Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA

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Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Kooperationsstrategie
Bolivien 2018-2021
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Inhalt
Editorial                                                      3

Zusammenfassung                                                5

1. Hintergrund und Kontext                                     8
  Zunehmende Polarisierung                                     8
  Rohstoffe dominieren die Wirtschaft                          9
  Weitere soziale Fortschritte erzielen – eine Herausforderung 10
  Klimawandel und Umweltschäden                               12

2. Ziele der Schweizer Aussenpolitik und
   Strategien anderer Geber                                  13

3. Resultate der schweizerischen
   Zusammenarbeit mit Bolivien 2013-2017 15
  Themenbereich Dezentralisierung und Menschenrechte          16
  Themenbereich Beschäftigung und Einkommen                   16
  Themenbereich Klimawandel                                   16

4. Konsequenzen für die neue Strategie                       17

5. Die Strategie 2018-2021: Ziele,
   Schwerpunkte und Wirkungshypothesen 19
  Themenbereich Gouvernanz                                    19
  Themenbereich Wirtschaftliche Entwicklung                   20
  Themenbereich Klimawandel und Umwelt                        20

6. Programm-Umsetzung                                        21

7. Strategische Steuerung                                    22

8. Anhang                                                    23
  1. Synopsis der Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 23
  2. Finanzplanung 2018-2021                                  24
  3. Ziele und Resultate in den drei Themenbereichen          25
  4. Monitoringsystem                                         35
  5. Karten                                                   36
  6. Abkürzungen                                              39
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Impressum

Titel
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021

Herausgeber
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)

Fotos
Fotoarchiv der DEZA und der Projekte in Bolivien
Canedo Miguel Inti
de Lucca Enzo
Hanna Denisse
Panozo Mauricio

Erhältlich bei
Schweizer Botschaft
Kooperationsbüro DEZA
La Paz, Bolivien
Telefon: +591 2 2751001
E-Mail: lapaz@eda.admin.ch
www.eda.admin.ch/lapaz
    Embajada de Suiza en Bolivia
      Cooperación Suiza en Bolivia

DEZA
Abteilung Lateinamerika und Karibik
Bern, Schweiz
Telefon: +41 31 322 34 41
E-Mail: sekretariat.abteilung.lateinamerika@eda.admin.ch

Layout und Druck in Bolivien

Juni 2018
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Editorial
    Seit 50 Jahren unterstützt       Beitrag an die laufenden Re-
die Schweiz arme Menschen in         formprozesse in Bolivien leisten.
Bolivien. Positive Wirtschaftsfak-   Dabei konzentriert sie ihre Arbeit
toren, bedeutende Rohstoffre-        auf drei Themenbereiche, wel-
serven – allen voran Erdgas          che für die nachhaltige Verbes-
– und entwicklungspolitische         serung der Lebensbedingungen
Entscheidungen inklusive weit-       und die Bekämpfung der Armut
reichende Sozialreformen haben       zentral sind. Sie wurden mit der
in der letzten Dekade zu einer       bolivianischen Regierung und
signifikanten Reduktion der Ar-      lokalen Partnern diskutiert.
mut beigetragen. Dazu hat die            In den kommenden Jahren
Schweiz mit ihrem Programm           unterstützt die Schweiz deshalb
auch einen Beitrag geleistet. Dies   weiterhin vor allem Massnah-
mit langjährigem Engagement          men zur Förderung der Gou-
zur Unterstützung von Gemein-        vernanz, der wirtschaftlichen
den und im Bereich Wasserma-         Entwicklung und der Anpas-
nagement. Darüber hinaus wur-        sung an den Klimawandel so-
den beständig der Dialog und         wie zum Schutz der Umwelt.
die Zusammenarbeit zwischen          Ein besonderes Augenmerk gilt
staatlichen Akteuren und denje-      dabei benachteiligten und be-
nigen der Zivilgesellschaft sowie    sonders verletzlichen Gruppen,
die wirtschaftliche Entwicklung      allen voran jungen Menschen
gefördert. Noch immer sind aber      und Frauen. Die langjährige Er-
40% der Bevölkerung extrem           fahrung der Schweiz in der Ent-
oder moderat arm. Es sind vor        wicklungszusammenarbeit mit
allem Frauen und Indigene, die       Bolivien bildet dabei eine solide
in Wirtschaft und Gesellschaft       Grundlage für die sachgerechte
benachteiligt sind.                  Planung und Durchführung des
    Die Schweiz will mit ihrer Zu-   Programms.                           Manuel Sager
sammenarbeit einen konkreten                                              Direktor DEZA

                                                     3
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Zusammenfassung
Ein tiefgreifender Reformprozess prägt die Entwicklung           der Staatsausgaben sowie wirksamere staatliche Institu­
Boliviens seit dem Amtsantritt der demokratisch gewählten        tionen und Sozialpolitiken erzielt werden. Ins Gewicht fällt
sozialistischen Regierung unter Evo Morales zu Beginn des        dabei die Vernachlässigung des nicht rohstofforientierten
Jahres 2006. Der erste Präsident mit indigenen Wurzeln           Privatsektors in Bezug auf Investitionen und die Schaffung
setzt innenpolitisch den Fokus auf Interkulturalität und         von Arbeitsplätzen.
plurale Demokratie. Die Entwicklungspolitik ist festge-              Wahlen 2019: Die Anhängerschaft von Evo Morales
schrieben im Plan de Desarrollo Económico y Social               strebt eine vom Verfassungsgericht bewilligte Wieder-
2016-2020 und der Agenda Patriótica 2025. Sie setzt              wahl des Präsidenten Ende 2019 an, obschon 51% der
auf massive staatliche Investitionen und verfolgt generell       bolivianischen WählerInnen anlässlich eines Referendums
einen Ansatz, der die Überwindung der Armut anstrebt.            im Jahr 2016 die Möglichkeit einer weiteren Wiederwahl
In der letzten Dekade wurden Armut und Ungleichheit              ablehnten. Gewisse Bevölkerungskreise sehen Probleme
stark reduziert. Nach wie vor leben aber 18% der Bo­             bei der Einhaltung demokratischer Prinzipien und in Bezug
livianerInnen in extremer Armut und 22% in moderater             auf echten Dialog zwischen den Akteuren. Der Rechtsstaat
Armut (Total 40%). Bolivien ist das viertärmste Land in          ist trotz Reformen im Justizsystem nach wie vor relativ
Lateinamerika und der Karibik.                                   schwach ausgebildet, der Zentralismus eine schwer zu
     Nach bedeutenden Verbesserungen in den ersten Jah-          überwindende historische Hypothek. Häufigkeit und
ren der Regierung unter Präsident Evo Morales stagnieren         Intensität sozialer Konflikte sind in den letzten Jahren
ab 2013 gewisse Sozialindikatoren. Im internationalen            in etwa gleichgeblieben. Aller Voraussicht nach werden
Vergleich verbleiben diese zu einem guten Teil auf ho-           sich im Vorfeld der Wahlen von 2019 Strassenproteste
hem Niveau. Dies betrifft insbesondere den gesunkenen            und Streikbewegungen verstärken.
Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung, aber auch                 Die makroökonomische Stabilität Boliviens ist wahl-
die rückläufige Ungleichheit und die abnehmenden Bil-            bedingt bis 2019 kaum gefährdet. Im Regionalvergleich
dungs- und Gesundheitsdefizite. Weitere Fortschritte im          sind die Wachstumsraten solide. Die Herausforderungen
Sozialbereich könnten durch die Erhöhung der Qualität            in der Wirtschaft liegen in einer stark überbewerteten

                                                                                                         Monteagudo, Chuquisaca

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Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Währung, Unterbeschäftigung, tiefer Produktivität, man-           nachhaltige Entwicklung Boliviens zu fördern, Armut
gelnder Diversifizierung, ungenügender internationaler            und Ungleichheit zu reduzieren sowie die Resilienz
Wettbewerbsfähigkeit, hoher Informalität sowie einer              der Bevölkerung und Institutionen zu erhöhen. Das
signifikanten Schattenwirtschaft (Schmuggel, illegaler            finanzielle Engagement der Schweizer Zusammenarbeit
Kokaanbau sowie Drogen- und Menschenhandel).                      mit Bolivien wird nach Kürzungen jährlich noch rund 21
    Seit dem Ende des Rohstoffbooms 2014 sind die Ein-            Mio. CHF (21 Mio. USD) betragen.
nahmen des Landes um 25% zurückgegangen. Die stark                    Der Schweizer Beitrag konzentriert sich auf die drei
angestiegenen Aussen- und Fiskaldefizite werden bislang           Themenbereiche Gouvernanz, wirtschaftliche Ent-
noch durch Devisenreserven, Auslandskredite sowie über            wicklung sowie Klimawandel und Umwelt. In allen
den internationalen Kapitalmarkt gedeckt. Grössere neue           drei Themenbereichen sollen Arme und vulnerable Grup-
Wirtschaftsreformen dürften bis zu den Wahlen kaum                pen - insbesondere junge Menschen und Frauen - mit
umgesetzt werden. Mittelfristig wird der wirtschaftliche          Fokus auf Inklusion noch stärker ermächtigt werden. Im
Druck auf das Land zunehmen, den Privatsektor zu för-             Programm werden Gender und Gouvernanz transver-
dern, die Wirtschaft zu diversifizieren und entsprechende         sal weiter vertieft. Die Unterstützungsmassnahmen der
Reformen voranzutreiben.                                          Schweiz enthalten generell einen hohen Software-Anteil
    Die negativen Effekte des Klimawandels sind in                (Wissen, Erfahrung, Austausch und Netzwerke). Betont
Bolivien bereits heute spürbar. Trockenheit und Über-             wird dabei die Rolle des Fazilitators. Die Rolle der Schweiz
schwemmungen sind eine schwere Belastung. Eine                    als knowledge broker soll geschärft und extern aktiv
starke Entwaldung und die forcierte Ausweitung der                kommuniziert werden. Trilaterale Abkommen zwischen
Landnutzung – vor allem auch in Tieflagen – verschärfen           Bolivien, anderen lateinamerikanischen Ländern und der
die Situation. Dies ist eine der Ursachen für die interne         Schweiz sollen dabei die Zusammenarbeit ergänzend
Migration in städtische Gebiete. Die Urbanisierung in             fördern.
Bolivien schreitet unentwegt voran und damit steigen              ●● Im Vordergrund der Gouvernanz-Projekte stehen die

auch Umweltprobleme vor allem im Bereich Wasser                      Förderung der Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung der
und Abfall.                                                          Zivilgesellschaft. Gezielte Massnahmen gelten dem bes-
    Bolivien ist Schwerpunktland der Direktion für Ent-              seren Zugang zur Justiz für breite Bevölkerungskreise,
wicklung und Zusammenarbeit, DEZA, und Land für                      dies vor allem in den ländlichen Gebieten. Ein weiterer
Komplementärmassnahmen des Staatssekretariats für                    Schwerpunkt der Rechtsstaatlichkeitsprogramme gilt
Wirtschaft, SECO. Das Engagement der Schweiz erlaubt,                Massnahmen, die geeignet sind, die sehr hohe Zahl
wichtige Werte der schweizerischen Aussenpolitik                     der Gewalttaten gegenüber Frauen zu reduzieren. Die
zu konkretisieren. Dazu gehören, Not und Armut zu                    Rahmenbedingungen für eine sich frei entfaltende
lindern, die Menschenrechte zu achten, Demokratie und                Zivilgesellschaft sind in den letzten Jahren zusehends
Rechtsstaat zu fördern, für ein friedliches Zusammenle-              schwieriger geworden. Hier bieten sich seitens der
ben einzustehen und die natürlichen Lebensgrundlagen                 internationalen Gebergemeinschaft Möglichkeiten zur
zu erhalten.                                                         Förderung eines konstruktiven Dialogs und der Kom-
    Der Beitrag der Schweiz hat gerade deshalb grosse                promisskultur zwischen Zivilgesellschaft und Regierung.
Glaubwürdigkeit, weil unser Land seit bald einem halben           ●● Im Themenbereich Wirtschaftliche Entwicklung

Jahrhundert in Bolivien solidarisch präsent ist, in der Zu-          liegen die Schwerpunkte für die DEZA bei der Berufs-
sammenarbeit nachhaltige Resultate vorweisen kann und                bildung, während sich das SECO hauptsächlich um
als neutrales Land keine geostrategischen Interessen ver-            Fragen des nachhaltigen Handels kümmert. In der
folgt. Überdies stellen die demokratische Tradition und die          Berufsbildung für benachteiligte Gruppen kann die
lange Erfahrung der Schweiz mit föderaler Staatsstruktur             Schweiz ihre eigene Erfahrung und das in verschiedenen
und dem Zusammenleben einer vielsprachigen Bevöl-                    Ländern Lateinamerikas erworbene know-how ein-
kerung wertvolle Beiträge zum Wandel in Bolivien dar.                bringen. Spezifische Unterstützungsmassnahmen zielen
    Die vorliegende Kooperationsstrategie der Schweiz                darauf ab, AbsolventInnen von Berufsschulen, aber
für Bolivien für 2018-2021 will - wie schon in den ver-              auch Produzentenfamilien und Mikro- und Kleinunter-
gangenen Jahren - primär die Opportunitäten nutzen, die              nehmern einen verbesserten Zugang zu Finanz- und
sich aus der Übereinstimmung der Ziele Boliviens und der             Nichtfinanzdienstleistungen sowie zu neuen Märkten zu
Schweiz in der Armutsbekämpfung ergeben. Die Unter-                  eröffnen. Komplementär dazu – auch im Sinne der Ziele
stützungsmassnahmen der Schweiz sollen mithelfen, die                für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 - soll

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Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
die Zusammenarbeit im Thema Berufsbildung zwischen              auf. Der Fokus auf kleinere und mittlere Städte soll
   in Bolivien ansässigen schweizerischen Unternehmen              verstärkt werden. In der nachhaltigen Stadtentwicklung
   und der DEZA angegangen werden.                                 konzentriert sich das SECO auf mittlere und grössere
●● Themenbereich Klimawandel und Umwelt: Es geht                   Städte im ganzen Land.
   dabei um die Planung und Pflege von Systemen zur                    Das Bolivien-Programm der Schweiz wird sich in Zu-
   nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen. Im                 kunft noch stärker auf die besonderen Herausforderungen
   Klimawandel zielt der Schweizer Beitrag vor allem               der Zusammenarbeit mit einem Land mittleren Ein-
   auf Anpassungsmassnahmen. Zentral dabei ist die                 kommens ausrichten müssen. Dies betrifft insbesondere
   Wasserbewirtschaftung und Landnutzung sowie die                 die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der
   Reduktion des Katastrophenrisikos durch Prävention              Agenda 2030. Zu den thematischen Herausforderungen,
   und Katastrophenvorbereitung. Das SECO unterstützt              die der Ländergruppe mit mittlerem Einkommen eigen
   dabei Massnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung              sind und mit denen auch Bolivien konfrontiert ist, gehö-
   im Rahmen urbaner Resilienz. Die fortschreitende                ren Gouvernanz, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit,
   Urbanisierung beinhaltet auch Herausforderungen im              Umwelt, Ungleichheit und Gender. Zukünftig muss die
   Bereich Umwelt. Die DEZA engagiert sich dabei speziell          institutionelle Qualität lokaler Akteure noch vermehrt
   in Bezug auf Abwasser und Abfall.                               gestärkt werden.
    Gebiete, wo Armut stärker verbreitet ist, stehen bei der           Zur Halbzeit der Phase, welche die Kooperationsstra-
Programmdurchführung im Vordergrund. Dies bedeutet                 tegie 2018-2021 abdeckt, muss die Frage beantwortet
eine Konzentration in den Berggegenden des Altiplano               werden, wie das bilaterale DEZA-Engagement mit Boli-
und der interandinen Täler, nicht aber im Tiefland.                vien, einem Land mit mittlerem Einkommen, nach dieser
Das Programm weist zudem eine hohe urbane Relevanz                 Periode weiterentwickelt werden könnte.

                                                                              Hügel im Wassereinzugsgebiet von Jatun Mayu, Cochabamba

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Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021 - EDA
Nationalfeiertag, Tiahuanacu, La Paz

1. Hintergrund und Kontext
Drei grosse Umwälzungen prägen die Geschichte des                  kulturelle Beteiligung der indigenen Bevölkerung im
Andenlandes der letzten Jahrzehnte:                                Staat und das Los der Armen dezidiert zu verbessern.
●● Die tiefgreifende Revolution von 1952 beendete die

   Vorherrschaft der Grossgrundbesitzer im Hochland und
                                                                 Zunehmende Polarisierung
   verstaatlichte die grossen Bergwerksunternehmen. Die
   nationalistisch ausgerichtete Reformbewegung brachte          Die demokratisch gewählte sozialistische Regierung
   der marginalisierten, indigenen Bevölkerungsmehrheit          unter Evo Morales setzt innenpolitisch den Fokus auf
   erstmals elementare Bürgerrechte, Zugang zu Boden-            Interkulturalität und plurale Demokratie und lässt,
   besitz und zur allgemeinen Bildung.                           mindestens mittelfristig, stabile politische Verhältnisse
●● Nach Jahren politischer Instabilität unter verschie-          erwarten. Die Anhängerschaft von Evo Morales strebt
   denen Militärregierungen kehrte das Land 1982 zur             eine vom Verfassungsgericht bewilligte Wiederwahl des
   demokratischen Ordnung zurück. Grundlegende                   Präsidenten Ende 2019 an, obschon 51% der boliviani-
   neoliberale Wirtschaftsreformen leiteten 1985 einen           schen WählerInnen anlässlich eines Referendums im Jahr
   Prozess der Privatisierung und Öffnung der Märkte ein,        2016 die Möglichkeit weiterer Wiederwahlen ablehnten.
   der während 20 Jahren Bestand hatte.                          Gewisse Bevölkerungskreise sehen Probleme in Bezug auf
●● Eine neue Zäsur erfolgte Ende 2005 mit der Wahl von           die Gewaltenteilung, die Nachfolgeregelung sowie die
   Evo Morales, dem ersten Präsidenten mit indigenen             Meinungs- und Pressefreiheit. Es besteht generell ein ge-
   Wurzeln. Dieser wurde 2009 ein erstes Mal wiederge-           sellschaftliches Potenzial für einen echten Dialog zwischen
   wählt. 2014 wurde er aufgrund einer neuen Verfassung          den Akteuren und die Suche nach gesellschaftstragenden
   mit 61% der Stimmen für eine dritte Amtsperiode               Kompromissen. Der Rechtsstaat ist trotz Reformen im
   bestätigt. Unter seiner Präsidentschaft sucht das Land        Justizsystem nach wie vor relativ schwach ausgebildet,
   einen neuen Weg, um die politische, wirtschaftliche und       der Zentralismus eine schwer zu überwindende historische

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Hypothek. Häufigkeit und Intensität sozialer Konflikte sind        (2013) auf 4% (2017). Dennoch ist die makroökono-
in den letzten Jahren in etwa gleichgeblieben, haben 2017          mische Stabilität Boliviens mit einem soliden, wenn
aber leicht zugenommen. Aller Voraussicht nach werden              auch leicht gedämpften Wachstum bis zu den Wahlen
sich im Vorfeld der Wahlen von 2019 Strassenproteste               2019 kaum gefährdet. Die Jahresteuerung liegt in den
und Streikbewegungen verstärken.                                   letzten Jahren im Mittel bei 4%. Herausforderungen
      Die Entwicklungspolitik, festgeschrieben im Plan de          in der Wirtschaft liegen in einer stark überbewerteten
Desarrollo Económico y Social 2016-2020 und der                    Währung, Unterbeschäftigung, tiefer Produktivität, man-
Agenda Patriótica 2025, dürfte bis zu den Wahlen                   gelnder Diversifizierung, ungenügender internationaler
keine grosse Änderung erfahren. Sie setzt auf hohe staat-          Wettbewerbsfähigkeit, hoher Informalität sowie einer
liche Investitionen und verfolgt generell einen Ansatz,            signifikanten Schattenwirtschaft (Schmuggel, illegaler
der die Verbesserungen der Lebensbedingungen und                   Kokaanbau sowie Drogen- und Menschenhandel). Die
die Überwindung der Armut ins Zentrum rückt. In der                Auswirkungen der Schattenwirtschaft auf Staat und
Entwicklungspolitik hervorzuheben ist das bestehende               Gesellschaft sind mannigfaltig: rechtsstaatliche Risiken
Gesetz über die Rechte der «Mutter Erde», welches ein              sind verbunden mit fehlenden staatlichen Regulierungen
ökologischeres Gleichgewicht in der Entwicklung Bo-­­­­            und Mindereinnahmen an Steuern und Sozialversiche-
livi­ens anstrebt.                                                 rungsbeiträgen.
      Aussenpolitisch nimmt Bolivien in den letzten Jah-
ren eine aktivere Rolle ein, insbesondere in Themen wie
Menschenrechte, Sicherheit und Klimawandel. Mit den
Nachbarländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und
Peru wird ein konstruktiver Umgang im Rahmen der re-
gionalen Wirtschaftsintegration gepflegt. Das Verhältnis
zu Chile ist getrübt, weil territoriale Streitigkeiten über
einen Meereszugang und Wasserrechte nach wie vor
ungelöst sind. Aktiv fördert die Regierung das Projekt
Bioceánico, das eine Eisenbahnverbindung zwischen
Atlantik und Pazifik, von Brasilien über Bolivien nach Peru,
anvisiert. Bolivien ist Mitglied einer Reihe von regionalen
Organisationen, wie ALBA (Bolivarianische Allianz), CAN
(Andengemeinschaft) und UNASUR (Union Südameri-
kanischer Nationen), sowie Mercosur-Beitrittskandidat
(Gemeinsamer Markt Südamerikas).

Rohstoffe dominieren die
Wirtschaft
Dank hohen Rohstoffpreisen und verantwortungsvoller
Wirtschaftspolitik wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
Boliviens zwischen 2006 und 2017 jährlich um knapp 5%
(knapp 3% pro Kopf). Das Land gehörte damit zu den
Spitzenreitern der Region. Das vorteilhafte wirtschaftliche
Umfeld, wirtschafts- und entwicklungspolitische Entschei-
dungen sowie generöse Sozialprogramme begünstigten
den Rückgang der extremen und moderaten Armut inner-
halb einer Dekade von 60% (2006) auf 40% (2016). In
der gleichen Zeitspanne fiel die Einkommensungleichheit
(Gini-Koeffizient) von 0,60 (2005) auf 0,47 (2016).
    Als Folge der eingetrübten internationalen Konjunktur
und der rückläufigen Rohstoffpreise auf den Weltmärk-
ten, fiel das Wachstum des BIP von hohen knapp 7%                                         Demonstration von Bürgerinnen und Bürgern

                                                               9
Tabelle 1: Wirtschaftsindikatoren1
        (gerundete Zahlen)                            Einheit                      2012             2017                2017
                                                                                                                   Durchschnitt
                                                                                                                  Lateinamerika
                                                                                                                   und Karibik
Bevölkerung                                             Mio.                       10.2             11.1                 20.5
Bevölkerungswachstum                                   % p.a.                       2.0              1.8                 1.0
BIP                                                   Mrd. USD                     27.1             36.2                 171
BIP pro Kopf                                            USD                        2‘700            3‘300               8´300
Bruttoinvestitionsquote                                 % BIP                       18               20                   19
Reales BIP-Wachstum                                    % p.a.                       5.1              4.1                 -0.9
Inflation                                          %, Jahresende                    4.5              2.7                 4.6
Staatsausgaben                                          % BIP                       36               39                   21
Fiskalbilanz                                            % BIP                        2                -7                  -3
Interne und externe Staatsverschuldung                  % BIP                       58               79                   38
Güter und Dienstleistungsexporte                        % BIP                       41               23                   21
Handelsbilanz                                           % BIP                       12                -2                  43
Bilanz der laufenden Transaktionen                      % BIP                        7                -7                  -2
Devisenreserven                            Deckung Güterimport (Monate)             21               14                   11
Wechselkurs                                     BOB/USD, Jahresende                6.91             6.91

    Seit dem Ende des Rohstoffbooms 2014 sind die                     Privatsektor zu fördern, die Wirtschaft zu diversifizieren
Exporteinnahmen des Landes um 25% zurückgegan-                        und entsprechende Reformen voranzutreiben.
gen. Die stark angestiegenen Aussen- und Fiskaldefizite
werden zurzeit noch und nur bedingt nachhaltig durch
                                                                      Weitere soziale Fortschritte erzielen –
Devisenreserven, Auslandskredite (unter anderem aus
China und von multilateralen Finanzinstituten wie die
                                                                      eine Herausforderung
Andine Entwicklungsgesellschaft, CAF, und die Inter­                  Nach bedeutenden Verbesserungen in den ersten Jahren
amerikanische Entwicklungsbank, IDB) sowie über den                   der Regierung unter Präsident Evo Morales stagnieren ab
internationalen Kapitalmarkt finanziert. Während der                  2013 gewisse Sozialindikatoren. Dazu gehören auch
Boom-Jahre konnte das Land seine Währungsreserven                     die multidimensionalen Aspekte der Armut. Im interna-
kräftig aufstocken. Diese deckten Ende 2014 Güterimp-                 tionalen Vergleich verbleiben die Indikatoren zu einem
orte von komfortablen 18 Monaten, schrumpften aber                    guten Teil auf hohem Niveau. Dies betrifft insbesondere
seither auf immer noch hohe 14 Monate. Grössere neue                  den gesunkenen Anteil der Armen an der Gesamtbe-
Wirtschaftsreformen dürften bis zu den Wahlen 2019                    völkerung, aber auch die rückläufige Ungleichheit und
kaum umgesetzt werden. Dies hängt auch damit zusam-                   die abnehmenden Bildungs- und Gesundheitsdefizite.
men, dass Bolivien eine klassische, auf Rohstoffextraktion            Weitere Fortschritte im Sozialbereich könnten durch die
ausgerichtete Wirtschaftspolitik verfolgt, die zu Lasten des          Erhöhung der Qualität der Staatsausgaben sowie wirk-
nicht rohstofforientierten Privatsektors geht. Die starke             samere staatliche Institutionen und Sozialpolitiken erzielt
Konzentration auf die Ausbeutung von Rohstoffen führt                 werden. Ins Gewicht fällt dabei die Vernachlässigung
ihrerseits zu sich häufenden Sozial- und Umweltkon-                   des nicht rohstofforientierten Privatsektors in Bezug auf
flikten, die unter anderem auch auf eine Änderung der                 Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Verteilung des bestehenden Volksvermögens fokussieren.                    Bolivien ist das viertärmste Land Lateinamerikas
Mittelfristig dürften die Weltmarktpreise für die wich-               und der Karibik. 18% der BolivianerInnen lebten 2016 in
tigsten in Bolivien abgebauten Rohstoffe nur moderat                  extremer, absoluter Armut (unter 1,90 USD PPP2 pro Tag
anziehen. Allgemein steigt der wirtschaftliche Druck, den             und Kopf). Der Anteil der in moderater Armut lebenden

1 Quellen: Internationaler Währungsfonds (IMF), Weltbank, Economist Intelligence Unit (EIU) und Wirtschaftskommission für Lateinamerika
  und Karibik (CEPAL).
2 Kaufkraftparität.

                                                                 10
Schule in Viloma, Cochabamba

Menschen (1,90 bis 3,8 USD PPP)3 betrug 22%, wobei                     motiviert. Die eher stark wachsenden, im tropischen
Frauen überproportional betroffen sind. Die städtische                 Tiefland liegenden Departemente Santa Cruz und Pan-
Armut (32%) ist im Gegensatz zur ländlichen (57%)                      do, wo die Landwirtschaftszonen ausgeweitet werden,
weniger stark ausgeprägt. Es bestehen Landflucht,                      erhöhen die Differenz zum eher langsam wachsenden,
eine rapide und unorganisierte Urbanisierung und ein                   teilweise im Hochland liegenden Departement La Paz
Bevölkerungswachstum von 1,7%. Eine Regionalpoli-                      (Regierungssitz). Dementsprechend entwickelt sich die
tik besteht nur in Ansätzen und ist teilweise politisch                interne Migration.

                                   Tabelle 2: Armut, Ungleichheit und Entwicklung4
      (gerundete Zahlen, * = Zahlen von 2015)                       Einheit            2012            2016                 2016
                                                                                                                      Durchschnitt
                                                                                                                     Lateinamerika
                                                                                                                      und Karibik
Extreme Armut                                                           %                22             18                   10
Extreme Armut auf dem Land                                              %                41             37
Extreme Armut in Städten                                                %                12             10
Extreme und moderate Armut                                              %                43             40                   31
Extreme und moderate Armut auf dem Land                                 %                61             57
Extreme und moderate Armut in Städten                                   %                35             32
Ungleichheit bei Einkommen                                      Gini-Koeffizient        0.47           0.47                 0.47
Ungleichheit bei Einkommen auf dem Land                         Gini-Koeffizient        0.55           0.52*
Ungleichheit bei Einkommen in Städten                           Gini-Koeffizient        0.42           0.42*
Index für menschliche Entwicklung                                      Index            0.66           0.67*                0.75

3 Die Definition der moderaten Armut (1,9 – 3,8 USD PPP) entspricht derjenigen, die in Ländern in der unteren mittleren Einkommensgruppe
  wie Bolivien Anwendung findet.
4 Quellen: Nationales Statistikinstitut, Wirtschaftskommission für Lateinamerika und Karibik (CEPAL).

                                                                  11
Auf dem Weg zu den Milleniums-Entwicklungs-                          und der forcierten Ausweitung der Landnutzung vor
zielen hat Bolivien in der Vergangenheit im regionalen                   allem auch in Tieflagen. Konsequenzen sind Trockenheit,
Vergleich Fortschritte erzielt. 2015 konnte ein Drittel                  Überschwemmungen und verbreitete Erosionsschäden
der Ziele noch nicht ganz erreicht werden; dies dürfte                   sowie der Verlust fruchtbarer Böden. Dies wiederum re-
2020 der Fall sein. Bolivien hat sich international auch                 duziert die landwirtschaftlichen Erträge und bedroht die
verpflichtet, die Ziele für nachhaltige Entwicklung                      Existenz von Bäuerinnen und Bauern. Bisher unbekannte
der Agenda 2030 umzusetzen. Im Ländervergleich der                       Seuchen und Krankheiten tauchen auf und bedrohen so-
bekanntesten internationalen Indizes5 lag das Land                       wohl Nutzpflanzen als auch Viehbestände. Die Situation
2017 grossmehrheitlich im 3. Quartil, wirtschaftlich im                  zwingt LandbewohnerInnen in die Stadt zu ziehen, wo
schlechten 4. Quartil. Gegenüber 2012 hat sich vor allem                 sie sich häufig in Zonen mit hohem Risiko niederlassen,
die Konkurrenzfähigkeit des Landes verschlechtert.                       in denen die Versorgung mit Basisdienstleistungen be-
                                                                         grenzt ist. Umweltschäden im Bereich Wasser, Land und
                                                                         Luft nehmen zu. In ländlichen und städtischen Gegenden
Klimawandel und Umweltschäden
                                                                         besteht deshalb die Herausforderung, die Resilienz der
    Der Klimawandel trifft Bolivien mehr als viele ande-                 armen Bevölkerung und der lokalen Institutionen zur
re Länder Lateinamerikas. Als Folge des Klimawandels                     Anpassung an den Klimawandel und an ökologische
steigen die Durchschnittstemperaturen, ziehen sich die                   Herausforderungen zu stärken. Die Regierung versucht
tropischen Gletscher rasch zurück und fallen Nieder-                     soziale, ökonomische und kulturelle Notwendigkeiten
schläge kräftiger und immer unvorhersehbarer aus6. Die                   gegeneinander abzuwägen. Doch diese stehen nicht
Situation wird verschärft durch nicht nachhaltige Systeme                selten im Widerspruch, was zu sozialen Konflikten führt.
der Landbewirtschaftung inklusive starke Entwaldung

                                                                                                              Arbeit in der Mine, Coroico, La Paz

5 Freedom House, Press Freedom, Judicial Independence, Rule of law, World Justice Project, Voice and Accountability, Corruption Perception,
  Global Innovation, Ease of Doing Business, Global Competitiveness, Human Development, Social Progress und Gender Inequality.
6 Siehe dazu auch die Publikation «Elemento de vida – El agua en el desarrollo, la cultura y la sociedad», nur auf Spanisch erhältlich, unter
  https://bit.ly/2xk9Fvh

                                                                    12
Der Anbau ist unsere Hoffnung

2. Ziele der Schweizer Aussenpolitik und
   Strategien anderer Geber
    Bolivien ist Schwerpunktland der Direktion für Ent-              und SECO, davon neun mit einem Programmbeitrag der
wicklung und Zusammenarbeit, DEZA, und ein Land für                  DEZA7. Swisscontact, HELVETAS Swiss Intercooperation
Komplementärmassnahmen des Staatssekretariats für                    und SOLIDAR SUISSE führen zusätzlich Mandate für die
Wirtschaft, SECO. Das Engagement der Schweiz erlaubt,                DEZA aus.
wichtige Werte der schweizerischen Aussenpolitik zu kon-                 Noch vor zehn Jahren hat die internationale Geber-
kretisieren. Dazu gehören, Not und Armut zu lindern, die             gemeinschaft rund 7% des bolivianischen BIP finan-
Menschenrechte zu achten, Demokratie und Rechtsstaat                 ziert. Vor allem als Folge des Rohstoffbooms reduzierte
zu fördern, für ein friedliches Zusammenleben einzustehen            sich dieser Anteil auf 2%. Unter den Bilateralen wird die
und die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Gerade             Schweiz in Zukunft ein mittlerer Geber mit Engagement
in Bolivien verfügt die Schweiz über die auch andernorts             im Politikdialog und der Koordination sein. Dabei ist die
bekannten Vorteile in der Internationalen Zusammenarbeit             Schweiz zusammen mit Mitgliedern der Europäischen
(IZA). Besonders zu erwähnen ist die stark systemische               Union, EU, Teil der Joint European Strategy 2017-2020.
Arbeitsweise, nicht zuletzt wegen der signifikanten Rolle            Als Folge der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung
des Staates. Auch sind in Bolivien gegenwärtig knapp                 Boliviens, aber auch wegen ihrer jeweiligen nationalen
dreissig schweizerische Nicht-Regierungsorganisa­                    strategischen Orientierungen, haben einige Geberländer
tionen (NGOs) tätig, teilweise mit ähnlicher thematischer            ihre Entwicklungsprogramme entweder ganz eingestellt
Ausrichtung wie das Programm und die Projekte von DEZA               oder mit Blick auf die Einstufung und Entwicklung des

7 NGOs mit Programmbeiträgen (nach Beitragsgrösse): Swisscontact, SRK - Schweizerisches Rotes Kreuz, INTERTEAM, HELVETAS Swiss Inter-
  cooperation, SOLIDAR SUISSE, CARITAS Schweiz, Brücke – Le pont, terres des hommes schweiz und COMUNDO (SMB Immensee Missions-
  gesellschaft Bethlehem, E-CHANGER und Inter-agire).

                                                                13
Andenlandes als Land mittleren Einkommens reduziert                     demokratische Tradition und die lange Erfahrung der
und/oder umgestellt8. Bolivien dürfte allfällig gegen Ende              Schweiz mit föderaler Staatsstruktur und dem Zusammen-
der zwanziger Jahre von der unteren in die obere mittlere               leben einer vielsprachigen Bevölkerung stellen wertvolle
Einkommensgruppe wechseln.                                              Beiträge zum Wandel in Bolivien dar.
     Der relative Stellenwert der schweizerischen IZA                       Die Botschaft der Schweiz in La Paz arbeitet zu
nimmt als Folge des Rückzugs einzelner bilateraler Geber                80% in der IZA und zu 20% in diplomatischen und kon-
sowie der markanten Reduktion der Beiträge anderer zu.                  sularischen Aufgaben, wobei La Paz dem Konsularbezirk
Für die Schweiz ergibt sich somit die Möglichkeit, vermehrt             Lima zugeteilt ist. Die wirtschaftliche Verflechtung zwi-
Sektorstrategien mittels Politikdialog zu unterstützen. Dies            schen der Schweiz und Bolivien liegt auf vergleichswei-
ist etwa bei der Berufsbildung oder im Management von                   se tiefem Niveau, da die Kaufkraft Boliviens trotz des
Wassereinzugsgebieten der Fall.                                         vergangenen Rohstoffbooms reduziert bleibt und die
     Das Engagement der Schweiz hat gerade deshalb                      Politik des Landes ausländischen Investoren beschränkte
grosse Glaubwürdigkeit, weil unser Land seit bald einem                 Anreize bietet. Investitionen und Interessen von Schwei-
halben Jahrhundert in Bolivien solidarisch präsent ist,                 zer Firmen liegen vor allem im Nahrungsmittelsektor, im
nachhaltige Resultate vorweisen kann und als neutrales                  Maschinen- und Bergbau sowie im Bau-, Mikrofinanz-
Land keine geostrategischen Interessen verfolgt. Die                    und Transportbereich.

                                                                                                 Männer und Söhne schützen die «Mutter Erde»

8 Neben den multilateralen Institutionen - unter anderem Vereinte Nationen / UNO, Weltbank, IDB und CAF - und der EU sind vor allem fol-
  gende Länder in Bolivien tätig: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Korea, Schweden, Schweiz, Spanien und USA. Die
  aufgeführten Länder sind Mitglieder des Ausschusses für Entwicklungshilfe, DAC, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
  Entwicklung, OECD. Von Nicht-DAC-Ländern sind keine Zahlen verfügbar.

                                                                   14
Berufsbildung (Näharbeit)

3. Resultate der schweizerischen
   Zusammenarbeit mit Bolivien 2013-20179
Im Rahmen der Kooperationsstrategie 2013-2017 hat die                 der Departemente und der Zentralregierung gepflegt.
schweizerische IZA in Bolivien 140 Mio. CHF (146 Mio                  Der intensive Austausch hat dazu beigetragen, Gesetze,
USD) eingesetzt, das heisst im Durchschnitt 28 Mio. CHF               Politiken, Pläne und Finanzen entwicklungsförderlicher
(29 Mio. USD) pro Jahr. Ziel aller Aktivitäten war es, in den         zu gestalten beziehungsweise umzusetzen. Gleichzeitig
drei unterstützten Themenbereichen Dezentralisierung                  wurde damit die Nachhaltigkeit der Resultate des schwei-
und Menschenrechte, Beschäftigung und Einkommen                       zerischen Beitrags an die verschiedenen Entwicklungs-
sowie Klimawandel zu einem würdigeren, in die Zukunft                 massnahmen gestärkt. Die systemische Unterstützung
abgesicherten Leben der BolivianerInnen beizutragen.                  trug ausserdem vielerorts zur Stärkung der Institutionen
Externe Projektevaluationen zeigen, dass die gewählten                und zur Förderung der Kapazitäten von Mitarbeitenden
thematischen Prioritäten für die Entwicklung des Landes               und Nutzniessenden bei.
relevant sind. Damit leistete die Schweiz in den vergange-                Die Zusammenarbeit der Geber untereinander und
nen fünf Jahren zusammen mit anderen bi- und multilate-               mit der Regierung funktionierte auf hohem Niveau. Die
ralen Gebern einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der                Ausarbeitung der Joint European Strategy 2017-2020
extremen und moderaten Armut, zur Stärkung der Rechte                 (EU und Schweiz) war ein positiver Prozess und förderte
und Chancen benachteiligter Bevölkerungsgruppen sowie                 die Zusammenarbeit unter den Akteuren. Es gilt weiter-
zur Milderung der Folgen des Klimawandels.                            hin, die Zusammenarbeit und den Austausch unter den
    In allen Themenbereichen und Projekten wurde be-                  Akteuren wirksam, aber auch effizient zu gestalten sowie
sonders der Politikdialog auf Ebene der Gemeinden,                    Synergien auszuschöpfen. Hier besteht ein Potenzial.

9 Siehe dazu auch die Publikation «Memoria de la Estrategia de Cooperación para Bolivia 2013-2017», nur auf Spanisch erhältlich, unter
  https://bit.ly/2sEfdMt

                                                                 15
Einige weitere Resultate der Zusammenarbeit                        ●●   Dank Adaptationsmassnahmen und Vorkehrungen im
auf Ebene der Nutzniessenden                                            Bereich Katastrophenmanagement konnten 47‘000
                                                                        Bauerfamilien ihr Einkommen real verbessern.
Themenbereich Dezentralisierung und                                ●●   Unterstützungsmassnahmen führten dazu, dass in 19
Menschenrechte                                                          Gemeinden Abwasser und Abfall nachhaltig bewirt-
●●   Besondere Aufmerksamkeit wurde der Gesundheits-                    schaftet werden.
     vorsorge, der Verbesserung der Schulbildung und der
     Sensibilisierung der Bevölkerung im Thema Gewalt an           Wichtige Erfahrungen aus der
     Frauen geschenkt. Von neuen und besseren Dienst-              Programmdurchführung
     leistungen profitierten 65‘000 Frauen in einem Drittel        ●●   Die tiefgreifenden Veränderungen im politischen, sozia­
     der 339 Gemeinden Boliviens. Parallel dazu zeigten                 len und wirtschaftlichen Umfeld boten die Chance, in
     Projekte, die das weit verbreitete Problem der Gewalt              bestehenden und häufig neu geschaffenen Strukturen
     gegen Frauen noch stärker angehen, erste Erfolge.                  eng mit staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten. Der
●●   Dank vereinfachtem Zugang zu Justizeinrichtungen                   Zugang zu den Behörden war generell unkompliziert.
     haben über 70‘000 Arme und vulnerable Personen                     Es ergaben sich auch angeregte Diskussionen zum
     ihre Rechtsprobleme durch Streitschlichtung lösen                  Beispiel über den besseren Einbezug des Privatsektors
     können.                                                            in einzelnen Themen der Entwicklungspolitik.
                                                                   ●●   Gegenüber den Hilfswerken sind die Anforderungen
Themenbereich Beschäftigung und Einkommen                               des Staates gestiegen. Die veränderte Situation wurde
●●   75‘000 arme und vulnerable Personen – davon 52%                    mit den staatlichen Stellen und vor allem den schwei-
     Frauen - konnten ihre Berufsbildung verbessern. 23‘000             zerischen Hilfswerken, aber auch in der Gebergemein-
     verfügten nach kurzer Zeit über mehr Einkommen und                 schaft, thematisiert. Die Entwicklung dieser Beziehun-
     verbesserten die Qualität ihrer Arbeit.                            gen wird von der Schweiz entsprechend beobachtet.
●●   Die Produktivität konnte im Fall von 30‘000 ländlichen        ●●   Beeinträchtigt wurde die Durchführung von entwick-
     Familienbetrieben gesteigert werden.                               lungsrelevanten Massnahmen durch die teilweise hohe
                                                                        Personalrotation bei den staatlichen Stellen. Dies führte
Themenbereich Klimawandel                                               immer wieder zu Erfahrungs- und Kapazitätseinbussen.
●●   In einer Reihe von Wassereinzugsgebieten profitierten         ●●   Eine besondere Herausforderung stellte überdies die
     76‘000 Bauernfamilien von einem verbesserten Zugang                partiell relativ langsame Durchführung von Projekten
     zu Wasser für die Bewässerung ihrer Äcker, Felder und              durch einzelne Partner dar. Hierbei gilt es auch die
     Hofgärten. Zwei dieser Gebiete wurden wegen der                    Planung auf deren reale Durchführbarkeit vertieft zu
     negativen Folgen des Bergbaus unterstützt.                         diskutieren und wo nötig entsprechend anzupassen.

                                                                                               Produktion von Karrotten, Guardaña, Oruro

                                                              16
Ohne Gegenwart gibt es keine Zukunft

4. Konsequenzen für die neue Strategie
Die Fokussierung der schweizerischen Zusammenarbeit                      ●●   In der Halbzeit, welche die Kooperationsstrategie 2018-
auf die Reduktion von Armut und Ungleichheit sowie                            2021 abdeckt, muss die Frage beantwortet werden,
die Minderung der Folgen des Klimawandels und                                 wie das bilaterale DEZA-Engagement in einem Land
der Erhöhung der Resilienz bleibt pertinent und bildet                        mit mittlerem Einkommen künftig weiterentwickelt
den Ausgangspunkt für die neue Kooperationsstrategie:                         werden könnte. Eine Evaluation soll 2019 durchge-
●● Die Kooperationsstrategie 2018-2021 sieht gegenüber                        führt werden und die Grundlagen dazu liefern. Die zu
   den vergangenen Jahren keine neuen Themenberei-                            erarbeitenden Zukunftsvorstellungen werden zudem
   che für das Engagement der Schweiz vor. Die bestehen-                      als Input für die Botschaft der Schweizer Regierung
   den Arbeitsgebiete sind relevant, sollen aber angepasst                    über deren IZA 2021-2024 aufbereitet.
   und teilweise fokussierter angegangen werden.                         ●●   Das SECO engagiert sich hauptsächlich im Bereich
●● Eine Reduktion der Themenbereiche wird nicht ange-                         des nachhaltigen Handels und der nachhaltigen
   strebt, da sich Länder der mittleren Einkommensgruppe                      Stadtentwicklung (urbane Resilienz).
   durch eine differenzierte, effektive Nachfrage nach                   ●●   Die thematische Konzentration der DEZA wird auf
   thematischer Unterstützung auszeichnen und das                             fast 90% erhöht. Sie ergibt sich aus der hauptsäch-
   operative Budget trotz starker Kürzungen (siehe dazu                       lichen Ausrichtung der Projekte auf drei Themen10.
   Finanzrahmen unter Kapitel 6, Programm-Umsetzung)                          Aus Synergiegründen sollen die restlichen 10% nur
   ein genügend grosses Volumen erreicht. Die Koope-                          zwei nah verwandten Themen gewidmet werden (Be-
   rationsstrategie strebt somit eine Konsolidierung des                      schäftigung und wirtschaftliche Entwicklung, sowie
   Programms an.                                                              Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung).

10 Die Themenkonzentration betrifft nur die DEZA. Diese Themen, die sich aus der Botschaft der Schweizer Regierung über deren IZA 2017-2020
   ergeben, sind nicht ganz deckungsgleich mit den drei für die Kooperationsstrategie gewählten Themenbereiche (siehe Richtlinien der DEZA).
   Und in der Finanzplanung (Anhang 2) sind zudem nicht nur die Zahlen der DEZA berücksichtigt, sondern auch diejenigen des SECO.

                                                                    17
●●   Die Humanitäre Hilfe der DEZA wird ihre Präventions-          diskutierten Herausforderungen für Länder der mittleren
     aktivitäten (Disaster Risk Reduction, DRR) in Bolivien        Einkommensgruppe. Zu den thematischen Herausforde-
     Ende 2018 beenden. Erhalten bleibt ein thematisches           rungen, die der Ländergruppe mit mittlerem Einkommen
     Backstopping regionaler Initiativen vom DRR-Hub in            eigen sind und mit denen auch Bolivien konfrontiert
     Lima aus.                                                     ist, gehören unter anderem Gouvernanz, Produktivi-
                                                                   tät, Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt, Ungleichheit und
    Seit 1987 gehört Bolivien gemäss den Kriterien des             Gender. Dabei unterstützt die Schweiz das Land durch
Ausschusses für Entwicklungshilfe, DAC, der Organisation           entsprechende Projekte. Ausgeprägt sind seit langem der
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,                starke Politikdialog und das systemische Arbeiten, dann
OECD, zur unteren mittleren Einkommensgruppe. Das                  aber auch die Abdeckung institutioneller und punktuell-
Bolivien-Programm der Schweiz wird sich in Zukunft                 thematischer Bedürfnisse von Akteuren.
noch stärker auf die besonderen Herausforderungen                      Die Unterstützungsmassnahmen enthalten überdies
der Zusammenarbeit mit einem Land mittleren Ein-                   einen hohen Software-Anteil (Wissen, Erfahrungen,
kommens ausrichten müssen. Dies betrifft insbesondere              Austausch und Netzwerke). Betont wird die Rolle des/
die Erreichung der SDG. Seit längerem gestaltet sich die           der Fazilitators/in im Bereich Wissen und Erfahrung. Diese
Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Andenland anders                Arbeitsweise wird in der Zukunft noch zu vertiefen sein.
als mit anderen noch ärmeren Ländern des Südens.                   Zukünftig muss die institutionelle Qualität von Akteuren
    An den sich ständig verändernden Kontext hat sich              noch vermehrt gestärkt werden. Dabei soll die Rolle der
die DEZA fortlaufend strategisch angepasst. Bereits heute          Schweiz als knowledge broker geschärft und extern
sucht Bolivien Antworten auf rund 80% der international            aktiv kommuniziert werden.

                                                                                    Wegen des Klimwandels geben wir zum Wasser Sorge

                                                              18
Es gibt kein Alter unsere Rechte zu erlernen

5. Die Strategie 2018-2021: Ziele,
   Schwerpunkte und Wirkungshypothesen
Die Strategie der Schweiz für 2018-2021 will, wie schon               Für die einzelnen Themenbereiche gelten die fol-
in den vergangenen Jahren, primär die Opportunitäten               genden Schwerpunkte:
nutzen, die sich aus der Übereinstimmung der Ziele Boli­
viens und der Schweiz in der Armutsbekämpfung ergeben.             ●   Themenbereich Gouvernanz
Die Unterstützungsmassnahmen der Schweiz zielen                    Im Vordergrund der Gouvernanz-Projekte stehen die
prinzipiell auf                                                    Förderung der Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung der
                                                                   Zivilgesellschaft. Nach wie vor ist in Bolivien der barrie-
●●   die Förderung der nachhaltigen Entwicklung                    refreie Zugang zur Justiz für breite Bevölkerungskreise
     Boliviens,                                                    – vor allem in den Landgebieten - alles andere als eine
●●   die Reduktion der Armut und Ungleichheit und                  Selbstverständlichkeit. Nur langsam löst sich zurzeit der
●●   die Erhöhung der Resilienz der Bevölkerung und                Reformstau im Justizsektor auf. Hier bietet sich die Gele-
     Institutionen.                                                genheit, zusätzlichen Kreisen von Armen und vulnerablen
                                                                   Menschen Zugang zu einer alternativen Lösung ihrer
    In allen drei Themenbereichen sollen Arme und vulne-           Rechtsprobleme zu verschaffen. Ein weiterer Schwer-
rable Gruppen - insbesondere Junge und Frauen - mit                punkt der Rechtsstaatlichkeitsprojekte gilt Massnahmen
Fokus auf Inklusion noch stärker ermächtigt werden. Ihnen          zur Reduktion der Zahl der Gewalttaten gegenüber
sollen sich erweiterte Perspektiven zur aktiven Gestaltung         Frauen. Im lateinamerikanischen Vergleich ist in Bolivien
ihres Lebens eröffnen. Systemische Veränderungen mit               die Zahl der Feminizide und der Fälle häuslicher Gewalt
inklusivem Dialog auf allen Ebenen sind weiterhin ein              gegen Frauen ausserordentlich hoch. Und die Rahmen-
strategisch wichtiger Teil der Programm- und Projektarbeit.        bedingungen für eine sich frei entfaltende Zivilgesell-

                                                              19
schaft sind in den letzten Jahren zusehends schwieriger              fortschreitende Urbanisierung beinhaltet auch Heraus-
geworden. Hier bieten sich seitens der internationalen               forderungen im Bereich Umwelt. Die DEZA engagiert
Gebergemeinschaft Möglichkeiten zur Förderung eines                  sich speziell in Bezug auf Abwasser und Abfall.
konstruktiven Dialogs und der Kompromisskultur zwischen
Zivilgesellschaft und Regierung.                                     Transversale Themen und Arbeitsprinzipien
                                                                     Die Umsetzung dieser Themen und Prinzipien orientiert
●   Themenbereich Wirtschaftliche Entwicklung                        sich an der Botschaft IZA 2017-2020. Im Einzelnen betrifft
Die Schwerpunkte liegen für die DEZA im Bereich der                  dies Folgendes:
Berufsbildung, während sich das SECO hauptsächlich                   ●● Die Gender-Dimension wird in allen Projekten transver-

um Fragen des nachhaltigen Handels kümmert. In                          sal integriert. In Bolivien wird eine bessere Umsetzung
der Berufsbildung für benachteiligte Gruppen kann die                   im Projektzyklus, was Analyse und Resultate betrifft,
Schweiz ihre eigene Erfahrung und das in verschiede-                    angestrebt.
nen Ländern Lateinamerikas erworbene know-how                        ●● In den Themenbereichen werden transversale Gou-

einbringen. Spezifische Unterstützungsmassnahmen                        vernanzfragen vermehrt auf Rechenschaftsable-
zielen darauf ab, AbsolventInnen von Berufsschulen,                     gung und Rechtsstaatlichkeit fokussiert. Dabei wird
aber auch Produzentenfamilien und Mikro- und Klein­                     der human rights based approach angewandt. Die
unternehmern einen verbesserten Zugang zu Finanz- und                   Lokalgouvernanz ist wichtiger Teil fast aller Projekte.
Nichtfinanzdienstleistungen sowie zu neuen Märkten                      BürgerInnen werden in der Wahrnehmung ihrer Rechte
zu eröffnen. Komplementär – und mit Blick auf die Ziele                 und Pflichten, staatliche Akteure in der Erfüllung ihrer
für nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Agenda                       Verpflichtungen gestärkt.
2030 – sind Allianzen zwischen in Bolivien ansässigen                ●● Das Arbeitsprinzip des DRR wird bedarfsorientiert in

Schweizer Firmen und der DEZA im Bereich der Berufs-                    die Projekte integriert und wo nötig vertieft.
bildung vorgesehen. Dies kann auch als Beispiel für eine             ●● Das Arbeitsprinzip des konfliktsensitiven Projekt-Ma-

konstruktive Zusammenarbeit zwischen staatlichen und                    nagements, das auch interkulturelle Aspekte berück-
nicht staatlichen Akteuren dienen. Wo dies möglich ist,                 sichtigt, kommt überall dort zum Zuge, wo spezifische
werden sich die Projekte der Schweiz vermehrt auf neue                  Problemlagen bestehen.
Kooperationsformen besinnen. Überdies sind Massnah-                  ●● Zusätzlich werden Fragen des Klimawandels und

men zur Diversifikation der Wirtschaft und zur Steigerung               der Umwelt auch im Themenbereich Wirtschaftliche
der Produktivität ein wichtiger Teil der von der Schweiz                Entwicklung aufgenommen, Fragen der Berufsbil-
initiierten und unterstützten Projekte zur nachhaltigen                 dung hingegen im Themenbereich Klimawandel und
Entwicklung der bolivianischen Wirtschaft.                              Umwelt.

●   Themenbereich Klimawandel und Umwelt                             Geographische Orientierung
Es geht dabei um die Planung und Pflege von Systemen                 Gebiete, wo Armut stärker verbreitet ist, stehen bei der
zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen. In den              Programmdurchführung im Vordergrund. Dies bedeutet
letzten Jahren hat die bolivianische Regierung eine Reihe            eine Konzentration in den Berggegenden des Altiplano
von Gesetzen erlassen und Strategien entwickelt, um den              und der interandinen Täler, nicht aber im Tiefland.
Folgen des Klimawandels zu begegnen. Schlüsselprioritä-              Das Programm weist eine hohe urbane Relevanz auf.
ten sind Ernährungssicherheit, das Recht auf Wasser für              Wegen der fortschreitenden Urbanisierung wird seitens
alle und Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegenüber ne-              der DEZA ein noch stärkerer Fokus auf kleinere und
gativen Effekten des Klimawandels. Im Klimawandel zielt              mittlere Städte11 gelegt, wo die Armut ausgeprägter ist
der Schweizer Beitrag vor allem auf Anpassungsmass-                  und welche in Verbindung zu grösseren Städten stehen.
nahmen. Zentral dabei ist die Wasserbewirtschaftung und              Besondere Beachtung verdienen bereits existierende
Landnutzung sowie die Reduktion des Katastrophenrisikos              Stadt-Land-Verbindungen sowie Möglichkeiten zu
durch Prävention und Katastrophenvorbereitung. Das                   deren Optimierung. Massnahmen des SECO im Bereich
SECO unterstützt dabei Massnahmen zur nachhaltigen                   der nachhaltigen Stadtentwicklung fokussieren hingegen
Stadtentwicklung im Rahmen urbaner Resilienz. Die                    auf mittlere und grössere Städte im ganzen Land.

11 Kleinstädte: zwischen 2‘000 und 20‘000 EinwohnerInnen; mittlere Städte: zwischen 20‘000 und 100‘000 EinwohnerInnen.

                                                                20
6. Programm-Umsetzung
Arbeitsmodalitäten                                                            Dies schafft Raum für einige wenige neue Projekte.
●●   Ausgebaut werden der Wissens- und Erfahrungsaus-                         Diese konzentrieren sich vor allem auf den Bereich der
     tausch. Dazu gehören auch Beziehungen Süd-Süd oder                       Berufsbildung und der Zivilgesellschaft.
     Schweiz-Bolivien und die multilaterale Zusammenarbeit.              ●●   Um die Effizienz des Programms zu gewährleisten,
●●   Wo immer möglich, werden zusätzliche internatio-                         wird eine beschränkte Anzahl an Projekten im Verhältnis
     nale Kofinanzierungen angestrebt. Angesichts der                         zum Gesamtbudget festgelegt.
     schwindenden Zahl von bilateralen Gebern, die in                    ●●   Mit der in Lima konzentrierten regional operierenden
     Bolivien tätig sind, sind hier allerdings Grenzen gesetzt.               Globalen Zusammenarbeit sowie der Humanitären
●●   Synergien im Programm in Bezug auf territoriale                          Hilfe der DEZA wird weiterhin gezielt zusammengear-
     Engagements und thematisches Wissen sowie Erfah-                         beitet. In Betracht kommen die Bereiche Klimawandel,
     rungen sollen noch besser ausgeschöpft werden.                           DRR und Rapid Response bei Naturkatastrophen. Es
●●   Gefördert werden Initiativen resp. die Zusammenar-                       sollen auf diese Weise Programmsynergien entstehen
     beit, die ein stärkeres Engagement with the Private                      sowie lokale und internationale Erfahrungen besser
     Sector (EPS) anstreben, das heisst in erster Linie mit in                ausgetauscht werden.
     Bolivien ansässigen Schweizer Unternehmen. Letzteres                ●●   Die Funktionskosten der Botschaft und einige Ar-
     betrifft vor allem den Bereich der Berufsbildung12.                      beitsmodalitäten werden aufgrund der Kürzungen im
●●   Mehr Beachtung soll der trilateralen Zusammenar-                         operativen Bereich angepasst.
     beit in Bereichen der Kooperationsstrategie geschenkt
     werden. In Betracht kommen in erster Linie Partner                  Finanzrahmen
     aus Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko                ●●   Die gesamten, für die Zusammenarbeit der Schweiz
     und Peru.                                                                mit Bolivien verfügbaren Finanzmittel werden aufgrund
●●   Im Alignment soll neben der Regierungspolitik ver-                       von Budgetkürzungen der IZA der Schweiz weltweit
     mehrt die Landessicht berücksichtigt werden, das heisst                  stark reduziert. Im Vergleich zur Vorperiode liegen die
     auch die Sicht der Akteure des Privatsektors und der-                    geplanten jährlichen Ausgaben in der neuen Strategie-
     jenigen der Zivilgesellschaft.                                           periode 25% tiefer.
●●   Eine besondere Herausforderung für das Programm                     ●●   Die Gewichte der Themenbereiche werden nur leicht
     stellen zukünftig die - wirtschaftlich bedingten – wahr-                 verschoben. Eine stärkere Gewichtung erfährt der The-
     scheinlich reduzierten Beiträge der Lokalpartner dar.                    menbereich Wirtschaftliche Entwicklung zu Lasten der
                                                                              anderen beiden Themen. Der Grund dafür liegt einerseits
Management                                                                    in den zu erwartenden wirtschaftlichen Bedürfnissen
●●   Das Portefeuille der Zusammenarbeit der Schweiz mit                      Boliviens und den sich abzeichnenden Opportunitäten,
     Bolivien wird in der neuen Kooperationsstrategie ge-                     andererseits aber auch in der strategischen Bedeutung
     nerell weniger Projekte und aus Effizienzgründen                         für die DEZA (Botschaft IZA 2017-2020) und im stärkeren
     insbesondere fast ausschliesslich Mandatsprojekte, das                   Engagement des SECO.
     heisst keine selbst ausgeführten Projekte, umfassen.

12 Davon zu trennen ist die Privatsektorförderung von kleinen und mittleren bolivianischen Unternehmen, die die Schweiz seit Jahren mit ihren
   Projekten unterstützt.

                                                                    21
Diversität ist Reichtum. Recycling, Coroico, La Paz

7. Strategische Steuerung
Analog zur Kooperationsstrategie 2013-2017 wird ein                     Das Monitoring dient der Steuerung, der in- und ex-
Monitoringsystem definiert, welches vor allem als Refe-             ternen Rechenschaftsablegung sowie der Kapitalisierung
renzbasis für die resultatorientierten Jahresberichte dient.        der Resultate und Erfahrungen.
Das Monitoring findet auf drei Ebenen statt:                            Die DEZA will ihr Monitoringsystem so weit als mög-
●● Auf Ebene des Umfelds unter Zuhilfenahme des Moni-               lich und sinnvoll dahingehend ergänzen, dass Aussagen
   torings entwicklungsrelevanter Veränderungen (MERV),             zur Wirkung (Impakt) gemacht werden können, im Be-
●● Das Monitoring der geplanten Resultate des Programms             wusstsein, dass externe Faktoren diese stark beeinflussen
   und der Fortschritte Boliviens, welche in den Results            können. Dadurch soll nicht nur die strategische Steue-
   Framework der drei Themenbereiche definiert sind,                rung profitieren, sondern auch die Rechenschaftspflicht
   und                                                              gegenüber externen Zielgruppen.
●● Auf Ebene der DEZA, um die Wirksamkeit und Effizienz

   der Programmdurchführung zu beurteilen.

                                                               22
8. Anhang
Anhang 1
Synopsis der Kooperationsstrategie Bolivien 2018-2021

                                                                    Oberziel
    Die Unterstützungsmassnahmen der Schweiz zielen prinzipiell auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung, die Reduktion der
                       Armut und Ungleichheit und Erhöhung der Resilienz der Bevölkerung und Institutionen.
                                                              Themenbereiche
                 Gouvernanz                          Wirtschaftliche Entwicklung                      Klimawandel und Umwelt
                                                           Transversalthemen
                           Gouvernanz (vor allem Fokus auf mehr Rechenschaftsablegung und Rechtsstaatlichkeit)
                                        Gender (vor allem Fokus auf mehr Analyse und Resultate)
                                                               Arbeitsprinzipien
                                                      Reduktion von Katastrophenrisiken
                                         Konfliktsensitives Projekt-Management (inkl. Interkulturalität)
                                                          Komplementär
                  Zusammenarbeit mit schweizerischen Unternehmen ansässig in Bolivien (vor allem in der Berufsbildung)
                                       Trilaterale Abkommen mit lateinamerikanischen Ländern
                                                                      Ziele
    Öffentliche Dienstleistungen (Justiz und Be-   Wirtschaftliche und produktive Entwick-      Durch eine effiziente Umsetzung der öffent-
    kämpfung der Gewalt gegenüber Frauen)          lung mit mehr Inklusion, Gleichberechti-     lichen Politik zusammen mit verbesserten
    verbessern sich. Es kommt zu einem inklu-      gung und wirtschaftlich-sozialer Resilienz   Kapazitäten zentraler Akteure sowie einer er-
    siven und konstruktiven Dialog und mög­        von Bevölkerungsgruppen mit Potential        höhten Resilienz der vulnerablen Bevölkerung
    licherweise zu gemeinsamen Massnahmen          zur Überwindung der Armut.                   werden negative Folgen des Klimawandels
    zwischen Staat und Zivilgesellschaft.                                                       und Umweltprobleme reduziert.

                                                              Schweizer Beitrag
    1. Öffentliche Dienstleistungen in den         1. Personen, insbesondere Jugendliche        1. Kapazitäten zur Anpassung an den Klima-
       Bereichen Justiz und Bekämpfung der            und Frauen haben durch den Zugang            wandel, zur Reduktion der Katastrophen­
       Gewalt gegenüber Frauen haben sich             zur Berufsbildung sowie zu Finanz-           risiken und im Bereich Umweltmanage-
       verbessert und es bestehen Fortschritte        und Nichtfinanzdienstleistungen ihre         ment sind bei öffentlichen Institutionen auf
       in der Gouvernanz.                             Beschäftigungslage verbessert.               allen drei Staatsebenen (Zentralregierung,
                                                                                                   Departemente, Gemeinden) gestärkt / kon-
    2. In grundlegenden Themen für eine in-        2. Unterstützte Produktionsbetriebe nut-
                                                                                                   solidiert.
       klusive Entwicklung arbeiten staatliche        zen die erworbenen Kapazitäten zur
       Institutionen und die Zivilgesellschaft        Verbesserung ihrer Produktivität und      2. Akteure haben ihre Kapazitäten in Anpas-
       auf eine Vision der geteilten Verant-          ihres Marktzugangs.                          sung an den Klimawandel, zur Reduktion
       wortung hin, auf der Grundlage eines                                                        der Katastrophenrisiken und im Bereich
                                                   3. Gestärkte Aus- und Weiterbildungs­
       konstruktiven Dialogs.                                                                      Umweltmanagement gestärkt / konsoli-
                                                      institute und Anbieter von Finanz- und
                                                                                                   diert und wenden ihr Wissen an.
                                                      Nichtfinanzdienstleistungen weisen ein
                                                      qualitativ hochstehendes Angebot in       3. Die Resilienz in den Interventionszonen
                                                      den Schwerpunktgebieten und - sek-           hat sich erhöht.
                                                      toren auf.

                                                        Operative Finanzplanung13
              10.5 Mio. CHF (16 %)                          27.6 Mio. CHF (41%)                            27.5 Mio. CHF (41 %)
­

13 Hinzukommen 1.7 Mio. CHF (2%) für Anderes (Kultur, Kleinprojekte), Total 100%. Die hier aufgeführten Zahlen beinhalten keine Programm-
   beiträge an Schweizer NGOs (10 Mio. CHF) und auch keine Funktionskosten der Vertretung. Die angegebenen Beträge in CHF sind die gleichen
   in USD (1 USD = 1 CHF).

                                                                        23
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