Bei dem vorliegenden Material handelt es sich um die Begleitfolien zu einem Vortrag, gehalten auf der Tagung "Leichte Sprache - versta nd- liche ...
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Bei dem vorliegenden Material handelt es sich um die Begleitfolien zu einem Vortrag, gehalten auf der Tagung „Leichte Sprache – verständ- liche Sprache“ am 20. Oktober 2017 am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Da diese Folien als Illustration des Vortrags konzipiert sind, sind sie unter Umständen ohne den Vortrag selbst nur eingeschränkt verständlich.
Leichte Sprache – verständliche Sprache Kolloquium am 19. und 20. Oktober 2017 »Fairständliche« Verwaltungssprache Was die Verwaltung von der Linguistik lernen kann Dr. Andrea-Eva Ewels Dr. Lutz Kuntzsch
Aufbau des Vortrags 1. Ausgang: Texte in Leichter, Einfacher und verständlicher Sprache? 2. Definition »Verwaltungssprache«, Textsorten in der Verwaltung 3. Probleme der Verständlichkeit von Verwaltungstexten. Was tun, damit Verwaltungstexte verständlicher werden? 4. Textbeispiele für eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache 5. Fazit und Ausblick Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 2
Definition Verwaltungssprache • »Verwaltungssprache« ist die »Gesamtheit der Kommunikation in (staatlichen) Einrichtungen, die eine verwaltende Funktion ausüben« • bekannt unter dem Begriff »Amtsdeutsch« oder »Bürokratendeutsch« • dient sowohl externer Kommunikation der Verwaltungen mit den Rezipienten wie auch interner Kommunikation zwischen den Angehörigen der jeweiligen Verwaltung • findet nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrens- gesetzes (VwVfG, Paragraph 23) auf Deutsch statt, nach den Regeln der aktuellen, seit 2006 geltenden Rechtschreibung Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 3
Definition Verwaltungssprache • umfasst alle Texte in den Diskurszusammenhängen der öffentlichen Verwaltung in Politik, Wirtschaft, Kultur und anderen sozialen Bereichen • Aufgabe im Ämter-Bürger-Dialog: Organisation von zeitnahem, sachbezogenem Erfassen, Betreuen, Leiten, Lenken und Verantworten dynamischer gesellschaftlicher Systeme nach stabilen Vorschriften Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 4
Textsorten in der Verwaltung • Texte mit regulierender Funktion (Formular) • Texte mit wissenserhebender bzw. vermittelnder Funktion (Analyseforderung) • Texte mit wissensbearbeitender Funktion (Nachforderung) • Texte mit handlungsschließender Funktion (Bescheid) Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 5
Brückenfunktion der Verwaltungssprache Rechtssprache als Allgemeinsprache/ Fachsprache bürgernahe Sprache • Rechtsstaatlichkeit/ • Nicht fachlich gebunden, Verwaltungshandeln »alltagsweltlich« • syntaktisch verdichtet • syntaktisch einfacher, textlich offener • eindeutig, erschöpfend, • Begriffe mehr erklärend terminologisch exakt • schriftsprachlich • näher an mündlicher Kommunikation Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 6
Allensbach-Umfrage: Rechts- und Verwaltungssprache Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 7
Allensbach-Umfrage: Rechts- und Verwaltungssprache Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 8
Bisherige Angebote der GfdS zur Verwaltungssprache In den letzten Jahren bot die GfdS folgende Veranstaltungen zur Verwaltungssprache an: – zwei Symposien (2006 Berlin, 2007 Halle/Saale) – Über 80 Ganztagsseminare und -workshops, u. a.: • 2010 Landesregierung NRW, • 2016/17 Bundes- Düsseldorf verwaltungsamt, • 2012 Stadtverwaltung Köln/Hannover Hannover • 2016/17 Landesregierung • 2013 Landesregierung Thüringen, Tambach Schleswig-Holstein, Kiel • 2017 Unfallkasse Berlin • 2014 Stadtverwaltung Trier • 2010-17 Städtische • 2015/16 Europäische Behörden und Kommission Landesregierungen Mainz Luxemburg/Brüssel und Wiesbaden Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 9
Veröffentlichungen 1781 1998 Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 10
Veröffentlichungen 2002 2009 2009 Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 11
Seminare: Ziele und Schwerpunkte • Anhand von ausgewählten Beispielen und Textelementen sollen Grundsätze einer einfachen und bürgernahen Verwaltungssprache allgemein vermittelt werden. • Mittels Textbearbeitung und Sprachberatung sowie in Seminaren sollte ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, verständlich und juristisch abgesichert zu formulieren. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 12
Beispiel: Projekt Mannheim • 40-seitige »Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt Mannheim« (Anweisung mit bürgernahen Elementen) • Bearbeitung von September 2012 bis März 2013 durch Dr. Sibylle Hallik und Dr. Lutz Kuntzsch Vorgehen: Ablauf: • Bearbeitung nach • Durchsicht und Korrekturvorschläge Auffälligkeiten • Abstimmung der ersten Fassung • Anwendung der Leitsätze • Besprechung mit Beteiligten in auf den Text Mannheim und Einarbeiten der • Koordinierung beider Änderungen Bearbeitungen • Vorstellen der Endfassung • Einzelfragen, Konsultation Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 13
Beispiel: Projekt Mannheim Lernen, Verbessern und Gestalten (2) Jede Person, die bei der Stadtverwaltung Alle Personen der Mannheim beschäftigt ist, kann Vorschläge zur Stadtverwaltung Vereinfachung der Verwaltung schriftlich bei der Mannheim können Führungskraft abgeben, der sie direkt unterstellt sind. Im Übrigen gilt die besondere Geschäftsanweisung für das betriebliche Vorschlagswesen ideeMA bei der gängig: der direkte Stadt Mannheim. Vorgesetzte; Titel? auf geschlechter- gerechte Formu- (3) Im Rahmen des Konzepts von priMA – lierung achten Prozessverbesserung in Mannheim können sich Beschäftigte aller Ebenen an Effizienzsteigerungen, Optimierungen und Veränderungen vielfältiger Art Entbehrlich? beteiligen. Auszug aus „Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt Mannheim“ Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 14
Beispiel: Projekt Mannheim Maßgebend für die Zusammenarbeit sind neben dem Landespersonalvertretungs- Entbehrlich? gesetz Baden-Württemberg (LPVG-Ba-Wü) alle relevanten Rechtsgrundlagen. Nicht aussage-kräftig: Präzisierbar? Handlungsgrundlage für einen Eigenbetrieb Vorschlag: …sind ist die Betriebssatzung; seine Organe sind neben dem … die Betriebsleitung, der Betriebsausschuss, insbesondere x, y und der Gemeinderat und der (Ober-)Bürger- z. meister. Nicht geschlechter- gerecht: oder die Die Einhaltung von Fristen ist, soweit (Ober-)Bürger- erforderlich, zu überwachen. meisterin Gegebenenfalls ist rechtzeitig zu erinnern. Wer erinnert wen? Auszüge aus „Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt Mannheim“ Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 15
Grundsätze für Wiesbaden: Projekt „Klartext“ 1. Bürgernähe • Höflichkeit (höflicher, freundlicher Ton) • Gendern (Gleichberechtigung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck bringen) 2. Verständlichkeit • drei Ebenen umfassend: – Text (Aufbau) – Satz (Länge und Aufbau) – Wort (Gebrauch) Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 16
Textbeispiele: Bürgernähe – Höflichkeit Verwaltungsschreiben sollten in einem höflichen, freundlichen Ton gehalten sein. Statt: • Abschließend werden Sie noch einmal auf die Notwendigkeit einer fristgemäßen Überweisung der festgestellten Summe hingewiesen. Besser: • Wir bitten Sie, die festgestellte Summe fristgemäß zu überweisen. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 17
Textbeispiele: Bürgernähe – Höflichkeit Verwaltungsschreiben sollten die Adressatinnen und Adressaten persönlich ansprechen. Statt: • Zu dem Termin sind der Personalausweis sowie der ausgefüllte Antrag mitzubringen. Besser: • Bitte bringen Sie zu dem Termin Ihren Personalausweis und den ausgefüllten Antrag mit. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 18
Textbeispiele: Bürgernähe – Gendern • Gesetzes- und Verwaltungstexte sollen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sprachlich zum Ausdruck bringen. • Das generische (verallgemeinernde) Maskulinum ist dafür nicht geeignet, da mit diesem zwar Frauen und Männer benannt werden können, aber auch ausschließlich Männer. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 19
Textbeispiele: Bürgernähe – Gendern • Jeder Mitarbeiter hat den Verlust seines Ausweises unverzüglich dem Referatsleiter mitzuteilen. • Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat den Verlust ihres bzw. seines Ausweises unverzüglich der Referatsleiterin oder dem Referatsleiter mitzuteilen. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 20
Ebenen der Verständlichkeit Wort Gebrauch Satz Länge und Aufbau Text Aufbau Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 21
Wortwahl: kurze Wörter Einige umständliche Wendungen sind oft überflüssig. Vermeiden Sie Präpositionalfügungen! Statt: Besser: unter Zuhilfenahme von mit seitens, von Seiten von unter Bezugnahme auf in/mit Bezug auf Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 22
Wortwahl: Fachbegriffe und Fremdwörter Fachbegriffe und Fremdwörter sollten vermieden werden. Sind sie nicht zu vermeiden, müssen sie erläutert werden. Statt: Besser: realisieren verwirklichen Administration Verwaltung Besitz fachsprachliche Bedeutung ggf. erläutern Option Wahlmöglichkeit das Defizit an Stellen das Fehlen von Stellen Feedback Rückmeldung Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 23
Wortwahl: keine Substantivierungen Statt: • Wegen Nichtbeachtung der Vorschriften … Besser: • Weil die Vorschriften nicht beachtet wurden, … Statt: • Unter Berücksichtigung möglicher Folgen … Besser: • …, wobei mögliche Folgen berücksichtigt wurden. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 24
Wortwahl: keine Substantivierungen Statt: Besser: bei Nichterscheinen sollten Sie nicht erscheinen zur Auszahlung bringen auszahlen einer Prüfung unterziehen prüfen Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 25
Satzbau: keine Verbalklammern Besteht ein Prädikat aus zwei Teilen, sollten nicht zu viele Satzglieder eingeschoben werden. Statt: Der Ausschuss hat nach eingehender Überprüfung aller Faktoren und nach Rücksprache mit den zuständigen Landesvolksvertretungen empfohlen, das Verfahren abzuschließen. Besser: Der Ausschuss hat empfohlen, das Verfahren abzuschließen, nachdem er … Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 26
Satz: Aktiv vs. Passiv Statt: • Der Aufbau des Bundesamtes wird durch das Bundesministerium ... geregelt. Besser: • Das Bundesministerium ... regelt den Aufbau des Bundesamtes. Aber: • Die Erlaubnis wird erteilt, wenn die Anforderungen an Eisenbahnen nach diesem Gesetz und den darauf beruhenden Rechtsverordnungen erfüllt sind. Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 27
Textbau: Gliederung • Amtliche Texte sollten klar gegliedert sein. • Wichtige Informationen sollten am Textanfang stehen. • Texte sollten in Absätze untergliedert werden. Dabei gilt: ein Gedanke je Absatz. • Textgestaltungselemente nutzen: Aufzählungen, Zwischenüberschriften, Fettdruck etc. • Inhaltlich Zusammengehöriges steht zusammen. • Fortschreiten der Aussagen: Hauptsache untergeordnete Sachverhalte Grundsätzliches Besonderes • Überflüssiges weglassen Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 28
Textaufbau: Betreff Der Betreff sollte möglichst kurz und prägnant sein. Statt: Besser: Ihr Antrag auf Ausstellung Ihr Führungszeugnis eines Führungszeugnisses Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 29
Fazit Was kann die Verwaltung von der Linguistik praktisch lernen? • Erkenntnisse der linguistischen Forschung (Normierung, Text, Diskurs) in den Verwaltungstexten anwenden • mittels Leitsätzen die Texte höflich und geschlechtergerecht, bürgernah und juristisch abgesichert formulieren • Impulse, Anleitungen und Vorschriften (Sensibilisierung) für die Verbesserung weiterer Texte vorschlagen (Rathaus online) • realistischer Blick bei Text(sorten)-Breite und Text(sorten)- Fülle auf durchführbare Veränderungen • --- Kolloquium: Leichte – einfache – verständliche Sprache Dr. Andrea-Eva Ewels/Dr. Lutz Kuntzsch – »Fairständliche« Verwaltungssprache 30
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