Highlights der italienischen Oper - DO 31. DEZ 2020 | FR 1. JAN 2020 KULTURPALAST - Dresdner Philharmonie
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DAS BUCH ZUM JUBILÄUM 150 JAHRE DRESDNER PHILHARMONIE Ab jetzt erhältlich im Webshop unter dresdnerphilharmonie.de
PROGRAMM Giuseppe Verdi (1813 – 1901) »La traviata« (1853) Vorspiel zum 1. Akt »È strano, è strano« (1. Akt, Nr. 3, Szene und Arie der Violetta) »Lunge da lei« (2. Akt, Nr. 4, Szene und Arie Alfredos) »Nabucco« (1842) Ouvertüre »Rigoletto« (1851) »Caro nome« (1. Akt, Nr. 6, Arie der Gilda) Amilcare Ponchielli (1834 – 1886) »La Gioconda« (1876) »La danza delle ore« (3. Akt, Finale, Ballettmusik) »Cielo e mar!« (2. Akt, 4. Szene, Romanze des Enzo) Giacomo Puccini (1858 – 1924) »La Bohème« (1896) Finale des 1. Aktes Marek Janowski | Dirigent Lisette Oropesa | Sopran Stefan Pop | Tenor Dresdner Philharmonie
CHRISTOPH VRATZ Zweifelndes Genie Giuseppe Verdi Gescholtene zog sich zurück, äußerlich (von Mailand weg) und innerlich (nie wieder wolle er eine Oper schreiben). Natürlich ist Verdi sich untreu geworden, doch eines blieb ihm: sein Misstrauen in Erfolge. Daher lehnte er wohl auch das Angebot der Direktion des Teatro La Fenice zunächst ab, für die Saison 1851/52 nach dem triumphalen Erfolg von »Rigo- letto« mit »La traviata« eine weitere Oper für Venedig zu komponieren. Zum einen wollte Verdi nicht zwei Opern für dieselbe Stadt schreiben, zum anderen fürchtete Giuseppe Verdi um 1850 er die Zensur. Außerdem wollte man ihm über das zur Verfügung stehende Ensem- »Oberto« war seine erste Oper. Ein Riesen- ble keine näheren Auskünfte erteilen. erfolg. Wie aus dem Nichts kommend. Schließlich ließ sich Verdi dennoch Italien sah plötzlich einen neuen Stern überreden, nachdem im Spätsommer am Opernhimmel. Doch dann kam der 1852 die Dramatisierung des Romans Knick, die Oper »Un giorno di regno« »La Dame aux camélias« von Alexandre (König für einen Tag) wurde ein Reinfall; Dumas in Paris uraufgeführt worden war. und es schien, als sei Giuseppe Verdi Verdi zeigte sich dem Thema gegenüber selbst ein Kurzzeit-König, der nach nur aufgeschlossen: »Ein zeitgenössischer einem Werk wieder abdanken muss. Der Stoff. Ein anderer würde ihn vielleicht 4
Titel der Erstausgabe des Klavierauszugs von »La traviata« nicht gemacht haben, wegen der Sitten, Gautier, an seine Lebensgefährtin Giu- wegen der Zeiten und wegen 1000 ande- seppina Strepponi, die berühmte Ex- rer blöder Skrupel… Ich mache ihn mit Sängerin, erinnert haben, die immerhin dem größten Vergnügen.« Sein Librettist drei uneheliche Kinder geboren hatte, Francesco Maria Piave sollte nun unter bevor sie mit Verdi zusammenkam. Eine Hochdruck ein geeignetes Textbuch Außenseiterin wird zur Heldin der Oper. entwerfen. Als sie ihre Welt, die Welt des Glanzes, Verdi war fasziniert vom Konflikt zwi- verlässt und in eine bürgerliche Welt schen Provinz- und Großstadtmoral, den eintritt, bekommt sie ihr Außenseitertum er selbst zu spüren bekommen hatte. mit aller Wucht zu spüren – auch das eine In gewisser Weise dürfte ihn daher die Parallele zur Strepponi. Hauptfigur, die Kurtisane Marguerite 5
Der erste Akt beginnt zwar mit einer eines Librettos wagte. Bekanntermaßen tosenden, sich überstürzenden Musik, die wurde »Nabucco« ein Erfolg, ein Funke, das Lebensgefühl der Pariser Halbwelt, der ganz Italien (das es 1842 als geeintes den Taumel, das Vergnügen prägnant Land noch nicht gab) entzündete – vor erfasst; davor jedoch platziert Verdi ein allem wegen des patriotischen Gefange- Vorspiel, das mit Klängen beginnt, die nenchores. Verdis Musik wurde zum im dritten Akt der Oper für die tödliche Gassenhauer und für ihn persönlich zu Krankheit der Protagonistin stehen einer Wende in seinem Leben. werden. Je acht geteilte erste und zweite Doch zu diesem Zeitpunkt war Verdi noch Violinen vereinen sich zu einem mit nicht der reife Orchester-Instrumentalist, Sekund-Reibungen durchsetzten vier- zu dem er sich peu-à-peu erst entwickeln stimmigen Satz, dessen gläserne Trans- sollte. Trotzdem ist seine eigene Hand- parenz etwas Sphärenhaftes besitzt. Die schrift bereits unverkennbar. Schon abnehmende Länge der Phrasen – von in der Sinfonia prallen die Gegensätze zunächst vier auf drei und anschlie- theatergeschult aufeinander: die tiefen ßend auf zwei Takte – zeichnet Violettas dunklen Posaunenklänge, das stürmische Schwindsucht musikalisch nach. Todes- Tutti, die Übergänge, die prägend-straffe Assoziationen im Zeitraffer … Rhythmik, die Steigerungen – und, Die Uraufführung am 6. März 1853 war natürlich, die unverkennbar gesangliche alles andere als ein Erfolg, Verdi selbst Linienführung der Melodien. empfand sie sogar als Desaster. Nach nur Diese Kunst sollte sich im Laufe der Jahre neun Vorstellungen wurde das neue Werk immer weiter verfeinern, auch weil Verdi abgesetzt. Der ewige Skeptiker Verdi sah immer mehr danach strebte, die Unter- sich einmal mehr bestätigt, denn immer schiedlichkeit seiner Bühnenfiguren noch saß die Erfahrung der frühen Jahre ästhetisch durch die Ausdifferenzierung in ihm. Damals hatte es viel Zeit und der der musikalischen Mittel zu vertiefen. fast väterlichen Fürsprache des Scala- Das zeigt sich auch im »Rigoletto« an der Intendanten gebraucht, bis sich Verdi Übergangsstelle vom düsteren Monolog nach seinem Rückschlag mit »Un giorno der Titelfigur hin zur hellen, noch unge- di regno« endlich wieder an die Vertonung trübten Welt von Gilda. Das Rezitativ vor 6
Die Scala in Mailand im 19. Jahrhundert, Ort der Uraufführung von »Nabucco« ihrer Arie »Caro nome« wird wesentlich Erst gegen Ende der Arie gewinnt auch von der Flöte geprägt, die ganze neun Mal das mittlere Register an Bedeutung. Verdi ein Motiv anstimmt, das von den anderen zeigt hier, dass er einerseits die Beglei- Holzbläsern in wechselnden Harmonien tung des Orchesters auf ein Maximum unterstützt wird. Auch die Arie lebt von an Ökonomie reduziert, gleichzeitig aber der instrumentalen Untermalung durch eine Intensivierung der Klangfarben die Holzbläser, ergänzt um eine bzw. zwei erreicht und so das szenische Geschehen solistisch agierende Geigen. Dazu setzt auf optimale Weise unterstützt. In diese Verdi die gezupften tiefen Streicher als fein differenzierte Art der Orchester- Gegensatz (Geigen und Bratschen agieren behandlung fügt sich die Gesangsstimme lediglich echohaft in Wiederholung), auf eine Weise ein, die Gilda zu dem wer- wodurch der Kontrast von hohen und den lässt, was sie für ihren Vater Rigoletto tiefen Registern umso deutlicher wird. am liebsten darstellt: eine geschützte Frau im Glaskäfig. 7
Erster Akt, 2. Bild: Bühnenbildentwurf von Giuseppe Bertoja für die Uraufführung von »Rigoletto« »La traviata« gestern Abend – ein Fiasko. Ist es meine Schuld oder die der Sänger? Die Zeit wird urteilen. Verdi nach der Uraufführung 1853 im Teatro La Fenice 8
GIUSEPPE VERDI * 9. Oktober oder 10. Oktober 1813 in Le Roncole, Département Taro, Französisches Kaiserreich † 27. Januar 1901 in Mailand »La traviata« »Nabucco« ENTSTEHUNG ENTSTEHUNG 1852 1841 URAUFFÜHRUNG URAUFFÜHRUNG 6. März 1853 im Teatro La Fenice in Venedig 9. März 1842 im Teatro alla Scala in Mailand ZULETZT VON DER DRESDNER ZULETZT VON DER DRESDNER PHILHARMONIE GESPIELT PHILHARMONIE GESPIELT Vorspiel 1. Akt: 1. Juli 1995 unter Leitung 19. November 1966 unter Leitung von von David Giménez Wolfgang Bothe »È strano, è strano«: 6. Februar 1927 ORCHESTERBESETZUNG mit Grete Liebau als Solistin unter Leitung 2 Flöten (2. auch Piccolo), 2 Oboen, von Johannes Leonhardt 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, Von »Lunge da lei« ist keine Aufführung 2 Trompeten, 3 Posaunen, Cimbasso, nachgewiesen. Pauken, Schlagzeug (Große Trommel, ORCHESTERBESETZUNG Kleine Trommel), Streicher 2 Flöten (2. auch Piccolo), 2 Oboen, DAUER 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, Ouvertüre: ca. 8 Minuten 2 Trompeten, 3 Posaunen, Cimbasso, Pauken, Streicher DAUER Ausschnitte insgesamt ca. 17 Minuten »Rigoletto« ENTSTEHUNG 1850 bis 5. Februar 1851 URAUFFÜHRUNG 11. März 1851 im Teatro La Fenice in Vendig ZULETZT VON DER DRESDNER PHILHARMONIE GESPIELT »Caro nome«: 8. Oktober 1973 mit Margarita Voites als Solistin unter Leitung von Rudolf Neuhaus ORCHESTERBESETZUNG 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, Pauken, Streicher DAUER ca. 7 Minuten 9
»Grand Opéra« made in Italy Amilcare Ponchielli Im zunehmend größer werdenden Schat- ten, den Verdis Popularität über die Aufstiegsmöglichkeiten anderer Opern- komponisten legte, bewegt sich auch Amilcare Ponchielli. Noch bevor er 1880 ans Mailänder Konservatorium als Kompositionslehrer wechselte und dort unter anderem Mascagni und Puccini zu seinen Schülern zählte, brachte er 1876 an der Scala seine »Gioconda« heraus – ein Werk, das ein äußerst gespaltenes Echo hervorgerufen hat. Zustimmung kam bei- spielsweise von Eduard Hanslick, glühen- de Ablehnung dagegen von Hugo Wolf, der auch das Libretto von Arrigo Boito Amilcare Ponchielli in seine Kritik mit einschloss. Wie auch immer man zu diesem Werk stehen mag, »La Gioconda« gilt als die einzige »Grand steht eine Straßensängerin, die sich in Opéra« italienischer Herkunft. Anspielung auf die berühmte Mona Lisa Wie bei Verdis »Rigoletto«, so liegt auch »La Gioconda« nennt und den verbannten dieser Oper ein Theaterstück von Victor Edelmann Enzo liebt, der seinerseits Hugo zugrunde: »Angelo, tyran de ein Auge auf Laura geworfen hat, Ehefrau Padoue«. Die Handlung spielt im Venedig des venezianischen Inquisitors. des 17. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt 10
Illustration zum 2. Akt von »La Gioconda« aus »The Victrola book of the opera«, einem reich bebilderten Opernführer in einer Ausgabe aus dem Jahr 1917 Im zweiten Akt befinden sich Laura und er selbst nicht unbedingt in Feierlaune Enzo auf dessen Schiff, entschlossen zur ist. Der »Tanz der Stunden« soll seinen gemeinsamen Abreise, die durch das Gästen zur Unterhaltung dienen. Die Idee plötzliche Auftauchen Giocondas erst dazu stammt von Boito, der von der Vor- abgebrochen und am Ende unmöglich stellung ausging, dass sich zwölf Tänzer gemacht wird, weil Enzo das Schiff in im Kreis bewegten (als Stunden), dazu Brand setzt. »Cielo e mar!« trägt unver- zwei Tänzer in der Mitte (als Stunden- kennbare Anlehnungen an eine Arie aus und Minutenzeiger). Große Bekanntheit Meyerbeers »Afrikanerin«. Ponchielli erlangte das Stück auch durch seinen deckt diese Parallelen zu durch den ein- Einzug in die Kinos, als Soundtrack in leitenden Ruf – »Cielo e mar!« – und »Fantasia«, dem Zeichentrick-Klassiker durch eine emphatische Schlusssequenz. von Walt Disney (1940). Im dritten Takt veranstaltet der Inqui- sitor Alvise ein großes Fest, auch wenn 11
»Tanz der Stunden«, symbolistisches Gemälde von Gaetano Previati, 1899 Ein ungemein schwächliches Produkt, das hoffentlich recht bald und für immer vom Repertoire verschwinden wird. […] Ponchielli fehlt die Originalität. Er hat eine Dutzendphysiognomie, seine Phantasie den Gang eines störrischen Esels, der nach jedem zweiten Schritt über den erstgemachten nachgrübelt. Seine Melodien, banal und schwunglos, sind eigentlich nur aus dem Niederschlag hergebrachter Gounodscher, Verdischer und Meyerbeerscher Opernphrasen zusammengeflickt. Hugo Wolf über »La Gioconda« 12
AMILCARE PONCHIELLI * 31. August 1834 in Paderno Fasolaro (heute Paderno Ponchielli; nach ihm benannt) bei Cremona † 16. Januar Januar 1886 in Mailand »La Gioconda« ENTSTEHUNG 1875 bis 1876 URAUFFÜHRUNG 8. April 1876 am Teatro alla Scala in Mailand ZULETZT VON DER DRESDNER PHILHARMONIE GESPIELT »La danza delle ore«: 3. Januar 1987 in Zwickau unter Leitung von Günter Joseck. Eine Aufführung von »Cielo e mar!« ist nicht nachgewiesen. ORCHESTERBESETZUNG Piccolo, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Cornets, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug (Klaviaturglockenspiel, Triangel), Harfe, Streicher DAUER »La danza delle ore«: ca. 9 Minuten »Cielo e mar!«: ca. 5 Minuten 13
Strenge und Freiheit Giacomo Puccini Anzeigen in den Zeitungen, in denen jeder für seinen Komponisten wirbt. So stellt sich, vereinfacht gesagt, die Situa- tion im März 1893 dar, als Ruggero Leon- cavallo und Giacomo Puccini sich um die Vertonung des über 30 Jahre älteren Stoffes um »Szenen aus dem Leben der Bohème« von Henry Murger streiten. Am Ende stehen zwei Opern mit unter- schiedlichen inhaltlichen Gewichtungen. Die beiden Erstaufführungen erfolgen Giacomo Puccini im Jahr 1908 im Februar 1896 (Puccini) und im Mai Eine Auseinandersetzung so ganz nach 1897 (Leoncavallo). Dass sich im Falle von dem Geschmack der Presse: Zwei Kompo- Puccinis Oper die Ausarbeitung so lange nisten ringen um denselben Opernstoff, hingezogen hat, hängt auch mit einem der eine bietet sogar dem anderen seine komplizierten Entstehungs- und Ver- Dienste als Textdichter an, der andere werfungsprozess des Textbuches zusam- will davon nichts gewusst haben, und men, das erst über den Umweg mehrerer die jeweils beteiligten Verlage schalten Fassungen zu seiner endgültigen Form gefunden hat. 14
Partiturseite aus dem Autograph 15
Die musikalische Bedeutung von »La Bohème« liegt, nach Bekunden des Diri- genten René Leibowitz, in ihrer »Dialek- tik von Strenge und Freiheit«. Nie zuvor und auch nicht mehr danach besitzt die Musik Puccinis eine solch selbstverständ- lich wirkende Lockerheit, die jedoch erst dann richtig zur Geltung kommt, wenn die entsprechende Präzision bei der Umsetzung der Partitur gewährleistet ist. Denn Puccini war ein Pedant, der nahezu alle Parameter genau festgehalten hat. Warum ihm hier diese Synthese aus Präzision und freiheitlichem Gestus auf so besondere Weise gelungen ist, mag vielleicht auch mit dem Stoff der Figurine der Mimi, Entwurf des Bühnebildners und Malers Oper zusammenhängen. Denn Murgers Alfredo Hohenstein für die Uraufführung der Oper Paris-Darstellung der 1840er Jahre dürfte Puccini an seine eigenen Mailänder Stu- Das erste Bild der Handlung spielt in dentenjahre zu Beginn der 1880er Jahre einer Dachkammer, deren Fenster den erinnert haben, vor allem atmosphärisch. Blick auf schneebedeckte Dächer freige- Von daher verwundert es nicht, dass er ben. Rodolfo zieht sich zurück, während am Beginn seiner Oper, fast leitmotivisch seine Kumpane zum Feiern losziehen, als das Bohème-Leben beschreibend, ein es an der Tür klopft und Nachbarin Mimì, Thema aus dem früher entstandenen vom Treppensteigen noch außer Atem, »Capriccio sinfonico« verwendet, das um Feuer für ihre Kerze bittet. Doch der sich wie die Zusammenfassung seines Wind bläst alle Kerzen aus, und so be- Studiums am Konservatorium ausnimmt. rühren sich im Dunkeln ihre Hände: »Che So finden am Beginn der »Bohème« die gelida manina«, worauf Mimì von ihrem fiktive Situation der Pariser Künstler- einfachen Leben als Seidenstickerin und gesellschaft und die realen Erinnerungen der großen Hoffnung auf Sonne und des Komponisten zusammen. Wärme berichtet. Während von draußen 16
Quartier Latin (2. Akt), Bühnenbildentwurf für die Uraufführung von Alfredo Hohenstein bereits die ermunternden Rufe der Ebenen zusammen: auf der einen Seite feiernden Freunde zu vernehmen sind, das romantische Liebespaar, verortet im gestehen sich beide Protagonisten ihre Künstlermilieu, auf der anderen Seite Zuneigung. das Rollenspiel zwischen Rodolfo und Wenn der Vorhang zum ersten Bild fällt, Mimì, das Elemente einer bürgerlichen ist die Bühne bereits leer, und man hört Lebensform imitiert: Er bietet ihr den das neue Paar nur noch von draußen Arm, sie hakt sich ein. Mit einem gerade- singen. Hier bricht Puccini mit den kon- zu demonstrativ zarten Klangbild, bei ventionellen Erwartungen des Publikums dem die Harfe das Mondschein-Szenario und zwingt den Zuschauer, eine normale mitprägen darf, entlässt Puccini seine Situation des alltäglichen Lebens in der Figuren und den Zuschauer aus diesem unnormalen Situation einer Opernauf- ersten Bild. führung nachzuvollziehen. Und noch in einem weiteren Punkt führt Puccini zwei 17
Niemand kann behaupten, dass »La Bohème« eine künstlerisch gelungene Oper sei […] Die Musik ist oberflächlich […] So wie diese »Bohème« keinen tiefen Eindruck beim Hörer hinterlässt, so wird sie auch keine bedeutende Spur in der Operngeschichte hinterlassen Der Kritiker Carlo Bersezio nach der Uraufführung 1896 in der »Gazetta Piemontese« GIACOMO PUCCINI * 22. Dezember 1858 in Lucca † 29. November 1924 in Brüssel »La Bohème« ENTSTEHUNG 1893 bis 1895 URAUFFÜHRUNG 1. Februar 1896 im Teatro Regio Turin ZULETZT VON DER DRESDNER PHILHARMONIE GESPIELT Aus dem Finale des ersten Aktes erklang bislang nur die Arie der Mimi, zuletzt am 18. August 2017 mit Amanda Pabyan als Solistin unter der Leitung von Robert Trevino ORCHESTERBESETZUNG 2 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Bassposaune, Pauken, Schlagzeug (große Trommel, Becken, Triangel), Harfe, Streicher DAUER Finale erster Akt: ca. 15 Minuten 18
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CHEFDIRIGENT DER DRESDNER PHILHARMONIE MAREK JANOWSKI auf eine umfangreiche und erfolg- reiche Laufbahn sowohl als Opern- dirigent als auch als künstlerischer Leiter bedeutender Konzertorches- ter zurück. Sein künstlerischer Weg führte nach Assistenten- und Kapellmeisterjahren in Aachen, Köln, Düsseldorf und Hamburg als GMD nach Freiburg i. Br. und Dortmund. Es gibt zwischen der Metropolitan Opera New York und der Bayerischen Staatsoper München, zwischen Chicago, San Francisco, Hamburg, Wien, Berlin und Paris kein Opernhaus von Zur Dresdner Philharmonie kam Weltruf, an dem er seit den späten Marek Janowski das erste Mal als 1970er Jahren nicht regelmäßig zu Chefdirigent von 2001 bis 2003. Gast war. Bereits in dieser Zeit überzeugte Im Konzertbetrieb, auf den er sich er durch ungewöhnliche und an- seit den späten 1990er Jahren spruchsvolle Programme. Mit Be- konzentriert, führt er die große ginn der Konzertsaison 2019/2020 deutsche Dirigententradition fort. ist er als Chefdirigent und künst- Von 2002 bis 2016 war er Chefdi- lerischer Leiter zur Dresdner Phil- rigent des Rundfunk-Sinfonieor- harmonie zurückgekehrt. chesters Berlin (RSB). Zuvor und 1939 geboren in Warschau, auf- teilweise parallel amtierte er u.a. gewachsen und ausgebildet in Deutschland, blickt Marek Janowski 20
als Chefdirigent des Orchestre de la Suisse Romande (2005 – 2012), des Orchestre Philharmonique de harmonie konzertant realisierte. Monte-Carlo (2000 – 2005) und Sämtliche Konzerte wurden in des Orchestre Philharmonique de Kooperation mit Deutschlandradio Radio France (1984 – 2000), das von Pentatone auf SACD veröffent- er zum Spitzenorchester Frank- licht. Für Wagner kehrte Marek reichs entwickelte. Außerdem war Janowski auch noch einmal in er mehrere Jahre Chef am Pult ein Opernhaus zurück und leitete des Gürzenich-Orchesters in Köln 2016 und 2017 den »Ring« bei den (1986 – 1990). Bayreuther Festspielen. Bereits in Weltweit gilt Marek Janowski den Jahren 1980 bis 1983 hatte er als herausragender Beethoven-, diesen Zyklus mit der Sächsischen Schumann-, Brahms-, Bruckner- Staatskapelle Dresden für die und Strauss-Dirigent, aber auch Schallplatte eingespielt. Für die als Fachmann für das französi- Jahre 2014 bis 2017 wurde er vom sche Repertoire. Mehr als 50 zu- NHK Symphony (dem bedeutends- meist mit internationalen Preisen ten Orchester Japans) eingeladen, ausgezeichnete Schallplatten – in Tokio Wagners Tetralogie konzer- darunter mehrere Operngesamt- tant zu dirigieren. Ebenfalls mit aufnahmen und komplette sinfo- diesem Orchester wird er 2021 nische Zyklen – tragen seit über dessen »Parsifal« aufführen. 35 Jahren dazu bei, die besonderen Nach »Cavalleria rusticana« und Fähigkeiten Marek Janowskis als »Il Tabarro«, den beiden Einaktern Dirigent international bekannt zu von Mascagni und Puccini, die er machen. mit der Dresdner Philharmonie Einen besonderen Schwerpunkt bereits aufgenommen hat, entstand bilden für ihn die zehn Opern und kürzlich eine Aufnahme von Musikdramen Richard Wagners, Beethovens »Fidelio« für das Label die er mit dem Rundfunk-Sinfonie- Pentatone. orchester Berlin, dem Rundfunk- chor Berlin und einer Phalanx von internationalen Solisten zwischen 2010 und 2013 in der Berliner Phil- 21
SOPRAN LISETTE OROPESA große Rolle, Susanna in »Le nozze di Figaro«, sang sie im Alter von 22 Jahren an der Met und hat dort seither in über 100 Vorstellungen in vie- len verschiedenen Rollen gesungen. Seit ihrem Ab- schluss des Young Artist Program im Jahr 2008 ist sie in Konzertsälen und auf Opernbühnen auf der ganzen Welt aufgetreten und hat sich zu einer der erfolgreichsten Sängerin- Lisette Oropesa wurde in New nen ihrer Generation entwickelt. Orleans, Louisiana, als Kind An der Bayerischen Staatsoper war kubanischer Eltern geboren und sie mehrfach als Konstanze in »Die spielte zwölf Jahre lang Flöte, Entführung aus dem Serail« zu bevor sie ihr Gesangsstudium an erleben, eine Rolle, die sie auch an der Louisiana State University der Opéra National de Paris gesun- aufnahm. Nachdem sie die Met gen hat. Ihre meistgespielte Rolle Opera National Council Auditions ist die Gilda in »Rigoletto«, die sie gewonnen hatte, wurde sie in das an der Niederländischen National- Lindemann Young Artist Develop- oper, am Teatro dell’opera di ment Program aufgenommen und Roma, an der Los Angeles Opera, zog nach New York City. Ihre erste an der Metropolitan Opera, an der Opéra National de Paris und am 22
Teatro Real gesungen hat. Im Ver- trat sie u.a. mit dem Philadelphia einigten Königreich triumphierte Orchestra, dem Chicago Symphony Lisette Oropesa als Norina in Orchestra, dem Cincinnati Sym- »Don Pasquale« in Glyndebourne phony Orchestra und dem Concert- und in der Titelrolle in »Lucia di gebouw Orchestra in Amsterdam Lammermoor« am Royal Opera auf. Sie sang in der Carnegie Hall, House, Covent Garden. der Accademia Nazionale di Santa Weitere Rollen sind Ophélie in Cecilia in Rom, beim Ravinia »Hamlet«, Kleopatra in »Giulio Festival, dem Tanglewood Music Cesare«, Leïla in »Les pêcheurs de Festival, dem Chicago Bach Project, perles«, Marie in »La fille du régi- dem Mostly Mozart Music Festival ment«, Amalia in »I Masnadieri«, und vielen mehr. Sie hat mit Rosina in »Il barbiere di Siviglia« weltweit führenden Dirigenten und Adina in »L'elisir d'amore«. zusammengearbeitet, darunter In den USA ist Lisette Oropesa Riccardo Muti, Yannick Nézet- unter anderem an der Met, der San Séguin, Anthony Pappano, Daniele Francisco Opera, der Los Angeles Gatti, Fabio Luisi, Ivor Bolton und Opera, der Philadelphia Opera und William Christie. der Washington National Opera aufgetreten. Auch im Konzertbereich verfügt sie über ein breites Repertoire. Sie hat zwei Recital-Alben mit den Titeln »Within/Without« und »Aux filles du désert« veröffentlicht und gab Recitals in New York City, Washington, Los Angeles und anderen Städten. In Konzerten 23
TENOR STEFAN POP Der Operalia-Preisträger Stefan Ismaele (»Nabucco«) und Cassio Pop (2010, Mailänder Scala) zählt (»Otello«), aber auch das Belcanto- seit seinem internationalen Debüt Repertoire wie Elvino (»La sonn- als Alfredo in »La traviata« 2009 ambula«), Pollione (»Norma«), an der Oper Rom in einer Insze- Edgardo (»Lucia di Lammermoor«) nierung von Franco Zeffirelli unter und Nemorino (»Elisir d’amore«), der Leitung von Gianluigi Gelmetti darüber hinaus Partien in Donizet- zu den führenden Tenören seines tis »Roberto Devereux«, Gounods Fachs. »Faust« und Strauss’ »Rosenkava- Zu den größten Erfolgen der ver- lier«, in dem er bei den Salzburger gangenen Spielzeit gehören Jacopo Festspielen mitwirkte. (»I due Foscari«) in einer Neu- Stefan Pop debütierte bereits an produktion in Parma, die auch auf vielen wichtigen Opernhäusern CD und Blu-ray festgehalten wurde, der Welt wie der Wiener Staats- sowie Rodolfo an der Wiener oper, der Opéra de Paris, dem Staatsoper. Royal Opera House Covent Garden Zu Stefan Pops Repertoire gehören London, der Staatsoper Hamburg, die großen Rollen von Verdi wie der Deutschen Oper Berlin, dem Alfredo (»La traviata«), Duca Opernhaus Zürich, dem Teatro (»Rigoletto«), Riccardo (»Un ballo in Real Madrid sowie an der New Is- maschera«), Macduff (»Macbeth«), raeli Opera Tel Aviv. Auch in Japan ist Pop ein gern gesehener und gefeierter Gast. 24
Der Tenor hat mit Dirigenten wie Nello Santi, Zubin Mehta, Fabio Luisi, Daniel Oren, Daniele Gatti, Bruno Campa- nella, Renato Palumbo, Evelino Pido, Riccardo Frizza, Michele Mariotti u.a. zusammengearbei- tet. Eine Konzerttournee mit Angela Gheorghiu führte ihn nach Seoul, Shanghai und Oman. 2019 gewann er den »Oscar della Lirica Young Generation«. Stefan Pop wurde in Bistrita (Rumänien) geboren. Er studierte und graduierte an der Musikakademie »Ghoerghe Dima« in Cluj-Napoca und ge- wann danach die Wettbewerbe »Hariclea Darclee« und den »International Music Competition Seoul«. Seit 2015 ist Stefan Pop Ehrenbürger seiner Heimatstadt. 25
ORCHESTER DRESDNER PHILHARMONIE Fokus, den er in seinen Program- men auf die Musik Anton Bruck- ners legte, trug dem Orchester den Die Dresdner Philharmonie blickt Ruf eines »Bruckner-Orchesters« als Orchester der Landeshaupt- ein. Zu den namhaften Gastdiri- stadt Dresden auf eine 150-jährige genten, die damals zur Dresdner Geschichte zurück. Mit der Eröff- Philharmonie kamen, zählten nung des sogenannten Gewerbe- Hermann Abendroth, Eduard haussaals am 29. November 1870 van Beinum, Fritz Busch, Eugen erhielt die Bürgerschaft Gelegen- Jochum, Joseph Keilberth, Erich heit zur Organisation großer Kleiber, Hans Knappertsbusch Orchesterkonzerte. Ab 1885 wurden und Franz Konwitschny. regelmäßig Philharmonische Nach 1945 bis in die 1990er Jahre Konzerte veranstaltet, bis sich das waren Heinz Bongartz, Horst Orchester 1923 seinen heutigen Förster, Kurt Masur (seit 1994 Namen gab. In den ersten Jahr- auch Ehrendirigent), Günther zehnten standen Komponisten Herbig, Herbert Kegel, Jörg-Peter wie Brahms, Tschaikowski, Dvořák Weigle und Michel Plasson als und Strauss mit eigenen Werken Chefdirigenten tätig. In jüngster am Pult der Dresdner Philharmo- Zeit prägten Dirigenten wie Marek nie. Im Orchester spielten heraus- Janowski, Rafael Frühbeck de ragende Konzertmeister wie Stefan Burgos und Michael Sanderling das Frenkel, Simon Goldberg oder die Orchester. Mit Beginn der Saison Cellisten Stefan Auber und Enrico 2019/2020 ist Marek Janowski Mainardi. Carl Schuricht und Paul noch einmal als Chefdirigent und van Kempen leiteten ab 1934 das künstlerischer Leiter zur Dredsner Orchester; besonders van Kempen Philharmonie zurückgekehrt. führte die Dresdner Philharmonie zu Spitzenleistungen. Der starke 26
Ihre Heimstätte ist der im April Angebot für junge Menschen; mit 2017 eröffnete hochmoderne Probenbesuchen und Schulkon- Konzertsaal im Kulturpalast im zerten werden bereits die jüngsten Herzen der Altstadt. Konzertbesucher an die Welt der Im romantischen Repertoire hat klassischen Musik herangeführt. sich das Orchester einen ganz ei- Den musikalischen Spitzennach- genen »Dresdner Klang« bewahrt. wuchs fördert das Orchester in der Darüber hinaus zeichnet es sich Kurt Masur Akademie. durch klangliche und stilistische Von ihrem breiten Spektrum zeugt Flexibilität sowohl für die Musik auch die seit 1937 gewachsene des Barock und der Wiener Klassik Diskographie der Philharmonie. als auch für moderne Werke aus. Ein neuer Höhepunkt wurde mit Bis heute spielen Uraufführungen dem CD-Zyklus unter der Leitung eine wichtige Rolle in den Program- von Michael Sanderling erreicht, men des Orchesters. Gastspiele in der sich sämtlichen Sinfonien den bedeutenden Konzertsälen von Dmitri Schostakowitsch und weltweit zeugen vom hohen An- Ludwig van Beethoven widmet sehen, das die Dresdner Philhar- (Sony Classical). monie in der Klassikwelt genießt. Hochkarätig besetzte Bildungs- und Familienformate ergänzen das 27
HERAUSGEBER TEXT BILDNACHWEISE Intendanz Christoph Vratz Wikimedia Commons: der Dresdner Philharmonie S. 4 – 11, 14 – 17 Der Text ist ein Originalbeitrag Schloßstraße 2 cabiriams.com: S. 12 für dieses Heft; Abdruck nur mit 01067 Dresden Markenfotografie: S. 20, 27 ausdrücklicher Genehmigung des T +49 351 4866-282 Jason Homa: S. 22 Autoren. privat: S. 25 dresdnerphilharmonie.de Christoph Vratz, geboren 1972 in Mönchengladbach, studierte Germa- nistik und Romanistik in Wuppertal CHEFDIRIGENT UND MUSIKBIBLIOTHEK und Paris. Er promovierte über die KÜNSTLERISCHER LEITER sprachliche Vermittlung von Musik in Die Musikabteilung der Marek Janowski literarischen Texten. Seit 1999 freibe- Zentralbibliothek (2. OG) hält ruflich tätig und Wahl-Kölner. Mitar- zu den aktuellen Programmen beit bei »Fono Forum«, »Opernwelt« der Philharmonie für Sie in und verschiedenen Tageszeitungen. einem speziellen Regal INTENDANTIN Zahlreiche Features, Sendungen und Partituren, Bücher und CDs Frauke Roth (V.i.S.d.P.) Beiträge für ARD-Rundfunkanstalten, bereit. darunter WDR, SWR, BR und DLF. Mit- arbeit an verschiedenen Buchprojek- ten, Moderator von Musikhör-Aben- den mit Schriftstellern, Musikern u.a. TICKETSERVICE Seit 2003 Jurymitglied im »Preis der Deutschen Schallplattenkritik«. Schloßstraße 2 01067 Dresden T +49 351 4866-866 MO – FR 10 – 19 Uhr REDAKTION SA 9 – 14 Uhr ticket@ Jens Schubbe dresdnerphilharmonie.de Änderungen vorbehalten. Bleiben Sie informiert: dresdnerphilharmonie.de kulturpalast-dresden.de Die Dresdner Philharmonie als Kultur- einrichtung der Landeshauptstadt Dresden (Kulturraum) wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
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