Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?

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Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?
6. Kardiologie-Symposium, 8. November 2012
           Herzzentrum Hirslanden Zentralschweiz

Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris
                   – für welche Patienten ?

                         PD Dr. med. Tim C. Rehders
                        Abt. Kardiologie / I. Medizinische Klinik
                              Zentrum für Innere Medizin
                             Universitätsklinikum Rostock

       UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?
35 Jahre PCI !!

    Andreas Roland Grüntzig
    * 25. Juni 1939 in Dresden
    † 27. Oktober 1985 in Forsyth (Georgia)

    16. September 1977:
        1. erfolgreiche Ballondilatation zur Aufdehnung
        verengter Herzkranzgefäße im UniversitätsSpital Zürich

    1986 wurden von Jaques Puel und Ulrich Sigwart die ersten koronaren
       „wallstents“ in Toulouse und Lausanne implantiert

    Seit 2002 sind drug eluting stents (DES) neben dem konventionellen
        unbeschichteten Stent (bare metal stent = BMS) verfügbar

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Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?
Einleitung

 Die Perkutane CoronarIntervention (PCI) verbessert die Ergebnisse
 bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom.       (Mehta SR et al. JAMA 2005;293:2908-17)

 Für Patienten mit stabiler KHK besteht jedoch nach wie vor eine Kontroverse,
 ob und inwieweit die PCI als primäre Therapiestrategie der Optimalen
 Medikamentösen Therapie (OMT) überlegen ist. (Mukherjee D et al. Lancet 2009;373:870-2)

 Der potentielle Benefit einer Revaskularisation hängt ab vom Vorhandensein
 und Ausmaß einer Myokardischämie.                (Shaw LJ et al. Circulation 2008;117:1283-91)

 Die PCI bei nicht-ischämischen Stenosen ist nicht nutzbringend,
 sondern wahrscheinlich nachteilig.             (Bech GJ et al. Circulation 2001;103:2928-34
                                                             Tonino PAL et al. NEJM 2009;360:213-24)

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Lebensqualität mit APS

                    100                Normal US population       Angina patients

                    90
                    80
      SF36 scores

                    70
                    60
                    50
                    40
                    30
                    20
                    10
                     0
                           Physical   Bodily pain      Vitality          General
                           function                                      health
Chen AY, et al. Med Decis Making. 1996;16:169-177.
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Prognostische Bedeutung des
                                   Schweregrades einer Angina

                                   Überlebenswahrscheinlichkeit nach Einschränkung der
                                   körperlichen Belastbarkeit durch Angina (Seattle Angina Questionnaire Score)
                                    0              1         2               3               4   Jahre
Überlebenswahrscheinlichkeit

                               1
       (Kaplan-Meier)

                                                                                     75-100: keine/geringe Einschränkung
                                                                                     50-74

                                                                                     25-49

                                        *p
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Pathophysiologie kardiovaskulärer Erkrankungen

          Hypertonie Adipositas

         Rauchen
         Dyslipidämie        Diabetes
     Die endotheliale Dysfunktion steht im
    Mittelpunkt kardiovaskulärer Erkrankungen.
                                                 11.2007
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RANGORDNUNG DER RISIKOFAKTOREN
       FÜR ATHEROSKLEROSE

                     KHK   pAVK   CVI
hoher                1      3      -
Cholesterinspiegel

Rauchen              2      1      -

Hypertonie           3      -     1

Diabetes             4      2     2

Adipositas           5      -     3
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Wer bekommt einen Herzinfarkt ?

                             Stabile Plaque

                             Instabile Plaque

                            Rupturierte Plaque
Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?
Prognostische Therapie der KHK:
Risikoreduktion durch 4 Biggies
Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris - für welche Patienten ?
Medikamentöse Therapie der stabilen Angina pectoris

                     gemäß den ESC-Guidelines 2006

     Sofortige,                                            Diagnose stabile Angina pectoris
     kurzzeitige           kurzwirksame Nitrate
     Hilfe

                                   Aspirin
                                                               Kontraindikation                         Clopidogrel
     Behandlung
     zur                           Statine
     Verbesserung                                             Unverträglichkeit                    Alternatives Statin oder
     der                                                    oder Kontraindikation                  alternative Lipidsenker
                               ACE-Hemmer
     Prognose             bei nachgewiesener KHK

                      ß-Blocker nach Myokardinfarkt (MI)
                              ß-Blocker ohne MI                     Unverträglichkeit oder Kontraindikation

                            keine Kontrolle der                   Ca-Antagonist oder langwirksames Nitrat,
                      Symptome nach Dosisanpassung                   Kaliumkanalöffner oder If-Inhibitor

     Behandlung                                                                                   keine Kontrolle der
                                                               Unverträglichkeit            Symptome nach Dosisanpassung
     zur                zusätzlich Ca-Antagonist oder
     Verbesserung           Langwirksames Nitrat
     pectanginöser
     Beschwerden                                                      Alternativen
                                                                                                     Kombination von
                            keine Kontrolle der                     Ca-Antagonisten
                                                                                                  Nitrat + Ca-Antagonist
                      Symptome nach Dosisanpassung                        oder
                                                                                                  oder Kaliumkanalöffner
                                                                  langwirksames Nitrat

                        Revaskularisation erwägen                                 keine Kontrolle der
                                                                            Symptome nach Dosisanpassung

                                                             Modifiziert nach Fox K et al.; Eur Heart J 2006; 27: 1341-81

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Diagnose-Algorithmus bei
stabiler Angina pectoris                                                           Herzinsuffizienz
                                                                                         Z.n. MI
                                                                                 Auffälliges Ruhe-EKG
                                                          Anamnese
                                                                                     Herzgeräusch
                                                    Körperl. Untersuchung
                                                                                      Hypertonie
                                                             EKG
                                                                                        Diabetes
        Ambulante                                  Labor (BZ, Crea, Fette,...)
                                                                                  Maligne Rhythmus-
      Vordiagnostik !                                                                  störungen

                                                    Belastungstest + Echo                Echo

           Niedrigrisiko                                  Mittleres Risiko          Hohes Risiko
         Mortalität
Nichtinvasive
                                        Ischämiediagnostik

                                              Sensitivität     Spezifität

Klinik/Anamnese          unerlässlich              untersucherabhängig
Ruhe-EKG                 oft unspezifisch

Belastungs-EKG           Frauen (?)           40-90%           50-80%

Myokardszintigraphie     Adipositas (?)       80-90%           60-70%

Streßechokardiographie   Untersch. Methoden   50-90%           65-90%

Stress-MRT               Kapazität gering        90%              90%
Wer soll 2012 kathetert werden?

  - Patienten mit Akutem Koronarsyndrom (Instabile AP, NSTEMI, STEMI)

  - Patienten mit hochpathologischen Belastungsuntersuchungen die
    auf eine Dreigefäßerkrankung oder eine Hauptstammstenose hindeuten

  - Patienten mit persistierender Angina pectoris unter
    optimaler medikamentöser Therapie

  - Patienten mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion unklarer Genese

  - Asymptomatische Diabetiker mit pathologischem Belastungstest

10.11.2012   UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT                   13
Nach der Koronarangiographie
Angiographische Risiko-
     stratifizierung

                     Konservativ oder
                    Revaskularisation ?

                                        Falls Revaskularisation:
                                            PCI oder CABG ?

                                                          Ad hoc-Entscheidung
                                                           oder Heart-Team ?

       UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
Praktische Probleme im Katheterlabor
   ohne nichtinvasive Vordiagnostik

• Bewirkt eine subkritische Stenose (50-75%)
  überhaupt eine Ischämie?

• Ausmaß der Ischämie schwierig beurteilbar,
  insbesondere bei Mehrgefäßerkrankungen
  mit mittel- und hochgradigen Stenosen

  UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
Messung der fraktionellen Flußreserve (FFR)
         Ein invasiver Ischämietest mittels Druckdraht

         Messung unter maximaler Hyperämie
         durch intrakoronaren Adenosinbolus
    UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
Kein messbarer Druckabfall in einer
                                                    nicht-stenosierten Koronarie!

Deutlicher Druckabfall über
einer hochgradigen Stenose!

                   Ischämische Relevanz ab Pd/Pa < 0,80;
                  validiert an nichtinvasiven Ischämietests
      UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
ESC-Guidelines 2010
                                                 für Myokardrevaskularisation

                                                                Eur Heart J 2010;31: 2501-55

10.11.2012   UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT                                   18
Indikationsstellung zur Revaskularisation
         Prognostisch                                       Symptomatisch
Klinische Kriterien:                                    Klinische Kriterien:
 - Akute Koronarsyndrome                                  - Medikamentös nicht
 - Eingeschränkte systolische                               beherrschbare Angina pectoris
    LV-Funktion
 - Ausgedehnte Ischämie im
    Belastungstest (ggf. auch stumm)
 - Maligne Rhythmusstörungen
    /überlebter SCD

Koronarmorphologische Kriterien:
  - Dreigefäss-Erkrankung
  - Hauptstammstenose > 50%
  - Proximale RIVA-Stenose > 50%                          Modifiziert nach Eur Heart J 2010;31: 2501-55

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Indikation

                      PCI oder CABG ?

• Klassische Domänen der Bypass-OP:
   Hauptstammstenose + Mehrgefäßerkrankung
    aber: bei isolierter HS-Stenose → PCI ebenbürtig !

   Komplexe 3-Gefässerkrankungen

   Insbesondere bei Diabetikern und
    bei eingeschränkter LV-Funktion

   UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
FREEDOM-Studie
    Future REvascularization Evaluation
     in patients with Diabetes mellitus:
Optimal management of Multivessel disease

                                                           • Einschluß von 2005 – 2010
                                                           • 1900 Pat.
                                                           • in 140 internationalen Zentren
                                                           • PCI / CABG: 953 / 947 Patienten
                                                           • Sirolimus / Paclitaxel: 51 / 43 %

    N Engl J Med 2012; November 4; [Epub ahead of print]
N Engl J Med 2012; November 4; [Epub ahead of print]
N Engl J Med 2012; November 4;
[Epub ahead of print]
Conclusions
“For patients with diabetes and advanced coronary artery disease, CABG was
superior to PCI in that it significantly reduced rates of death and myocardial infarction,
but with a higher rate of stroke.”
                                             N Engl J Med 2012; November 4; [Epub ahead of print]
ESC-Guidelines 2010
                                                 für Myokardrevaskularisation

                                                                Eur Heart J 2010;31: 2501-55

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ESC-Guidelines 2010
                                                 für Myokardrevaskularisation

                                                     “Ad hoc-PCIs sind bei vielen Patienten vernünftig,
                                                     aber nicht in allen Fällen die beste Wahl.
                                                     Daher sollten sie nicht standardmäßig erfolgen.

                                                     Einrichtungs-spezifische Protokolle, die durch ein
                                                     Heart-Team formuliert werden, sollten spezifische
                                                     anatomische Kriterien und klinische Situationen
                                                     festlegen, bei denen eine ad hoc-PCI erfolgen kann
                                                     oder auch nicht.”

                                                                                  Eur Heart J 2010;31: 2501-55

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Interventions-
                                            kardiologe

                                                      Konservativer
                         Herzchirurg
                                                       Kardiologe

                                        = Heart-Team
• Vernünftige Indikationsstellung in einem Entgeltsystem
  mit z.T. problematischen Anreizen

• Entscheidung unter Würdigung der klinischen Patientensituation
  sowie aller Therapieoptionen (PCI, ACB-OP oder Hybrid-Eingriffe)

• Insbesondere bei komplexen 3-GE sollte die Indikationsstellung zur
  PCI / ACB-OP im Heart-Team erfolgen

        UNIVERSITÄT ROSTOCK | MEDIZINISCHE FAKULTÄT
RK, ♂ 53a:        Stents?

Linke Koronararterie         rechte Koronararterie
RK, ♂ 53a:        Stents?

Linke Koronararterie         rechte Koronararterie
RK, ♂ 53a:       Bypässe ?

Linke Koronararterie         rechte Koronararterie
Zusammenfassung

 Die medikamentöse Therapie der KHK bleibt unter prognostischen Aspekten
  first-line-Therapiestrategie und ist bei stabiler APS als
  Konzept einer grundlegenden kardiovaskulären Risikoreduktion
  im Vergleich zur revaskularisierenden Therapie gleichwertig

 Aber Patienten mit bedeutsamen Ischämiearealen profitieren zusätzlich
  von einer Revaskularisation

 Komplexe, prognostisch oder symptomatisch indizierte Revaskularisationen
  sollten im Heart-Team besprochen werden

 Ein bedeutsamer Anteil der behandelten Patienten hat weiterhin APS,
  die seine Lebensqualität und Lebenserwartung reduziert

 Neben der antianginösen Standardtherapie mit ß-Blockern und Nitraten haben
  sich Ivabradin und Ranolazin als Therapiealternativen bzw. -Ergänzungen
  etabliert.
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Wer soll 2012 keine PCI erhalten?

  - Patienten ohne Angina pectoris

      Mit Ausnahme des akuten Koronarsyndroms bleibt die PCI
      primär eine Maßnahme zur Symptomkontrolle

  - Patienten ohne Ischämie

       Eine PCI ohne Ischämienachweis erhöht nur das Risiko
       für Komplikationen und die Behandlungskosten

  - Patienten ohne Stenose

       Die interventionelle Behandlung von vulnerablen Plaques
       ist ein nicht untersuchtes Therapiekonzept

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Syntaxscore zur Beschreibung
              des interventionellen Läsionsrisikos

                                                           No. &
                                                Dominance Location
                                                          of lesion
                                                                                Left
                                   Calcification                                Main

                                                             SYNTAX
                                 Thrombus                     SCORE
                                                                               3 Vessel

                                       Bifurcation
                                                                          CTO
                                                             Tortuosity

                                                                  BARI classification of coronary segments
                                                                  Leaman score, Circ 1981;63:285-299
Sianos et al, EuroIntervention 2005;1:219-227                     Lesions classification ACC/AHA , Circ 2001;103:3019-3041
Valgimigli et al, Am J Cardiol 2007;99:1072-1081                  Bifurcation classification, CCI 2000;49:274-283
Serruys et al, EuroIntervention 2007;3:450-459                    CTO classification, J Am Coll Cardiol 1997;30:649-656
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