Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt

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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
Zeitschrift der        Hessen
  für Erziehung, Bildung, Forschung

72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019
                        zum Inhaltsverzeichnis

                     TITELTHEMA:
                 Schule beginnt
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
GEW                                                                                                                                                  HLZ 9–10/2019         2

                                                                                                                                   Zeitschrift der GEW Hessen
                                                                 Mit dieser Ausgabe der HLZ begrü-
Wir begrüßen „die Neuen“
                                                                                                                                   für Erziehung, Bildung, Forschung
                                                                 ßen wir – mit allen guten Wünschen                                ISSN 0935-0489
                                                                 für einen guten Start ins neue Schul-
                                                                 jahr – insbesondere auch alle neu ein-           I    M       P      R     E      S     S     U       M
                                                                 gestellten Kolleginnen und Kollegen.             Herausgeber:
                                                                 Stellvertretend tun dies auf dem Ti-             Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                 telbild Laura Preusker und Sebastian             Landesverband Hessen
                                                                 Guttmann, die Vorsitzenden des GEW-              Zimmerweg 12
                                                                                                                  60325 Frankfurt/Main
                                                                 Bezirksverbands Frankfurt. Die Auf-              Telefon (0 69) 971 2930
                                                                 nahme entstand im September 2018                 Fax (0 69) 97 12 93 93
                                                                 bei einer großen Demonstration von               E-Mail: info@gew-hessen.de
                                                                                                                  Homepage: www.gew-hessen.de
                                                                 Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und
                                                                 Sozialpädagogen, Eltern und Schüle-              Verantwortlicher Redakteur:
                                                                                                                  Harald Freiling
                                                                 rinnen und Schülern im Rahmen der                Klingenberger Str. 13
                                                                 GEW-Aktionen „Bildung braucht bes-               60599 Frankfurt am Main
                                                                 sere Bedingungen“, die auch im Schul-            Telefon (0 69) 636269
                                                                 jahr 2019/2020 fortgesetzt werden.               E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                                                                                                                  Mitarbeit:
                                                                                                                  Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                                                                                                                  schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung),
                                                                 Auswahl der Arbeitsgruppenthemen                 Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung),
                                                                                                                  Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke
                                                                 AG  2   Schülerproteste gegen die Klimapolitik   (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka-
                                                                 AG  3  Chemische Trennverfahren mit Le-          rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                                                                                                                  und Gewerkschaften)
                                                                 bensmitteln
                                                                 AG  4  Naturküche im Herbst – Springkraut        Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                                                                 und Eicheln                                      Titelthema: Harald Freiling
                                                                 AG  5  Nachhaltige Projekte an Schulen
                                                                 AG  7  Zero Waste: Lernwerkstatt „Plastikfrei“   Illustrationen:
                                                                                                                  Thomas Plaßmann (S. 25), Dieter Tonn (S. 10, 28, 31,
                                                                 AG  8  Die ReMida: Vom Verbrauchen zum           33), Ruth Ullenboom (S. 4)
                                                                 Gebrauchen
                                                                 AG  9  Fair-Trade-Mode und -Produkte im          Fotos, soweit nicht angegeben:
                                                                                                                  GEW (Titel, S. 6, 9 und 13)
                                                                 Modellunternehmen
                                                                 AG  10  Personalratsarbeit: Wäre das auch        Verlag:
                                                                                                                  Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                 was für mich?
                                                                                                                  Niederstedter Weg 5
                                                                 AG  11  Mobile digitale Geräte in der Grund-     61348 Bad Homburg
                                                                 schule
                                                                 AG  12  Rhythmus mit Eimer, Flasche und Co       Anzeigenverwaltung:
                                                                                                                  Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                 • Die Teilnahmegebühr beträgt 10 Euro            Peter Vollrath-Kühne
                                                                 bzw. 5 Euro für GEW-Mitglieder. Kaffee           Postfach 19 44
                                                                                                                  61289 Bad Homburg
                                                                 sowie Frühstück und Mittagessen sind             Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21
                                                                 eingeschlossen. Schülerinnen, Schüler und        E-Mail: mlverlag@wsth.de
                       Rüsselsheim: Tag der Nachhaltigkeit       Studierende sind frei.
                       Das vollständige Programm des GEW-Bil-    • Der Bildungstag ist durch das Hessische        Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                                                                                                                  Bad Homburg
                       dungstags am 26.10.2019 in Rüsselsheim    Kultusministerium unter der Angebotsnum-
                       findet man unter www.gew-gg-mtk.de. An-   mer LA 01996640 als Fortbildungsveranstal-       Bezugspreis:
                       meldungen: bildungstag@gew-gg-mtk.de      tung für hessische Lehrkräfte akkreditiert.      Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                                                                                                                  schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                                                                                                                  sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
                                                                                                                  enthalten.
      Aus dem Inhalt

                       Rubriken                                   19-22 lea-Fortbildungsprogramm
                                                                                                                  Zuschriften:
                        4   Spot(t)light                                                                          Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
                                                                  Einzelbeiträge
                        5   Meldungen                                                                             wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                       36   Tarifrecht: Details zum neuen TV-H     6 Marlis Tepe besucht Uni in Kassel            öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                                                                                                                  vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                       37   Jubilarinnen und Jubilare             23 Klimawandel: Ein Thema                       nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                                                                     für Schulen und Studienseminare              übereinstimmen.
                       Titelthema: Schuljahr beginnt              24 Gekaufte Fortbildung:
                        7 Neues Schuljahr: Die Sicht der GEW         Marketing für IT-Produkte                    Redaktionsschluss:
                        8 Lehrkräftemangel: GEW fordert           26 Digitale Schule: Bericht des Hessi-          Jeweils am 5. des Vormonats
                          Qualifizierungsoffensive                   schen Datenschutzbeauftragten
                       10 Besoldung und Gehalt:                   28 Datenschutz an Hochschulen
                          Informationen für Neueingestellte       30 Gesundheitsgefahren durch WLAN               Nachdruck:
                                                                                                                  Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                       12 Investitionen in Schulgebäude           32 Weiterbildung: Mehr Solidarität al-          gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                       14 Was verdienen Grundschullehrkräf-          ler Beschäftigten in der Bildung             genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                                                                                                                  Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                          te in anderen Bundesländern?            34 Aus der Arbeit des Landesverbands
                       16 Stellenbilanz transparent machen           der Sinti und Roma in Hessen                 Druck:
                       17 40 Jahre elternbund hessen e.V.                                                         Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
                                                                  36 Was bringen neue OloV-Standards?             Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
3     HLZ 9–10/2019   zum Inhaltsverzeichnis                                                           KOMMENTAR

    20. September: Klimastreik!
    Die Lage ist dramatisch: Hitzewellen, Dürren und       Sie wollen nicht nur, dass das Thema in Politik und
    damit verbundene Lebensmittelknappheit, extreme         Medien „ankommt“, sondern sie fordern eine ande-
    Überschwemmungen und das Aussterben vieler Tier-       re Politik. Die Diskussion über Sanktionen für De-
    und Pflanzenarten sind nur einige Anzeichen dafür,     monstrationen während der Unterrichtszeit soll vom
    dass die seit Jahren vorgelegten alarmierenden Pro-     eigentlichen Anliegen der Schülerinnen und Schüler
    gnosen der Wissenschaft bezüglich des menschen-         ablenken. Sie übernehmen mit ihren Aktionen Ver-
    gemachten Klimawandels Wirklichkeit werden. Das         antwortung für die Zukunft – und das in Überein-
    Pariser Klimaabkommen ist ein Versuch, die Klima-       stimmung mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag
    katastrophe noch zu stoppen – eingehalten werden        der Schule. „Bildung für nachhaltige Entwicklung“
    die meisten Vereinbarungen allerdings nicht.            ist im Hessischen Schulgesetz verankert. Der gemein-
       Deshalb fordern junge Menschen jetzt weltweit,       same Besuch außerunterrichtlicher Lernorte ist eine
    nicht nur Worte zu verlieren, sondern auch zu han-      Möglichkeit, „Fridays for Future“ zu unterstützen.
    deln: Seit Dezember 2018 demonstrieren sie auch         Die Themen gehören in den Unterricht in möglichst
    in Deutschland und Hessen dafür, dass die Politik      allen Fächern, genauso die Diskussion, wie nach-
    endlich Verantwortung übernimmt. Sie appellieren        haltig das Schulleben selbst ist: Wie kann der täg-
    an die verantwortlichen Politikerinnen und Politi-      lich anfallende Plastikmüll reduziert werden? Was
    ker, mehr für den Klimaschutz und den Erhalt der       kann an der einzelnen Schule getan werden, um den
    natürlichen Lebensgrundlagen zu tun. Diese Forde-      Wasser- und Energieverbrauch zu reduzieren? Dür-
    rungen werden von sehr vielen Eltern, Pädagoginnen      fen Klassen- und Kursfahrten noch mit dem Flugzeug
    und Pädagogen und Wissenschaftlerinnen und Wis-         stattfinden? Ist eine fleischärmere und auf regiona-
    senschaftlern unterstützt.                             le Produkte setzende Ernährung in der Schulmen-
       Möglichkeiten für konkretes politisches Handeln      sa möglich?
    gibt es auf allen Ebenen: in jeder Schule, jeder Ge-        Die „Fridays- for-Future“-Bewegung ruft alle Bür-
    meinde, in Hessen, überregional und global. So könn-    gerinnen und Bürger zu einem bundesweiten Klima­
    ten zum Beispiel die Gewinnanforderungen aus hes-       streik am 20. September 2019 auf. Die GEW Hessen
    sischen Wäldern deutlich zurückgeschraubt und die       unterstützt diesen Aufruf und fordert alle Pädago-
    Wälder an den Klimawandel und nicht an den Holz-        ginnen und Pädagogen zur Teilnahme auf, soweit
    markt angepasst werden. Ähnliches gilt für die The-     es die unterrichtlichen oder andere dienstliche Ver-
    men Verkehr, Energie und im Wohnungsbau. Klima-         pflichtungen zulassen. Die GEW wird in den nächs-
    schutz darf nicht isoliert betrachtet werden. Dabei     ten Wochen verstärkt über die Zusammenarbeit mit
    drängen insbesondere die Gewerkschaften darauf,         „Fridays for Future“ beraten und auch entsprechen-
    dass die sozialen Themen Armut, Migration, soziale      des Informationsmaterial zur Verfügung stellen.
    Spaltung und Unterfinanzierung der Bildung nicht
    von den ökologischen Themen abgekoppelt werden.         Maike Wiedwald, Vorsitzende der GEW Hessen
    Schließlich ist die Klimakrise eine Folge der Aus-
    beutung von Mensch und Natur – und das auf glo-               Tony Schwarz, stellvertretender Vorsitzender
    baler Ebene.
       Der hessische Kultusminister und derzeitige Präsi-
    dent der KMK Lorz behauptet, die Schülerinnen und
    Schüler hätten „ihr Ziel erreicht“, der Klimaschutz
    sei „als zentrales Thema in Politik und Medien ange-
    kommen“. Deshalb bringe es nichts, „der Schule noch
    weiter fern zu bleiben“. Wer dies trotzdem tue, fehle
    unentschuldigt, „mit allen Folgen“. Damit zog er sich
    den berechtigten Zorn der jungen Menschen zu, die
    auch in den Sommerferien ihre Proteste fortsetzten.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
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                                                                                         Der Zyniker
Ein kleiner Gang durchs pädagogische Panoptikum (Folge 2)
      In der HLZ 7-8/2019 haben wir mit einem       der Oberstufe eingesetzt werden möch-           en, die ihn dann nicht wählten, waren
      kleinen Gang durch das pädagogische Pa-       te. Aber selbst dort ist das Unterrichten       einfach nicht in der Lage, seine Befä-
      noptikum in den Notizbüchern der Kolle-       für einen intelligenten Menschen eine           higung zu erkennen. Die wählten lieber
      gin Gabriele Frydrych begonnen. Nach der      Zumutung. Der Zyniker ist noch nie              einen Schwachmaten aus ihrer Mitte.
      Kunstlehrerin, die allein mit der flüstern-   einem wirklich klugen Schüler begeg-                Für seine Karriere-Misserfolge rächt
      den Erwähnung des Wortes „Zierfries“          net. Das einzige, was er an seinem Be-          sich der Zyniker an den Schülern. Er ist
      von Schülerinnen und Schülern jederzeit       ruf mag: Ständig findet er seine intel-         gern schlagfertig und witzig auf Kosten
      auf die Palme gejagt werden konnte, set-
                                                    lektuelle Überlegenheit bestätigt.              anderer. Die Schüler können mit seinen
      zen wir den Rundgang gendergerecht mit
      dem Zyniker fort.
                                                        Nach jeder Stunde fällt er im Leh-          sarkastischen Bemerkungen nichts an-
                                                    rerzimmer auf seinen Gesundheitsstuhl,          fangen. Wenn sie pampig reagieren und
      Er glaubt die Welt zu kennen und              den er von daheim importiert hat, und           nicht die nötige Demut zeigen, verteilt
      ist mit allen Wassern gewaschen. Er           flucht über die Dummheit seiner Kur-            der Zyniker genüsslich Strafarbeiten,
      mag keine Kinder und Jugendlichen.            se. „Die Schüler werden wirklich immer          Tadel und Verweise. Wenn die Vertrau-
      Er schätzt Harald Schmidt und Martin          blöder“, stöhnt er. Zwei andere wesens-         enslehrerin ihn besänftigen und von
      Sonneborn. Er wollte nie Lehrer werden        verwandte Kollegen nicken und läs-              harten Maßnahmen abbringen will,
      und weiß selber nicht, wie er in dieses       tern mit. Selbstzweifel in Bezug auf            lässt er sich keinen Zentimeter erwei-
      Schlammassel geraten ist. Er empfindet        die Qualität seines Unterrichts kennt           chen. „Diese Kinder brauchen Konse-
      es als unter seiner Würde, pubertieren-       der Zyniker nicht. Er beklagt die zu-           quenz und Härte. Wenn sie schon nicht
      de Jugendliche zu domestizieren. Des-         nehmende Verblödung der Gesellschaft.           selber denken wollen oder können!“
      halb geht er der Schulleiterin regelmä-       Mittlerweile werden ja Leute Schullei-              Der Zyniker führt die Schüler gern
      ßig damit auf die Nerven, dass er nur in      ter und Schulräte, die man früher ge-           vor, lässt sie endlos an der Tafel herum-
                                                            rade mal als Hausmeister einge-         rechnen und hilft ihnen bei ihren Irr-
                                                              stellt hätte.                         wegen nicht, sondern kommentiert al-
                                                                   Schule ohne Schüler – das        les mit seinem feinen Humor. Die Sechs
                                                               wäre toll! Wenn Projektwo-           schreibt er dann tief befriedigt und de-
                                                              chen anstehen, entwirft er so         monstrativ in seinen Lehrerkalender. Er
                                                             abwegige Themen, dass kein             mag Mädchen nicht besonders und hat
                                                            Schüler mit ihm arbeiten möch-          ein umfassendes Repertoire an frauen-
                                                              te. Das findet der Zyniker sehr       feindlichen Witzen und Sprüchen. „Was
                                                               wohltuend, denn dann kann            kann ich dafür, wenn Ihre Schülerin-
                                                                 er in Ruhe Schulbücher ab-         nen überhaupt keinen Humor haben?
                                                                 stauben und zählen, Mate-          Die sind ja nicht mal in der Lage, einen
                                                                 rialräume entrümpeln, die          Witz zu erkennen, geschweige denn,
                                                                 Schulbroschüre Korrektur           zu verstehen“, erklärt er der empörten
                                                                 lesen oder Curricula überar-       Klassenlehrerin. Auch so eine zu kurz
                                                                  beiten. So was kann er gut.       gekommene Emanze, von denen es im
                                                                  Er ist eigentlich für höhe-       Kollegium nur so wimmelt.
                                                                  re Aufgaben prädestiniert,            Er beömmelt sich bei jeder Fortbil-
                                                                  aber seine Eltern konnten         dung und an jedem pädagogischen Tag
                                                                  die Zeit der Promotion fi-        über die Sinnlosigkeit dieser Unterfan-
                                                                   nanziell nicht unterstüt-        gen. Je nach Autorität des Dozenten
                                                                     zen. Und so viele Förder-      beömmelt er sich hinter vorgehaltener
                                                                     angebote und Stipendien        Hand oder auch ganz offen. Eine Coa-
                                                                     wie heutzutage gab es          ching-Spezialistin soll weinend die Ar-
                                                                     damals einfach nicht. Für      beitsgruppe verlassen haben, an der der
                                                                     die Poli­tik ist er zu klug.   Zyniker teilnahm.
                                                                     Nur das gesunde Mittel-            „Der Herr Wilde ist eigentlich ein
                                                                    maß macht da Karriere. In       ganz Lieber. Dieser Zynismus ist doch
                                                                   der Schule übrigens auch.        nur ein Schutzschild, weil er so sensi-
                                                                    Auf den Funktionsstellen        bel ist“, erklärt dir die Mutti des Kol-
                                                                    sitzen nicht die Besten,        legiums.
                                                                    wie er gern kundtut. Der            Der Zyniker ist eine gute Warnung,
                                                                     Zyniker hat sich dreimal       wie du mal nicht enden möchtest.
                                                                    auf eine Schulleiterstelle
                                                                  beworben, aber die Kollegi-                            Gabriele Frydrych
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
5      HLZ 9–10/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                               M e l dungen

           Frauen und rechte Gruppen:                   GEW Gießen – Vogelsberg:               Hitler-Attentäter Georg Elser
           GEW-Fachtagung am 17.9.                      Widerstand gegen Rechts
                                                                                                Eine Ausstellung in Darmstadt
    „Der Einfluss rechter Gruppierungen           Kolleginnen und Kollegen der GEW-
    auf Mädchen und Frauen“ ist das The-          Kreisverbände Gießen und Vogelsberg
    ma einer Fachtagung der Personen-             beteiligten sich Ende Juni an einer
    gruppe Frauen der GEW Hessen. Sie             Mahnwache auf dem Kirchenplatz in
    findet am Dienstag, dem 17. Septem-           Gießen, um gemeinsam mit engagierten
    ber 2019 von 10 bis 16 Uhr im DGB-            Bürgerinnen und Bürgern des ermor-
    Haus in Frankfurt statt (Wilhelm-Leu-         deten CDU-Politikers Walter Lübcke zu
    schner-Str. 69–77).                           gedenken und ein Zeichen gegen Rechts
        Rechte Gruppierungen sind überall         zu setzen. „Rechte Gewalt ist nichts
    in Europa auf dem Vormarsch. Dass             Neues“, sagte die GEW-Kreisvorsitzen-
    sich bestimmte Männer und männli-             de Nina Heidt-Sommer, „aber der Mord
    che Jugendliche von rechtsnationa-            an Walter Lübcke, der sich als Demokrat
    len Ideen angezogen fühlen können,            und aus christlicher Überzeugung für
    kann sich frau vielleicht noch mit den        die Werte unseres Grundgesetzes einge-
    Männlichkeitsbildern innerhalb dieser         setzt hat, macht uns fassungslos.“ Tim
    Gruppierungen erklären. Dass rechtes          van Slobbe vom Kreisausländerbeirat
    Gedankengut auch unter Frauen und             zitierte einen Eintrag auf der Facebook-
    Mädchen Verbreitung findet, wird je-          Seite der Gießener AfD mit der Frage,
    doch oft nicht wahrgenommen, da sie           wann die Kanzlerin „endlich erschossen
    meist nicht so offen auftreten wie Män-       wird“. Der Ausländerbeirat weise schon
    ner und ein eher angepasstes Verhalten        lange auf Aufrufe zur Gewalt und rech-
    zeigen. Wodurch aber werden Frauen            te Hetze im Netz hin, doch würden sol-
    und junge Mädchen von rechten Verei-          che Warnungen „relativiert und lächer-
    nigungen und Parteien wie der AfD an-         lich gemacht“. Walter Lübcke habe „als
    gezogen? Der Soziologe Andreas Kem-           überzeugter Christ vorbildlich gehan-      Foto: P. Steinbach, J. Tuchel, Georg Elser
    per, der schon lange in diesem Bereich        delt, indem er sich für die Aufnahme       – Der Hitler-Attentäter. 2010. Schwei-
                                                                                             zerisches Bundesarchiv Bern E.4320 (B)
    forscht, wird ein Referat zur „Attrakti-      und einen humanen Umgang mit ge-
                                                                                             1970/25
    vität rechter Gruppierungen für Frau-         flüchteten Menschen einsetzte“, erklär-
    en“ halten. Ina Pallinger promoviert am       te Stadtkirchenpfarrer Klaus Weißger-      Am 4. November wird Bundespräsident
    Institut für Politikwissenschaft der Uni-     ber. Mitglieder und Sympathisanten der     Steinmeier in Hermaringen, dem Ge-
    versität Marburg im Forschungsschwer-         AfD forderte er dazu auf, sich von der     burtsort von Georg Elser, an den 80.
    punkt Gender und Rechtsextremismus            Partei abzuwenden und in den demo-         Jahrestag des Attentats am 8. Novem-
    und wird das Thema „Rechte Lebens-            kratischen Diskurs zurückzufinden.         ber 1939 im Münchener Bürgerbräukel-
    welten in Hessen – Attraktionsmomen-                                                     ler erinnern. Die Ausstellung der Ge-
    te und Involviertheit von Frauen und                                                     denkstätte Deutscher Widerstand „Ich
    Mädchen“ in den Fokus nehmen.                       Aktionsbündnis Friedlicher           habe den Krieg verhindern wollen“ über
    • Der Teilnahmebeitrag beträgt 5 Euro               Hessentag in Bad Hersfeld            Georg Elser und das gescheiterte Atten-
    für GEW-Mitglieder bzw. 10 Euro für                                                      tat auf Adolf Hitler wird vom 8. bis 27.
    Nichtmitglieder und ist kostenfrei für Stu-   Auch GEW-Mitglieder waren dabei, als       November 2019 im Hessischen Staats-
    dierende, Schülerinnen und Schüler.           das Aktionsbündnis „Friedlicher Hes-       archiv in Darmstadt gezeigt. Das Rah-
    • Anmeldung: Tel. 069–97129311, E-            sentag“ am 15. Juni gegen den Auf-
    Mail: geschaeftsfuehrung@gew-hessen.de                                                   menprogramm, das sich in Vorträgen,
                                                  tritt der Bundeswehr beim Hessentag        Lesungen, szenischen Darstellungen
                                                  in Bad Hersfeld demonstrierte. Es berief   und Filmen mit Georg Elser und dem
    Außerordentliche Landesdelegierten­           sich dabei auf Artikel 69 der Landesver-
       versammlung der GEW Hessen                                                            deutschen Widerstand beschäftigt, soll
                                                  fassung und forderte, die Rekrutierung     auch von Jugendlichen und Schüle-
    Am 21. November 2019 findet im Bürger-        von Minderjährigen zu unterlassen. Der     rinnen und Schülern mitgestaltet wer-
    haus Bornheim in Frankfurt von 10 bis         „Service“ der Bundeswehr umfasste          den, die als Guides ausgebildet werden
    18 Uhr eine außerordentliche Landesdele-      auch in diesem Jahr wieder die kosten-
    giertenversammlung der GEW Hessen mit                                                    und Schulklassen durch die Ausstel-
    folgender Tagesordnung statt:
                                                  lose An- und Abreise und Verpflegung       lung führen können. Am 26. Novem-
    1. Begrüßung                                  von Schulklassen, die dann auf Pan-        ber werden alle Schulprojekte öffent-
    2. Beschlussfassung zur Tagesordnung          zer und anderem Kriegsgerät klettern       lich vorgestellt. Veranstalter sind die
    3. Erstellung der Listen der Kandidatinnen    und auf einem „Abenteuerspielplatz“        Regionalgruppe Südhessen des Vereins
    und Kandidaten für die Hauptpersonalrats-     ausprobieren konnten, wie es sich an-
    wahlen 2020 (im Wechsel mit TOP 5)
                                                                                             Gegen Vergessen – Für Demokratie, die
                                                  fühlt, einen 15 Kilogramm schweren         Darmstädter Geschichtswerkstatt und
    4. Arbeitsschwerpunkte 2020
    5. Antragsberatung                            Rucksack zu tragen. Dass Soldatinnen       das Hessische Staatsarchiv Darmstadt.
    5.1. Satzungsändernde Anträge                 und Soldaten Kriegseinsätze durchfüh-      Am 19. und 20. Oktober findet eine Stu-
    5.2. Weitere Anträge                          ren, Menschen töten und von Einsät-        dienfahrt in das KZ Dachau statt, wo El-
    6. Bestätigungen der Wahlen der Fach-         zen traumatisiert oder gar nicht mehr      ser am 9. April 1945 ermordet wurde.
    und Personengruppen                           nach Hause kommen, wurde nicht the-        • Weitere Informationen: https://www.
    7. Verschiedenes
                                                  matisiert.                                 gegen-vergessen.de/georg-elser
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
hOCHSCHULEN                                                                            zum Inhaltsverzeichnis       HLZ 9–10/2019      6

      Marlis Tepe an der Uni Kassel
              GEW-Vorsitzende unterstützt Kampf gegen Befristungsunwesen
     Die GEW-Bundesvorsitzende Marlis
     Tepe kam im Rahmen ihrer Sommer-
     tour „GEW in Bildung unterwegs“ am
     27. Juni zu einem Austausch mit ge-
     werkschaftlich organisierten Kollegin-
     nen und Kollegen an die Universität in
     Kassel (auf dem Foto in der linken Rei-
     he hinten). Neben Personalratsmitglie-
     dern und Vertreterinnen und Vertretern
     des GEW-Regionalverbands Hochschu-
     le und Forschung Nordhessen nutzten
     auch Mitglieder der Initiative UniKas-
     selUnbefristet sowie der Hilfskräfteini-
     tiative die Gelegenheit, die ausufernde
     prekäre Beschäftigung an der Universi-
     tät Kassel mit Tepe und den beiden Vor-
     sitzenden der GEW Hessen Birgit Koch       renten und völlig willkürlichen Praxis     schäftigten von grundlegenden Rechten
     und Maike Wiedwald zu diskutieren.         der Arbeitsbedingungen: „Wir sind kei-     der Personalvertretung ausgeschlossen
         Angesprochen wurden unter an-          ne Beschäftigten zweiter Klasse und        ist, muss abgeschafft werden,“ ergänzte
     derem das besonders restriktive Per-       schon gar keine Sachmittel, als die wir    Sarah Wedde, Co-Vorsitzende des GEW-
     sonalvertretungsgesetz in Hessen und       formal abgerechnet werden. Als tra-        Regionalverbands Hochschule und For-
     die fehlenden tariflichen Regelungen       gender Teil der Hochschulbeschäftigten     schung Nordhessen.
     für studentische und wissenschaftliche     steht uns eine Personalvertretung und           Ein besonderer Fokus wurde in der
     Hilfskräfte. „Als studentische Beschäf-    die Aufnahme in den TV-Hessen zu!“         Gesprächsrunde auf das Befristungs-
     tigte werden wir laut Hessischem Per-          Die GEW und der Regionalverband        unwesen an der Uni Kassel gelegt. Per-
     sonalvertretungsgesetz von der Inter-      sicherten den Studierenden ihre Unter-     sonalrat und die Initiative UniKassel-
     essenvertretung durch den Personalrat      stützung zu. Maike Wiedwald wies dar-      Unbefristet hatten die Forderung nach
     ausgeschlossen“, erklärte Paul Schäfer     auf hin, dass sich die GEW in den Tarif-   einer umfassenden Entfristung bereits
     von der Kasseler Hilfskräfteinitiative.    verhandlungen mit dem Land für einen       am Vortag des Gesprächs in einer au-
     Dies führe zu Nachteilen bei der Durch-    Tarifvertrag auch für Hilfskräfte stark    ßerordentlichen Personalversammlung
     setzung von arbeitsrechtlichen Bestim-     gemacht hat: „Damit wir Erfolg haben,      der Uni-Beschäftigten zum Thema ge-
     mungen und einer teilweise intranspa-      brauchen wir eine breite Basis von ak-     macht. Knapp 98 Prozent der Anwesen-
                                                tiven Betroffenen, um unseren Forde-       den stimmten dort für einen Antrag der
      Die AfD im Hessischen Landtag             rungen noch mehr Nachdruck zu verlei-      Initiative, mit dem der Personalrat auf-
                                                hen.“ Dabei stehe die GEW an der Seite     gefordert wird, mit der Hochschullei-
     Professor Benno Hafeneger und Han-         der Kasseler HiWi-Initiative.              tung eine verbindliche und überprüf-
     nah Jestädt vom Institut für Erzie-            Auch bei der Vertretung wissen-        bare Vereinbarung zur Entfristung in
     hungswissenschaft der Philipps-            schaftlich Beschäftigter, die überwie-     allen Beschäftigtengruppen zu reali-
     Universität Marburg haben in einer         gend befristet eingestellt werden, weist   sieren. „Die Universität Kassel weist bei
     Zwischenbilanz die Ergebnisse der          das Hessische Personalvertretungsge-       der Befristung von Lehrkräften für be-
     AfD bei der hessischen Landtagswahl        setz (HPVG) gravierende Lücken und         sondere Aufgaben den typischen ho-
     im Oktober 2018 ausgewertet und ih-        dringenden Reformbedarf auf. Elisa-        hen Beschäftigungsstand auf. Das führt
     ren Wahlkampf und ihr Auftreten im         beth Beltz vom Personalrat der Uni Kas-    zu erheblichem Frust bei den Betroffe-
     Landtag analysiert. In den Reden und       sel verwies auf den § 97 des HPVG, der     nen,“ sagte Marlis Tepe. Die Haltung
     Anträgen der AfD-Abgeordneten sei          die Mitbestimmung des Personalrats bei     der GEW sei klar: „Wir fordern Dauer-
     das Bemühen erkennbar, „das Parla-         der Einstellung von befristet oder auf     stellen für Daueraufgaben. Deshalb un-
     ment zu einer Arena für populistische      Zeit zu beschäftigenden wissenschaft-      terstützen wir sowohl die lokale Initi-
     Botschaften und neurechte Diskurs-         lichen Beschäftigten an Hochschulen        ative der studentischen Hilfskräfte als
     verschiebung zu machen“. Die hessi-        ausschließt: „Da über 90 Prozent des       auch die Initiative UniKasselUnbefris-
     sche AfD sei einem „parlamentsorien-       wissenschaftlichen Personals befristet     tet. Die Kasseler Universitätsleitung ist
     tierten“ Fraktionstypus zuzuordnen,        eingestellt werden, haben die Personal-    aufgefordert, eine verbindliche Rege-
     der „zwischen moderat-aggressiv und        räte an den Hochschulen in diesem Be-      lung zur Entfristung des wissenschaft-
     populistisch-nationalistisch agiert“.      reich so gut wie keine Handhabe.“ „Die-    lichen Personals mit Daueraufgaben an
     Das Manuskript kann bei der HLZ-           se restriktive Regelung des HPVG, durch    ihrer Hochschule zu schaffen.“
     Redaktion angefordert werden.              die eine weitere große Gruppe der Be-                                 Nina Ulbrich
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
7      HLZ 9–10/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                   T ite l thema : S c h u l jahr beginnt

                                  Das Schuljahr beginnt
                       Unterschiedliche Sichtweisen von Ministerium und GEW
    Kultusminister Lorz hält die Schulen im neuen Schuljahr – so      Stunden für die gemeinsame Arbeit mit Kindern, wie dies in
    der Tenor seiner Pressekonferenz – für „hervorragend aufge-       der VOiSB vorgesehen ist, wirklich vorhanden sind und ge-
    stellt“. Vergleicht man den letzten Stand des Zuweisungser-       lebt werden, hat Inklusion in Hessen eine Chance.
    lasses vom 26. Juni 2019 mit dem vom 20. Juni 2018 dürfte             Ausführlich lobte der Minister das Landesprogramm „Di-
    die von Lorz genannte Gesamtschülerzahl zu niedrig ange-          gitale Schule Hessen“, mit dem das Land auf die Mittel des
    setzt sein. Während Lorz von einem Rückgang der Gesamt-           Bundes aus dem „Digitalpakt Schule“ „noch eine ordentli-
    schülerzahl um 1.000 sprach, errechnet die GEW einen An-          che Schippe drauflegt“. Vergleicht man die in Aussicht ge-
    stieg um rund 2.500 Schülerinnen und Schüler (+ 0,33%).           stellten (und noch lange nicht zugewiesenen) Mittel mit der
    Unstrittig ist die weiter ansteigende Zahl von Erstklässlerin-    Zahl der hessischen Schülerinnen und Schüler, kommt man
    nen und Erstklässlern, die sich auf rund 54.900 erhöht. Regi-     für die Laufzeit von fünf Jahren auf einen Betrag von rund
    onal verzeichnen die Ballungsregionen weiter einen Anstieg,       540 Euro pro Schülerin und Schüler. Dies deckt an der Grund-
    die ländlichen Regionen eher gleichbleibende oder leicht          schule etwa 40 % des geschätzten Bedarfs, an den weiterfüh-
    rückläufige Schülerzahlen. Allein in Frankfurt steigt die Zahl    renden Schulen gerade mal ein Viertel. Die GEW verweist
    der Kinder an Grundschulen um rund 1.000 (+ 4,0 %). Nicht         nicht nur zum Schuljahresanfang auf die Notwendigkeit, zu-
    nur in den Kollegien vor Ort, sondern auch bei Presse stieß       nächst an der Schule mit der entsprechenden Unterstützung
    die Behauptung, alle Stellen seien „besetzt“, eher auf Verwun-    durch das Land die erforderlichen pädagogischen Konzepte
    derung. Die Fragen der Presse nach dem Umfang des Unter-          zu entwickeln und auch in Fortbildung zu investieren. Ein
    richtsausfalls blieben einmal mehr unbeantwortet.                 Fortbildungsbudget von 40 Euro im Jahr pro Lehrerstelle ist
        Die GEW hält die Vereinbarungen mit den Universitä-           absolut lächerlich und treibt die Schulen in die Arme der
    ten in Gießen, Frankfurt und Kassel, zum Wintersemester           privaten Anbieter, die über kostenlose Fortbildungsangebo-
    2019/20 135 zusätzliche Studienplätze im Grundschullehr-          te zugleich ihre Soft- und Hardwareprodukte promoten, wie
    amt bereitzustellen, für richtig, aber nicht für ausreichend.     Kollege René Scheppler in einer konkreten Fallstudie in die-
    Die Verhandlungen mit der Universität Kassel, auch dort die       ser HLZ dokumentiert (S.24-25).
    Ausbildung für das Lehramt Förderschule – das dringend um-            Als „Etikettenschwindel“ kritisiert die GEW die Behaup-
    benannt werden sollte – aufzunehmen, müssen aus Sicht der         tung des Ministers, dass inzwischen „61 Prozent der Grund-
    GEW durch entsprechende finanziellen Zusagen beschleunigt         schulen ganztägig arbeiten“. Die Aufnahme neuer Grund-
    werden. Maike Wiedwald, Landesvorsitzende der GEW, weist          schulen in den „Pakt für den Nachmittag“ dokumentiert zwar
    in ihrem Artikel in der vorliegenden HLZ (S. 8-9) darauf hin,     den hohen Bedarf an einer Ganztagsbetreuung, hat aber mit
    dass auch für die Zwischenzeit konsequente Maßnahmen er-          einer pädagogischen Verschränkung von Unterricht, Wahl-
    forderlich sind, um Qualität zu sichern und die Belastung der     angeboten und Betreuung im Sinne einer Ganztagsschule
    Kolleginnen und Kollegen nicht noch weiter zu steigern. Da        nichts zu tun. Die Vorstöße des CDU-Politikers Linnemann,
    die Zunahme der Schülerzahlen an den Grundschulen sehr            Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen nicht einzuschu-
    schnell in der Sekundarstufe I ankommen wird, muss auch           len (HLZ S.15), hält Lorz in Hessen mit der Einrichtung der
    dort schnell gehandelt werden. Dabei ist es besorgniserre-        Vorlaufkurse für „längst umgesetzt“.
    gend, dass der Anteil der Studierenden für die Lehrämter an           Außerdem kündigte der Minister an, weitere „Familien-
    Grundschulen, Förderschulen und Haupt- und Realschulen            klassen“ einzurichten und einen von Religionsgemeinschaf-
    gegenüber dem der Studierenden für das Lehramt an Gym-            ten unabhängigen Islamunterricht zu erproben. Bezüglich
    nasien in den letzten zehn Jahren von rund drei Viertel auf       der Kooperation mit dem Moscheeverband DITIB will Lorz
    die Hälfte massiv zurückgegangen ist.                             „bis Jahresende“ eine Entscheidung treffen. Im Schuljahr
        Auch im Bereich der Inklusion können viele Stellen nicht      2019/2020 sollen auch die Beratungen über eine Novellie-
    mehr von Fachkräften besetzt werden. Der Stellenzuwachs um        rung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbG) aufge-
    60 Stellen geht zu einem Viertel in die Förderschulen, die wie-   nommen werden.
    der steigende Schülerzahlen verzeichnen. Da auch die Zahl der         Keine Aussagen gab es zu den Ankündigungen in der Ko-
    inklusiv beschulten Kinder steigt, rechnet die GEW auch dort      alitionsvereinbarung von CDU und Grünen, die Stundentafel
    mit Verschlechterungen. Besonders bedenklich ist die Tatsa-       für das Fach Deutsch in der Grundschule auszuweiten und
    che, dass ein nennenswerter Anteil der zugewiesenen Stellen       das Fach Politik und Wirtschaft in allen Klassen der Sekun-
    überhaupt nicht bei den Kindern ankommt, sondern für die          darstufen I und II verbindlich zu machen. Auch von Gesprä-
    „Implementierung“ und „Steuerung“ der inklusiven Schul-           chen „mit unseren Nachbarländern“ über eine einheitliche
    bündnisse (iSB) verwendet wird. Mehr als 18 Monate nach           Eingangsbesoldung für alle Lehrämter hat man bisher noch
    Vorlage des Entwurfs der „Verordnung über die Aufgaben            nichts gehört. Die – bereits zur Hälfte verstrichene – Amts-
    und die Organisation der inklusiven Schulbündnisse“ (VOiSB)       zeit des hessischen Kultusministers als Präsident der KMK
    trat diese jetzt – ohne nennenswerte Änderungen – in Kraft        wäre dazu eine gute Gelegenheit, denn der Abstand Hessens
    (Amtsblatt 7/2019). Gleichzeitig fehlt es an allen Ecken und      zu den Bundesländern mit einer Besoldung der Grundschul-
    Enden: in der inklusiven Beschulung, bei den vorbeugenden         lehrkräfte nach A13 wächst immer weiter (HLZ S.14-15).
    Maßnahmen und auch an den Förderschulen. Nur wenn die                                         Harald Freiling, HLZ-Redakteur
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
Titelthema                                                                            zum Inhaltsverzeichnis       HLZ 9–10/2019      8

                                            Wir brauchen mehr Qualität
                     Qualifizierungsoffensive statt weiterer befristeter Beschäftigung
     Auch in diesem Schuljahr können viele Stellen an Grund-                   Prekäre Beschäftigung reduzieren
     schulen, Förderschulen und beruflichen Schulen nicht besetzt
     werden, die Ranglisten sind leer. Die Verantwortung dafür       Studierende, die auf TV-H-Stellen an den Schulen arbeiten,
     trägt die schwarz-grüne Landesregierung, die von einer „de-     haben sicherlich weiterhin das Ziel, ihr Studium abzuschlie-
     mografischen Rendite“ durch einen Rückgang der Zahl der         ßen. Es gibt aber auch eine größere Anzahl von Kolleginnen
     Schülerinnen und Schüler redete und die deutlichen Warn-        und Kollegen, die bereits jahrelang auf befristeten Stellen an
     zeichen ignorierte.                                             den Schulen arbeiten. Sie lassen sich auf eine Befristungs-
        Die zögerlichen Reaktionen des Kultusministeriums und        praxis ein, die geprägt ist von häufigen, auch kurzfristigen
     des Wissenschaftsministeriums auf die steigende Zahl von        Verträgen. Sie leben über viele Jahre mit der Bedrohung,
     Schülerinnen und Schülern kommen zu spät: Nach der jetzt        keinen weiteren Vertrag zu bekommen. Diese prekären Be-
     vollzogenen Ausweitung der Zahl der Studienplätze für die       schäftigungsverhältnisse sind ein Skandal. Zu einem men-
     Lehrämter Grundschule und Förderschule wird es noch meh-        schenwürdigen Umgang mit Beschäftigten gehören konkrete
     rere Jahre dauern, bis die dringend benötigten ausgebildeten    Unterstützungsmaßnahmen und die Perspektive, durch Qua-
     Lehrkräfte zur Verfügung stehen.                                lifizierungsangebote die Chance auf eine unbefristete Stelle
                                                                     und eine angemessene Bezahlung zu erwerben. Auch für die
                                                                     Bewältigung des Schulalltags benötigen sie Unterstützung an
             Wie sieht die Einstellungspraxis aus?                   den Schulen, weil sie für diese Aufgabe (noch) nicht ausge-
     Zurzeit erhalten alle ausgebildeten Lehrkräfte mit zwei         bildet worden sind.
     Staatsexamina für die Lehrämter an Grundschulen, Berufli-
     chen Schulen und Förderschulen in Hessen in der Regel eine              Unterstützende Lehrkräfte entlasten!
     Planstelle. Im Bereich des Lehramts an Gymnasien gilt das
     nur für die sogenannten „Mangelfächer“ wie Physik.              All diese Kolleginnen und Kollegen werden dringend ge-
         Trotzdem können viele Stellen nicht besetzt werden. Des-    braucht, um die größten Lücken zu schließen. Gleichzeitig
     halb werden in Hessen in großer Zahl auch Personen ein-         werden ausgebildete Lehrkräfte mit der Einarbeitung und
     gestellt, die kein Lehramt haben, das mit einem ersten und      Unterstützung dieser Kolleginnen und Kollegen zusätzlich
     einem zweiten Staatsexamen nach erfolgreichem Vorberei-         belastet, ohne dass es dafür irgendeinen Ausgleich gibt. Die
     tungsdienst erworben wird. Diese Kolleginnen und Kollegen       Arbeitsbelastung der „Stammkollegien“ wächst auch deshalb,
     können nach dem Einstellungserlass in der Regel nur befris-     weil die neuen Kolleginnen und Kollegen für bestimmte Auf-
     tet beschäftigt werden. Deshalb hatten am 1.1.2019 in Hes-      gaben nicht eingesetzt werden können. Dazu ein Beispiel:
     sen 5.761 Personen nur einen befristeten Vertrag.               Befristet Beschäftigte, die an einem Beratungs- und Förder-
         Bezogen auf Vollzeitstellen entspricht dies einer Befris-   zentrum (BFZ) eine ausgebildete Lehrkraft ersetzen sollen,
     tungsquote von 6,6%. Mit einer „Unterrichtserlaubnis“ dür-      können nicht für die Erstellung förderdiagnostischer Gut-
     fen sie rechtlich für fast alle Aufgaben von Lehrkräften ein-   achten eingesetzt werden. Die Folge ist eine Konzentration
     gesetzt werden.                                                 der aufwändigen Arbeiten auf immer weniger Kolleginnen
         Ihre Eingruppierung richtet sich nach einem Erlass des      und Kollegen und damit eine deutliche Mehrbelastung. Hier-
     Hessischen Innenministeriums (Amtsblatt 11/2008). Grund-        für müssen sie entlastet werden. Sicher reißt auch das wie-
     lagen der Eingruppierung sind die Schulform und die indi-       der Lücken. Trotzdem ist es unerlässlich. Eine weitere Über-
     viduelle Qualifikation (HLZ S.10-11). Es ist sehr auffällig,    forderung bewusst in Kauf zu nehmen, das geht gar nicht!
     dass in den letzten Jahren die Eingruppierung in den Ent-
     geltgruppen 5 und 6 des Tarifvertrags Hessen (TV-H) deut-                     Weiterbildungsmaßnahmen
     lich zugenommen hat. Diese Eingruppierung gilt für Be-
     schäftigte ohne abgeschlossenes Hochschulstudium und für        Um dem Mangel im Grundschullehramt und Förderschul-
     Studierende, die möglicherweise gerade erst mit einem Stu-      lehramt zu begegnen, wurden Maßnahmen aufgelegt, für
     dium begonnen haben.                                            die sich Lehrkräfte mit einem zweiten Staatsexamen für das
         Außerdem ermöglicht das Hessische Schulgesetz nach §        Lehramt an Gymnasien oder an Haupt- und Realschulen be-
     15b auch den Einsatz von Personaldienstleistern, wenn „eine     werben können. Die Lehrkräfte werden unbefristet eingestellt
     vollständige Unterrichtsversorgung (…) aufgrund besonde-        und erfüllen ihre Qualifizierungsauflagen begleitend zum Un-
     rer Umstände der Schule nicht gewährleistet werden“ kann.       terrichtseinsatz. Solche Weiterbildungen sind ein richtiger
     Auf diesem Weg kommen Kolleginnen und Kollegen mit un-          Weg. Die Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilneh-
     terschiedlichen Qualifikationen im Rahmen von „Leiharbeit“      mern der bisherigen Maßnahmen zeigen aber auch Proble-
     an die Schulen.                                                 me auf: hohe Fahrtkosten, Überschneidungen mit Unter-
         Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass dies in den     richt, großer Prüfungsstress oder Praxisferne. Aus Sicht der
     nächsten Jahren zum Schulalltag gehören wird. Deshalb           GEW wäre eine einjährige Weiterbildung bei voller Freistel-
     kommt es jetzt darauf an, die Situation für alle an der Schu-   lung mit einer Abschlussprüfung nach wie vor der richtige
     le Beschäftigten konkret zu verbessern.                         Weg. Außerdem wird Kolleginnen und Kollegen mit e­ inem
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
9     HLZ 9–10/2019    zum Inhaltsverzeichnis                                                                                Titelthema

    ersten Staatsexamen für die Lehrämter an Haupt- und Real­
    schulen bzw. Gymnasien angeboten, ihr Referendariat im Be-
    reich der Grundschule zu absolvieren, um dann auch dau-
    erhaft dort zu unterrichten. Insbesondere beim Lehramt für
    Haupt- und Realschulen zeichnet sich aber schon jetzt auf-
    grund der geringen Studierendenzahlen der nächste große
    Mangel ab (HLZ 5/2019).

             Was sind Quereinsteigerprogramme?
    Ein grundsätzlich sinnvoller Ansatz ist es, fachlich quali-
    fizierte Kolleginnen und Kollegen für den „Quereinstieg in
    Schulen“ zu gewinnen und pädagogisch und didaktisch zu
    qualifizieren. Das QuiS-Programm von 2009 für Kollegin-
    nen und Kollegen mit einem Hochschulabschluss, aus dem
    sich ein Einsatz in Mangelfächern ableiten lässt, sieht eine
    umfassende Qualifizierung vor und führt nach bestandener
    Prüfung zu einer Gleichstellung mit dem Lehramt und da-
    mit zu einer unbefristeten Einstellung und zu gleicher Be-
    zahlung. Diese sinnvolle Maßnahme wurde jedoch 2012 trotz
    guter Erfahrungen wieder gestoppt. Weiter praktiziert wird
    der Quereinstieg mit einer umfassenden Qualifizierung für
    die Lehrertätigkeit und der Gleichstellung mit einem Lehr-
    amt in den Beruflichen Schulen. Trotzdem finden sich ins-
    besondere in den Berufsfeldern Metall- und Elektrotechnik
    kaum geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Deshalb hat
    das Kultusministerium vor einigen Jahren eine Maßnah-
    me für FH-Ingenieure im Bereich der Metall- und Elektro-        „Bildung braucht bessere Bedingungen“ erklärten Lehrkräfte, Schü-
    technik zum Erwerb des Lehramts Berufsbildende Schulen           lerinnen, Schüler und Eltern bei einer Demo am 22.9.2018 in
    (QuEM) aufgelegt. Diese berufsbegleitende Maßnahme dau-          Frankfurt. (Foto: GEW)
    ert etwas über drei Jahre. Wie bei den QuiS-Absolventinnen
    und -Absolventen steht am Ende eine Abschlussprüfung mit        • Wir brauchen Qualifizierungsmaßnahmen für Personen,
    der Gleichstellung. Auch hier läuft nicht alles bestens, aber    die bereits an den Schulen tätig sind. Für Fachlehrerinnen
    immerhin ermöglicht QuEM eine pädagogische Ausbildung            und Fachlehrer für arbeitstechnische Fächer kann dies der
    nach pädagogischen Standards.                                    berufsbegleitende Erwerb des Lehramts sein, für sozialpäda-
        Die aktuelle Arbeitslosenquote unter Akademikerinnen         gogische Fachkräfte mit heilpädagogischer Zusatzbildung die
    und Akademikern von 1,8 % (1), die Arbeitsbedingungen in         Möglichkeit, berufsbegleitend das Lehramt für Förderschu-
    Schulen und die Verdienstmöglichkeiten in der Privatwirt-        len zu erwerben. Berufsbegleitende Qualifizierungen funkti-
    schaft erklären die geringe Zahl potenzieller Bewerberin-        onieren jedoch nur unter realistischen Rahmenbedingungen.
    nen und Bewerber. Fachspezifisch gibt es aber auch in den        • Wir brauchen Programme für Personen ohne Lehramts-
    für die Schule interessanten Fächern wie Physik mit 2,4 %,       studium. Hierfür brauchen wir konkrete Kriterien. Der Maß-
    Chemie mit 2,6 % und Politikwissenschaft mit 3,4 % höhere        stab kann nur die pädagogische Qualität nach der Querein-
    Arbeitslosenquoten. In den für den Einsatz in Grundschu-         stiegsregelung von 2009 sein.
    len und Förderschulen näherliegenden Abschlüssen in Er-          • Wir brauchen dringend Entlastungen für ausgebilde-
    ziehungswissenschaften oder Sozialarbeit und Sozialpäda-         te Lehrkräfte, damit sie die Kolleginnen und Kollegen, die
    gogik liegt die Arbeitslosenquote mit 1,4 % bzw. 1,7 % noch      in Maßnahmen ausgebildet werden oder befristet beschäf-
    niedriger. Um Personen, die bereits erwerbstätig sind, für ei-   tigt sind, auch im notwendigen Maße unterstützen können.
    nen Quereinstieg und eine berufliche Veränderung zu moti-            Diese Maßnahmen sind Bestandteil eines Positionspapiers,
    vieren, wäre es vor allem dringend erforderlich, die Arbeits-    das die Gewerkschaften GEW und ver.di in eine Arbeitsgrup-
    bedingungen an den Schulen zu verbessern. Und da gibt es         pe eingebracht haben, die mit dem Land Hessen im Rahmen
    bekanntlich viel zu tun!                                         der letzten Tarifrunden vereinbart wurde, um die hohe Zahl
                                                                     befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu reduzieren.
                  Qualifizierung mit Qualität                            Es muss aber allen klar sein, dass alle Maßnahmen ohne
                                                                     eine Aufwertung pädagogischer Berufe ins Leere laufen wer-
    Um den Lehrkräftebedarf in den nächsten Jahren zu decken,        den: Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen, vertretbare Ar-
    brauchen wir eine umfassende Kraftanstrengung in den fol-        beitszeiten und eine gerechte Bezahlung. Nur so kann der Be-
    genden Bereichen:                                                ruf des Lehrer oder der Lehrerin auch wieder für viele junge
    • Wir brauchen Weiterbildungsmaßnahmen für das Grund-            Menschen attraktiver werden.
    schul- und das Förderschullehramt für Lehrkräfte mit einem
    anderen Lehramt. Für diese Weiterbildung müssen sie für          Maike Wiedwald, GEW-Landesvorsitzende
    ein Jahr vom Unterricht freigestellt werden. Die Weiterbil-      (1) https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeits-
    dung schließt mit einer Prüfung ab, mit der man das ande-        marktberichte/Berufe/generische-Publikationen/Broschuere-Aka-
    re Lehramt erwirbt.                                              demiker.pdf
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2019 - Schule beginnt
Titelthema                                                                                    zum Inhaltsverzeichnis      HLZ 9–10/2019      10

                                        Besoldung und Entgelt
                               Informationen für Neueingestellte und Personalräte
                                                                             rücksichtigt werden. Die Hessische Bezügestelle ermittelt da-
                      Neu eingestellt im Beamtenverhältnis
                                                                             nach die maßgebliche Grundgehaltsstufe und erlässt einen
            Die Besoldung, die man als Lehrerin oder Lehrer im Beam-         formellen Bescheid, gegen den innerhalb eines Jahres Wi-
            tenverhältnis erhält, beruht im Wesentlichen auf der jewei-      derspruch eingelegt werden kann. Unabhängig davon sollte
            ligen Besoldungsgruppe und der jeweiligen Besoldungsstufe.       man direkt mit dem Schulamt verhandeln, ob weitere Zeiten
                Die Besoldungsgruppe hängt zunächst vom Lehramt ab.          anerkannt werden können. Der Personalrat kann hier bera-
            Arbeitstechnische Fachlehrerinnen und Fachlehrer werden          tend tätig sein, hat aber kein Mitbestimmungsrecht.
            der Besoldungsgruppe A 10 zugeordnet und haben eine Auf-             Verheiratete Beamtinnen und Beamte und Beamtinnen
            stiegsmöglichkeit nach A 11. Für die anderen Lehrämter gel-      und Beamte in eingetragenen Lebenspartnerschaften erhal-
            ten die Besoldungsgruppen A 12 (Grundschule), A 13 ohne          ten außerdem den Familienzuschlag der Stufe 1. Stehen bei-
            Zulage (Haupt- und Realschule, Förderschule) und A 13 mit        de im Beamtenverhältnis, wird der Familienzuschlag geteilt.
            Zulage (Gymnasien und Berufliche Schulen). Die GEW for-          Den Familienzuschlag Stufe 1 erhalten auch nicht verhei-
            dert die Anhebung des Eingangsamts für Grundschullehr-           ratete Beamtinnen und Beamte, die eine unterhaltsberech-
            kräfte auf A 13, um Lehrkräfte mit gleicher Ausbildung auch      tigte Person in ihren Haushalt aufgenommen haben. Dies
            einheitlich zu bezahlen.                                         sind in der Regel Alleinerziehende oder Unverheiratete mit
                Hinsichtlich der Besoldungsstufen gilt in Hessen seit dem    Kindern. Der Zuschlag wird allerdings nicht gezahlt, wenn
            1. März 2014 ein „neues Besoldungsrecht“. Die Stufe richtet      das Kind Einkünfte über einer bestimmten Grenze hat. Zu
            sich nicht mehr – wie früher – maßgeblich nach dem Le-           diesen Einkünften zählen neben Einkünften aus einer Er-
            bensalter, sondern nach der vorliegenden Berufserfahrung.        werbstätigkeit das Kindergeld, der kinderbezogene Famili-
                Lehrkräfte erhalten nach dem Vorbereitungsdienst grund-      enzuschlag der Sonderzahlung und der Unterhalt des ande-
            sätzlich die Stufe 1. Der Aufstieg in die Stufe 2 erfolgt nach   ren Elternteils. Die Höchstgrenze liegt bei dem sechsfachen
            zwei Jahren, der Aufstieg in die Stufen 3, 4 und 5 nach je-      Betrag des Familienzuschlags der Stufe 1. Gibt es mehre-
            weils drei Jahren und der Aufstieg in die Stufen 6, 7 und 8      re Berechtigte, wird der Zuschlag durch die Anzahl der Be-
            nach jeweils vier Jahren. Damit hat man nach 23 Jahren die       rechtigten geteilt.
            Stufe 8 erreicht, sofern keine hinderlichen Unterbrechungen          Liegt eine Berechtigung zum Bezug von Kindergeld vor,
            erfolgen. Welche Unterbrechungen den Stufenaufstieg ver-         wird außerdem der „kindbezogene Familienzuschlag“ gezahlt.
            zögern und welche nicht, ist in § 29 des Hessischen Besol-       Die Höhe richtet sich nach der Anzahl der Kinder. Gibt es
            dungsgesetzes (HBesG) geregelt.                                  mehrere Berechtigte für einen solchen kindbezogenen Zu-
                Berufserfahrungszeiten vor der Berufung in das Beamten-      schlag, wird der Zuschlag nur einmal gezahlt und zwar an
            verhältnis können bei diesem Aufstieg berücksichtigt werden.     die Person, die das Kindergeld erhält.
            Dies sind Zeiten einer „gleichwertigen Tätigkeit“ bei einem          Das früher gewährte „Weihnachtsgeld“ und das „Urlaubs-
            Arbeitgeber oder Dienstherrn des öffentlichen Dienstes. An-      geld“ wurden in einer monatlichen Sonderzahlung zusam-
            dere Tätigkeiten – auch bei privaten Arbeitgebern – können       mengefasst. Sie beträgt 5 Prozent der Dienstbezüge. Zusätz-
            ganz oder teilweise anerkannt werden, wenn sie „förderlich“      lich wird ein Betrag von 2,31 Euro pro Kind gezahlt.
            sind. Der Vorbereitungsdienst (Referendariat) und das Studi-         Beamtinnen und Beamte erhalten ihre Besoldung zu Be-
            um werden nicht angerechnet.                                     ginn des Monats. Leider verzögert sich regelmäßig die ers-
                In der Regel erfolgt nach der Einstellung eine vorläufi-     te Auszahlung nach der Einstellung. Sobald die Staatlichen
            ge Zuordnung zur Stufe 1, damit die Hessische Bezügestelle       Schulämter zumindest die „Grunddaten“ in das Compu-
            überhaupt schon Besoldung auszahlen kann. Dann entschei-         tersystem eingegeben haben, kann die Hessische Bezüge-
            det das Staatliche Schulamt, welche „Erfahrungszeiten“ be-       stelle (HBS) wenigstens einen Abschlag zahlen. In der Pra-

Illustration:
Dieter Tonn
11     HLZ 9–10/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                            Titelthema

     xis kommt es häufig zu Überzahlungen, insbesondere des            nung von Berufserfahrungen „aus einem vorherigen befriste-
     Familienzuschlags. Daher muss man Änderungen immer                ten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber“ gilt nach § 16
     (schriftlich) mitteilen. Das gilt auch, wenn der Partner oder     Abs. 2 TV-H in Verbindung mit Punkt 3 der entsprechenden
     die Partnerin eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder bei      Protokollerklärung nur, „wenn zwischen dem Ende des vor-
     einem Arbeitgeber, der nach den Regelungen des öffentli-          herigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein
     chen Dienstes bezahlt, aufnimmt oder beendet. Den Namen           Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt“.
     und die Telefonnummer der zuständigen Sachbearbeiterin-               Neben den verbindlichen Vorgaben zur Anrechnung ein-
     nen und Sachbearbeiter der HBS findet man auf dem Be-             schlägiger Berufserfahrungen beim selben Arbeitgeber re-
     zügenachweis.                                                     gelt der TV-H in § 16 Abs. 2 und Abs. 5 auch die Möglich-
                                                                       keiten der Anerkennung von Berufserfahrungen bei einem
                                                                       anderen Arbeitgeber und von „förderlichen Zeiten“ zur Ab-
                Neu eingestellt im Arbeitsverhältnis
                                                                       deckung eines besonderen Personalbedarfs sowie die Mög-
     Grundlage für die Gehaltszahlungen der tarifbeschäftigten         lichkeit der Vorweggewährung von Stufen. Von der letzten
     Lehrerinnen und Lehrer ist der Tarifvertrag Hessen (TV-H).        Möglichkeit macht das Hessische Kultusministerium derzeit
     Auch hier gibt es eine Entgeltgruppe und einen Aufstieg in        Gebrauch, um den großen Fachkräftemangel im Bereich der
     sechs Entgeltstufen.                                              Grund- und Förderschulen zu decken.
         Die Zuordnung zu den Entgeltgruppen erfolgt für Lehr-             Im Arbeitsvertrag wird immer die Entgeltgruppe des TV-H
     kräfte weiterhin nach dem Eingruppierungserlass, den das          aufgeführt. Außerdem sollte im Arbeitsvertrag stehen, nach
     Hessische Innenministerium erlässt. Die aktuelle Fassung          welcher Entgeltstufe gezahlt wird. Aus zeitlichen Gründen
     findet man im Amtsblatt 11/2008. Sie basiert noch auf den         wird die Angabe der Entgeltstufe allerdings oftmals offen
     alten BAT-Gruppen. Die GEW hat deshalb eine Version er-           gelassen und nach der Einstellung ergänzt.
     stellt, in der die Entgeltgruppen des TV-H zugeordnet wer-            Der Personalrat der Schule übt bei der Festlegung der Ent-
     den. Die Eingruppierung hängt ausschließlich von der Schul-       geltgruppe und der Entgeltstufe nach § 77 Abs.1 Punkt 2b)
     form und der formalen Qualifikation der Beschäftigten ab          HPVG das Mitbestimmungsrecht aus. Dabei stimmt der Per-
     und ist mit über 100 Fallgruppen sehr unübersichtlich. Die        sonalrat zunächst der Einstellung zu, damit die Arbeit auf-
     GEW fordert, dass die Eingruppierung in einem Tarifvertrag        genommen werden kann, und in einem zweiten Schritt der
     vereinbart wird. In der Tarifeinigung 2019 wurde festgelegt,      Eingruppierung und Einstufung.
     dass auch in Hessen Verhandlungen zur tarifvertraglichen              Nach § 20 TV-H erhalten alle Beschäftigten, die am 1. De-
     Eingruppierung in einer „Lehrkräfteentgeltordnung“ aufge-         zember in einem Arbeitsverhältnis zum Land Hessen stehen,
     nommen werden, so wie sie im Bereich des Tarifvertrags der        eine Jahressonderzahlung („Weihnachtsgeld“). Sie beträgt in
     Länder (TV-L) in allen anderen Bundesländern gilt.                den Entgeltgruppen E 1 bis E 8 90 Prozent des Tabellenent-
         Der TV-H sieht für alle Entgeltgruppen sechs Entgeltstu-      gelts, in den Entgeltgruppen E 9 bis E 15 60 Prozent. Erhal-
     fen vor. Beschäftigte ohne Berufserfahrung werden der Stufe       ten Tarifbeschäftigte des Landes Hessen Kindergeld, so wird
     1 zugeordnet. Der Aufstieg in die Stufe 2 erfolgt nach einem      nach § 23a TV-H eine Kinderzulage gezahlt. Haben mehre-
     Jahr in Stufe 1. Dabei wird der Vorbereitungsdienst mit sechs     re Personen für das gleiche Kind Anspruch auf eine solche
     Monaten auf die Laufzeit der Stufe 1 angerechnet. Der Auf-        Zulage, gelten die gleichen Regelungen wie beim kindbezo-
     stieg in Stufe 3 erfolgt nach zwei Jahren in Stufe 2, der Auf-    genen Zuschlag der Beamtinnen und Beamten (siehe oben).
     stieg in die Stufe 4 nach weiteren drei Jahren, der Aufstieg in
     die Stufe 5 nach vier Jahren und der Aufstieg in die Endstufe
                                                                                     FAQ-Liste zum Landesticket
     6 nach fünf Jahren. Die höchste Stufe ist damit nach 15 Jah-
     ren erreicht, bei einer Anrechnung des Vorbereitungsdienstes      Beamtinnen und Beamte und tarifbeschäftigte Lehrkräfte er-
     nach 14,5 Jahren. Bei allen befristeten Beschäftigungsver-        halten seit dem 1. Januar 2018 eine „Freifahrtberechtigung“
     hältnissen ist dringend zu beachten, dass Unterbrechungen         für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für Landes-
     durch Zeiten ohne Arbeitsvertrag mit dem Land Hessen dazu         bedienstete. Eine FAQ-Liste zum Landesticket findet man auf
     führen, dass man bei einem neuen Arbeitsvertrag ggf. wieder       der Internetseite des Innenministeriums: https://innen.hes-
     in Stufe 1 beginnen muss, denn die verpflichtende Anrech-         sen.de/buerger-staat/personalwesen/landesticke

                       Beratung für GEW-Mitglieder
     GEW-Mitglieder können sich bei den ehrenamtlichen Rechtsberaterinnen und Rechts-
     beratern der GEW, beim Tarifreferenten der GEW Hessen und bei der Landesrechts-
     stelle in allen Gehaltsfragen beraten lassen. Alle Kontaktadressen und aktuelle Be-
     soldungs- und Gehaltstabellen findet man auf der Homepage der GEW.
         Weitere nützliche Hinweise findet man in der Broschüre „Start in die Schule“,
     die von der GEW jetzt aktualisiert und neu aufgelegt wurde. Man findet sie auch im
     Mitgliederbereich auf der GEW-Homepage. Dazu benötigt man als Zugangscode die
     Mitgliedsnummer, die auf dem Mitgliedsausweis und im Adressfeld auf jeder Ausga-
     be der Zeitschrift E&W abgedruckt ist.

     Die Neuauflage der Broschüre „Start in die Schule“ findet man im Mitgliederbe-
     reich der GEW-Homepage unter www.gew-hessen.de > Recht.
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