Haßfurt soll Hochschulstandort werden - Nr. 268/19 - WirtschaftsRaum ...

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Pressemitteilung des Landratsamtes Haßberge

Nr. 268/19                                                  Haßfurt, 24.10.19

Haßfurt soll Hochschulstandort werden
Einstimmige Beschlüsse: Kreistag Haßberge und Stadtrat Haßfurt ebnen den Weg für
ein Technologietransferzentrum. Wellrohr-Extrusion in der Kunststoffherstellung er-
fordert eine spezialisierte Ausbildung der Fachkräfte und Ingenieure.

Da waren sich alle einig: die Mitglieder des Kreistages Haßberge und des Stadtrates Haßfurt
haben am Montag in einer gemeinsamen Sitzung die Weichen dafür gestellt, der vielseitigen
Bildungslandschaft des Landkreises einen wichtigen Baustein hinzuzufügen. Bis 2023 soll
in der Kreisstadt ein Kunststoffkompetenzzentrum entstehen. Erster Schritt ist die Etablie-
rung eines Technologietransferzentrums auf dem Gelände der Heinrich-Thein-Berufsschule
in Haßfurt. Die Kosten für die Sanierung und Umbau des Gebäudes belaufen sich nach
einer ersten Berechnung auf rund 5,3 Millionen Euro, die sich die Stadt Haßfurt und der
Landkreis Haßberge teilen werden. Um die auf fünf Jahre befristete Stiftungsprofessur zu
finanzieren – im Jahr fallen 130.000 Euro an - wurden neben dem Landkreis Haßberge und
der Stadt Haßfurt zahlreiche Partner mit ins Boot geholt, wie etwa die Unternehmen, Kredit-
institute, IHK und Handwerkskammer, die eine Beteiligung in Aussicht gestellt haben.

Die Notwendigkeit für eine solche Einrichtung sei bereits 2017 bei der Fortschreibung des
Regionalplans der Region Main-Rhön im Kapitel „Wirtschaft“ festgestellt worden. „Das feh-
lende Hochschulangebot wirkt sich auf unsere Bevölkerungsstruktur aus: viele junge Men-
schen verlassen unseren Landkreis zum Studium und anschließender Beschäftigung, falls
überhaupt, kehren sie erst relativ spät wieder zurück“, skizziert der Landrat die Situation.
Die Lösung für dieses Problem: Lokale Unternehmen untereinander und mit wissenschaftli-
chen Einrichtungen vernetzen und in starken Branchen Kompetenzzentren einrichten.

    Landratsamt Haßberge – Pressestelle – Monika Göhr – Am Herrenhof 1 – 97437 Haßfurt
                     Tel. 09521/27-294 - monika.goehr@hassberge.de
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Wie Landrat Wilhelm Schneider deutlich machte, verfügt der Landkreis Haßberge im Be-
reich der (Verbund-)Werkstoff- und Kunststoffverfahrenstechnologie über sehr große Kom-
petenzen. In diesem Segment haben sich die Unternehmen Fränkische (Königsberg), Main-
tools TSK Machinery (Eltmann), Maincor Rohrsysteme Industrie (Knetzgau), PMA Deutsch-
land, Schlemmer, Unicor (Haßfurt), Uniwell (Ebern), Uponor (Haßfurt) und Valeo (Ebern) als
Global Player positioniert. Doch nicht nur die Unternehmen selbst hätten Interesse, ihre
Marktposition zu halten, bzw. weiter auszubauen, auch der Landkreis selbst, denn rund ein
Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind im Bereich Kunststofftechnologie
und Rohrsysteme tätig. „Eine konkrete Unterstützung, die insgesamt auch zu unserer Bil-
dungsregion und zu den Zielen des Regionalplans passen würde, ist die Ansiedlung einer
Hochschule, einer Forschungseinrichtung oder derartiges und ein Angebot der beruflichen
Fortbildung“, so Landrat Wilhelm Schneider.

Vor diesem Hintergrund wurden Gespräche mit den ansässigen Unternehmen geführt und
erste Kontakte zu Hochschulen aufgenommen, die den Aufbau einer hochschulischen Ein-
richtung unterstützen könnten. Die Unternehmer hätten diese Initiative ausdrücklich be-
grüßt. Gerade die Wellrohr-Extrusion sei ein spezielles Gebiet in der Kunststoffherstellung,
das eine adäquate und spezialisierte Ausbildung der Fachkräfte und Ingenieure erfordert.
Aktuell erfolgt diese ausschließlich in den Betrieben nach der Ausbildung, da die Wellrohr-
Extrusion in der Ausbildung immer nur am Rande gestreift wird.

Mit Unterstützung der Unternehmen wurden die Handlungsfelder näher herausgearbeitet
und definiert. Auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
(FH) attestierte dem Landkreis eine einzigartig hohe Dichte von Herstellern intelligenter
Kunststoff-Wellrohrsysteme. Es wurde aufgezeigt, dass in den vier Handlungsfeldern For-
schung und Entwicklung, Fortbildung und Qualifizierung, duale Ausbildung und Berufsbe-
gleitende Studiengänge Bedarf besteht. Im Zuge dieser Gespräche sei als erfolgsverspre-
chender erster Schritt die Idee der Gründung eines Technologiezentrums „Smart Polymer
Pipe Systems“ (TTZ) – so der Arbeitstitel – entstanden, das in Zusammenarbeit mit den
Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Region umgesetzt werden soll. Das Projekt
ist eines der Leitprojekte der Regiopolregion Mainfranken.
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Das TTZ verfolge Ziele für die Unternehmen sowie die Hochschulen und wissenschaftlichen
Einrichtungen, die insgesamt der wirtschaftlichen Entwicklung des Landkreises Haßberge,
aber auch der gesamten Region Mainfranken und Bayern zu Gute kommen. Für die Unter-
nehmen werde ein einfacher Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen (Laboren, Maschi-
nen, Wissenschaftlern, Studierenden) in Ortsnähe ermöglicht. Dadurch lassen sich wissen-
schaftliche Fragestellungen in Zusammenarbeit mit der Hochschule unter Bezugnahme von
Fördergeldern lösen. Daneben lernen Unternehmen in Projekten arbeitende Studierende
als mögliche zukünftige Mitarbeiter kennen.

Auf eine erste Anfrage beim zuständigen Wissenschaftsministerium sei ein positives Signal
gekommen. In einem Schreiben habe der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und
Kunst, Bernd Sibler, mitgeteilt, dass er der Gründung eines solchen Zentrums grundsätzlich
aufgeschlossen gegenüber sehe. Er wies aber auch darauf hin, dass die Unternehmen und
Kommunen vor Ort in der fünfjährigen Aufbauphase einen eigenen finanziellen Beitrag leis-
ten müssten. Danach entscheidet das Ministerium, ob das Projekt erfolgreich weitergeführt
werden kann. Im Falle einer Zusage würde der Freistaat Bayern die Kosten der Professoren-
stelle übernehmen. Die Besetzung der Stiftungsprofessur wird rund eineinhalb Jahre in An-
spruch nehmen und über den Stiftverband für die Deutsche Wirtschaft abgewickelt.

Weiterhin besteht für den Landkreis Haßberge und die Stadt Haßfurt die Verpflichtung eine
entsprechende Immobilie zu errichten, bzw. über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfü-
gung zu stellen. Nach Abstimmungsgesprächen mit der Stadt Haßfurt und der FH und auf
Grund von Besichtigungen vergleichbarer Einrichtungen wird ein berufsschulnaher Standort
favorisiert. Dieser ermöglicht einen intensiven Austausch mit der Berufsschule und kann
Synergien sowohl für das TTZ als auch den Berufsschulstandort erzeugen.

Die Haßfurter Heinrich-Thein-Berufsschule wird aktuell in erheblichem Umfang generalsa-
niert. Der im Norden gelegene Bauteil D bietet dafür ideale Voraussetzungen. Die Kosten
für die Sanierung müssen sich der Landkreis Haßberge und die Stadt Haßfurt teilen. Hierfür
sind entsprechende Vereinbarungen abzuschließen. Für die Planung und Sanierung ist mit
einem Zeitraum von zwei Jahren zu rechnen.
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Dipl.-Ing. Marko Siller, Leiter Entwicklung und Produktmanagement bei den Fränkischen
Rohrwerken Königsberg, berichtete aus Sicht der Unternehmen, warum die Einrichtung ei-
nes TTZ begrüßt wird. Die Personalgewinnung war dabei ein wichtiger Aspekt, denn schon
jetzt fehlen in den Kunststoffberufen Fachkräfte und Bewerber. Ebenso profitiere die For-
schung und Entwicklung davon.

Prof. Robert Grebner, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würz-
burg-Schweinfurt betonte, dass die FHWS voll hinter dem Technologietransferzentrum
stehe. „Hier im Landkreis Haßberge ist geballte Kompetenz im Bereich Kunststoff vorhan-
den“, ergänzte Prof. Dr. Volker Herrmann, der als Dozent an der FH tätig ist. Eine derartige
Einrichtung wäre für die Hochschule und die Studierenden eine enorme Aufwertung. So
listete er gleich eine ganze Reihe an Vorteilen und Nutzen auf, die ein Kunststoffkompe-
tenzzentrum mit sich bringe:
   -   für die Unternehmen: Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen (Labore, Maschi-
       nen, Studierende, Wissenschaftler) sowie zu Fördergeldern und Kontakte zu poten-
       tiellen zukünftigen Mitarbeitern.
   -   für die Hochschule: Zugang zu praxisrelevanten Themen, Einzug in Forschung und
       Lehre; Steigerung der Attraktivität für Studierende durch angewandte Forschung und
       Möglichkeit des Zuwachses an Drittmitteln.
   -   für die Studierenden: Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern sowie interessante und
       praxisnahe Aufgabenstellungen mit hervorragender Betreuungsmöglichkeit.
Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen „Smart Pipes“, Nachhaltigkeit, Quali-
tät, Produktion und Mess/Prüftechnik. „Die Räumlichkeiten in der Berufsschule passen wie
die Faust aufs Auge“, so Prof. Dr. Herrmann begeistert. „Das Kunststoffzentrum wird ein
echtes Aushängeschild für die Region, das es bisher nirgendwo in Deutschland gibt“, war
er sich sicher.

Nach dem jetzigen Stand der Planung könnte das TTZ im Wintersemester 2023/24 an den
Start gehen. In diesem Jahr werden die erforderlichen staatlichen Mittel für die Einrichtung
und Maschinen beim Wissenschaftsministerium für den Doppelhaushalt 2021/22 angemel-
det. Ab Herbst 2021 könnte der Stifterverband die Suche nach einem geeigneten Lehrstuhl-
inhaber beendet haben. Anfang 2022 kann dann die Ausschreibung „Maschinenpark“ für
das TTZ erfolgen.
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Bildtext:

Sie ziehen an einem Strang, um in Haßfurt ein Zentrum für Kunststofftechnologie zu errich-
ten: Landrat Wilhelm Schneider, Bürgermeister Günther Werner, die Mitglieder des Kreista-
ges Haßberge und des Stadtrates Haßfurt, sowie die Vertreter der Hochschule für ange-
wandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, die Unternehmen, die Handwerkskammer,
die IHK, die Regierung von Unterfranken und die Banken.
        Foto: Moni Göhr
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