IAB-KURZBERICHT - Doku.iab .

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IAB-KURZBERICHT
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung                                             8|2022

  In aller Kürze                          Rentnerinnen und Rentner am Arbeitsmarkt

  ● Erwerbsarbeit im Ruhestand ist
  noch immer die Ausnahme und tritt       Erwerbsarbeit im Ruhestand
                                          hat vielfältige Gründe – nicht
  mit zunehmendem Alter seltener
  auf: 15 Prozent der 65- bis 69-jähri-
  gen, 13 Prozent der 70- bis 74-jäh-
  rigen, aber nur 2 Prozent der noch
  älteren Rentnerinnen und Rentner
  gehen einer bezahlten Arbeit nach.
                                          nur finanzielle
  ● Mehr als zwei Drittel der erwerbs-    von Laura Romeu Gordo, Stefanie Gundert, Heribert Engstler,
  tätigen Rentenbeziehenden zwi-          Claudia Vogel und Julia Simonson
  schen 65 und 74 Jahren üben eine
  geringfügige Beschäftigung aus.
  ● Die Wahrscheinlichkeit, im Ru-
  hestand einer Erwerbsarbeit nach-
  zugehen, ist bei hohem Bildungsni-      Erwerbstätigkeit im Ruhestand ist heute      werbsarbeit. Der Anteil der Personen im
  veau am größten. Zugleich ist sie bei   wesentlich stärker verbreitet als noch       Ruhestand, die einer Erwerbstätigkeit
  Personen, die ohne ihr Erwerbsein-
                                          Mitte der 1990er Jahre. Dabei sind die       nachgehen, hat sich in den letzten 25
  kommen über ein relativ geringes
  Haushaltseinkommen verfügen,            Gründe, warum Rentnerinnen und               Jahren mehr als verdoppelt. So ist nach
  höher als bei denjenigen mit besse-     Rentner einer bezahlten Arbeit nachge-       Ergebnissen des Deutschen Alterssurveys
  ren finanziellen Ressourcen.            hen, vielfältig und häufig nicht in erster   der Anteil der 60- bis 85-jährigen erwerbs-
  ● Während die meisten Rentenbe-         Linie finanzieller Art. Weitgehend un-       tätigen Rentenbeziehenden von 5,1 Pro-
  ziehenden nichtmonetäre Gründe          erforscht ist bisher, warum Personen         zent im Jahr 1996 auf 11,6 Prozent im Jahr
  für ihre Erwerbsarbeit angeben
                                          im Ruhestand keiner Erwerbsarbeit            2014 gestiegen (Franke/Wetzel 2017). Im
  – etwa Spaß an der Arbeit oder das
  Bedürfnis nach einer sinnvollen         nachgehen und welche Motive hinter           Jahr 2017 waren bereits 13,6 Prozent der
  Aufgabe und sozialen Kontakten –        nicht realisierten Erwerbswünschen           64- bis 85-Jährigen erwerbstätig (Engstler/
  spielen bei 43 Prozent auch finanzi-    im Rentenalter stehen. Der vorliegende       Simonson/Vogel 2020).
  elle Motive eine Rolle.
                                          Bericht bietet einen Überblick über die        Bei Erwerbstätigkeit im Ruhestand
  ● Nicht erwerbstätige Rentenbe-         sozioökonomischen Lebensverhältnisse         kann es sich sowohl um die Fortführung
  ziehende haben ganz überwiegend
                                          von erwerbstätigen und nicht erwerbstä-      der beruflichen Tätigkeit über den Ren-
  keinen Erwerbswunsch mehr und
  sehen mehrheitlich keine finanziel-     tigen Menschen im Ruhestand und zeigt        tenbeginn hinaus handeln – meist mit
  le Notwendigkeit zu arbeiten. Per-      die Gründe für (Nicht-)Erwerbstätigkeit      reduzierter Arbeitszeit – als auch um die
  sonen mit niedrigen Einkommen           in dieser Lebensphase.                       Aufnahme einer neuen abhängigen oder
  geben häufiger gesundheitliche
  Probleme und fehlende Stellenan-                                                     selbstständigen Tätigkeit im Rentenalter.
  gebote als Gründe für die Nichter-      Der Beginn des Bezugs einer Altersren-         In der öffentlichen Debatte wird oft
  werbstätigkeit an.                      te oder Pension ist heute nicht mehr         argumentiert, dass die Zunahme der Er-
                                          gleichbedeutend mit dem Ende der Er-         werbstätigkeit im Rentenalter eine Folge
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nicht ausreichender Alterssicherung sei (Die Lin-       Gründen von Nichterwerbstätigkeit im Rentenal-
                        ke im Bundestag 2016; Deutscher Bundestag 2019).        ter können Aufschluss darüber geben, ob der Ein-
                        Demnach wären Rentnerinnen und Rentner vor al-          druck, dass finanzielle Motive für Erwerbsarbeit im
                        lem aus finanziellen Gründen noch erwerbstätig,         Ruhestand eine untergeordnete Rolle spielen, mög-
                        also um ihr niedriges Einkommen aufzubessern.           licherweise verzerrt ist. Das könnte etwa der Fall
                             Die gestiegene Arbeitsmarktpartizipation im        sein, wenn Rentenbeziehende mit finanziell moti-
                        Rentenalter kann aber auch als eine Folge verän-        viertem Erwerbswunsch diesen aus verschiedenen
                        derter Erwerbspräferenzen und verbesserter ge-          Gründen nicht realisieren können. Dabei könnten
                        sundheitlicher und qualifikatorischer Ressourcen        zum Beispiel gesundheitliche Beeinträchtigungen,
                        gesehen werden. Dies wird begünstigt durch eine         fehlende Stellenangebote oder Diskriminierungs-
                        steigende Nachfrage seitens der Arbeitgeber und         prozesse am Arbeitsmarkt eine Rolle spielen.
                        den Ausbau von Regelungen des flexiblen Über-               Bislang gibt es kaum Evidenz zu der Frage, wa-
                        gangs in den Ruhestand und des Weiterarbeitens          rum Personen im Ruhestand nicht erwerbstätig
                        nach Rentenbeginn (Scherger/Vogel 2018). Aus ei-        sind. In einer auf das Jahr 2016 bezogenen Befra-
                        ner solchen Perspektive ist das Arbeiten im Ruhe-       gung untersuchen Micheel, Cihlar und Riedl (2017)
                        stand eine Möglichkeit, aktiv zu bleiben und am         die Motive von Personen, die zu einem früheren
                        gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die er-          Zeitpunkt Interesse an einer Erwerbstätigkeit nach
                        werbstätigen Rentnerinnen und Rentner würden            dem Eintritt in den Ruhestand bekundet haben,
                        dann in erster Linie aus nicht­monetären Gründen        diese Absicht aber anschließend nicht realisierten.
                        arbeiten.                                               Bezogen auf diese spezifische und kleine Gruppe
                             Die bisherige empirische Evidenz zeigt, dass die   deutet sich an, dass Personen, die auf Erwerbsar-
                        Annahme, im Ruhestand werde vorrangig aus fi-           beit verzichten, dies meist mit einem Wandel ihrer
                        nanzieller Not gearbeitet, nicht haltbar ist. Einigen   Interessen im Ruhestand begründen, zum Beispiel
                        Studien zufolge sind Rentenbeziehende mit höhe-         damit, „einfach keine Lust mehr“ zu haben, sich
                        rer Bildung (Westermeier 2019; Mergenthaler/Mi-         mehr Zeit für freiwillige Tätigkeiten oder die Be-
                        cheel 2021) und höherem Haushaltseinkommen              treuung ihrer Enkel zu wünschen oder finanziell
                        (Anger/Trahms/Westermeier 2018a) besonders              abgesichert zu sein. Daneben werden Gesund-
                        häufig erwerbstätig und haben im Durchschnitt           heitsprobleme oder Zeitmangel angeführt.
                        keine niedrigere Rente als nicht erwerbstätige              Auch in der vorliegenden Studie betrachten wir
                        Rentnerinnen und Rentner (Schäfer 2021). Aller-         nicht nur die Gründe für die Ausübung einer Er-
                        dings weisen andere Forschungsbefunde darauf            werbstätigkeit im Ruhestand. Wir widmen uns
                        hin, dass auch ein niedriger sozioökonomischer          auch der Frage, weshalb die meisten Rentnerinnen
                        Status (gemessen am Bildungsniveau, an der letz-        und Rentner keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.
                        ten beruflichen Stellung oder dem Einkommen)            Datengrundlage ist die IAB-Befragung Panel Ar-
                        die Wahrscheinlichkeit erhöht, nach dem Über-           beitsmarkt und soziale Sicherung (PASS) aus dem
                        gang in den Ruhestand einer bezahlten Tätigkeit         Jahr 2018. Betrachtet werden Personen, die eine
                        nachzugehen (Sullivan/Al Ariss 2019). Demzufolge        Altersrente oder eine staatliche Pension1 beziehen
                        gibt es keine monokausale Erklärung für die Ar-         (vgl. Infobox 1 auf Seite 9). Dabei konzentrieren
                        beitsmarktpartizipation im Ruhestandsalter. Viel-       sich die Analysen größtenteils auf Rentnerinnen
                        mehr ist diese meist mit einer Kombination ver-         und Rentner im Alter von 65 bis 74 Jahren, da
                        schiedener Motive zu erklären.                          noch ältere Menschen äußerst selten erwerbstätig
                             Während sich die genannten Studien auf Motive      sind (Franke/Wetzel 2017). Davon abweichende
                        hinter der geplanten oder ausgeübten Erwerbstätig-
                        keit im Rentenalter konzentrieren, bleibt die Frage     1
                                                                                  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir im Folgen-
                                                                                den den Begriff „Rente“ als Oberbegriff für private und gesetzliche
                        offen, warum Rentnerinnen und Rentner mit relativ       Altersrenten sowie staatliche Pensionen. Wo von „Erwerbstätigen
                        geringen finanziellen Ressourcen vergleichsweise        im Ruhestand“ beziehungsweise „Rentnerinnen und Rentnern“
                                                                                gesprochen wird, beziehen wir uns auf Personen im gesetzlichen
                        seltener als die oberen Einkommensgruppen einer         Ruhestandsalter, die erwerbstätig sind und gleichzeitig eine der
                                                                                genannten Renten beziehen. Erläuterungen zur Alterseingrenzung
                        Erwerbstätigkeit nachgehen. Erkenntnisse zu den         finden sich in der Infobox 1.

2   IAB-Kurzbericht 8|2022
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Altersabgrenzungen werden explizit im Text her-         Merkmale der Erwerbstätigen und
vorgehoben. Nach einem Überblick über die sozi-         Nichterwerbstätigen im Ruhestand
odemografische Zusammensetzung erwerbstätiger
Rentnerinnen und Rentner wird die Rolle finan-          Tabelle T3 (Seite 4) erlaubt einen Vergleich der er-
zieller und nicht finanzieller Gründe für (Nicht-)      werbstätigen und nicht erwerbstätigen Rentenbe-
Erwerbsarbeit im Ruhestand untersucht.                  ziehenden hinsichtlich soziodemografischer und
                                                        auf den Haushaltskontext bezogener Merkmale.
                                                        Bezüglich Alter, Geschlechterzusammensetzung,
Erwerbstätige Rentnerinnen
                                                        Migrationshintergrund und Wohnregion unter-
und Rentner – Altersgruppen und
                                                        scheiden sich die beiden Gruppen kaum vonein-
Stellenmerkmale
                                                        ander. Der Anteil der in Ostdeutschland Lebenden
Wie Tabelle T1 zeigt, sind 7,7 Prozent aller betrach-   ist unter Erwerbstätigen etwas, aber statistisch
teten Rentnerinnen und Rentner ab 65 Jahren er-         nicht signifikant, geringer als unter Nichterwerbs-
werbstätig. Dabei nimmt der Anteil der Erwerbstä-       tätigen. In der Gruppe der Nichterwerbstätigen
tigen mit dem Alter ab. Während in der Gruppe der       gibt ein etwas höherer Anteil an, schwerwiegend
65- bis 69-Jährigen 15 Prozent und von den 70- bis
74-Jährigen rund 13 Prozent einer Erwerbsarbeit                                                                                                            T1

nachgehen, trifft dies auf Personen ab 75 Jahren        Erwerbstätigkeitsquoten von Rentenbeziehenden nach Altersgruppen, 2018
mit 2 Prozent erheblich seltener zu. Angesichts der     Anteile in Prozent

geringen Erwerbsquote in dieser höchsten Alters-         Altersgruppen                Erwerbstätig            Nicht erwerbstätig             Beobachtungen
gruppe werden im Folgenden nur Personen unter            65 bis 69 Jahre                   15,0                            85,0                      873
75 Jahren in die Untersuchung einbezogen.                70 bis 74 Jahre                   12,9                            87,1                      423
  Mit gut zwei Dritteln (67,5 %) geht die Mehrheit       75 Jahre und älter                 2,0                            98,0                      478
der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner              Gesamt                             7,7                            92,3                   1.774
unter 75 Jahren einer geringfügigen Beschäfti-           Beobachtungen                      196                          1.578                    1.774

gung nach (vgl. Tabelle T2). Knapp 23 Prozent sind      Quelle: PASS Welle 12 (2018), Prozentangaben gewichtet.    © IAB
selbstständig und 10 Prozent sind sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt. Während geringfügige                                                                                                           T2
Beschäftigung unter Rentnerinnen etwas stärker          Merkmale der Erwerbstätigkeit 2018
verbreitet ist als unter Rentnern, sind Letztere        Rentenbeziehende im Alter von 65 bis 74 Jahren, Anteile in Prozent und Mittelwerte
häufiger selbstständig tätig – wobei die Unter-
                                                                                                                                                        Signifi-
schiede jeweils statistisch nicht signifikant sind.                                                          Gesamt               Frauen     Männer
                                                                                                                                                       kanztest
Der insgesamt relativ hohe Anteil an Selbstständi-      Beschäftigungsform (in Prozent)
gen steht im Einklang mit Studien, denen zufolge        Geringfügige Beschäftigung                                67,5             75,1       61,1
es sich bei selbstständiger Arbeit überwiegend um       Sozialversicherungspflichtige
                                                                                                                  10,0              5,5       13,8
                                                        Beschäftigung
die Fortführung einer bereits vor dem Rentenalter       Selbstständige/Mithelfende
                                                                                                                  22,5             19,4       25,1
ausgeübten Selbstständigkeit handelt (Engstler/         Familienangehörige
                                                        Beobachtungen                                             181               79         102
Simonson/Vogel 2020). Auch unter abhängig Be-
                                                        Wochenarbeitsstunden
schäftigten zeichnet sich in den PASS-Daten eine                                                                  14,5             11,7       17,0           *
                                                        (Mittelwert)
gewisse Kontinuität ab, denn gut 45 Prozent sind        Beobachtungen                                             167               73          94
im Ruhestand beim selben Arbeitgeber beschäftigt        Arbeitszeit unregelmäßig oder nicht
                                                                                                                   9,6              8,9       10,3
                                                        festgelegt (in Prozent)
wie vor dem Renteneintritt. Bei Frauen trifft dies
                                                        Beobachtungen                                             183               79         104
mit rund 60 Prozent deutlich und signifikant häu-       Abhängig Beschäftigte: Beim gleichen
figer zu als bei Männern (31,7 %). Die mittlere Wo-     Arbeitgeber beschäftigt wie vor dem                       45,3             60,1       31,7         **
                                                        Ruhestand (in Prozent)
chenarbeitszeit beträgt 14,5 Stunden (Frauen: 11,7
                                                        Beobachtungen                                             132               59          73
Stunden, Männer: 17,0 Stunden). Bei etwa 10 Pro-
zent der erwerbstätigen Rentenbeziehenden ist die       */** kennzeichnet signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern (getestet auf Grundlage eines ge-
                                                        wichteten zweiseitigen t-Test auf 5 %-Fehlerniveau (**) / 10 %-Fehlerniveau (*)).
Arbeitszeit unregelmäßig.                               Quelle: PASS Welle 12 (2018), Prozentangaben und Mittelwerte gewichtet. © IAB

                                                                                                                                    IAB-Kurzbericht 8|2022       3
IAB-KURZBERICHT - Doku.iab .
gesundheitlich eingeschränkt zu sein – die Unter-                                 Gleichzeitig zeichnet sich aber auch ab, dass er-
                                       schiede zwischen den beiden Gruppen sind jedoch                                   werbstätige Rentnerinnen und Rentner in Haus-
                                       ebenfalls nicht signifikant.                                                      halten mit einem geringeren Einkommen leben
                                          Deutlichere Unterschiede bestehen hingegen                                     als nicht erwerbstätige. Tabelle T3 zeigt jeweils die
                                       beim Bildungsniveau und beim Haushaltseinkom-                                     Verteilung des Haushaltsäquivalenzeinkommens,
                                       men. Mit rund 38 Prozent haben erwerbstätige                                      welches auch als Nettoäquivalenzeinkommen be-
                                       Rentenbeziehende signifikant häufiger ein hohes                                   zeichnet wird (zur Berechnung vgl. Anmerkungen
                                       Bildungsniveau, das heißt einen akademischen Ab-                                  unter der Tabelle T3). Im Allgemeinen umfasst das
                                       schluss, als Nichterwerbstätige (27,9 %).                                         Haushaltsäquivalenzeinkommen die Summe aller
                                                                                                                         Einkünfte eines Haushalts – darunter Erwerbsein-
                                                                                                            T3
                                                                                                                         kommen, Renteneinkünfte und Sozialleistungen –
Merkmale der erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Rentenbeziehenden                                                   nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Für
Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren, Anteile in Prozent
                                                                                                                         die Darstellung in Tabelle T3 wurde jedoch das
                                                                           Nicht                                         Nettoerwerbseinkommen der befragten Personen
                                                      Erwerbs­­                          Signifi­      Beobach­
                                                                         erwerb­s­
                                                        tätig                           kanz­test       tungen           nicht mit eingerechnet, um zu zeigen, wie die
                                                                           tätig
 Alter in Jahren                                          69,1             69,4                           1.296          Menschen ohne den eigenen Hinzuverdienst fi-
 Frauenanteil                                             45,9             52,7                           1.296          nanziell dastehen würden.2 Bei etwa 30 Prozent der
 Ostdeutschland                                           15,5             22,3                           1.296          Erwerbs­tätigen fällt das monatlich zur Verfügung
 Mit Migrationshintergrund                                15,5             16,6                           1.268          stehende Haushaltseinkommen ohne die eigenen
 Schwerwiegend gesundheitlich
                                                          31,9             39,6                           1.291          Erwerbseinkünfte relativ gering aus, das heißt,
 eingeschränkt1)
 Bildungsniveau nach ISCED 1997               2)                                                                         das Haushaltsäquivalenzeinkommen liegt im un-
 Niedrig                                                  10,5             13,6                              143         tersten Viertel der Einkommensverteilung der Be-
 Mittel                                                   51,6             58,5                              713         völkerung im Rentenalter. Bei Rentnerinnen und
 Hoch                                                     37,9             27,9              *               438
                                                                                                                         Rentnern, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, ist
 Erwerbstatus des/der Partners/in
                                                                                                                         dieser Anteil mit 16 Prozent nur etwa halb so hoch3
 Kein/e Partner/in im Haushalt bzw.
                                                          25,6             27,8                              449
 keine Information vorhanden                                                                                             und ihr Einkommen liegt weitaus häufiger in der
 Erwerbstätig (kein Minijob)                              13,4              6,6              *               104         oberen Hälfte der Verteilung (3. und 4. Einkom-
 Hausfrau/Hausmann                                         2,2              4,6                               56
                                                                                                                         mensviertel). Der Anteilsunterschied im dritten
 In Rente/Pension/Vorruhestand                            58,0             60,4                              650
                                                                                                                         Einkommensviertel fällt besonders deutlich und
 Sonstiges                                                 0,8              0,6                               32
                                                                                                                         signifikant aus, der Unterschied im obersten Vier-
 Haushaltsäquivalenzeinkommen (ohne eigenes Nettoerwerbseinkommen)
                                              3)

 1. (unterstes) Einkommensviertel                         30,4             16,0             **               416
                                                                                                                         tel ist nicht signifikant.
 2. Einkommensviertel                                     23,4             22,3                              308             Verglichen mit nicht erwerbstätigen Rentenbe-
 3. Einkommensviertel                                     18,3             28,5             **               265         ziehenden leben Erwerbstätige häufiger mit eben-
 4. (oberstes) Einkommensviertel                          27,9             33,2                              289         falls erwerbstätigen Partnern zusammen. Wäh-
 Erwerbstatus vor Rentenbeginn                                                                                           rend bei gut 13 Prozent der Erwerbstätigen die
 Erwerbstätig vor Rentenbeginn                            52,0             29,1             **               314
                                                                                                                         Partnerin beziehungsweise der Partner sozialver-
 Nicht erwerbstätig vor Rentenbeginn                      23,4             29,0                              563
                                                                                                                         sicherungspflichtig beschäftigt oder selbstständig
 Keine Information über
                                                          24,6             41,9             **               419         ist, trifft dies bei Nichterwerbstätigen mit knapp
 Erwerbstätigkeit vor Rentenbeginn
 Beobachtungen (Gesamt)                                   183             1.113                           1.296          7 Prozent seltener zu.4
*/** kennzeichnet signifikante Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen (getestet auf
Grundlage eines gewichteten zweiseitigen t-Test auf 5 %-Fehlerniveau (**) / 10 %-Fehlerniveau (*)).                      2
                                                                                                                           Das Haushaltseinkommen konnte nicht um etwaige Erwerbsein-
1)
     Subjektive Einschätzung, dass eine (nicht näher spezifizierte) schwerwiegende gesundheitliche Beeinträch-           kommen von Partnerinnen beziehungsweise Partnern bereinigt
     tigung vorliegt.                                                                                                    werden, da diese Information in vielen Fällen nicht zur Verfügung
2)
     Kategorien basierend auf der International Standard Classification of Education (ISCED). Niedrig: ISCED 1–2 (Pri-   stand.
     marbereich und Sekundarbereich I). Mittel: ISCED 3–4 (allgemeinbildender und beruflicher Sekundarbereich II
     sowie Postsekundarbereich, z. B. gymnasiale Oberstufe, Berufsfachschule, Fachoberschule). Hoch: ISCED 5–6
                                                                                                                         3
                                                                                                                           Da das Haushaltsäquivalenzeinkommen nicht um Erwerbsein-
     (Tertiärbereich und weiterführende Bildungsprogramme, z. B. Universität, Fachhochschule, Promotion).                künfte von Partnern oder Partnerinnen bereinigt ist, könnten die
                                                                                                                         tatsächlichen Unterschiede im Haushaltseinkommen ohne die
3)
     Zur besseren Vergleichbarkeit der Pro-Kopf-Haushaltsnettoeinkommen unterschiedlich zusammengesetzter
                                                                                                                         Erwerbseinkünfte etwas größer ausfallen, denn erwerbstätige
     Haushalte wird bei deren Berechnung eine Bedarfsgewichtung vorgenommen (Hagenaars/de Vos/Zaidi 1994).
                                                                                                                         Rentenbeziehende leben häufiger mit ebenfalls erwerbstätigen
     Das Haushaltsnettoeinkommen wird durch die Zahl der Haushaltsmitglieder dividiert, wobei der ersten er-
     wachsenen Person ein Gewicht von 1, allen weiteren Erwachsenen jeweils ein Gewicht von 0,5 und Kindern
                                                                                                                         Personen zusammen als dies bei nicht Erwerbstätigen der Fall ist.
     unter 15 Jahren ein Gewicht von 0,3 zugewiesen wird. Das hier dargestellte Haushaltsäquivalenzeinkommen             4
                                                                                                                           Partnerinnen und Partner mit Minijobs lassen sich nicht identi­
     wurde um das individuelle Nettoerwerbseinkommen der Zielperson bereinigt.                                           fizieren und sind gegebenenfalls in den übrigen Kategorien ent­
Quelle: PASS Welle 12 (2018), Prozentangaben gewichtet.          © IAB                                                   halten.

4          IAB-Kurzbericht 8|2022
IAB-KURZBERICHT - Doku.iab .
Schließlich zeichnet sich ab, dass Erwerbstätige                   kommensverteilung liegt, signifikant häufiger er-
häufiger als Nichterwerbstätige vor Rentenbeginn                   werbstätig als diejenigen mit höheren Einkommen,
noch erwerbstätig waren. Andere Studien weisen                     wobei der Abstand zum höchsten Einkommens-
in eine ähnliche Richtung (Lorenz/Zwick 2021).                     viertel am größten ist. Dies deutet darauf hin, dass
Diese Anteile sind jedoch mit Vorsicht zu interpre-                finanzielle Gründe bei der Entscheidung für oder
tieren, da in vielen Fällen (insgesamt 39,5 %) keine               gegen Erwerbstätigkeit im Ruhestand eine Rolle
Information zum Erwerbsstatus vor Rentenbeginn                     spielen. Da unabhängig vom verfügbaren Einkom-
vorliegt.                                                          men aber gerade Rentenbeziehende mit höherer
                                                                   Bildung erwerbstätig sind, ist zu vermuten, dass
                                                                   neben den finanziellen noch weitere Motive zum
Multivariate Ergebnisse
                                                                   Tragen kommen.
Mittels einer multivariaten Analyse (vgl. Infobox 1                   Im Einklang mit den deskriptiven Befunden und
und Tabelle T4) wurde untersucht, wie die einzel-                  anderen Studien (Gonzales/Nowell 2017) zeigt die
nen betrachteten Merkmale bei Konstanthaltung                      multivariate Analyse, dass Personen im Ruhestand
(Kontrolle) der jeweils anderen Merkmale mit                       eher einer bezahlten Arbeit nachgehen, wenn auch
Erwerbsarbeit im Ruhestand zusammenhängen.                         der Partner oder die Partnerin erwerbstätig ist. Die
Daraus ergeben sich erste Anhaltspunkte zu mög-
lichen Gründen, aus denen Rentnerinnen und                                                                                                                             T4
Rentner eine Erwerbstätigkeit ausüben oder nicht.                  Determinanten der Erwerbstätigkeit im Ruhestand 2018
Die Ergebnisse bestätigen zunächst, dass Erwerbs-                  Rentenbeziehende im Alter von 65 bis 74 Jahren, multivariate Analyse

arbeit im Ruhestand mit zunehmendem Alter we-                                                                                           Marginale              Standard­
niger wahrscheinlich ist5 und Personen, die vor                                                                                          Effekte                 fehler
                                                                    Alter in Jahren                                                     –0,008 **                (0,004)
dem Renteneintritt erwerbstätig waren, eher einer
                                                                    Geschlecht (Referenz: Männlich)                                     –0,001                   (0,020)
Erwerbsarbeit nachgehen als diejenigen, die zu-
                                                                    Ostdeutschland (Referenz: Westdeutschland)                          –0,073 ***               (0,019)
vor arbeitslos oder aus anderen Gründen nicht er-
                                                                    Migrationshintergrund (Referenz: Nein)                              –0,013                   (0,024)
werbstätig waren. Ebenso plausibel ist der Befund,
                                                                    Schwerwiegend gesundheitlich eingeschränkt                          –0,068 ***               (0,019)
wonach gesundheitlich eingeschränkte Rentnerin-
                                                                    Bildung nach ISCED 1997 (Referenz: Niedriges Bildungsniveau)
nen und Rentner unabhängig vom Alter und dem                        Mittleres Bildungsniveau                                             0,078 ***               (0,022)
früheren Erwerbsstatus seltener erwerbstätig sind                   Höheres Bildungsniveau                                               0,120 ***               (0,026)
als Personen ohne Gesundheitsprobleme.                              Erwerbstatus des Partners/der Partnerin (Referenz: Rentner/Pensionär/Vorruhestand)
    Ob Rentenbeziehende einer Erwerbsarbeit                         Keine Information bzw. kein/e Partner/in                             0,007                   (0,022)
nachgehen, hängt zudem mit ihren finanziellen                       Erwerbstätig                                                         0,107 ***               (0,044)
Ressourcen und dem Bildungsniveau zusammen.                         Hausfrau/Hausmann                                                   –0,016                   (0,042)
Ein mittleres oder hohes Bildungsniveau zu haben,                   Sonstiges                                                           –0,002                   (0,058)
erhöht die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu                      Haushaltsäquivalenzeinkommen
                                                                    (ohne eigenes Nettoerwerbseinkommen; Referenz: 1. (unterstes) Einkommensviertel)
sein, signifikant im Vergleich zur Referenzgruppe
                                                                    2. Einkommensviertel                                                –0,060 *                 (0,030)
derjenigen mit geringerer Bildung.                                  3. Einkommensviertel                                                –0,091 ***               (0,030)
    Andererseits nimmt die Wahrscheinlichkeit ei-                   4. (oberstes) Einkommensviertel                                     –0,135 ***               (0,028)
ner Erwerbstätigkeit im Rentenalter mit steigen-                    Erwerbstatus vor Rentenbeginn (Referenz: Nicht erwerbstätig vor Rentenbeginn)
dem Haushaltsnettoeinkommen ab: Unter Kont-                         Erwerbstätig vor Rentenbeginn                                        0,128 ***               (0,027)
rolle der anderen betrachteten Einflussgrößen sind                  Keine Information                                                    0,028                   (0,023)
Rentenbeziehende, deren gewichtetes Pro-Kopf-                       Beobachtungen                                                         1.239
Einkommen des Haushalts (ohne das individuelle
                                                                   Binäre Probit-Regressionsanalyse. Signifikanz: *** p
IAB-KURZBERICHT - Doku.iab .
Ursachen hierfür lassen sich anhand der vorlie-                                mens 1.480 Euro und fällt damit signifikant gerin-
                                     genden Daten nicht näher untersuchen. So könnte                                ger aus als das Haushaltsäquivalenzeinkommen der
                                     die Erwerbstätigkeit beider Partner wiederum auf                               Nichterwerbstätigen (1.735 €). Dieses Muster zeigt
                                     finanzielle Notwendigkeit als Erwerbsmotiv ver-                                sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
                                     weisen. Möglicherweise reflektiert der Befund aber                                  Dass im Ruhestand Erwerbstätige ohne ihr Er-
                                     auch das Bestreben von Paaren, den Eintritt in den                             werbseinkommen über weniger finanzielle Mittel
                                     Ruhestand aufeinander abzustimmen, indem ein                                   verfügen als Nichterwerbstätige, hängt teilweise
                                     Partner im Ruhestand weiterhin erwerbstätig ist,                               mit Unterschieden in der Rentenhöhe zusammen.
                                     bis auch der andere in den Rentenbezug übergeht.                               Erwerbstätige Männer beziehen mit durchschnitt-
                                        Wie bereits aus früheren Studien bekannt                                    lich 1.482 Euro eine signifikant geringere monatli-
                                     (Engstler/Romeu Gordo 2014; Franke/Wetzel 2017;                                che Rente als nicht erwerbstätige Männer (1.691 €).
                                     Westermeier 2019), sind Rentnerinnen und Rent-                                      Im Mittel verdienen Männer im Ruhestand
                                     ner in Ostdeutschland seltener erwerbstätig als in                             771 Euro netto im Monat hinzu. Da erwerbstätige
                                     Westdeutschland. Angesichts der generell schlech-                              Rentner vielfach Minijobs ausüben, ist die Ver­
                                     teren Arbeitsmarktlage im Osten ist das Stellenan-                             teilung der Erwerbseinkommen schief, wie ein
                                     gebot dort vermutlich auch für Rentenbeziehende                                Vergleich des arithmetischen Mittels (771 €) und
                                     geringer als im Westen.                                                        des Medians (450 €) verdeutlicht. Demnach ver-
                                                                                                                    dient die Hälfte der Rentner bis zu 450 Euro netto
                                                                                                                    im Monat. Berücksichtigt man das selbst erzielte
                                     Finanzielle Situation
                                                                                                                    Nettoerwerbseinkommen bei der Berechnung des
                                     Den bisherigen Auswertungen zufolge hängt Er-                                  Haushaltsäquivalenzeinkommens, kehrt sich der
                                     werbsarbeit im Ruhestand unter anderem mit dem                                 Unterschied zwischen erwerbstätigen und nicht
                                     verfügbaren Haushaltseinkommen zusammen. Je                                    erwerbstätigen Männern um: Mit 2.080 Euro fällt
                                     geringer die monatlichen Einkünfte des Haushalts                               das Haushaltsäquivalenzeinkommen der Erwerbs-
                                    – ohne das selbst erzielte Nettoerwerbseinkommen –                              tätigen signifikant höher aus als das der Nichter-
                                     ausfallen, desto wahrscheinlicher gehen Rentne-                                werbstätigen. Offenbar bessern die erwerbstätigen
                                     rinnen und Rentner einer bezahlten Arbeit nach. In                             Rentner also ihre etwas unterdurchschnittlichen
                                     Tabelle T5 ist die finanzielle Situation der erwerbs-                          Renten auf und heben damit das Einkommen ihres
                                     tätigen und nicht erwerbstätigen Rentenbeziehen-                               Haushalts auf ein überdurchschnittliches Niveau.6
                                     den detaillierter dargestellt. Das mittlere Haushalts-
                                     äquivalenzeinkommen der Erwerbstätigen beträgt                                 6
                                                                                                                     Schäfer (2021) findet keinen Unterschied in der Rentenhöhe von
                                                                                                                    erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Rentenbeziehenden, al-
                                     ohne Berücksichtigung ihres Nettoerwerbseinkom-                                lerdings differenziert seine Studie nicht nach Geschlecht.

                                                                                                                                                                                     T5
Finanzielle Situation von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen im Ruhestand 2018
Rentenbeziehende im Alter von 65 bis 74 Jahren, Mittelwerte insgesamt und nach Geschlecht, alle Angaben pro Monat und in Euro

                                                                         Gesamt                                         Frauen                                     Männer
                                                                           Nicht                                          Nicht                                     Nicht
                                                         Erwerbs-­                       Signifi­     Erwerbs­-                      Signifi­      Erwerbs-­                       Signifi­
                                                                         erwerbs-­                                      erwerbs-­                                 erwerbs-­
                                                           tätig                        kanztest        -tätig                      kanztest         tätig                        kanztest
                                                                           tätig                                          tätig                                     tätig
 Haushaltsäquivalenzeinkommen (netto)
                                                            1.480          1.735            **           1.427           1.695          **           1.530           1.783             *
 (ohne eigenes Nettoerwerbseinkommen)
 Rente1)                                                    1.242          1.358                              935        1.060                       1.482           1.691             *
 Nettoerwerbseinkommen                                          586             –                             386             –                        771               –
 Haushaltsäquivalenzeinkommen (netto)
                                                            1.916          1.735                         1.722           1.695                       2.080           1.783             *
 (inkl. eigenes Nettoerwerbseinkommen)
 Beobachtungen                                                  183        1.113                              79           567                         104             546

*/** kennzeichnet signifikante Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen (getestet auf Grundlage eines gewichteten zweiseitigen t-Test auf 5 %-Fehlerniveau (**) / 10 %-Feh-
lerniveau (*)).
1)
     Umfasst gesetzliche und private Altersrenten, Betriebsrenten, Witwenrenten sowie staatliche Pensionen.
Quelle: PASS Welle 12 (2018), Mittelwerte gewichtet.    © IAB

6          IAB-Kurzbericht 8|2022
Zwar zeichnen sich bei Frauen sehr ähnliche Mus-                    als ein sehr persönliches und potenziell heikles
ter ab, aber die Unterschiede nach Erwerbsstatus                    Thema (Tourangeau/Yan 2007). Es ist folglich mög-
hinsichtlich Rente und Haushaltseinkommen fal-                      lich, dass einige Befragte aus Scham oder anderen
len größtenteils statistisch nicht signifikant aus.                 Gründen finanzielle Erwerbsmotive verschweigen,
Rentnerinnen, die im Ruhestand einer bezahlten                      sodass der tatsächliche Anteil höher liegen könn-
Arbeit nachgehen, verdienen im Monat durch-                         te. Dies lässt sich anhand der vorliegenden Daten
schnittlich 386 Euro (Median: 300 Euro) hinzu und                   nicht überprüfen. Die Angabe finanzieller Grün-
damit erheblich weniger als Männer. Dies ist ver-                   de ist jedenfalls nicht mit dem Vorliegen prekärer
mutlich auf traditionelle geschlechtsspezifische                    Lebensumstände gleichzusetzen. Wie eine – hier
Muster in den Erwerbsbiografien zurückzuführen,                     wegen geringer Fallzahlen nicht dargestellte – Aus-
die sich im Ruhestand fortsetzen. Wie zuvor gezeigt                 wertung nach Haushaltseinkommen zeigt, wird
(vgl. Tabelle T2), sind erwerbstätige Rentnerinnen                  die finanzielle Situation allerdings wie zu erwarten
häufiger als Rentner in Minijobs beschäftigt, selte-                überdurchschnittlich häufig von denjenigen Per-
ner in sozialversicherungspflichtigen oder selbst-                  sonen als Motiv genannt, deren Einkommen in der
ständigen Tätigkeiten und ihre Wochenarbeitszeit                    unteren Hälfte der Einkommensverteilung liegt,
ist niedriger. Zudem dürften sich auch die beruf-                   und nur äußerst selten von Befragten mit höheren
lichen Tätigkeiten und Positionen der erwerbstäti-                  Einkommen. Zu ähnlichen Befunden kommt eine
gen Rentnerinnen und Rentner unterscheiden und                      Studie von Anger/Trahms/Westermeier (2018b).
die Frauen geringere Stundenlöhne erhalten.               7
                                                                    Bei der Nennung finanzieller Gründe gibt es im
                                                                    Gegensatz zu den anderen Erwerbsmotiven einen
                                                                    erkennbaren – wenngleich nicht signifikanten –
Motive für Erwerbstätigkeit im
                                                                    Geschlechterunterschied, denn Frauen geben
Ruhestand
                                                                    häufiger als Männer an, aus finanziellen Gründen
Erwerbsarbeit kann dazu dienen, das verfügbare                      erwerbstätig zu sein.
Haushaltseinkommen im Ruhestand zu erhöhen.                            Die überwiegende Mehrheit der Befragten gibt
Allerdings lebt über ein Viertel (27,9 %) der er-                   nichtmonetäre Gründe für ihre Erwerbstätigkeit
werbstätigen Rentenbeziehenden in vergleichs-                       an. Dies steht im Einklang mit Erkenntnissen aus
weise wohlhabenden Haushalten, wenn das um
das individuelle Erwerbseinkommen bereinigte
                                                                                                                                                                          A1
Haushaltseinkommen zugrunde gelegt wird (vgl.
                                                                    Motive für Erwerbsarbeit im Ruhestand, insgesamt und nach Geschlecht, 2018
Tabelle T3). Es ist daher zu vermuten, dass Rentne-
                                                                    Rentenbeziehende im Alter von 65 bis 74 Jahren, Anteile in Prozent (Mehrfachnennungen)
rinnen und Rentner nicht nur aus finanziellen Mo-
tiven heraus erwerbstätig sind. In der PASS-Studie                                                                                                                        97
wurden erwerbstätige Rentenbeziehende zu ihren                               Spaß an der Arbeit                                                                            99
                                                                                                                                                                         96
Gründen für die Erwerbstätigkeit befragt. Dabei
                                                                                                                                                                     92
waren Mehrfachnennungen möglich.                                                 Weiterhin eine                                                                       94
                                                                                 Aufgabe haben                                                                      91
    Wie Abbildung A1 zeigt, spielt die finanziel-
                                                                                                                                                                     91
le Situation als Erwerbsgrund bei 43 Prozent der                                    Kontakt zu                                                                       92
                                                                             anderen Menschen
erwerbstätigen Rentenbeziehenden bis 74 Jahre                                                                                                                       90

eine Rolle. Die individuellen finanziellen Verhält-                                                                                43
                                                                           Finanzielle Situation                                        52
nisse gelten allerdings in der Umfrageforschung                                                                               36
                                                                                                                                                           Gesamt
                                                                                                               18                                          Frauen
                                                                                 Andere Gründe            12                                               Männer
7
  Die Daten enthalten keine Angaben zur beruflichen Stellung
und zu den Berufen von geringfügig beschäftigten Personen im                                                        24
Ruhestand. Da Erwerbstätige im Ruhestand überwiegend Mini-
jobs ausüben, sind Berufsanalysen fallzahlbedingt nicht möglich.
Zudem lassen sich Stundenlöhne für Rentenbeziehende mit Mini-       Frage und Antwortkategorien: Aus welchen Gründen sind Sie im Ruhestand erwerbstätig? Sagen Sie mir bitte für
jobs nicht berechnen, denn Erwerbseinkommen und Arbeitszeiten       jeden der nachfolgend genannten Gründe, ob dieser auf Sie zutrifft oder nicht. A: Aufgrund Ihrer gegenwärtigen
wurden bei geringfügiger Beschäftigung summarisch erhoben.          finanziellen Situation. B: Weil Sie Spaß an der Arbeit haben. C: Weil Ihnen der Kontakt zu anderen Menschen
                                                                    wichtig ist. D: Weil Sie auch weiterhin eine Aufgabe haben möchten. E: Aus anderen Gründen.
Auch lässt sich nicht identifizieren, ob sich die Angaben jeweils
auf einen oder mehrere – und gegebenenfalls wie viele – parallel    Sämtliche Anteilsunterschiede zwischen den Geschlechtern fallen statistisch nicht signifikant aus.
ausgeübte Minijobs beziehen.                                        Quelle: PASS Welle 12 (2018), gewichtet; N=183.   © IAB

                                                                                                                                              IAB-Kurzbericht 8|2022            7
A2         früheren Studien (Engstler/Romeu Gordo 2014; An-
Gründe, warum Rentenbeziehende nicht erwerbstätig sind, 2018                                                               ger/Trahms/Westermeier 2018a). So ist Spaß an der
Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren, Anteile in Prozent (Mehrfachnennungen)                                             Arbeit für nahezu alle Befragten (97 %) ein Motiv,
                                                                                                                           im Ruhestand erwerbstätig zu sein. Des Weiteren
          Im Leben genug gearbeitet                                                                                   83
                                                                                                                           hängt Erwerbsarbeit häufig mit dem Wunsch zu-
Haushaltseinkommen ausreichend                                                                                       81
                                                                                                                           sammen, weiterhin eine Aufgabe (92 %) und Kon-
Will keine weiteren Verpflichtungen                                                                        71
             Gesundheitliche Gründe                                                     54
                                                                                                                           takt zu anderen Menschen zu haben (91 %). An-

            Wenige passende Stellen                                  22                                                    dere Gründe sind weniger bedeutsam (18 %). Der
             Kinderbetreuung/Pflege                             14                                                         finanzielle Aspekt wird von erwerbstätigen Rent-
                       Andere Gründe                        13                                                             nerinnen und Rentnern also im Vergleich deutlich
                                                                                                                           seltener als Erwerbsgrund angegeben, und fast nie
Frage und Antwortkategorien: Aus welchen Gründen haben Sie nicht mehr vor, eine Erwerbstätigkeit aufzuneh­
men? Sagen Sie mir bitte für jeden der nachfolgend genannten Gründe, ob dieser auf Sie zutrifft oder nicht.
                                                                                                                           (nur von 1,7 %) als alleiniger Grund.
A: Weil Ihr Haushaltseinkommen auch so ausreicht. B: Aus gesundheitlichen Gründen. C: Weil Sie durch Kinder­                   Dies schließt aber nicht aus, dass ein gewisser
betreuung oder Pflege von Angehörigen gebunden sind. D: Weil es wenige passende Stellen für Sie gibt. E: Weil
Sie keine weiteren Verpflichtungen wollen. F: Weil Sie in Ihrem Leben schon genug gearbeitet haben. G: Aus                 Teil der nicht erwerbstätigen Rentenbeziehenden
anderen Gründen.
Quelle: PASS Welle 12 (2018), gewichtet; N=1.019. © IAB                                                                    sich einen Hinzuverdienst wünscht, aber trotz-
                                                                                                                           dem keiner bezahlten Arbeit nachgehen kann
                                                                                                                           oder möchte, beispielsweise aus gesundheitlichen
                                                                                                                A3         Gründen oder weil sie keine geeignete Stelle fin-
Gründe, warum Rentenbeziehende nicht erwerbstätig sind,                                                                    den. Anhand der PASS-Daten lässt sich untersu-
nach Haushaltseinkommen, 2018
                                                                                                                           chen, welche Rolle finanzielle Erwägungen und
Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren, Anteile in Prozent (Mehrfachnennungen)
                                                                                                                           sonstige relevante Gründe bei Nichterwerbstätig-
                                                                                                      77                   keit spielen.
                                                                                                              87
          Im Leben genug gearbeitet
                                                                                                             84
                                                                                                           81
                                                                                                                           Gründe für Nichterwerbstätigkeit im
                                                                                54
                                                                                                        78
                                                                                                                           Ruhestand
 Haushaltseinkommen ausreichend
                                                                                                                 90
                                                                                                                 90        Die folgende Betrachtung bezieht sich auf nicht er-
                                                                                                                           werbstätige Rentnerinnen und Rentner zwischen
                                                                                       63
 Will keine weiteren Verpflichtungen
                                                                                                 70                        65 und 74 Jahren, die nicht vorhaben, wieder eine
                                                                                                   73
                                                                                                  72
                                                                                                                           Erwerbsarbeit aufzunehmen.8 Dafür nennen sie
                                                                                                                           sehr unterschiedliche Gründe, wie Abbildung A2
                                                                                            65
                                                                                       61                                  zeigt. Eine große Mehrheit stimmt jeweils den
             Gesundheitliche Gründe
                                                                                  56                                       Aussagen zu, im Leben genug gearbeitet zu haben
                                                                          38
                                                                                                                           (83 %) beziehungsweise keine weiteren Verpflich-
                                                                     32                                                    tungen eingehen zu wollen (71 %).
            Wenige passende Stellen                      22
                                                      18                                                                       Außerdem geben rund 81 Prozent der Befragten
                                                      18
                                                                                                                           an, sie seien nicht erwerbstätig, weil ihr Haus-
                                              8                                                                            haltseinkommen ausreichend sei. Dabei bestehen
             Kinderbetreuung/Pflege                    20
                                                 11                                                                        plausible und deutliche Unterschiede in Abhän-
                                                      16                                                                   gigkeit von den finanziellen Lebensumständen
                                                                               Einkommensverteilung
                                                                                 1. Einkommensviertel                      (vgl. Abbildung A3). Während Rentenbeziehen-
                                                       19
                                              10                                 2. Einkommensviertel
                       Andere Gründe                                                                                       de, deren Haushaltsäquivalenzeinkommen in der
                                             7                                   3. Einkommensviertel
                                                           20                    4. Einkommensviertel                      oberen Hälfte der Einkommensverteilung liegt,
                                                                                                                           dieser Aussage überwiegend zustimmen ( jeweils
Frage und Antwortkategorien: Aus welchen Gründen haben Sie nicht mehr vor, eine Erwerbstätigkeit aufzuneh­
men? Sagen Sie mir bitte für jeden der nachfolgend genannten Gründe, ob dieser auf Sie zutrifft oder nicht.                90 % im 3. und 4. Einkommensviertel), trifft dies
A: Weil Ihr Haushaltseinkommen auch so ausreicht. B: Aus gesundheitlichen Gründen. C: Weil Sie durch Kinder­
betreuung oder Pflege von Angehörigen gebunden sind. D: Weil es wenige passende Stellen für Sie gibt. E: Weil
Sie keine weiteren Verpflichtungen wollen. F: Weil Sie in Ihrem Leben schon genug gearbeitet haben. G: Aus                 8
                                                                                                                            Dabei handelt es sich um die überwiegende Mehrheit. Lediglich
anderen Gründen.                                                                                                           rund 4 Prozent der nicht erwerbstätigen Personen im Rentenalter
Quelle: PASS Welle 12 (2018), gewichtet; N=1.007.     © IAB                                                                planen eine erneute Erwerbsaufnahme.

8      IAB-Kurzbericht 8|2022
signifikant seltener auf Personen mit geringeren       nanzielle Notwendigkeit zu arbeiten, allerdings ist
Haushaltseinkommen zu. Von den Personen im             dieser Anteil bei Rentenbeziehenden mit geringem
untersten Einkommensviertel gibt gut die Hälfte        Haushaltseinkommen – wenig überraschend – am
(54 %) als Grund für die Nichterwerbstätigkeit an,     kleinsten. Stattdessen zeichnet sich ab, dass Er-
das Einkommen sei ausreichend, bei denjenigen          werbsarbeit im Ruhestand bei einkommensschwa-
im zweiten Einkommensviertel sind es 78 Prozent.       chen Personen häufiger als bei anderen Gruppen
Wenngleich sich auch bei den Aussagen, keine Ver-      an gesundheitlichen Problemen und einem Man-
pflichtungen mehr zu wollen und genug gearbeitet       gel an geeigneten Stellen scheitert.
zu haben, Unterschiede nach Einkommen abzeich-
nen, fallen diese statistisch nicht signifikant aus.
  Etwas mehr als die Hälfte der Rentnerinnen und                                                                                                              1
Rentner (54 %, vgl. Abbildung A2) nennt gesund-          Daten und Methodik
heitliche Gründe für die Nichterwerbstätigkeit.          ●  Daten: In der seit 2006 laufenden IAB-Studie Panel Arbeitsmarkt und soziale Siche-
Dabei geben Rentenbeziehende mit relativ hohen           rung (PASS) werden in Deutschland lebende Personen und ihre Haushalte in jährlichen
                                                         Abständen wiederholt zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen be-
Haushaltseinkommen (oberstes Einkommens-
                                                         fragt (Trappmann et al. 2019). Beziehende von Grundsicherungsleistungen sind in der
viertel, vgl. Abbildung A3) mit 38 Prozent diesen        Studie überrepräsentiert. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten Armut und Sozialleis-
Grund signifikant seltener an als Personen in den        tungsbezug bildet Erwerbsarbeit ein zentrales Thema der Erhebung.
                                                         Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Erwerbsarbeit im Ruhestand wurden
übrigen Einkommensgruppen. Von denjenigen im
                                                         erwerbstätige Beziehende einer (gesetzlichen oder privaten) Altersrente oder staatli-
untersten Einkommensviertel nennen fast zwei             chen Pension im Jahr 2018 erstmals zu ihren Motiven für die Ausübung von bezahlter
Drittel (65 %) diesen Grund. In diesen Befunden          Arbeit befragt. Die Fragen richteten sich im Einklang mit der schrittweisen Erhöhung
                                                         des gesetzlichen Renteneintrittsalters an Personen ab einem Alter von 65 Jahren und
spiegelt sich der bekannte Zusammenhang zwi-
                                                         6 Monaten (Jahrgang 1952 und älter) bzw. 65 Jahren und 7 Monaten (Jahrgang 1953
schen sozioökonomischem Status und Gesund-               und älter) – unabhängig vom Zeitpunkt ihres tatsächlichen Renteneintritts.1) Jüngere
heitszustand wider.                                      Rentenbeziehende können daher nicht in die vorliegende Analyse einbezogen werden.
                                                         Bei nicht erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentnern wurde erhoben, ob und aus wel-
  Immerhin gut ein Fünftel (22 %, vgl. Abbil-
                                                         chen Gründen diese die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt
dung A2) der Befragten sieht im fehlenden Ange-          planen beziehungsweise ausschließen.
bot an passenden Stellen einen Grund dafür, nicht        Für den vorliegenden Bericht werden Daten der 12. Panelwelle (2018) ausgewertet.
erwerbstätig zu sein. Dies trifft am häufigsten bei      Insgesamt liegen Informationen zu 1.774 Rentnerinnen und Rentnern vor, von denen
                                                         196 erwerbstätig sind. Der überwiegende Teil der Analysen bezieht sich auf Personen
Personen im unteren Einkommensbereich zu, al-            zwischen 65 und 74 Jahren, die zum jeweiligen Befragungszeitpunkt eines Jahres eine
lerdings sind die Unterschiede größtenteils statis-      Altersrente oder Pension bezogen haben. Diese Altersabgrenzung wurde gewählt, weil
tisch nicht signifikant. Signifikant ist einzig die      Informationen zu den Gründen für Erwerbsarbeit ausschließlich für Personen im Ren-
                                                         tenalter erhoben wurden und Erwerbsarbeit nur äußerst selten in noch höherem Alter
Differenz zwischen Personen im ersten und drit-          ausgeübt wird.
ten Einkommensviertel.
                                                         ●  Methodik: Alle deskriptiven Analysen erfolgen gewichtet. Dadurch werden Verzer-
  Die Pflege älterer Angehöriger beziehungsweise         rungen ausgeglichen, die durch die im PASS überrepräsentierten Grundsicherungsbe-
Kinderbetreuung wird mit insgesamt 14 Prozent            ziehenden zustande kommen können. Überdies tragen wir der Tatsache Rechnung,
vergleichsweise selten genannt. Dasselbe gilt für        dass Beobachtungen in einem Haushalt (z. B. zusammenlebende Paare) nicht vonein-
                                                         ander unabhängig sind.
andere Gründe (13 %). Bemerkenswerterweise
                                                         Die Wahrscheinlichkeit von Erwerbsarbeit während des Rentenbezugs wird jeweils mit
unterscheiden sich sämtliche Anteilswerte nur ge-        multivariaten Regressionsanalysen mit binären abhängigen Variablen (Probitmodellen)
ringfügig und nicht signifikant zwischen Frauen          geschätzt. Folgende Merkmale werden als erklärende Variablen berücksichtigt: Alter,
                                                         Geschlecht, Bildungsniveau, (Ehe-)Partner im Haushalt und ggf. deren Erwerbssta-
und Männern (nicht dargestellt).
                                                         tus, individueller Erwerbsstatus vor Rentenbeginn, Haushaltsäquivalenzeinkommen
  Zusammengefasst kristallisieren sich also zwei         (netto, ohne eigenes Erwerbseinkommen), Gesundheitszustand, Wohnregion (Ost-/
Hauptgründe dafür heraus, dass Frauen und                Westdeutschland), Migrationshintergrund. Auf diese Weise lässt sich der statistische
                                                         Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Merkmalen und Erwerbsarbeit bestim-
­Männer auf einen Hinzuverdienst im Ruhestand            men. Die Analyse erlaubt keinen Rückschluss auf Kausalzusammenhänge zu den hier
verzichten. Zum einen besteht bei der großen             untersuchten Fragen, da ein Einfluss unbeobachteter Merkmale nicht ausgeschlossen
Mehrheit kein Wunsch nach einer bezahlten Ar-            und mit Querschnittsdaten keine zeitliche Abfolge von Ursache und Wirkung untersucht
                                                         werden kann.
beit: Einhergehend mit der Vorstellung, im Leben
genug gearbeitet zu haben, möchten viele keine           1)
                                                            Obwohl der Anteil derer, die nach stabiler Erwerbsarbeit unmittelbar in die Regelaltersrente übergehen,
                                                         seit 2007 zugenommen hat – 2017 traf dies auf 40 Prozent aller Rentenübergänge zu –, erfolgte im Jahr 2017
beruflichen Verpflichtungen mehr eingehen. Zum           noch über die Hälfte aller Rentenzugänge vor dem 65. Lebensjahr (Kaboth/Brussig 2019).
anderen sieht die Mehrheit offenbar auch keine fi­

                                                                                                                                 IAB-Kurzbericht 8|2022               9
Fazit                                                  Mit dem Ruhestandsübergang der geburtenstar-
                                                                                ken Babyboomer-Jahrgänge werden zukünftig in
                         Nur eine Minderheit der Rentnerinnen und Rent-         absoluten Zahlen mehr Personen im Ruhestand
                         ner ist erwerbstätig, überwiegend im jüngeren          einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Offen ist, ob
                         Ruhestandsalter. Einiges spricht dafür, dass es        auch der prozentuale Anteil erwerbstätiger Rent-
                         verschiedene Gruppen von arbeitenden Renten-           nerinnen und Rent­ner (gemessen an der Gesamt-
                         beziehenden gibt, die sich hinsichtlich ihrer so-      zahl der Renten­beziehenden) steigen wird. Ei-
                         zioökonomischen Situation und Erwerbsmotive            nerseits haben die Babyboomer im Durchschnitt
                         unterscheiden. Denn einerseits steigt die Wahr-        ein höheres Bildungsniveau und einen besseren
                         scheinlichkeit, neben dem Rentenbezug erwerbs-         Gesundheitszustand als die Generationen vor ih-
                         tätig zu sein, mit dem Bildungsniveau und wenn         nen. Andererseits scheint unter den gegenwär-
                         man bis zum Rentenbeginn ins Arbeitsleben inte-        tigen Rah­menbedingungen die Erwerbsneigung
                         griert war. Andererseits erhöht auch ein niedriges     von Rentenbeziehenden zu großen Teilen ausge-
                         Haushaltseinkommen die Wahrscheinlichkeit, im          schöpft zu sein. Denn von den nicht erwerbstä-
                         Ruhestand noch einer bezahlten Tätigkeit nach-         tigen Rentenbeziehenden ab 65 Jahren möchten
                         zugehen. Wenngleich finanzielle Motive für die         gegenwärtig nur sehr wenige eine be­zahlte Tätig-
                         Erwerbsarbeit bei Rentenbeziehenden nicht im           keit aufnehmen und machen dafür eher selten ein
                         Vordergrund stehen, sind sie doch nicht zu ver-        mangelndes oder unpassendes Stellenangebot ver-
                         nachlässigen. Sie werden von mehr als 40 Prozent       antwortlich. Kurzfristig dürf­te daher eine Strategie
                         der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner als        erfolgreicher sein, die die erwerbstätigen Renten-
                         zusätzlicher Beweggrund genannt, überdurch-            beziehenden in den Blick nimmt und Anreize setzt,
                         schnittlich oft im unteren Einkommensbereich           damit diese ihr Arbeits­volumen ausweiten und
                         und von Rentnerinnen.                                  ihre Tätigkeit länger aus­üben wollen und können.
                              Die monetäre Bedeutung der Erwerbstätigkeit       Hierzu könnten unter anderem Maßnahmen ge-
                         lässt sich auch daran erkennen, dass die Renten        troffen werden, die die Attraktivität von Minijobs
                         und das Haushaltseinkommen der arbeitenden             senken.
                         Rentenbeziehenden ohne den Hinzuverdienst im             Mittelfristig führt kein Weg daran vorbei, Ni-
                         Durchschnitt tendenziell niedriger ausfallen als       veau, Umfang und Dauer der Erwerbsbeteiligung
                         bei denjenigen, die im Ruhestand nicht mehr er-        vor dem Eintritt in den Ruhestand zu erhöhen, um
                         werbstätig sind. Mit dem zusätzlichen Erwerbsein-      den demografiebedingten Rückgang des Erwerbs-
                         kommen erreichen Rentnerinnen ein ähnliches            personenpotenzials abzuschwächen. Dazu gehört,
                         Einkommensniveau wie Rentnerinnen ohne Er-             dass mehr ältere Arbeitskräfte von den Arbeitge-
                         werbseinkommen und erwerbstätige Rentner stel-         bern motiviert und in die Lage versetzt werden, bis
                         len sich finanziell sogar etwas besser als Rentner,    zum Erreichen ihrer Regelaltersgrenze arbeiten zu
                         die keiner Erwerbsarbeit nachgehen.                    können und zu wollen. Auch die Ausweitung der
                              Die sehr niedrige Erwerbsquote der über 75-Jäh-   Beschäftigung nach dem Übergang in den Ruhe-
                         rigen verdeutlicht, dass diese Einkommensquelle        stand kann zur Erhöhung des Erwerbspersonen-
                         mit fortschreitendem Alter irgendwann wegfällt         potenzials beitragen. So zeigen Westermeier und
                         und das Einkommensniveau daraufhin üblicher-           Wolf (2020), dass immer mehr Betriebe renten-
                         weise sinkt. Dies muss nicht zu prekären Einkom-       berechtigte Beschäftigte halten wollen. Bislang
                         menslagen führen, kann aber besonders für unte-        erfolgt dies allerdings überwiegend durch das An-
                         re Einkommensgruppen finanziell problematisch          gebot von Minijobs neben der Rente, wenngleich
                         werden. Mit Blick auf die Sicherung des Lebens-        auch zunehmend die Flexirente mit der Möglich-
                         standards wird auch deutlich, dass Erwerbstätig-       keit des rentensteigernden Hinzuverdienstes zur
                         keit im Ruhestand keine dauerhafte Alternative ist.    Altersrente angeboten wird. Die Aufstockung des
                         Vorrangiges Ziel muss sein, dass Menschen eine         Alterseinkommens durch Erwerbstätigkeit ist aber
                         auskömmliche Rente im Verlauf des Arbeitslebens        keine (dauerhafte) Option für alle Personen im
                         bis zur Regelaltersgrenze erwerben.                    Ruhestand, ersetzt nicht die Notwendigkeit zum

10   IAB-Kurzbericht 8|2022
Aufbau einer ausreichenden Alterssicherung vor                          and Linking Aspects of Social Relationships. Research on
                                                                        Aging, 39 (10), 1100–1117.
Beginn des Ruhestands und wird den demografie-
                                                                      Hagenaars, Aldi J. M.; de Vos, Klaas; Zaidi, M. Ashgar
bedingten Rückgang des Arbeitskräftepotenzials                          (1994): Poverty Statistics in the Late 1980s: Research
nicht aufhalten.                                                        Based on Micro-data. Office for Official Publications of
                                                                        the European Communities, Luxembourg.
                                                                      Kaboth, Arthur; Brussig, Martin (2019): Trotz steigender
Literatur                                                               Altersgrenzen stagniert das durchschnittliche Renten-
                                                                        zugangsalter. Altersübergangsreport Nr. 2019–2. Düssel-
Anger, Silke; Trahms, Annette; Westermeier, Christian
                                                                        dorf: Hans-Böckler-Stiftung.
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                                                                        retirement. Journal for Labour Market Research, 55: 21.
Anger, Silke; Trahms, Annette; Westermeier, Christian
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                                                                       In: Statistisches Bundesamt (2021): Datenreport 2021,
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                                                                       367–377.
  Bund. Kleine Anfrage der Abgeordneten René Springer,
  Uwe Witt und der Fraktion der AfD. Drucksache 19/11407.             Micheel, Frank; Cihlar, Volker; Riedl, Sabine (2017): „Der
                                                                        Geist ist willig, aber …“ – Was Menschen daran hindert,
Die Linke im Bundestag (2016): Fast eine Million Minijob-
                                                                        im Ruhestand zu arbeiten. Bevölkerungsforschung Ak-
  ber, weil die Rente nicht reicht (https://www.linksfrak-
                                                                        tuell 6, S. 2–9.
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  tal and Unretirement: Exploring the Bonding, Bridging,               18/2020.

    Dr. Laura Romeu Gordo               Dr. Stefanie Gundert                Heribert Engstler              Prof. Dr. Claudia Vogel              Dr. Julia Simonson
ist wissenschaftliche Mitarbeite-   ist wissenschaftliche Mitarbei-    ist wissenschaftlicher Mitar-     ist Professorin für Soziologie        ist ist stellvertretende
 rin im Forschungsschwerpunkt         terin im Forschungsbereich      beiter am Deutschen Zentrum        und Methoden der quantita-         Institutsleiterin und Leiterin
 „Sozio-ökonomische Fragen &            „Panel Arbeitsmarkt und       für Altersfragen (DZA), Berlin.    tiven Sozialforschung an der        Forschung am Deutschen
 gesellschaftliche Teilhabe“ und       soziale Sicherung“ im IAB.       heribert.engstler@dza.de        Hochschule Neubrandenburg.            Zentrum für Altersfragen
 stellvertretende Forschungslei-      stefanie.gundert@iab.de                                                 cvogel@hs-nb.de                        (DZA), Berlin.
terin am Deutschen Zentrum für                                                                                                                julia.simonson@dza.de
    Altersfragen (DZA), Berlin.
  laura.romeu-gordo@dza.de

                                                                                                                                      IAB-Kurzbericht 8|2022      11
IAB-FORUM
                              Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den
                              deutschen Arbeitsmarkt – die aktuelle Serie im
                              Online-Magazin des IAB

                              Der Ukraine-Krieg schockiert die Weltöffentlichkeit und bringt
                              unermessliches Leid über die Menschen in der Ukraine. Die
                              Staatengemeinschaft, darunter auch Deutschland, hat auf die
                              russische Aggression mit härtesten Sanktionen reagiert. Die ökonomischen Verwerfungen, die sich aus dem Krieg, aber
                              auch aus den Sanktionen ergeben, sind dramatisch, nicht nur für Russland selbst. Neben dem Wegfall des russischen
                              Exportmarkts sind es vor allem hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie drohende Lieferengpässe, welche die deutsche
                              Wirtschaft stark in Mitleidenschaft ziehen können. Auch die Ungewissheit über die weitere Entwicklung belastet das
                              wirtschaftliche Klima. All dies wird nicht ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bleiben. Offen ist allerdings, wie stark
                              diese sein werden. Das IAB ist hier gefordert, die möglichen Auswirkungen auszuloten und die politischen Maßnahmen
                              zu bewerten, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der Krise stabilisieren sollen. Der Krieg hat zudem eine massive
                              Fluchtbewegung aus der Ukraine ausgelöst, die auch Deutschland erreicht hat. Ein besonderes Augenmerk des IAB liegt
                              daher auf der Analyse der Folgen für Migration und Integration. Darauf aufbauend sollen politische Handlungsoptionen
                              diskutiert und bewertet werden.

                              In dieser IAB-Forum-Serie möchte das IAB seine einschlägige Expertise zu den Auswirkungen des Kriegs in der
                              Ukraine einer interessierten Fachöffentlichkeit zeitnah und adressatengerecht nahebringen. Bisher sind zwei Beiträge
                              erschienen, weitere sind in Vorbereitung (https://www.iab-forum.de/category/serien/auswirkungen-des-ukraine-
                              kriegs-auf-den-deutschen-arbeitsmarkt/).

                              Darüber hinaus widmet das IAB den Folgen des Ukraine-Kriegs eine neue Themenseite auf seiner Homepage, auf der
                              Sie – neben einem vollständigen Überblick über die Serien-Beiträge im IAB-Forum – Einschätzungen von Forscherinnen
                              und Forschern des IAB sowie aktuelle Daten zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Arbeitsmarkt finden.
                              Dazu kommen Hinweise auf Veröffentlichungen in weiteren IAB-Reihen und in externen Medien sowie weitere
                              Informationsangebote des IAB (https://www.iab.de/de/themen/ukraine.aspx).

                         Impressum | IAB-Kurzbericht Nr. 8, 7.4.2022 | Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit,
                         90327 Nürnberg | Redaktion: Elfriede Sonntag | Grafik & Gestaltung: Nicola Brendel | Foto: Wolfram Murr, Fotofabrik Nürnberg, Christoph
                         Soeder/DZA; Sebastian Haerter und Privat | Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG, Ostbevern | Rechte: Diese Publikation ist unter folgender
                         Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) https://
                         creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de | Bezug: IAB-Bestellservice, c/o wbv Media GmbH & Co. KG, Auf dem Esch 4, 33619 Biele-
                         feld; Tel. 0911-179-9229 (es gelten die regulären Festnetzpreise, Mobilfunkpreise können abweichen); Fax: 0911-179-9227; E-Mail: iab-
                         bestellservice@wbv.de | IAB im Internet: www.iab.de. Dort finden Sie unter anderem diesen Kurzbericht zum kostenlosen Download | An-
                         fragen: iab.anfragen@iab.de oder Tel. 0911-179-5942 | ISSN 0942-167X | DOI 10.48720/IAB.KB.2208

12   IAB-Kurzbericht 8|2022
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