KLINISCHE PERFORMANCE EINES NEUEN SARS-COV-2-ANTIGEN-TESTS IN DER NOTAUFNAHME EINES MAXIMALVERSORGERS - RKI

 
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Epidemiologisches Bulletin      3 | 2021       21. Januar 2021 (online vorab)                                 13

  Klinische Performance eines neuen SARS-CoV-2-Antigen-
  Tests in der Notaufnahme eines Maximalversorgers

  Einleitung                                                 Patient*innen durchgeführt, die über die interdiszi-
  Ein Baustein zur Eindämmung der COVID-19-­                 plinäre Notaufnahme stationär in das Katharinen-
  Pandemie ist die Verfügbarkeit von Tests mit hoher         hospital des Klinikums Stuttgart aufgenommen
  Sensitivität und Spezifität zur Detektion von              wurden. Es sollten Erfahrungen zur Integration von
  ­SARS-CoV-2, insbesondere um Infizierte in vulne-          Antigen-Tests in den Arbeitsablauf sowie über die
   rablen Einrichtungen, z. B. Krankenhäusern und            Sensitivität/Spezifität des Antigen-Tests im V
                                                                                                          ­ ergleich
   Pflegeeinrichtungen, zeitnah identifizieren und           zur RT-PCR, auch in Abhängigkeit der Symptome
   ­isolieren zu können. Dies betrifft alle Personen-        der Patient*innen gewonnen werden.
    gruppen dieser Einrichtungen, also Patient*innen/
    Bewohner*innen, Besucher*innen als auch Perso-
    nal.

  Bisheriger Goldstandard für den Nachweis einer
  SARS-CoV-2-Infektion ist die real-time PCR ­(RT-             Infokasten SARS-CoV-2-Antigen-Tests
  PCR). Die PCR-Diagnostik ist material-, zeit- und            Antigen-Tests basieren auf dem Nachweis von
  kostenintensiv. Das Ergebnis ist bei ambulant be-            ­viralen Proteinen (Antigenen) in einem Nasen-,
  treuten Patient*innen häufig erst verfügbar, nach-            Rachen- oder Nasen-/Rachenabstrich. Im Gegen-
  dem die Patient*innen die Arztpraxis wieder verlas-           satz hierzu werden bei einer RT-PCR virale
  sen haben. In Kliniken führen ausstehende RT-PCR-             Nukleinsäuren nachgewiesen, welche zuvor
  Ergebnisse zu einem Rückstau von P  ­ atient*innen in         mehrfach vervielfältigt wurden. Bei SARS-CoV-2-
  Notaufnahmen oder erfordern eine hohe Anzahl von              Antigen-Schnelltests handelt es sich um Lateral-­
  Isolationszimmern, da P ­ atient*innen mit Sympto-            Flow Assays, chromatographische Schnelltests,
  men einer oberen Atemwegsinfektion bis zum Er-                die orts- und ausstattungsunabhängig durchge-
  halt des Ergebnisses isoliert werden müssen.                  führt werden können. Sie beruhen darauf, dass
                                                                auf Teststreifen fixierte Antikörper das Antigen
  SARS-CoV-2-Antigen-Tests (nachfolgend nur mehr                binden, wodurch ein Enzym aktiviert wird, das
  als Antigen-Test bezeichnet) erweitern seit kurzem            zu einem Farbumschlag führt. Dieser Farbum-
  das diagnostische Armamentarium. Im Gegensatz                 schlag lässt sich mit dem bloßen Auge ablesen.
  zu RT-PCRs, welche virale Nukleinsäuren nachwei-              Wenn ein Antigen-Test ein positives Ergebnis
  sen, detektieren Antigen-Tests virale Proteine. Der           ­liefert, heißt dies, dass Virusprotein im Nasen-/­
  Antigen-Test ist weniger material-, zeit- und kosten-          Rachenraum vorhanden ist. Deshalb ermögli-
  intensiv und kann direkt vor Ort durchgeführt wer-             chen Antigen-Tests, im Gegensatz zu Anti­körper-
  den. So ist eine rasche Befundmitteilung möglich,              Tests, den direkten Erregernachweis. Da A­ ntigen-
  was die inner- und außerklinischen Abläufe verbes-             Tests das Protein nicht vervielfachen, sind sie
  sert. Das portable System erlaubt Testungen in                 ­naturgemäß weniger sensitiv als PCR-Tests. Sie
  ­Bereichen, welche bislang nur mit großem Aufwand               liefern jedoch rasche Ergebnisse, können patien-
   erreichbar waren (z. B. Besucherscreening in Pflege-           tennah durchgeführt werden und sind kosten-
   heimen).                                                       günstiger als PCR-Tests. Geeignet sind sie insbe-
                                                                  sondere zum Nachweis hoher Viruslasten, die
  Aufgrund der bislang begrenzten Erfahrungen mit                 besonders übertragungsrelevant sind.
  Antigen-Tests haben wir einen Monat eine parallele
  Testung mittels Antigen-Test und RT-PCR bei allen
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  Methode                                                               ­Systeme: Xpert® Xpress SARS-CoV-2; Cepheid,
  Im Zeitraum von 5. Oktober bis 7. November 2020                       ­RealStar® SARS-CoV-2 RT-PCR Kit 1.0; Altona
  erfolgte eine parallele Testung mittels SARS-CoV-2-                    ­Diagnostics (Messsystem: LightCycler 480, Roche)
  Antigen-Test und einer SARS-CoV-2-RT-PCR bei                            oder cobas® SARS-CoV-2; cobas® 6800; Roche.
  ­allen Patient*innen der Notaufnahme des Kathari-
   nenhospitals des Klinikums Stuttgart, die stationär
   in das Klinikum aufgenommen wurden. Das Klini-                       Statistik
   kum Stuttgart ist ein Maximalversorger und regio-                    Zum Vergleich der cycle threshold-(Ct-)Werte in Pro-
   nales COVID-19-Versorgungszentrum im Raum                            ben von symptomatischen und asymptomatischen
   Stuttgart. Die Testung erfolgte durch geschulte                      Patient*innen wurde ein t-Test für unabhängige
   ­Gesundheits- und Krankenpflegekräfte der interdis-                  Stichproben eingesetzt. Zum Vergleich kategori-
    ziplinären Notaufnahme. Zur Paralleldiagnostik                      scher V­ ariablen wurde ein Chi-Quadrat-Test verwen-
    wurden zwei getrennte Nasen-Rachen-Abstriche                        det. Zur Bestimmung der Interrater-Reliabilität wur-
    durchgeführt. Der Antigen-Test wurde mit einem                      de Cohens Kappa berechnet. Angegebene p-Werte
    Patientenetikett beklebt und nach 15 – 20 min abge-                 stehen für zweiseitige Tests, wobei ein p-Wert < 0,05
    lesen. An das Ablesen erinnerten Kurzzeitwecker.                    als statistisch signifikant angesehen wurde. Als Sta-
    Zur Dokumentation des Testergebnisses wurde eine                    tistik- und Analysesoftware wurde SPSS eingesetzt.
    eigene Eingabemaske im klinischen Informations-
    system eingerichtet, die auch für die Mitarbeiter der
    zuständigen Ambulanzen und Stationen einsehbar                      Ergebnisse
    ist. Initial erfolgte zusätzlich noch die Fotodoku-                 Klinische Performance des SARS-CoV-2-
    mentation mittels Digitalkamera der mit Namen be-                   Antigen-Tests im Vergleich zur RT-PCR
    klebten Tests, um eine nachträgliche Überprüfung                    Testung aller Patient*innen
    der Ableseergebnisse zu ermöglichen.                                Eine parallele Testung mittels Antigen-Test und
                                                                        ­RT-PCR erfolgte bei 468 Patient*innen. Das mitt­
                                                                         lere Alter aller Patient*innen lag bei 62,5 Jahren
  Testsysteme                                                            (Spannweite 17 – 99 Jahre, Standardabweichung
  Zur Antigen-Testung wurde der SARS-CoV-2 Rapid                         (SA) 20,1 Jahre). Die Detektionsrate für die Antigen-­
  Antigen Test der Firma SD Biosensor, Vertrieb in                       Testung lag bei 9,6 % (45/468) und 12,8 % (60/468)
  Deutschland durch Roche, angewandt. Die Testung                        für die RT-PCR. Die Sensitivität, Spezifität, und der
  erfolgte nach Herstellervorgaben. Die RT-PCR-­                         negative bzw. positive prädiktive Wert der Antigen-­
  Testung erfolgte mittels eines der folgenden                           Testung im Vergleich zur RT-PCR sind: 71,7 %,

                              Antigen            Antigen
   Gesamtkohorte                                                Gesamt
                              negativ            positiv
   RT-PCR positiv                17                43             60        Sensitivität:   71,7 %
   RT-PCR negativ               406                2              408       Spezifität:     99,5 %
   Patienten mit              Antigen            Antigen
                                                                Gesamt
   COVID-19-Symptomen         negativ            positiv
   RT-PCR positiv                6                 36             42        Sensitivität:   85,7 %
   RT-PCR negativ                59                1              60        Spezifität:     98,3 %
   Asymptomatische            Antigen            Antigen
                                                                Gesamt
   Patienten                  negativ            positiv
   RT-PCR positiv                11                7              18        Sensitivität:   38,9 %
   RT-PCR negativ               347                1              348       Spezifität:     99,7 %

  Tab. 1 | Ergebnisse des SARS-CoV-2-Antigen-Tests im Vergleich zur RT-PCR, mit Bestimmung
  der Sensitivität und Spezifität, auch in Abhängigkeit von den Symptomen. Patient*innen der
  Notaufnahme (n = 468), Klinikum Stuttgart, 5.10. – 7.11.2020
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  99,5 %, 96 % und 95,6 %; (s. Tab. 1). Die Genauigkeit         Ct
  des Tests liegt bei 95,9% (Cohens Kappa: 0,79;
  p ≤ 0,001; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 0,68 – 0,91).         40

  Testung von Patient*innen mit SARS-CoV-2-                     30
  spezifischen Symptomen
  102 Patient*innen (21,8%) präsentierten Sympto-
  me, die mit COVID-19 vereinbar waren. Als                     20

  ­COVID-19-typische Symptome wurden definiert:
   Husten, Fieber, Schnupfen, Atemnot und Störung               10
   des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Die
   ­Detektionsrate für die Antigen-Testung lag in die-
    ser Kohorte bei 36,3 % (37/102) und bei 41,2 % für           0
                                                                                   negativ               positiv
    die RT-PCR (42/102). Die Sensitivität, Spezifität, als
                                                                                                     SARS-CoV-2-Antigen-Test
    auch der negative und positive prädiktive Wert der
    Antigen-Testung im Vergleich zur RT-PCR wurden              Abb. 1 | Boxplot mit Darstellung des Ergebnisses des
                                                                Antigen-Tests in Abhängigkeit der mittleren Ct-Werte
    berechnet als: 85,7 %, 98,3 %, 90,8 %, 97,3 %;              der RT-PCR. Patient*innen der Notaufnahme (n = 468),
    (s. Tab. 1). Die Genauigkeit des Tests bei symptoma-        Klinikum Stuttgart, 5.10. – 7.11.2020
    tischen Personen liegt bei 93,1 % (Cohens Kappa:
    0,86; p ≤ 0,001; 95 %-KI 0,72 – 0,99).
                                                                als Proben von asymptomatischen Patient*innen
  Testung von Patient*innen ohne SARS-CoV-2-                    (22,45 vs. 28; p  =  0,001; mittlere Differenz 5,57;
  spezifische Symptome                                          SA ± 1,58, 95 % KI 2,4 – 8,73); s. hierzu auch Diskus-
  366 Patient*innen (78,2 %) waren hinsichtlich                 sion. Es zeigten sich signifikant weniger asymp­
  COVID-19 asymptomatisch, stellten sich aber auf-              tomatische Infektionen bei Patient*innen mit kon-
  grund anderer medizinischer Probleme vor und                  kordantem Antigen-Test als bei diskordantem nega­
  wurden vor stationärer Aufnahme gescreent. Die                tivem Antigen-Test (70 % vs. 19,4 %; p  =  0,04;
  Detektionsrate für die Antigen-Testung lag hier bei           Odds-Ratio 0,28; 95 % KI 0,08 – 0,98). Sofern
  2,2 % (8/366) und bei 4,9 % für die RT-PCR                    ­COVID-19-Symptome bestanden, zeigte sich kein
  (18/366). Die Sensitivität, Spezifität, als auch der           statistisch signifikanter Unterschied in der Symp-
  negative und positive prädiktive Wert der Antigen-­            tomlänge in Tagen bei Patient*innen mit diskordan-
  Testung im Vergleich zur RT-PCR sind: 38,9 %,                  tem und konkordantem Antigen-Test (8,25 Tage
  99,7 %, 96,9 %, 87,5 %; (s. Tab. 1). Die Genauigkeit           [SA ± 7,05] vs. 5,19 Tage [SA ± 5,16]; p  =  0,16; mittlere
  des Tests liegt bei 96,7 % (Cohens Kappa: 0,52;                Differenz 3,05; SA ± 2,16, 95 % KI –1,3 – 7,41).
  p ≤ 0,001; 95 %-KI 0,22 – 0,83).
                                                                Handhabung
  Bei Proben mit positiver RT-PCR sahen wir eine                Die Handhabung der Antigen-Tests wurde von allen
  deutlich bessere Detektionsrate für den hier ange-            Beteiligten als einfach und praktikabel empfunden.
  wandten Antigen-Test bei geringeren Ct-Werten. Bei            Die Erinnerung an das Ablesen des Tests in der
  konkordant positivem Antigen-Test lagen die mitt-             ­Notaufnahme wurde als hilfreich empfunden, zu-
  leren Ct-Werte in der RT-PCR bei 21,4 (SA ± 4,3),              mal im Vorfeld dieser Studie einige Antigen-Tests
  während sie bei diskordant negativem Antigen-Test              nach längerer Inkubation (mehrere Stunden)
  bei 30,3 (SA ± 5,3) lagen (p ≤ 0,001; mittlere Diffe-          falsch-positive Ergebnisse angezeigt hatten.
  renz 8,94, SA ± 1,29, 95 % KI 6,37 – 11,52); s. Abbil-
  dung 1. Ab einem Ct-Wert von 22 oder kleiner lag die
  Detektionsrate des Antigen-Tests bei 100 %.                   Diskussion
                                                                SARS-CoV-2-Antigen-Tests stellen aufgrund ihrer
  Proben von symptomatischen COVID-19-Pati-                     einfachen Handhabung, des günstigeren Preises
  ent*innen hatten signifikant niedrigere Ct-Werte,             und des raschen Ergebnisses eine sinnvolle Ergän-
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  zung zur RT-PCR Diagnostik dar. Insbesondere die              der Nachweisgrenze des Antigen-Tests und wird
  Unabhängigkeit von großen Zentrallaboren erlaubt              noch weiter absinken.
  eine Vor-Ort-Diagnostik in Bereichen, für die eine            (ii) Asymptomatische Patient*innen im frühen
  SARS-CoV-2-Testung bislang nicht oder nur mit                 ­Infektionsstadium: Die Viruslast liegt noch unter
  großen Hürden durchführbar war. Bedenken be-                   der Nachweisgrenze des Antigen-Tests, wird jedoch
  standen vorab bezüglich der Sensitivität der                   weiter ansteigen.
  Antigen-­Testung. Die Performance der Antigen-­                (iii) Präsymptomatische Patient*innen: Die Viruslast
  Tests hängt stark vom Fabrikat ab, wie technische              liegt noch unter der Nachweisgrenze des Antigen-
  und klinische Testungen gezeigt haben.1,2 Deshalb              Tests, wird jedoch weiter ansteigen.
  entschlossen wir uns – vor dem Hintergrund feh-
  lender klinischer Beobachtungsdaten – zunächst                In den beiden letztgenannten Szenarien (ii und iii)
  eine Paralleltestung bei Patient*innen unserer                werden Personen, die u. U. zeitnah hohe Viruslas-
  ­Notaufnahme durchzuführen, die stationär aufge-              ten und hohe Ansteckungsfähigkeit entwickeln wer-
   nommen wurden.                                               den, durch Antigen-Tests nicht erkannt.

  Wir konnten zeigen, dass die Sensitivität und Spe-            Aufgrund der sehr eingeschränkten Sensitivität des
  zifität des Antigen-Tests der Firma SD Biosensor im           Antigen-Tests bei asymptomatischen Personen,
  Vergleich zur RT-PCR bei 71,7 % und 99,5 % lag,               kann die Einzeltestung in diesem Kollektiv eine
  was sich sehr gut mit den bereits publizierten Daten          ­Infektion mit SARS-CoV-2 nicht hinreichend aus-
  deckt.3 Die Sensitivität war deutlich besser bei               schließen. Hochkontagiöse Personen mit niedrigen
  ­Patient*innen, die sich mit Symptomen vorstellten,            Ct-Werten (d. h. hoher Viruslast) werden mit ausrei-
   die mit einer COVID-19-Erkrankung vereinbar                   chender Sicherheit erkannt.
   ­waren, als bei asymptomatischen Patienten (85,7 %
    vs. 38,9 %). Das lag daran, dass symptomatische             Antigen-Tests werden derzeit für unterschiedliche
    COVID-19-Patient*innen in unserer Kohorte signi-            Einsatzgebiete validiert. Geeignet und ausreichend
    fikant niedrigere Ct-Werte in der RT-PCR hatten als         sicher erscheint der Antigen-Test als Screening
    asymptomatische bzw. zum Zeitpunkt der Testung              ­Methode für Besuche kurzer Dauer (Pflegeheim­
    symptomfreie Patient*innen. Dies passt zu der Tat-           besucher), da er mit ausreichender Sicherheit Per-
    sache, dass die Sensitivität von Antigen-Testen mit          sonen mit niedrigen Ct-Werten bzw. hoher Virus-
    zunehmender Viruslast steigt. Die Viruslasten von            last, die man als hochkontagiös erachten würde,
    asymptomatischen Patient*innen unterscheiden                 ­erkennt. Antigen-Tests eignen sich weniger zum
    sich normalerweise nicht von denen symptomati-                Screening für Personen, bei denen ein längerer Auf-
    scher Patient*innen, wobei die Ausscheidungs­                 enthalt in vulnerablen Bereichen geplant ist (z. B.
    dauer bei asymptomatischen Patient*innen kürzer               Screening vor stationärer Aufnahme im Kranken-
    ist.4,5 Die Gegebenheit, dass asymptomatische P   ­ a-        haus). Bei Letzteren ist entweder eine repetitive
    tient*innen in unserer Kohorte niedrigere Viruslas-           Antigen-­Testung (z. B. Wiederholung nach 1 – 3 Ta-
    ten als symptomatische Patient*innen aufwiesen,               gen) oder primär eine Testung mittels RT-PCR indi-
    kann so erklärt werden, dass viele symptoma­tische            ziert, insbesondere in Gegenden mit hoher Inzi-
    Patient*innen sich kurz nach Symptom­beginn vor-              denz in der ­Bevölkerung. Auch haben Modellierun-
    stellen, wenn die Viruslast hoch ist.6,7 Bei asympto-         gen gezeigt, dass eine repetitive T­ estung alle 2 Tage
    matischen Patient*innen ist es wahrscheinlicher,              mit Point-­of-Care-Tests mit geringerer Sensitivität
    dass der Abstrich zu einem Zeitpunkt erfolgt, an              (> 70 %), größere Ausbrüche in US-­amerikanischen
    dem die Viruslast auf niedrigem Niveau liegt.                 Colleges verhindern konnten.8 Das Europäischen
                                                                  Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von
  Ein negativer Antigen-Test bei symptomfreien, aber              Krankheiten (ECDC) empfiehlt ebenfalls eine repe-
  infizierten PCR-positiven Patient*innen kann unter              titive Antigen-Testung (alle 2 – 3 Tage).9
  folgenden Bedingungen zustande kommen:
  (i) Asymptomatische Patient*innen im späten                   Eine Limitation unserer Studie ist, dass keine längs-
  ­Infektionsstadium: Die Viruslast liegt bereits unter         schnittlichen Antigen- oder PCR-Testungen durch-
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  geführt wurden. So zeigten Patient*innen mit                   den, wenn eine rasche Diagnosesicherung notwen-
  diskordant falsch negativen Antigen-Testungen
  ­                                                              dig oder die Laborkapazität begrenzt ist. Eine
  ­signifikant höhere Ct-Werte in der RT-PCR als                 Kohorten­isolierung von Personen auf Basis von
   ­Patient*innen mit konkordanter Antigen-Testung.              ­positiven Antigen-Tests ist aufgrund der möglichen
    Es war uns aber nicht möglich zu unterscheiden, ob            weitreichenden Folgen nicht angezeigt. Falsch-posi-
    diese negativ getesteten Personen sich im frühen              tive Ergebnisse sind selten, aber nicht ausgeschlos-
    Infektionsstadium befanden und somit eventuell zu             sen. Daher sollte ein positives Antigen-Test-Ergeb-
    einem späteren Zeitpunkt in der Antigen-Testung               nis im stationären Setting weiterhin mittels RT-PCR
    noch positiv geworden wären („Szenario ii und iii“),          verifiziert werden. Im ambulanten Setting, unter
    oder ob es sich um abklingende Infektionen han­               strikter Einhaltung einer häuslichen Absonderung
    delte („Szenario i“). Es konnte kein signifikanter            und vor dem Hintergrund begrenzter Laborkapazi-
    Unterschied in der Symptomlänge in Tagen zwi-                 täten erscheint dies nur begrenzt sinnvoll. Vor dem
    schen Patienten*innen mit diskordanter oder kon-              Erhebungszeitraum dieser Studie sahen wir
    kordanter Antigen-Testung gezeigt werden. Eine                falsch-positive Befunde häufiger. Eine bestätigte
    weitere Limitation ist, dass keine Viruskultur zum            Fehlerquelle war, dass die Ablesung des Tests in
    Nachweis replikationsfähiger Viren durchgeführt               ­Einzelfällen später – z. T. erst nach Stunden – und
    wurde. Auch für Proben ohne replikationsfähige                 nicht nach der vom Hersteller vorgegebenen Zeit
    ­Viruskopien kann die RT-PCR weiterhin positiv                 (15 – 30 Minuten) erfolgte. In diesen Fällen zeigte
     sein.7 Deshalb ist es möglich, dass diskordante               sich gelegentlich im Bereich der Testbande ein
     ­Antigen-Befunde im Wesentlichen bei Patient*in-              schwacher und verschwommener Strich. Bei Wie-
      nen auftreten, bei welchen nur wenig oder gar kein           derholung des Tests und ordnungsgemäßem Able-
      replikationsfähiges Virus vorhanden und somit nur            sen war dieser nicht mehr vorhanden.
      geringe bzw. keine Kontagiösität gegeben ist.3 Wich-
      tig ist hierbei zu erwähnen, dass der Viruslast­           Zusammenfassend sind SARS-CoV-2-Antigen-Tests
      anstieg steiler verläuft als der Viruslastabfall. Des-     aufgrund ihres Point-of-Care-Ansatzes, der einfa-
      wegen dauert die Phase des Viruslastabfalls länger.        chen Handhabung und des günstigeren Preises
      Dies macht es wahrscheinlicher, dass diskordante           eine wertvolle Ergänzung zur RT-PCR-Diagnostik.
      Antigenbefunde aus der Phase des Viruslastabfalls          Sie erkennen mit ausreichender Sicherheit
      stammen, so dass sie öfter bei Personen auftreten,         SARS-CoV-2-Infektionen bei symptomatischen
      welche wenig oder gar kein replikationsfähiges             ­Patient*innen und in Proben mit niedrigen Ct-Wer-
      Virus mehr aufweisen.10 Ob und mit welcher
      ­                                                           ten in der RT-PCR. Als Einzeltestung bei asympto-
      ­Genauigkeit Antigen-Tests das infektiöse Intervall         matischen Patient*innen ist ihre Wertigkeit dage-
       von COVID-19-Patient*innen bestimmen können,               gen deutlich eingeschränkt. Hier sollten repetitive
       ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar.11 Bei         Antigen-Testungen (z. B. im Abstand von 24 – 48 h)
       symptomatischen Patient*innen zeigte der Antigen-­         oder primär PCR-basierte Verfahren zur Anwen-
       Test eine hohe Übereinstimmung mit dem                     dung kommen.
       RT-PCR-Ergebnis und kann daher eingesetzt wer-

  Literatur
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  3 Cerutti F, Burdino E, Milia MG, Allice T, Gregori G,       Autorinnen und Autoren
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                                                                   Dr. Gregor Paul | c) Dr. Thomas Plecko |
     SARS CoV-2 antigen detection: Evaluation of the           c)
                                                                  PD Dr. Shneh Sethi | d) Prof. Dr. Tobias Schilling |
     SD-Biosensor antigen test for SARS-CoV-2.                 e)
                                                                  Dr. Oliver Wienand | f ) Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen |
     J Clin Virol. 2020 Nov 1;132:104654                       d)
                                                                  Christian Ulrich Menzel
  4 Lee S, Kim T, Lee E, Lee C, Kim H, Rhee H, et al.          a) 
                                                                    Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastro­
     Clinical Course and Molecular Viral Shedding                   enterologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumo-
     Among Asymptomatic and Symptomatic Patients                    logie, Klinikum Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
     With SARS-CoV-2 Infection in a Community Treat-           b) 
     ment Center in the Republic of Korea. JAMA Intern              Institut für Krankenhaushygiene, Klinikum Stuttgart,
     Med. 2020 Aug 6                                                Stuttgart, Deutschland
                                                               c) 
  5 Chau NVV, Thanh Lam V, Thanh Dung N, Yen LM,
                                                                    Zentralinstitut für Klinische Chemie, Klinikum
     Minh NNQ, Hung LM, et al. The natural history                  Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
     and transmission potential of asymptomatic                d) 
                                                                    Interdisziplinäre Notaufnahme, Klinikum Stuttgart,
     SARS-CoV-2 infection. Clin Infect Dis Off Publ                 Stuttgart, Deutschland
     Infect Dis Soc Am. 2020 Jun 4
                                                               e) 
                                                                    Servicecenter Informationstechnik, Klinikum
  6 Munster VJ, Feldmann F, Williamson BN, van                      Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
     Doremalen N, Pérez-Pérez L, Schulz J, et al. Respi-
                                                               f ) 
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                                                               Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie,
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  10 Kissler SM, Fauver JR, Mack C, Olesen SW, Tai C,
                                                               Epid Bull 2021;3:13 -18 | DOI 10.25646/7732.2
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     1;2020.10.21.20217042                                     erschienen.)
  11 Pettengill MA, McAdam AJ. Can We Test Our Way
     Out of the COVID-19 Pandemic? J Clin Microbiol.
     2020 21;58(11)                                            Interessenkonflikt
                                                               Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte
                                                               bestehen.
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