Gemeinützige Arbeit - What works?

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Gemeinützige Arbeit – What works?
FRIEDER DÜNKEL*

Inhaltsverzeichnis / Content / Table des matières

Einleitung ..................................................................................................
I. Die gemeinnützige Arbeit – eine junge Sanktion im Gesamtsystem
      strafrechtlicher Sozialkontrolle ........................................................
      1. Historische Entwicklung ..........................................................
      2. Gesetzliche Ausgestaltung und straftheoretische Grundlagen
           der Gemeinnützigen Arbeit ......................................................
      3. Internationale Menschenrechtsstandards im Hinblick auf die
           Sanktionierung und Vollstreckung Gemeinnütziger Arbeit .....
      4. Statistische Daten im Europäischen Vergleich .........................
II. Evaluation der Gemeinnützigen Arbeit – Rückfall und
      Wiedereingliederung in die Gesellschaft .........................................
      1. Implementation von Programmen, erfolgreiche Ableistung
           der Arbeit etc. ...........................................................................
      2. Ersatz von Freiheitsstrafe oder „net-widening“ durch
           Gemeinnützige Arbeit? – das Beispiel der skandinavischen
           Länder
      3. What works? – Rückfallraten und andere Erfolgskriterien
Ausblick – Potenziale der Gemeinnützigen Arbeit....................................

Einleitung
Der Jubilar ist in der Sanktionsforschung vielfach mit empirischen Beiträgen
in Erscheinung getreten, die zum Teil für Überraschung und Verwirrung ge-
sorgt haben, weil sie von den Erwartungen der sog. Mainstream-Kriminologie
abwichen. Dazu gehört die Grundannahme, dass weniger eingriffsintensive
Sanktionen, und dazu wird man die gemeinnützige Arbeit zählen müssen,
insbesondere im Vergleich zum Freiheitsentzug spezialpräventiv günstigere
Ergebnisse zeitigt. Man wird Martin Killias nicht unterstellen dürfen, dass er
das Prinzip der ultima ratio der Freiheitsstrafe in Frage stellen möchte und
der im anglo-amerikanischen Raum gelegentlich verbreiteten These eines
*
     Prof. Dr. Frieder Dünkel, Lehrstuhl für Kriminologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität
     Greifswald. Der Beitrag geht auf einen gemeinsamen Beitrag mit Tapio Lappi-Seppälä
     zurück, der übersetzt, teilweise gekürzt und teilweise erweitert wurde, vgl. Dünkel/Lappi-
     Seppälä 2013.

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FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

„prison works“ anhängt.1 Jedoch bieten seine empirischen Arbeiten Anlass,
sich darüber Gedanken zu machen, ob und inwiefern die seit den 1970er Jah-
ren in zahlreichen europäischen Ländern eingeführte Gemeinnützige Arbeit
als Alternative zur Freiheitsstrafe die hohen Erwartungen erfüllen konnte und
kann.

I.    Die gemeinnützige Arbeit – eine junge Sanktion im Ge-
samtsystem strafrechtlicher Sozialkontrolle
1.        Historische Entwicklung
Historisch gesehen hat die Zwangsarbeit eine lange Geschichte, insbesondere
in Form der Gefangenenarbeit im Kontext des Freiheitsentzugs. Zwangsarbeit
im Strafvollzug wird nach wie vor weithin akzeptiert und vom Verbot der
Zwangsarbeit, wie es in internationalen Menschenrechtsstandards verankert
ist, ausgenommen. Erste Anstrengungen, Zwangsarbeit zu bekämpfen gehen
zurück auf das Jahr 1930, als die Internationale Arbeitsorganisation (Interna-
tional Labour Organisation, ILO) die Konvention Nr. 29 initiierte, der 1957
eine zweite Konvention (Nr. 105) folgte, nachdem die ILO 1946 einen Asso-
ziationsstatus bei den Vereinten Nationen erhalten hatte. Beide Konventionen
waren dem Kampf gegen die Sklaverei und jeglichen anderen Formen von
Zwangsarbeit gewidmet (vgl. de Jonge, 1999, S. 321 ff.). Das Verbot der
Zwangsarbeit findet sich gleichfalls in Art. 8 des Pakts für Bürgeliche und
Politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, IC-
CPR) und in Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Art. 8(3) (c) des IPBR lässt allerdings Zwangsarbeit zu, „soweit sie zu den
regelmäßig geforderten Leistungen gehört, die mit einem gesetzmäßig ange-
ordneten Freiheitsentzug oder den Bedingungen im Rahmen einer vorzeitigen
1
     Siehe dazu die Internetseite unter http://www.prisonworks.org/2006/04/prison_works.html.
     Diese Auffassung wird mit simplen Argumenten vor allem aus ökonomischer Perspektive
     mit dem schlichten Hinweis auf sinkende Gewaltdelinquenz in den USA seit 1991
     angesichts steigender Inhaftierungsraten begründet. Vordergründig könnte man mit der
     Erhöhung des Inhaftierungsrisikos einen Abschreckungseffekt erwarten, jedoch werden hier
     – wie bei konservativen Politikern häufiger der Fall – wieder einmal Korrelationen und
     Kausalität vermengt. Auf o. g. Internetseite findet sich folgender bemerkenswerter Eintrag:
     In der Tat hat die Konservative Regierung in den 1980er Jahren trotz der Rhetorik
     zugunsten einer „short-sharp-shock“-Ideologie insgesamt eine auf Haftvermeidung
     gerichtete Politik verfolgt. Zwischen 1988 und 1993 ging die Vollzugspopulation um 10%
     zurück, obwohl die Kriminalitätsrate zunahm. Die Kriminalitätsrate erreichte zu dieser Zeit
     allerdings einen historischen Höhepunkt and der damalige Innenminister (Home Secretary),
     Michael Howard, setzte Ende 1993 eine Kehrtwende in der Kriminalpolitik in Richtung
     vermehrter und längerer Freiheitsstrafen durch. Bereits nach zwei Jahren dieser Kehrtwende
     verkündte Michael Howard angesichts nunmehr stark sinkender Kriminalitätsraten „prison
     works“. Inzwischen ist man in England wieder zur Einsicht zurückgekehrt, dass die
     massenhafte Inhaftierungspolitik ein Fehlschlag war und versucht wirksame Alternativen
     zur Freiheitsstrafe auszubauen.

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FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

Entlassung aus einer entsprechenden Freiheitsentziehung gehört.“ Die EMRK
hat diese Formulierung wortgleich übernommen. So befremdlich bereits die
Zulassung von Zwangsarbeit im Rahmen der bedingten Entlassung erschei-
nen mag, so besteht ein weiterer Schwachpunkt dieser Konventionen darin,
dass nicht klar zwischen Untersuchungs- und Strafhaft unterschieden wird.
Theoretisch könnte man daher an die Zulässigkeit von Zwangsarbeit in Un-
tersuchungshaft denken, jedoch steht dem die in Art. 6 EMRK verankerte
Unschuldsvermutung entgegen.2 Die ILO-Konvention Nr. 29 hatte Ausnah-
men vom Verbot der Zwangsarbeit nur für rechtskräftig verurteilte Strafge-
fangene, nicht für Untersuchungshäftlinge oder bedingt Entlassene vorgese-
hen (vgl. de Jonge 1999, S. 327). Dementsprechend sieht das deutsche
Grundgesetz wie viele andere nationalen Gesetze und Verfassungen die Aus-
nahme vom Zwangsarbeitsverbot nur für verurteilte Strafgefangene vor (vgl.
Art. 12 Abs. 3 GG).
    Daher könnte es aus dem Blickwinkel internationaler Menschenrechts-
standards schwierig sein verpflichtende Gemeinnützige Arbeit als selbständi-
ge Sanktion zu rechtfertigen, jedenfalls soweit sie nicht strikt als Alternative
zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verhängt wird. Wird Gemeinnützige Ar-
beit als Ersatzstrafe für Freiheitsstrafe angeordnet, kann sie mit dem Argu-
ment a maiore ad minus gerechtfertigt werden, weil sie als Minus zum Frei-
heitsentzug unzweifelhaft den geringeren Eingriff darstellt.
    Sofern allerdings Gemeinnützige Arbeit Freiheitsentzug nicht ersetzt, son-
dern andere Alternativen zur Freiheitsstrafe wie z. B. Geldstrafen oder die
bedingte Verfahrenseinstellung ohne Sanktion, kann man sehr wohl eine Ver-
letzung des Verbots der Zwangsarbeit diskutieren.
    Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Frage zu-
nächst im Bereich des Jugendstrafrechts, wo die Gemeinnützige Arbeit für
14-21-jährige Jugendliche und Heranwachsende als unabhängige Sanktion
(Erziehungsmaßregel oder Zuchtmittel gem. §§ 10, 15 JGG) existiert, aus-
führlich auch mit Blick auf die historischen Wurzeln des Zwangsarbeitsver-
bots im deutschen Grundgesetz behandelt. Das Grundgesetz wollte insbeson-
dere die Formen der Vernichtung durch Zwangsarbeit, wie sie die National-
sozialisten in Konzentrationslagern und Kriegsbetrieben in grausamer Weise
entwickelt und perfektioniert hatten, ausschließen. Derartige menschen-
rechtswidrige Zwangsarbeit auszuschließen, sei aber nicht vergleichbar mit
einer erzieherisch gestalteten Maßnahme einer überschaubaren Zahl von Ar-
beitsstunden im Rahmen von Weisungen und Auflagen (vgl. Bundesverfas-
sungsgerichtsentscheidung, BVerfGE 74, S. 102 ff., 122 ff.).
    Dennoch hat sich Deutschland im Gegensatz zu seinen europäischen
Nachbarländern schwer getan, die Gemeinnützige Arbeit als selbständige

2
    Vgl. Morgenstern 2010, S. 154 f.; Esser 2002, S. 312, jeweils m. w. N.

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FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

Sanktion einzuführen.3 Stattdessen wurde sie als Ersatzsanktion zur Abwen-
dung der Ersatzfreiheitsstrafe bei Geldstrafenschuldnern im Jahr 1983 durch
eine Ermächtigungsverordnung eingeführt, die es den Ländern ermöglichte,
im Rahmen von entsprechenden landesrechtlichen Tilgungsverordnungen
Geldstrafen durch die Ableistung von „Freier Arbeit“ zu tilgen.
    Im Jugend- und im Erwachsenenstrafrecht wurde gemeinnützige Arbeit
ferner als Bedingung der Einstellung von Verfahren wegen geringer Schuld
(§§ 45, 47 JGG, § 153a StPO) und als Auflage bei der Aussetzung von Ju-
gend- und Freiheitsstrafen zur Bewährung (§ 23 JGG, §56d StGB) eingeführt
(vgl. Dünkel 2011). Diesen der Genugtuungsfunktion und im Sinne des Wie-
dergutmachungsgedankens konzipierten Nebensanktionen wurden vom
BVerfG nicht als verfassungswidrig eingestuft (BVerfGE 74, S. 102, 119 ff.
und BVerfGE 83, S. 119 ff., 126). Über die Anwendungshäufigkeit im Rah-
men von Bewährungsstrafen und als Diversionsmaßnahme wissen wir relativ
wenig, da entsprechende Statistiken nicht zur Verfügung stehen.4 Die jugend-
richterliche Sanktionspraxis wendet demgegenüber die Gemeinnützige Arbeit
geradezu extensiv an: 44% aller verurteilten Jugendlichen oder Heranwach-
senden wurden 2010 zu Gemeinnütziger Arbeit verurteilt (vgl. Dünkel 2011;
Heinz 2012).
    Erstmals wurde Gemeinnützige Arbeit in den USA bei weiblichen Stra-
ßenverkehrsdelinquentinnen in Alameda County, Kalifornien, im Jahr 1966
eingeführt, nachfolgend durch verschiedene lokale Initiativen in weiteren
Bezirken in allen Bundesstaaten (Wright 1991, S. 40). Ziel dieser verschiede-
nen Initiativen war es Gemeinnützige Arbeitsprogramme als tatsächliche Al-
ternativen zur Freiheitsstrafe zu entwickeln (van Ness 1986, S. 194).
    Gemeinnützige Arbeit als Alternative zur Freiheitsstrafe wurde in Europa
zuerst in England und Wales eingeführt (1972). Andere europäischen Länder
folgten in den 1980er Jahren: Italien 1981, Dänemark und Portugal 1982,
Frankreich 1983, die Niederlande 1985 (vgl. Albrecht/Schädler 1986).
    Mit Ausnahme von Dänemark führten die anderen skandinavischen Län-
der Gemeinnützige Arbeit erst in den 1990er Jahren ein. Dänemark begann
mit einem Experiment – wie erwähnt – schon 1982. Allerdings blieb der An-
wendungsbereich in Dänemark und den anderen skandinavischen Ländern
zunächst bis Anfang der 1990er Jahre sehr begrenzt. Gemeinnützige Arbeit
wurde in Skandinavischen Ländern in verschiedenen Formen entwickelt.

3
    Zu den Gesetzesvorschlägen Ende der 1980er bis Anfang der 2000er Jahre vgl. Dün-
      kel/Morgenstern 2003; Meier 2009, S. 387 ff.; zu Art. 293 EGStGB vgl. Streng 2012, S.
      76 f.
4
    Lediglich zu § 153a StPO gibt es eine jährliche Angabe in der Staatsanwaltschaftsstatistik.
      Danach macht die Einstellung gem. § 153a StPO 15,4% aller staatsanwaltschaftlichen
      Einstellungsfälle aus Opportunitätsgründen aus. Von den insgesamt 197.024 Fällen des
      § 153a StPO im Jahr 2010 entfielen 5.414 Fälle auf die Auflage zu Gemeinnütziger Arbeit
      (= 2,7% der in diesem Zusammenhang angeordneten Auflagen, vgl. Statistisches
      Bundesamt (Hrsg.): Staatsanwaltschaftsstatistik 2011, S. 26.

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FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

Finnland und Norwegen führten die Gemeinnützige Arbeit als selbständige
Sanktion ein. Norwegen benannte interessanterweise 2001 die Sanktion von
community service in community punishment um. In Dänemark und Schwe-
den fungiert die Gemeinnützige Arbeit als Nebensanktion zur ausgesetzten
Freiheitsstrafe bzw. zur Bewährungsstrafe. In Finnland können längere Frei-
heitsstrafen zur Bewährung von mindestens einem Jahr mit einer kurzen Ge-
meinnützigen Arbeitsauflage kombiniert werden (20-60 Arbeitsstunden). In
Dänemark kann Gemeinnützige Arbeit auch mit Geldstrafen und unbedingten
Freiheitsstrafen kombiniert werden. Zusätzlich kann Gemeinnützige Arbeit
als Auflage mit Weisungen bzgl. der Wohnsitznahme, des Schulbesuchs oder
der Arbeitsaufnahme verbunden werden. Auch Norwegen lässt spezifische
Auflagen in Verbindung mit Wohnung, Arbeit und Behandlungsweisungen
zu.
    Die Maximalzahl von Arbeitsstunden variiert von 200 (Finnland) bis zu
420 (Norwegen). Der Rahmen Gemeinnütziger Arbeit in Dänemark lag im
Bereich von 30 bis zu 240 Stunden, jedoch wurde 2012 die Höchstzahl auf
300 Stunden angehoben.
    Es gibt auch deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Gemeinnüt-
zigen Arbeit als echte Alternative zur Freiheitsstrafe (und nicht zu anderen
ambulanten Sanktionen) und den rechtlichen Vorgaben, die dies gewährleis-
ten sollen. Finnland hat hier die verbindlichsten Regelungen geschaffen, in-
dem eine zweistufige Prüfung vorgegeben wird: Zunächst trifft das Gericht
nach den allgemeinen Regeln eine Strafzumessungsentscheidung ohne Be-
rücksichtigung der Gemeinnützigen Arbeit als Sanktionsalternative. Wenn
nunmehr feststeht, dass eine unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen ist, kann
das Gericht diese Strafe in Gemeinnützige Arbeit umwandeln. Grundsätzlich
wird Gemeinnützige Arbeit damit nur in Fällen verhängt, wenn der Verurteil-
te andernfalls eine Gefängnisstrafe zu verbüßen hätte. Andere Länder sind in
dieser Hinsicht weniger strikt. Im Zusammenhang mit der Reform von 2001
in Norwegen wurde der Anwendungsbereich der Gemeinnützigen Arbeit er-
weitert. Nunmehr können nicht nur unbedingte Freiheitsstrafen ersetzt wer-
den, sondern auch Bewährungsstrafen Jugendlicher. In Island andererseits ist
die Entscheidung, eine Gefängnisstrafe oder deren Teil durch Gemeinnützige
Arbeit zu ersetzen, der Gefängnisverwaltung vorbehalten (nicht den Gerich-
ten). Damit wird – wie in Finnland – einem „net-widening” effektiv vorge-
beugt (wenngleich diese Vorgehensweise in anderen Ländern verfassungs-
rechtliche Fragen, z. B. des Richtervorbehalts, des Bestimmtheitsgrundsatzes
richterlicher Sanktionen etc. aufwerfen würde).
    Im Laufe der 2000er Jahre haben verschiedene skandinavische Länder Re-
formen verabschiedet, die das Ziel hatten, die Anwendung Gemeinnütziger
Arbeit auszuweiten. Schweden führte eine Kombination von Strafaussetzung
zur Bewährung mit Gemeinnütziger Arbeit ein, wodurch die Zahl von Ar-
beitssanktionen von jährlich ca. 2.000 auf ca. 4.000 anstieg. Dänemark änder-

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te seine Politik im Jahr 2000, indem der Anwendungsbereich auf Trunken-
heitsdelikte im Straßenverkehr ausgeweitet wurde (was zuvor ausdrücklich
ausgeschlossen war). Innerhalb von zwei Jahren vervierfachten sich Gemein-
nützige Arbeitssanktionen von ca. 1.000 auf 4.000. Norwegen versuchte an-
dererseits die Glaubwürdigkeit der Sanktion dadurch zu verbessern, dass man
sie in „community punishment“ umbenannte, und weitere Strafelemente hin-
zufügte. Auch hier wurden Trunkenheitsfahrer in den Anwendungsbereich
einbezogen, was zu einem Anstieg der Arbeitsstrafen von ca. 500 auf mehr
als 2.500 pro Jahr beitrug. Prozentual machten damit Arbeitsstrafen zwischen
5% in Finnland, 7% in Schweden, 8% in Dänemark und 13% aller gerichtli-
chen Sanktionen in Norwegen aus.
    Nichteuropäische Länder haben die Gemeinnützige Arbeit ebenfalls in
weitem Umfang eingeführt insbesondere im englischsprachigen Raum (Aust-
ralien, Neuseeland, Südafrika, USA), aber auch in Lateinamerika hat sich die
Gemeinnützige Arbeit als Alternative in jüngster Zeit in einigen Ländern wie
z. B. Costa Rica etabliert. In diesen Ländern ist das Jugendstrafrecht (wie
früher in Europa auch) der Schrittmacher für allgemeine Strafrechtsreformen.
(alle Jugendstrafrechtssysteme in Lateinamerika haben die Gemeinnützige
Arbeit eingeführt, vgl. Tiffer-Sotomayor 2000; Gutbrodt 2010). Allerdings
beklagt Gutbrodt (2010) zu Recht, dass der Katalog von Alternativsanktionen
mit Ausnahme von Costa Rica zumeist noch sehr unterentwickelt ist.
2.    Gesetzliche Ausgestaltung und straftheoretische Grundlagen der
Gemeinnützigen Arbeit
Gemeinnützige Arbeit beinhaltet die innerhalb der Freizeit und für einen be-
grenzten Zeitraum zu erbringende unbezahlte Arbeit zugunsten des Gemein-
wohls. Der Straftäter soll der Gesellschaft durch diese gemeinnützigen Ar-
beitsleistungen „etwas zurückgeben“ (Goldson 2008, S. 78; Dün-
kel/Pruin/Grzywa 2011, S. 1673). In dieser Hinsicht passt die ursprüngliche
Philosophie sehr gut zum spezialpräventiven Strafzweck der Wiedereinglie-
derung (Resozialisierung oder im Jugendstrafrecht Erziehung) ebenso wie zur
Idee der wiedergutmachenden Strafrechtspflege (restorative justice). Im Kon-
text der restorative justice hat Wright das Wesen der Gemeinnützigen Arbeit
wie folgt beschrieben: „Die Zielsetzung der Gemeinnützigen Arbeit liegt we-
der in der Bestrafung noch in der Resozialisierung (rehabilitation), sondern
vielmehr in der Übernahme von Verantwortung.“ Sie ist nicht auf „Schwä-
chen der Verurteilten orientiert, sondern auf ihre Stärken, nicht auf deren
fehlende Unrechtseinsicht, sondern ihre Fähigkeit zur Verantwortungsüber-
nahme, nicht auf die psychologischen und sozialen Risikofaktoren, sondern
auf ihre Fähigkeit zu einer autonomen Entscheidung. Dies macht den Unter-
schied zwischen einer Antwort auf Kriminalität i. S. des traditionellen Be-
handlungsparadigmas und einer Antwort i. S. der wiedergutmachenden Straf-
rechtspflege aus. Straforientierte Elemente der Gemeinnützigen Arbeit kön-

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nen in diesem Wiedergutmachungsparadigma demgemäß nur als Nebenpro-
dukt der Verurteilung eine Rolle spielen, z. B. im Hinblick auf den zeitlichen
Umfang der Arbeit“ (Wright 1991, S. 44).
    Allerdings haben einige Länder in den vergangenen 20 Jahren die Ge-
meinnützige Arbeit zu einer straforientierten Sanktion umdefiniert und dabei
eher repressive Strafelemente in den Vordergrund gestellt. Aus „community
service“ wurde „punishment in the community” oder „community punish-
ment“, insbesondere in England und Wales (vgl. die Reform von 1998), aber
auch in Norwegen (2001). Daher kann sich die Gemeinnützige Arbeit von
Land zu Land nach Inhalt und vorrangig verfolgtem Strafzweck unterschei-
den.
    Gemeinnützige Arbeit kann entweder als selbständige Sanktion oder als
Nebensanktion (z. B. Weisung oder Auflage) fungieren und ihre Funktion
kann sich danach unterscheiden, ob sie als Alternative zur Freiheitsstrafe oder
als Alternative zu anderen ambulanten Sanktionen (z. B. der Geldstrafe) ein-
gesetzt wird.
    Obwohl die Gemeinnützige Arbeit vor allem im Jugendstrafrecht breite
Anerkennung findet, wird sie in einigen Ländern für die sehr jungen Alters-
gruppen als inadäquat angesehen und daher ausgeschlossen (z. B. bei unter
16-Jährigen in England und Wales oder unter 15-Jährigen in Südafrika).
    Die maximale Stundenzahl und damit implizit der Rahmen ersetzbarer
Freiheitsstrafen variiert im Ländervergleich erheblich. In Europa beträgt der
Rahmen zumeist 40-240 Stunden, häufig mit einem Maximum von 120 Stun-
den bei jugendlichen Straftätern. Selbst in Ländern mit einer normalerweise
ähnlichen Kriminalpolitik wie in Skandinavier gibt es diesbezüglich beträcht-
liche Unterschiede. In Finnland liegt die Höchstzahl zu leistender Arbeits-
stunden bei 200, in Dänemark bei 300 und in Norwegen sogar bei 420 Stun-
den.
    In Südafrika können 50-240 Arbeitsstunden auferlegt werden, die inner-
halb eines Jahres abzuleisten sind. In Neuseeland ist der Rahmen mit 40-400
Stunden weiter (bis zu 200 Std. sind innerhalb eines Jahres, mehr als 200 Std.
innerhalb von zwei Jahren abzuleisten). Wenn Verurteilte den Arbeitspflich-
ten nicht nachkommen, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten
oder Geldstrafe von bis zu 1.000 $ (NZ) verhängt werden (vgl.
http://www.corrections.govt.nz/community-assistance/corrections-in-the-
community/community-work.html). In den USA liegt der Rahmen von Ar-
beitsstunden regelmäßig bei 100-500 Std. (die innerhalb eines Jahres abzu-
leisten sind).
3.     Internationale Menschenrechtsstandards im Hinblick auf die
Sanktionierung und Vollstreckung Gemeinnütziger Arbeit
Menschenrechtsstandards bzw. verfassungsrechtliche Fragen spielen bei der
Verhängung von Gemeinnütziger Arbeit eine wichtige Rolle, beispielsweise

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in Deutschland der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)
abgeleitete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So muss die Anzahl der
auferlegten Stunden proportional zur Schwere der Schuld bzw. der
begangenen Tat sein. In vielen Ländern gibt es deshalb die oben erwähnten
Höchstgrenzen in der Stundenzahl und die bei Jugndlichen herabgesetzten
Stunden sind als Ausdruck der bei Jugnedlichen generell angenommenen
geminderten Schuld anzusehen. In Deutschland, wo die Gemeinnützige
Arbeit nur bei 14-21-jährigen Jugendlichen und Heranwachsenden als
selbständige Sanktion eingeführt wurde, hat man keine gesetzlichen
Höchstgrenzen festgelegt, sodass hier der verfassungsrechtliche
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unmittelbar relevant wird. Dennoch sind
Einzelfälle bekannt geworden, in denen (vermutlich unverhältnismäßig)
mehrere Hundert Std. Gemeinnütziger Arbeit verhängt wurden.
    Die Empfehlung des Europarats über Community Sanctions or Measures
(CSM) von 1992 (Rec. (92)16) fordern, dass „Art, Inhalt und Methoden der
Implementation … die Privatsphäre und die Würde des Straftäters und seiner
Familie nicht gefährden bzw. beeinträchtigen dürfen … Es muss gewährleis-
tet sein, dass der Straffällige vor Verunglimpfung und unangebrachter Neu-
gier der Bloßstellung in der Öffentlichkeit geschützt wird“ (Rule 23).
    Die Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions or Measures (ER-
JOSSM) von 2008 (Rec. 2008)11) betonen – wie vorangegangene Empfeh-
lungen des Europarats und der Vereinten Nationen – , dass „Sanktionen oder
Maßnahmen … für die betroffenen Jugendlichen weder erniedrigend noch
herabsetzend sein“ dürfen. (Rule 7). Und: „Sanktionen oder Maßnahmen sind
so durchzuführen, dass die ihnen eigene belastende Wirkung nicht noch ver-
stärkt wird oder ein unangemessenes Risiko einer physischen oder psychi-
schen Verletzung darstellt.“ (Rule 8). Im Kommentar zu diesen Regelungen
wird auf einige inakzeptable Formen der Gemeinnützigen Arbeit Bezug ge-
nommen, die stigmatisierend sein können wie beispielsweise das Tragen spe-
zieller Uniformen oder Kleidung, die Straftäter unmittelbar als solche identi-
fizierbar machen und damit mit den ERJOSSM nicht übereinstimmen (vgl.
Council of Europe 2009, S. 37). Die Praxis, orangefarbige Uniformen zu tra-
gen, wie dies in England und Wales ebenso wie in den Niederlanden (ferner
in den USA und Südafrika) der Fall ist, muss als Verstoß gegen diese Men-
schenrechtsstandards angesehen werden. Aus europäischer Sicht ebenso völ-
lig inakzeptabel und menschenrechtsverletzend ist die frühere und in Arizona
nach wie vor gültige Praxis Straftäter aneinandergekettet arbeiten zu lassen
(chain gangs) und sie so in einem martialisch-mittelalterlichen Outfit zu stig-
matisieren.
    Zwei weitere Menschenrechtsaspekte sind in diesem Zusammenhang zu
nennen. Rule 37 der ERJOSSM fordert, dass die Kosten der Implementation
der Sanktion weder dem jugendlichen Täter noch seinen Eltern auferlegt wer-
den dürfen. Und: Gemeinnützige Arbeit darf nicht dem alleinigen Zweck der

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FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

Gewinnerzielung dienen (Rule 45 ERJOSSM). Daher wäre die Forderung der
südaustralischen Strafvollzugsverwaltung, den Gemeinden, die Gemeinnützi-
ge Arbeitsleistungen erhalten, 200 $ pro Tag gemeinnütziger Arbeitsleistung
in Rechnung zu stellen, mit europäischen Standards nicht zu vereinbaren. Die
südaustralischen Kommunen haben sich im Übrigen mit guten Gründen und
erfolgreich diesem Ansinnen der Vollzugsverwaltung widersetzt (vgl.
http://www.abc.net.au/news/2012-04-05/community-service-charge-
council/3934500).
4.     Statistische Daten im Europäischen Vergleich
Die Anwendungshäufigkeit gemeinnütziger Arbeit im Vergleich zu anderen
Sanktionen kann aus den Strafverfolgungsstatistiken entnommen werden.
Leider sind die nationalen Statistiken nicht immer für einen internationalen
Vergleich aussagekräftig, was im Fall von Deutschland daran liegt, dass die
Gemeinnützige Arbeit im Erwachsenenstrafrecht nur als Ersatzsanktion für
eine ansonsten zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe bei Geldstrafenschuldnern
existiert. Der Europarat hat in seinen verdienstvollen statistischen Auswer-
tungen im sog. Space I (zuletzt für das Erhebungsjahr 2009) und Space II
(Erhebungsjahr 2010) Informationen sowohl von Stichtagszahlen wie jährli-
chen Durchlaufzahlen veröffentlicht (jeweils pro 100.000 der Bevölkerung).
    Gemeinnützige Arbeit spielt nach diesen Statistiken in mehr als 20 euro-
päischen Ländern eine nennenswerte Rolle.
    Betrachtet man die Gemeinnützige Arbeit Leistenden im Rahmen einer
Bewährungsaufsicht zum Stichtag 31.12.2010, so kamen in Lettland, den
Niederlanden und England/Wales ca. 100, in Ungarn und Spanien nahezu 200
Probanden auf 100.000 der Bevölkerung. In zahlreichen Ländern lagen die
Quoten jedoch unter 10 (beispielsweise in Griechenland, Kroatien, Öster-
reich, Litauen und Polen), d. h. die Gemeinnützige Arbeit spielt dort noch
keine nennenswerte Rolle. Wenn man den jährlichen Durchlauf betrachtet,
ändert sich an der Rangfolge nichts Wesentliches. Zugleich wird deutlich,
dass in Spanien, England/Wales, in den Niederlanden, Schottland und allen
skandinavischen Ländern die überwiegende Zahl, in Ungarn und Lettland
etwa die Hälfte der Bewährungshilfeprobanden Gemeinnützige Arbeit abzu-
leisten haben (vgl. SPACE II 2012; Hildebrant 2012).
    Zahlreiche der Länder mit hohen Raten Gemeinnütziger Arbeit sind zu-
gleich Länder mit relativ hohen Gefangenenraten (vgl. zusammenfassend
Dünkel u. a. 2010). Dies gilt insbesondere für Spanien, England/Wales, Un-
garn, Lettland und Estland. Zugleich gibt es Länder mit niedrigen Gefange-
nenraten und pro 100.000 der Bevölkerung auch niedrigen Raten Gemeinnüt-
ziger Arbeit wie die skandinavischen Länder. Insgesamt gesehen gibt es aber
weder bei Stichtags- noch bei Durchlaufzahlen einen eindeutigen statistisch
signifikanten Zusammenhang. Dieser Befund beruht allerdings zu wesentli-
chen Teilen auf den spanischen Daten. Nimmt man diese heraus, so ergibt

                                                                              9
FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

sich eine schwach positive Korrelation zwischen hohen Gefangenraten und
extensiver Anordnung Gemeinnütziger Arbeit. Dieser Befund wird auch bei
zusammengefasster Betrachtung von ambulanten Sanktionen insgesamt und
von Gefangenenraten bestätigt. Länder mit hohen Gefangenenraten wenden
auch ambulante Sanktionen überdurchschnittlich häufig an.
    Allgemein scheint es, dass ambulante Sanktionen bzw. die Gemeinnützige
Arbeit die Freiheitsstrafe nicht wesentlich ersetzt haben. Länder mit niedrigen
Gefangenenraten kommen häufig auch mit wenigen Alternativsanktionen aus.
Allerdings werden bei der vorliegenden Betrachtung nur gemeinnützige Ar-
beitssanktionen mit Unterstellung unter Bewährungsaufsicht erfasst
    Nimmt man Bewährungsstrafen ohne Bewährungsunterstellung und Geld-
strafen hinzu, würden die skandinavischen Länder und Deutschland unter den
Ländern mit einer niedrigen Gefangenenrate bei gleichzeitig überdurch-
schnittlichen Raten von zu ambulanten Sanktionen Verurteilten zu finden
sein. Hier kann man eher annehmen, dass ambulante Maßnahmen zu einer
geringeren Gefangenenrate mit beigetragen haben.

II.  Evaluation der Gemeinnützigen Arbeit – Rückfall und
Wiedereingliederung in die Gesellschaft
1.     Implementation von Programmen, erfolgreiche Ableistung der
Arbeit etc.
Gemeinnützige Arbeit wird in den meisten Ländern von der Bewährungshilfe
oder von privaten Trägern der Straffälligenhilfe organisiert. Ein Hauptprob-
lem ist, ausreichende Arbeitseinsatzmöglichkeiten zu schaffen, insbesondere
in ländlichen Räumen mit u. U. weiten Entfernungen von der Wohnung des
Arbeit Leistenden zur Arbeitseinsatzstelle bei gleichzeitig ungünstien Ver-
bindungen des öffentlichen Nahverkehrs. Da Gemeinnützige Arbeit unent-
geltlich erbracht wird, ist ferner darauf zu achten, dass sie nicht in Konkur-
renz tritt zu regulärer Arbeit des ersten Arbeitsmarkts. Daher sind die Ge-
werkschaftsorganisationen stets darauf bedacht, dass Gemeinnützige Arbeit
auf zusätzliche Tätigkeiten beschränkt bleibt, die von normalen Firmen nicht
erbracht werden können.
    Empirische Studien haben zeigen können, dass die Implementation Ge-
meinnütziger Arbeit insoweit überwiegend gelungen ist, und dass sie neben
der Geldstrafe und der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zur wich-
tigsten ambulanten Sanktion wurde (s. o.). In diesem Zusammenhang ist her-
vorzuheben, dass die Erfolgsquoten im Hinblick das vollständige Ableisten
der Arbeitsstunden sehr hoch sind. Nur ein kleiner Teil scheitert und leistet
die geforderten Arbeitsstunden nicht oder nicht vollständig ab. Wesentliche
Faktoren des Scheiterns sind eine zu hohe Stundenzahl und/oder persönliche

10
FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

Probleme des Probanden, z. B. Alkohol-/Drogenabhängigkeit, psychologische
Auffälligkeiten/Probleme, Arbeitsentwöhnung oder instabiles Arbeitsverhal-
ten in der Vergangenheit, Arbeitsverweigerung aus verschiedenen Gründen
etc. Die Erfahrungen der Bewährungshilfeorganisationen zeigen, dass prob-
lematische Probanden multiple Probleme aufweisen, was auf die Notwendig-
keit hinweist, dass es bei dieser schwierigen Klientel um mehr geht als nur
einen Arbeitseinsatzplatz zu finden. Hier sind umfassende Hilfeangebote
notwendig, um den multiplen Problemlagen gerecht zu werden.
    In diesem Zusammenhang sollte ein herausragendes Praxisbeispiel in
Deutschland erwähnt werden. Gemeinnützige Arbeit ist im Erwachsenenstraf-
recht nur als Ersatzstrafe für die Ersatzfreiheitsstrafen im Falle der Nichtbe-
zahlung einer Geldstrafe vorgesehen (Norwegen hat 2012 eine ähnliche Sank-
tion („Bötetjeneste“) eingeführt und auch Finnland erwägt eine entsprechende
Sanktion für Geldstrafenschuldner). Die gesetzlichen Grundlagen wurden im
Jahr 1983 geschaffen (Art. 293 EGStGB), aber bis Mitte der 1990er Jahre
haben die meisten Bundesländer entsprechende Programme auf der Basis von
Landesverordnungen in eher begrenztem Umfang eingeführt, wobei organisa-
torisch unterschiedliche Modelle über freie Träger der Straffälligenhilfe, die
staatliche Bewährungshilfe oder die Rechtspfleger bei den Staatsanwaltschaf-
ten realisiert wurden5. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte spezielle
Probleme, indem 1996 stichtagsbezogen 22% der Gefangenen im Erwach-
senenvollzug eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten (Dünkel/Scheel 2006, S.
35). Daher wurde 1998 ein landesweites Projekt gestartet, das systematisch
die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Gemeinnützige Arbeit orga-
nisierte. Die beteiligten Sozialarbeiter nahmen aktiv Kontakt zu die Geldstra-
fe nicht bezahlenden Verurteilten auf und versuchten sie in Gemeinnützige
Arbeit zu vermitteln. Die Neustrukturierung der Bewährungs- und Straffälli-
genhilfe führte zu einer erheblich verbesserten Infrastruktur bzgl. Arbeitsein-
satzstellen. Nicht weniger als 1.600 Arbeitseinsatzstellen wurden flächende-
ckend eingerichtet, sodass selbst in dem weiten Flächenland Mecklenburg-
Vorpommern jeder Proband ohne größere Anfahrtswege eine Arbeitsstelle für
Gemeinnützige Arbeit finden konnte. Ein spezielles Element des Projekts
beinhaltete die besondere Betreuung von Verurteilten, die aufgrund persönli-
cher Schwierigkeiten (Alkoholabhängigkeit, Arbeitsentwöhnung etc.) nicht in
der Lage waren, ohne intensive Begleitung eines Sozialarbeiters die gemein-
nützige Arbeit zu leisten. Ca. 70 Einrichtungen mit besonderer Betreuung
während der Ableistung der Arbeit wurden geschaffen. Ein weiteres Element
des Projekts war die Vermittlung in Gemeinnützige Arbeit selbst nach Antritt
der Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis, sodass bereits nach wenigen Tagen
eine Entlassung erfolgen konnte. Die Ergebnisse der Begleitforschung bzgl.

5
    Vgl. Feuerhelm 1991, S. 153 ff.; zu den allgemeinen theoretischen Grundlagen der
     Gemeinnützigen Arbeit vgl. Feuerhelm 1997.

                                                                                  11
FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

des 1998 gestarteten dreijährigen Modellprojekts sind beeindruckend. Die
stichtagsbezogene Belegung im Strafvollzug aufgrund von Ersatzfreiheitsstra-
fen sank von 100-120 auf 50-70, d. h. rund um die Hälfte (vgl. Dünkel/Scheel
2006, S. 32 ff.). Diese Ergebnisse überzeugten das Justizministerium des
Landes so sehr, dass man die 6 Sozialarbeiterstellen für die Vermittlung in
Gemeinnützige Arbeit nachhaltig im Landesetat verankerte. Das Projekt hat
auch nach der Modellphase die Fehlbelegung im Strafvollzug mit Geldstra-
fenschuldnern auf dem 2001 erreichten niedrigen Niveau nahezu konstant
halten können. Die Vermittlung in Gemeinnützige Arbeit war in ca. 75% der
Fälle erfolgreich, d. h. der Verurteilte erfüllte die geforderten Arbeitsleistun-
gen vollständig oder teilweise (ggf. mit teilweiser Bezahlung des Rests der
Geldstrafe). Hierdurch sparte das Land Mecklenburg-Vorpommern ganz er-
hebliche Summen an Haftkosten ein, z. B. 2010 ca. 1.6 Million € (wobei hier
konservativ nur die täglichen Kosten für Ernährung und Unterbringung, nicht
das Gefängnispersonal einberechnet wurden), während die Kosten für Ge-
meinnützige Arbeit (im Wesentlichen die 6 erwähnten Vermittlerstellen) le-
diglich ca. 450.000 € pro Jahr betrugen. Die Kosten-Nutzen-Bilanz für das
Land beträgt daher ein Plus von mehr als einer Million € (vgl. Dünkel 2011a,
S. 149).

2.     Ersatz von Freiheitsstrafe oder „net-widening“ durch Gemein-
nützige Arbeit? – das Beispiel der skandinavischen Länder
Alle skandinavischen Länder haben die Gemeinnützige Arbeit in den 1990er
und 2000er Jahren eingeführt oder ihren Anwendungsbereich ausgeweitet.
(vgl. i. E. auch Lappi-Seppälä 2008).
    In Finnland wurde die Gemeinnützige Arbeit 1993 ohne größere Net-
widening-Effekte eingeführt. In Dänemark traf die Ausweitung der Arbeits-
strafe mit der Abschaffung kurzer Freiheitsstrafen von bis zu zwei Wochen
zusammen. Es hat den Anschein, dass tatsächlich ein beachtlicher Anteil
früherer kurzer unbedingter Freiheitsstrafen durch Gemeinnützige Arbeit
ersetzt wurde, teilweise aber auch durch bedingte Strafen (Bewährungsstra-
fen).
    In Schweden erfolgte die Ausweitung der Gemeinnützigen Arbeit im Jahr
2000, um bedingte und unbedingte Freiheitsstrafen zu ersetzen. 2002 änderte
Norwegen den Namen der Arbeitssanktion in „community punishment“, um
die Glaubwürdigkeit der Sanktion zu stärken. Dies hat tatsächlich zu einer
häufigeren Anwendung der Gemeinnützigen Arbeit geführt. Allerdings ist
diese Zunahme nicht zu Lasten der unbedingten, sondern eher der bedingten
Freiheitsstrafe erfolgt.
    Offensichtlich ist es in vier von 5 skandinavischen Ländern (Island einge-
schlossen) gelungen Freiheitsstrafen durch Gemeinnützige Arbeit zu ersetzen,
was dem gesetzgeberischen Anliegen der Reformgesetze entspricht. In Finn-

12
FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

land wurde explizit hervorgehoben, dass Gemeinnützige Arbeit nur in Fällen
zur Anwendung kommen solle, bei denen andernfalls eine unbedingte Ge-
fängnisstrafe die Folge gewesen wäre. Dies wurde mit verschiedenen gesetz-
geberischen Regelungen abgesichert. Die statistischen Ergebnisse sind beein-
druckend: Parallel mit einem Anstieg von Arbeitsstrafen von praktisch 0 auf
ca. 3.500 ging die Verhängung von unbedingten Freiheitsstrafen um etwas
mehr als 3.000 zurück. In Finnland werden von den Gerichten jährlich ca.
3.500 Arbeitsstrafen auferlegt. Dies entspricht rund 35-40% aller Freiheits-
strafen (von bis zu 8 Monaten Dauer), die theoretisch in Gemeinnützige Ar-
beit hätten umgewandelt werden können. Damit wurden 400-500 Haftplätze
eingespart (d. h. 10-15% der jeweiligen Gefängnispopulation).

3.      What works? – Rückfallraten und andere Erfolgskriterien
Eine finnische Untersuchung verglich im Rahmen eines quasi-
experimentellen Designs Straftäter, die in dem damals eingerichteten
Modellbezirk Gemeinnützige Arbeit ableisteten, mit einer vergleichbaren
Gruppe von eine kurze Freiheitsstrafe verbüßenden Straftätern (meist
Verurteilte wegen Trunkenheit im Straßenverkehr). Die Nachuntersuchung
nach 5 Jahren Risikozeitraum ergab bezogen auf erneute Verurteilungen zu
Gemeinnütziger Arbeit, bedingter oder unbedingter Freiheitsstrafe eine
konstant bessere Legalbewährung der Gruppe mit Gemeinnütziger Arbeit. Je
nach Betrachtung des Risikozeitraums ab dem Zeitpunkt der Veruretilung
oder dem Ende der Vollstreckung der Strafe betrugen die Unterschiede der
Rückfälligkeit zugunsten der gemeinnützigen Arbeit 60% : 66% bzw. 62% :
72% (vgl. Muiluvuori 2001).
    In Dänemark hat Clausen (2007) die Legalbewährung von Gemeinnützi-
ger Arbeit im Vergleich zur kurzen Freiheitsstrafe untersucht. Die Studie ist
auf zwei Tätergruppen begrenzt, Gewalttäter und Straßenverkehrsdelinquen-
ten (einschließlich Trunkenheitstäter). Im Fall von Verkehrsdelikten ermög-
lichte eine Gesetzesänderung im StGB von 2000 kurze Freiheitsstrafen von
bis zu 60 Tagen durch Gemeinnützige Arbeit zu ersetzen. Mit Blick auf diese
Reform untersuchte Clausen die Rückfallraten von Verurteilten vor und nach
der Reform, die im einen Fall zu unbedingten Freiheitsstrafen, im anderen zu
Gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden waren. Was die Gewalttäter anbe-
langt, so sind auch hier Reformen relevant, indem die Justiz Ende der 1990er
Jahre den Anwendungsbereich der Gemeinnützigen Arbeit für diese Täter-
gruppe erheblich ausweitete. In Clausen’s Forschung besteht die Experimen-
talgruppe aus Gewalttätern, die 2000-2001 zu Gemeinnütziger Arbeit verur-
teilt wurden, die Kontrollgruppe aus 1997-1998 zu Freiheitsstrafe verurteilten
vergleichbaren Gewalttätern. Eine Vielzahl weiterer Risikofaktoren wurden
als Kontrollvariablen einbezogen, wie z. B. Alter, Geschlecht, ethnische Zu-
gehörigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch, psychiatrische Auffälligkeiten,

                                                                              13
FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

Wohnsituation, Ausbildung, Arbeit, Familiensituation und Einkommen. Der
Beobachtungszeitraum betrug zwei Jahre nach Verurteilung oder Entlassung
aus dem Strafvollzug (vgl. Clausen 2007).
    Die Ergebnisse multivariater Analysen zeigten, dass allgemein Alter, Ein-
kommen und strafrechtliche Vorbelastungen als Vorhersagekriterien des
Rückfalls wichtiger sind als die Art der Sanktion. Auf der anderen Seite gibt
es Hinweise darauf, dass die Gemeinnützige Arbeit spezialpräventiv vorteil-
haft ist. So wurden beispielsweise junge (unter 25 Jahre alte) Straßenver-
kehrsdelinquenten zu 36% weniger rückfällig als die Vergleichsgruppe mit
Freiheitsstrafe. Bei der Gruppe der Gewalttäter profitierten die Arbeitslosen
von Gemeinnütziger Arbeit am meisten. Zur Erklärung führt Clausen an, dass
die Gemeinnützige Arbeit die bei jungen Straßenverkehrstätern als besonders
stigmatisierend empfundene Freiheitsstrafe vermeidet. Hinzu kommt, dass
manche Programme die anschließende Übernahme des Probanden in reguläre
Arbeitsverhältnisse vorsehen und dadurch das Verantwortungsbewusstsein
des Verurteilten und die Arbeitsintegration (der zuvor häufig längerfristig
Arbeitslosen) gefördert werden. Diese positiven Auswirkungen sind von nicht
zu unterschätzender Bedeutung, auch wenn Clausen’s Studie bei den meisten
Tätergruppen keine signifikante Reduzierung der Rückfallraten im Vergleich
zur kurzen Freiheitsstrafe belegen konnte. Die nur bescheidenen Effekte im
Hinblick auf die Rückfallminderung im Vergleich zur bedingten Verurteilung
oder unbedingten (i. d. R. sehr kurzen) Freiheitsstrafen dürfte daran liegen,
dass die in Frage stehenden sehr kurzen Freiheitsstrafen (z. B. in der Studie
von Killias et al. 2010a: maximal 14 Tage) wenig Schaden anrichten können.
Die Freiheitsstrafe kann in diesen Fällen z. B. während Urlaubszeiten verbüßt
werden, sodass die entsozialisierenden Wirkungen des Freiheitsentzugs mit
Verlust des Arbeitsplatzes etc. hier gerade nicht eintreten.
    Im Übrigen gibt es in keiner Studie Anlass zur Befürchtung, dass Ge-
meinnützige Arbeit zu einem Anstieg der Rückfallraten beiträgt. Angesichts
der geringeren Kosten im Vergleich zum Strafvollzug und unter Gesichts-
punkten humanen, möglichst wenig eingriffsintensiven Strafens verdient die
gemeinnützige Arbeit damit allemal den Vorzug.
    Auch methodisch anspruchsvolle Studien wie die von Killias et al. vorge-
legten lassen keine andere Schlussfolgerungen zu. In einer experimentellen
Studie verglichen Killias et al. (2000) Gemeinnützige Arbeit Leistende mit
kurze Freiheitsstrafen (Maximal 14 Tage) Verbüßenden. Der Rückfall wurde
differenziert erfasst nach jeglicher Wiederverurteilung, der Anzahl von Wie-
derverurteilungen, Wiederverurteilungen zu Freiheitsstrafe und der Anzahl
entsprechender Verurteilungen. Zusätzlich wurde jeweils individuell die Ver-
urteilungshäufigkeit vor und nach der überprüften Sanktionierung erfasst.
Nach allen Kriterien schnitt die Gruppe mit gemeinnütziger Arbeit besser ab.
Allerdings waren die Ergebnisse angesichts der nur kleinen Gruppengröße
allenfalls schwach signifikant. 2010 legten Killias et al. zwei weitere Studien

14
FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

experimentell kontrollierter Vergleichsgruppen vor. Hierbei wurden die Ef-
fekte der gemeinnützigen Arbeit einmal im Vergleich zur (sehr kurzen) Frei-
heitsstrafe (s. o.), das andere Mal im Vergleich zu elektronischer Überwa-
chung untersucht (Killias et al, 2010a; 2010b). Während in der ersten Studie
(Killias et al., 2010a) keine Unterschiede zwischen der Gemeinnützigen Ar-
beit und der kurzen Freiheitsstrafe gefunden wurden (was – wie erwähnt –
angesichts der Kürze des Freiheitsentzugs auch nicht erwartbar war), wurden
in der zweiten Studie geringfügige Vorteile zugunsten der elektronischen
Überwachung ausgemacht (Killias et al., 2010b). Auch hier bleibt die Evi-
denz allerdings begrenzt, zumal die vorliegenden ebenso wie andere Studien
auf zu kleinen Stichproben bzw. Untersuchungsgruppen basieren, die dazu
führen, dass die Ergebnisse häufig statistisch nicht signifikant sind.
   Probleme zu kleiner Untersuchungsgruppen wurden in der großangelegten
Langzeitstudie bzgl. erwachsenen Verurteilten in den Niederlanden vermie-
den, die auf offiziellen Daten der Strafverfolgungsstatistiken basiert (Wer-
mink et al., 2010). Die Studie vergleicht den Rückfall nach Gemeinnütziger
Arbeit und nach Strafvollzug bei 4.246 Straftätern. Zur Kontrolle von Verzer-
rungen durch strafjustizielle Selektionsmechanismen wurden nach verschie-
denen Matching-Verfahren zahlreiche Variablen kontrolliert. Die Ergebnisse
deuten erhebliche spezialpräventive Vorteile der Gemeinnützigen Arbeit an:
Die Gruppe von Verurteilten mit gemeinnütziger Arbeit zeigte eine um 46,8%
geringere Rückfallquote als die Kontrollgruppe des Strafvollzugs. Die Ergeb-
nisse waren sowohl für männliche wie weibliche Verurteilte und auch bei
langfristiger Betrachtung stabil positiv (Wermink et al. 2010, S. 344 ff.).

Tabelle 1: Rückfallraten nach Gemeinnütziger Arbeit im Vergleich zur
Verbüßung einer Freiheitsstrafe

Studie                      Ergebnisse
Muiluvuori (2001), Finn-    Rückfall: Erneute Freiheitsstrafe innerhalb von
land                        5 Jahren nach der Verurteilung
Quasi-experimentell         Gemeinnützige Arbeit (60%)
(während der Modellpha-     Gefängnis (66%), nicht signifikant
se).
Matching nach Alter,        Rückfall: Erneute Freiheitsstrafe innerhalb von
Geschlecht und vorheri-     5 Jahren nach der Vollstreckung der Strafe
gen Verurteilungen          Gemeinnützige Arbeit (62%)
                            Gefängnis (72%), signifikant
Clausen (2007), Däne-       Rückfall: Erneute registrierte Straftat innerhalb
mark                        von zwei Jahren nach Verurteilung
Quasi-experimentelles       Verkehrstäter: Rückfallrisiko für junge Trunken-
Design (vor und nach der    heitsfahrer um 36% niedriger als nach Strafvoll-

                                                                              15
FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

Reform)                       zug
Multivariate Analysen         Gewalttäter: Arbeitslose profitieren von Ge-
(wichtigste sozio-            meinnütziger Arbeit am meisten
demografische Faktoren)
Killias et al. (2000),        Rückfall: Verurteilungen innerhalb von zwei
Schweiz                       Jahren:
Randomisiertes Experi-        Gemeinnützige Arbeit (21,4%)
ment                          Strafvollzug (25,6%), nicht signifikant
                              Rückfall: Anzahl von Verurteilungen innerhalb
                              von zwei Jahren
                              Community Service (0,39)
                              Strafvollzug (0,64), nicht-signifikant
                              Rückfall: Erneute Inhaftierung innerhalb von
                              zwei Jahren
                              Gemeinnützige Arbeit (33,3%)
                              Strafvollzug (38,5%), nicht signifikant
                              Rückfall: Anzahl erneuter Inhaftierungen inner-
                              halb von zwei Jahren
                              Gemeinnützige Arbeit (0,76, zuvor jedoch 1,66)
                              Strafvollzug (2,18, zuvor 1,69), nicht signifikant
                              Zu beachten: der deutliche Unterschied durch-
                              schnittlicher Verurteilungen vor und nach der
                              Referenzperiode
Killias et al. (2010a)        Langfristig kein signifikanter Unterschied der
                              Rückfälligkeit bei Gemeinnütziger Arbeit und
                              (maximal 14 Tage) Strafvollzug
Killias et al. (2010b),       Geringfügige Vorteile elektronischer Überwa-
Jeweils experimentelles       chung gegenüber Gemeinnütziger Arbeit
Design
Wermink et al (2010),         Gemeinnützige Arbeit führt zu einem Rückgang
Niederlande                   der Rückfallquote um 46,8% im Vergleich zur
Kontrolle durch verschie-     Strafverbüßung in Haft.
dene Matching-
Verfahren.
Andersson/Alexandersson       Kein signifikanter Unterschied der Rückfällig-
(1994), Schweden              keit in verschiedenen Regressionsanalysen
Bonta et al. (2002),          Meta-Analyse (37 Studien)
Kanada                        Effektstärke – 0.03 ( = 3% weniger Rückfall)
Bonta et al. (2006),          Meta-Analyse (57 Studien)
Kanada                        Effektstärke – 0.07 ( = 7% weniger Rückfall)

16
FRIEDER DÜNKEL: Gemeinnützige Arbeit – What works?

    Der gegenwärtige empirische Erkenntnisstand zeigt, dass die Gemeinnüt-
zige Arbeit mit Blick auf die spezialpräventive Effizienz der Rückfallminde-
rung i. S. der von der Universität Maryland entwickelten „What-works“-
Kriterien (vgl. MacKenzie 2006) zumindest als „vielversprechend“ (promi-
sing) anzusehen ist. Verschiedene Studien belegen signifikante Unterschiede
der Rückfälligkeit bei Tätern, die Gemeinnützige Arbeit leisteten anstatt eine
(kurze) Freiheitsstrafe zu verbüßen. Die aktuelle Meta-Analyse von 57 Stu-
dien durch Bonta et al. (2006) ergab stärkere Effektstärken (.07) als frühere
Meta-Analysen (Bonta et al. 2002: .03), was die Autoren damit erklären, dass
die Programme im Zeitraum nach 1995 besser strukturiert und implementiert
wurden und damit den „What-works“-Kriterien besser entsprechen (Bonta et
al. 2006, S. 115).
    Im Zusammenhang mit der Gemeinnützigen Arbeit sollten aber auch an-
dere „Erfolgskriterien“ als das Rückfallkriterium betrachtet werden. So liegen
andere Vorteile in dem positiven Kontakt zum Arbeitsleben und in der Folge
ggf. der Verbesserung der Einkommenssituation des Verurteilten), oder in der
besseren Selbstkontrolle bzgl. Alkohol- und Drogenmissbrauch (in den spezi-
ell dazu entwickelten Programmen). „Wichtig ist weiterhin, dass Teilnehmer
an Programmen der Gemeinnützigen Arbeit langfristig im Hinblick auf die
Abhängigkeit von Sozialhilfeleistungen und die Einkommenssituation besser
abschneiden“ (Andersen 2012, S. 26). Bei Gewalttätern und wegen Vergehen
Verurteilten waren die Rückfallraten im Vergleich zu Freiheitsstrafe Verbü-
ßenden geringer. Ein Problem bleiben die wegen Drogendelikten von Ge-
meinnütziger Arbeit grundsätzlich ausgeschlossenen Tätergruppen. Das
schwedische „contract treatment“ zeigt hier allerdings einen vielversprechen-
den Lösungsweg auf.

Ausblick – Potenziale der Gemeinnützigen Arbeit
Die Sanktionspolitik in Europa wurde mit Blick auf die 1990er und 2000er
Jahre durch zwei unterschiedlichen Tendenzen charakterisiert: den zuneh-
menden Gebrauch der Freiheitsstrafe und die Einführung neuer ambulanter
Sanktionen. Die erste sanktionspolitische Orientierung spiegelt eine zuneh-
mende Punitivität und populistische Politikstile in einzelnen Ländern wider,
wobei diese in Europa nur in einzelnen Ländern und Bereichen (z. B. bei Se-
xualtätern) wirklich empirisch gesichert wurden (vgl. Dünkel u. a. 2010; S.
1042 ff., 1053 ff.; Snacken/Durmortier 2012, S. 247 ff.). Die zweite Tendenz
beinhaltet den Versuch, der vermehrten „Einsperrungspolitik“ durch alterna-
tive Angebote konstruktiver, rationaler und zugleich humaner, nichtfreiheits-
entziehender Sanktionen entgegen zu wirken Der Gesamteffekt dieser zwei-
ten Tendenz mag auf den ersten Blick enttäuschend erscheinen. Die Zahl
ambulanter Sanktionen hat häufig parallel zum Anstieg der Gefangenenraten

                                                                              17
FRIEDER DÜNKEL: GEMEINNÜTZIGE ARBEIT – WHAT WORKS?

zugenommen. Auch kann man nicht unbedingt sagen, dass Länder, in denen
ambulante Sanktionen extensiv genutzt werden, zu den Ländern mit im All-
gemeinen niedrigen Gefangenenraten gehören. Es wäre ebenso falsch, festzu-
stellen, dass die Einführung bestimmter ambulanter Sanktionen keinen effek-
tiven Nutzen gebracht hat. In einigen Ländern wurden tatsächliche Erfolge
erzielt und Hinweise erbracht, unter welchen Rahmenbedingungen z. B. die
Gemeinnützige Arbeit gut funktioniert. Fehlschläge zeigen auf der anderen
Seite, was man besser nicht machen sollte. Zusammenfassend kann man fest-
stellen, dass ambulante Sanktionen wie die Gemeinnützige Arbeit durchaus
ein Potenzial zur Vermeidung von Freiheitsstrafen aufweisen. Aus den inter-
nationalen Erfahrungen lassen sich folgende zentralen Fragen ableiten: 1. Wie
kann man gewährleisten, dass Alternativen vorrangig angewendet werden? 2.
Wie kann man gewährleisten, dass sie tatsächlich Freiheitsentzug ersetzen
und nicht andere ambulante Sanktionen?, und 3. Wie kann man die Glaub-
würdigkeit dieser Sanktionen in der Öffentlichkeit und im Ansehen der Justiz
herstellen und erhalten Die gegenwärtigen Probleme und kriminalpolitischen
Forderungen hinsichtlich der ambulanten Sanktionen, insbesondere der Ge-
meinnützigen Arbeit wurden an anderer Stelle wie folgt zusammengefasst
(Lappi-Seppälä 2003; ähnlich van Kalmthout 2000, S. 121 ff., 123 ff.):
    1. Zusätzliche (gesetzliche oder bürokratische) Hürden sollten geschaffen
werden, um sicherzustellen, dass die neuen ambulanten Sanktionen tatsäch-
lich unbedingte Freiheitsstrafen ersetzen. In den meisten Ländern ersetzt die
Gemeinnützige Arbeit nur in 50-60% der Fälle tatsächlich (kurze) Freiheits-
strafen. Dieser Anteil kann unmittelbar und leicht gesteigert werden, wenn
die gesetzliche Vorgabe eingeführt wird, dass Gemeinnützige Arbeitsstrafen
lediglich unbedingte Freiheitsstrafen ersetzen können – wie dies in Finnland
der Fall ist (was dort zu einer „Ersetzungsquote“ von über 90% geführt hat).
Ein anderer Weg ist, ambulante Sanktionen wie in Island als Form der Voll-
streckung von Gefängnisstrafen zu vorzusehen.
    2. Die effektive Nutzung alternativer Sanktionen und kohärente Strafzu-
messungsstrategien setzen klare gesetzliche Leitlinien zur Implementation
voraus. Die Gerichte sollten eindeutige Vorgaben erhalten, unter welchen
Bedingungen und für welche Täter neue ambulante Sanktionen eingesetzt
werden sollen. Die Rolle und Stellung von neuen Alternativen in Bezug auf
andere Sanktionen sollten gleichfalls klargestellt sein.
    3. Der Erfolg jeglicher ambulanter Sanktion setzt die Bereitstellung von
Ressourcen und einer geeigneten Infrastruktur voraus. Gemeindebezogene
Sanktionen können nur in einem auf die entsprechende Sanktion ausgerichte-
ten Setting erfolgreich implementiert werden. Dies setzt z. B. Organisationen
wie die Bewährungshilfe voraus. Oft bedarf es auch der Kooperation mit pri-
vaten oder halb-privaten Trägern der Straffälligenhilfe. Staat und Kommunen
sollten verpflichtet werden, die notwendigen finanziellen Ressourcen bereit
zu stellen.

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