Hamburger Informationen - zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik

Die Seite wird erstellt Alexander Mack
 
WEITER LESEN
Hamburger Informationen
zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik
 Nachrichten – Kurzberichte – Analysen – Forschungsprojekte – Pressemitteilungen – Materialien – Dokumente

Ausgabe 33/2001                                                                                       Hamburg, Dezember 2001

                                                      Thorsten Stodiek

Der Einsatz internationaler Polizei in Friedensmissionen *

1. Zur Einordnung internationaler Polizei in den                  Rechtsstaatsprinzipien das Vertrauen der Bevölkerung
   Bereich der Konfliktbearbeitung                                gewinnt und somit der Selbstjustiz zuvorkommt. (Die
                                                                  Notwendigkeit eines funktionierenden Justizwesens sei
   Im Rahmen der Friedensmissionen der UNO und regio-             hier am Rande erwähnt).
naler Sicherheitsorganisationen wie WEU und OSZE spie-
                                                                      Der Bedeutungszuwachs der Polizeikomponente in in-
len internationale Polizeikomponenten eine immer bedeu-
                                                                  ternationalen Friedensmissionen spiegelt sich in der Ent-
tendere Rolle. Operierten die UN während des Kalten
                                                                  wicklung der Peacekeeping-Missionen seit dem Ende des
Krieges in der Regel nur in zwischenstaatlichen Konflik-
                                                                  Kalten Krieges sowohl in quantitativer wie qualitativer
ten, indem sie Blauhelmsoldaten als Puffer zwischen zwei
                                                                  Hinsicht wider. Waren in der Namibia-Mission 1989 bis
verfeindeten Armeen stationierten, waren es seit den
                                                                  1990 knapp 1.500 UN-Polizisten lediglich zur Beobach-
neunziger Jahren fast ausnahmslos innerstaatliche Kon-
                                                                  tung der lokalen Polizeikräfte im Einsatz,1 so kamen im
flikte, mit denen sich die Weltorganisation konfrontiert
                                                                  Laufe der nächsten Missionen bei stetigem Personalan-
sah. Zur Lösung dieser Konflikte, die sich oft in einem
                                                                  stieg auch Aufgaben wie der Aufbau und die Ausbildung
anarchischen Umfeld abspielten, bedurfte es des komple-
                                                                  lokaler Polizeieinheiten hinzu. Damit trug man der Er-
xen Aufbaus rechtsstaatlicher demokratischer Strukturen,
                                                                  kenntnis Rechnung, dass der Erfolg einer Peacekeeping-
für deren Absicherung eine internationale Polizeitruppe
                                                                  Mission in großen Teilen von der „Performance“ der
von fundamentaler Bedeutung war. Soldaten können durch
                                                                  lokalen Polizei nach dem Abzug der internationalen Si-
ihre Präsenz zwar den großflächigen Ausbruch von Ge-
                                                                  cherheitskräfte abhängig ist. Diese lokale Polizei muss bei
walt zwischen den Konfliktparteien verhindern, die
                                                                  Missionsende den Willen und die Fähigkeit besitzen, Men-
genuinen Aufgaben einer Schutz-, Kriminal- oder Ver-
                                                                  schenrechtsverletzungen zu verhindern, demokratische In-
kehrspolizei können und wollen sie aber oftmals mangels
                                                                  stitutionen zu schützen und konsequent gegen Korruption,
adäquater Ausbildung und Ausstattung nicht verrichten.
Daher wird für Missionen in Ländern, in denen die lokale          *   Dieser Beitrag beruht auf einem Forschungsprojekt mit dem Titel
Polizei aufgelöst oder aufgrund vorausgegangener schwe-               „Internationale Polizei als Instrument der Konfliktbearbeitung”, das
rer (Menschen-)Rechtsverstöße bei der Bevölkerung dis-                von der Volkswagen-Stiftung gefördert wird.
kreditiert ist, eine internationale Polizei benötigt, die durch   1   Hufnagel, Frank-Erich, UN-Friedensoperationen der zweiten Generati-
konsequente Rechtsdurchsetzung unter Beachtung von                    on. Vom Puffer zur neuen Treuhand, Berlin 1996, S. 62ff.

INSTITUT FÜR FRIEDENSFORSCHUNG UND SICHERHEITSPOLITIK
an der Universität Hamburg (IFSH) 22587 Hamburg • Falkenstein 11
organisierte Kriminalität und Terrorismus vorzugehen:     weiterhin nur wenige Kosovo-Serben die Rückkehr in
Die Fähigkeit zur Gewährleistung der inneren Sicherheit   ihre Heimatdörfer. Das UNMIK-Polizeiaufgebot hat
ist schließlich eine Grundvoraussetzung für die sozio-    mit rund 4.500 Mann seine Sollstärke noch immer nicht
ökonomische Stabilisierung von Krisenregionen.            voll erreicht. Auch Deutschland hat es nicht geschafft,
   Den quantitativen wie qualitativen Höhepunkt in der    wie angekündigt, 420 Beamte in der Mission zu halten
Geschichte internationaler Polizeieinsätze stellt die     (Ende 2001 befanden sich rund 350 deutsche Polizisten
Kosovo-Mission der Vereinten Nationen (seit Juni 1999)    vor Ort).
dar. Den UNCIVPOL-Beamten wurde zusätzlich zu den            Abgesehen vom rein quantitativen Aspekt des
bereits üblichen Überwachungs- und Ausbildungs-           Personalmangels in UN-Polizeimissionen stellen quali-
aufgaben die Verantwortung für die Gewährleistung der     tative Defizite der Polizisten und kulturelle Probleme in
öffentlichen Sicherheit übertragen. Die vom UN-Sicher-    den Reihen der UN-Polizei und zwischen der UN-Polizei
heitsrat autorisierten 4.718 UN-Polizisten bilden zudem   und den lokalen Polizisten bzw. der lokalen Bevölkerung
das bislang mit Abstand größte Polizeikontingent in UN    große Hemmnisse für die erfolgreiche Umsetzung der
Friedensoperationen. Da auch das knapp ein Jahr später    immer komplexer werdenden Polizeimandate dar.
nach Osttimor entsandte Polizeikontingent der UNTAET         Vielen Polizisten mangelt es an den Grundvorausset-
(1.640) mit bewaffneten Exekutivaufgaben betraut wur-     zungen für einen internationalen Einsatz: Sie sprechen
de, ist davon auszugehen, dass solche Mandate (zumin-     kein Englisch, beherrschen die Dienstwaffe nicht und
dest im UN-Rahmen) in künftigen Friedensmissionen         können die Geländefahrzeuge der UN-Polizei nicht steu-
neben den eher traditionellen Aufgaben von Ausbildung     ern. Viele Beamte – vor allem aus Entwicklungsländern
und Überwachung lokaler Polizeien vermehrt auf der        - sind von ihren Regierungen zwangsentsandt worden,
Tagesordnung stehen werden. Diese Tatsache muss beim      ohne Rücksicht auf ihre Ausbildung, Ausrüstung und
Aufbau internationaler Polizeikontingente berücksich-     ihre Motivation. Entsprechend unbefriedigend ist viel-
tigt werden.                                              fach ihr Auftreten in der Mission. Folge davon ist wiede-
                                                          rum ein schlechtes Ansehen bei den lokalen Polizisten
2. Erfahrungen/Probleme mit der Entsendung                und der lokalen Bevölkerung, das das Bild der ganzen
   von Polizeikomponenten in internationalen              Mission negativ beeinflussen kann.
   Friedensmissionen                                         Auch aufgrund kulturell bedingter Unterschiede im
                                                          Auftreten und in der Dienstauffassung kann es zu Span-
  Alle bisherigen Missionen hatten in ihrer Anlaufphase   nungen innerhalb der gemischten internationalen Ein-
mit logistischen Problemen zu kämpfen, so fehlte oft      heiten kommen. Das fängt bei unterschiedlichen Um-
Büromaterial, Computer- und Kommunikationstechnik,        gangsweisen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen
oder es waren zuwenig Polizeifahrzeuge vorhanden.         an, die im internationalen Einsatz zu vergleichsweise
   Am schwerwiegendsten, weil auch am längsten            harmlosen Irritationen oder Ehrverletzungen führen kön-
anhaltend waren jedoch bei allen Missionen – zumin-       nen, und endet aufgrund differierender Ansichten über
dest in denen mit hohem Personalbedarf – die              die Anwendung physischen Zwangs bei Verhören oder
Rekrutierungsprobleme bzw. ein Mangel an qualifi-         infolge unterschiedlichen Vorgehens bei Festnahmen
ziertem Personal. Dieser Personalmangel stellte auch      mit möglicherweise fatalen Folgen.
das größte Problem beim Aufbau der UNMIK-Polizei             Obwohl prinzipiell für alle UN-Polizisten im Dienst
im Kosovo dar, der sich umso gravierender auswirkte,      der gleiche Code of Conduct gilt, werden die UN-Richt-
als die Polizei im Kosovo erstmals auch mit der Aufga-    linien von den einzelnen Beamten unterschiedlich inter-
be des bewaffneten Law Enforcement betraut wurde. Im      pretiert und des Öfteren auch uneinheitlich gehandhabt.
Dezember 1999, ein halbes Jahr nach Beginn der Mis-       Schwierig ist für die Beamten in Exekutivmissionen
sion, befanden sich erst knapp 2.000 der von UN-          zudem die Verbindung der standardisierten UN-
Generalsekretär Kofi Annan angeforderten 4.718 Poli-      Operationsrichtlinien mit den jeweiligen gesetzlichen
zisten im Einsatzgebiet. Diese Zahl war viel zu gering,   Regelungen im Einsatzland. So können die Vorschriften
um nach dem Abzug aller jugoslawischen Sicherheits-       für Ermittlungstätigkeiten von Land zu Land differieren.
kräfte die mit genuinen Polizeiaufgaben überforderten     Die daraus resultierenden Unsicherheiten und mögli-
KFOR-Soldaten ausreichend zu unterstützen und zu          chen Rechtsverletzungen können zu einer Behinderung
entlasten. Allein bis November 1999 zählte KFOR im        der zügigen Verbrechensaufklärung führen.
Kosovo 379 Morde. Über 180.000 Serben und Roma
                                                            Bislang gibt es im UN-Rahmen nur sehr schwache
(gut die Hälfte dieser Bevölkerungsteile) hatten aus
                                                          Ansätze zur Vereinheitlichung der Ausbildung und zur
Angst vor Übergriffen der Albaner das Land in Rich-
tung Montenegro und Serbien verlassen.2 Zweieinhalb
                                                          2   Vgl. Stodiek, Thorsten, Internationale Polizeimissionen und die Her-
Jahre nach Beginn der Mission hat sich die Sicherheits-       ausforderungen auf internationaler und nationaler Ebene, in: Viertel-
lage im Kosovo zwar deutlich verbessert, doch wagen           jahresschrift für Sicherheit und Frieden (S+F), 1/2000, S. 66.

2
Vorbereitung nationaler Polizeikontingente auf inter-      chen Missionen nehmen Polizisten aus über 50 Ländern
nationale Missionen, mit denen die beschriebenen Pro-      teil – haben die Vereinten Nationen Verhaltensrichtlinien
bleme beseitigt werden könnten. Dazu später mehr.          erlassen, die den Umgang mit (mutmaßlichen) Straftä-
   OSZE und WEU haben sich bislang auf Überwa-             tern (Festnahmen, Verhöre, Inhaftierung, Schusswaffen-
chungsaufgaben sowie neuerdings auf die Reform bzw.        gebrauch) unter Beachtung der Menschenrechte und des
den völligen Neuaufbau lokaler, zum Teil ethnisch ge-      Einsatzes der geringst möglichen Gewalt regeln. Dar-
mischter Polizeien konzentriert (Albanien, Ostslawonien,   über hinaus wurde ein Katalog von Mindestanforderun-
Kosovo, Südserbien, Mazedonien) wobei diese Missio-        gen an UNCIVPOL-Beamte erarbeitet. Dieser sieht aus-
nen allgemein als erfolgreich bewertet werden. Auf-        reichende Kenntnisse der Missionssprache (i.d.R. Eng-
grund der personell eher kleinen Missionen konnten die     lisch), die Fähigkeit zum Fahren eines Geländewagens
Kontingente i.d.R. auch mit gut ausgebildetem Personal     und – wo bewaffnetes Law Enforcement vorgesehen ist –
versehen werden. Zudem haben die im Rahmen der UN-         den sicheren Umgang mit der Dienstwaffe vor. Zudem
Missionen erwähnten kulturell bedingten Probleme in-       bieten die UN auch Ausbildungslehrgänge an und unter-
nerhalb der WEU- und OSZE-Einsätze anscheinend kei-        stützen nationale Ausbildungsstätten mit Lehrmaterial
ne große Rolle gespielt, da alle Beamten aus ähnli-        und mobilen Ausbildungs- und Prüferteams. Dennoch
chen Kulturkreisen stammen.                                sind – wie gerade geschrieben – auch in den jüngsten
                                                           Polizeimissionen auf dem Balkan erhebliche Unterschiede
  Grundsätzlich hätten OSZE und WEU bzw. EU mo-            in der Qualifikation der Missionsmitglieder aus ver-
mentan aber die gleichen Rekrutierungsschwierigkeiten      schiedenen Nationen zu konstatieren.
wie die UNO, müssten sie ähnlich umfangreiche Polizei-
kontingente aufstellen wie dies die UN bspw. in Bosnien,       Eine von UN-Generalsekretär Annan im März 2000
im Kosovo oder in Ost-Timor zu bewerkstelligen hatten.     eingesetzte Expertenkommission veröffentlichte am 17.
                                                           August 2000 den Brahimi-Report, in dem sie umfangrei-
                                                           che Verbesserungsvorschläge im Bereich der UN-
3. Programme und Aktivitäten zur                           Friedensoperationen unterbreitet. Dieser Bericht, der
   Effizienzsteigerung internationaler                     vom UN-Sicherheitsrat und der UN-Vollversammlung
   Polizeimissionen                                        mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen, bis-
                                                           lang jedoch nur unzureichend umgesetzt wurde, enthält
   Maßnahmen der UNO                                       auch im Bereich ziviler Polizei eine Reihe bemerkens-
                                                           werter Vorschläge für die Effektivierung der Einsätze:
   Mit der „Agenda for Peace“ von Generalsekretär
                                                           - Um eine schnellere Entsendung von zivilen Polizei-
Boutros-Ghali begannen 1992 umfassende Reformen im
                                                              einheiten zu garantieren, soll im Rahmen des UNSAS
Peacekeeping-Bereich. In den folgenden Jahren wurden
                                                              ein Pool von mindestens 100 hochrangigen Polizeibe-
strukturelle Veränderungen im Department of Peace-
                                                              amten eingerichtet werden, die innerhalb von sieben
keeping Operations (DPKO) eingeleitet, um frühzeitige
                                                              Tagen einsetzbar sind, schon in die Planungsphase
und umfassende Planungen von Friedensoperationen zu
                                                              einer Mission eingebunden werden, als Voraus-
erreichen.3 Vor allem im Bereich der Vorbereitung von
                                                              kommando im Missionsgebiet die erforderlichen Struk-
Polizeimissionen bestehen im DPKO aber noch erhebli-
                                                              turen aufbauen und im Verlauf der Mission die Neu-
che strukturelle Defizite: Lediglich neun Polizisten wa-
                                                              ankömmlinge in ihre spezifischen Aufgaben einwei-
ren im letzten Jahr mit Planungs- und Unterstützungs-
                                                              sen können.5
aufgaben befasst.
                                                           - Um den großen Personalmangel zu beheben, werden
   Um Peacekeeping-Einheiten schneller entsenden zu           die UN-Mitgliedstaaten aufgefordert, weit mehr Poli-
können, schlossen die UN im Rahmen eines United               zisten als bislang (2.150) in nationalen Standby-Pools
Nations Standby Arrangements System (UNSAS) seit              für UN-Einsätze bereitzuhalten.6
1995 mit 33 Mitgliedstaaten Memoranda of Understan-
                                                           - Ferner sollen die Mitgliedstaaten gemeinsame Aus-
ding (MOU), in denen die Staaten angeben, in welchem
                                                              bildungslehrgänge für ihre Beamten einrichten, damit
Umfang sie Truppen und Material unter Vorbehalt für
                                                              sich die Polizisten verschiedener Staaten schon in der
UN-Einsätze zur Verfügung stellen. Bis dato wurden den
                                                              Bereitschaftsphase kennen lernen können und auf ein
UN in diesem Rahmen 2.150 Polizisten bereitgestellt.4
Angesichts der Zahl von rund 6.800 UN-Polizisten, die      3   Vgl. Stodiek, Thorsten, Der deutsche Beitrag zu den „Standby Forces“
im Sommer 2001 allein in den Missionen auf dem Balkan          der Vereinten Nationen, Hamburger Beiträge zur Friedensforschung
                                                               und Sicherheitspolitik, Heft 113, 1999, S. 9, 30f.
und in Ost-Timor eingeplant sind, stellen diese 2.150
                                                           4   Vgl. DPKO (2000), Monthly Summary of Contributors as of 30 Sep-
Polizisten allerdings nur den sprichwörtlichen Tropfen         tember 2000, unter: http://www.un.org/Depts/dpko/dpko/contributors/
auf dem heißen Stein dar.                                      index.htm.
                                                           5   Vgl. Brahimi-Report, Report of the panel on United Nations Peace
  Um einen einheitlichen Performance-Standard in den           Operations, 17 August 2000, A/55/305, S/2000/809, S. 21.
multinationalen Polizeieinheiten zu erzielen – an man-     6   Ebenda, S. 20f.

                                                                                                                                 3
einheitliches Ausbildungsniveau gebracht werden.          sowie die Aufstockung des Polizeipersonals in der
  Staaten, die im Besitz der erforderlichen Ausbildungs-    Polizeiabteilung. Der CivPol-Adviser untersteht jetzt
  erfahrung und Ressourcen sind, sollten solche Kurse       direkt dem Under-Secretary for Peacekeeping und nicht
  für andere Staaten anbieten.7                             mehr dem Chef der Military Division. Das Personal
- Darüber hinaus empfiehlt der Bericht, die Polizisten      wurde zudem um acht Personen aufgestockt. Ange-
  sollten in diesen Kursen auch schon Kontakt zu ande-      strebt wurde bis Ende 2001 eine Personaldecke von
  ren Komponenten von Peacekeeping-Missionen, bspw.         über 24 Beamten.
  Militärs, Rechtsexperten oder Hilfsorganisationen her-       Schlecht sieht es dagegen mit der Entwicklung des
  stellen können.8                                          Internationalen Criminal Code aus. Es findet sich bei der
- Der Bericht fordert außerdem eine Trennung der mi-        UNO niemand, der sich ernsthaft mit dieser Thematik
  litärischen und polizeilichen Abteilung im DPKO           beschäftigen möchte. Vor allem die Staaten der Bewe-
  sowie die umfassende Aufstockung der Stellen in der       gung der Blockfreien (NAM) sind gegen die Entwick-
  Polizeidivision, damit die Polizeiplaner ihrer Verant-    lung dieses Übergangsstrafrechts. Die EU und die USA
  wortung gegenüber den über 8.000 im Einsatz befind-       unterstützen hingegen die Idee. Im Sekretariat gibt es
  lichen Kollegen auch gerecht werden können.9              momentan auch keine wirklichen Strafrechtsexperten.
- Zum Abbau von Rechtsunsicherheiten im Einsatz             Das UNDP hat zusammen mit Kanada lediglich die
  empfiehlt der Bericht zudem die Einsetzung einer          Entwicklung eines Correctional Code (Richtlinien für
  Rechtsexpertenkommission zur Prüfung der Durch-           den Strafvollzug) in Angriff genommen.
  führbarkeit und des Nutzens eines allgemeinen Über-          Fazit: Im Bereich der Missionsplanung kam es zu
  gangs-Strafrechts, das - regional anpassbar - bis zur     Verbesserungen, Im Bereich der effizienten Missions-
  Wiederherstellung des örtlichen Rechts und der            durchführung bestehen hingegen viele Hindernisse fort.
  Rechtsorgane anwendbar wäre. Kofi Annan beauf-
  tragte daraufhin eine aus Rechtsexperten des UN-               Maßnahmen der OSZE
  Hauptquartiers und der Missionen im Kosovo und in
                                                               Als Folge der gravierenden Rekrutierungsprobleme
  Ost-Timor bestehende Expertengruppe mit der Prü-
                                                            im Zuge der Kosovo Verification Mission und in Anbe-
  fung des Kommissions-Vorschlags. Dieses Experten-
                                                            tracht der Erkenntnis, dass auch im OSZE-Raum Polizei-
  gremium bezweifelte zwar, dass ein Modell-Recht
                                                            komponenten im Rahmen von Peacekeeping-Missionen
  angesichts der unterschiedlichen Rechtstraditionen
                                                            eine immer größere Bedeutung erlangen, vereinbarten
  in den Mitgliedstaaten praktikabel und in den Missi-
                                                            die Staats- und Regierungschef der 54 OSZE-Staaten auf
  onsländern erwünscht sei, folgerte jedoch, dass zu-
                                                            dem Istanbuler Gipfel im November 1999 Maßnahmen
  mindest die Ausarbeitung praxisrelevanter Richtli-
                                                            zur Stärkung des operativen Bereichs der Organisation.
  nien für die Verbrechensbekämpfung nützlich wäre,
                                                            Im Hinblick auf künftige Polizeimissionen sind die fol-
  vorausgesetzt die Richtlinien kollidierten nicht mit
                                                            genden Maßnahmen bedeutsam:
  den lokalen Gesetzen und entsprächen internationa-
                                                            - die Einrichtung eines Rapid Expert Assistance and
  len Rechtsstandards. Dieser Vorbehalt führt in der
                                                               Co-operation Teams (REACT);
  Praxis allerdings zu zeitraubenden Rechtsvergleichen
  und verspricht daher kaum eine Verbesserung. Annan        - der Ausbau der Fähigkeit zur Durchführung von Poli-
  verwies darauf, dass das Centre for International            zei-Aktivitäten wie der Schulung, des Aufbaus, der
  Crime Prevention, das Büro des Hohen Kommissars              Überwachung lokaler Polizei, eventuell auch polizei-
  für Menschenrechte sowie die Büros des Entwick-              licher Exekutivmaßnahmen;
  lungsprogramms und des Kinderhilfswerks der Ver-          - die Einrichtung einer Einsatzzentrale im Konflikt-
  einten Nationen bereits umfangreiche Vorarbeiten             verhütungszentrum zur Planung und Durchführung
  in der Frage allgemeiner UN-Richtlinien geleistet            von OSZE-Missionen.10
  hätten. Er beauftragte deshalb die erwähnten Unteror-        Ähnlich wie die UN will auch die OSZE so einen
  ganisationen der UNO und die Expertengruppe, ge-          Expertenpool aufbauen, aus dem das für eine Friedens-
  meinsam Bereiche für die Aufstellung allgemeiner          mission notwendige Personal rasch rekrutiert werden
  Regeln der Verbrechensbekämpfung zu identifizie-          kann. Auch im Operationszentrum, das über eine zentra-
  ren.                                                      le Datei des Personalpools verfügt, sollen künftige Mis-
   Zur Umsetzung dieser Forderungen ist zu sagen, dass      sionen frühzeitig – das heißt vor der tatsächlichen
sich an der unbefriedigenden Personallage im Polizei-       7    Ebenda, S. 21.
Pool nichts geändert hat, so dass dieser Teil des Standby   8    Ebenda.
Arrangements System von Insidern auch als „Witz“ be-        9    Ebenda, S. 31.
zeichnet wird.                                              10   Vgl. OSZE, Europäische Sicherheitscharta, SUM.DOC/1/99, Istanbul,
                                                                 19. November 1999, in: Institut für Friedensforschung und Sicherheits-
   Umgesetzt wurden seit dem letzten Jahr allerdings             politik an der Universität Hamburg/IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch
die Trennung der Polizei- von der Militärabteilung               2000, Baden-Baden 2000, S. 456.

4
Missionsbeschlussfassung des Ständigen Rats – vorbe-          Maßnahmen der EU
reitet werden. Potentielle Missionsteilnehmer sollen an-
                                                              Auf dem EU-Gipfel im portugiesischen Feira im Juni
hand von OSZE-Ausbildungslehrgängen schon im Vor-
                                                           2000 beschlossen die Staats- und Regierungschefs den
feld von Missionen auf ihre spätere Verwendung vorbe-
                                                           Aufbau einer bis zu 5.000 Beamten starken europäischen
reitet werden.
                                                           Polizeitruppe für internationale Kriseneinsätze, von der
   Neben dem Aufbau der Einsatzzentrale (seit Septem-      1.000 Beamte auf Ersuchen der UN, der OSZE oder der
ber 2000 einsatzfähig) und der Inbetriebnahme der          EU binnen dreißig Tagen entsendbar sein und das ganze
internetgestützten React-Datenbank im April 2001 hat       Aufgabenspektrum polizeilicher Arbeit im Rahmen von
sich bezüglich des Aufbaus von Polizeikapazitäten auf      Friedensoperationen, wie bspw. polizeiliche Beratung,
OSZE-Ebene jedoch sehr wenig getan. Daher wurde auf        Schulung, Überwachung sowie die Ausübung von Poli-
dem Wiener Ministerratstreffen im November 2000 auf        zeigewalt wahrnehmen könnten.11 Ausdrücklich wurde
Drängen Großbritanniens beschlossen, die Frage der         dabei auch die Möglichkeit der Vergabe bewaffneter
Schaffung eines Senior Police Adviser (SPA)/eines ho-      Exekutivmandate eingeschlossen und der Einsatz gen-
hen Polizeiexperten anzugehen.                             darmerieähnlicher Verbände angeregt.
   Eine Open Working Group on Police Matters, in der         Der Aufbau des Personalpools soll mit der OSZE und
alle 55 OSZE-Teilnehmerstaaten mitwirken konnten,          der UNO koordiniert werden, um Doppelarbeit zu ver-
wurde mit der Klärung dieser Frage beauftragt. Schnell     meiden.12
wurden dabei zwei unterschiedliche Ansichten zum The-
                                                              Im November 2001 trafen sich die Innenminister der
ma Police Adviser bei den Teilnehmerstaaten deutlich.
                                                           EU-Staaten in Brüssel, um bekannt zu geben, wie viele
- Die eine Seite (u.a. Großbritannien, Kanada, Schweiz)    Polizisten ihre Staaten für die EU-Truppe zur Verfügung
   sah die Schaffung des Adviser-Postens als vorrangig     stellen können. Dabei wurde die Zielmarke von 5.000
   an. Ihrer Ansicht nach sollte der Police Adviser an-    Polizisten sogar knapp überschritten. Deutschland ver-
   schließend die inhaltlichen Aspekte wie künftige Auf-   meldete, maximal 960 Beamte bereitzustellen.
   gabenfelder und Strukturen der OSZE-Polizei ausar-
   beiten.                                                    Seit Juli 2001 gibt es bei der EU in Brüssel eine
                                                           siebenköpfige Polizeieinheit, die dem Generalsekretär
- Die andere Seite (u.a. Deutschland, Russland) wollte
                                                           des Rates und hohen Beauftragten für die gemeinsame
   von der Arbeitsgruppe zuerst die inhaltlichen Fragen
                                                           Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, unterstellt
   der OSZE-Polizeiarbeit, Verbindungen mit anderen
                                                           ist. Sie soll den Aufbau der EU-Polizei koordinieren und
   internationalen Organisationen im Polizeiwesen so-
                                                           Einsatzmöglichkeiten definieren.
   wie die Aufgaben und die Position des Senior Police
   Adviser geklärt haben, bevor dieser vom Ständigen          Zur Vernetzung der einzelstaatlichen Ausbildungs-
   Rat berufen würde.                                      einrichtungen für hochrangige Führungskräfte der EU-
                                                           Polizisten beschloss der Europäische Rat zudem bereits
   Einem Kompromissvorschlag folgend, trafen sich
                                                           im Dezember 2000 die Einrichtung der Europäischen
Ende Juni 2001 hohe Vertreter der Innenministerien
                                                           Polizeiakademie (EPA). In dieser Akademie sollen in
und Polizeibehörden der Teilnehmerstaaten in Wien,
                                                           erster Linie Ausbildungsveranstaltungen für hohe Poli-
um inhaltliche Fragen wie auch die Frage der Schaf-
                                                           zeibeamte angeboten werden. Ziel ist jedoch auch die
fung und Besetzung des Polizeiberater-Postens zu klä-
                                                           gemeinsame Ausbildung von Beamten des mittleren Dien-
ren. Anschließend wurde dem Ständigen Rat ein Be-
                                                           stes, für Einsatzbeamte, für die Polizeiausbilder sowie für
richt zur Beratung und Beschließung vorgelegt. Bis
                                                           die Beamten der EU-Krisentruppe, die dadurch auf ein
Ende 2001 sollte der Ständige Rat die Vorschläge
                                                           einheitliches Ausbildungsniveau gebracht werden könn-
absegnen.
                                                           ten. Auf die Einrichtung einer festen Akademie konnten
   Unklarheit besteht auch weiterhin über mögliche         sich die Mitgliedstaaten bislang jedoch nicht einigen, so
Polizeiaufgaben in OSZE-Missionen. Sollen nur Aus-         dass bis auf weiteres im Rahmen des Netzwerks der
bildungsmissionen vorgenommen werden oder auch Law         Colleges of the European Police (CEPOL) internationale
Enforcement-Einsätze. Die meisten Teilnehmerstaaten        Lehrgänge an nationalen Akademien abgehalten werden.
sind für reine Ausbildungsmandate – schon allein des-      Zunächst sollen im Wechsel in Deutschland, Spanien,
halb – weil sie eine Situation wie im Kosovo, wo die       Frankreich und Italien insgesamt 500 Führungskräfte für
öffentliche Ordnung vollständig zusammengebrochen          den künftigen EU-Polizeipool ausgebildet werden.
war, im OSZE-Raum kein weiteres Mal für wahrschein-
lich halten.                                               11 Vgl. EU, Bericht des Vorsitzes über die Stärkung der Gemeinsamen
  Weitere Polizeiausbildungseinsätze stehen in Serbien        Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vom 21. Juni 2000.
                                                              Siehe insbesondere Anlage 4 zu Anlage I: Konkrete Ziele für die
und Mazedonien an, und eine Polizeikomponente könnte          Polizeikräfte, unter: http://www.auswaertiges-amt.de/4_europa/2/4-2-
auch in Nagorny-Karabach im Rahmen einer Peace-               1k1.htm, S. 17ff.
keeping-Mission eingesetzt werden.                         12 Ebenda, S. 20.

                                                                                                                                 5
Maßnahmen in der Bundesrepublik                             Aufbau von Vertrauen gegenüber den ausländischen
    Deutschland                                                 Ordnungskräften spielen. Vor allem Frauen, die in der
                                                                Konfliktzeit Opfer sexueller Gewalt wurden, werden
   Um die Rekrutierung, Ausbildung und Entsendung
                                                                sich bei der Aufklärung solcher Verbrechen oft eher
des Personals für die internationalen Polizeieinsätze bes-
                                                                weiblichen Polizisten anvertrauen. Die Beispiele von
ser koordinieren zu können, gründeten der Bund und die
                                                                Frauenhandel und erzwungener Prostitution in Bosni-
Länder 1994 die Arbeitsgruppe International Police Task
                                                                en und vor allem aktuell im Kosovo oder Miss-
Force (AG/IPTF). Ende der neunziger Jahre begannen
                                                                handlungen im Familienbereich verdeutlichen, dass
das Land Nordrhein-Westfalen und der BGS mit regel-
                                                                es auch in der Nachkonfliktzeit viele Szenarien gibt, in
mäßigen Basislehrgängen für Auslandsmissionen, an
                                                                denen die weibliche Zivilbevölkerung auf Hilfe ange-
denen potentielle Kandidaten für internationale Einsätze
                                                                wiesen ist, die qualifizierter von Polizistinnen gelei-
teilnehmen konnten. Nordrhein-Westfalen, das 1994 auch
                                                                stet werden kann.
die Verantwortung für die Ausbildung aller deutschen
                                                             3. Deutschland sollte sich im Verbund mit andern UN-
Polizisten übernahm, die nach Bosnien-Herzegowina/
                                                                Mitgliedsländern beim Aufbau gemeinsamer Ausbil-
Mostar entsandt wurden, ist in Deutschland auch im
                                                                dungslehrgänge für Beamte verschiedener Nationen
Bereich Personalpool-Bildung führend. Geplant ist, künf-
                                                                engagieren. Von solchen gemeinsamen Lehrgängen
tig bis zu 120 Beamte durchgehend auf Standby-Basis
                                                                könnte insbesondere das Personal aus Entwicklungs-
zur Verfügung zu halten und dafür zusätzliche Stellen zu
                                                                ländern profitieren.
schaffen. Mittlerweile haben auch andere Bundesländer
wie Brandenburg oder Hamburg mit dem Aufbau von              4. Zwar empfiehlt der Brahimi-Report, in Anbetracht
Standby Pools begonnen. Von deutscher Seite besteht             der ständig wachsenden Komplexität der Mandate
bislang jedoch kein Interesse, die Daten der im Pool            auch das Anforderungsprofil an die Beamten zu erhö-
aufgeführten Beamten auch dem DPKO in New York                  hen, doch bezieht er diese Empfehlung nur auf den
mitzuteilen: Deutschland beteiligt sich noch nicht mit          Aspekt des aktiven Aufbaus lokaler Polizeistrukturen.
Polizisten am UNSAS.                                            Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg künfti-
                                                                ger Missionen ist allerdings zunehmend die Kompe-
   Nordrhein-Westfalen hat auch als erstes Bundesland           tenz und Ausrüstung der UNCIVPOL-Beamten im
damit begonnen, hochrangige Polizei-Beamte in Lehr-             Bereich des bewaffneten Law Enforcement. Neben
gänge ausländischer Polizeibehörden zu entsenden. Fünf          einer ausreichend hohen Zahl an Streifen- und Krimi-
Beamte nahmen an einem Commander Course am                      nalbeamten bedarf es dabei auch angemessen vieler
Swedish Armed Forces International Center (SWEDINT)             Beamter, die im geschlossenen Verband bei politi-
im schwedischen Almnäs teil und zwei weitere Beamte             schen oder kulturellen Großveranstaltungen für Ord-
besuchten einen Lehrgang der Königlichen Marechaussee           nung sorgen und beim Auftreten von Unruhen in der
in Apeldoorn, Niederlande.                                      Lage sind, mit polizeilichen Einsatzmitteln die Lage
    Das Polizeifortbildungsinstitut „Carl Severing“ in          unter Kontrolle zu bringen. Im Kosovo haben sich die
Essen-Schellenberg hat im Rahmen des CEPOL-Ausbil-              Hundertschaften der Special Police Units (SPU) aus
dungsprogramms im November 2001 erstmals einen                  Argentinien, Jordanien, Indien, Pakistan, Polen, Spa-
internationalen Commander Course in Deutschland ab-             nien und der Ukraine diesbezüglich bereits bewährt.
gehalten.                                                       Da es in Europa in vielen Ländern Polizeieinheiten
                                                                gibt, die für solche Aufgaben bestens gerüstet sind
                                                                (bspw. italienische Carabinieri, französische Gendar-
4. Empfehlungen zur weiteren Effektivierung                     merie, niederländische Marechaussee, spanische
   künftiger Polizeimissionen                                   Guardia Civil, deutscher BGS), sollten diese Länder
                                                                auch bereit sein, eigene Hundertschaften oder ge-
    Auf UN-Ebene                                                meinsame Verbände aufzustellen. Staaten wie Italien
1. Um eine schnellere Entsendung von zivilen UN-Poli-           oder Frankreich müssten dabei allerdings davon über-
   zeieinheiten zu garantieren, sollten die UN-Mitglied-        zeugt werden, diese Verbände vorübergehend aus den
   staaten im Rahmen des UNSAS sowohl für das im                militärischen Strukturen auszugliedern und unter zi-
   Brahimi-Report angesprochene Polizeiführungsteam             vilem UN-Kommando agieren zu lassen. Dass diese
   als auch für den eigentlichen Polizistenpool ihren           Einheiten auch im zivilen Bereich zu operieren ge-
   Personalbeitrag leisten.                                     wohnt sind, beweisen sie ständig im Routinedienst in
2. Beim Aufbau der Standby Pools sollte zudem der               ihren Heimatstaaten.
   Bedeutung weiblicher Polizisten in internationalen        5. Gendarmerieähnliche Einheiten müssten auch Teil
   Polizeimissionen stärker als bislang Rechnung getra-         einer schnell entsendbaren multinationalen Polizei-
   gen werden. Polizeibeamtinnen können gerade für die          truppe sein. Vorbild hierfür könnte die seit dem Jahr
   weibliche Zivilbevölkerung eine wichtige Rolle beim          2000 einsatzbereite militärische multinationale

6
Standby High Readiness Brigade (SHIRBRIG) sein.             sind. Die dadurch für die EU entstehenden Zusatz-
   In ihr sind neun Nationen aus Europa sowie Kanada           kosten sollten von wohlhabenden OSZE-Nationen
   und Argentinien vertreten. Nach dem Muster der              übernommen werden. Im Zuge dieser gemeinsamen
   SHIRBRIG würden mehrere Nationen einen gemein-              Ausbildung müsste konsequent auf Polizisten, die den
   samen Polizeiführungsstab bilden. Jedes Teilnehmer-         Ansprüchen an bestimmte Posten nicht genügen, ver-
   land würde für bestimmte polizeiliche Tätigkeiten das       zichtet werden. Missstände, die sich auf UN-Ebene
   dafür notwendige Personal und die Ausrüstung stel-          aufgrund des Prinzips der Balance of Nations bei der
   len. Denkbar wären so z.B. spezielle Beiträge für           Verteilung von Führungspositionen ergeben haben,
   Aufgabengebiete wie Logistik, Fernmeldewesen, Be-           könnten so verhindert werden.
   kämpfung organisierter Kriminalität, Verbrechens-         In Deutschland selbst gilt es, auf Bundes- und Länder-
   ermittlung, Personen- und Objektschutz, Riot Control,     ebene die Vorleistungen für effektive internationale
   Gerichtspolizei, Grenzschutz, Verkehrslenkung etc.        Polizeimissionen zu schaffen.
   Die Beamten der verschiedenen Länder würden mehr-
   mals jährlich gemeinsam trainieren, bis zum Tage          9. Alle Bundesländer sollten dem Beispiel Nordrhein-
   ihrer Entsendung jedoch ihren regulären Dienst in der        Westfalens folgen und mit dem Aufbau von Polizei-
   Heimat verrichten. Um eine hohe Akzeptanz dieser             Personalpools für Auslandseinsätze beginnen. Wenn
   Polizei in allen Regionen der Welt zu erreichen, müsste      alle Länder gemäß dem so genannten „Königsteiner
   das Personal auch aus allen Regionen der Welt rekru-         Schlüssel“ ihren Personal- und Kostenanteil (zusätz-
   tiert werden. Diese schnell entsendbare - insgesamt          lich zum Beitrag des BGS) für einen deutschen
   rund 4.000 Personen starke - Polizeitruppe würde             Gesamtpool leisten, dürfte es kein Problem sein, für
   binnen 30 Tagen als Vorauskommando der internatio-           künftige Missionen rund 1.000 Beamte in Bereit-
   nalen Polizei im Einsatzgebiet tätig werden und spä-         schaft zu halten.
   testens nach sechs Monaten – wenn das eigentliche         Damit sich eine ausreichende Zahl an Freiwilligen findet,
   Polizeikontingent vor Ort ist - wieder aus einer Missi-   müssen jedoch die Anreize für eine ständige Einsatzbe-
   on abgezogen werden. Eine solche Truppe hätte ge-         reitschaft für Auslandseinsätze verbessert werden:
   genüber bisherigen multinationalen UN-Kontingen-          10.Beamte, die sich für Auslandsmissionen bereit halten,
   ten den unschätzbaren Vorteil eines einheitlichen            dürfen dadurch keinen „Karriereknick“ erleiden. Ih-
   Ausbildungsstands und der notwendigen Erfahrung in           nen sollten daher die für Beförderungen notwendigen
   der Zusammenarbeit von Beamten aus unterschiedli-            Weiterbildungskurse nicht vorenthalten werden; es
   chen Kulturkreisen.                                          sollte zumindest die Möglichkeit geben, durch gute
6. Dringend erforderlich ist schließlich – auch gegen den       Leistungen in Auslandseinsätzen fehlende Weiterbil-
   momentan bestehenden Widerstand vor allem der                dungsmaßnahmen zu kompensieren.
   Bewegung der Blockfreien – die Entwicklung eines          11.Für die Opfer, die die Beamten und ihre Familien
   allgemeinen Übergangspolizei- und -strafrechts, das -        schon in der „Standby-Phase“ aufgrund ihrer ständi-
   regional anpassbar - von der UN-Polizei bis zur Wie-         gen Einsatzbereitschaft erbringen, sollten sie eine
   derherstellung des örtlichen Rechts und der Rechts-          finanzielle Entschädigung erhalten: sei es, dass sie
   organe anwendbar wäre. Zum Abbau bisheriger                  auch in der Bereitschaftsphase einen Teil der Aus-
   Rechtsunsicherheiten in internationalen Polizei-             landszulage erhalten oder ihnen die Bereitschafts- und
   Exekutiveinsätzen ist die Verwirklichung dieser For-         Einsatzphase im Hinblick auf eine frühzeitige Pensio-
   derung unumgänglich.                                         nierung angerechnet wird.
Auch für den OSZE- und EU-Bereich gilt, dass die             12.Damit die Beamten überhaupt von ihrem Heimat-
Teilnehmerstaaten den Organisationen eine ausreichen-           dienst freigestellt werden können, müssen zusätzli-
de Anzahl an Personal zur Verfügung stellen müssen.             che Planstellen geschaffen werden. Anderenfalls
7. In Absprache mit der EU sollten die für die künftige         werden die Belastungen für die Polizisten, die die
   EU-Polizei vorgesehenen Polizisten auch in die               Arbeit ihrer abwesenden Kollegen mit übernehmen
   REACT-Personaldatenbank der OSZE aufgenommen                 müssen, zu groß.
   werden.                                                   13.Die Beamten, die sich für Auslandsmissionen bereit-
8. Gemeinsame Ausbildungsprogramme – unter konse-               halten, müssen umfangreicher als bisher auf ihren
   quenter Umsetzung der UN-Peacekeeping-Richtlini-             Einsatz vorbereitet werden. Dies beinhaltet Sprach-
   en – müssten für Polizisten aus EU-Staaten und den           kurse, Stresstraining, Erlernen der UN-Richtlinien für
   anderen OSZE-Teilnehmerstaaten angeboten werden,             PK-Missionen. Am besten sollte dieses in internatio-
   um die Beamten auf einen einheitlichen Ausbildungs-          nalen Lehrgängen geschehen.
   stand zu bringen. Im Rahmen der multinationalen EU-       14.In den missionsspezifischen Kurzlehrgängen im Vor-
   Ausbildungslehrgänge sollten auch Beamte aus OSZE-           feld einer Entsendung sollten die Beamten zudem in-
   Staaten teilnehmen können, die nicht Mitglied der EU         tensiver als bisher üblich mit den politischen, rechtli-

                                                                                                                      7
chen und kulturellen Gegebenheiten des Einsatzlandes
    vertraut gemacht werden. Beamte, die in das Kosovo
    entsandt wurden, besaßen diesbezüglich keinerlei schrift-
    liches Informationsmaterial. Einen Schritt zur Behe-
    bung dieses Problems stellen die Mission Information
                                                                                        osze                                                            7
    Packages dar, die das Zentrum für OSZE-Forschung
    am IFSH gegenwärtig in Abstimmung mit dem Aus-                                     Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik
    wärtigen Amt, der Training and Capacity-Building                                   an der Universität Hamburg / IFSH (Hrsg.)
    Unit des OSZE-Sekretariats sowie den OSZE-Missio-
    nen in Kosovo und Bosnien-Herzegowina entwickelt.

Weitere Literatur zum Thema                                                            OSZE-Jahrbuch
   Hans Geser, Internationale Polizeiaktionen: ein neues
evolutionäres Entwicklungsstadium militärischer Orga-                                  2001
nisationen?, in: Georg-Maria Meyer (Hrsg.), Friedens-
engel im Kampfanzug? Zu Theorie und Praxis militäri-
scher UN-Einsätze, Opladen 1996, S. 45-73.
                                                                                       Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit
                                                                                       und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
  Alice Hills: International Peace Support Operations
and CIVPOL: Should there be a Permanent Global Gen-
                                                                                       Nomos Verlagsgesellschaft
darmerie?, in: International Peacekeeping, 3/1998, S.
                                                                                       Baden-Baden
26-41.
  Jane’s Conferences (Hrsg.), Policing the Peace, New
York, 2000.
  Ministry for Foreign Affairs, Police in the Service of
Peace. Excerpts from the Report by the Swedish
Committee of Inquiry on Civilian Police in International
Activities, Stockholm 1997.
   Alex Morrison/Douglas A. Fraser/James D. Kiras
                                                                                        osce                                                           6
(Hrsg.), Peacekeeping with Muscle: The Use of Force in
                                                                                       Institute for Peace Research and Security Policy
International Conflict Resolution, Clementsport 1997.
                                                                                       at the University of Hamburg / IFSH (Ed.)
  Robert B. Oakley/Michael J. Dziedzic/Eliot M. Gold-
berg (Hrsg.), Policing the New World Disorder: Peace
Operations and Public Security, Washington, DC 1998.
  Erwin A. Schmidl, Police in Peace Operations, Infor-                                 OSCE Yearbook
mationen zur Sicherheitspolitik, Nummer 10, Wien, 1998.
  Thorsten Stodiek, Internationale Polizeimissionen der
OSZE, in: Institut für Friedensforschung und Sicher-
                                                                                       2000
heitspolitik an der Universität Hamburg/IFSH (Hrsg.),
OSZE-Jahrbuch 2001, Baden-Baden 2001, S. 361-372.                                      Yearbook on the Organization for Security
   Lutz Unterseher, Krisenabwehr durch Polizei und                                     and Co-operation in Europe (OSCE)
Militär, in: Krisenprävention. Friedensbericht 1999.
Theorie und Praxis ziviler Konfliktbearbeitung, Ergeb-                                 Nomos Verlagsgesellschaft
nisse der internationalen State-of-Peace-Konferenz 1998,                               Baden-Baden
Beiträge zur Friedensforschung, Stadtschlaining, Bern,
Bonn 1999, S. 227-239.

Impressum                                                                          befassen und dabei die Kriterien von freier Forschung und Lehre, Förderung des
Herausgeber der „Hamburger Informationen” ist das Institut für Friedensforschung   wissenschaftlichen Nachwuchses und Publizierung der Forschungsergebnisse zu
und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), 22587 Hamburg,           erfüllen”.
Falkenstein 1, Tel 040-866 077-0, Fax 040-866 36 15. Internet: www.ifsh.de         Den Inhalt der Beiträge verantworten die Autoren; er repräsentiert nicht unbedingt
Postgiro Hamburg 3843 40-207                                                       die Meinung des IFSH. Nachdruck ist erlaubt nach schriftlicher Information des
Das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ist eine Stiftung des    IFSH. Die „Hamburger Informationen” erscheinen unregelmäßig und sind –
Bürgerlichen Rechts. Laut Satzung ist es Zweck der Institutsarbeit „sich im        soweit vorrätig – kostenlos über das IFSH erhältlich.
Rahmen der Friedensforschung speziell mit sicherheitspolitischen Problemen zu      ISSN 0931-8399

8
Demokratie, Sicherheit, Frieden
                                                   Herausgegeben von Prof Dr. Dr. Dieter S. Lutz

   Hans J. Giessmann/Gustav E. Gustenau (eds.)                       Bd. 136       Jürgen Groß                                        Bd. 120
   Security Handbook 2001                                                          Stabilität im Chaos. Deutsche Strategie im 21. Jahrhundert
   2001, ISBN 3-7890-7128-5                                                        1998, 148 S., ISBN 3-7890-5576-X
   Johannes Rau                                                      Bd. 135       August Pradetto/Fouzieh Melanie Alamir (Hrsg.) Bd. 119
   Friede als Ernstfall                                                            Die Debatte über die Kosten der NATO-Osterweiterung
   Reden und Beiträge des Bundespräsidenten                                        1998, 282 S., ISBN 3-7890-5447-X
   Hrsg. von Dieter S. Lutz                                                        Wolfgang Zellner/Pál Dunay                                         Bd. 118
   2001, 394 S. 3-7890-6846-2                                                      Ungarns Außenpolitik 1990-1997
   Jana Hasse/Erwin Müller/Patricia Schneider                        Bd. 133       1998, 490 S., ISBN 3-7890-5357-0
   Humanitäres Völkerrecht                                                         Jürgen Groß/Dieter S. Lutz (Hrsg.)                                 Bd. 117
   2001, 600 S.                                                                    Wehrpflicht ausgedient
   Mathias Oldhaver                                                  Bd. 132       1998, 163 S., ISBN 3-7890-5457-7
   Öffentliche Meinung in der Sicherheitspolitik                                   Hans-Georg Ehrhart/Oliver Thränert (Eds.) Bd. 116
   2000, 272 S., ISBN 3-7890-6934-5                                                European Conflicts and International Institutions:
   Dieter S. Lutz (Hrsg.)                                                          Cooperating with Ukraine
   Globalisierung und nationale Souveränität                                       1998, 172 S., ISBN 3-7890-5260-4
   Festschrift für Wilfried Röhrich                                                Hans-Joachim Gießmann (Hrsg.)                                      Bd. 115
   2000, 628 S., ISBN 3-7890-6728-8                                                Handbuch Sicherheit 1997
   Götz Neuneck/Reinhard Mutz (Hrsg.)                                Bd. 130       1997. 400 S., ISBN 3-7890-5146-2
   Vorbeugende Rüstungskontrolle                                                   Corinna Hauswedell                                                 Bd. 114
   2000, 466. S.                                                                   Friedenswissenschaften im Kalten Krieg
   Heinz Loquai                                   Bd. 129                          1997. 361 S., ISBN 3-7890-5125-X
   Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg                          Siegfried Bock/Manfred Schünemann (Hrsg.)         Bd. 113
   2000, 183 S., ISBN 3-7890-6681-8                                                Die Ukraine in der europäischen Sicherheitsarchitektur
   Dieter S. Lutz (Hrsg.)                                            Bd. 128       1997. 112 S., ISBN 3-7890-4932-8
   Der Krieg im Kosovo und das Versagen                                            Sabine Jaberg                                       Bd. 112
   der Politik. Beiträge aus dem IFSH                                              Systeme Kollektiver Sicherheit in und für Europa in Theorie,
   2000, 468 S., ISBN 3-7890-6698-2                                                Praxis und Entwurf
   Dieter S. Lutz (Hrsg.)                           Bd. 127                        1998. 895 S., ISBN 3-7890-5131-4
   Der Kosovo-Krieg – rechtliche und rechtsethische Aspekte                        Roman Herzog                                                       Bd. 111
   1999/2000, 366 S., ISBN 3-7890-6520-X                                           Demokratie als Friedensstrategie
   Max van der Stoel                                   Bd. 126                     1997. 256 S., ISBN 3-7890-5078-4
   Peace and Stability through Human and Minority Rights.                          Anna Kreikemeyer/Andrej V. Zagorskij              Bd. 110
   Speeches by the OSCE High Commissioner on National Minorities                   Rußlands Politik in bewaffneten Konflikten in der GUS
   Ed. by Wolfgang Zellner and Falk Lange                                          1997. 319 S., ISBN 3-7890-4726-0
   1999, 173 S., ISBN 3-7890-6338-X                                                Jörg Barandat (Hrsg.)                                              Bd. 109
   Ivo Samson                                          Bd. 125                     Wasser - Konfrontation oder Kooperation
   Die Sicherheits- und Außenpolitik der Slowakei in den ersten                    1997. 438 S., ISBN 3-7890-4829-1
   Jahren der Selbständigkeit
                                                                                   Matthias Pape                                                      Bd. 108
   2000, ISBN 3-7890-6521-8
                                                                                   Humanitäre Intervention
   Oleg Strekal                                                      Bd. 124       1997. 350 S., ISBN 3-7890-4707-4
   Nationale Sicherheit der unabhängigen Ukraine
                                                                                   Margret Johannsen/Claudia Schmid (Hrsg.)     Bd. 107
   1999, 216 S., ISBN 3-7890-6135-2
                                                                                   Wege aus dem Labyrinth? Friedenssuche in Nahost
   Dieter S. Lutz/Kurt P. Tudyka (Hrsg.)                             Bd. 123       1997. 299 S., ISBN 3-7890-4713-9
   Perspektiven und Defizite der OSZE
                                                                                   Otfried Ischebeck/Götz Neuneck (eds.)          Bd. 106
   1999/2000, 256 S.
                                                                                   Cooperative Policies for Preventing and Controlling the
   Hans-Georg Ehrhart/Albrecht Schnabel (Eds.)      Bd. 121                        Spread of Missiles and Nuclear Weapons
   The Southeast European Challenge: Ethnic Conflict and the                       1996. 321 S., ISBN 3-7890-4539-X
   International Response
                                                                                   Axel Krohn (ed.)                                  Bd. 105
   1999, 218 S., ISBN 3-7890-5870-X
                                                                                   The Baltic Sea Region, 1996. 287 S., ISBN 3-7890-4439-3

Impressum                                                                          befassen und dabei die Kriterien von freier Forschung und Lehre, Förderung des
Herausgeber der „Hamburger Informationen” ist das Institut für Friedensforschung   wissenschaftlichen Nachwuchses und Publizierung der Forschungsergebnisse zu
und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), 22587 Hamburg,           erfüllen".
Falkenstein 1, Tel 040-866 077-0, Fax 040-866 36 15. Internet: www.ifsh.de         Den Inhalt der Beiträge verantworten die Autoren; er repräsentiert nicht unbedingt
Postgiro Hamburg 3843 40-207                                                       die Meinung des IFSH. Nachdruck ist erlaubt nach schriftlicher Information des
Das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ist eine Stiftung des    IFSH. Die „Hamburger Informationen” erscheinen unregelmäßig und sind –
Bürgerlichen Rechts. Laut Satzung ist es Zweck der Institutsarbeit "sich im        soweit vorrätig – kostenlos über das IFSH erhältlich.
Rahmen der Friedensforschung speziell mit sicherheitspolitischen Problemen zu      ISSN 0931-8399                                                                  9
Sie können auch lesen