Gehirnzellen im Stress - Neurobiologie
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Neurobiologie Gehirnzellen im Stress Von Christiane Richter-Landsberg, Olaf Goldbaum und Thomas Stahnke Zellulärer Stress, ausgelöst durch Fak- toren wie Hitze, Kälte, Umweltgifte und Entzündungen, führt in vielen Fällen zu einer Schädigung der Eiweiß-Mole- küle, die sich nicht mehr korrekt falten können und sich in der Zelle ablagern. Zum Schutz dagegen haben Zellen ein „Notfallprogramm“ entwickelt und rea- gieren mit der Bildung von Hitzeschock- proteinen oder Stressproteinen. Diese haben vielfältige Aufgaben und sind für den Schutz unserer empfindlichen Gehirnzellen von besonderer Bedeutung. Die Mechanismen, die in den Gehirnen von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer und Parkin- son, zu Ablagerungen von Proteinen, die nicht mehr abgebaut werden können, und zum Zelltod führen, und die Frage, ob Stressproteine dem entgegenwirken können, sind ein Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe Molekulare Neuro- biologie/Neurochemie. Stressoren und biolo- gische Signale wirken auf Zellen ein und füh- ren zu einer vermehr- ten Produktion von Hitzeschockproteinen (HSP) oder so genann- ten Stressproteinen. Diese Stressproteine dienen zellulären Reparaturprozessen und bieten Schutz. I ch bin total im Stress!“ ist eine häufige Antwort auf die Frage „Wie geht’s?“ Stress ist das Gegenteil von Entspannung. Stress können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, was schwerwiegende Folgen für unsere Gesundheit hat. Stress führt zu einer Störung bedeutet Druck oder Belastung, z.B. durch des inneren Gleichgewichts (Homöostase) der zu viel Arbeit, Probleme in der Familie oder Zellen und wird durch eine Vielzahl stressaus- The brain is the most sensitive target for Angstzustände. Dauerhafter Stress kann zu lösender Faktoren erzeugt, die als Stressoren stress situations, including heat, environ- physischen und psychischen Erkrankungen bezeichnet werden. Stressoren sind z.B. Hitze, mental strains and viral infections. These stressors often lead to the appearance of führen, zu chronischen Entzündungen, Kälte, UV-Strahlung, freie Radikale (oxidati- misfolded proteins, and cause the pro- Schlaflosigkeit und Depressionen. Unser ver Stress), chemische Stoffe, Umweltgifte, duction of heat shock proteins or stress Gesundheitszustand wird aber auch durch Bakterien, Viren und Entzündungsfaktoren. proteins that act as an emergency system solche Stresseinflüsse angegriffen, die direkt Zellulärer Stress führt in vielen Fällen zu to protect our sensitive brain cells. The auf unsere Zellen wirken und sie verletzen. einer Schädigung von Proteinen, den Eiweiß- role of stress proteins and cellular stress Dieser zelluläre Stress auf molekularem Molekülen, die aus Ketten von Aminosäuren responses in brain cells and their impli- Niveau ist Thema dieses Artikels. bestehen. Proteine sind wichtige Funktions- cation for neurodegenerative disorders is Zellen sind die lebenden Bausteine unseres träger der lebenden Zelle. Ihre Funktionen the focus of the present report. Organismus. Geraten Zellen unter Stress, hängen von der korrekten Faltung zu dreidi- werden sie empfindlich geschädigt und mensionalen Strukturen ab. Falsch gefaltete E I N B L I C K E N r. 4 4 / H e r b s t 2 0 0 6 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
EINBLICKE NR. 44 5 Proteine können sich mit anderen Proteinen Zellen und Gewebe (Trauma), auch beim und erfüllen wichtige Funktionen bei Zell- verknäulen, zu Klumpen (Aggregaten) verfil- Alterungsprozess und bei degenerativen erkennungsprozessen und der Stoffwech- zen und in der Zelle ablagern. Erkrankungen des Nervensystems, wird ein selregulation. Oligodendrozyten bilden die verändertes Vorkommen von HSP beobach- weiße Substanz (Myelin). Myelin wird um Stressproteine als Zellenschutz tet. Die Menge an Stressproteinen ist ein Nervenzellfortsätze (Axone) als eine Art Messparameter für den Belastungszustand, Isolierung gewickelt und ist zur Beschleuni- Z um Schutz gegen Stressoren und zu „zellulären Reparaturzwecken“ haben Zellen ein Notfallprogramm entwickelt. Beim das Gesamtausmaß an Schädigungen und die dagegen mobilisierten Schutzmaßnahmen. So gung der Nervenreizweiterleitung von großer Bedeutung. Bei Entmarkungsprozessen (so Einsetzen von Stress werden sehr schnell sind Stressproteine aus medizinischer Sicht genannten demyelinisierenden Prozessen), Stressproteine hergestellt, die auch „Hitze- von großer Bedeutung. Man hofft unter ande- die vor allem bei der Multiplen Sklerose schockproteine“ (HSP) genannt werden, da rem, diese Proteine gezielt zu diagnostischen eine Rolle spielen, werden sie geschädigt. man sie ursprünglich nach Einwirkung von Zwecken einsetzen zu können. Im Zentralen In den entmarkten Regionen wurde eine Temperaturerhöhungen entdeckt hatte. Einige Nervensystem (ZNS) werden eine Reihe von Hochregulierung von bestimmten kleinen davon sind auch dann aktiv, wenn die Zelle HSP konstitutiv gebildet, und der Induktion HSP beobachtet, was auf die Beteiligung nicht unter Stresseinwirkung steht. HSP erfül- von HSP wird schützende Wirkung auf Ner- von Stressfaktoren beim Krankheitsablauf len verschiedene Aufgaben in einer Zelle. Sie venzellen, die der Informationsübertragung hindeutet. sind beteiligt an Entwicklungsvorgängen, am dienen, zugesprochen. Auch Gliazellen, zu Im lebenden Organismus kann die Reaktion Proteintransport zu den Zellorganellen, dem denen die Astrozyten und Oligodendrozyten der Zellen auf Stresssignale im zeitlichen Abbau von Proteinen, und sie beschleunigen gehören, profitieren davon. Ablauf nur schwer verfolgt werden, aber die korrekte Faltung von neu-synthetisierten Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppe ist die in Zellkulturmodellsystemen ist dies mög- Proteinen. HSP sind zudem wichtig für die Analyse und funktionelle Bedeutung der lich. Auch individuelle Zelltypen können Protein-Zusammenlagerung und Protein-Sta- HSP in Astrozyten und Oligodendrozyten. beobachtet werden. Wir haben in unserem bilisierung und verhindern deren Aggregation. Astrozyten fungieren als Stützzellen im Labor erfolgreich Zellkultursysteme für Stressproteine mit diesen unterstützenden Gehirn. Sie sind von sternförmiger Gestalt Gehirnzellen (Nervenzellen und Gliazellen) Funktionen werden als molekulare Chape- rone (Anstandsdamen) bezeichnet. Während Anstandsdamen in früheren Zeiten den gezie- menden Umgang zwischen einem Mann und einer Frau überwachten, verhindern moleku- lare Anstandsdamen im Reich der Moleküle, dass Zellproteine unerwünschte Kontakte mit anderen Proteinen eingehen. Chaperone spie- len auch eine Rolle dabei, bereits entstandene Proteinaggregate wieder aufzulösen. Hitzeschockproteine werden nach ihrer Größe, also ihrem Molekulargewicht, in Familien eingeteilt. Es gibt fünf Hauptfami- lien: HSP100, HSP90, HSP70, HSP60 mit Molekulargewichten von 100.000 (HSP100) bis 60.000 (HSP60), und die Gruppe der kleinen HSP (sHSP), die Molekulargewichte im Bereich von 12.000 bis 43.000 aufweisen. Manche sind eng assoziiert mit Zellorga- nellen, wie z.B. HSP60, das immer in den Oligodendrozyten (hier in Mitochondrien vorzufinden ist. Andere sind Kultur) bilden im Gehirn das diffus im Cytoplasma der Zellen verteilt und Myelin, die weiße Substanz. werden unter Stressbedingungen z.B. zum Sie haben eine weitver- Zellkern oder zu den Strukturbestandteilen, zweigte Zellstruktur und sind besonders empfindlich gegen dem Cytoskelett, gebracht. Manche sind nur oxidativen Stress. unter Stressbedingungen nachzuweisen, an- Oben: Oligodendrozyt mit dere liegen immer vor und werden deswegen flächigen Membranen (grün: als konstitutive HSP bezeichnet, treten unter Myelinprotein; rot: Cystoske- Stressbedingungen aber vermehrt auf. lett; blau: Zellkern). Unten: Oligodendrozyt mit Mitochondrien. Mitochondri- Stressproteine im Gehirn en, die Kraftwerke der Zellen, wandern entlang des Cytoske- B ei verschiedenen Krankheiten und pathologischen Zuständen, wie Fieber, Entzündungen, Infektionen, Schädigung von letts bis in die feinen Ausläufer (grün: Mitochondrien; rot: Cytoskelett; blau: Zellkern)
6 EINBLICKE NR. 44 etabliert, an denen wir Stressantworten auf nase-1. Es weist enzymatische Funktionen Ausmaß im Gewebe bei Entzündungspro- molekularer und zellulärer Ebene erforschen. auf und ist an den Abwehrmechanismen zessen gebildet. Auch durch Einwirkung von Unsere grundlegenden Arbeiten haben unter gegen oxidativen Stress beteiligt. Stressoren von außen (Metalle, Strahlung, anderem ergeben, dass die Zellen im Gehirn Ozon, Umweltgifte) wird die Bildung dieser zelltypspezifisch auf verschiedene Stress- Zellulärer Selbstmord hochreaktiven Verbindungen in der Zelle bedingungen (oxidativen Stress, Hitzestress oder chemischen Stress) mit der Hochregu- lierung unterschiedlicher HSP reagieren. D ie Hauptursache für oxidativen Stress sind die reaktiven Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS). Hierzu induziert. Reaktive Sauerstoffverbindungen werden zudem als Nebenprodukte bei der normalen Zellatmung in den Mitochondrien Das heißt, dass Nervenzellen und Gliazellen zählen das Superoxidanion-Radikal (O2•-) gebildet. Zellen haben Abwehrmechanismen unterschiedliche Empfindlichkeiten und ein und das besonders gefährliche Hydroxyl- gegen oxidativen Stress, aber bei erhöhtem unterschiedliches Vorkommen von HSP nach Radikal (OH•). Diese äußerst reaktiven Ra- Stress und im Verlauf von Krankheiten und Stress aufweisen. So haben Astrozyten, im dikale (Verbindungen mit einem ungepaarten während des Alterungsprozesses sind diese Gegensatz zu Nervenzellen und Oligoden- Elektron) oxidieren und schädigen so die häufig nicht mehr ausreichend, so dass es drozyten, große Mengen an dem kleinen wichtigen Biomoleküle unseres Lebens: zu Zellschäden und Zellverlusten kommt. HSP25, und ihre erhöhte Resistenz gegen die Erbsubstanz (Desoxyribonukleinsäure, Diese Zellverluste sind besonders kritisch verschiedene Stressoren kann vermutlich DNA) im Zellkern, Proteine in der Zelle für das Zentrale Nervensystem (ZNS), da darauf zurückgeführt werden. In Oligoden- und Lipide in den Zellmembranen. Aus Nervenzellen und Oligodendrozyten sich drozyten und Nervenzellen wird nach oxi- diesem Grund werden die Auswirkungen nicht mehr teilen und vermehren können, dativem Stress vor allem ein anderes kleines auch oxidativer Stress genannt. Reaktive um die Verluste auszugleichen. HSP hochreguliert, HSP32 oder Hämoxyge- Sauerstoffspezies werden in verstärktem Ein besonderer Angriffspunkt dieser reakti- Mitochondrien sind ein wich- tiger Kontrollpunkt für den apoptotischen Zelltod. Durch Stress werden gefährliche reaktive Sauerstoffverbin- dungen gebildet, die die Mitochondrien-Umhüllung (Membran) von außen oder innen angreifen und schä- digen. Durch die Verletzung wird eine Reihe von Reaktio- nen ausgelöst, Cytochrom c wird freigesetzt und Enzyme aktiviert, die zum Zelltod führen (links). Der Zellkern wird geschädigt und die DNA zerstückelt. „Gestresste“ Zellen (hier ein Astrozyt) ziehen ihre Zellfortsätze ein, runden sich ab und die Mitochond- rien wandern häufig in die Zellmitte zum Kern (rechts: grün: Zellfortsätze, gelb-rot: Mitochondrien, blau: Zellkern).
EINBLICKE NR. 44 7 ven Moleküle sind die „Kraftwerke“ unserer Zellen, die Mitochondrien. Mitochondrien sind kleine, membranumhüllte Organellen, die die Körperzellen mit der Energie versor- gen, die für alle physiologischen Funktionen notwendig ist. Hier findet die Umwandlung von organischem Material (aus der Nahrung) mit Hilfe von molekularem Sauerstoff zu ATP (Adenosintriphosphat), dem Brennstoff der Zellen, statt. Bei diesem Prozess enstehen im Inneren der Mitochondrien immer reaktive Sauerstoffverbindungen, die in der gesunden Zelle durch die Abwehrmechanismen abge- fangen werden. Sind diese abgeschwächt, werden die Verbindungen freigesetzt und verursachen Zellschäden. Die Umhüllung der Mitochondrien wird dabei oft verletzt. Dies geschieht entweder durch die im Inneren gebildeten reaktiven Verbindungen oder aber Ablagerungen von fehlgefalteten Pro- auch durch von außen angreifende Radikale. teinen sind charakteristische Merkmale in den Gehirnen von Patienten mit Durch die Verletzung der Mitochondrien neurodegenerativen Erkrankungen und wird eine Kette von Reaktionen ausgelöst, können in Zellkultursystemen erzeugt die mit der Freisetzung von Cytochrom werden. c beginnt, gefolgt von der Aktivierung so Oben: Gehirnschnitt eines Alzheimer- genannter Caspasen (Calcium-aktivierte, Patienten. Die bräunlichen Verfär- bungen (vergrößert in der Box) sind Protein spaltende Enzyme), und über weitere Ablagerungen unlöslicher Proteine. komplizierte Signalwege mit dem „apoptoti- Unten: Ablagerungen mit ähnlichen schen“ Zelltod endet. Apoptose (griechisch: Eigenschaften im Zellkulturmodell. Abfallen, Untergang) ist eine Form des programmierten Zelltods, der von der Zelle aktiv ausgelöst wird; deswegen spricht man verschiedenen Gründen besonders gefährdet. stützt werden. Oxidative Schäden zerstören auch vom zellulären Selbstmord. Dies steht Es hat einen extrem hohen Energieverbrauch die Zellmembranen und greifen speziell die im Gegensatz zur Nekrose, bei der Zellen als (20 Prozent der Gesamtenergiemenge geht ins Proteine und den Aufbau des Cytoskeletts an. Folge von besonders starken Stresseinwir- Gehirn) und muss durch die hohe Stoffwech- Durch Zufuhr von antioxidativen Vitaminen, kungen anschwellen, platzen und dadurch im selaktivität mit einer erhöhten Menge freier wie Vitamin E, konnten wir das Ausmaß der umliegenden Gewebe durch Freisetzung von Radikale fertig werden. Auch können aus eini- Schäden in der Zellkultur abmildern. HSP Zellresten entzündliche Reaktionen und um- gen Botenstoffen (Neurotransmitter) reaktive und oxidativ veränderte Proteine akkumulie- fassendere Schäden auslösen. Apoptotische Sauerstoffverbindungen entstehen, die abge- ren, weil sie den normalen Abbauwegen nicht Zellen dagegen schrumpfen, die Zellmembran fangen werden müssen. Nach Schlaganfällen mehr zugeführt werden können. Wir haben schnürt sich zu kleinen Bläschen ab und der und der darauffolgenden Wiederdurchblutung erste experimentelle Hinweise, dass auch Zellkern verformt sich. Gleichzeitig werden ist die Gefahr der Ausbildung von Gehirnschä- der Abbau-Apparat selbst durch Stressoren Enzyme aktiviert, die zu einer Zerstückelung digungen durch oxidativen Stress besonders geschwächt wird. der DNA im Zellkern führen. Diese Zerstü- groß, und es gibt zahlreiche Hinweise, dass ckelung oder DNA-Fragmentierung kann man oxidativer Stress an vielen Erkrankungen des Abfalltonne und biochemisch nachweisen, da intakte DNA Nervensystems ursächlich beteiligt ist (z.B. nach Auftrennung im elektrischen Feld auf Multiple Sklerose, Alzheimer, Parkinson, Wiederverwertung Agarose-Trägern als eine hochmolekulare dicke Bande zu erkennen ist, während die DNA in apoptotischen Zellen als so ge- Amyotrophe Lateralsklerose). In einer Reihe von Arbeiten, die in internatio- nal renommierten Zeitschriften veröffentlicht M issgefaltete, irreparable und somit unerwünschte Proteine werden mit Hilfe der molekularen Anstandsdamen (Cha- nannte DNA-Leiter aufgetrennt wird, deren wurden (Journal of Neurochemistry, Glia), perone) zur „Abfalltonne“, dem Proteasom, „Sprossen“ die einzelnen Stücke repräsen- hat unsere Arbeitsgruppe nachgewiesen, gebracht. Proteasomen bestehen aus vielen tieren. Zellen, die durch den programmierten dass Oligodendrozyten nach Einwirkung verschiedenen Proteinen, die sich zu einem Zelltod absterben, werden von benachbarten von oxidativem Stress besonders empfind- fässchenartigen Komplex zusammengelagert Fresszellen (Makrophagen; im Gehirn die lich reagieren und über die mitochondriale haben. Die Struktur und Bedeutung dieser Microglia) vernichtet, dadurch treten keine Todeskaskade apoptotischen „Selbstmord“ Protein abbauenden Fässchen wurde in den Entzündungsprozesse auf. einleiten. Oligodendrozyten haben eine letzen Jahren aufgeklärt und die maßgeblich Das Gehirn ist im Vergleich zu anderen weitverzweigte Zellstruktur, empfindliche daran beteiligten Forscher erhielten im Jahre Organen nur schwach mit antioxidativen flächige Membranen, die von einem stark 2004 den Nobelpreis für Chemie (Aaron Abwehrmechanismen ausgerüstet und aus ausgebildeten Zellskelett (Cytoskelett) unter- Ciechanover, Avram Hershko, Irvin Rose). In
8 EINBLICKE NR. 44 diesem Multi-Protein-Komplex werden etwa eine Störung des proteasomalen Abbaus sind stehung beteiligt sind, sondern langfristig 80 Prozent aller zellulären Proteine entsorgt. vermutlich beteiligt. auch zu der Entwicklung neuer Strategien, Die Proteine werden in kurze Fragmente Wir haben als eine der ersten Forschungsgrup- die zur Krankheitsbekämpfung geeignet sind, (Peptidbruchstücke) geschnitten, die Bruch- pen zeigen können, dass in Oligodendrozy- beizutragen. stücke wieder entlassen und der Zelle zur tenkulturen die Proteine Tau und α-Synuclein Wiederverwertung zur Verfügung gestellt. vorkommen, die auch in den Gehirnen der Das Proteasom dient also der Proteinentsor- Erkrankten nachgewiesen wurden, und dass gung und ist vergleichbar mit einer Recyc- diese Proteine durch Stressoren verändert wer- linganlage. Wenn das System überlastet oder den. Durch oxidativen Stress, Hemmung des Die AutorInnen verstopft ist und daher nicht mehr richtig Proteasoms sowie durch Änderung des Phos- funktionieren kann, hat das für die Zellen und phorylierungszustands des Tau Proteins ist es den gesamten Organismus schwerwiegende uns gelungen, in den Zellkulturmodellsyste- Folgen. Unerwünschte Proteine häufen men Ablagerungen zu erzeugen, die denen sich in der Zelle an. Stressproteine werden in vivo sehr ähnlich sind. Zudem haben wir als Konsequenz vermehrt gebildet, diese Zell-Linien (dauerhafte Zellkulturen) entwi- bemühen sich vergeblich, die Aggregate zu ckelt, die als Modellsysteme zur Analyse der verhindern oder aufzulösen, umgeben die molekularen Mechanismen verwendet werden Aggregate und vergrößern sie zusätzlich. können, die durch Stresssituationen ausgelöst Während kleine Ablagerungen vermutlich werden und an der Aggregatbildung beteiligt anfänglich dem Schutz der Zellen dienen, sind. Über diese Arbeiten haben wir im Jour- Prof. Dr. Christiane Richter-Landsberg indem durch die Aggregatbildung toxische nal of Neuroscience berichtet, einer von der (Mitte) leitet die Arbeitsgruppe Molekulare Neurobiologie/Neurochemie am Institut für Proteine von anderen Bestandteilen im Cy- größten internationalen neurowissenschaftli- Biologie und Umweltwissenschaften. Nach toplasma abgeschirmt werden, verstopfen chen Vereinigung (Society for Neuroscience) dem Studium der Pharmazie in Marburg große „Proteinschollen“ die Zelle, behindern herausgegebenen Fachzeitschrift. Unsere promovierte sie im Fach Biologie in Göttin- zelluläre Vorgänge (z.B. Transportvorgänge Forschungsaktivitäten richten sich derzeit gen. Nach längeren Auslandsaufenthalten, darauf, die Hypothese zu testen, dass eine u.a. in Harvard und Stanford, habilitierte sie in Nervenzellen vom Zellkörper zur Synapse; sich an der Universität Bremen in Moleku- Wanderung der Mitochondrien und dadurch vermehrte Zufuhr von Stressproteinen, z.B. larer Neurobiologie. 1993 wurde sie an die ausgelöste mangelnde Energieversorgung der kleinen HSP, die Auflösung der Aggregate Universität Oldenburg berufen. Im Rahmen der Zelle in den entfernteren Regionen) und beschleunigen und somit eine Verbesserung eines von der DFG geförderten Forschungs- führen zum Zelltod. der Überlebens- und Regenerationsfähigkeit vorhabens kooperiert die Wissenschaftlerin mit einer Arbeitsgruppe an der University of der Zellen bewirken kann. Wir wollen der Pennsylvania. Ihr Schwerpunkt in der Lehre Alzheimer und Parkinson Frage nachgehen, inwieweit dies auch zu ist die Zellbiologie und Neurobiologie. Ihr A lois Alzheimer hat im Jahr 1901 zum ers- einem Schutz vor weiteren Stresssituationen Forschungsinteresse richtet sich auf die ten Mal die nach ihm benannte Krankheit beitragen kann. Entwicklung und Differenzierung von Nervenzellen und Glia, Stressantworten beschrieben. In den Gehirnen von Patienten, und die Bedeutung von Stressproteinen in die an Alzheimer erkrankt waren, sind mit Ausblick Gehirnzellen, wobei speziell die myelinbil- histopathologischen Methoden in Gewebe- schnitten typische Ablagerungen von Prote- inen zu erkennen, die ein bestimmtes zel- E rkrankungen des zentralen Nervensystems führen in vielen Fällen zu schwerwiegen- den Beeinträchtigungen der geistigen Leis- denden Oligodendrozyten im Vordergrund stehen. Dr. Olaf Goldbaum (r.) studierte Biologie in Oldenburg. Seine Diplomarbeit mit luläres Protein (das mit dem Cytoskelett tungsfähigkeit, von der vor allem Gedächtnis, dem Thema „Stressproteine in Gliazellen“, assoziierte Protein Tau) enthalten. Zusätzlich Sprache, Orientierungs- und Urteilsvermögen die er in der Arbeitsgruppe Molekulare sind in diesen Ablagerungen HSP nach- betroffen sind. Stressfaktoren und auch Neurobiologie/Neurochemie anfertigte, zuweisen. Auch bei einer Reihe anderer Alterungsprozesse sind ursächlich an der wurde mit dem Instituts-Preis als beste Di- Krankheitsentstehung beteiligt. Das Risiko plomarbeit des Jahres 1999 ausgezeichnet. Erkrankungen, die mit Gedächtnisverlust Er promovierte 2003 und arbeitet seitdem (Demenz) einhergehen, und Erkrankungen, des Einzelnen, selbst einmal an Demenz zu er- als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem die hauptsächlich Störungen des Bewe- kranken, steigt mit dem Lebensalter an. Allein von der DFG geförderten Projekt „Vorkom- gungsapparates beinhalten, wie Parkinson in Deutschland leiden gegenwärtig fast eine men, Funktion und Pathologie des mit den (hier ist das zelluläre Protein α-Synuclein Million Menschen über 65 Jahren unter den Microtubuli assoziierten Proteins Tau in Oligodendrozyten“. verantwortlich), werden Proteinaggregate Folgen dieser so genannten Demenz-Erkran- Dr. Thomas Stahnke (l.) studierte Biologie in beobachtet. Diese Ablagerungen können kungen, zwei Drittel davon an der Alzheimer- Oldenburg, wo er seine Diplom- und Dok- in Neuronen (Alzheimer, Parkinson) be- Erkrankung. Jährlich treten etwa 200.000 neue torarbeit in der Arbeitsgruppe Molekulare obachtet werden oder auch in Gliazellen Fälle auf. Falls keine Verbesserung oder ein Neurobiologie/Neurochemie anfertigte. und hier spezifisch in Oligodendrozyten Erfolg in der Prävention oder Therapie dieser Seit 2005 arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem von der Hertie-Stiftung (Corticobasale Demenz, Progressive supra- Erkrankungen erzielt werden kann, wird sich geförderten Projekt. Schwerpunkte seines nukleare Blickparese, Multiple systemische die Gesamtzahl der Demenzkranken bis zum Forschungsinteresses sind die Signalwege, Atrophie). Die molekularen Mechanismen, Jahr 2050 auf mehr als zwei Millionen erhöht die die Ausbildung des Myelins fördern die zu den Proteinablagerungen führen, und haben. Wir hoffen mit unseren grundlegenden und bei krankhaften Prozessen, wie z.B. der Multiplen Sklerose, gestört sind. die Ursachen der Erkrankungen sind weitge- Forschungsarbeiten nicht nur zum Verständnis hend unbekannt. Oxidativer Stress und auch der Mechanismen, die an der Krankheitsent-
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