Kinder in Naturkatastrophen: Risiken, Belastungen, Vorsorgestrategien und Psychosoziale Notfallversorgung - Harald Karutz

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   Kinder in Naturkatastrophen:
   Risiken, Belastungen, Vorsorgestrategien
   und Psychosoziale Notfallversorgung
   Gesine Plagge, Harald Karutz

Um eine kindgerechte Notfall- bzw. Katastrophenvorsorge zu ge-
währleisten, müssen erst noch altersspezifisch differenzierte, syste-
misch ausgerichtete Hilfeleistungskonzepte erarbeitet werden

Zusammenfassung                                             Children in natural disasters: riscs, stres-
Auch in Deutschland treten Extremwetterereignisse           sors, preparedness and psychosocial
mit teilweise katastrophalen Auswirkungen immer
                                                            emergency care
häufiger auf. In besonderer Weise sind von solchen
Ereignissen Kinder betroffen. Vor diesem Hintergrund
werden der Forschungsstand und etablierte Praxis-           Summary
konzepte zu kindgerechten Vorsorgestrategien sowie          Extreme weather events, some of them disatrous, are
zur Psychosozialen Notfallversorgung für Kinder in ei-      increasing in frequency and intensity even in Germany.
nem orientierenden Überblick dargestellt. Dabei zeigt       In a special way, such events affect children as a high
sich, dass derzeit sowohl Forschungs- als auch Versor-      vulnerable group. Against this background, the state
gungsdefizite zu konstatieren sind.                         of research on child-appropriate emergency prepared-
                                                            ness and psychosocial emergency care is presented in
Schlüsselwörter                                             an orienting overview. This overview underlines limited
Psychosoziale Notfallversorgung, Kinder, Naturkatast-       evidence in research as well as in supply.
rophen, Krisenintervention, Notfallvorsorge
                                                            Keywords
                                                            psychosocial emergency care, children, natural disas-
                                                            ters, crisis intervention, Emergency preparedness

94 | Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen   16 Jg. (2018) Heft 3
Kinder in Naturkatastrophen
                                                                             Gesine Plagge, Harald Karutz

Einleitung                                               trum – sogar bis zu 91 % der untersuchten
Erdbeben, Lawinenabgänge, Überschwem-                    Kinder eine PTBS auf (Goenjian et al. 1995).
mungen und andere Extremwetterereignisse                    Häufig handelt es sich dabei um relativ
wie z.B. ein Tornado können mit erheblichen              lang anhaltende Störungsbilder. So konnten
Ängsten, Ohnmachts- und Hilflosigkeitsge-                nach dem Hurrikan Katrina in den USA auch
fühlen verbunden sein, zur Verletzung der                neun Monate nach dem Ereignis noch bei
psychischen Integrität und zu existenzieller             35 % der befragten Kinder posttraumatische
Bedrohung führen. Sofern auch die örtliche               Symptome festgestellt werden. Nach 21
Infrastruktur zerstört wird und es sich um               Monaten war dies immer noch bei 29 % der
Ereignisse handelt, die „die lokale Bewälti-             Fall (La Greca et al. 2010). Neben der Post-
gungskapazität überschreiten und daher eine              traumatischen Belastungsstörung lassen sich
regionale, nationale oder sogar internationale           zahlreiche weitere psychische Ereignisfolgen
Hilfestellung erfordern“ (Juen et al. 2017b,             registrieren. So werden u.a. Depressionen,
405), ist von Naturkatastrophen die Rede.                Ängste, Substanzmissbrauch und akademi-

Naturkatastrophen können bei der besonders vulnerablen Gruppe
der Kinder und Jugendlichen zu erheblichen Ängsten, Ohnmachts-
und Hilflosigkeitsgefühlen führen
    Kinder, die solche Situationen miterleben            sches Versagen als mögliche Auswirkungen
mussten, stellen eine besonders vulnerable               von Naturkatastrophen betrachtet (Bunz &
Bevölkerungsgruppe dar (Karutz et al. 2017),             Mücke 2017; Pane et al. 2008; Masten &
zumal „potenziell traumatisierende Erfahrun-             Osofsky 2010 – für einen ausführlichen Über-
gen im Kindes- und Jugendalter ein Risiko                blick siehe Landolt 2012).
für die Entwicklung von psychischen Störun-                 Um das Risiko solcher Ereignisfolgen
gen“ sind (Münzer et al. 2015). Die beson-               möglichst gering zu halten, bedarf es einer
dere Vulnerabilität von Kindern ist dabei mit            adäquaten Psychosozialen Notfallversor-
dem Alter bzw. dem Stand der kognitiven,                 gung (PSNV). Sie gilt auch nach Naturka-
emotionalen und sozialen Entwicklung so-                 tastrophen als eine anerkannte Praxis der
wie dem damit zusammenhängenden Man-                     Unterstützung für Betroffene und wird in
gel an Vorerfahrungen verknüpft, mit denen               Deutschland seit einigen Jahren als „Versor-
neue Erfahrungen abgeglichen werden kön-                 gungsstandard“ bezeichnet (Prewitt Diaz &
nen. Fähigkeiten und Ressourcen, um die ei-              Dayal 2008; BBK 2011).
genen psychischen Bedürfnisse selbststän-                   Allerdings finden sich für den psycholo-
dig zu befriedigen, sind bei Kindern meist               gisch angemessenen Umgang mit Kindern
nur unzureichend ausgeprägt (Krüger 2007;                und ihre Versorgung in Naturkatastrophen
Schonfeld 2004).                                         derzeit nur wenige wissenschaftlich begrün-
    Dementsprechend überrascht es nicht,                 dete Handlungskonzepte. Dies mag durch
dass z.B. 30 bis 50 % der nach einem Wir-                die oftmals umfangreichen Aufbauarbeiten
belsturm untersuchten Kinder „klinisch be-               mitbegründet sein, hinter denen die psycho-
deutsame Symptome“ zeigten (La Greca &                   sozialen Bedürfnisse und Bedarfe oftmals ig-
Prinstein 2002). In einer Studie, in der Kin-            noriert oder vergessen werden (Prewitt Diaz
der nach einer Überschwemmung befragt                    & Dayal 2008). Ein solches Defizit lässt sich
worden sind, hatten 37 % eine Posttrauma-                für Deutschland auch damit begründen, dass
tische Belastungsstörung (PTBS) (Green et                – anders als z.B. in den Hurrikanregionen der
al. 1991), und nach einem Erdbeben wiesen                USA – ein vergleichsweise geringes Naturka-
– abhängig von der Entfernung zum Epizen-                tastrophenrisiko besteht.

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Kinder in Naturkatastrophen
Gesine Plagge, Harald Karutz

Häufigkeit von Naturkatastrophen                            dass es aber insbesondere an gesicherten
In einem internationalen Vergleich kamen                    Handlungsempfehlungen für die Akutsituation
Gnauk et al. (2007) zu dem Ergebnis, dass die               mangelt (Hobfoll et al. 2007, 300).
Betroffenheit von Kindern durch Naturkatast-                   International wurden zwar durchaus ei-
rophen weltweit relativ hoch ist: „On a wor-                nige Studien zur Situation von Kindern nach
ldwide scale, there have been many events                   Naturkatastrophen durchgeführt. Vor allem
involving children. In natural disasters such as            nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005 hat
cyclones, floods, heatwaves and fires, 18.3–                es vielfältige Forschungsaktivitäten gegeben.
43.4% of acutely injured patients have been                 In diesem Zusammenhang wurde in den USA
children.“                                                  u.a. auch eine Expertenkommission, die „Na-
   In Deutschland wird man zwar vorrangig                   tional Commission on Children and Disas-
mit räumlich und zeitlich relativ begrenzten                ters“ gebildet, die in ihrem Abschlussbericht
Überschwemmungen oder Hitzewellen zu                        81 Einzelempfehlungen für eine verbesserte
rechnen haben. Auch sind Ereignisse in einer                psychosoziale Versorgung von Kindern in Ka-
Größenordnung wie beim Hurrikan Katrina im                  tastrophensituationen abgegeben hat (NCCD
Vergleich zu anderen Staaten in Deutschland                 2010). Allerdings, so stellte die Hilfsorgani-
immer noch höchst selten (Krings et al. 2017).              sation „Save the Children“ in einem Report
Allerdings geht Krüger (2007) davon aus, dass               zehn Jahre nach Katrina fest, wurden 79%
Naturkatastrophen auch aus traumapsycholo-                  dieser Empfehlungen bislang nicht erfüllt
gischer Sicht durchaus an Relevanz gewinnen                 (Save the Children 2015). Dies zeigt, dass
werden. Einerseits trägt die zunehmende Er-                 selbst in einem von vielen heftigen Nature-
eignishäufigkeit dazu bei (Wissenschaftlicher               reignissen betroffenen Land Weiterentwick-
Dienst des Deutschen Bundestages 2016).                     lungspotenzial erkennbar ist.
Andererseits spielt auch die Frage nach der                    Der Fokus deutschsprachiger Forschungs-
Verursachung dieser Katastrophen eine Rolle.                arbeiten im Bereich der PSNV von Kindern
Möglicherweise sehen Kinder beispielsweise                  hat in den vergangenen Jahren auf „men-ma-
eine Begründung für solche Ereignisse im                    de“-Ereignissen (insbesondere auf schweren

       In akut- und notfallpsychologischen Versorgungskonzepten werden
       kinderspezifische Aspekte viel zu wenig berücksichtigt oder es werden
       kinderbezogene Einzelempfehlungen nicht umgesetzt
sorglosen, geringschätzenden Umgang von                     Gewalttaten in Schulen wie den sogenann-
Erwachsenen mit der Natur – und je häufiger                 ten School Shootings, Helmerichs et al. 2012;
solcher Ereignisse sind, umso mehr drängt                   Schedlich et al. 2017) oder der Versorgung
sich die Frage nach Verantwortlichkeiten auf.               von Kindern nach Busunglücken (Karutz &
                                                            Armgart 2015) gelegen, nicht aber auf Natur-
Forschungsstand                                             katastrophen.
Der bisherige Forschungsstand zur PSNV von                     Untersuchungen zu Versorgungsstruktu-
Kindern in Naturkatastrophen ist unbefriedi-                ren und -angeboten (Pfefferbaum & North
gend, zumal „akut- und notfallpsychologische                2016) der psychosozialen Notfallversorgung
Versorgungskonzepte […] sehr oft kinderspe-                 von Kindern speziell nach Naturereignissen
zifische Aspekte noch zu wenig [berücksich-                 sind im deutschsprachigen Raum kaum exis-
tigen]“ (Landolt & Hensel 2012, 461). Auch                  tent. Dabei zeigt gerade der Umstand, dass
Hobfoll et al. stellen fest, dass zwar empirisch            die PSNV in solchen Situationen – anders als
gewonnene Erkenntnisse zu effektiven klini-                 bei sonstigen Großschadenslagen – auch die
schen Interventionsmethoden vorhanden sind,                 Versorgung in Notunterkünften bzw. Evakuie-

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rungszentren mitabdecken muss (Juen et al.                  sen, einen Mangel an Fürsorge sowie einen
2017b), dass es grundlegende Unterschiede                   unzureichenden Schutz vor Menschen, die
gibt, aus denen auch unterschiedliche Hand-                 ihre Wehrlosigkeit ausnutzen, gefährdet
lungsnotwendigkeiten resultieren.                           sein. Vor allem in großflächigen und länger
   In Deutschland ist somit von einer beson-                andauernden Naturkatastrophen werden
ders großen Forschungs- und Versorgungs-                    Missbrauch und Kindesentführungen be-
lücke hinsichtlich der PSNV von Kindern in                  günstigt.
Naturkatastrophen auszugehen. Hierzulande                3. Risiko der Nichterfüllung körperlicher Be-
gibt es mit solchen Situationen nur wenige                  dürfnisse durch unzureichende (kindge-
Erfahrungen. Sie werden offenbar auch nicht                 rechte) Ernährung und ebenfalls unzurei-
erwartet, und insofern scheint – oberflächlich              chende altersgerechte Vorräte an Windeln,
betrachtet – keine Dringlichkeit für Forschung              Kinderbetten und Babynahrung: Bei Ein-
speziell zu diesem Thema gegeben.                           schränkungen der Trinkwasserversorgung
                                                            besteht für Kinder beispielsweise eine be-
Naturkatastrophen sind für Kinder mit viel-                 sonders große Dehydratationsgefahr.
fältigen situationsspezifischen Risiken und              4. Risiko der Nichterfüllung medizinischer
Gefahren verbunden                                          Bedürfnisse durch Defizite an pädiatri-
                                                            schem Wissen, Equipment und Medi-
   Vor diesem Hintergrund soll mit dem vorlie-              kamenten oder auch durch mangelhafte
genden Beitrag ein orientierender Überblick                 hygienische Verhältnisse: Kinder erkran-
über die verfügbare Fachliteratur, durchge-                 ken besonders rasch an Magen-Darm-In-
führte wissenschaftliche Untersuchungen so-                 fektionen, was wiederum zu starken und
wie die in der Praxis etablierten Versorgungs-              rasch bedrohlichen Flüssigkeitsverlusten
konzepte gegeben werden. Nach Hinweisen                     führen kann.
zu den besonderen Belastungsfaktoren, die                Aus psychotraumatologischer Sicht sind darü-
mit dem Erleben von Naturkatastrophen ver-               ber hinaus aber noch einige weitere Aspekte
bunden sind, werden sowohl Aspekte der Ka-               relevant, da sie bei betroffenen Kindern eine
tastrophenvorsorge als auch der Psychosozi-              besonders tiefe Erschütterung des Gefühls
alen Notfallversorgung thematisiert.                     von Sicherheit und Kontrolle zur Folge haben
                                                         können. Hierzu gehört zunächst die Trennung
Spezifische Risiken und psychische                       von Eltern bzw. Bezugspersonen. Solche
Belastungen                                              Trennungserfahrungen sind für Kinder per se
Gerade für Kinder sind Naturkatastrophen zu-             belastend, für Trennungen über einen länge-
nächst einmal mit vielfältigen situationsspe-            ren Zeitraum gilt dies jedoch in besonderem
zifischen Risiken und Gefahren verbunden.                Maße (Juen et al. 2017b). Nach dem Hurri-
Zu nennen sind (nach Save the Children 2015              kan Katrina wurden z.B. über 5000 Kinder als
sowie Hentschel & Nikolai 2010):                         vermisst gemeldet, und die Familienzusam-
1. Entwicklungsrisiken in emotionaler, so-               menführungen dauerten in vielen Fällen wo-
    zialer und akademischer Hinsicht (insbe-             chenlang, in einigen Fällen sogar monatelang
    sondere durch Beeinträchtigungen im                  (Save the Children 2015). Dass ein dauerhaf-
    Bereich Beschulung, Wohnen, Freund-                  ter Verlust von Eltern bzw. Bezugspersonen
    schaften, Gesundheitsversorgung und Fa-              – z.B. durch Tod – extrem dramatisch erlebt
    miliennetzwerke).                                    werden kann, versteht sich von selbst. Auss-
2. Sicherheitsrisiken, d. h. bei zeitweiser Ab-          erdem führt bei Kindern nicht selten auch der
    wesenheit von erwachsenen Bezugsper-                 Verlust eines geliebten Haustieres bereits zu
    sonen können Kinder durch einen Mangel               einer tiefen Erschütterung bzw. einer heftigen
    an Wissen über adäquate Verhaltenswei-               Trauerreaktion.

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   Auch Konflikte mit den Bezugspersonen                    katastrophen führen meist zu großen Zer-
bzw. eine Betroffenheit der Beziehungsdimen-                störungen, von denen auch die Besitztümer
sion sind von Bedeutung. Bei Naturereignis-                 von Kindern betroffen sind. Krüger (2007)
sen handelt es sich zunächst um Ereignisse,                 hebt in diesem Kontext unterschiedliche
die außerhalb der Beziehungswelten von Kin-                 Bedeutungszuschreibungen hervor: Für Er-
dern stattfinden (Krüger 2007): Anders als bei              wachsene scheinbar wertlose Dinge wie
von Menschen verursachten Katastrophen                      bestimmte Spielzeuge oder Kuscheltiere
(z.B. technischen Unfällen in großen Fabriken),             können für Kinder demnach von existenziel-
ist hier kein Erwachsener direkt bzw. unmit-                ler Bedeutung sein.
telbar für das Geschehen verantwortlich. Al-                   Besonders schwerwiegend ist der Verlust
lerdings muss nach Krüger (2007, S. 58) eine                des Zuhauses, aber auch des Kindergartens
„Dimension von realer zerstörender ‚Allmacht‘               oder der Schule, da hierdurch ein großer Teil
menschlichen Handelns“ mitgedacht werden.                   der für Kinder sicherheitsgebenden Alltags-
Hiermit ist gemeint, dass bei Kindern ab dem                struktur abhanden kommt (Juen et al. 2017b).
Vorschulalter beispielsweise ein Wissen und                 Der Verlust der vertrauten Lebensumgebung
Bewusstsein um den menschlichen Einfluss                    stellt insofern eine starke psychische Heraus-
auf das Klima und seine Entwicklung beginnt,                forderung dar (Krüger 2007). Einkommens-

       Kinder machen sich womöglich Vorwürfe, durch umweltschädi-
       gendes Verhalten selbst zur Verursachung einer Naturkatastrophe
       beigetragen zu haben
der dazu führen kann, dass Kinder sich fragen,              schwache Familien werden zusätzlich in ihrer
wie sehr das menschliche Verhalten (oder kon-               ökonomischen Existenz bedroht, da sie die
kret das der Eltern, z.B. durch Nutzung eines               Beseitigung entstandener Schäden finanzi-
Autos mit hohem Kraftstoffverbrauch) zu dem                 ell meist nicht selbst tragen können und in
Ereignis geführt haben könnte. Möglicherwei-                der Regel auch nicht adäquat versichert sind
se entstehen dadurch Irritationen auf der Be-               (Save the Children 2015).
ziehungsebene, die durchaus Belastungspo-                      Abschließend ist auf den Verlust des Ar-
tenzial beinhalten. Dies ist insbesondere dann              beitsplatzes der Eltern hinzuweisen. Der zu-
der Fall, wenn ein Kind seine Bezugspersonen                vor bereits erwähnte Strukturverlust wird auf
„ursächlich mit der Katastrophe in Verbindung               andere und indirektere Weise noch durch den
[bringt]“ (Krüger 2007).                                    Verlust des Arbeitsplatzes der Eltern fortge-
   Bedingt durch die entwicklungspsycholo-                  setzt, weil mit diesem Verlust Kompensati-
gisch bedingte Egozentrierung des Denkens                   onsmöglichkeiten entfallen oder mindestens
könnte – zumindest bei jüngeren Kindern                     gefährdet werden.
– in diesem Zusammenhang auch die Ent-
stehung von eigenen Schuldgefühlen zu er-                   Katastrophenvorsorge
warten sein: Kinder machen sich womöglich                   Für den Bereich der kindgerechten bzw. spe-
Vorwürfe, durch umweltschädigendes Verhal-                  ziell auf Kinder bezogenen Katastrophenvor-
ten (z.B. unachtsam Müll weggeworfen, viele                 sorge (Preparedness) liegen international,
Batterien für ein Spielzeug verwendet, ho-                  insbesondere in den USA, zahlreiche Emp-
her Stromverbrauch im Kinderzimmer usw.)                    fehlungen und Konzepte vor. Einige Emp-
selbst zur Verursachung einer Naturkatastro-                fehlungen beziehen sich auf spielerische
phe beigetragen zu haben.                                   Katastrophentrainings sowie die Vermittlung
   Materielle Verluste spielen für Kinder                   schützender Verhaltensweisen (BMZ 2013).
ebenfalls eine entscheidende Rolle. Natur-                  Andere Empfehlungen beziehen sich vorran-

98 | Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen   16 Jg. (2018) Heft 3
Kinder in Naturkatastrophen
                                                                             Gesine Plagge, Harald Karutz

gig auf organisatorische Aspekte, die etwa               Spezielle Trainingsprogramme
von Bildungseinrichtungen beachtet werden                und Projekte
sollten. Die folgenden Ausführungen geben                Über das Engagement zur Umsetzung der be-
hierzu einen orientierenden Überblick.                   reits genannten Empfehlungen hinaus haben
                                                         verschiedene Institutionen und Organisatio-
Management                                               nen Projekte entwickelt, mit denen Kinder,
Um die bestehenden Risiken hinsichtlich der              Familien und Fachkräfte unmittelbar auf die
Entwicklung psychischer Notfallfolgen mög-               Konfrontation mit Naturkatastrophen (oder
lichst frühzeitig abzufangen, sind die beson-            natürlich auch anderen Großschadenslagen)
deren Bedarfe und Bedürfnisse von Kindern                vorbereitet werden sollen.
in Katastrophenschutzplanungen zu berück-                    Mit dem Projekt „Get ready. Get save“
sichtigen. Die psychosoziale Notfallversor-              (www.savethechildren.org/getready) verfolgt
gung von Kindern sollte eng mit der regulären            die Hilfsorganisation Save the Children bei-
Gesundheitsversorgung vernetzt und ein we-               spielsweise das Ziel, Gemeinden dabei zu
sentlicher Aspekt des Krisenmanagements                  unterstützen, sich auf die Versorgung und
sein. Darüber hinaus müssen finanzielle                  den Schutz von Kindern in Katastrophensitu-
Ressourcen zur Verfügung stehen, um die                  ationen vorzubereiten. Hierfür werden vielfäl-
psychosoziale Notfallversorgung überhaupt                tige Handlungsempfehlungen gegeben, u.a.
gewährleisten zu können (NCCD 2010).                     zur Erstellung von Notfallplänen. Mit einem
                                                         Lied und Tanz „Do the Prep Step“ („Mach
Schulung von Fachpersonal                                den Vorbereitungstanz!“) sollen Kinder hilfrei-
Sämtliche Personen, die mit der Betreuung von            che Verhaltensweisen für den Katastrophen-
Kindern nach Naturkatastrophen beschäftigt               fall vermittelt bekommen (in Deckung gehen,
sind, sollten dafür eine fundierte Ausbildung            Kontakt zu den Eltern suchen usw.).
erhalten. Als relevante Ausbildungsinhalte                   Ein spezielles Trainingsvideo „Children
werden psychische Reaktionen und Notfallfol-             First“ richtet sich an Fachpersonal in Kin-
gen bei Kindern, Maßnahmen der psychischen               dergärten, Schulen sowie Einrichtungen der
Ersten Hilfe und der Trauerbegleitung sowie              Kinder- und Jugendfürsorge (siehe https://
kognitiv-behaviorale und soziale Interventions-          vimeo.com/95673229). Darin wird u.a. the-
formen vorgeschlagen (NCCD 2010).                        matisiert, wie spezielle Notfalldokumente
                                                         für Kinder anzulegen sind und welche An-
Vorbereitungen in Einrichtungen                          gaben diese enthalten sollten (Name, An-
der Bildung und Fürsorge                                 schrift, Kontaktdaten bzw. Erreichbarkeit von
Einrichtungen, die mit der Betreuung von Kin-            Bezugspersonen, Informationen zu medizini-
dern betraut sind, müssen darauf vorbereitet             schen Besonderheiten wie Allergien usw.).
sein, eine sichere und geschützte Umgebung               Ebenfalls wird beschrieben welche Materi-
während und nach einer Katastrophe bieten zu             alien in einen Notfallrucksack gehören, wel-
können. Hierfür sollten Richtlinien entwickelt           che Räumlichkeiten bei Naturkatastrophen
und zur Verfügung gestellt werden, dazu ge-              sichere Zufluchtsorte sein könnten und
hören insbesondere auch Evakuierungspläne.               wie Evakuierungen bzw. Umlokalisierungen
Strategien für eine möglichst rasche Wieder-             durchgeführt werden sollten. Ferner enthält
aufnahme des Kindergarten- und Schulbe-                  das Trainingsvideo Hinweise auf die Erleich-
triebes nach einer Naturkatastrophe sind vor-            terung von Familienzusammenführungen, in
zuplanen. Darüber hinaus sollten sich auch               den USA beispielsweise durch eine Regist-
Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge             rierung der Kinder über die Homepage www.
sowie Jugendstrafanstalten auf eine mögliche             missingkids.com des National Center of Mis-
Naturkatastrophe einstellen (NCCD 2010).                 sing & Exploited Children (NCMEC).

                     Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen 16 Jg. (2018) Heft 3   | 99
Kinder in Naturkatastrophen
Gesine Plagge, Harald Karutz

   Vom National Center for Disaster Pre-                   verschiedene Informationen und den damit
paredness (NCDP), ebenfalls in den USA,                    zusammenhängenden Wissenszuwachs (z.B.
wurde das Projekt „Community Resilience                    über das deutsche Hilfeleistungssystem) soll
Coalitions (CRC)“ initiiert, um ein Modell für             aber auch Angst vor Katastrophen reduziert
eine möglichst nachhaltige, kinderorientierte              und gleichzeitig die Selbstfähigkeit gesteigert
Katastrophenschutzplanung zu erarbeiten.                   werden. Inzwischen liegen zu diesem Projekt

       Es gibt keine flächendeckend verbreiteten Unterrichtsmaterialien, so
       dass es mehr oder weniger dem Zufall überlassen bleibt, ob und wie Kin-
       der auf Naturkatastrophen und andere Unglücksfälle vorbereitet werden
Primär geht es dabei um die „Schaffung wi-                 auch zahlreiche didaktisch aufbereitete Unter-
derstandsfähiger Gemeinschaften und stüt-                  richtsmaterialien vor. Bedauerlich ist jedoch,
zender Umfelder“ (Beerlage 2017, 147). Durch               dass sie bei weitem nicht flächendeckend,
Handlungsempfehlungen, Beratungsangebo-                    sondern offenbar nur in Einzelfällen von en-
te und best-practice-Beispiele sollen „Com-                gagierten Lehrkräften genutzt werden. Ein
munities“ dabei unterstützt werden, die                    obligatorisch vorgesehenes Unterrichtsthema
Bedarfe und Bedürfnisse von Kindern in Kata-               „Notfall- bzw. Katastrophenvorsorge“ gibt es
strophen zu priorisieren und auf diese Weise               in Deutschland nicht – entsprechende Aktivitä-
in ihrer Resilienz zu stärken. Insbesondere                ten zur Implementierung sind in den vergange-
liegt der Fokus auf physiologischen und psy-               nen Jahren immer wieder gescheitert. Auf die-
chologischen Unterschieden von Kindern im                  se Weise bleibt es letztlich mehr oder weniger
Vergleich zu Erwachsenen, dem Einfluss von                 dem Zufall überlassen, ob und wie Kinder auf
Katastrophenerfahrungen auf die schulische                 Naturkatastrophen und andere Unglücksfälle
und kognitive Entwicklung sowie der Unter-                 vorbereitet werden.
bringung von Kindern in Notunterkünften.
    Die amerikanische Federal Emergency                    Psychosoziale Notfallversorgung
Management Agency (FEMA) bietet mit dem                    Seynaeve et al. machten bereits 2001 auf die
E-Learning-Angebot „Multihazard Planning                   Bedeutung von festgelegten Standards für
for Childcare“ außerdem ein frei zugängli-                 die Psychosoziale Notfallversorgung in Katas-
ches Online-Curriculum an, in dem Wissen zu                trophenfällen aufmerksam. Seitdem wurden
hilfreichem Verhalten während der Betreuung                unterschiedliche internationale Handlungs-
von Kindern in Naturkatastrophen vermittelt                empfehlungen erarbeitet, die sich vorrangig
wird (siehe https://training.fema.gov/is/cour-             auf Länder mit kaum vorhandener Infrastruk-
sematerials.aspx?code=IS-36).                              tur beziehen, aber dennoch zum Großteil auf
    Das deutsche Bundesamt für Bevölke-                    Europa übertragbar sind (Juen et al. 2017b).
rungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ver-                  Solche Empfehlungen bzw. Richtlinien
folgt schließlich das Projekt „Max und Flocke              wurden u.a. im Rahmen des EU-Projekts
im Helferland“ (siehe http://www.max-und-flo-              „Operationalising Psychosocial Support in
cke-helferland.de). Dabei handelt es sich ins-             Crisis“ (OPSIC) (Juen et al. 2015), zum Um-
besondere um ein Online-Computerspiel, im                  gang mit PTBS durch das britische National
Rahmen dessen Kinder im Alter von sieben                   Insitute for Clinical Excellence (NICE, 2015)
bis 12 Jahren zunächst Kompetenzen für den                 und das Australian Centre for Post-traumatic
Umgang mit Gefahren des Alltags erlernen                   Mental Health (Forbes et al. 2007) sowie zur
sollen (u.a. das Erlernen von Verhaltensre-                psychosozialen Versorgung von Betroffenen
geln zu den Themenbereichen Brandschutz,                   auch durch die NATO (NATO Joint Medical
Erste Hilfe, Notruf und Selbsthilfe). Durch                Committee 2008) entwickelt.

100 | Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen   16 Jg. (2018) Heft 3
Kinder in Naturkatastrophen
                                                                              Gesine Plagge, Harald Karutz

   Bei der Versorgung im Bereich psychischer              mittees (IASC, 2007) gefordert. Allerdings
Gesundheit von betroffenen Kinder ist es                  ist hiermit v. a. ein Trauma-Assessment ge-
nach Pfefferbaum & North (2016) das Ziel, die             meint, nicht aber ein Vor-Ort-Assessment im
Bewältigung und die Resilienz zu unterstüt-               Sinne einer Risiko-Ressourcen-Analyse und
zen, die kindliche Reaktion zu normalisieren              eines Screenings zur Ermittlung des unmit-
sowie weitere Hilfebedarfe zu identifizieren.             telbaren Unterstützungsbedarfes.
Dabei sollten Interventionen bedürfnisori-                   So werden derzeit zwar Instrumente wie
entiert und kultursensibel sein (Juen et al.              das „Diagnostische Interview für psychische
2017a). Der Fokus im Bereich klinischer Ver-              Störungen im Kindes- und Jugendalter“ (Kin-
sorgung ist im Wesentlichen auf pathologi-                der-DIPS) oder das „Interview zu Belastungs-
sche und maladaptive emotionale und verhal-               störungen bei Kindern und Jugendlichen“
tensspezifische Reaktionen gerichtet (ebd.).              (IBS-KJ) empfohlen, nicht aber Möglichkei-
Eine solche Versorgung braucht aber nur ein               ten eines Assessment im peritraumatischen
kleiner Teil der Kinder, wenn ein salutogeneti-           Kontext, das von einem salutogenetischen
sches Verständnis zugrunde gelegt wird, man               Grundverständnis geprägt ist und einer se-
also davon ausgeht, dass die Unterstützung                kundärpräventiven Handlungslogik der Kri-
der Selbstheilungskräfte bereits eine hohe                senintervention folgt. Hier besteht derzeit
Wirksamkeit zeigen kann. In diesem Sinne                  noch weiterer Forschungsbedarf. Die Ent-
heißt es beispielsweise im Abschlussbe-                   wicklung geeigneter Assessment-Instrumen-
richt zu den Qualitätsstandards und Leitlini-             te für die Akutsituation unmittelbar nach einer
en für die Psychosoziale Notfallversorgung in             Naturkatastrophe wäre wünschenswert: Ein
Deutschland ausdrücklich (BBK 2011):                      solches Assessment könnte bereits im Be-
„Grundannahme der PSNV ist es, dass zur                   reich der Psychische Ersten Hilfe und der Psy-
Bewältigung von psychosozialen Belastun-                  chosozialen Akuthilfe, also während der ers-
gen und kritischen Lebensereignissen immer                ten Unterstützung von Bezugspersonen und
zunächst personale und soziale Ressourcen                 während sehr früher zielgruppenorientierter
der Betroffenen aktiviert werden. Maßnah-                 Maßnahmen (z.B. im Rahmen der Betreuung
men der PSNV wirken ergänzend oder sub-                   von Kindern in Betreuungszentren) angewen-
stituierend im Fall des (zeitweisen) Fehlens              det werden und nicht erst im Rahmen the-
oder Versiegens dieser Ressourcen.“                       rapeutischer Einzel- oder Gruppenangebote
   Benötigt wird jedoch ein umfangreich                   (Juen et al. 2017b).
vernetztes Versorgungssystem, mit dem auf
unterschiedlichste Bedarfe und Bedürfnis-                 Mehrebenenansätze berücksichtigen, dass es
se individuell angemessen reagiert werden                 nach Naturkatastrophen zu unterschiedlichen
kann. Verschiedene Experten empfehlen ei-                 Formen der Betroffenheit kommen kann
nen Mehrebenenansatz (auch „stepped care
approached system“ „oder stepped care mo-                     Insgesamt sind die Konzepte für eine Psy-
del“, Pfefferbaum & North 2016; McDermott                 chosoziale Notfallversorgung von Kindern in
& Cobham 2014): Solche Ansätze berücksich-                und nach Naturkatastrophen in Deutschland
tigen, dass es nach Naturkatastrophen zu                  derzeit sehr heterogen. Bundesweit einheit-
unterschiedlichen Formen der Betroffenheit,               liche Standards liegen zwar vor, diese wer-
Reaktionen, Bedarfen und Bedürfnissen kom-                den jedoch nicht in allen Ländern umgesetzt,
men kann.                                                 und die speziellen Bedarfe und Bedürfnisse
   Ein in diesem Zusammenhang erforderli-                 von Kindern werden darin kaum beachtet.
ches, regelmäßiges Assessment mit Kindern                 Von einem integrativen Gesamtkonzept für
wird u.a. auch in internationalen Richtlinien             die Hilfeleistung, das allen Beteiligten – bei-
wie der des Inter-Agency Standing Com-                    spielsweise psychosozialen Akuthelfern, Er-

                    Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen 16 Jg. (2018) Heft 3   | 101
Kinder in Naturkatastrophen
Gesine Plagge, Harald Karutz

zieherinnen und Erziehern, Lehrkräften und                    guidelines for the treatment of adults with acute
auch Familienangehörigen, insbesondere den                    stress disorder and post-traumatic stress disorder.
                                                              The Australian and New Zealand Journal of Psychi-
Eltern – Orientierung bieten würde, kann bis-                 atry, 41(8): 637-648.
lang noch keine Rede sein.                                 Gnauck, K., Nufer, K., LaValley, J., Crandall, C., Craig,
                                                              F., & Wilson-Ramirez, G. (2007). Do Pediatric and
Fazit                                                         Adult Disaster Victims Differ? A Descriptive Analy-
                                                              sis of Clinical Encounters from Four Natural Disas-
Verschiedene Untersuchungen haben auf die                     ter DMAT Deployments. Prehospital and Disaster
potenziell negativen Auswirkungen von Natur-                  Medicine, 22(1), 67-73.
katastrophen auf die psychische Gesundheit                 Goenjian, A. K.; Pynoos, R. S.; Steinberg, A. M.; Na-
von Kindern aufmerksam gemacht. Obwohl                        jarian, B. (1995): Psychiatric comorbidity in children
                                                              after the 1988 earthquake in Armenia. In: Journal
es zunehmend Belege für die Wirksamkeit ei-                   oft he American Academy of Child and Adolescent
niger Interventionen bei starken Belastungen                  Psychiatry 34: 1174-1184.
bzw. auch Traumatisierungsprozessen nach                   Green, B. L. et al. (1991): Children and disaster: age,
Katastrophen gibt, sind weitere Forschungsar-                 gender and parental effects on PTSD-symptoms.
                                                              In: Journal of the American Academy of Child and
beiten erforderlich, insbesondere zu Interven-                Adolescent Psychiatry 30: 945-951.
tionen, die unmittelbar nach einer Katastrophe             Helmerichs, J., Karutz, H., Schedlich, C. (2012): Psy-
durchgeführt werden können. Die Bemühun-                      chosoziale Notfallversorgung bei komplexen Gefah-
gen für eine kindgerechte Notfall- bzw. Kata-                 ren- und Schadenslagen in Schulen. In: Drewes, S.
                                                              & Seifried, K. (Hrsg.), Krisen im Schulalltag: Präven-
strophenvorsorge sind zu intensivieren, und                   tion, Management und Nachsorge (1. Aufl.), 138-
gerade im Hinblick auf großflächige und länger                156. Stuttgart: Kohlhammer.
andauernde Schadenslagen müssen erst noch                  Hentschel, R. & Nikolai, T. (2010): Kinder in Katastro-
altersspezifisch differenzierte, systemisch                   phen- und Fluchtsituationen. In: Bundesamt für
                                                              Bevölkerungsschutz (Hg.) Katastrophenmedizin.
ausgerichtete Hilfeleistungskonzepte erarbei-                 Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastro-
tet werden, in denen internationale Erfahrun-                 phenfall, 127-130. Bonn: Eigenverlag.
gen und Handlungsempfehlungen, sofern die-                 Hobfoll, S.E., Watson, P., Bell, C.C., Bryant, R.A., Bry-
se übertragbar sind, in angemessener Weise                    mer, M.J., Friedman, M.J., Friedman, M., Gersons,
                                                              P.R., De Jong, J.T. VM, Layne, C.M., Maguen, S.,
Berücksichtigung finden.                                      Neria, Y., Norwood, A.E., Pynoos, R.S., Reissman,
                                                              D., Ruzek, J.I., Shalev, A.Y., Solomon, Z., Steinberg,
Literatur                                                     A.M. & Ursano, R.J. (2007): Five Essential. Elements
Beerlage, I. (2017): Persönliche und gemeinschaftli-          of Immediate and Mid–Term Mass Trauma Interven-
  che Vorsorge. In: Karutz, H., Geier, W., Mitschke, T.       tion: Empirical Evidence. Psychiatry 70(4): 283-315.
  (Hrsg.), Bevölkerungsschutz, 141-153. Berlin, Hei-       Inter-Agency Standing Committee (IASC) (2007): IASC
  delberg: Springer Verlag.                                   Guidelines on Mental Health and Psychosocial Sup-
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro-                port in Emergency Settings. Genf: IASC.
  phenhilfe (BBK) (2011): Psychosoziale Notfallversor-     Juen, B., Karutz, H., Warger, R., Nindl, S. & Kratzer,
  gung: Qualitätsstandards und Leitlinien. Teil 1 und         D. (2017a): Forschungsstand. In: Karutz, H./ Juen,
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102 | Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen   16 Jg. (2018) Heft 3
Kinder in Naturkatastrophen
                                                                                  Gesine Plagge, Harald Karutz

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Kinder in Naturkatastrophen
Gesine Plagge, Harald Karutz
                      Gesine Plagge, B.A.                                           Prof. Dr. phil. Harald Karutz

                      Von 2016 bis 2018 wissen-                                     Dipl.-Pädagoge, Professur für
                      schaftliche Mitarbeiterin an der                              Notfall- und Rettungsmanage-
                      MSH Medical School Hamburg.                                   ment. Leiter des Forschungs-
                      Fachliche Leiterin des Krisen-                                projekts "Kind und Katastrophe"
                      interventionsteams beim DRK,                                  (KiKat) an der MSH Medical
                      Kreisverband Hamburg-Harburg.                                 School Hamburg.
                      E-Mail: plagge@kit-hamburg.de                                 E-Mail: harald.karutz@medical-
                      www.kit-hamburg.de                                            school-hamburg.de
                                                                                    www.kikat.de

                                                                                       www.asanger.de

  Max Mehrick
  Der lange Weg zurück
  Das verlorene Leben. 206 S., 24,50 €
  ISBN 978-3-89334-622-6

Diese autobiographische Erzählung zeigt die ersten drei Jahrzehnte des Le-
benswegs eines jungen Menschen auf. Sie führt uns in eine Welt schwerer
körperlicher und seelischer Verletzungen und vermittelt schonungslos, welche
fatalen Folgen sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend haben kann.
Max Mehrick führt uns in eine Welt schwerer seelischer und körperlicher Ver-
letzungen. Er beschreibt Opfererfahrungen als Mann in Einrichtungen, die wir nur allzu gut kennen: Kinder-
heime, Internate, Klosterschulen, Freizeit- und Ausbildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche, oft
getragen von gut beleumundeten Institutionen, in denen er nicht Toleranz, Mitgefühl und Achtsamkeit als
Handlungsmaxime, sondern nur Verrat, Täuschung und Manipulation kennengelernt hat.
Uns allen klingen die Namen noch im Ohr wie: Kloster Ettal, die Regensburger Domspatzen, die reformpäd-
agogische Odenwaldschule, das Canisius-Kolleg – aber auch mediale Größen wie der englische BBC-Modera-
tor Jimmy Savile.
Die Erzählung lässt erahnen, welche enorme Kraft von sexualisierter Gewalt Betroffene aufwenden, um wieder
Halt und zu sich selbst zu finden – wie dies schließlich auch dem Autor dieses Buches gelungen ist.

 „‚Der lange Weg zurück‘ ist ein berührendes, ein trauriges, ein mutiges und ein wichtiges Buch. Es gelingt
 Max Mehrick mit seiner intensiven und gleichwohl fast nüchternen Sprache, Verletzungen bis auf den Grund
 der Verzweiflung sensibel auszuleuchten. So wird fassbar, was das Unfassliche hinterlässt. Ich habe bisher
 kein anderes Buch gelesen, in dem mich die Erfahrungen eines misshandelten und missbrauchten Jungen
 so erschüttert haben. Sie haben mich zu Tränen gerührt und unsagbar wütend gemacht.“ (Gaby Breiten-
 bach, aus dem Geleitwort)

104 | Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen   16 Jg. (2018) Heft 3
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