die Arbeitsbe- anzusetzen. Zur Entlastung der Spitäler braucht es dingungen attraktiver gestaltet werden. Außerdem den Ausbau von Tageskliniken und Primärversor- sollten alle Menschen, die in der Corona-Krise ihre gungszentren, die sich an den jeweiligen Bedürf- Gesundheit in systemrelevanten Jobs riskiert ha- nissen in der Region orientieren. ben, eine Bonuszahlung von mindestens 1.000 Euro erhalten, wie es in Frankreich der Fall ist. Krank in der Pflege Eine weitere Baustelle ist die Pflege und das allge- Zum Weiterlesen: meine medizinische Personal. Oberösterreich hat AK OÖ (2018): Arbeitsbedingungen in der mobi- zwar die höchste Betreuungsquote in Alten- und len und stationären Langzeitpflege in Oberöster- Pflegeheimen, aber mehr als die Hälfte des Perso- reich, unter: http://bit.do/gesundheitsberufe „IN MEINEM DERZEITIGEN BERUF HALTE ICH NICHT BIS ZUR PENSION DURCH.“ ALLE BERUFE 45 % PFLEGEBERUFE 60 % Quelle: AK OÖ, Arbeitsklimaindex 2020/1 ALTENPFLEGE 74 % Faktencheck | 15
Ein-Personen-Unternehmen SOZIALSTAAT Den Selbstbehalt endlich abschaffen WELCHE ARBEIT MACHEN EIN-PERSONEN-UNTERNEHMEN? Personenberatung & -betreuung (z.B. Pflege, Ernäherungsberatung, Personenberatung, Sportberatung) Unternehmensberatung, Buchhaltung & Informationstechnologie Persönlicher Dienstleister (z.B. Tierbetreuung, Astrologie, Energetik) Werbung & Marktkommunikation Fusßpflege, Kosmetik & MasseurInnen Direktvertrieb Gewerbliche Dienstleister (z.B. Sicherheitskräfte, ÜbersetzerInnen, Berufsdetektive) Versand-, Internet- und allgem. Handel Quelle: WKO, 2020 Freizeit- und Sportbetrieb Gastronomie 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 In Österreich sind 315.900 oder rund 60 % der Betrie- ben dem krankheitsbedingtem Verdienstausfall zu- be sogenannte Ein-Personen-Unternehmen (EPU). sätzlich kompensieren müssen. Corona hat uns ge- Ihre Zahl nimmt seit Jahren stetig zu. Die größte zeigt, dass die Gesundheit eines der höchsten Güter EPU-Gruppe ist die Personenberatung und -betreu- ist. Es muss daher allen Menschen gleichermaßen ung, der Frauenanteil liegt hier bei 93 %. Allgemein möglich sein, eine Behandlung in Anspruch zu neh- sind mehr als die Hälfte der Ein-Personen-Unter- men, die durch unser solidarisches Versicherungs- nehmen in Österreich weiblich. In Oberösterreich system abgedeckt ist und keine zusätzlichen Kosten gibt es 48.661 Ein-Personen-Unternehmen, der für die Betroffenen verursacht. Krankheit darf kei- dritthöchste Wert nach Wien und Niederösterreich. ne Kostenfrage sein, deswegen ist der Selbstbehalt in der Sozialversicherung für Solo-Selbstständige Kranksein darf keine Frage des Geldes sein und kleine UnternehmerInnen abzuschaffen. Die Corona-Pandemie ist für die EPUs aus doppel- tem Grund existenzbedrohend. Zum einen konnten WUSSTEST DU SCHON? diese während des Lockdowns ihren Tätigkeiten Laut dem Einkommensbericht der Statistik Austria von nicht nachgehen, andererseits ist Kranksein für 2018 liegt das Medianeinkommen der selbstständigen Be- Selbstständige aufgrund des 20 %-igen Selbstbe- schäftigten bei jährlich 11.617 Euro. Das entspricht einem haltes bei Artzbesuchen auch noch teuer. Für viele monatlichen Einkommen von 968 Euro und liegt somit EPUs ist das eine hohe finanzielle Hürde, die sie ne- unter der Armutsgefährdungsschwelle. 16 | Faktencheck
Löhne und Mieten SOZIALSTAAT Wohnen muss leistbar bleiben In Österreich leben knapp 42 % der Bevölkerung zur langt wurde, als gesetzlich zulässig gewesen wäre. Miete, 43 % davon in privaten Mietwohnungen. Zwi- In Oberösterreich waren 2019 etwa 38.200 Mietver- schen 2005 und 2019 sind die Durchschnittsmieten träge befristet und im Durchschnitt um 79,5 % teu- für Wohnungen inklusive Betriebskosten um 183 rer als unbefristete Mietverträge. Euro oder 52 % gestiegen. Der Verbraucherpreis- index zeigte zwischen 2007 und 2019 ein Plus von Befristete Mietverträge abschaffen 40 % bei Mietpreisen. Die Löhne ziehen mit dieser Befristete Mietverträge müssen also abgeschafft Preisentwicklung aber nicht mit: Das Medianein- werden, damit Preismanipulationen und Wucher kommen der unselbständigen Erwerbstätigen ver- aufhören. Um Wohnungspreise auf einem leistbaren zeichnet nur ein Plus von 19 %. Wohnen wird also Niveau zu halten, braucht es auch eine mutige Wohn- immer mehr zur finanziellen Belastung. raum- und Flächenwidmungspolitik. Ein Ausbau des Angebots an sozialem Wohnbau auf Gemeinde-, 70 % aller neu abgeschlossenen Mietverträge für Landes- und Bundesebene ist notwendig. Auch der private Mietwohnungen sind zeitlich befristet. Das Leerstand von Wohnungen, der das Angebot ver- bringt eine enorme Unsicherheit für MieterInnen knappt und damit die Preise in die Höhe treibt, muss mit sich. Die meisten wissen nicht, ob ihr Mietver- meldepflichtig sein. Eine Abgabe auf Wohnungen, hältnis nach der Befristung weiterlaufen wird oder deren Leerstand nicht gerechtfertigt werden kann, ob sie ohne Wohnung dastehen. Weil MieterInnen muss zur Pflicht werden. darum fürchten müssen, dass ihr Vertrag nicht ver- längert wird, werden kaum Mietzinsüberprüfungen Zum Weiterlesen: angestoßen. Eine Studie der Arbeiterkammer zu be- Fröhlich, A./Rendl, J. (2020): Höchste Zeit für eine so- fristeten Mietverträgen hat gezeigt, dass für Altbau- ziale Wohnoffensive, unter: wohnungen in Wien dadurch fast 100 % mehr ver- http://bit.do/wohnbauoffensive DIE NETTOLÖHNE KÖNNEN MIT DER MIETPREISENTWICKLUNG NICHT MITHALTEN Mietpreissteigerung in % Steigerung Bruttomedianeinkommen in % 45 % 40 % 35 % 30 % Quelle: Statistik Austria, 2018/Eigene Berechnungen 25 % 20 % 15 % 10 % 5% 0% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Faktencheck | 17
Wohnungsmarkt SOZIALSTAAT In Oberösterreich steigen die Mieten Wohnen wird für viele Menschen zu einer zuneh- ten 10 Jahren um 113 Euro, am privaten Woh- menden finanziellen Belastung. Haushalte in priva- nungsmarkt um 127 Euro. Linz liegt mit seinen ten Mietverhältnissen gaben 2019 im Durchschnitt Mietpreisen unter dem Durchschnittsniveau des 27 % ihres Einkommens für die Miete aus, bei ar- Landes. Insgesamt sind über die Hälfte der Woh- mutsgefährdeten Haushalten waren es sogar 37 %. nungen in Linz in Privatbesitz, jedoch ist knapp In Städten liegt der Schnitt noch höher: 40 % des ein Viertel im Eigentum von gemeinnützigen Einkommens wurde für die Miete aufgebraucht. Bauträgern. Mit dem derzeitigen Bauoffensiven für Wohnungen wird das Angebot an die demo- Teurer privater Wohnungsmarkt graphische Entwicklung angepasst und einer Ver- Mit 45 % wohnt der Großteil der Oberösterrei- knappung von Wohnraum vorgebeugt. Allerdings cherInnen im Hauseigentum, wesentlich weniger braucht ganz Oberösterreich dringend ein erwei- (8%) im Wohnungseigentum. Genossenschafts- tertes Angebot an sozialem Wohnungsbau und wohnungen machen mit 21 % den größten Teil der eine mutige Flächenwidmungspolitik. Mietwohnungen in Oberösterreich aus. 12 % leben in privaten Mietwohnungen. Die Durchschnitts- miete liegt hier bei 506 Euro inklusive Betriebs- WUSSTEST DU SCHON? kosten. In einer Genossenschaftswohnung be- In Oberösterreich gibt es gerade einmal 3 % Gemein- zahlt man 30 Euro weniger als der Durchschnitt, dewohnungen. Dort bezahlt man durchschnittlich 393 in einer Privatwohnung 65 Euro mehr. Die Miete Euro Miete, das sind 113 Euro weniger als die Durch- in Genossenschaftswohnungen stieg in den letz- schnittsmiete in Oberösterreich. WIE ENTWICKELN SICH DIE DURCHSCHNITTSMIETEN IN OBERÖSTERREICH? Privatwohnung Genossenschaftswohnung 30 % Quelle: Statistik Austria, 2020/Eigene Berechnungen 25 % 20 % 15 % 10 % 5% 0% 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 18 | Faktencheck
Gewalt an Frauen SOZIALSTAAT Verdoppelung der Frauenmorde in nur 5 Jahren Die Zahl der Frauenmorde stieg in den letzten Beratung und Informationen für Frauen, Jahren erschreckend stark an. In vielen Fällen die von Gewalt betroffen sind, gibt es bei der gehen diese Taten von den Ehemännern oder Ex- Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 Partnern aus. Parallel dazu sparte die schwarz- blaue Regierung massiv bei Frauenhäusern und FRAUENMORDE IN ÖSTERREICH Gewaltschutzorganisationen ein. Dazu kommt, dass die Sicherheitskonzepte für Frauenhäuser 5 10 15 20 25 30 35 40 immer mehr aufgeweicht werden. Bis zum Novem- ber 2020 ereigneten sich bereits 20 Morde und 22 Mordversuche bzw. schwere Gewalt gegen Frauen. 2014 Im Jahr 2019 wurden 39 Frauen ermordet. Jede fünfte Frau ist im Laufe ihres Lebens körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau 2015 erfährt ab ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Beläs- tigung, jede 7. Frau ist von Stalking betroffen. Im 2016 Jahr 2018 suchten 18.526 von häuslicher Gewalt Betroffene Gewaltschutzzentren und Interventi- onsstellen auf. Die Dunkelziffer ist aber wesentlich 2017 höher, da nicht alle Gewalttaten angezeigt werden. Platzmangel in Frauenhäusern 2018 Für Oberösterreich hat der Landesrechnungs- hof vorgerechnet, dass es 2019 148 Plätze in Quelle: AOEF, 2020 Frauenhäusern gebraucht hätte, aber nur 41 ver- 2019 fügbar waren. Bis 2026 sind 18 zusätzliche Plät- ze geplant, das ist aber viel zu wenig. Mit 58 % ist Platzmangel der häufigste Grund, warum schutzsuchende Frauen in Frauenhäusern nicht aufgenommen werden können. Es braucht daher schnellstmöglich eine Initiative zum Aus- und WUSSTEST DU SCHON? Neubau von Gewaltschutzeinrichtungen. Im Gewalt von Männern gegen Frauen kommt in allen so- März 2020, während der ersten Hochphase der zialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Corona-Pandemie, hatten österreichische Frau- Berufsgruppen vor. Gewalt an Frauen ist ein gesamtge- enhäuser Alarm geschlagen, dass das Limit ihrer sellschaftliches Problem. Die Ursachen dafür wurzeln Kapazitäten erreicht sei. Häusliche Gewalt traf tief, beispielsweise in der Abwertung von Frauen, be- nicht nur Frauen, sondern auch Kinder. leidigender Sprache und patriarchalen Rollenbildern. Faktencheck | 19
BESCHÄFTIGUNG Beschäftigungslosigkeit Ein Recht auf Arbeit Arbeit bringt finanzielle Unabhängigkeit, aber sie lich wie bei der Aktion 20.000). Die öffentliche Hand trägt auch wesentlich zur sozialen Teilhabe und schafft für Gruppen mit Vermittlungsschwierigkei- dem menschlichen Wohlbefinden bei. Im Septem- ten (v.a. BerufseinsteigerInnen, Langzeitbeschäf- ber 2020 waren in Oberösterreich jedoch 48.392 tigungslose und ältere Arbeitslose) eine Beschäfti- Menschen (+22 % zum Vorjahr) arbeitslos oder gungsmöglichkeit. Arbeitslose können sich so ein in Schulungen. Es muss also schnellstmöglich Netzwerk aufbauen und bestehende Qualifikatio- gehandelt werden. Beschäftigungslosigkeit ver- nen ausbauen oder neue erlernen. Die Gesellschaft schlechtert den Gesundheitszustand und die Le- profitiert wiederum von sinnvollen Produkten und benszufriedenheit. Zu existentiellen Sorgen und Dienstleistungen. Neben den vielen psychosozialen möglicher Armutsgefährdung kommt, aufgrund und materiellen Vorteilen für Arbeitslose hat eine von gesellschaftlicher Stigmatisierung, auch psy- Jobgarantie auch gesamtwirtschaftlich gesehen chischer Druck, so schnell wie möglich wieder eine Vorteile: Sie wirkt gegen die Krise am Arbeitsmarkt Arbeit zu finden. Für viele Menschen funktioniert und stabilisiert die Konsumnachfrage. das aber nicht. Österreichweit waren im Septem- ber 2020 120.516 Personen Lanzeitbeschäftigungs- Zum Weiterlesen: los. In Oberösterreich waren 5.946 Personen seit Tamesberger, D./Theurl, S. (2019): einem Jahr oder länger auf Arbeitssuche, das ist ein Mit einer Jobgarantie die Knappheit an Plus von 62% gegenüber dem Vorjahr. Arbeitsplätzen bekämpfen, unter: http://bit.do/beschaeftigungslosigkeit01 Psychosoziale und ökonomische Vorteile Eine Jobgarantie ist eine so einfache wie elegante Picek, O. (2020): Eine Jobgarantie für Österreichs Lösung für Arbeitslosigkeit: Es werden öffentliche Langzeitarbeitslose, unter: und gemeinnützige Arbeitsplätze finanziert (ähn- http://bit.do/beschaeftigungslosigkeit02 WIEVIELE LANGZEITBESCHÄFTIGUNGSLOSE GIBT ES IN ÖSTERREICH? SEPTEMBER 2019 SEPTEMBER 2020 94.210 120.516 +28 % Quelle: AMS, 2020 20 | Faktencheck
BESCHÄFTIGUNG Arbeitszeitverkürzung Weniger Arbeit, mehr Leben Seit 1950 ist die Arbeitszeit nur leicht gesunken – obwohl wir siebenmal so produktiv sind. 5 €/h 1950 48 h 15 €/h 1975 40 h 25 €/h 1995 41 h 35 €/h 2015 43 h Quelle: ÖNB, WKO PRODUKTIVITÄT ARBEITSZEIT Wieviel wir pro Stunde leisten. Anzahl der Stunden, die wir pro Woche arbeiten. Durch das Krisen-Instrument „Kurzarbeit“ wurde Die Reduktion der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei die Debatte um eine generelle Verkürzung der Ar- vollem Lohnausgleich hat auch die Suche nach ge- beitszeit wieder laut. Seit 1950 hat sich die Produkti- eigneten Fachkräften erleichtert. Das Unternehmen vität der Arbeit versiebenfacht. Gleichzeitig sank die verzeichnet neben höherer Zufriedenheit der Arbeit- durchschnittliche Arbeitszeit seit 1950 nur bis in die nehmerInnen auch wirtschaftliche Erfolge. 1970er Jahre. Danach stieg sie wieder leicht an. Die ÖsterreicherInnen arbeiten im Schnitt 43 Stunden in Arbeit umverteilen der Woche, das ist das zweithöchste Wochenstunden- Eine generelle Arbeitszeitverkürzung trägt zur volumen in der EU. Nur in Griechenland wird mehr Linderung der aktuell grassierenden Arbeitslosig- gearbeitet. Von der ArbeitgeberInnenseite wird Ar- keit bei und hilft bei der Neuverteilung von Arbeit. beitszeitverkürzung aber oft als standortschädlich Nicht nur für Menschen in Vollzeitarbeit hat eine abgelehnt. Dabei zeigt die voestalpine in Linz wie es Verkürzung der Arbeitszeit Vorteile, auch für Men- geht: Dort arbeiten 1.000 Beschäftigte seit der Stahl- schen in Teilzeitarbeit bringt es eine effektive Lohn- krise 2008 in einem Fünfschicht-Modell nur 34 Stun- erhöhung. All diese Aspekte tragen zur Zufrieden- den. Diese Umstellung brachte 55 freie Tage mehr im heit und Produktivität der ArbeitnehmerInnen bei, Jahr und trug wesentlich zur Zufriedenheit der Mit- was sich wiederum, wie wir am Beispiel eMagnetix arbeiterInnen und zur Verbesserung des Betriebs- sehen können, positiv auf die Geschäftseinnahmen klimas bei. Anfangs hatte dies 3,58 % Lohneinbußen der Unternehmen auswirkt. vom Bruttolohn zur Folge. Die ersten zwei Jahre wurde die Hälfte des Verdienstentgangs vom Arbeits- WUSSTEST DU SCHON? marktservice ersetzt, dann sprang der Konzern ein, Laut einer Umfrage von karriere.at befürwortet jede/r bis der Kollektivvertrag wieder den ursprünglichen zweite ArbeiternehmerIn eine 30-Stunden Woche, nur je- Wert erreicht hatte. Das neue Modell schuf zusätzlich de/r fünfte ist für die Beibehaltung der 40-Stunden Woche. neue Arbeitsplätze. Ähnlich bei dem Online-Marke- Überraschend: 60 % der befragten ArbeitgeberInnen sind ting Unternehmen eMagnetix aus Bad Leonfelden: für eine 30-Stunden Woche. Faktencheck | 21
BESCHÄFTIGUNG WIE VIEL VERDIENEN MENSCHEN IN SYSTEMERHALTENDEN BERUFEN? 1.836 € Mediannettoeinkommen 1.680 € 1.610 € 1.518 € 1.258 € 1.107 € Quelle: SORA, 2020 BERUFSFAHRER/ KINDERGARTENPÄDAGOGIN/ ALTENPFLEGE UND KASSIERERIN/ REINIGUNGSKRAFT LIEFERDIENST KINDERBETREUUNG BEHINDERTENBETREUUNG REGALBETREUERIN Systemrelevante Berufe Bessere Löhne statt Applaus Die Corona-Krise hat Frauen besonders getroffen: Im Handel sind es 7 %. Zu Arbeitsverhältnissen mit Sie machen 85 % aller Beschäftigten aus, die durch einem geringen Stundenausmaß kommt zusätzlich den ersten Corona-Lockdown ihre Arbeit verloren noch ein sehr geringer Stundenlohn. Eine Reini- haben. Im September 2020 suchten österreichweit gungskraft erhielt 2020 1.107 Euro netto für Voll- 162.445 Frauen nach Arbeit. Und das obwohl in den zeitarbeit, eine KassiererIn oder RegalbetreuerIn im systemrelevanten Berufen, die das Land am Laufen Einzelhandel bekommt im Durchschnitt 1.258 Euro. gehalten haben, mehr Frauen als Männer arbeiten. Jobs, die sich während und nach dem Lockdown als KassiererInnen und RegalbetreuerInnen sind zu systemrelevant erwiesen haben, müssen deutlich über drei Viertel weiblich, dasselbe gilt für Reini- besser entlohnt bzw. generell neu bewertet werden. gungskräfte oder medizinisches Assistenzperso- Hier geht es nicht nur um Wertschätzung für diese nal. Auch Behinderten- und AltenpflegerInnen sind wichtigen Tätigkeiten, sondern auch darum, dass meist Frauen. KindergartenpädagogInnen sind zu prekäre Arbeit und ihre Entlohnung auf die gesam- 88 % weiblich und LehrerInnen zu 58 %. Nur in der te Lohnentwicklung drückt. Altersarmut beson- öffentlichen Sicherheit, bei den BerufsfahrerInnen ders bei Frauen kann so verhindert werden. und Lieferdiensten sind 85-91 % Männer. Systemrelevante NiedrigverdienerInnen Zum Weiterlesen: Der Anteil an Menschen mit Migrationshinter- Schönherr, D./Zandonella, M. (2020): Arbeitsbe- grund liegt in der Reinigungsbranche bei 56 % und dingungen und Berufsprestige von Beschäftigten bei 22 % unter den Kassa- und Verkaufskräften. 14 % in systemrelevanten Berufen in Österreich, unter: der Reinigungskräfte sind geringfügig angestellt. http://bit.do/systemrelevant 22 | Faktencheck
BESCHÄFTIGUNG Arbeit und Gesundheit Gesundheit ist das höchste Gut Die Zahl der Arbeitsunfälle ist in den vergangenen das Coronavirus machen. Gleichzeitig waren es Jahrzehnten deutlich zurückgegangen, 2018 gab diese ArbeitnehmerInnen, die kaum ins Home-Of- es 110.000 Unfälle und 148 Tote. Dennoch gibt es fice wechseln konnten. Ein Drittel fühlte sich nicht noch genügend Branchen und Berufe, in denen ausreichend vor einer Ansteckung geschützt. 31 % unter widrigen und gefährlichen Bedingungen ge- mussten zur Arbeit gehen, obwohl sie sich vor ei- arbeitet werden muss. 2020 fühlten sich Beschäf- ner Ansteckung fürchteten. Weitere 31 % mussten tigte, besonders in Handwerksberufen oder am Überstunden machen und 25 % wollten sich frei- Bau sowie in den Fabriken, durch Unfall- und Ver- nehmen, aber durften nicht. Arbeitsbedingungen, letzungsgefahr belastet. Aber auch Beschäftigte die krank machen, sind nicht akzeptabel. Die Frei- im Handel und PflegerInnen klagen über Gefähr- stellung der “Risikogruppen” sollte auch für Men- dungen im Beruf. In all diesen Branchen müssen schen gelten, die Kinder oder Angehörige haben, Beschäftigte häufig Überstunden leisten, an den die besonders durch das Coronavirus bedroht Wochenenden oder in der Nacht arbeiten. Mehr sind. Zusätzlich müssen Überstunden durch län- als die Hälfte klagt über Zeitdruck und fast zwei gere Ruhephasen ausgeglichen werden. Eine all- Drittel über schlechte Gesundheitsbedingungen. gemeine Arbeitszeitverkürzung mit Personalaus- Vier von zehn Befragten halten es für unwahr- gleich verringert nicht nur das Arbeitsvolumen, scheinlich, im derzeitigen Beruf bis zur Pension sondern reduziert auch Unfälle am Arbeitsplatz durchzuhalten. durch Unachtsamkeit oder Zeitdruck. Neue Gefahr durch Corona Beschäftigte in gefährlichen Berufsbranchen zie- WUSSTEST DU SCHON? hen sich häufiger chronische Vorerkrankungen Regelmäßig 10 statt 8 Stunden arbeiten, erhöht das Unfall- der Atemwege zu oder leiden an Bluthochdruck. risiko um 80 %. Und das nicht nur bei der Arbeit selbst, son- Alles Krankheiten, die sie zur Risikogruppe für dern besonders für PendlerInnen auch auf dem Arbeitsweg. WIE WAR DIE SITUATION GEFÄHRLICHER BERUFE IN DER CORONA-KRISE Gefährliche Berufe Andere 30 % 25 % Quelle: AKOÖ, Arbeitsklimaindex 2/2020 20 % 15 % 10 % 5% 0% „Ich wollte freinehmen, „Ich musste Überstunden machen.“ „Ich musste zur Arbeit gehen, obwohl durfte aber nicht.“ ich eine Ansteckung befürchtet habe.“ Faktencheck | 23
BESCHÄFTIGUNG Prekäre Arbeit Instabile Beschäftigung drückt die Löhne WIE INSTABILE BESCHÄFTIGUNG ZU EINKOMMENSVERLUSTEN FÜHRT 3,42 % 2,82 % 2,78 % 2,8 % 2,46 % 2,27 % 2,37 % 2,86 % 2,43 % Zweijahres- 1,73 % 2,01 % 1,86 % 1,72 % 2,24 % 1,93 % 1,71 % betrachtung 0,85 % 0,83 % 1,27 % 0,24 % 0,36 % 0,61 % 0,47 % Gesamt- Quelle: HFCS, 2014 betrachtung -0,89 % -0,31 % -0,04 % -0,87 % -0,74 % -0,51 % -0,29 % -0,44 % -0,21 % -1,46 % -1,90 % 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 In den letzten Jahrzehnten kam es zu einer ver- gewachsen. Die Realeinkommen aller Erwerbs- stärkten Trennung des Arbeitsmarkts in sichere tätigen, also inklusive der instabil Beschäftigten, gut bezahlte und unsichere meist schlecht be- sind in den meisten Jahren gesunken, geringe zahlte Jobs. Der Anteil der ArbeitnehmerInnen in Zuwächse gab es nur in einzelnen Jahren. Das zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen ist seit liegt daran, dass instabil Beschäftigte von der der Jahrtausendwende gewachsen. Im Gegenzug kollektivvertraglichen Lohnsteigerung oft ausge- sank die Zahl der Beschäftigten in Vollzeitarbeits- schlossen bleiben. Es braucht also arbeitsmarkt- verhältnissen zwischen 2000 und 2017 um 13 % politische Maßnahmen zur Förderung stabiler auf 71 %. Rund ein Drittel der unselbständig Be- Beschäftigung sowie verstärkte Kontrollen und schäftigten ist nicht mehr im gesamten Kalen- Strafen bei Sozialdumping. derjahr angestellt. Gerade im Tourismus und in der Baubranche sind solch instabile Beschäfti- gungsverhältnisse zur Normalität geworden. WUSSTEST DU SCHON? Stabile Beschäftigung ausweiten Wirtschaftskrisen führen zu instabilen Beschäftigungsver- Dies drückt auch auf die Lohnentwicklung in hältnissen. Nach der Finanzkrise 2009 wurden 60.000 Voll- Österreich. Die Realeinkommen der durchgän- zeitstellen abgebaut. 2013 war der Anstieg der Teilzeitstellen gig Beschäftigten sind von 2000 bis 2017 jährlich doppelt so hoch wie bei Vollzeitstellen. 24 | Faktencheck
BESCHÄFTIGUNG Gleichbehandlung Gleicher Lohn für gleiche Arbeit In Österreich sind es immer noch die Frauen, die den machen, um die Lohnschere zwischen Männern und Großteil der unbezahlten Kinderbetreuungs- und Frauen endlich zu schließen. Pflegearbeit leisten. Das zwingt viele Frauen zur Reduktion ihrer Arbeitszeit. Fehlende Ganztagsbe- Zum Weiterlesen: treuung in Schulen und Kindergärten, sowie ver- Hehenberger, A./Muckenhuber, M. (2020): altete Rollenzuschreibungen tun dazu ihr Übriges. Corona-Herbst & Kinder: Frauen nicht wieder Frauen sind überdurchschnittlich oft in Branchen alleine lassen, Policy Brief 16/2020, unter: tätig, die gar keine Vollzeitarbeitsplätze anbieten http://bit.do/gleichbehandlung01 oder hohe Teilzeitquoten haben. Auch deshalb hat Österreich mit 48 % die zweithöchste Teilzeitquote Redaktion Kontrast (2019): So hat es das kleine in der Europäischen Union. Die dadurch entstehen- Island geschafft, dass Frauen und Männer gleich den Einkommensunterschiede verfestigen sich über viel verdienen, unter: die Zeit. Im Durchschnitt verliert eine Frau, die die http://bit.do/gleichbehandlung02 Kinderbetreuung übernimmt, bis zu 4.440 Euro im Jahr. Das führt auch zu niedrigen Pensionen und Al- tersarmut. LINKTIPP: Ungleiche Bezahlung ist aber nicht alleine durch Alle Zahlen zur Gleichstellung auf einen Blick unter: Teilzeitmodelle zu erklären. In Oberösterreich ver- ronja-verdient-mehr.at dienen Frauen in Vollzeitstellen 2020 im Jahr durch- schnittlich 12.500 Euro weniger als Männer, die so- WIEVIEL WENIGER VERDIENEN FRAUEN ALS MÄNNER? mit bereits nach 279 Tagen so viel verdient haben, wie Frauen im ganzen Jahr. Oberösterreich liegt damit wesentlich über dem österreichischen Durchschnitt Vorarlberg 27 % bei ungleichen Gehältern. Österreichweit verdienen Frauen 10.273 Euro weniger als Männer. Oberösterreich 23,8 % Salzburg 22,2 % Isländisches Modell als Vorbild Tirol 22,1 % Seit Jänner 2019 gilt in Island ein Gesetz, das Unter- nehmen verbietet Frauen und Männer für gleiche Steiermark 20,7 % Arbeit ungleich zu bezahlen. Unternehmen sind Niederösterreich 19,9 % hierbei in der Bringschuld und müssen faire Bezah- Quelle: AK OÖ, Frauenmonitor, 2020 Österreich 19,3 % lung dokumentieren, sonst drohen Sanktionen. Die in Island verpflichtenden Einkommensberichte ent- Burgenland 19 % halten auch einen Maßnahmenplan, wie strukturel- Kärnten 19 % le und finanzielle Unterschiede ausgeglichen wer- Wien 13,7 % den. Dieses Modell muss auch in Österreich Schule Faktencheck | 25
Kinderbetreuung Familie und Beruf müssen BILDUNG vereinbar sein Kinderbetreuung und Job unter einen Hut zu bekom- en. Traditionelle Rollenbilder sind in Österreich men stellt für viele Familien ein immer größeres Pro- nach wie vor fest verankert: Väter bleiben nach blem dar. 38 % aller erwerbstätigen Mütter und 37 % der Geburt von Kindern eher ohne Unterbrechung aller Väter geben an, Schwierigkeiten bei der Verein- und Reduktion der Erwerbsarbeit im Beruf. Rund barkeit von Beruf und Kinderbetreuungspflichten zu 38 % der Frauen geben die Kinderbetreuung als haben. Vollzeittaugliche Kinderbetreuung mit Öff- Hauptgrund für ein Teilzeitarbeitsverhältnis an, nungszeiten von mindestens 45 Stunden, sowie tägli- bei den Männern hingegen sind es nur 5 %. chen Öffnungszeiten von 9,5 Stunden an mindestens Ein Ausbau der vollzeittauglichen Kinderbe- vier Tagen finden sich selten außerhalb Wiens. Auch treuung ist also mehr als notwendig und muss maximale Schließzeiten von fünf Wochen im Jahr schnellstmöglich auf Gemeinde- und Landes- gibt es kaum. Oberösterreich hat mit 4,1 % die nied- ebene angegangen werden, auch im Sinne der rigste Dichte an vollzeittauglicher Kinderbetreuung Bildungsgerechtigkeit. Ebenso braucht es einen für unter Dreijährige und liegt mit 23,6 % am dritt- Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungs- letzten Platz bei der Ganztagsbetreuung von Drei- platz ab dem zweiten Lebensjahr. bis Sechsjährigen. WUSSTEST DU SCHON? Frauen verringern eher die Arbeitszeit als Männer In Dänemark waren im Jahr 2019 rund 66 % aller Kinder Die fehlenden Einrichtungen zur Betreuung von unter drei Jahren in einer öffentlichen Betreuungsein- Kindern wirken sich wiederum auf die Arbeits- richtung. In Österreich hingegen waren es nur knapp verhältnisse aus, insbesondere auf die der Frau- 23 % aller Kinder. WELCHES BUNDESLAND HAT DIE BESTE KINDERBETREUUNG? VIF konforme Plätze für unter 3 Jährige VIF konforme Plätze für 3-6 Jährige 100 88 % 90 80 70 60 50 40,6 % Quelle: AK OÖ, Frauenmonitor, 2018 40,7 % 40,7 % 40 32,9 % 29,7 % 30 23,6 % 26,5 % 26,5 % 19,4 % 19,3 % 20 13 % 14,5 % 15,1 % 15,7 % 5,4 % 6,7 % 7,3 % 8% 10 4,1 % 0 Oberösterreich Burgenland Steiermark Niederösterreich Salzburg Tirol Vorarlberg Kärnten Österreich Wien 26 | Faktencheck
Gerechte Bildung Mehr Chancen durch BILDUNG Ganztagsschulen Viele berufstätige Eltern wünschen sich ein be- verbessern: am besten mit einem rechtlichen An- darfsgerechtes schulisches Angebot für ihre Kin- spruch auf den gebührenfreien Besuch einer Ganz- der, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu tagsschule und einer zusätzlichen Ausschüttung können. Dennoch hält Oberösterreich an veralte- von Landesmitteln, um die räumlichen und perso- ten Formen der Halbtagsschule fest, obwohl inter- nellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. national Ganztagsschulen längst zur Normalität geworden sind. Für individualisierten Unterricht Zum Weiterlesen: und kindgerechte Lernformen mit individuellem, AK OÖ (2019): Kinderbetreuung von A bis Z. selbstständigem, kreativem und fächerübergrei- Krabbelstube, Kindergarten, Hort und Ganztags- fendem Lernen fehlt in der Halbtagsschule die Zeit. schule, unter: http://bit.do/gerechte-bildung In Ganztagsschulen hingegen wird die Vorausset- zung für ein anderes Lernen geschaffen. Ganztags- schulen arbeiten mit ganzheitlichen Konzepten, die das Vor- und Nachmittagslernen mit Freizeitphasen WIE GUT IST DIE KINDERBETREUUNG VON VOLKSSCHÜLERINNEN verbinden. Das verbessert die Bildungschancen al- IN OBERÖSTERREICHS GEMEINDEN? ler Kinder und sorgt für mehr Bildungsgerechtig- keit unabhängig von der Bildung der Eltern. Gratis Ganztagsschule für alle Der Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt, dass 35 % aller Volksschulen nur die Hälfte der Kriterien der Ganztagsbetreu- ung erfüllen. Darunter fallen Öffnungs- zeiten von Montag bis Donnerstag mit Quelle: AK OÖ, Kinderbetreuungsatlas, 2019 mindestens 4 Stunden am Nachmit- tag, Angebot eines Mittagessens von Montag bis Donnerstag, maximal vier Wochen Schließzeit im Sommer und fünf Wochen im Arbeitsjahr. Oberösterreich hinkt hier trotz Anstiegs des Nachmittagsbetreuungsangebots an- deren Bundesländern nach. Lediglich 1 % der 6- bis 14-jährigen besuchen eine „echte“ Ganztagsschu- le, und oft gibt es diese Angebote nur für einzelne Gemeinden, die alle vier Kriterien erfüllen. Gemeinden, die drei der vier Kriterien erfüllen. Schulklassen. Hier braucht es nachhaltigen politi- Gemeinden, die zwei der vier Kriterien erfüllen. schen Willen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Gemeinden, die eines der vier Kriterien erfüllen. Gemeinden, die kein einziges der geforderten vier Kriterien erfüllen. Familie und die Bildungschancen aller Kinder zu keine Datenweitergabe erfolg Faktencheck | 27
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