Kritik der Finanz- und Steuerpolitik - Alternativen der Wirtschaftspolitik - Arbeitsgruppe Alternative ...

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Kritik der Finanz- und Steuerpolitik - Alternativen der Wirtschaftspolitik - Arbeitsgruppe Alternative ...
Kritik der Finanz- und
Steuerpolitik
Alternativen der Wirtschaftspolitik

Memo Sommerschule 2018
Dr. Axel Troost, September 2018

                     Überblick

 Wirtschaftspolitische Trends und
  Fehlentwicklungen in Deutschland
 Glücklich mit der schwarzen Null?
   Staatsverschuldung als politisches Gestaltungsinstrument

 Alternativen der Wirtschaftspolitik

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Kritik der Finanz- und Steuerpolitik - Alternativen der Wirtschaftspolitik - Arbeitsgruppe Alternative ...
Teil 1
Wirtschaftliche Trends und
Fehlentwicklungen in
Deutschland

Lohnquote nach 2007 wieder gestiegen, historisch
           aber immer noch niedrig

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Niedriglohnsektor besonders groß

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    Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte

Trends:                                                             Leistungsbilanzsaldo (relativ zu BIP)
• nach Einführung des                                      12
                                                           10
   Euros:                                                   8
                                                            6
       große Leistungsbilanzdefizite                       4
                                        Prozent des BIP

        in der Peripherie                                   2
                                                            0
       hohe Überschüsse in                                ‐2
        Deutschland und Niederlande                        ‐4
                                                           ‐6
                                                           ‐8
                                                          ‐10
• Krise zwingt Defizitstaaten                             ‐12
                                                          ‐14
  zur Korrektur, Deutschland                              ‐16

  macht weiter wie bisher
                                                                Deutschland    Frankreich   Italien                 Spanien
                                                                Griechenland   Portugal     Niederlande

                                                                                                      Quelle: Eurostat, eigene Darstellung

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Woher kommen die Überschüsse?
    •    Großteil des
         Überschusses
         entsteht durch
         Exporte

    •    Defizite stammen
         u.a. aus Tourismus
         und
         Auslandsüberweis
         ungen

    •    im Ausland
         erworbenes
         Vermögen
         generiert
         zusätzliche
         Überschüsse

                                                                                                                    Quelle: BMF

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                              Der Billionenberg
•       Die deutsche
        Volkswirtschaft hat seit
        2000 einen kumulierten                           Akkumuliertes Leistungsbilanzsaldo seit 2000
        Überschuss von 2,5                      3.000
        Billionen Euro erzielt                  2.500
                                                2.000
•       deutsche Unternehmen,                   1.500
                                    Mrd. Euro

        Privathaushalte und Staat               1.000
        haben so gewaltige
                                                  500
        Forderungen gegenüber
                                                    0
        dem Ausland bzw.
                                                 ‐500
        Auslandsvermögen
        angehäuft                               ‐1.000

•       mögliche
                                                          Deutschland    Frankreich   Italien            Spanien
        Gegenreaktionen:
                                                          Griechenland   Portugal     Niederlande
         • Entwertung in
             Schuldenkrisen
                                                                                                Quelle: Eurostat, eigene Darstellung
             (passiv)
         • Handelskrieg (aktiv)

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Umverteilung Arbeit / Kapital

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Lohnabschlüsse der letzten Jahre
moderat, keine Rück-Umverteilung

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… für ein wirtschaftliches Umsteuern
                  aber zu wenig
‐ Seit 2011 ist Privat‐
konsum wieder
(schwacher)
Wachstumstreiber
‐ Staatskonsum steigt
durch Ausgaben für
Geflüchtete
‐ Außenbeitrag trug
zuletzt kaum noch zum
Wachstum bei
‐Exporte treffen auf Auf‐
nahmegrenzen, bleiben
aber auf hohem Niveau

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          Niedrige Zinsen verdecken, dass
          öffentliche Haushalte strukturell
                 unterfinanziert sind

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Ungedeckte gesellschaftliche Bedarfe

 Bildung 45 Mrd. Euro jährlich
 Verkehr 10 Mrd. Euro jährlich
 Sozialpolitischer Finanzierungsbedarf 35 Mrd. Euro
  jährlich
 Öffentliche Krankenhäuser 50 Mrd. Euro
 Energetische Gebäudesanierung 75 Mrd. Euro
 Kommunaler Investitionsstau 150 Mrd. Euro

 Zukunfts‐ und Investitionsprogramm, finanziert
über Kreditaufnahme und höhere Steuereinnahmen

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      Verdeckte Arbeitslosigkeit I

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Kosten der Arbeitslosigkeit

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                     Verdeckte Arbeitslosigkeit II
tatsächliche Arbeitslosigkeit mit
Einbeziehung von Unterbeschäftigung:

  2,5 Mio. registrierte Arbeitslose
+ 1 Mio. wegdefinierte Arbeitslose
+ 2,5 Millionen Vollzeitstellen
   (umgerechnet) an ungewollter
   Unterbeschäftigung
______________________________
  6 Mio. fehlende Vollzeitstellen

Quelle: Kurzfassung Memorandum 2018
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Verteilung des Vermögens der Erwachsenen in
                   Deutschland 2017

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     Vermögensverteilung in Deutschland

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Vermögensbezogene Steuern im
              internationalen Vergleich
• Deutschland (rot) mit 1,1 % des
  BIP auf Rang 26 von 35 OECD‐
  Staaten (OECD‐Durchschnitt von
  1,9 % des BIP)
• Gründe dafür: Aussetzung der
  Vermögensteuer, Aushöhlung
  der Erbschaftsteuer durch Privi‐
  legien für Betriebsvermögen, …
• Steuersenkungen für hohe
  Einkommen und Unter‐
  nehmensgewinne begünstigen
  Akkumulation von Vermögen 
  laut EZB hat Deutschland in der
  Eurozone nach Litauen die
  höchste Vermögensungleichheit
                                      Quelle: OECD-Datenbank, Stand August 2018,
                                      https://data.oecd.org/tax/tax-on-property.htm
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     Entlastungen in der Einkommensteuer

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Gesamtbelastung durch Steuern und
                Sozialbeiträge
• Einkommensteuer wirkt
  progressiv, aber Ver-
  brauchsteuern wirken
  stark regressiv
• Steuer- und Abgaben-
  system degressiv für sehr
  arme und sehr reiche
  Haushalte
• insgesamt nur schwache
  Progression, Gesamt-
  belastung liegt zwischen
  27 und 52 Prozent,
• Steuergestaltungsmodelle
  für reiche Haushalte in
  Daten nicht enthalten                      Quelle: Bach/Beznoska/Steiner: Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Steuerbelastung nur
                                             schwach progressiv, DIW Wochenbericht Nr. 51+52.2016

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 Quelle: Bach/Beznoska/Steiner: Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Steuerbelastung nur schwach
 progressiv, DIW Wochenbericht Nr. 51+52.2016

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Stillstand in der Klimapolitik

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Teil 2
  Glücklich mit der schwarzen Null?
  Staatsverschuldung als politisches Gestaltungsinstrument

 Grundsätzlich entsteht Staatsverschuldung, wenn ein Staat mehr
  ausgibt als er an ordentlichen Einnahmen zur Verfügung hat. Um
  diese zusätzlichen Ausgaben zu decken, muss der Staat Kredite
  aufnehmen, üblicherweise für eine bestimmte Laufzeit. Diese
  Finanzierung nennt man Nettokreditaufnahme bzw. Nettoneu-
  verschuldung.
 Ist das Ende der Laufzeit erreicht, muss der Kredit zurückgezahlt
  werden, woraufhin der Staat in aller Regel neue Kredite auf-
  nimmt. Die Summe aus Nettokreditaufnahme und Anschluss-
  krediten zur Tilgung der ausgelaufenen Kredite nennt man
  Bruttokreditaufnahme bzw. Bruttoneuverschuldung.
 Die Nettokreditaufnahme macht nur einen kleinen Teil der Brutto-
  neuverschuldung aus. Im Jahre 2017 belief sich in Deutschland
  die Nettokreditaufnahme beim Bund auf 0 Euro. Trotzdem
  wurden 166 Mrd. Euro Kredite zur Rückzahlung/Umschuldung
  bestehender Schulden aufgenommen.

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Quelle: BMF: Finanzbericht 2019. Finanzplan des Bundes 2018 bis 2022, S.66

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            alte Verschuldungsregel
                  (Art. 115 GG)
„Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im
Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen
nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr
einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.“

  Probleme:
    was sind Investitionen?
    Deficit‐Spending in Abschwung und Rezession, aber nur
     unzureichende Rückführung der (Neu‐)Verschuldung in
     Aufschwung und Hochkonjunktur

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Schuldenbremsen und Schwarze Null

  Schuldenbremse für Bund und Länder
          Artikel 115 Grundgesetz
  Europäische Haushaltsüberwachung
          Stabilitäts‐ und Wachstumspakt, Europäisches Semester
  Fiskalvertrag
          zwischenstaatlicher Vertrag von 25 EU‐Staaten
  noch restriktiver: Schwarze Null
          ideologisch motiviert, politische Absichtserklärung ohne juristische
          oder ökonomische Grundlage

 Folgen:
  geringe Investitionen, Verfall der öffentlichen Daseinsvorsorge
  Spielräume zur gestaltenden Politik und zum sozial‐ökologischen
   Umbau stark eingeengt

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     Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts
         in Relation zum BIP (%), 1950-2017

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                                                                            115 GG neue Fassung
                   1969: Inkrafttreten des
                   Art. 115 GG alte Fassung

     Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

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Gründe für Anstieg der öffentlichen
              Schulden
Seit 1990 drei Phasen:
a) Wiedervereinigung und „Aufbau Ost“
b) Falsche Politik umfangreicher Steuer‐
   senkungen seit 1998
c) Nach 2009: Stützungsprogramme für
   Banken und Konjunkturprogramm

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Kosten der Bankenrettung
•     direkte Kosten
          Kapitalhilfen, Bürgschaften, Ankauf / Übernahme von Banken/Finanzaktiva
•     indirekte Kosten
          automatische Stabilisatoren (Steuerausfälle, Ausgaben für
           Arbeitslosigkeit, …)
          Konjunkturprogramme (Abwrackprämie, Kurzarbeitergeld, …)

•     Studie des RWI:
     Gesamtkosten von 187 Mrd. Euro, davon 33 Mrd. Euro direkte Kosten,
      82 Mrd. Euro automatische Stabilisatoren, 47 Mrd. Euro
      Konjunkturprogramme
     Bruttoschuldenstand 2010: + 300 Mrd. Euro (12 % des BIP)
      Nebeneffekt der Bilanzierung: durch Abverkauf der Bad Banks sinkt
      Brutto‐Schuldenquote seit Jahren stark
Döhrn/Gebhardt: Die fiskalischen Kosten der Finanz‐ und Wirtschaftskrise, IBES DIskussionsbeitrag 198,
Universität Duisburg‐Essen, März 2013

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         Klassische Argumente gegen
             Staatsverschuldung
1) intertemporäre Verteilungswirkungen, Stichwort
   „Generationengerechtigkeit“

2) interpersonelle Verteilungseffekte: Bezieher hoher
   Einkommen würden von hoher Staatsverschuldung
   profitieren

3) Verdrängung privater Investitionen, „crowding‐out“

4) zunehmende Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte

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Argument 1: Generationengerechtigkeit
„Staatsverschuldung geht zu Lasten unserer
         Kinder und Enkelkinder“
Falsch!
 Künftige Generationen profitieren von öffentlichen
  Investitionen. Sie werden über Kredite, die aus
  Steuermitteln abbezahlt werden, an deren
  Finanzierung beteiligt.
 Vererbt werden nicht nur Schulden, sondern auch
  ihnen entgegenstehende Vermögenstitel.
   Verteilungsproblem innerhalb der jeweiligen
  Generation, nicht zwischen den Generationen

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      Argument 2: Verteilungseffekte
          „Vermögende profitieren von den
                 Zinszahlungen“
Falsch!
 Derzeit liegt Inflation über Zinssatz deutscher
  Staatsanleihen: Realzinsen sind negativ!
 In Hochzinsphasen können Vermögende hohe
  Zinsen auf ihre Ersparnisse erzielen. Dieser
  Verteilungskonflikt kann aber über
  Steuerpolitik gelenkt werden
  (Vermögensteuer, Kapitalertragsteuer, …).

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Argument 3: Crowding out
        „Staatliche Kreditaufnahme verdrängt
        kreditfinanzierte Privatinvestitionen “

Falsch!
 Zinssätze werden von Geldpolitik und
  Sparüberschuss bestimmt und steigen nicht
  automatisch durch Staatsverschuldung
 Schuldenfinanzierte Finanzpolitik schafft
  bessere Infrastruktur und attraktiveres
  Investitionsumfeld, dies stärkt
  Privatinvestitionen
                                        www.axel-troost.de                                   37

  Argument 4: steigende Zinsbelastung
    „Mit steigenden Schulden zahlt der Staat
               immer mehr Zinsen“
 Falsch, kein Automatismus!
 Staatsschulden sind weltweit gestiegen, Zinszahlungen aber gesunken.
                     zu leistende Zinsen in Prozent des BIP
                           2000         2007         2010          2013         2016
 Euroraum                         3,8          2,9           2,7          2,8          2,2
 Belgien                          6,7          4,0           3,6          3,3          2,9
 Deutschland                      3,1          2,7           2,5          2,0          1,3
 Irland                           1,9          1,0           2,8          4,3          2,2
 Griechenland                     6,9          4,5           5,9          4,0          3,2
 Spanien                          3,2          1,6           1,9          3,5          2,8
 Frankreich                       2,8          2,6           2,4          2,3          1,9
 Italien                          6,1          4,8           4,3          4,8          4,0
 Niederlande                      3,3          2,0           1,8          1,5          1,1
 Österreich                       3,6          3,1           2,9          2,6          2,1
 Portugal                         3,0          2,9           2,9          4,9          4,2
 Quelle: Eurostat

anderes Beispiel Japan:
Schuldenstand von 235 % des BIP, Zinssatz auf 10‐jährige Staatsanleihen von 0,1 %
                                        www.axel-troost.de                                   38
Deutsche Spar-Anomalie

                     Quelle: Memorandum 2018: Preis der „schwarzen Null“: Verteilungsdefizite und Versorgungslücken, Papyrossa, Köln

• Private Haushalte: typischerweise Sparer
• Unternehmen: typischerweise verschuldet, in Deutschland sparen sie seit
  etlichen Jahren!
• Deutscher Staat: seit 2014 Sparer!
• Einzig mögliche Konsequenz: Ausland verschuldet sich bei Deutschland

                                               www.axel-troost.de                                                                39

      Quelle: Heiner Flassbeck: Ein neuer Ludwig Erhard?, Makroskop vom 5.4.2018

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Quelle: Heiner Flassbeck: Ein neuer Ludwig Erhard?, Makroskop vom 5.4.2018

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Zusammenfassung:
               Irrweg Schuldenbremse
 Kreditfinanzierung von Investitionen ist generationengerecht!
     Kommende Generationen profitieren von Investitionen,
       deswegen Beteiligung an Finanzierung sinnvoll
     Schulden = Vermögen: kommende Generationen erben
       Schulden und Vermögenstitel (z.B. Staatsanleihen)
     Entscheidend ist das öffentliche Nettovermögen, nicht
       die Höhe der Staatsschulden

 Rückkehr zur „Goldenen Regel“: Kreditaufnahme
 in Höhe der Nettoinvestitionen zulässig

 Kreditaufnahme auch zur Konjunktursteuerung
 und als politisches Gestaltungsinstrument not‐
 wendig!
                              www.axel-troost.de                                                                       43

 Kritik von führenden Ökonomen wie z.B. vom
 Wirtschaftsweisen Prof. Peter Bofinger …

 “Die Politik ist von der Denkstruktur einer schwäbischen
  Hausfrau getrieben und leider nicht von der Denkstruktur
  eines schwäbischen Unternehmers.“
 “Öffentliche Schulden sind, wenn sie investiv eingesetzt
  würden, grundsätzlich nicht schlecht.“
 „Mit einer Schuldenbremse werden die Investitions-
  möglichkeiten des Staates massiv eingeschränkt.“
 “Statt über ein neues Wachstumsmodell für Deutschland
  nachzudenken, nehmen wir uns Handlungsspielräume und
  mauern uns ein.“
  (Handelsblatt 13.02.2009)

                                                   Quelle: GEW Hessen - Schuldenbremse Hessen verhindern - Folienvortrag

                              www.axel-troost.de                                                                       44
Folgen der Sparpolitik für
Investitionen

Gesamtstaatliche Netto-Investitionen seit
            Jahren negativ

               www.axel-troost.de           46
Wahrgenommener Investitionsrückstand
          der Kommunen 2017

Quelle: KfW‐Kommunalpanel 2018

                                 www.axel-troost.de   47

 Teil 3
 Wirtschaftspolitische Alternativen
Wirtschaftspolitische Alternativen
     1.     Statt Schuldenbremsen und Steuersenkungen: Politik der
            verteilungsgerechten Mehreinnahmen
     2.     Gute Arbeit – Gutes Leben:
            Prekäre Arbeitsverhältnisse abschaffen
     3.     Sozial‐ökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm
     4.     Arbeitszeitverkürzung
     5.     Armutsfeste Grundsicherung
     6.     Reform des Rentensystems
     7.     Regulierung der Finanzmärkte
     8.     Wirtschaftsdemokratie
     9.     Neue Weltwirtschaftsordnung

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          1. Umverteilen / Steuerkonzept der
      Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

         Vermögensteuer und Vermögensabgabe
         Erbschaftsteuer
         Körperschaftsteuersatz auf 30 % anheben
         Gemeindewirtschaftsteuer
         Reform der Einkommensteuer
          niedriger und mittlerer Einkommen entlasten und hohe Einkommen
          belasten (insg. Aufkommensneutral), Abschaffung Ehegattensplitting
          und Abgeltungsteuer, Erhalt des Solis
      Finanztransaktionsteuer
      Bekämpfung von Steuerumgehung und ‐hinterziehung
      besserer Steuervollzug

                                   www.axel-troost.de                          50
Konzept Steuergerechtigkeit von ver.di

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          Ökologische Steuerreform
 Ziele:
      Internalisierung externer Kosten
      Lenkungsfunktion
      Finanzierungsfunktion
 ‐ Lenkungswirkung, nicht Einnahmen sollten im
 Vordergrund stehen
 Beispiele: CO2‐Steuer / CO2‐Mindestpreis, Abschaffung
 Dieselprivileg, Abschaffung Ausnahmen im Luftverkehr, Steuer auf
 Pestizide, ...
 ‐ Einnahmen zum sozial‐ökologischen Umbau verwenden,
 insbesondere im Energie‐ und Verkehrsbereich
 ‐ Verteilungseffekte beachten!
 Ökologische Steuerreform als Teil einer Gesamtsteuer‐
 reform zur Umverteilung

                           www.axel-troost.de                       52
Umweltsteuern: viel Luft nach oben

     Abbildung: Mahler et al (2017): Die Finanzierung Deutschlands über Steuern auf Arbeit, Kapital und
     Umweltverschmutzung, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Berlin

                                              www.axel-troost.de                                          53

                    2. Grundsätze guter Arbeit
            Gute Arbeit ist sicher: rechtlich, sozial und
             gesundheitlich
            Von Guter Arbeit kann man gut leben
            Gute Arbeit hat Maß → Arbeitszeitverkürzung
            Gute Arbeit ist demokratisch, daher
             Mitbestimmung auch in wirtschaftlichen
             Fragen
            Gute Arbeit stellt Männer und Frauen gleich
            Gute Arbeit bietet Gestaltungsspielräume für
             unterschiedliche Lebensentwürfe

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Ein Programm für gute Arbeit
         Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose
          wieder einführen
         Regelsatz des Arbeitslosengeld II erhöhen
         Mindestlohn erhöhen auf 12 Euro pro
          Stunde
         Kündigungsschutz verbessern
         Allgemeingültigkeitserklärung von
          Tarifverträgen erleichtern
         Öffentliche Auftragsvergabe an
          Vergaberichtlinien binden
55                           www.axel-troost.de                   55

          3. Sozial-ökologisches Zukunfts- und
                  Investitionsprogramm
     120 Mrd. Euro jährlich für
      Bildung (25)
      Verkehrsinfrastruktur und Digitalisierung (15)
      Gesundheit und Pflege (20)
      sozialer Wohnungsbau und Energiewende (20)
      Kommunale Infrastruktur/ Daseinsvorsorge (10)
      Arbeitsmarkt und Überwindung von Hartz IV (30)

      langfristig gegenfinanziert durch Steuereinnahmen (siehe
       steuerpolitische Forderungen)
      kurzfristig Möglichkeiten zur Kreditaufnahme nutzen
       (Kreditfinanzierung von Investitionen ist generationengerecht!)

                             www.axel-troost.de                   56
Wachstum
       BIP kein Maß für Wohlstand, BIP‐Wachstum kein Selbstzweck
       Unsinnige Diskussion über „Nullwachstum“
       Ausrichtung auf qualitatives, sozial‐ökologisch ausgerichtetes
        und reguliertes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
       Ökologischer Umbau erfordert große Investitionen und viel
        Arbeit und schafft so Wertschöpfung, die das BIP steigert
       hohe Bedarfe an sozialen Dienstleistungen (Pflege, Bildung, …)
       Wachsendes BIP kann und muss mit schrumpfender Natur‐
        beanspruchung verbunden werden
       Beseitigung von Wachstumszwängen sinnvoll:
        ‐ Stärkung öffentlicher und genossenschaftlicher Unternehmen
        ‐ Arbeitszeitverkürzung
        ‐…

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                4. Arbeitszeitverkürzung
        derzeit ca. 6 Millionen Arbeitslose (offiziell und verdeckt) und
         unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte
        Idee:
          deutliche Arbeitszeitverkürzung ohne Einkommensverlust
          Lebensarbeitszeit verkürzen statt verlängern – weg mit der
             Rente ab 67
        „Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich“
        mittelfristiges Ziel: 30 Stunden‐Woche als Normalarbeitsverhältnis
        komplementäre Varianten der AZV:
         früherer Renteneintritt, lebensphasenspezifische
         Arbeitszeitreduzierung (z.B. für Familie, Pflege, Ehrenamt, Weiter‐
         bildung) mit Rückkehrrecht auf Vollzeit, mehr Feier‐ bzw.
         Urlaubstage, …

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5. Armutsfeste Grundsicherung

        Die bedarfsorientierte soziale Grundsicherung muss
         repressionsfrei gewährt werden.

        Niemand darf zur Ausübung einer Beschäftigung
         gezwungen werden, die kein Existenz sicherndes
         Einkommen schafft, die berufliche Qualifikation nicht in
         Wert stellt, zu hohe Ansprüche an Flexibilität und
         Fahrtzeiten stellt oder die gegen die politische und
         religiöse Gewissensfreiheit verstößt.

        Die Zumutbarkeitsregelungen sind diesen Grundsätzen
         anzupassen.

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          6. Reform des Rentensystems

        Rückkehr zum Umlageverfahren
        Abschaffung der Riesterrente, Sicherungsniveau von 53
         Prozent (Eck‐Rentner)
        steuerfinanzierte, solidarische Mindestrente gegen
         Altersarmut
        Renteneintrittsalter senken auf 65 Jahre, für besonders
         belastete Berufe auf 63 Jahre
        Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, stärkere
         Einbeziehung von Spitzenverdienern
        unverzügliche Angleichung von Ost‐ und Westrenten

                              www.axel-troost.de                    60
7. Re-Regulierung der Finanzmärkte
    Ziel:
    Finanzsektor schrumpfen und auf gesamtwirtschaftliche
    Dienstleistungsfunktion orientieren
    Beispiele:
         Finanz‐TÜV
         Derivate massiv einschränken, Kreditverkäufe begrenzen
         Finanztransaktionsteuer
         Managerhaftung verschärfen, falsche Vergütungsanreize
          abschaffen
         Zielzonen für Wechselkurse anstreben
         Kapitalverkehrskontrollen konsequent zulassen
         Geschäfte mit Steuer‐ und Regulierungsoasen unterbinden

                              www.axel-troost.de                       61

                8. Wirtschaftsdemokratie
   Intervenierende Wirtschaftspolitik und Struktur‐(Industrie‐) Politik
    inkl. sektoraler Investitionslenkung (makro)
   Regulierte Märkte und kontrollierter Wettbewerb, Mittelstands‐
    und Verbraucherschutzpolitik (meso)
   Partizipation abhängig Beschäftigter an Entscheidungsprozessen,
    materielle Teilhabe, ökonomische Abhängigkeiten und Fremd‐
    bestimmungen zurückdrängen – individuelle Freiheit stärken
    (mikro)

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9. Neue Weltwirtschaftsordnung
     •   Alle Länder gleichberechtigt an Regulierung beteiligen statt
         auf G20 beschränken
     •   Verbindliche Verträge im Wirtschafts‐ und Sozialrat
         (ECOSOC) beschließen statt in der Welthandelsorganisation
         (WTO)
     •   Problem ungleichgewichtiger Handelsströme entschärfen/
         Währungskooperation bzw. Einheitswährung voranbringen
     •   Regionalisierung und Binnenmarktorientierung stärken
     •   Investitionen an soziale und ökologische Standards knüpfen
     •   Entwicklungsländer entschulden / Internationales Insolvenz‐
         recht einführen / Fonds gegen Krisenfolgen für Entwicklungs‐
         länder einrichten
     •   Steuer‐ und Regulierungsoasen austrocknen
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     Vielen Dank!
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