"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info

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"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
www.wien.info   Die Tiefe Kümmernis, KHM Wien, © Paul Bauer

                                                               2019

                                                 ich sein,
                                               wer ich bin.“
                                              „In Wien kann
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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                                                                                                                                                   kümmert sich auch persönlich um seine Gäste. Und
                                                                                                                                                   wir erklimmen am Stadtrand Wiens einen Berg aus
                                                                                                                                                   Mist, auf dessen Gipfel Pinzgauer Ziegen weiden.

                                                                                                                                                   Die Wirkungsstätten all dieser Wiener Persönlich-
                                                                                                                                                   keiten sind ihre ganz persönlichen Bühnen des
                                                                                                                                                   Lebens. Wir laden Sie ein, nicht nur Zuschauer
                                                                                                                                                   zu sein, sondern selbst zum Akteur zu werden.
                                                                                                                                                   Begegnen Sie der Tiefen Kümmernis, Jean-Paul,
                                                                                                                                                   Yun-Jae, Manuela, Michi und all den anderen
                                                                                                                                                   Protagonisten in Wien. Und werden Sie selbst zum
                                                                                                                                                   Hauptdarsteller in Ihrem eigenen Stück.
                                    Liebe Leserin, lieber Leser,
                                                                                                                                                   Denn in Wien ist das möglich. Ihr Drehbuch halten
                                    wir begegnen rund 100.000 Menschen im Laufe                                                                    Sie gerade in Händen.
                                    unseres Lebens. Doch wie viele Begegnungen
                                    bleiben uns in Erinnerung? – Nur jene, die uns                                                                 The stage is yours.
                                    persönlich beeindrucken.
                                        In diesem Wien Journal begegnen wir vielen                                                                 Viel Spaß bei der Lektüre!
                                    Wiener Persönlichkeiten: der Dragqueen Die
                                    Tiefe Kümmernis, die im legendären Café Savoy
                                    bei Schwarzwälder Kirsch und Gemischtem Satz
                                    über Wiens LGBT-Community und die bevor-
                                    stehende EuroPride spricht. Monsieur Jean-Paul
                                    Vaugoin, der mit dem syrischen Silbermeister
                                    Yakup Kurter im Hinterhof eines Vorstadthauses
                                    Hendlhaxen-Halter für die Königshäuser dieser
                                    Welt in Handarbeit fabriziert. Wir blicken hinter
                                    die dicken Mauern des Palais Augarten, wo Laurin,                                                              Ihr
                                    Theo, Yun-Jae und Julian als Wiener Sängerknaben                                                               Norbert Kettner
                                    mit dem Einstudieren von Haydn, Mozart und                                                                     Direktor WienTourismus
                                    Beethoven, Basketballspielen, Schwimmen und
                                    Physikunterricht ihr tägliches Leben verbringen.
                                    Bei der Arbeit „über Kopf“ treffen wir Restauratorin
                                    Manuela Fritz, die in der Wiener Staatsoper ihrer
                                    Passion der Marmormalerei nachgeht, um das
                                    Haus am Ring für seinen 150. Geburtstag 2019
                                    herauszuputzen. Michis Arbeitsplatz liegt rund
                                    30 Meter unter der Oper, im Wiener Kanal. Dort,
                                    wo ihm schon mal eine Ratte über den Weg läuft.
                                    Und wo vor 70 Jahren der Filmklassiker „Der dritte
                                    Mann“ gedreht wurde. Chefkoch Wolfgang Zankl
                                    begegnen wir direkt am Tisch in seinem Restaurant
                                    „Pramerl & the Wolf“. Der Küchenmeister zaubert

    Medieninhaber: Wiener Tourismusverband, A-1030 Wien, Invalidenstraße 6, www.wien.info · Chefredakteur: Robert Seydel · Text: Susanna Burger, Karoline Gasienica-Bryjak, Helga Gerbl, Susanne Kapeller, Angelika Lechner, Robert Seydel · Lektorat: Renate Hofbauer ·
    Fotorecherche: Elisabeth Freundlinger · Produktion: Hermann Höger, Irmgard Steiner · Art Direction & Layout: seite zwei · Reinzeichnung: Kreativ · Evelyne Sacher-Toporek · Printed in Austria by Ferdinand Berger & Söhne GmbH

    Alle Angaben ohne Gewähr. Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Redaktionsschluss August 2018.

    Bildnachweise
    Cover Die Tiefe Kümmernis, KHM Wien © Paul Bauer Seite 2 Porträt Norbert Kettner: © WienTourismus/Peter Rigaud Seite 3 Inhalt siehe jeweilige Seiten Seite 4 Regenbogenparade: © Paul Bauer Seite 5 Die Tiefe Kümmernis, alle Fotos: © Paul Bauer · Mobile Tourist-
    Info: © WienTourismus/Paul Bauer Seite 6 Jean-Paul Vaugoin: © Stephan Huger/Jarosinski & Vaugoin Seite 7 Robert Comploj: © Stukhard · Glashütte Comploj: © Stukhard · Markus Scheer: © Peter Rigaud/Shotview · Billy TL Lampe Ilse Crawford Edition: © Andrea
    Ferrari/J. T. Kalmar GmbH · Ulrich: © Christof Wagner · Thonet Stuhl: © Thonet, www.thonet.de Seite 8 150 Jahre Wiener Staatsoper: © Wiener Staatsoper · Opernball: © WienTourismus/Peter Rigaud/Couture Vivienne Westwood Vienna · Oper live: © Wiener Staatsoper/
    Michael Pöhn · Staatsoper Fassade: © WienTourismus/Christian Stemper Seite 9 Restaurierung: © Wiener Staatsoper GmbH/Ashley Taylor · Manuela Fritz: © Florian Mair · Walter Kobéra: © Walter Kobéra/Foto Armin Bardel · Neue Oper Wien: Die Antilope: © Die
    Antilope/Neue Oper Wien/Foto Armin Bardel Seite 10 Wiener Sängerknaben: © www.lukasbeck.com Seite 11 Wiener Sängerknaben: © www.lukasbeck.com · Bösendorfer, intonieren: © L. Bösendorfer Klavierfabrik/Staudinger + Franke · András Schiff am Bösendorfer:
    © www.lukasbeck.com · Klimt-Flügel: © L. Bösendorfer Klavierfabrik Seite 12, 13 3. Mann/Kanal: © Rainer Fehringer Seite 14 Loosbar: © WienTourismus/Peter Rigaud · Zum Schwarzen Kameel: © WienTourismus/Peter Rigaud · Susanne Widl: © Deutsch Gerhard/
    KURIER/picturedesk.com Seite 15 Stefanie Herkner: © Johannes Kernmayr · Buschenschank Wieninger: © Herbert Lehmann · Wolfgang Zankl (Pramerl & the Wolf): © Paul Bauer · Johannes Lingenhel & Robert Paget: © Ian Ehm · MuseumsQuartier: © WienTourismus/
    Christian Stemper Seite 16 Kasematten, Palais Coburg: © Palais Coburg Hotel Residenz · Sammlung alter Musikinstrumente: © KHM-Museumsverband · Restaurant Amador: © Uli Köb · Restaurant Tian: © Ingo Pertramer Seite 17 Flagshipstore Augarten: © Fotografie
    Walter Luttenberger · J. & L. Lobmeyr: © WienTourismus/Peter Rigaud · Stadtpalais Liechtenstein: © Palais Liechtenstein GmbH/www.oreste.com · Dorotheum: © R. R. Rumpler Seite 18 Das Loft: © WienTourismus/Christian Stemper · BirdYard: © Atelier Olschinsky ·
    Krypt: © krypt./Studio Mato Seite 19 Voodoo Jürgens: © Inés Bacher · Eröffnung Festwochen: © Inés Bacher · Buntspecht: © Alexander Gotter · Wiener Blond: © Theresa Pewal · Popfest: © Brugner/theyshootmusic.com Seite 20 Krieau: © Lichtfeld e.U. Jürgen
    Schindler Seite 21 Heustadlwasser: © Copyright: MA 42 – Wiener Stadtgärten · Liliputbahn: © Liliputbahn/Hochmuth · Ziegen am Müllberg: © MA 48/Krischanz Zeiler · Barockesel Enyeto: © Schottenhof · Alpaca: © Daniel Kovacs Seite 22 Tourist-Info: © Paul Bauer ·
    Vienna City Card: Kein Copyright · iPad: Kein Copyright Seite 23 Ostereier: © WienTourismus/Christian Stemper · Weihnachtsmarkt Schloss Schönbrunn: © WienTourismus/Christian Stemper · Opernball: © WienTourismus/Peter Rigaud/Couture Vivienne Westwood
    Vienna · Wiener Eistraum: © stadtwienmarketing/Jobst · viennacontemporary: Galerie Krinzinger © viennacontemporary: A. Murashkin · Vienna City Marathon: © VCM/Leo Hagen · Vienna Major: © Beach Majors_SHM · Ronacher: Bodyguard: © VBW · Musikfilm-Festival
    Rathausplatz: © WienTourismus/Christian Stemper · Sommernachtskonzert Schönbrunn: © Julius Silver
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                                                     HANDGEMACHT
                                                     IN WIEN
                                                        In Wien wird altes Handwerk in vielen Manufakturen
                                                        noch immer gelebt. Wir stecken die Nase neugierig
                                                        in die Werkstatt einer Silberschmiede, verbrennen
                                                        uns fast die Finger an den heißen Öfen einer Glas-
                                                        bläserei und blicken Schuhmachern bei ihrer
ZUR EUROPRIDE 2019 MIT DER                              minutiösen Arbeit über die Schulter.
                                                                                                             HAPPY BIRTHDAY,
TIEFEN KÜMMERNIS                                                                                             WIENER STAATSOPER!
   Von 1. bis 16. Juni 2019 findet die EuroPride
                                                                                                                 Eine der wichtigsten Opernbühnen der
   in Wien statt. Mehr als eine Million Besucher
                                                                                                                 Welt feiert 2019 ihren 150. Geburtstag.
   werden erwartet. Wir liefern einen ersten Blick
                                                                                                                 Wir beobachten die Restauratorin Manuela
   auf die Highlights. Und Dragqueen Die Tiefe
                                                                                                                 Fritz, wie sie die Wiener Staatsoper für die
   Kümmernis zeigt uns jetzt schon ihre Lieb-
                                                                                                                 große Party herausputzt. Und wir werfen
   lingsplätze in Wien.
                                                                                                                 einen Blick auf Wiens freie Opernszene.

                                                                                                             WIEN SCHMECKEN
                                                                                                                 Wo schmeckt Wien authentisch? Wo essen und
                                                                                                                 trinken die Wiener? Wo ist das kulinarische
                                                     DIE STADT UNTER                                             Leben der Stadt zuhause? Im Schwarzen Kameel,
                                                                                                                 beim Wieninger am Nussberg oder in der legen-
                                                     DER STADT                                                   dären Loosbar trifft man auf das echte Wien und
WIENER KLÄNGE FÜR                                       Vor 70 Jahren feierte der Film „Der dritte               auf echte Wiener Persönlichkeiten.
DIE WELT                                                Mann“ Weltpremiere. Gedreht wurde in
                                                        Wien unter anderem in der Kanalisation.
   Wir haben die vier Sängerknaben Laurin, Theo,
                                                        Wir haben die Kanaldeckel angehoben
   Yun-Jae und Julian einen Tag lang begleitet
                                                        und waren exklusiv in dieser faszinierenden
   und mit ihnen über ihre Begeisterung für die
                                                        Stadt unter der Stadt unterwegs.
   Musik gesprochen. Und Sie erfahren, warum
   der Klavierhersteller Bösendorfer Stars auf der
   ganzen Welt begeistert.

                                                                                                             VOM PRATER AUF DEN
                                                                                                             BERG AUS MIST
                                                                                                                   Während auf der Trabrennbahn Krieau die
                                                                                                                   Traber und im Prater die Liliputbahn ihre
                                                                                                                   Runden drehen, hüten in der Donaustadt
                                                                                                                   Pinzgauer Ziegen eine Mülldeponie. – Eine
                                                                                                                   entspannte Rundreise durch das tierische
                                                                                                                   Wien.
                                                     WIENER LIEDER &
                                                     WIENER COCKTAILS
                                                        Kreative Newcomer mischen das traditio-
                                                        nelle Wienerlied auf und lassen es in
LUXURIÖSES WIEN                                         andere Musikgenres einfließen. Und nach
                                                        dem Musikgenuss geht’s hoch hinaus
   Ob außergewöhnlicher Musikgenuss,
                                                        oder tief hinunter: Wien wartet mit außer-
   exklusives Shoppingerlebnis, exquisites
                                                        gewöhnlichen Bars und Cocktailkreatio-
   Dinner oder intimer Heiratsantrag im
                                                        nen auf.
   Museum – in Wien ist vieles möglich. Wir
   haben die besten Angebote für Luxus-                                                                       WIEN-INFOS & EVENT-HIGHLIGHTS
   liebhaber gesammelt.
                                                                                                              Alle Reiseinformationen auf einen Blick: von der Vienna
                                                                                                              City Card App bis zu allen Kontaktadressen, die Sie für
                                                                                                              Ihren perfekten Aufenthalt in Wien benötigen. Plus:
                                                                                                              alle Event-Highlights 2019.
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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    2019 findet die EuroPride in Wien statt. Zwei Wochen lang
    wird die Stadt an der Donau zum Hotspot für Europas                                                      T E X T: R O B E RT S E Y D E L
    LGBT-Community. Auch Dragqueen Die Tiefe Kümmernis
    freut sich darauf und zeigt uns ihre Wiener Lieblingsplätze.

                                                Eine Razzia in der New Yorker Szenebar „Stonewall Inn“           Zoo, Pride-Führungen durch Museen, Filmabende und ein
                                                brachte das Fass zum Überlaufen. Viele Homosexuelle,             EuroPride Pooltag im Schönbrunner Bad sind nur einige
                                                Dragqueens und Transsexuelle hielten sich zu dem Zeit-           der geplanten Events. Das Pride Village am Rathausplatz
                                                punkt in der Bar auf. Razzien gegen Schwulenlokale ge-           und ein Pride Park voraussichtlich im Sigmund-Freud-Park
                                                hörten schon seit längerem zum (schlechten) Stil der New         werden die Treffpunkte der EuroPride-Community. Hö-
                                                Yorker Polizei. Doch diesmal war alles anders: Die Betrof-       hepunkt der Feierlichkeiten wird die Regenbogenparade
                                                fenen setzten sich zur Wehr und schlugen letztendlich die        über die Ringstraße am 15. Juni 2019. Mehr als eine Milli-
                                                angerückte Exekutive in die Flucht. Fünf Tage dauerten die       on Besucher werden in Wien zur EuroPride 2019 erwartet.
                                                Unruhen in New York, die am 28. Juni 1969 begonnen hat-
                                                ten. Seither wird der Juni auf der ganzen Welt offiziell als     Mit dabei sein wird natürlich auch Dragqueen Die Tiefe
                                                Pride-Monat gefeiert. „Stonewall“ wurde zum Synonym              Kümmernis, die der EuroPride schon entgegenfiebert: „Am
                                                für den Kampf gegen Homophobie und für Gleichstellung            meisten freue ich mich auf die vielen Gäste, die zur Euro-
                                                und Akzeptanz.                                                   Pride nach Wien kommen. Ich finde es extrem anregend,
                                                      50 Jahre später wird dieses Jubiläum in Wien beson-        andere Künstler_innen und Performer_innen aus aller Welt
                                                ders groß gefeiert: bei der EuroPride, die von 1. bis 16. Juni   kennenzulernen. Trotz aller Unterschiede haben wir alle
                                                2019 in der Donaumetropole stattfindet – zum ersten Mal          einen gemeinsamen Nenner: unsere Begeisterung für die
                                                seit 2001 wieder. Und rechtzeitig zur Einführung der Ehe         LGBTIQ+ Community.“ Ihre Drag-Touren durch das Kunst-
                                                für alle in Österreich am 1.1.2019. Zwei Wochen lang werden      historische Museum Wien sind mittlerweile legendär. Ex-
                                                Informations-, Diskussions- und Kulturveranstaltungen so-        klusiv für das Wien Journal hat sie uns ihre Lieblingsplätze
                                                wie Partys Wien zum Zentrum der europäischen LGBT-Com-           in Wien gezeigt, die EuroPride-Besucher 2019 unbedingt
                                                munity machen: EuroPride Run, Pride Beach, Pride-Tag im          besuchen sollten.
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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                                                                                                                                               CAFÉ SAVOY
                                                                                                    „Eines der schönsten Cafés Wiens. Die bombastischen Spiegel im Inneren wurden im 19. Jahrhundert
                                                                                                    in Belgien hergestellt und sind die angeblich größten in Europa außerhalb von Schloss Versailles. Stil-
                                                                                                    voller können Schwule und Lesben ihren Kaffee oder ihren G’spritzten nicht genießen. Das Savoy ist seit
                                                                                                    vielen Jahrzehnten ein wichtiger Treffpunkt der Wiener LGBT-Community – direkt am Naschmarkt, un-
                                                                                                    weit der anderen Szenelokale im 6. Bezirk.“

                                 KAISERBRÜNDL HERRENSAUNA
                          „Diese Schwulensauna ist in jeder Ecke voll mit Ge-
                          schichte. Hier bekam Erzherzog Ludwig Viktor, der
                          jüngere, schwule Bruder Kaiser Franz Josephs, auch
                          ‚Luziwuzi‘ genannt, mutmaßlich eine Ohrfeige für
                          einen Flirt mit einem Mann. Im Labyrinth können sich
                          Besucher auch heute noch stundenlang verlieren
                          und ihren Spaß haben. Besonders schön: die eroti-
                          schen neo-barocken Wandmalereien von Stefan Riedl
                          und der historische Lichthof aus dem 19. Jahrhundert.“

                                                                                                                                                                          SISI-DENKMAL/VOLKSGARTEN
                                                                                                                                                  „Dieser versteckte Ort, an dem Sisis Denkmal im Volksgarten errichtet wurde, ist einer
                                                                                                                                                  der schönsten und romantischsten Plätze der ganzen Stadt. Für manche ist die Kaise-
                                                                                                                                                  rin vielleicht das Abbild einer schwülstigen, imperialen, romantischen Fantasie. Andere
                                                                                                                                                  sehen in ihr eine moderne, selbstbestimmte Frau. Vielleicht kann man sie, im Sinne
                                                                                                                                                  der schwulen Camp-Ästhetik, sogar als Vorläuferin der Diven des 20. Jahrhunderts be-
                                                                                                                                                  trachten – in einer Reihe mit Marlene Dietrich, Elizabeth Taylor und Lady Di.“

                                                                                          TÜRKIS ROSA
                                                                                           LILA VILLA
                                                                                   „Seit der Besetzung durch Ak-
                                                                                   tivist_innen im Jahr 1982 ist
                                                                                   dieses Haus die wichtigste In-
                                                                                   stitution in Wien für politisch
                                                                                   aktive Queer-Personen. Neben
                                                                                   zwei Beratungsstellen gibt es
                                                                                   dort im ‚Freiräumchen‘ wech-
                                                                                   selnde Veranstaltungen, Kurse
                                                                                   und manchmal auch Partys.
                                                                                   Außerdem operiert der erfolg-
                                                                                   reiche Verein Queer Base, der
                                                                                   LGBTIQ+-Flüchtlinge unter-
                                                                                   stützt, aus der Villa heraus.
                                                                                   Nicht zu vergessen: das Café
                                                                                   Willendorf, das sehr leckeres
                                                                                   Essen serviert. Inklusive wun-
                                                                                   derschönem Innenhof!“

      HRDLICKA-DENKMAL
„Das Mahnmal gegen Krieg und Faschis-
mus von Alfred Hrdlicka erinnert uns
daran, dass die Pride nicht nur eine gro-
ße Party ist, sondern einen wichtigen
Anlass hat: die Auflehnung gegen Unter-
drückung und Gewalt. Anders als in
Berlin gibt es in Wien kein eigenes
Mahnmal für die im Nationalsozialismus
verfolgten Homosexuellen. Vielleicht
schaffen wir es noch, in Zukunft eines
zu erwirken? Bis dahin tröstet mich
der Gedanke, dass in diesem Mahnmal
alle Opfergruppen vereint sind. In
der Solidarität liegt die Kraft.“

                                                                                                                                                                                    RATHAUSPLATZ
                                                                                                                                                  „Wir sind hier im Herzen der Stadt, direkt vor dem Wiener Rathaus. Interessanterwei-
                                                                                                                                                  se hat sich in der südlichen Hälfte des Parkes bis heute eine der wichtigsten ‚Begeg-
                                                                                                                                                  nungszonen für Männer‘ in dieser Stadt gehalten.“

  KUNSTHISTORISCHES MUSEUM WIEN
„Im Kunsthistorischen Museum Wien habe ich vor                                                                Der WienTourismus ist seit Sommer 2018 mit einer
zwei Jahren begonnen, regelmäßig Führungen in                                                                  mobilen Tourist-Info in Regenbogenfarben in der
Drag zu geben. Es ist mir dabei wichtig, aus den
Sammlungen Informationen über queere Menschen                                                                  Stadt unterwegs, um Besucher auf die EuroPride
in früheren Zeiten herauszukitzeln, die man auf den                                                           2019 hinzuweisen und Touristen alle nötigen Infos
ersten Blick übersehen würde. Hier ist ein Bild, das ich
                                                                                                      INFO

besonders mag, auch wenn es keinen Bezug zu quee-
                                                                                                               für ihren perfekten Aufenthalt in Wien zu liefern.
ren Lebensformen hat: das ‚Venusfest‘ von Rubens
aus der Zeit um 1636/37. Der Maler überwältigt un-                                                                                 Infos:
seren Sehsinn mit einem Überangebot an bewegten                                                                           www.europride2019.at
Körpern, Früchten, verschiedensten Pflanzen, Skulp-
                                                                                                                             LGBT.vienna.info
turen und viel nackter Haut. Barock pur!“
                                                                                                                         europride2019.vienna.info
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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                                                                                                                                            T E X T: S U SA N N E K A P E L L E R

    Jean-Paul Vaugoin und Silbermeister Yakup Kurter (li.)
    lassen in die einzigartige Werkstatt blicken.

            Wien ist eine Stadt der Wunder-
           kammern, altes Handwerk wird in                   Wie durch ein Wurmloch schlüpft man beim Betreten des         speckigen Arbeitstischen aus Holz. Sie hämmern, feilen
              vielen Manufakturen nach wie                   Geschäfts in der Zieglergasse 24 in eine andere Zeit und      und schleifen das Silber und polieren es auf, alles in Hand-
            vor gelebt. Wir stecken die Nase                 findet sich in dem antiquierten Schauraum der traditi-
                                                             onsreichen Silberschmiede Jarosinski & Vaugoin wieder.
                                                                                                                           arbeit. Der Geruch von Metall und Polierpaste liegt in der
                                                                                                                           Luft. Chemische Flüssigkeiten für die Galvanisierung bro-
             neugierig in die Werkstatt einer                Jean-Paul Vaugoin, Erbe in sechster Generation, ist eine      deln in großen Wannen. Zahlreiche Arbeitsschritte später
           Silberschmiede, verbrennen uns                    distinguierte Erscheinung und empfängt die Kunden mit
                                                             perfekten Manieren. Stolz holt er ein üppig verziertes Ta-
                                                                                                                           findet so manche Silberware sogar ihren Weg bis in die
                                                                                                                           entferntesten Königshäuser Arabiens und Malaysias. Und
           fast die Finger an den heißen Öfen                felbesteck der Barockzeit aus der Vitrine, macht Scherze      auch ganz moderne Designs entstehen hier.
             einer Glasbläserei und blicken                  über einen Hendlhaxen-Halter und erzählt die Geschich-
                                                             te, warum seine Vorfahren Repliken der berühmten Salie-
                                                                                                                                 Besonders edle Stücke der 1847 gegründeten Silber-
                                                                                                                           manufaktur stellt Vaugoin im hauseigenen Museum aus.
           Schuhmachern bei ihrer minutiösen                 ra von Benvenuto Cellini anfertigen durften (es war für ei-   Wie sehr Wien schon immer eine Stadt der Zuwanderung
                 Arbeit über die Schulter.                   nen Staatsbesuch der jungen Queen Elizabeth II. in Wien).
                                                             Wohin man auch schaut, alles glänzt.
                                                                                                                           war, zeigt auch das Unternehmen: Die Familie Vaugoin kam
                                                                                                                           mit Napoleon nach Wien und ist geblieben, Yakup Kurter –
                                                                   Jean-Paul Vaugoin lässt auch in die Werkstatt im Hin-   der Silbermeister des Betriebs – ist vor 35 Jahren aus Sy-
                                                             terhof des Biedermeier-Hauses blicken. Hier sieht es aus      rien eingewandert.
                                                             wie vor 100 Jahren. Die Silberschmiede sitzen an ihren
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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            Voller Körpereinsatz ist von Robert Comploj
            bei der Arbeit in seiner Glasbläserei gefragt.

                                                                                                                 Das Geschäft der Glashütte Comploj im
                                                                                                                 7. Bezirk sieht aus wie eine moderne Galerie.

                                                                                                                   EIN REVOLUTIONÄRER GLASBLÄSER                         seine Ausbildung als orthopädischer Schuh-
                                                                                                               Nur ein paar Schritte weiter, ebenfalls im                machermeister und Symbol dafür, wie wich-
                      Die jährliche Vienna Design Week im Herbst                                               7. Bezirk, bietet die Glashütte Comploj ein opti-         tig ihm die richtige Passform von Schuhen ist.
           TIPP

                     bietet ebenfalls einen Einblick in Wiener Manu-                                           sches Kontrastprogramm. Wie in einer moder-                     Vom ersten Maßnehmen bis zum ferti-
                            fakturen und Traditionsbetriebe.                                                   nen Galerie sind in einem stylischen Shop Va-             gen Schuh dauert es bei Scheer ein halbes
                                                                                                               sen, Schalen und Kugeln auf weißen Podesten               Jahr. Für ein Paar handgemachter Maßschu-
                                                                                                               ausgestellt. Die Glasobjekte überraschen mit              he sind rund 60 Arbeitsstunden nötig. Die
                                                                                                               ungewöhnlichen Farben und außergewöhn-                    Werkstatt befindet sich über dem traditions-
                                                                                                               lichen Strukturen. Und noch größer ist die                reichen Geschäft, hier wurden schon Schuhe
                                                                                                               Überraschung, wenn Robert Comploj um die                  für Kaiser Franz Joseph angefertigt. Dessen
                                                                                                               Ecke biegt. Hipster-Brille, schwarzes T-Shirt             Leisten sind ebenso wie zahlreiche histori-
                                                                                                               und zerzauste Haare, so stellt man sich nor-              sche Schuhmodelle im Erdgeschoß ausge-
                                                                                                               malerweise keinen Glasbläser vor. Der junge,              stellt. Ursprünglich ein reiner Schuhmacher
                                                                                                               sympathische Glasmacher stellt hier, mitten               produziert Scheer nun auch Taschen, Gürtel
                                                                                                               in Wiens Kreativ- und Bobo-Bezirk, die Glas-              und Koffer. Das exklusive Geschäft atmet Ge-
                                                                                                               waren selbst her. Robert Comploj hat bei den              schichte, ohne altmodisch zu sein. Und der
                                                                                                               Glasmeistern in Murano gelernt und kom-                   feine Duft von Leder liegt überall in der Luft …
                                                             Die „Billy TL Table Lamp Ilse Crawford            biniert die alte venezianische Technik nun
                                                             Edition“ der Kalmar Werkstätten wur-
                                                             de mit dem German Design Award 2018
                                                                                                               mit seinen eigenen, innovativen Methoden.                          MODERNES LAMPENDESIGN
                                                             ausgezeichnet.                                          In der Schauwerkstatt ist es heiß, denn die         Designer Garth Roberts stöbert gerne in den
                                                                                                               Öfen brennen unaufhörlich. Hier ist Comploj               Archiven des Wiener Traditionsbetriebes
                                                                                                               in seinem Element: Feinfühlig formt und bläst             J. T. Kalmar, dessen Lampen auf der ganzen
                                                                                                               er das Glas, obwohl er seinen Zugang zu                   Welt heiß begehrt sind. Vor allem die Origina-
                                                                                                               Glas selber als „punkig“ bezeichnet. Er formt             le aus der Zeit des österreichischen Werkbun-
                                                                                                               das Glas auch gerne mit der Hand und ris-                 des stehen bei Auktionen und in Vintage-Ge-
                                                                                                               kiert die eine oder andere Verbrennung. Sein              schäften hoch im Kurs, denn ihre Formen
                                                                                                               Wissen gibt er auch in Workshops weiter.                  entsprechen der Designkultur des 21. Jahr-
                                                                                                                                                                         hunderts. Auch Garth Roberts ist von den
                                                                                                                         EDLE SCHUHE NACH MASS                           Werkbund-Entwürfen fasziniert. Er erweckt
                                                                                                               Die Werkstatt des ehemaligen k. u. k. Hofschuh-           den österreichischen Modernismus zu neu-
                                                                                                               machers Scheer ist dagegen von Stille durch-              em Leben und bringt als Kreativchef der Mar-
                                                                                                               zogen. Mit höchster Konzentration sitzen die              ke Kalmar Werkstätten eine Neuinterpretation
            Inmitten alter Familienmöbel arbei-                                                                Schuhmacher über ihrer Arbeit, auf Schuster-              von Werkbund-Entwürfen heraus. Die Ergeb-
            tet Markus Scheer konzentriert an den                                                              schemeln an niedrigen Arbeitstischen. Unter               nisse sprechen eine zeitgemäße Designspra-
            handgemachten Schuhen.
                                                                                                               ihnen Markus Scheer, der das über 200 Jahre               che: Sie sind minimalistisch, funktionell und
                                                                                                               alte Unternehmen in siebter Generation führt.             aus hochwertigen Materialien. Charakteris-
                                                                                                               Sein Markenzeichen ist ein Orthopädiekittel,              tisch für Kalmar sind die filigranen Stand-
                                                                                                               den er beim Arbeiten trägt. Ein Hinweis auf               füße der Modelle Fliegenbein und Hase.

                                                                                                                                              Der Wiener Kaffeehaus-Stuhl fügt sich auch wunderbar in
                                                                                                                                              modernes Ambiente – wie im Szenelokal Ulrich.

                       Thonet und
                  das Wiener Kaffeehaus
            DER WIENER KAFFEEHAUS-STUHL VON THONET IST EINE DESIGNIKONE. DIE EINZIGARTIGE
               ERFOLGSGESCHICHTE DES WELTBEKANNTEN SESSELS BEGANN VOR 160 JAHREN.

Er ist das berühmteste Wiener Designmöbel und untrennbar                  Und der Sessel ließ sich in sechs Einzelteile zerlegen – und
mit dem Kaffeehaus verbunden: Der Sessel-Klassiker                        somit in alle Welt verschicken.
Nr. 14 von Thonet gilt als traditioneller Wiener Kaffeehaus-
Stuhl. Die Rückenlehne dieses Sessels besteht nur aus                                            HAPPY BIRTHDAY!
zwei Holzbögen und ist damit das Paradebeispiel der auf                   2019 feiert der Stuhl Nr. 14, der mittlerweile unter der
                                                                                                                                                                                                          Ikonische Form, höchste Funktionalität – dadurch

Bugholzmöbel spezialisierten Firma Thonet. Mit seiner                     Nummer 214 geführt wird, seinen 160. Geburtstag und
                                                                                                                                                                                                          wurde der Stuhl Nr. 14 von Thonet zum Design-

Erfindung, massives Holz durch Wasserdampf zu biegen,                     ist das meistproduzierte Sitzmöbel der Welt. Zahlreiche
revolutionierte Michael Thonet einst die Möbelproduktion.                 weitere Sessel von Thonet wurden zu Ikonen der
       Der gebürtige Rheinländer kam auf Einladung von                    Designgeschichte. Adolf Loos und Otto Wagner entwarfen
Fürst Metternich nach Wien und ließ sich hier nieder.                     ebenso Modelle für Thonet wie Josef Frank.
1849 gründete er in Wien eine eigene Werkstatt. Doch                           Wer Probe sitzen möchte: Der Thonet-Sessel Nr. 14 ist
schon bald verlegte Michael Thonet die Produktion nach                    heute noch in typischen Wiener Kaffeehäusern zu finden: im
Mähren, wo es ausreichend Holz und billigere Arbeitskräfte                Café Tirolerhof, bei den ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten
gab. Aus der Werkstatt „Gebrüder Thonet“ wurde ein                        L. Heiner im 1. Bezirk sowie der Conditorei Sluka beim
Industrieunternehmen mit Weltgeltung, dessen Wurzeln in                   Rathaus und im Café Weimar bei der Volksoper. Und auch
Wien liegen. Das neue, arbeitsteilige Herstellungsverfahren               in modernes Design findet sich der Sessel perfekt ein, wie
ermöglichte erstmals eine industrielle Serienfertigung.                   der aktuelle Thonet 214 im Café Ulrich zeigt.
                                                                                                                                                                                                          klassiker.
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
8

                                                                           Beim Wiener Opernball verwandelt sich die
                                                                           Wiener Staatsoper zum berühmtesten Ballsaal der Welt.

                                                                           Oper live am Platz: gratis Operngenuss für alle

                                       T E X T: S U SA N N A B U R G E R

                                                                           Der helle Farbton der Fassade spiegelt sich nach der
                                                                           Restaurierung innen wider.

                                                                            Vielfältig wie nirgends sonst ist sie, die
                                                                            Wiener Opernlandschaft. Die Nummer
                                                                            eins unter den Opernbühnen der Stadt
                                                                            und eines der ersten Häuser weltweit
                                                                            ist die Wiener Staatoper. 2019 feiert sie
                                                                            ihr 150-jähriges Bestehen: frisch heraus-
                                                                            geputzt nach Restaurierung und mit
                                                                            Jubiläumsprogramm.

                                                                           Alles begann mit Zweifel und Skandal: Die Architekten August Sicard von
                                                                           Sicardsburg und Eduard van der Nüll wurden schon in der Bauphase der
                                                                           Hofoper von der Presse und den ebenso ungnädigen Wienern kritisiert.
                                                                           Durch die nachträgliche Anhebung des Ringstraßen-Niveaus schien die
                                                                           Oper einen Meter zu tief im Boden zu stecken, was ihr die Benennung
                                                                           „versunkene Kiste“ einbrachte. Die beiden Architekten sollten die Eröff-
                                                                           nung „ihres“ Opernhauses am 25. Mai 1869 mit Mozarts „Don Giovanni“
                                                                           in der Anwesenheit des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth nicht
                                                                           mehr erleben: Der sensible van der Nüll beging Selbstmord, Sicardsburg
                                                                           erlag einem Schlaganfall. Der Kaiser soll sich van der Nülls Tod derart
                                                                           zu Herzen genommen haben, dass er fortan stets dasselbe höfliche Ur-
                                                                           teil abgab: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“

                                                                                                  ZU RECHT NUMMER EINS
                                                                           Die heute gezeigten Inszenierungen sind ein Kaleidoskop aus 50 Jah-
    150 Jahre Opernhaus am Ring:                                           ren Operngeschichte – von bewährten Klassikern bis zu zeitgenössi-
    von der k. k. Hofoper zur heuti-                                       scher Regie. Alle großen Sänger treten hier auf, die 1.709 Sitzplätze
    gen Wiener Staatsoper
                                                                           sind Abend für Abend so gut wie vollständig besetzt. Jährlich stehen
                                                                           in rund 350 Vorstellungen mehr als 60 verschiedene Opern- und Bal-
                                                                           lettwerke auf dem Spielplan. Die Wiener Staatsoper ist das Haus mit
                                                                           dem größten Repertoire.
                                                                                Im Orchestergraben agiert das einzigartige Staatsopernorchester,
                                                                           dessen Musiker in Personalunion den Klangkörper der Wiener Philhar-
                                                                           moniker bilden. Bei „Oper live am Platz“ wird das Geschehen live (und
                                                                           gratis) auf eine Riesenleinwand auf den Platz vor dem Operngebäude
                                                                           übertragen. „Wiener Staatsoper live at home“ bringt Vorstellungen mit
                                                                           digitalen Geräten in die Wohnzimmer der ganzen Welt. Beim jährlichen
                                                                           Opernball wird gelacht, getanzt und gefeiert, und spezielle Kinder-
                                                                           opern führen den Nachwuchs in die Welt der Oper ein.
                                                                                Die Wiener Staatsoper ist nicht nur während der Vorstellungen
                                                                           einen Besuch wert: Führungen oder die Online-Panoramatour vom
                                                                           Schnürboden bis zur Unterbühne rücken das Architekturjuwel im Stil
                                                                           der Neorenaissance ins rechte Licht.

                                                                                                     … UND MAN FEIERT …
                                                                           Die Staatsoper begeht ihr Jubiläum „150 Jahre Opernhaus am Ring“ viel-
                                                                           fältig: am 25. Mai 2019 mit einem Festakt und der Premiere von Richard
                                                                           Strauss‘ „Die Frau ohne Schatten“ und am 26. Mai mit einem Jubiläums-
                                                                           fest für alle am Platz vor der Oper. Dazu kommen zwei Ausstellungen
                                                                           (in der Oper und im Theatermuseum), ein Symposium, Streamings und
                                                                           einige Überraschungen mehr.
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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                                                                                                     „Nur Michelangelo ist
                                                                                                     gelegen beim Malen.“
                                                                                  ERSTRAHLEN SOLLTE DIE STAATSOPER WIEDER, IM WAHRSTEN SINN DES WORTES HERAUSGEPUTZT FÜR IHR
                                                                                 150-JÄHRIGES JUBILÄUM. DAFÜR SORGTE MASSGEBLICH DIE RESTAURATORIN MANUELA FRITZ, DIE SICH FÜNF
                                                                                      MONATE MIT IHREM ZEHNKÖPFIGEN TEAM ZENTIMETERWEISE DURCHS VESTIBÜL GEARBEITET HAT.

                                                                                „Ich bin mit Stein aufgewachsen“, erzählt Manuela Fritz.                                    WIENER GOLD
                                             Manuela Fritz, Restauratorin und   Ein Stein wurde ihr zwar nicht in die Wiege hineingelegt,             Manuela Fritz ist Kundin der Firma Wamprechtsamer: Das
                                             freischaffende Bildhauerin         das Material umgab sie jedoch von klein auf im elterlichen            ist eine Wiener Blattgoldschlägerei, die seit 1906 hauch-
                                                                                Steinmetzbetrieb in der Steiermark. Verschiedene Ausbil-              dünne Blätter des edlen Metalls herstellt. Der letzte Schlag-
                                                                                dungswege führten sie von der Kunstakademie bis zum                   prozess wird noch immer per Hand ausgeführt. Das Wiener
                                                                                Studium der Restaurierung in Italien. Heute ist sie eine der          Gold glänzt etwa an der Pallas Athene vor dem Wiener Par-
                                                                                Besten ihres Fachs, und dazu freischaffende Bildhauerin.              lament, in Schloss Schönbrunn und am Kaiserkreuz auf
                                                                                                                                                      dem Großglockner. Herr Wamprechtsamer erinnert sich
                                                                                                     MEHR ALS EIN JOB                                 an seine Kindheit, als sein Vater mit dem Pferdefuhrwerk
                                                                                In der Staatsoper deckte sie mit ihrer Crew den Bereich               das Gold für die Staatsoper ausgeliefert hat. Heute holt es
                                                                                Stuck, Stuckmarmor (unechter Marmor), Stucco lustro                   Manuela Fritz ab. Der Materialwert ist beachtlich, denn in
                                                                                (Marmormalereien) und Vergoldung ab. Ziel der Restaurie-              der Oper ist meist echt Gold, was glänzt. Aufgetragen wird
                                                                                rung war die Wiederherstellung des ursprünglichen Zu-                 das hauchdünne Blattgold auf einen mit einem Ölfilm be-
                                                                                stands. Das Farbkonzept der Oper setzte sich einst flie-              strichenen Untergrund, der die genau passende klebrige
                                                                                ßend von außen nach innen fort: von hellem Naturstein                 Konsistenz haben muss – eine Frage des richtigen Timings,
                                                                                zu hellem Ocker mit Goldauflagen. Die Ära der „dunklen                sonst „ersäuft“ das Gold.
                                                                                Höhle“ ist nun vorbei.                                                      „Bei einem Projekt wie diesem entsteht eine Bezie-
                                                                                      Allein das Anmischen der richtigen Farben dauerte               hung zu den Dingen, die man formt“, meint Manuela Fritz.
                                                                                eineinhalb Wochen – jede Probe musste erst antrocknen,                „Ich gehe sie dann immer besuchen, ‚meine‘ Objekte. Auch
                                                                                und das künstliche Licht oben am Gerüst machte den                    in der Oper mache ich ab und zu eine Runde. Und muss
                                                                                Vor-Ort-Farbvergleich zum Original nicht leichter. Solche             lachen, wenn ich – erfolglos – zwei Stellen ganz oben auf
                                                                                Arbeiten sind anstrengend, sowohl was die Konzentration               der Decke suche, die ich nach dem Gerüstabbau mit ei-
                                                                                als auch die Position betrifft. „Nur Michelangelo ist gelegen         nem acht Meter langem Pinselstab von unten korrigiert
                                                                                beim Malen. Wir stehen“, erklärt die Restauratorin lachend.           habe. Ich hab’s geschafft!“
                                                                                Oft muss über Kopf gearbeitet werden. Im Team sind die
                                                                                Aufgaben fix verteilt, jeder bleibt bei „seiner“ Sache: Kitten,
                                                                                Schleifen, Anfertigen der Nachgüsse, Reinigen mit Pinsel
                                                                                und Wattestäbchen, Festigen, Übermalen …
                                                                                      Die Marmormalereien zum Beispiel stammen aus-
                                                                                nahmslos von Manuela Fritz: eine ihrer Lieblingsbeschäf-
                                                                                tigungen, zudem sehr individuell. Man würde sehen, hät-
                                                                                te eine andere Hand mitgemalt.
                                                                                      Die meisten Schäden im Vestibül waren dem Kondens-
                                                                                wasser geschuldet. An manchen Stellen sieht man leider
                                                                                genau, dass sich fragwürdige Opernbesucher fragwürdi-
            Neuer Glanz in der Staatsoper zum 150. Geburtstag                   ge Erinnerungsstücke abgebrochen haben. Diese Schäden
                                                                                hören oberhalb der Griffweite plötzlich auf.

               Die andere
               Opernwelt
  MODERN, MUTIG, KOMPROMISSLOS KREATIV: SO PRÄSENTIERT
  SICH DAS SCHAFFEN DER FREIEN WIENER OPERNSZENE. ZEIT-
  GENÖSSISCHES MUSIKTHEATER ERSCHLIESST NEUE KLANG-
   WELTEN UND RÄUME, VERLANGT DEM PUBLIKUM ETWAS AB,
  GIBT ABER AUCH VIEL. WALTER KOBÉRA, SCHÜSSELFIGUR UND
   LEITER DER NEUEN OPER WIEN, IM INTERVIEW ÜBER RÄUME
                     UND WOHLKLANG.

WAS IST DAS „FREIE“ AN DER NEUEN OPER WIEN?
      WK: Wir haben keine fixe Spielstätte. Das ist aber kein Manko,
      sondern versetzt die Neue Oper Wien in die Lage, auf die spe-                                                                                                „Die Antilope“: Oper des österreichischen
      ziellen Eigenheiten eines Musiktheaters eingehen zu können.                                                                                                  Komponisten Johannes M. Staud (Produktion
                                                                                                                                                                   der Neuen Oper Wien 2017/18)
      Sowohl dramaturgische als auch akustische Aspekte können
      in die Auswahl des Aufführungsortes einfließen.

VOM ORT ZUR PRODUKTION: WELCHEN WERKEN WIDMEN SIE SICH?
     WK: Das Programm der Neuen Oper Wien steht auf drei Säu-
     len: Wiederentdeckungen des 20. Jahrhunderts – Österreichi-
     sche Erstaufführungen – Uraufführungen. So werden wir 2019
     Bernhard Langs „Reigen“ als österreichische Erstaufführung
     und Peter Eötvös‘ Oper „Angels in America“ zeigen.

INWIEFERN SPRENGEN DIE ARBEITEN DER NEUEN OPER WIEN DIE
KONVENTIONELLE OPERNFORM?
      WK: Der Neuen Oper Wien geht es um Auseinandersetzung in
      musikalischer und inhaltlicher Hinsicht, ganz wichtig: mit so-
      zialkritischer Relevanz. Die Oper, wie wir sie verstehen, ist ein
      Experimentierfeld, das wir für ein waches Publikum kreativ
      bearbeiten. Ziel ist sicher nicht, unterhaltsam-beschaulichen
      Wohlklang zu schaffen.
                                                                                 Walter Kobéra ist Intendant der Neuen Oper Wien und einer der füh-
                                                                                 renden Dirigenten zeitgenössischen Musiktheaters.
"In Wien kann ich sein, wer ich bin." - Wien.info
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                                                                                                          Die Wiener Sängerknaben sind mit 515 Jahren die
                                                                                                     traditionsreichste Boygroup der Welt. Mit 300 Auftritten
                                 T E X T: S U SA N N A B U R G E R
                                                                                                       jährlich auch die fleißigste. Einen Tag lang dürfen wir
                                                                                                     an ihrem Leben teilnehmen. Und erfahren, was vier Buben
                                                                                                            aus dem Schubert-Chor so alles draufhaben.

                                                              Laurin, Theo, Yun-Jae und Julian sind für jeden Spaß zu haben.

     Der Sportplatz im großzügigen Augarten-Areal

                                                                                          Es ist ein ebenso heißer wie ereig-          singen! „-uja“ ist richtig!“ Was er mit    Der am weitesten Angereiste ist Julian
                                                                                          nisreicher Junitag bei und mit den           dem österreichischen Dialekt meint,        aus Hongkong. Er hat in seiner Heimat
                                                                                          Wiener Sängerknaben: Wie durch eine          ist allen klar, sind sie auch eine noch    einmal die Sängerknaben live gehört
                                                                                          Schleuse gelangt man in eine ande-           so international durchmischte Trup-        und wollte unbedingt dabei sein. Nach
                                                                                          re Welt, denn das automatische Ein-          pe. Zwischendurch werden einzelne          Workshops und einer Probewoche zu-
                                                                                          gangstor braucht gefühlte drei Minu-         zur Stimmbildung mit Sängerknaben-         hause erfüllte sich sein Traum. Auf die
                                                                                          ten zum Öffnen. Der erste Eindruck           Leiter Gerald Wirth geholt. Beim indi-     Frage, was einen Sängerknaben aus-
                                                                                          ist grün, denn die jungen Gesangs-           viduellen Training geht es konzentriert    macht: „Wir alle mögen Musik. Wir
                                                                                          talente sind im Augarten daheim,             zu. Erstaunlich, wie die professionellen   lieben es zu singen.“ – Keine Über-
                                                                                          dem früheren Jagdgebiet des Kaisers.         Erklärungen in der Sekunde Verbesse-       raschung, aber hier vor Ort spürba-
                                                                                          Mächtige Platanen aus der Zeit Maria         rungen bringen. Währenddessen ar-          re Realität.
                                                                                          Theresias spenden Schatten. Gegen-           beitet der Chor in der zweistündigen            Ähnlich Yun-Jaes Vorgeschich-
                                                                                          über von Sportplatz und Park ist im          Probe weiter an Haydns Paukenmes-          te: Auch der Süd-Koreaner fing nach
                                                                                          über 300 Jahre alten Palais Augarten         se, für die Sonntagsmesse in der Hof-      einem Tournee-Konzert Feuer. Mit
                                                                                          der Musiktrakt mit Proberäumen und           burgkapelle.                               zehn Jahren kam er her, konnte we-
                                                                                          das Gymnasium untergebracht. Hier                                                       der Deutsch noch die europäische
                                                                                          übt gerade der Schubert-Chor. Das                  WIR LIEBEN ES ZU SINGEN              Schrift. „Aber er lernt wirklich sehr
                                                                                          ist einer der vier Chöre der Wiener          In einer Probenpause erzählen vier         schnell!“, tönt es von Theo an seiner
                                                                                          Sängerknaben. Die 25 Buben proben            Mitglieder des Schubert-Chors aus          Seite. Er ist stolz auf seinen Freund.
     Theo, Yun-Jae und Julian                                                             Mahlers 3. Symphonie, die demnächst          ihrem Leben: Da ist Laurin, der Äl-        Der herzliche Theo ist Wiener. Seine
     stürmen zum Essen.                                                                   im Wiener Konzerthaus aufgeführt             teste und nur mehr bis Sommer da-          Musikalität wurde schon im Kindergar-
                                                                                          wird.                                        bei. Er wuchs 70 Kilometer von Wien        ten bestaunt. Auf Reisen liebt er die
                                                                                                                                       entfernt auf, mit einer gewissen Sän-      Freizeitgestaltung: „Man bekommt viel
                                                                                                  VOM RICHTIGEN BIMM                   gerknaben-Affinität, denn schon drei       zu sehen vom Land. Wir machen auch
                                                                                          Der Chorleiter sorgt für den Fein-           seiner Brüder waren hier. Laurin ist       Sightseeing. Und waren in Disneyland
                                                                                          schliff. Er erklärt etwa, wie man es         Tournee-Fan und erzählt von Deutsch-       Shanghai und in einem Vergnügungs-
                                                                                          schafft, das „mm“ von „bimm bamm“            land, China, Australien und Taiwan.        park in Taiwan.“
                                                                                          im fünften Satz in der richtigen Tonhö-      Ein Auftritts-Lieblingsort ist das nahe
                                                                                          he zu singen. – Ein Rätsel für Laien …       MuTh – der moderne, akustisch per-             ALLES BUNT DURCHMISCHT
                                                                                          Bei einem anderen Stück prusten die          fekte Konzertsaal am Augartenspitz,        Ehrlich gibt er Auskunft über seine
                                 Yun-Jae und Laurin in der Schneiderei. Bei 100 im
                                 Wachstum befindlichen Knaben, die 80 Mal jährlich        Knaben herzlich los, als er knackig kor-     wo die Friday-Afternoon-Konzerte und       Lieblingsmusik: „Manche Stücke sind
                                 auftreten, gibt es viel zu tun mit Nadel und Faden.      rigiert: „Nicht steirisch „Allllellluiiia“   Kinderopern stattfinden.                   anstrengend und eher langweilig.
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Aber das ist nicht sehr häufig. Wir singen meist spannen-      Im Park posieren die Jungs ganz dynamisch beim Shoo-
de und lustige Lieder wie Polka und Walzer. Von Johann         ting. Das macht richtig Spaß, mit Springen, Laufen, Ab-
Strauss. Weiters moderne Lieder, aber auch Barock und          stoppen. – Der Fotograf wird nur beinahe umgerannt ...
Renaissance. Alt bis neu. Alles bunt durchmischt.“                   Am Sportplatz kommt der Basketball zum Einsatz, in
      Ein verglaster Gang führt vom Palais Augarten in den     der Schwimmhalle steht Wasserball auf dem Programm.
modernen Internat-Zubau, wo die Kinder schlafen, essen,        Mit höchstem Körpereinsatz bearbeiten die Buben in der
werken und im großzügigen eigenen Schwimmbad spor-             Werkstunde große hölzerne Schachfiguren mit Stemm-
teln. Fixeinrichtung in jedem Stockwerk: Wasserspender         eisen, Säge und Feile. Beruhigend und nicht ganz ernst
und ein Tisch mit Essbarem für den akuten Hunger zwi-          gemeint wird erklärt: „Fürs Singen braucht man die Hände
schendurch. Beim Mittagessen im Internat ertönt ein spon-      nicht.“
tanes Geburtstagsständchen. – Ja, auch die Sängerkna-                In Physik geht es um die Lehre vom Schall. Debattiert
ben singen „Happy Birthday“. Natürlich mehrstimmig und         wird, warum der Wind etwas „vertragen“, also leiser ma-
astrein.                                                       chen, kann. Zwischendurch beweist ein Schüler, dass er
      In der Schneiderei ziehen Laurin, Theo, Yun-Jae und      30 Stellen der Zahl Pi auswendig weiß – hier gibt es Talen-
Julian extra für uns die Uniformen an: die blaue Galauni-      te auf vielen Gebieten.
form beziehungsweise die leichtere weiße. Bei der Türe               Musikerziehung, heute zu Rhythmik, ist die letzte Un-
steht eine mit „Reserve“ beschriftete Box, mit Uniformen       terrichtsstunde, dann verabschieden sich die sympathi-
für die Tournee. Darunter eine Notfall-Variante mit Reißver-   schen Vier herzlich – Zeit fürs Abendessen.
schluss am Ärmel, um eine Gipshand durchzubekommen.

                                                                                                                               Im Rhythmusunterricht wird vom Blatt geklatscht, geklopft und ge-
                                                                                                                               sprochen.

                                    T E X T: S U SA N N A B U R G E R

                                                                                                                                                                                                                  Konzerttechniker Charly Brandl haucht einem Konzertflügel
                                                                                                                                                                                                                  die Seele ein: Das Intonieren ist ein besonderer Moment.
                       Wien spielt mit in der Elite des
                  Instrumentenbaus. Nummer eins ist die
                    Klaviermanufaktur Bösendorfer, die
                   seit 1828 für die Materialisierung des
                            Wiener Klangs sorgt.

Musik und Klang in Perfektion: Dafür steht Wien. Hier waren und sind
nicht nur weltberühmte Musiker zuhause, hier produzieren auch Ins-
trumentenbauer das Werkzeug, mit dem die besten Klangerlebnisse
überhaupt erst ermöglicht werden.
     Den größten Namen hat wohl Bösendorfer, die mit fast 200 Jah-
ren älteste Klaviermanufaktur im Premiumsegment. In über einem Jahr
Arbeitszeit entsteht in Handarbeit ein Instrument mit dem einzigartig
                                                                                                                                                         Sir András Schiff spielte am 3. Juni 2018 erstmals auf

lebendigen und brillanten Bösendorfer-Klang.
                                                                                                                                                         Konzerthaus. Sein Bösendorfer begleitet ihn seitdem
                                                                                                                                                         dem für ihn gefertigten Konzertflügel im Wiener

                     DAS GEHEIMNIS DES KLANGS
Produziert werden pro Jahr nur 300 Klaviere in Wiener Neustadt, rund
48 Kilometer außerhalb Wiens – doch „produziert“ ist das falsche Wort:
120 klavierbesessene Handwerker formen jedes einzelne Instrument
persönlich, mit Liebe zum Detail. Schon die Lehrlinge erhalten hier
                                                                                                                                                         zu allen Europa-Konzerten.

Klavierunterricht. Jeder Mitarbeiter ist Teil dieser musikalischen Welt –
und das hört man den Instrumenten an.
     Neben viel Liebe und Leidenschaft spielt ein Baum eine tragen-
de Rolle: die heimische Fichte. Die Jahreszeiten, Sonne, Wind und Käl-
te lassen ihr Holz sanft reifen. Es trocknet dann bis zu fünf Jahre im
Freien, bevor es nach dem einzigartigen, von Bösendorfer entwickel-
ten Resonanzkastenprinzip verarbeitet wird: Ausgangspunkt und Zen-
trum des Bauplans ist der immaterielle Klang. Bösendorfer konstruiert
das Instrument „um den Klang herum“ – für einen unverwechselba-
ren, magischen Auftritt.
     Jedes Instrument ist so individuell wie sein künftiger Besitzer –
der seinen Wünschen punkto Farbe, Furnier, Initialen oder persönli-
cher Widmung freien Lauf lassen kann. Er bekommt ein vollendetes
Unikat der Klavierbaukunst.

                         WIENER STADTSALON
Die Besten spielen und spielten Bösendorfer, von Duke Ellington bis
Oscar Peterson, von den Beatles bis Bernstein, von Liszt bis Gulda, von
Michael Jackson bis Tori Amos. Startenor Plácido Domingo nimmt sich
diesen Klavierklang als Vorbild: „Einige Pianisten versuchen wie ein Sän-
ger zu klingen. Ich hingegen versuche wie ein Bösendorfer zu klingen.“
     Das Verkaufslokal – der Bösendorfer Salon und Flagship-Store –
befindet sich seit 1914 im Gebäude des Musikvereins, wo Wiens musi-
                                                                                                                  Ein Sondermodell, das bildende
kalisches Herz schlägt. Einen Bösendorfer hier anzuspielen, heißt den                                             Kunst und Musik vereint: Gustav
Klang zu berühren. Den man nie wieder vergisst.                                                                   Klimts „Goldene Adele“ ziert nur
                                                                                                                  25 Bösendorfer Klaviere.
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             Wiens Kanalisation ist vieles: Arbeitsplatz für
         hunderte Menschen, Drehort für Filme wie „Der dritte
             Mann“, Lebensader für die Infrastruktur der
           Stadt, Lebensraum wilder Tiere. Und ein Mythos.

     „Länger als zwei Monate bleibe ich hier nicht“, war sich Michi sicher, als er seinen Dienst
     als Kanalarbeiter in Wien antrat. Der Satz fiel vor 30 Jahren. So lange arbeitet er nun schon
     im Wiener Untergrund. Heute führt er von Mai bis Oktober hauptsächlich Besucher auf den
     Spuren des Filmklassikers „Der dritte Mann“ durch Wiens Kanalisation. Die berühmtesten
     Szenen des Films – die Flucht des Penicillin-Schmugglers Harry Lime (Orson Welles) vor
     seinen Verfolgern – wurden hier gedreht. Vor 70 Jahren – am 31. August 1949 – feierte
     der Film in London seine Weltpremiere. Er machte Wien unsterblich. Obwohl das düstere,
     korrupte Nachkriegs-Wien mit seinen Abgründen und nicht der sonst
     gern inszenierte imperiale Glanz im Vordergrund des Schwarz-Weiß-
     Filmes steht, trat er seinen Siegeszug um die Welt an. „Der dritte Mann“
     vermittelt ein authentisches Bild einer kaputten Stadt nach dem Zweiten
     Weltkrieg. Er zeigt den Prater abseits von Vergnügen und Spaß, die Wiener
     Kanalisation als Stadt unter der Stadt, in der sich kriminelles Pack und
     Verlierer des Wiederaufbaus herumtreiben. Er zeigt das damals echte
     Wien. Für Regisseure wie Martin Scorsese und Steven Soderbergh ist
     „Der dritte Mann“ bis heute Inspirationsquelle. 1951 gewann er einen
     Oscar. Und das British Film Institute wählte den Film 1999 auf Platz 1
     der größten britischen Filme aller Zeiten. Das Burgkino an der Wiener
     Ringstraße zeigt den Film nach wie vor mehrmals wöchentlich in der
     englischen Originalfassung.
          Auch Michi kennt ihn natürlich, verrät aber: „Die Leute, die zu
     unseren Führungen kommen, interessieren sich mehr für die Arbeit der
     Kanalarbeiter.“ Dass die Arbeit im Wiener Untergrund hart ist, erleben wir
     bereits beim Abstieg. Schon auf der ersten Treppe ist klar: Dort unten
     stinkt es. „An den Geruch gewöhnt man sich schnell. Solange alles im
     Fluss ist, ist der Gestank auszuhalten“, erzählt Michi beim Abstieg. Das
     Schlimmste hier unten sind die kleinen Viecher: „Wenn du 30 cm tief
     in Sch**** und Schotter steckst und dann kommt dir noch eine Ratte
     entgegen, ist das nicht sehr witzig.“
          Wir sind mittlerweile im ersten Raum angekommen. Das Wasser
     rauscht lautstark an uns vorbei. Hier wurde das Musikvideo zu Falcos
     Megahit „Jeanny“ gedreht. Michi erklärt, wie die Kanalarbeit funktioniert.
     Dass die 50.000 Kanaldeckel in Wien nur 60 mal 60 cm groß sind, zum
     Beispiel. „Die beste Motivation, um schlank zu bleiben“, scherzt er. An
     den Wänden sind Kabel zu erkennen: Glasfaserkabel österreichischer
     Telefonanbieter. Modernste Technologie, die in den alten Mauern hier
     unten dafür sorgen, dass oben alles reibungslos funktioniert.

      Kabel im Untergrund sorgen für eine funktionierende Stadt. Rettungs-
      ringe und Erste-Hilfe-Kästen sind für Notfälle vorgesehen.

                                                                             Schlüsselszenen des Films „Der dritte Mann“ mit Orson
                                                                             Welles wurden in der Wiener Kanalisation gedreht.

                                                                             Auf zwei Kilometern Länge erstreckt sich der Wienfluss
                                                                             unter der Stadt.

                                                                             Gerhard Strassgschwandtner und Karin Höfler betrei-
                                                                             ben das Dritte Mann Museum beim Naschmarkt.
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                                     Michi (Mitte) arbeitet seit über 30 Jahren in
                                                     der „Stadt unter der Stadt“.

                                         Hier fließt der Ottakringer Bach durch.
                                   „Manchmal riecht es nach Bier“, erklärt Michi.

                                                                                                        ZU VIEL GESTANK FÜR ORSON WELLES
                                                                                     2.500 Kilometer ist das Wiener Kanalnetz heute lang. Jeden Tag wird eine
                                                                                     halbe Milliarde Liter Abwasser durch das unterirdische Labyrinth in die
                                                                                     Hauptkläranlage nach Simmering, an den tiefstgelegenen Punkt Wiens,
                                                                                     weitergeleitet. „Bis zu 25 Meter unter der Oberfläche liegt der Arbeitsplatz
                                                                                     der Kanalarbeiter“, erklärt Michi, während wir im wichtigsten Raum der
                                                                                     3. Mann Tour angekommen sind. Hier wurden alle Szenen für „Der dritte
                                                                                     Mann“ gedreht. „Wirklich alle?“, fragen wir uns. Und Michi. Denn viel Platz ist
                                                                                     hier nicht. – „Mithilfe geschickter Kameraeinstellungen und Schnitttechnik
                                                                                     wurde die Verfolgungsjagd so inszeniert, als wäre Harry Lime durch
                                                                                     die halbe Kanalisation gehirscht“, klärt Michi auf. Apropos Harry Lime:
                                                                                     Schauspieler Orson Welles hat hier unten nur kurz vorbeigeschaut. Für
                                                                                     ein paar Einstellungen. Es stank ihm zu viel. Alle weiteren Kanalszenen, in
                                                                                     denen er erkennbar ist, wurden in einem Londoner Studio gedreht. Den
                                                                                     Rest übernahm ein Double, das an seiner Stelle im stinkenden Untergrund
                                                                                     ausharren musste.
                                                                                          An die Wand werden jetzt Ausschnitte des Films projiziert. Während
                                                                                     sich unten das Abwasser seinen Weg bahnt, wähnt man sich ein bisschen wie
                                                                                     im Kino. Ein dumpfes Knallen reißt uns immer wieder aus der Konzentration.
                                                                                     Es sind Autos, die über die Kanaldeckel donnern. Eine Erinnerung daran,
                                                                                     dass das Leben oben weiter tobt.
                                                                                          Nach dem nächsten Raum, in dem es immer wieder mal nach Bier
                                                                                     riecht, wenn in der Ottakringer Brauerei die Fässer gewaschen werden,
                                                                                     landen wir beim Wienfluss. Ein riesiges Gewölbe versteckt den Stadtfluss
                                                                                     auf einer Länge von zwei Kilometern. Hier stinkt es nicht mehr. Michi erklärt:
                                                                                     „Ein gewaltiger Tiefspeicherkanal unter dem Fluss nimmt bei Regenwetter
                                                                                     alles auf, was nicht in die normale Kanalisation passt. Das sieht man auch
                                                                                     am klaren Wasser.“ Hier endet normalerweise die 3. Mann Tour, denn, so
                                                                                     Michi: „Wenn es im Wienerwald regnet, ist es hier brandgefährlich. Der
                                                                                     Wasserstand im Wienfluss steigt dann so schnell, dass man sofort raus
                                                                                     muss.“

                                                                                                         DRITTE MANN MUSEUM
                                                                             Wir haben Glück: Über Wien ist strahlender Sonnenschein. Deshalb können
                                                                             wir in Begleitung der Kanalarbeiter ausnahmsweise ein Stück flussaufwärts
                                                                             wandern. An den Wänden finden sich Graffitis. Ein paar Hundert Meter
                                                                             weiter heißt es schließlich auch für uns: zurück nach oben. Als Michi die Tür
                                                                             am Ende der Treppen öffnet, staunen wir (und auch andere) nicht schlecht.
                                                                             Denn wir stehen mitten im Gastgarten eines Naschmarkt-Lokals. Dass wir
                                                                             uns so weit vom Startpunkt am Karlsplatz entfernt haben, wird uns erst jetzt
                                                                             bewusst. Im Untergrund verlieren sich Zeit und Raum. „Und unglaublich
                                                                             viele Smartphones, die ins Klo fallen und dann bei uns im Kanal landen“,
                                                                             wie uns Michi noch verrät.
                                                                                   Dass wir am Naschmarkt wieder ins Tageslicht eintauchen, hat einen
                                                       simplen Grund: Unweit von hier entfernt befindet sich das Dritte Mann Museum. Die Betreiber
                                                       Gerhard Strassgschwandtner und Karin Höfler wollen uns das Museum zeigen, in dem die
                                                       Geschichte des Films und das Wien der Nachkriegszeit anschaulich dargestellt werden. Mit viel
                                                       Liebe zum Detail und ausgeprägter Sammelleidenschaft ist hier ein Museum entstanden, das
                                                       Besucher aus aller Welt anzieht. „Es ist das weltweit einzige Museum, das sich exklusiv einem
                                                       Film widmet“, weiß Strassgschwandtner. Höfler ergänzt: „Highlights der über 3.000 Exponate
                                                       starken Sammlung sind Kameras,
                                                                                                                 SIGHTSEEING NEWS
                                                       Drehbücher, Kinoplakate und
                                                       natürlich die Filmzither, auf der die                  +++ Der neue Donauturm +++
                                                       legendäre Musik von Anton Karas           In neuem Glanz erstrahlt der Donauturm, der mit sei-
                                                       eingespielt wurde.“ 2019 wird                nen 252 Metern das höchste Gebäude Österreichs
                                                       die Sonderausstellung „70 Jahre            ist. Dementsprechend gut ist die Aussicht von Turm-
                                                       Filmpremiere ‚Der dritte Mann‘“             café, Turmrestaurant und Aussichtsplattform. Inter-
                                                       gezeigt (ab 27. April). Man merkt:          aktive Panorama-Bildschirme liefern Wissenswertes
                                                       Die beiden sind mit Herz und Seele                              über Wien.
                                                       dabei.
                                                            Das ist mittlerweile auch Michi.             +++ Haus der Geschichte Österreich +++
T E X T: R O B E R T S E Y D E L                       Die anfängliche Abneigung gegen            100 Jahre nach Ausrufung der Ersten Republik eröff-
                                                       seinen Job ist längst verflogen. Unter      net das Haus der Geschichte Österreich in der Neu-
                                                       anderem, „weil die Kameradschaft           en Burg am Heldenplatz am 10. November 2018. Die
                                                       unter den Kollegen hier unten               erste Sonderausstellung im neuen Museum widmet
                                                       einzigartig ist“, wie er versichert.        sich der wechselhaften Geschichte Österreichs der
                                                       Und das schon seit 30 Jahren.                            vergangenen 100 Jahre.
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                                                                 Wo schmeckt Wien authentisch? Wo essen und trinken
                                                                  die Wiener? Wo ist das kulinarische Leben der Stadt
                                                                  zuhause? In diesen Kaffeehäusern und Restaurants,
                                                                Heurigen und Bars trifft man auf das echte Wien und auf
                                                                            echte Wiener Persönlichkeiten.

                       T E X T: S U SA N N E K A P E L L E R

                                                                          ZUM SCHWARZEN KAMEEL:
                                                                          EINE WIENER INSTITUTION
                                                               Rund um die Bar ist die Hölle los. Die Kellner
                                                               schlängeln sich durch das Gedränge. Ober-
                                                               kellner Johann Georg Gensbichler mit seinem
                                                               markanten Backenbart dirigiert die Gäste an
                                                               ihre Plätze, auch wenn er bereits in Altersteil-
                                                               zeit ist. Neben ein paar Geschäftsmännern ge-
                                                               nehmigt sich ein Arbeiter ein Bier, eine kleine
                                                               Runde Innenstadt-Damen kehrt zu ihrem wö-
         DIE HIPSTER NEBEN DER KÖNIGIN DER
                                                               chentlichen Treffen auf ein oder zwei Achterl
                           NACHT
                                                               und die legendären Brötchen ein, Touristen be-
     Es gibt beinahe kein Durchkommen – schon am
                                                               staunen das schöne Jugendstil-Ambiente mit                CAFÉ KORB: EINE BÜHNE FÜR ALLE
     frühen Abend ist es in der legendären Loos-
                                                               der historischen Holzvertäfelung und den Re-        Die Patina der 1960er-Jahre hat das Café Korb
     bar dicht gedrängt. Und jeder staunt, wie viele
                                                               lief-Fliesen, dazwischen trifft Politprominenz      fest im Griff. Modern ist etwas anderes. Viel-
     Menschen auf 27 Quadratmetern Platz finden.
                                                               auf Kunst-Schickeria. Das Schwarze Kameel           leicht ist das genau der Grund, warum sich die
     Und das inklusive Glas. Für eine ist immer Platz:
                                                               ist wienerisch und international zugleich, ein      Wiener hier so wohl fühlen. Obwohl es eigent-
     Marianne Kohn, berühmteste Barfrau Wiens,
                                                               Szenelokal für alle Altersgruppen, eine Art Frei-   lich zu jeder Tageszeit voll ist, findet hier jeder
     sitzt als Ikone an ihrem Stammplatz in der Fens-
                                                               lichtmuseum für Wiener, ein authentisches Ab-       sein Plätzchen. Der heimische Promi, den man
     terloge und wacht über das Geschehen. Seit
                                                               bild der Wiener Gesellschaft mit all seinen Mi-     aus dem Fernsehen kennt, ist am Nebentisch
     über 100 Jahren findet sich hier eine interes-
                                                               lieus. Gegründet von Johann Baptist Cameel          in seine Zeitung vertieft. Eine Runde Kreativer
     sante Mischung an Gästen ein, vom Hipster bis
                                                               führt heute die Familie Friese das Kultlokal, das   hat sich neben der feinen Dame aus dem 1. Be-
     zum Anwalt, alle lieben die von Adolf Loos ge-
                                                               bereits 400 Jahre auf dem Buckel hat. Und ja,       zirk niedergelassen. Der Herr aus der Vorstadt
     staltete American Bar. Berührungsängste darf
                                                               ein Restaurant gibt es auch noch, für alle, die     sitzt über seinem Gulasch. Omnipräsent (ob
     man hier keine haben, auch der Wunsch nach
                                                               ein bisschen weniger Trubel bevorzugen.             auf Bildern oder persönlich) ist die extravagan-
     Privatheit ist hier fehl am Platz. Aber deswegen
                                                                                                                   te Besitzerin und Femme fatale Susanne Widl.
     kommt auch keiner.
                                                                                                                   Sie war international bekannte Schauspielerin,
                                                                                                                   Model und Künstlerin. Aber die wahren Chefs
                                                                                                                   sind hier die Ober. Denn entgegen aller Vor-
                                                                                                                   urteile über die grantigen Ober in den Wiener
                                                                                                                   Kaffeehäusern haben sie im Café Korb immer
                                                                                                                   einen Schmäh parat.
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                                                                  FAMILIÄRE BUSCHENSCHANK
                                                                           MIT AUSSICHT
                                                          Auf den letzten Metern am Weg zum Nuss-
                                                          berg leuchtet den Spaziergängern schon die
                                                          Buschenschank der Winzerfamilie Wieninger
                                                          entgegen: auf einem der schönsten Plätze,
                                                          umgeben von Weinbergen, mit einem spek-
                                                          takulären Blick auf die Stadt. Die Wiener lieben
                                                          diesen Ort, weil einem hier „das Herz aufgeht“,
                                                          wie man so schön sagt. Hier trifft man sich an
                                                          schönen Tagen auf ein (oder mehrere) Glaserl
                                                          Wiener Wein. Die Mutter von Winzer Fritz
                                                          Wieninger steht hinter dem Tresen, schenkt
      DIE CHARMANTESTE WIRTIN WIENS                       den weltberühmten Wein ihres Sohnes aus
Stefanie Herkner biegt tipptopp im 50ies-Stil             und verliert auch beim größten Andrang nicht
hergerichtet um die Ecke. Sofort ist der Raum             ihre Herzlichkeit. In jedem Fall sollte man auch
mit Herzlichkeit erfüllt. In der Sekunde fühlt            den Empfehlungen von Mama Wieninger folgen
man sich in ihrem Lokal „Zur Herknerin“ wie               und das hervorragende Essen probieren.
zuhause. Dafür sorgt nicht nur die charmante
Wirtin, sondern auch das gemütliche Ambien-
te. Stefanie Herkner hat ein ehemaliges Instal-
lateur-Geschäft in ein unkompliziertes Gast-
haus verwandelt und kocht dort bodenständige
Wiener Küche, wie man sie von daheim kennt.
Das Kochen und die Liebe zum Essen wurden
ihr in die Wiege gelegt: Sie ist die Tochter einer
Wirtshauslegende, ihr Vater hat das bekann-
te Gasthaus „Zum Herkner“ geführt. Stefanie
Herkner ist bekannt für ihre charmante Art. Die
serbischen Krautrouladen und ihre Knödel sind
legendär. Wie man letztere perfekt zubereitet,
gibt sie in Knödelseminaren weiter.

                                                                                                                                                           EIN TSCHOCHERL ZUM STAUNEN
                                                                                                                                                    Beinahe laufen wir an dem Haus in der Pramer-
                                                                                                                                                    gasse 21 vorbei. Nichts deutet darauf hin, dass
                                                                                                                                                    sich hinter der unscheinbaren Fassade eines
                                                                                                                                                    der besten Restaurants Wiens befindet. Man
                                                                                                                                                    könnte „Pramerl & the Wolf“ für ein einfaches
                                                                                                                                                    Tschocherl halten. Drinnen erwartet uns ein ge-
                                                                                                                                                    mütliches Beisl-Ambiente mit alter Holzschank
                                                                                                                                                    und holzvertäfelten Wänden. Wir nehmen an ei-
                                                                                                                                                    nem der wenigen Tische Platz. Eine Speisekar-
                                                                                                                                                    te bekommen wir nicht, stattdessen kommt der
                                                                                                                                                    sympathische Hausherr und Chefkoch Wolf-
                                                                                                                                                    gang Zankl zu uns an den Tisch. Der ehema-
                                                                                                                                                    lige Unternehmensberater fragt uns ganz un-
                                                                                                                                                    gezwungen: „Habt ihr viel oder wenig Hunger?
                                                                                                                                                    Mögt oder vertragt ihr etwas nicht?“ Und kocht
                                                                                                                                                    uns dann mit seiner radikal modernen Wiener
                                                                                                                                                    Küche in den Himmel. Gedeckt wird nur für den
                                                                                                                                                    ersten Gang, das restliche Besteck nehmen wir
                                                                                                                                                    selbst aus der Tischlade. Alles unprätentiös,
                     WIENS ERSTE STADTKÄSEREI                                                                                                       alles ohne das große Getue der Haute Cuisi-
            Mit beiden Armen stecken Johannes Lingenhel                                                                                             ne, auch wenn die Küche bereits einen Guide-
            und Robert Paget im lauwarmen Käsebruch.                                                                                                Michelin-Stern erhalten hat. Auch so kann man
            Sie haben den Duft von frischer Molke in der                                                                                            die Wiener Küche entdecken.
            Nase. Ständig kneten sie die Käsemasse, die
            später als Wiens frischester Büffelmozzarella
            serviert wird, und ziehen den Teig in die Län-
            ge. Nebenbei haben die beiden Herren auch                                                      SOMMERLICHE STADTOASE
            noch ganz viel Spaß. Johannes Lingenhel hat                                          Hitze liegt über der Stadt. Der Verkehrslärm
            in einem wunderschönen, 200 Jahre alten Ge-                                          ist nur als ein entferntes Rauschen zu hören.
            bäude eine Genusswelt mit Käserei, Feinkostla-                                       Der Innenhof des MuseumsQuartiers ist mit
            den und Restaurant entstehen lassen. Während                                         Stimmen erfüllt, Geschirr klappert, Kinder spie-
            der Kurse in der Schaukäserei mit historischen                                       len Fangen und so mancher Tourist kühlt seine
            Pferdetränken aus Stein erzählt Lingenhel ge-                                        Beine im Wasserbecken. Ja, natürlich steht das
            meinsam mit Käsemacher Robert Paget un-                                              MuseumsQuartier, früher die kaiserlichen Hof-
            terhaltsame Anekdoten. Die Delikatessen aus                                          stallungen, in jedem Reiseführer. Aber auch
            der Käserei kommen in dem Lokal direkt an                                            die Wiener lieben diesen Ort und treffen sich
            den Tisch – frischer als in Wiens erster Stadt-                                      hier im Sommer zum Tratschen, Abhängen,
            käserei geht es kaum.                                                                Biertrinken und Boule-Spielen. Das Museums-
                                                                                                 Quartier mit seinen berühmten MQ-Möbeln,
                                                                                                 jedes Jahr in einer anderen Farbe, sind so et-
                                                                                                 was wie das Wohnzimmer der Stadt geworden.
                                                                                                 Und manchmal gehen die Wiener sogar in ei-
                                                                                                 nes der Museen …
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