Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht - Klaus F ...

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DIW Wochenbericht No. 44 (2008), 688-701

                            Im Angesicht der Krise:
                            US Präsidentschaftswahlen
                            in transnationaler Sicht
Amelie F. Constant          Auf den neuen US-amerikanischen Präsidenten           Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt richtet sich
constant@diwdc.org
                            warten gewaltige Aufgaben. Seine finanziellen         auf die Vereinigten Staaten von Amerika, wenn
Klaus F. Zimmermann
president@diw.de
                            Spielräume sind durch den Irak-Krieg, die Konjunk-    die US-Bürger am 4. November 2008 ihren neu-
                            turprogramme und die nötigen Sanierungsauf-           en Präsidenten wählen (Kasten). Der dann abge-
                            wendungen für das Finanzsystem aufgebraucht.          schlossene Wahlkampf wird wahrscheinlich als
                            Ein aktiver Staat wird benötigt, der gleichzeitig     die bisher spannendste und qualifizierteste Ausei-
                            jedoch nicht verdrängen darf, dass er an den aktu-    nandersetzung um dieses Amt in die Geschichte
                            ellen Krisen nicht ohne Mitschuld ist. So wurde die   eingehen. Zunächst schien es, als würde Hillary
                            Wohnungsmarktblase durch die Geldpolitik be-          Clinton von der nachhaltigen Unzufriedenheit
                            günstigt, Konjunkturprogramme verpufften, und         mit dem amtierenden Präsidenten, George Bush,
                            der Fall der Lehman Brothers bildete den Beginn       profitieren. Sie wurde jedoch von der Demokrati-
                            einer systemischen weltweiten Krise.                  schen Partei nicht als Präsidentschaftskandidatin
                                                                                  nominiert. Barack Obama konkurriert statt ihrer
                            Empirisches Datenmaterial, das auf Informations-      mit dem Republikaner John McCain um die Prä-
                            zugriffe im Internet basiert, deutet darauf hin,      sidentschaft in den USA. Die europäische Öffent-
                            dass die Finanzkrise in Deutschland heute als be-     lichkeit war von Anfang an eher einem demokra-
                            deutsamer angesehen wird als in den Vereinigten       tischen Kandidaten zugeneigt, während dies für
                            Staaten. Das Interesse an den Problemen einer         die US-Bürger nicht unbedingt galt. Der Ausgang
                            Kreditklemme verringerte sich in der letzten Zeit     der Präsidentschaftswahlen hängt vielmehr an
                            in beiden Ländern. Allerdings erhöhte sich die Re-    der Bedeutung einzelner Themen, wie etwa Wer-
                            zessionsfurcht transatlantisch und in den USA. Es     te, Sicherheit, Kriege in Irak und Afghanistan,
                            kam ferner zu einem gesteigerten Informations-        Sozialreformen und insbesondere Wirtschaft.
                            bedürfnis über Arbeitslosigkeit bei den US-Bür-       Während McCain in sicherheits- und militärpoli-
                            gern. Hier wird die zentrale Herausforderung für      tischen Fragen dominiert, werden Obama bei
                            den US-amerikanischen Präsidenten deutlich - die      sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen größe-
                            Sicherung von Arbeitsplätzen. Vertraut man den        re Erfolgsperspektiven zugerechnet. Schließlich
                            Internet-Zugriffen in beiden Ländern, hat Obama       spielt auch die Frage, ob ein Afro-Amerikaner
                            Deutschland relativ mehr elektrisiert als Amerika.    Präsident werden könne, eine unterschwellige,
                            Dennoch dominiert er McCain bei diesen Messun-        wohl aber nicht unbedeutende Rolle.
                            gen auch in den Vereinigten Staaten. Aber auch
                            das Ticket McCain-Palin erweist sich im Vergleich     Im September 2008 implodierte innerhalb we-
                            zu Obama-Biden als attraktiv.                         niger Tage das US-amerikanische Finanzsystem
                                                                                  und drohte Politik und Wirtschaft weltweit in ein
                                                                                  Desaster zu stürzen. Die Schatten einer Weltre-
                                                                                  zession wurden bereits heraufbeschworen. Über
                                                                                  Nacht rückten Wirtschaftsfragen in den Mittel-
                                                                                  punkt des Wahlkampfes. Die nötigen Reaktio-
                                                                                  nen auf die Finanzkrise und die Schwächung der
                                                                                  realen Wirtschaft ruinierten die ökonomischen
                                                                                  Handlungsspielräume der USA für viele Jahre,
                                                                                  wenn nicht für eine ganze Dekade. Selten zuvor
                                                                                  hat ein US-amerikanischer Präsident unter derart

                      688   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Acht Fragen an Klaus F. Zimmermann

„Die finanziellen Spielräume
sind nahezu aufgebraucht“

Herr Professor Zimmermann, die Finanzkrise          geworden, dass kein Prä-
ist ins Zentrum der US-amerikanischen Prä-          sident große Möglich-
sidentschaftswahl gerückt. Wie schätzen Sie         keiten hat.
die Wirtschaftskompetenz der beiden Kandi-
daten – dem Republikaner John McCain und            Welche Aufgaben kommen auf den neuen Prä-                    Prof. Dr.
dem Demokraten Barack Obama – ein?                  sidenten der USA zu? Was muss er tun?                        Klaus F. Zimmermann,
Generell gilt McCain als der Mann für die Sicher-   Er muss zunächst einmal die Frage prüfen, ob                 Präsident des
heit und für die internationalen Wirtschaftsbe-     er ein Konjunkturprogramm braucht, um die                    DIW Berlin
ziehungen, während Obama der Kandidat für die       drohende Rezession abzuwenden. Dann muss
Wirtschaftskompetenz ist. Obama hat von vorn-       er dafür sorgen, dass die in den Finanzsektor
herein mehr kompetente Wirtschaftsberater           investierten Mittel nicht endgültig abfließen,
um sich geschart und ist in Wirtschaftsfragen       sondern an den Steuerzahler zurückgezahlt wer-
überzeugender aufgetreten. Insoweit scheint er      den. Die Branche muss wieder organisiert aus
im Augenblick einen Vorteil zu haben.               der Krise herausgeführt werden und schließlich
                                                    muss er sich auch um andere Fragen kümmern,
Welche wirtschaftspolitischen Weichenstel-          wie etwa die Reform des Gesundheitswesens.
lungen erwarten Sie?
Logischerweise sind die beiden durch ihre Par- Welche Auswirkungen hat die Weichenstel-
teien etwas festgelegt. Obama ist, was man im lung im Weißen Haus auf die Wirtschaft in Eu-
Amerikanischen liberal nennt,                                  ropa und Deutschland?
also eher sozialdemokratisch                                   Die Wirtschaft Europas und
und McCain konservativ. Beide            Für Europa            Deutschlands wird derzeit sehr
aber sind auch sehr pragma-
tisch, dass heißt, sie sind sich
                                  »     wird es noch
                                      ­Überraschungen
                                                               «
                                                               stark von der Beherrschung
                                                               der Finanzmarktkrise und der
faktisch und praktisch viel nä-             geben              wirtschaftspolitischen Stabi-
her, als das auf den ersten Blick                              lisierung bestimmt. Das kann
aussehen mag.                                                  nur in Kooperation mit den
                                                Amerikanern gelingen. Insoweit ist die Lösung
In Deutschland spürt man eindeutige Präfe- unserer wirtschaftspolitischen Fragen sehr auf
renzen für den demokratischen Kandidaten Zusammenarbeit ausgerichtet.
Barack Obama. Könnte es sein, dass wir ent-
täuscht werden, weil sich die Politik der USA Welche Bedeutung hat die US-Wirtschaft
weit weniger ändert, als viele glauben?         überhaupt noch für uns?
Europa und auch Deutschland haben von In den außenwirtschaftspolitischen Zielen
George W. Bush die Nase voll und wollen des- spielt Amerika immer noch eine große Rolle. Es
wegen einen Demokraten, egal wer es denn nun ist noch immer der zweitwichtigste Abnehmer
geworden wäre. Allerdings muss man wissen, für deutsche Exporte. Auf der anderen Seite ge-
dass amerikanische Präsidenten sich sehr stark winnen die asiatischen Märkte immer mehr an
an den Interessen und den langfristigen Pers- Bedeutung. Die relative Bedeutung der USA
pektiven des Landes orientieren. Insofern wird geht in der Weltwirtschaft und damit auch für
es für Europa noch Überraschungen geben.        uns zurück.

Welche Handlungsmöglichkeiten und Spiel-            Welche Position sollte die deutsche Wirt-
räume hat der US-Präsident?                         schaftspolitik angesichts der Veränderungen                   Das Gespräch führte
Ursprünglich waren die Spielräume weit größer,      in den USA einnehmen?                                         Erich Wittenberg.
insbesondere Obama plante deutliche Verände-        Die deutsche Wirtschaftspolitik wird sich mit
rungen etwa in den sozialen Sicherungssyste-        den Wirtschaftspartnern in Europa enger ab-                   Das vollständige Inter-
men. Damit wird es wahrscheinlich nichts mehr       stimmen müssen und sie muss sich insbesonde-                  view zum Anhören
werden können, denn die Belastungen für den         re um die Öffnung zu den asiatischen Märkten                  finden Sie auf
Haushalt sind aufgrund der Finanzkrise so groß      kümmern.                                                      www.diw.de

                                                                      Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008     689
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

                                        Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen

                                        Alle vier Jahre wählen die US-Amerikaner ihren Präsiden-                  Bei den Präsidentschaftswahlen wird nur das „Electoral
                                        ten – jeweils am auf den ersten Montag im November fol-                   College“ gewählt, das Kollegium der 538 Wahlmänner
                                        genden Dienstag. Demnach fallen die Präsidentschafts-                     und -frauen, das schließlich den Präsidenten wählt. Die
                                        wahlen in diesem Jahr demnach auf den 4. November.                        Größe des Kollegiums richtet sich nach der Zahl der Se-
                                        Gleichzeitig werden auch Teile des Senats sowie des                       natoren (derzeit 100), der Zahl der Abgeordneten im
                                        Repräsentantenhauses neu gewählt.1                                        Repräsentantenhaus (derzeit 435) und den drei Wahl-
                                                                                                                  männern aus dem District of Columbia. Die Zahl der in
                                        Die Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens                          einem Staat bestimmten Mitglieder des Electoral Col-
                                        das 35. Lebensjahr vollendet haben und von Geburt an                      leges ist ungleich: Kalifornien stellt beispielsweise 55,
                                        US-amerikanische Staatsbürger sein. Sie müssen ferner                     Deleware hingegen nur drei. In den meisten Staaten gilt
                                        mindestens 14 Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt                     dabei das Mehrheitswahlrecht, das heißt dem Sieger in
                                        haben. In einem komplizierten Vorwahlsystem müssen                        einem Staat fallen alle Delegiertenstimmen zu. Deshalb
                                        die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Volks-                   kann es sein, dass ein Kandidat mit einer landesweiten
                                        parteien ihre Kompetenz in der Öffentlichkeit beweisen                    Mehrheit, aber ohne Mehrheit im Electoral Collage nicht
                                        sowie Wahlspenden und Delegiertenunterstützungen                          zum Präsidenten gewählt wird. Dies passierte zuletzt
                                        einwerben. Die erfolgreichen Präsidentschaftskandi-                       2000, als Al Gore landesweit vorne lag, aber George W.
                                        daten werden schließlich auf Nominierungsparteitagen                      Bush die Mehrheit im Electoral College aufweisen konn-
                                        ausgewählt. Hier tritt typischerweise allein der siegrei-                 te. Der Wahlkampf konzentriert sich daher insbesondere
                                        che Kandidat auf und präsentiert seinen Vize.2 Von der                    auf Staaten mit unsicherem Ausgang, die so genannten
                                        im Jahr 1987 gegründeten „Commission on Presidential                      „Battleground“- oder auch „Swing“-Staaten.3
                                        Debates“ werden zentrale Diskussionsrunden zwischen
                                        den Präsidentschaftskandidaten organisiert. So tra-                       Die formelle Wahl des Präsidenten und des Vizeprä-
                                        fen in diesem Wahlkampf Obama und McCain am 26.                           sidenten findet am ersten Montag nach dem zweiten
                                        September, am 7. und am 15. Oktober sowie Biden und                       Mittwoch im Dezember statt, das heißt 41 Tage nach
                                        Palin am 2. Oktober zum gegenseitigen Schlagabtausch                      der eigentlichen Wahl. Dies wird 2008 am 15. Dezember
                                        aufeinander.                                                              sein. Die Amtseinführung des neuen Präsidenten findet
                                                                                                                  schließlich am 20. Januar 2009 statt.
                                        1 Alle zwei Jahre wird ein Drittel des Senats sowie das gesamte
                                        Repräsentantenhaus neu gewählt.                                           3 Hierzu zählen derzeit Ohio (20 Wahlmänner), North Carolina
                                        2 Neben den Kandidaten der Republikanischen und der Demokra-              (15), Florida (27), Missouri (11), Colorado (9) und Nevada (5).
                                        tischen Partei kann es auch unabhängige Bewerber für das Amt des          Kalifornien (55) gehört hingegen fest zur Einflusszone von Obama,
                                        Präsidenten geben; diese spielen aktuell jedoch keine Rolle.              während Texas (34) klar für McCain votieren sollte.

                                     schwierigen ökonomischen Rahmenbedingun-                                     mehr blickt die Welt auf die Entscheidungen der
                                     gen sein Amt übernommen. Die Staatskassen                                    US-amerikanischen Wähler.
                                     sind leer, die weltweite Reputation des US-ame-
                                     rikanischen Wirtschafts- und Finanzsystems ist                               Auch aus deutscher Sicht sind die kurz- und
                                     stark beschädigt, und die weltpolitische Rolle der                           mittelfristigen Entwicklungen in den USA sowie
                                     USA erscheint wesentlich geschwächt. Um so                                   die ökonomische Programmatik der Präsident-
                                                                                                                  schaftskandidaten von wesentlicher Bedeutung.
                                                                                                                  Die deutsche und die US-amerikanische Wirt-
                                                                                                                  schaft sind eng miteinander verwoben. Ein gut
Tabelle 1                                                                                                         dokumentierbares Beispiel dafür ist der Güter-
                                                                                                                  austausch zwischen den beiden Ländern. Tabel-
Deutscher Warenhandel1 mit den USA
                                                                                                                  le 1 zeigt das Niveau und die prozentualen Ver-
                                    Einfuhr                                      Ausfuhr
                                                                                                                  änderungen des Warenhandels zwischen 2004
                                        Veränderung gegen-                            Veränderung gegen-          und 2008. Zuletzt ist im Vergleich zum Vorjahr
                   Millionen Euro       über dem Vorjahres-       Millionen Euro      über dem Vorjahres-
                                        zeitraum in Prozent                           zeitraum in Prozent         aus deutscher Sicht die Einfuhr wieder gesun-
2004                  40 709                   +3,8                   64 860                 +5,2                 ken und die Ausfuhr gestiegen. So rangieren die
2005                  41 798                   +2,7                   69 299                 +6,8                 USA für die deutschen Exporte im bisherigen
2006                  49 197                  +17,7                   77 991                +12,5                 Jahresverlauf an zweiter Stelle, während sie bei
2007                  45 626                   –7,3                   73 356                 –5,9                 den Importen nur Platz 5 einnehmen (Tabelle 2).
1. Hj. 2008           22 646                   –3,2                   36 806                 +2,5
                                                                                                                  Darüber hinaus führen auch Handelsbeziehun-
1 Spezialhandel.
                                                                                                                  gen über Drittstaaten, das Zusammenspiel der
Quelle: Statistisches Bundesamt.                                                           DIW Berlin 2008
                                                                                                                  internationalen Finanzmärkte und schließlich

                         690         Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

Tabelle 2                                                                    Tabelle 3

Rangfolge der deutschen1
                                                                             Prognose wirtschaftlicher Eckdaten
Außenhandelspartner                                                          für die USA und Deutschland
In Millionen Euro                                                                                              2007           2008            2009
                     Einfuhr                          Ausfuhr                USA
Niederlande                    41 440,3     Frankreich          58 481,8     Bruttoinlandsprodukt, real1        2,0             1,5            0,2
Frankreich                     40 523,3     USA                 42 704,2     Verbraucherpreise1                 2,9             4,3            1,3
Volksrepublik China            31 948,9     Großbritannien      41 363,8     Arbeitslosenquote                  4,6             5,4            7,5
Italien                        27 898,7     Italien             39 379,2     Deutschland
USA                            26 724,1     Niederlande         39 152,6     Bruttoinlandsprodukt, real1        2,5             1,9            1,0
Großbritannien                 25 992,8     Österreich          31 866,8     Verbraucherpreise1                 2,3             2,9            2,2
Belgien                        23 939,3     Belgien             31 177,6     Arbeitslosenquote                  8,7             7,5            7,1
Russische Föderation           20 439,5     Spanien             28 438,5     1 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.
Österreich                     19 787,5     Polen               23 707,3
                                                                             Quellen: Statistisches Bundesamt;
Schweiz                        18 549,2     Schweiz             22 838,3
                                                                             Bundesagentur für Arbeit; Global Inside;
1 Im Zeitraum Januar bis Juli 2008.                                          Berechnungen des DIW Berlin.                             DIW Berlin 2008
Quelle: Statistisches Bundesamt.                         DIW Berlin 2008

                                                                             in Tabelle 3 enthalten sind.1 Unter der Annahme
die Übertragung von Stimmungen auf die Er-                                   der Beherrschung der realwirtschaftlichen Aus-
wartungen von Haushalten und Unternehmen                                     wirkungen in Folge der massiven Störungen des
mit Konsequenzen für deren Konsum- und In-                                   Finanzsystems ergeben sich für 2009 sowohl in
vestitionsplanungen zu einer internationalen                                 den Vereinigten Staaten als auch in Deutschland
Konjunkturübertragung.                                                       eine Halbierung des Wachstums, eine Abschwä-
                                                                             chung der Inflation sowie ein Anstieg der Arbeits-
                                                                             losenquote in den Vereinigten Staaten und eine
Die ökonomische Lage                                                         leichte weitere Abschwächung in Deutschland.
„im Auge des Sturms“                                                         Sollte es, wie vielfach befürchtet wird, hingegen
                                                                             nicht gelingen, die realwirtschaftlichen Auswir-
Die Verschlechterung der weltweiten makro-                                   kungen der Finanzkrise zu stoppen, wird es zu
ökonomischen Rahmenbedingungen und eine                                      massiven Wachstums- und Beschäftigungsver-
deutliche Verlangsamung der Konjunktur ins-                                  lusten kommen.2 Das Ausmaß dieser potentiellen
besondere in den Vereinigten Staaten und Europa                              Verluste ist derzeit wissenschaftlich seriös nur
sind bereits seit dem letzten Jahr von der Wirt-                             schwer zu beziffern.
schaftsforschung angekündigt. Ein immer noch
optimistisches Bild zeichnet die Herbstprognose                              Rückblickend nahm in den vergangenen Jahren
des DIW Berlin, deren prognostische Eckdaten                                 der Anteil des privaten Konsums am Bruttoin-
                                                                             landsprodukt in den USA deutlich zu (Abbil-
                                                                             dung 1). Die Sparquote ging auf beinahe Null
Abbildung 1
                                                                             zurück, während gleichzeitig die laufenden Kre-
Privater Konsum1 in den USA                                                  ditzahlungen der privaten Haushalte expandier-
In Milliarden US-Dollar                                                      ten (Abbildung 2). Die Gütereinfuhren wuchsen
   73                                                                        weit stärker als die Ausfuhren, sodass das no-
                                                                             torische Leistungsbilanzdefizit ebenfalls weiter
   72
                                                                             anstieg (Abbildung 3). Erst in jüngster Zeit sta-
   71                                                                        bilisierte sich diese Entwicklung. Zwar sind die
   70                                                                        Bruttoanlageinvestitionen (ohne Wohnungsbau)
                                                                             in den vergangenen Jahren absolut wieder kräftig
   69
                                                                             und in Prozent des Bruttoinlandsprodukts leicht
   68                                                                        gestiegen, aber die Wohnungsbauinvestitionen
   67                                                                        vollziehen nach einer Ausweitung bis Anfang
                                                                             2006 inzwischen absolut und prozentual einen
   66
                                                                             massiven Rückgang (Abbildung 4).
                 0      1      2     3      4      5      6     7     8
               00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
        j. 2         j      j     j      j      j      j     j      j
 1. V           1. V   1. V   1. V  1. V   1. V   1. V   1. V  1. V
                                                                             1 Vgl. Dreger, C., Kooths, S., Weber, S., Zinsmeister, F.: Herbstgrundli-
                                                                             nien: Realwirtschaftliche Auswirkungen der Finanzkrise beherrschbar,
1 Saisonbereinigter Kettenindex.
                                                                             DIW Wochenbericht, Jahrgang 75, Nr. 41, 2008, 612 - 634.
Quellen: US Department of Commerce, Bureau of                                2 Vgl. Alesina, A., Baldwin, R., Boeri, T., Buiter, W., Giavazzi, F., Gros,
Economic Analysis; Statistisches Bundesamt;                                  D., Micossi, S., Tabellini, G., Wyplosz, C., Zimmermann, K.F., Europas
Berechnungen des DIW Berlin.                            DIW Berlin 2008     Bankenkrise: Ein Aufruf zum Handeln, DIW Wochenbericht, Jahrgang
                                                                             75, Nr. 41, 2008, 640 - 641.

                                                                                                           Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008        691
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

      Abbildung 2                                                                               Abbildung 3

      Sparquote und laufende Kreditzahlungen1                                                   Leistungsbilanz der USA
      der privaten Haushalte in den USA                                                         In Milliarden US-Dollar zu Preisen von 20001
      In Prozent des verfügbaren Einkommens                                                      2 000
                                                                                                                                       Einfuhren
         16
                                                                                                 1 500
         14
                                                                                                                                                                Ausfuhren
         12                                                                                      1 000
                                                                                  1
                                 Laufende Zahlungen aufgrund von Krediten
         10
                                                                                                  500
          8
          6                                                                                             0
          4                                   Sparquote                                                                                          Leistungsbilanzdefizit
                                                                                                  -500
          2
          0                                                                                     -1 000
                                                                                                                   0       1       2      3       4       5       6      7     8
          -2                                                                                                    00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
                                                                                                         j. 2          j     V j     Vj     V j     V j     V j     Vj     V j
                     000    01 0   020   030     04
                                                 0     0  05 0     06
                                                                   0      0 07        08          1. V           1 . V   1 .     1 .    1 .     1 .     1 .     1 .    1 .
              j. 2         j. 2 Vj. 2 Vj. 2 Vj. 2 Vj. 2 Vj. 2 Vj. 2 Vj. 2
       1. V           1. V      1.    1.    1.    1.    1.    1.    1.
                                                                                                1 Saisonbereinigter Kettenindex.
      1 Zahlungen aufgrund von Hypotheken und Konsumentenkrediten.                              Quellen: US Department of Commerce, Bureau of
                                                                                                Economic Analysis; Statistisches Bundesamt;
      Quellen: US Department of Commerce, Bureau
                                                                                                Berechnungen des DIW Berlin.                                  DIW Berlin 2008
      of Economic Analysis; Federal Reserve Board.                     DIW Berlin 2008

                                                                                                Regierung Schröder massive Verbesserungen
      Trotz aller Krisenerscheinungen war die wirt-                                             ergeben haben. Dies sieht man gut anhand der
      schaftliche Expansion in den Vereinigten Staaten                                          aktuellen, auf den nationalen Statistiken beru-
      seit 2000 bis heute dynamischer als in Deutsch-                                           henden Zeitreihen in Abbildung 7, das sich für
      land (Abbildung 5). Zwar konnte Deutschland                                               Deutschland auf die Angaben der Bundesagentur
      bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes                                            für Arbeit stützt.
      zeitweise aufholen, aber inzwischen öffnet sich in
      der Jahresmitte die Schere wieder. Die vergleich-
      baren Arbeitslosenraten nach der OECD-Statistik                                           Politikversagen und
      (Abbildung 6) zeigen immer noch den Nachhol-                                              die ökonomischen Folgen
      bedarf des deutschen Modells, auch wenn sich
      seit den Arbeitsmarktreformen unter der letzten                                           Für die gegenwärtige ökonomische Lage der Ver-
                                                                                                einigten Staaten, die von der aktuellen Finanz-
      Abbildung 4

      Private Bruttoanlageinvestitionen
                                                                                                Abbildung 5
      in den USA
                                                                        Anteil am Brutto-       Bruttoinlandsprodukt1 in den USA und in
      Milliarden US-Dollar                                                inlandsprodukt        Deutschland
      zu Preisen von 20001                                                      in Prozent
                                                                                                Index 2000 = 100
       1 600                                                                               16
                              Bruttoanlageinvestitionen2                                          120
       1 400                                                                               14
                                                                                                                                                                  USA
       1 200                                                                               12     115
                                                               Anteil (rechte Skala)
       1 000                                                                               10
                                                                                                  110
         800                                                                               8
                                 Wohnungsbau
         600                                                                               6                                                                        Deutschland
                                                                                                  105
         400                                                                               4
                                                      Anteil (rechte Skala)
         200                                                                               2      100

              0                                                                            0
                   0     1     2     3     4     5     6     7      8                              95
                 00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
            j. 2     j     j     j     j     j     j     j     j                                                 0      1      2     3      4      5      6     7     8
        1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V                                                           00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
                                                                                                        j. 2         j      j     j      j      j      j     j      j
                                                                                                 1. V           1. V   1. V   1. V  1. V   1. V   1. V   1. V  1. V
      1 Saisonbereinigter Kettenindex.
      2 Ohne Wohnungsbau.                                                                       1 Saisonbereinigter Kettenindex.

      Quellen: US Department of Commerce, Bureau of                                             Quellen: US Department of Commerce, Bureau of
      Economic Analysis; Statistisches Bundesamt;                                               Economic Analysis; Statistisches Bundesamt;
      Berechnungen des DIW Berlin.                                     DIW Berlin 2008         Berechnungen des DIW Berlin.                                   DIW Berlin 2008

692   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

Abbildung 6                                                                  Abbildung 7

Arbeitslosenquoten1 in den USA                                               Arbeitslosenquoten1 in den USA und in
und in Deutschland                                                           Deutschland nach nationalen Statistiken
In Prozent                                                                   In Prozent
12                                                                           12
                                Deutschland                                                                           Deutschland
10                                                                           10

  8                                                                            8

  6                                                                            6
                                                          USA                                                         USA
  4                                                                            4

  2                                                                            2

  0                                                                            0
                                                                                       r l i r r l i r r l i r r l i
                                                                                     ua Apri Jultobe nua Apri Jultobe nua Apri Jultobe nua Apri Jul
          2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007                              Jan           Ok Ja            Ok Ja            Ok Ja
                                                                                           2005             2006             2007             2008
1 OECD-standardisiert.

Quelle: OECD.                                        DIW Berlin 2008        1 Saisonbereingt.

                                                                             Quellen: Bureau of Labor Statistics;
                                                                             Bundesagentur für Arbeit.                                 DIW Berlin 2008

krise geprägt ist, sind unzureichende Regulie-
rungsaktivitäten im Finanzsektor verantwortlich.                             US-amerikanischen Notenbank nach 2002 kann
Hinzu kommen drei wesentliche politische Fehl-                               als politische Fehlentscheidung gesehen werden.
entscheidungen: der Irakkrieg, die Niedrigzins-                              Zur Konjunkturstabilisierung ließ sie über län-
politik und die Aufgabe der Investmentbank                                   gere Zeit negative Realzinsen zu. So kostete es
Lehman Brothers.                                                             praktisch nichts mehr, sich zu verschulden. Dies
                                                                             führte schließlich zu der Entstehung der Immobi-
Die Finanzierung des Irakkriegs benötigte immer                              lienmarktblase sowie zu den Übertreibungen an
größere Teile des Staatshaushaltes (Abbildung 8)                             den Finanzmärkten (Abbildung 10). Auch heute
und wurde so zum Treiber des ständig anwach-                                 sind die Realzinsen negativ, um eine größere Re-
senden staatlichen Budgetdefizits (Abbildung 9).                             zession zu vermeiden. Es wird zu klären sein, ob
Damit ist innerhalb weniger Jahre die Politik                                die Geldpolitik mit ihrer keynesianischen Kom-
eines ausgeglichenen Haushaltes und der Über-                                ponente nicht genauso ein Krisentreiber gewesen
schüsse unter Präsident Clinton ins Gegenteil                                ist, wie dies bei der Verknappung der Geldmenge
verkehrt worden. Auch die Niedrigzinspolitik der                             in der Weltwirtschaftskrise 1929 der Fall war. Der
                                                                             finale Auslöser für die Finanzkrise war letztlich

Abbildung 8
                                                                             Abbildung 9
Verteidigungsausgaben der USA
 Milliarden US-Dollar                                                        Einnahmen und der Ausgaben des Staates
                                                                 Prozent
 zu Preisen von 20001                                                        in den USA
  600                                                                30      In Milliarden US-Dollar
          Anteil an den Staatsausgaben                                        5 000
  500                                                                25
          (rechte Skala)

  400                                                                20       4 000
                                                                                               Einnahmen
  300                                                                15       3 000
                                 Ausgaben
  200                                                                10       2 000
                                                                                                                                    Ausgaben
  100                                                                5        1 000

      0                                                              0               0
            0     1     2     3     4     5     6     7      8                                   Fianzierungssaldo
          00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
     j. 2     j     j     j     j     j     j     j     j                    -1 000
 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V 1. V                                                   0      1      2     3      4      5      6     7     8
                                                                                              00 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200 . 200
                                                                                       j. 2         j      j     j      j      j      j     j      j
1 Saisonbereinigter Kettenindex.                                                1. V           1. V   1. V   1. V  1. V   1. V   1. V   1. V  1. V

Quellen: US Department of Commerce, Bureau of
Economic Analysis; Statistisches Bundesamt;                                  Quelle: US Department of Commerce,
Berechnungen des DIW Berlin.                         DIW Berlin 2008        Bureau of Economic Analysis. .                            DIW Berlin 2008

                                                                                                               Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008   693
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

Abbildung 10                                                                                                   tober 2008 und (ii) die Tagesangaben für die 30
                                                                                                               Tage vom 26. September bis zum 23. Oktober
Leit- und Realzinsen1 in USA, Europa und Deutschland
In Prozent
                                                                                                               2008 beschränken. Auch wenn wir uns der Be-
                                                                                                               grenztheit der derzeitigen Analysemöglichkeiten
 7
                                                                                                               bewusst sind, ermöglicht der Zugriff auf dieses
 6                                                                                                             Informationsmaterial eine Einschätzung, wel-
 5                                                                                                             che Themen den Wahlkampf prägen. Für eine
                                                                       Leitzinsen -                            bessere Einordnung vergleichen wir ferner die
 4                                                                     USA
                                      Leitzinsen - Eurozone                                                    Suchanfragen in den USA und in Deutschland.
 3                                                                                                             In Abbildung 11 zeigen wir für die Vereinigten
 2                                                                                                             Staaten und Deutschland die als Index erfasste
 1
                                                                                                               Anzahl der Internet-Zugriffe auf ökonomische
                                     Realzinsen -                                                              Schlüsselbegriffe, die mit der totalen Anzahl der
 0
                                     Deutschland                                                               Zugriffe in den beiden Ländern normiert und
-1                                                                                                             im Stützbereich graphisch skaliert sind. Die hier
-2                                                                                                             erfassten Begriffe sind „Finanzkrise/Financial
                                  Realzinsen - USA
                                                                                                               Crisis“, „Kreditklemme/Credit Crunch“, „Rezes-
-3
                                                                                                               sion/Recession“ und „Arbeitslosenquote/Unem-
-4                                                                                                             ployment Rate“.
       2000      2001      2002       2003      2004          2005   2006       2007      2008

1 Gemessen am Anstieg der Verbraucherpreise.                                                                   Die Bedeutung der Themen stellen wir anhand
                                                                                                               ihrer Eingabe als Suchbegriff relativ zur nationa-
Quellen: EZB; Federal Reserve Board; Statistisches Bundesamt;
Bureau of Labor Statistics; Berechnungen des DIW Berlin.                               DIW Berlin 2008        len Internetaktivität dar. Obwohl die Finanzkrise
                                                                                                               bereits seit längerem Gegenstand der öffentlichen
                                                                                                               Diskussion ist, wird sie erst im Oktober 2008 zu
                                                                                                               einem dominanten Ereignis. Es fällt allerdings
                                  die Entscheidung der US-Regierung, Lehman                                    auf, dass in Deutschland der Thematik relativ
                                  Brothers, eine systemisch relevante Bank, nicht                              mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als im
                                  zu stützen.                                                                  Ursprungsland der Krise. Ganz anders verhält
                                                                                                               es sich mit dem Begriff „Kreditklemme/Credit
                                  Weder die Konjunkturabschwächung noch die                                    Crunch“. Seit das Interesse an der Thematik in
                                  Eskalation auf den Finanzmärkten konnte durch                                beiden Ländern im Juli 2007 zunahm, liegen die
                                  Steuergutschriften, Wohnungsmarkthilfen und                                  Vereinigten Staaten in der Monatsbetrachtung
                                  Steuererleichterungen für den Mittelstand aus                                immer über den Messungen aus Deutschland.
                                  dem Sommer dieses Jahres über 168 Milliarden                                 Allerdings war dieses Interesse in Amerika be-
                                  US-Dollar verhindert werden. Dieser Befund ist                               reits 2007 sehr groß, ging dann bis zum Sommer
                                  auch ein Fingerzeig für die derzeitige Diskussion                            2008 zurück, um schließlich im September und
                                  über Konjunkturprogramme in Deutschland im                                   Oktober wieder stark anzusteigen. Der Anstieg in
                                  Vorfeld der Bundestagswahl im Jahr 2009.                                     den beiden vergangenen Monaten vollzog sich
                                                                                                               auch in Deutschland, aber mit geringerer Stärke.
                                                                                                               In der aktuellen Monatsbetrachtung zeigt sich,
                                  Die Lage der Wirtschaft vor der Wahl:                                        dass inzwischen der amerikanische Überhang
                                  Eine Internet-basierte Evaluation                                            abgebaut ist und die Thematik in beiden Ländern
                                                                                                               an Bedeutung verliert.
                                  Angesichts der Finanzkrise und einer drohen-
                                  den Rezession in den Vereinigten Staaten rückt                               Mit der Finanzkrise verbunden ist auch die Be-
                                  die wirtschaftliche Lage in der Spätphase des                                fürchtung, dass sich die ohnehin vorhandenen
                                  Wahlkampfes in den Mittelpunkt des Interesses.                               Abschwungstendenzen der Wirtschaft verstärken.
                                  Welche Bedeutung misst die Bevölkerung der                                   Als Folge könnten die Ängste bezüglich einer
                                  wirtschaftlichen Lage bei und wie hat sich dieses                            möglichen Rezession wachsen. Die Abfragen
                                  Interesse seit der Eskalation der Finanzkrise in                             nach dem Begriff „Rezession/Recession“ zeigen,
                                  den zurückliegenden Wochen entwickelt? Dieser                                dass die Konjunkturängste bereits im Januar in
                                  Frage gehen wir nach, indem wir die Häufigkeit,                              den Vereinigten Staaten groß waren (mit einem
                                  mit der ökonomische Schlüsselbegriffe im Inter-                              Echoeffekt auch in Deutschland), dann aber im
                                  net abgefragt werden, untersuchen. Wir nutzen                                Zuge der massiven Verteilung temporärer Steuer-
                                  hierfür die von Google Insights bereitgestellte                              gutscheine bis in den Sommer Entspannung ein-
                                  Anzahl der Internetzugriffe auf bestimmte öko-                               trat. Immerhin ist die Bedeutung des Begriffs
                                  nomische Schlüsselbegriffe, wobei wir uns auf                                „Rezession“ in den USA zuletzt nur wieder mäßig
                                  (i) die Monatsangaben von Januar 2007 bis Ok-                                angestiegen, jedenfalls im Vergleich zum Jah-

                        694       Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

Abbildung 11

Internetbasierte Evaluation1 der Wirtschaftslage
In Prozent

„Finanzkrise“
 100                                                                         100
                                                      Deutschland                             Deutschland
  80                                                                          80

  60                                                                          60

  40                                                                          40

  20                                                                          20
                                                                                                                          USA
               USA
   0                                                                           0
   07.01.2007        24.06.2007    09.12.2007    25.05.2008                        26.09.08    04.10.08        12.10.08           20.10.08

„Kreditklemme“
 100                                                                         100
                                                              USA                             USA
  80                                                                          80

  60                                                                          60

  40                                                                          40

  20                                                                          20
                                  Deutschland                                                  Deutschland

   0                                                                           0
    01.01.2007        01.07.2007      01.01.2008      01.07.2008                   26.09.08    04.10.08        12.10.08           20.10.08

„Rezession“
 100                                                                         100
                                                       Deutschland
                                      USA
  80                                                                          80
                                                                                                                            Deutschland
  60                                                                          60

  40                                                                          40
                                                                                        USA
  20                                                                          20

   0                                                                           0
    01.01.2007        01.07.2007      01.01.2008      01.07.2008                   26.09.08    04.10.08        12.10.08           20.10.08

„Arbeitslosenquote“
 100                                                                         100
                                                             USA                                              USA
  80                                                                          80

         Deutschland
  60                                                                          60

  40                                                                          40

  20                                                                          20
                                                                                                                    Deutschland

   0                                                                           0
   07.01.2007        24.06.2007    09.12.2007    25.05.2008                        26.09.08    04.10.08        12.10.08           20.10.08

1 Angaben basieren auf der Anzahl der Internet-Zugriffe in dem betreffenden Land zu dem genannten Schlüsselwort. Sie sind mit der totalen An-
zahl der Zugriffe in dem betreffenden Land normalisiert.

Quellen: Google Insights; Berechnungen des DIW Berlin.                                                                         DIW Berlin 2008

                                                                                                    Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008      695
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

      resbeginn. Dagegen hat die Zahl der Zugriffe                                 umsetzen. Ferner erforderte die Bändigung der
      in Deutschland im Oktober stark zugenommen.                                  zeitweise eskalierenden Finanzkrise mit ihrer
      Allerdings zeigt die tägliche Betrachtung der zu-                            langfristig wirksamen großen Absorption öf-
      rückliegenden Wochen, dass das deutsche Niveau                               fentlicher Mittel eine kurzfristige Adaption von
      der Zugriffe auf „Rezession“ sich bis auf wenige                             Positionen für das Regierungsprogramm. So hat
      Tage des Überschießens Mitte Oktober auf dem                                 Obama am 13. Oktober ein 60 Milliarden US-Dol-
      amerikanischen Niveau hält. Die Erklärungen der                              lar Konjunkturprogramm angekündigt, McCain
      Bundesregierung zur Krise haben in dieser Phase                              am 14. Oktober ein Paket über 52,5 Milliarden US-
      offensichtlich beruhigend gewirkt.                                           Dollar, beide ohne Aussagen zur Finanzierung zu
                                                                                   machen. Beide Kandidaten treten gleichzeitig für
      Das Interesse an Informationen über „Arbeits-                                eine bessere Überwachung des Finanzsektors ein
      losigkeit“ lag in beiden Ländern über lange Zeit                             und unterstützen grundsätzlich die Maßnahmen
      sehr nahe beieinander und auf gleich bleibendem                              von Regierung und Zentralbank. Obama sieht
      Niveau. Erst im September und Oktober ist es in                              als primäres Ziel, die Banken mit Liquidität und
      den Vereinigten Staaten deutlich angewachsen                                 Eigenkapital zu versorgen. McCain versucht sich
      und liegt seitdem über dem deutschen Niveau.                                 durch Kritik an der Bush-Administration und an
      Aus der Trägheit der deutschen Daten kann man                                der Wall-Street vom amtierenden Präsidenten ab-
      schließen, dass die Thematik noch nicht als re-                              zusetzen. Er fordert, dass die Risikoobjekte aus
      levant angesehen wird, obwohl darüber in der                                 dem Finanzsystem herausgezogen und verwertet
      Öffentlichkeit bereits spekuliert wird.                                      werden. Der Republikaner stand in der Vergan-
                                                                                   genheit mehr für Deregulierung der Wirtschaft
      Die Untersuchung zeigt wenig überraschend,                                   als Obama.
      dass Finanzkrise und Rezession als bedeutende
      Angstherde im amerikanischen Wahlkampf be-                                   Bei den Steuern möchte Obama Steuererleichte-
      achtet werden müssen. Während Kreditklemme                                   rungen der Bush-Regierung für Spitzenverdiener
      und Finanzkrise generell an Bedeutung verlo-                                 wieder abschaffen, McCain hingegen möchte sie
      ren haben, ist die Rezessionsthematik wichtiger                              beibehalten. Er ist für einen schlanken Staat, wäh-
      geworden. Insbesondere die Arbeitslosigkeit ist                              rend sich der Demokrat für stärkere Staatsein-
      ins Zentrum des Interesses gerückt. Dies unter-                              griffe ausspricht. Beide wollen die Mittelschicht
      streicht die Bedeutung von Politikmaßnahmen,                                 entlasten.
      die auf die Erhaltung und Schaffung von Arbeits-
      plätzen abzielen.                                                            Beim Klimawandel unterstützen beide Kandida-
                                                                                   ten den Emmissionshandel. McCain lehnt jedoch
                                                                                   einen Beitritt der Vereinigten Staaten zum Kyoto-
      Wahlkampfprogrammatik und Unterstützer                                       Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase ab.
                                                                                   Sollten allerdings China und Indien eingebunden
      Angesichts der makroökonomischen Entwicklun-                                 werden können, möchte er besondere Schritte
      gen kommt der ökonomischen Programmatik der                                  der Vereinigten Staaten erwägen. Obama ist für
      Kandidaten, die sich in ihren Parteitagsreden, den                           bindende und durchsetzbare Ziele zur Reduktion
      Wahlprogrammen der Parteien, dem dargelegten                                 der schädlichen Emissionen auf globaler Ebene
      ökonomischen Fokus der Kampagnen und der                                     unter Einbeziehung Chinas und Indiens.
      Auswahl ihrer Chefberater identifizieren lässt,
      eine zentrale Bedeutung im Wahlkampf zu.3                                    In der Energiefrage sprich sich Obama für die
                                                                                   Nutzung von Kernkraft aus. Inzwischen ist er
      Die ökonomischen Programme der Kandidaten                                    offen für eine Diskussion über Ölbohrungen vor
                                                                                   der US-amerikanischen Küste. McCain möchte
      Zur Bekämpfung der Finanzkrise wollen beide                                  diese Ölbohrungen wieder zulassen, die Kern-
      Kandidaten das US-amerikanische Rettungspa-                                  kraft massiv ausbauen und die Entwicklung neu-
      ket über 700 Milliarden US-Dollar konsequent                                 er Technologien vorantreiben, um das Zeitalter
                                                                                   fossiler Brennstoffe zu beenden.
      3 Informationen zur Programmatik sind im Internet zugänglich:
      McCain: Die Republikanische Wahlplattform 2008 erhält man unter              Im Gesundheitssystem will Obama ein nationales
      „http://platform.gop.com/2008Platform.pdf“, den Text seiner                  Gesundheitsprogramm, das allen Bürgern einen
      Nominierungsrede am 4. September 2008 unter „http://portal.
      gopconvention2008.com/speech/details.aspx?id=84“ und sein                    Zugang zu einem Versicherungsschutz gibt. Für
      ökonomisches Programm unter „http://www.johnmccain.com/Issues/               Kinder ist eine Versicherungspflicht vorgesehen.
      JobsforAmerica/“
      Obama: Die Demokratische Wahlplattform 2008 erhält man unter                 Auch McCain will den Zugang zum Versiche-
      „http://www.demconvention.com/assets/downloads/2008-Demo-                    rungsschutz erleichtern, setzt aber stärker auf
      cratic-Platform-by-Cmte-08-13-08.pdf“, den Text seiner Nominie-
      rungsrede am 28. August 2008 unter „http://www.demconvention.                Wettbewerb und die Reduzierung der Gesund-
      com/barack-obama/“ und sein ökonomisches Programm unter                      heitskosten. Pharma- und Versicherungskonzer-
      „http://www.barackobama.com/issues/economy/“.

696   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

ne sollen einer stärkeren Kontrolle unterzogen                               Tabelle 4
werden.
                                                                             Spendenaufkommen nach den TOP 20 Spitzenbeiträgen
                                                                             In 1 000 US-Dollar
Bei der Frage der illegalen Zuwanderung setzt
                                                                                                Barack Obama                                            John McCain
sich Obama für einen geregelten Zugang ver-
                                                                             University of California              777              Merrill Lynch                       349
bunden mit der Verpflichtung zum Erwerb von                                  Goldman Sachs                         743              Citigroup Inc                       290
Sprachkenntnissen ein. Er würde die Strafen für                              Harvard University                    505              Morgan Stanley                      249
illegale Beschäftigung verschärfen und sprach                                Citigroup Inc                         499              Goldman Sachs                       220
sich für einen Zaun an der Grenze zu Mexiko                                  Google Inc                            493              JPMorgan Chase & Co                 210
aus. McCain wirkte 2007 an der Erstellung des                                JPMorgan Chase & Co                   478              AT&T Inc                            181
                                                                             National Amusements Inc               437              Credit Suisse Group                 175
gescheiterten Migrationsgesetzes mit, das solche
                                                                             Microsoft Corp                        434              PricewaterhouseCoopers              163
Regelungen vorsah, würde aber heute, wie er sagt,                            UBS AG                                419              Blank Rome LLP                      161
nicht mehr dafür stimmen.                                                    Lehman Brothers                       391              US Army                             150
                                                                             Time Warner                           388              Wachovia Corp                       150
McCain steht für Freihandel und zu den dies-                                 Wilmerhale LLP                        383              US Government                       149
bezüglichen internationalen Verträgen der Re-                                Sidley Austin LLP                     371              Bank of America                     142
                                                                             Skadden, Arps et al                   361              UBS AG                              141
gierung Bush. Dagegen möchte Obama die Ver-
                                                                             Morgan Stanley                        344              Greenberg Traurig LLP               141
einbarung für die internationale Freihandelszone                             Stanford University                   342              US Dept of Defense                  127
Nafta neu aushandeln, um die Interessen der                                  Latham & Watkins                      328              FedEx Corp                          123
USA besser zu bewahren. Von Obama kann eine                                  Jones Day                             314              Gibson, Dunn & Crutcher             122
stärkere Neigung zum Protektionismus erwartet                                General Electric                      299              Lehman Brothers                     115
werden.                                                                      University of Chicago                 294              Bear Stearns                        108
                                                                             Gesamtaufkommen1 (90 Prozent          603 000          (54 Prozent sind individuelle       358 000
                                                                             sind individuelle Beiträge)                            Beiträge)
Beide Kandidaten wollen sich für eine Stärkung
                                                                             Ausgaben                              470 000                                              262 000
der transatlantischen Beziehungen einsetzen.
Europa und insbesondere Deutschland wird von                                 Das Geld kommt nicht von, sondern durch die genannten Organisationen, die nur als Geldsammelstelle
                                                                             fungieren, und stammt von individuellen Mitgliedern, Mitarbeitern und Eigentümern.
Obama als wichtiger Bündnispartner angesehen.
                                                                             Quellen: www.opensecrets.org/pres08/contrib.php?cid=N00009638&cycle=2008;
Mit der Betonung der Notwendigkeit für multi-                                www.opensecrets.org/pres08/contrib.php?cid=N00006424&cycle=2008
nationale Konfliktlösungen hat sich McCain von                               www.opensecrets.org/pres08/index.php?cycle=2008; Stand: 27.10.08.                         DIW Berlin 2008
Bush abgesetzt. Obama hat bereits betont, dass
künftig eine größere Beteiligung der Nato und
auch Deutschlands an internationalen Aufgaben
wie in Afghanistan erforderlich ist.                                         Brothers erwähnt, das für beide Kandidaten ge-
                                                                             spendet hatte. In der Top Liste von Obama finden
Die Unterstützer:                                                            sich auch vier Spitzenuniversitäten (University of
Geld, Ethnizität, Medien, Berater                                            California, Harvard, Stanford und Chicago), bei
                                                                             McCain auch die US Army und das US Depart-
Im Zentrum US-amerikanischer Wahlkämpfe                                      ment of Defense. Allerdings ist es nicht eine Or-
steht die Einwerbung finanzieller Mittel. Ganze                              ganisation selbst, die dieses Geld zur Verfügung
Heerscharen von Fundraisern unterstützen die                                 stellt, sondern ihr “Political Action Committee”
Kandidaten, die selbst ebenfalls einen erhebli-                              (PAC). Das PAC ist eine freiwillige gemeinnützi-
chen Beitrag für die Mitteleinwerbung leisten.                               ge Organisation, die das Geld von individuellen
Insgesamt liegt das Budget von McCain und Oba-                               Mitgliedern, Mitarbeitern und Eigentümern ein-
ma zusammen bei der erstaunlichen Summe von                                  sammelt. Dennoch bietet die Liste einen ersten
einer Milliarde US-Dollar. Dabei verfügt Obama
(Tabelle 4) über den Löwenanteil von mehr als                                Tabelle 5
600 Millionen US-Dollar, obwohl er als erster
Kandidat in der Geschichte der Vereinigten Staa-                             Arbeitslosenquoten in den USA im dritten Quartal 2008
ten ganz auf öffentliche Gelder verzichtet hat. 90                           nach Alter und ethnischer Zugehörigkeit
                                                                             In Prozent
Prozent seines Aufkommens sind individuelle
                                                                                                           weiß          afrikanisch     asiatiatisch      latein­         insgesamt
Beiträge, bei McCain sind dies nur 54 Prozent.                                                                                                           amerikanisch
Am 27. Oktober hatten Obama bereits 603 Mil-                                 unter 20 Jahre                17,2              32,3            16,4             25,1            19,4
lionen US-Dollar und McCain 358 Millionen US-                                20 bis 24 Jahre                9,1              19,7             6,4             11,3            10,6
Dollar eingeworben.                                                          25 bis 34 Jahre                5,0              10,8             4,5              6,5             5,9
                                                                             35 bis 44 Jahre                4,6               7,4             2,8              6,2             4,9
In der Liste der Top 20 Geber der Spitzenbeiträ-                             45 bis 54 Jahre                3,5               8,0             3,4              6,0             4,1
                                                                             55 Jahre und älter             3,9               6,9             3,8              4,9             4,1
ge fällt auf, dass die Finanzbranche bei beiden
                                                                             Alle Altersgruppen             5,3              10,9             4,1              7,7             6,0
Kandidaten erhebliche Beiträge geleistet hat. Bei-
                                                                             Quelle: Bureau of Labor Statistics.                                                        DIW Berlin 2008
spielhaft sei das Krisenunternehmen Lehman

                                                                                                          Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008          697
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

      Abbildung 12

      Internetbasierte Evaluation1 der Präsidentschaftskandidaten
      In Prozent

      „McCain“ – „Obama“ in USA
       100                                                                         100

                                                                                                                       Obama
        80                                                                          80

        60                                                                          60
                                                     Obama                                                             McCain
        40                                                                          40

        20                                                                          20
                                                     McCain
         0                                                                           0
         07.01.2007     24.06.2007      09.12.2007     25.05.2008                        26.09.08   04.10.08          12.10.08        20.10.08

      „McCain/Palin“ – „Obama/Biden“ in USA
       100                                                                         100
                                                       McCain/Palin

        80                                                                          80

        60                                                                          60

        40                                                                          40
                                   Obama/Biden
                                                                                                        McCain/Palin
        20                                                                          20
                                                                                                            Obama/Biden
         0                                                                           0
          01.01.2007       01.07.2007      01.01.2008       01.07.2008                   26.09.08   04.10.08          12.10.08        20.10.08

      „McCain“ – „Obama“ in Deutschland
       100                                                                         100
                                                      Obama
        80                                                                          80
                                                                                                                                          Obama

        60                                                                          60

        40                                                                          40

        20                                                                          20
                                                      McCain                                                                     McCain

         0                                                                           0
          01.01.2007       01.07.2007      01.01.2008       01.07.2008                   26.09.08   04.10.08          12.10.08        20.10.08

      „McCain/Palin“ – „Obama/Biden“ in Deutschland
       100                                                                         100
                                                                                                       McCain/Palin

        80                                                                          80

        60                                                                          60
                                  Obama/Biden
        40                                                                          40
                                                                                                                           Obama/Biden

        20                                                                          20

                                                             McCain/Palin
         0                                                                           0
          01.01.2007       01.07.2007      01.01.2008       01.07.2008                   26.09.08   04.10.08          12.10.08        20.10.08

      1 Angaben basieren auf der Anzahl der Internet-Zugriffe in dem betreffenden Land zu dem genannten Schlüsselwort. Sie sind mit der totalen An-
      zahl der Zugriffe in dem betreffenden Land normalisiert.

      Quellen: Google Insights; Berechnungen des DIW Berlin.                                                                        DIW Berlin 2008

698   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

Abbildung 13

Internetbasiertes Interesse1 an „Rassismus“ und „Kapitalismus“
In Prozent

„Kapitalismus/Capitalism“
 100                                                                         100
                                                                                                                 USA

  80                                                                          80
                                                   USA
  60                                                                          60

  40                                                                          40
                                                                                                                       Deutschland
       Deutschland
  20                                                                          20

   0                                                                           0
   07.01.2007     24.06.2007      09.12.2007     25.05.2008                        26.09.08   04.10.08         12.10.08        20.10.08

„Rassismus/Racism“
 100                                                                         100
                                                                                                                 USA
                                                     USA
  80                                                                          80

  60                                                                          60

  40                                                                          40
                                                                                                                       Deutschland

  20                                                                          20
                             Deutschland
   0                                                                           0
   07.01.2007     24.06.2007      09.12.2007     25.05.2008                        26.09.08   04.10.08         12.10.08        20.10.08

1 Angaben basieren auf der Anzahl der Internet-Zugriffe in dem betreffenden Land zu dem genannten Schlüsselwort. Sie sind mit der totalen An-
zahl der Zugriffe in dem betreffenden Land normalisiert.

Quellen: Google Insights; Berechnungen des DIW Berlin.                                                                       DIW Berlin 2008

Eindruck über die Teile der Gesellschaft, welche                             heit der weißen Wähler steht hinter McCain. Die
die jeweilige Kampagne tragen.                                               asiatischen Wähler neigen eher Obama zu, wobei
                                                                             die Vietnamesen als Ausnahme mehrheitlich an
Die US-amerikanische Wählerschaft hat eine kla-                              McCain orientiert sind. Insgesamt liegt Obama in
re ethnische Differenzierung.4 Die Mehrzahl der                              den landesweiten Wahlumfragen vorn, das Mehr-
US-amerikanischen Wähler ist einer Partei zuge-                              heitswahlrecht kann den Wahlausgang jedoch
hörig. Die politisch gebundenen weißen Wähler                                noch beeinflussen (Kasten).
gehören häufig den Republikaner an, während
bei den gebundenen schwarzen, lateinamerika-                                 Eine Reihe bekannter Zeitungen haben sich mitt-
nischen und asiatischen Wählern die Demokra-                                 lerweile für Obama ausgesprochen, darunter die
tische Partei dominiert. Einen großen Anteil an                              Financial Times, die New York Times, die Ancho-
ungebundenen Wählern gibt es bei den asiati-                                 rage Daily News (aus Alaska, dem Heimatstaat
schen und lateinamerikanischen Ethnizitäten.                                 von Sarah Palin), die Los Angeles Times und die
Tabelle 5 zeigt, dass die schwarzen und latein-                              Washington Post.
amerikanischen Bürger derzeit besonders unter
Arbeitslosigkeit leiden. Dies gilt insbesondere                              In Wirtschaftsfragen stützen sich beide Seiten auf
für junge Menschen. Die aktuellen Umfragen                                   renommierte Wirtschaftsberater. McCain greift
deuten darauf hin, dass Obama das schwarze                                   führend auf Doug Holtz-Eakin zurück, den frühe-
Wählerpotenzial weitgehend ausschöpft und die                                ren Leiter des Congressional Budget Office. Seine
lateinamerikanischen Wählergruppen zu knapp                                  Wirtschaftspläne werden u.a. von Nobelpreisträ-
2/3 an sich bindet. Eine deutliche relative Mehr-                            ger Gary Becker (Universität Chicago), Michael
                                                                             Boskin (Stanford Universität), Kenneth Rogoff
                                                                             (Harvard Universität), Harvey Rosen (Princeton
4 Frey, W. H., Race, Immigration and America‘s Changing Electorate,
The Brookings Institution, mimeo., 2008.                                     Universität) und John Taylor (Stanford Universi-

                                                                                                    Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008    699
Im Angesicht der Krise: US Präsidentschaftswahlen in transnationaler Sicht

      tät) unterstützt. Obamas Chefökonom ist Austan                               len, praktisch liegen aber beide „Tickets“ in den
      Goolsbee von der Universität Chicago. Er kann                                zurückliegenden Wochen gleichauf.
      sich ferner auch auf Ökonomen wie David Cut-
      ler, Jeffrey Liebman, Lawrence Summers (alle                                 In Abbildung 13 sind ferner die Internetzugriffe
      Harvard Universität) und Nobelpreisträger Jo-                                auf den Begriff „Kapitalismus/Capitalism“ dar-
      seph Stiglitz (Columbia Universität) stützen. Eine                           gestellt. Die mögliche grundsätzliche Krise des
      Umfrage unter den Fellows des renommierten                                   Kapitalismus beschäftigt die Menschen jenseits
      National Bureau of Economic Research (NBER)                                  des Atlantiks offenbar stärker als in Deutschland.
      in den Vereinigten Staaten ergab5, dass diese Wirt-                          Die deutschen Zugriffe steigen erst mit der Eska-
      schaftsexperten die Pläne Obamas vorziehen, ihm                              lation der Finanzkrise ungewöhnlich, aber weit
      die höhere Wirtschaftskompetenz zusprechen                                   nicht so stark wie in den Vereinigten Staaten.
      und erwarten, dass er sich die besseren Berater                              Demzufolge scheinen sich die US-Amerikaner
      holt.                                                                        anhaltend mehr Gedanken über den Kapitalismus
                                                                                   als die Deutschen zu machen.

      Der Wahlkampf:                                                               Latenter Rassismus ist ein Unthema des ameri-
      Das Internet als Gradmesser für die                                          kanischen Wahlkampfs, das man aber dennoch
      Zugkraft der Kandidaten                                                      nicht ignorieren darf. McCain hat hierzu zwar
                                                                                   nichts Problematisches beigetragen. Dennoch
      Zugriffe auf Informationen im Internet zu den                                könnte dies ein Faktor sein, der die Meinungs-
      Präsidentschaftskandidaten sind auch ein Indiz                               umfragen relativiert. Der Nationenvergleich zu
      für das Interesse an den beiden Teams Barack-                                den Begriffen „Rassismus/Racism“ zeigt, dass
      Biden beziehungsweise McCain-Palin. In Abbil-                                die amerikanische Zugriffsreihe zyklisch über der
      dung 12 sind deshalb wieder die Messungen der                                eher stagnierenden deutschen Reihe schwankt.
      Zugriffe 2007 und 2008 monatlich und in einer                                Eine langfristige Aufwärtsbewegung nach dem
      Periode von 30 Tagen in den vergangenen Wo-                                  Beginn des Vorwahlkampfs oder nach der Nomi-
      chen erfasst. In den Vereinigten Staaten ist mit                             nierung von Obama ist nicht festzustellen. Auch
      den Vorwahlkämpfen die Zahl der Zugriffe seit                                zeigt die tägliche Betrachtung der letzten Wochen,
      Anfang 2008 deutlich gestiegen, zunächst jedoch                              dass sich die amerikanischen Zugriffe auf „Ra-
      nur für Barack Obama. Erst seit August hat Mc-                               cism“ nach den drei Präsidentschaftsdebatten
      Cain deutlich nachgezogen, er bleibt aber auch in                            immer deutlich, wenn auch temporär reduziert
      den vergangenen Wochen hinter seinem Rivalen                                 haben.
      zurück. Dies ändert sich mit der Nominierung der
      Kandidaten für die Vizepräsidentschaft, da Sena-
      tor Biden im Vergleich zu Gouverneurin Palin                                 Schlussfolgerungen
      eher als langweilig empfunden wird. Demzufolge
      stieg das Interesse am „Ticket“ McCain-Palin zu-                             Die Finanzkrise hat verbunden mit der sich
      nächst deutlich über das an Obama-Biden, bevor                               verstärkenden Wirtschaftskraft Asiens und Ost-
      sich die Anzahl der Zugriffe auf beide „Tickets“                             europas die Stellung der Vereinigten Staaten ge-
      in den letzten Tagen annäherte. Ob dies mit den                              schwächt. Angesichts der großen ökonomischen
      Schwächen Palins bei ihren öffentlichen Auftrit-                             Herausforderungen werden die Problemlösungs-
      ten zu tun hat, bleibt offen. Das Interesse an bei-                          kapazitäten, das Selbstbewusstsein, der Optimis-
      den Präsidentschaftskandidaten stieg im Umfeld                               mus und die Wirtschaftskraft der US-Amerikaner
      der drei öffentlichen Debatten. Die zunehmende                               weiter dringend benötigt. Allerdings ist eine grö-
      Angleichung der Internetzugriffe auf die beiden                              ßere internationale Kooperation nötig, die trans-
      Kandidaten lässt vermuten, dass die Wahlent-                                 atlantischen Beziehungen bleiben dabei weiter
      scheidung enger sein könnte, als dies viele Mei-                             von großer Bedeutung. Diese Partnerschaft trägt
      nungsumfragen zunächst glauben machen.                                       noch weit in dieses Jahrhundert. Sie wird aber
                                                                                   Europa und Deutschland künftig mehr kosten,
      In Deutschland konzentriert sich das Interesse                               als bisher.
      auf Obama; für McCain gibt es nur langsam stei-
      gende Zugriffe. In den letzten Wochen erhöhte                                Die Herausforderungen des Klimawandels, der
      sich sogar der Rückstand auf Obama zusehends.                                Energieverknappung, der demographischen Ver-
      Dies gilt nicht für die Popularität des „Tickets“:                           änderungen, der Nahrungsmittelversorgung, der
      Seit Anfang September schienen McCain-Palin                                  weltweiten Öffnung der Arbeitsmärkte, der Siche-
      die Rivalen Obama-Biden zunächst zu überho-                                  rung der Arbeitsplätze und der Schaffung neuer
                                                                                   sowie der Umbau bestehender sozialer Siche-
      5 Examining the Candidates, The Economist, Band 389, Nummer
                                                                                   rungssysteme, insbesondere für Gesundheit und
      8600, 4.–10. Oktober, S. 45–46.                                              Rente, sind um die Aufgaben einer Erneuerung

700   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2008
der internationalen Finanzordnung und der Ver-
meidung einer weltweiten Rezession erweitert
worden.

Die finanziellen Spielräume für den amerikani-
schen Präsidenten sind durch den Irak-Krieg, die
Konjunkturprogramme und die Sanierungsauf-
wendungen für das Finanzsystem aufgebraucht.
Beide Kandidaten haben Qualifikationen zur
Bewältigung der Aufgabe. Dabei unterscheiden
                                                      Impressum
sich ihre Profile weniger, als das aus europäischer
Perspektive erscheinen mag. Die Spielräume wer-       DIW Berlin
                                                      Mohrenstraße 58
den eng sein, ganz gleich wer Präsident wird.         10117 Berlin
Gestalten wird weniger wichtig sein, als bewah-       Tel. +49-30-897 89-0
                                                      Fax +49-30-897 89-200
ren. Die Lösung wird nicht beim alles richtenden
starken Staat liegen, auch wenn er gefragt ist. So    Herausgeber
                                                      Prof. Dr. Klaus F.  Zimmermann
sehr „Change“ nötig ist, so sehr wird der Wandel      (Präsident)
schwer werden. Man darf gespannt sein, wem das        Prof. Dr. Tilman Brück
                                                      Dr. habil. Christian Dreger
amerikanische Volk die Last der internationalen       Prof. Dr. Claudia Kemfert
Leitfigur überträgt.                                  Prof. Dr. Viktor Steiner
                                                      Prof. Dr. Gert G. Wagner
                                                      Prof. Dr. Christian Wey

                                                      Redaktion
                                                      Kurt Geppert
                                                      PD Dr. Elke Holst
                                                      Carel Mohn
                                                      Dr. Vanessa von Schlippenbach
                                                      Manfred Schmidt

                                                      Pressestelle
                                                      Renate Bogdanovic
                                                      Tel. +49 – 30 – 89789–249
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                                                      Einzelheft Euro 7,–
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                                                      ISSN 0012-1304
                                                      Bestellung unter leserservice@diw.de

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