Lernen & - Lernen & Lehren

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Lernen & - Lernen & Lehren
Schwerpunktthema
              Technikerschulen – Fachschulen für Technik

 lernen
 &
 lehren
 Elektrotechnik • Informationstechnik
 Metalltechnik • Fahrzeugtechnik

 Didaktikansätze für Technikerschulen
 Jörg-Peter Pahl/Friedhelm Schütte

 Berechnungen an Profilen – ein Beispiel aus dem Fachschulunterricht
 Roland Koch

 Innovative Lernumgebung – Fertigungsautomation und handlungsorientiertes
 Lernen in der Fachschule „Mechatronik“
 Florian Beier/Thomas Kohlmeier                                                        HEFT 116 • 29. JAHRGANG • 4/2014 • 9,75 €

 Praxisorientierter Unterricht für Maschinenbautechniker/-innen in der Fachschule
 Thomas Schmitz

 Effizienzwettbewerb für Fahrzeuge im Fokus von Projektarbeiten in
 der Fachschule für Technik
 Bernd Klein

 Projektarbeit als Instrument des Lernens und der Weiterentwicklung von Schule
 – Ein Beitrag aus einer Fachschule „Technik und Gestaltung“
 Hartmut Maume/Klaus Prütz/Thomas Deckert/Birgit Ramm/Maik Jepsen

H 65063                                                                      HECKNER
Lernen & - Lernen & Lehren
Berufsbildung als
            Aufklärung
            Traditionen der aufklärenden
            Pädagogik bewahren
            Gottfried Adolph erinnert Lehrer und Ausbilder tech-
            nischer Berufe mit seinen Kommentaren und Essays
            – regelmäßig erschienen in der Zeitschrift „lernen                         Gottfried Adolph
            und lehren“ – daran, die Traditionen der aufklärenden   Berufsbildung als Aufklärung
            Pädagogik zu bewahren.                                             Kommentare und Essays
                                                                               Berufsbildung, Arbeit und
            Der Autor schlägt eine Brücke zwischen der fachlichen                    Innovation, Band 5
            Diskussion und der aufklärerischen Berufspädagogik                 2011, 312 S., 19,90 € (D)
                                                                               ISBN 978-3-7639-4879-6
            und regt zum Nachdenken und Reflektieren an.                              Best.-Nr. 6004189
            Diese neue, aktualisierte Ausgabe wurde um 30 Essays
            und Kommentare von 2002 bis 2009 erweitert.
                                                                                      wbv.de

W. Bertelsmann Verlag
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Inhalt
SCHWERPUNKT:
TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK

134        Editorial: Technikerschulen im Wandel
           Michael Tärre

           Schwerpunkt
136        Didaktikansätze für Technikerschulen
           Jörg-Peter Pahl/Friedhelm Schütte

           Praxisbeiträge
142        Berechnungen an Profilen – ein Beispiel aus dem Fachschulunterricht
           Roland Koch

146        Innovative Lernumgebung – Fertigungsautomation und handlungsorientiertes Lernen
           in der Fachschule „Mechatronik“
           Florian Beier/Thomas Kohlmeier

153        Praxisorientierter Unterricht für Maschinenbautechniker/-innen in der Fachschule
           – dargestellt an einem Beispiel aus der Technischen Mechanik
           Thomas Schmitz

159        Effizienzwettbewerb für Fahrzeuge im Fokus von Projektarbeiten in der Fachschule für Technik
           Bernd Klein

163        Projektarbeit als Instrument des Lernens und der Weiterentwicklung von Schule
           – Ein Beitrag aus einer Fachschule „Technik und Gestaltung“
           Hartmut Maume/Klaus Prütz/Thomas Deckert/Birgit Ramm/Maik Jepsen

           Forum
170        „Lernfeldgespräche“ – Erfahrungsaustausch der Praktiker/-innen an berufsbildenden Schulen
           (Teil 2)
           Eckehard Heydt/Uta Kuhbach/Andreas Lindner/Peter Stengel

172        Europaweite Durchlässigkeit in der Berufsbildung – ECVET und dessen Umsetzung in der Praxis
           am Beispiel des Leonardo-Innovationstransferprojekts „TRIFT“
           Folene Nannen-Gethmann

           Ständige Rubriken
I–IV       BAG aktuell 04/2014
II         Einladung zur Mitgliederversammlung 2015 der BAG Elektro-, Informations-, Metall- und
           Fahrzeugtechnik e.V.
176        Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
U3         Impressum

     & LEHREN | ELEKTROTECHNIK • INFORMATIONSTECHNIK • METALLTECHNIK • FAHRZEUGTECHNIK
LERNEN
ISSN 0940-7340 | HEFT 116| 29. JAHRGANG | 4/2014
EDITORIAL

Editorial: Technikerschulen im Wandel
                                                               mittleren Managements in Handwerk und Industrie
                                                               bei.
                                                               Der zunehmende Trend zur Wissensgesellschaft mit
                                                               ständigen Veränderungen im Beschäftigungs- und
                                                               Gesellschaftssystem sowie die damit verbundenen
                                                               Herausforderungen an Flexibilität und Mobilität
                                                               der Berufstätigen zeigen, dass die Fachschulen als
                                                               Weiterbildungsinstitutionen gegenwärtig stärker als
                                                               bisher gefordert sind, auf die verschiedenen Anfor-
      MICHAEL TÄRRE                                            derungen des Beschäftigungs- und Gesellschaftssys-
                                                               tems flexibel zu reagieren. Schon heute sind nach-
                                                               frageorientierte Weiterbildungsangebote mit ihren
      Technikerschulen sind seit ihrer Entstehung eng mit      besonderen Details, also den sehr differenzierten
      der technischen Entwicklung verbunden. Mit dem           und eng angelegten Aufgabenstellungen, häufig nur
      Aufkommen der Industrie und der industriellen            von temporärer Aktualität. Die Ziele und Inhalte der
      Revolution erfuhr das technische Bildungswesen           Technikerschulen sind durch die ständigen, nicht nur
      erhebliche Veränderungen. Berufliche Weiterbildun-       technischen, Veränderungen bei zunehmender Kom-
      gen wurden zunehmend erforderlich. In Deutschland        plexität und Kompliziertheit, insbesondere bei den
      waren Entstehung und institutioneller Ausbau durch       innovativen Berufen, ständig zu reflektieren, zu ak-
      die Reform gymnasialer und technischer Bildungs-         tualisieren und zu realisieren.
      gänge in den 1890er Jahren in Preußen bestimmt.
                                                               Der mit einer solchen qualitativ hochwertigen beruf-
      Dabei erfolgte im Rahmen der Reform auch eine ein-
                                                               lichen Weiterbildung vergebene Abschluss „Staatlich
      deutigere Abgrenzung der technischen Schulen in
                                                               geprüfter Techniker/Staatlich geprüfte Technikerin
      eine „niedere“ und eine „höhere“ Form. Eine Unter-
                                                               in der Fachrichtung ...“ wird den anspruchsvollen In-
      scheidung in „niedere“ oder „höhere“ Fachschulen
                                                               halten nicht mehr gerecht, da er sich darüber hinaus
      wurde bei den kaufmännischen Fachschulen nicht
                                                               auch sprachlich kaum von den Abschlüssen der Be-
      getroffen. Bei den technischen Schulen wurde dage-
                                                               rufsfachschulen abhebt.
      gen die stärkere „Entwissenschaftlichung“ der „nie-
      deren“ Fachschule gefordert und auch durchgesetzt.       Wie aber könnten Zukunftsperspektiven für eine
      Es ging um die Weiterbildung von und zu Berufsprak-      innovative und flexible berufliche Weiterbildung
      tikern, die in den hierarchisierten Arbeitsprozessen     an der Fachschule zukünftig aussehen? Bei den
      eingesetzt werden konnten.                               verschiedenartigen Prognosen zur künftigen Leis-
                                                               tungsfähigkeit der Technikerschule, wie sie heute
      Diese Differenzierung erfuhr mit dem Preußischen
                                                               bei Diskussionen formuliert werden, wird allgemein
      Ministerialerlaß vom 8. April 1916 eine verbindliche
                                                               anerkannt, dass die berufliche Erwachsenen- und
      Regelung. Die damaligen niederen und höheren Ma-
                                                               Weiterbildung in der Folge wissenschaftlicher und
      schinenbauschulen (Fachschulen) waren einerseits
                                                               gesellschaftlicher Entwicklungen den Anforderungen
      durch die Ansprüche der Industrie und gesellschaft-
                                                               beruflicher Praxis sowie der Wissensgesellschaft in
      liche Selektionen bestimmt. Andererseits erlangten
                                                               Zukunft schneller und besser gerecht werden muss.
      sie aber auch immer größere Anerkennung. Nach
                                                               Damit werden zugleich hohe Qualifikationsanforde-
      mehr als vier Jahrzehnten wurden die „höheren“
                                                               rungen erkennbar.
      Fachschulen zu Fachhochschulen und etwas später
      die „niederen“ zu Fachschulen für Technik bzw. zu        Von den gesellschaftlichen Mächten sind deshalb
      Technikerschulen umgewandelt. Zusammenfassend            schon vor einigen Jahren rahmengebende Impul-
      lässt sich bezogen auf die zeitliche Entwicklung fest-   se eingebracht worden. Im Mai 2007 hat die Wirt-
      halten, dass sich die Technikerschulen als wichtige      schafsministerkonferenz in einem Beschluss festge-
      nicht-akademische Weiterbildungseinrichtung etab-        stellt, dass „eine Reihe hochwertiger, im Wege der
      lierten. Sie trugen mit ihrem praxisorientierten Kon-    beruflichen Bildung erworbener Qualifikationen mit
      zept wesentlich zur Qualifizierung des unteren und       akademisch erworbenen Qualifikationen gleichwer-

134                                                                                    lernen & lehren | 4/2014 | 116
EDITORIAL

tig sind“. Daher sei es gerechtfertigt, Abschlussbe-     Betrachtet man das Anforderungsprofil der Ni-
zeichnungen einzuführen, die diese Gleichwertigkeit      veaustufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens
auch dokumentieren bzw. zertifizieren. Als Beispie-      (DQR) genauer, so wird unmittelbar deutlich, dass
le wurde auf den „Bachelor Professional“ und den         Technikerschulen auf dieses Qualifikationsniveau
„Master Professional“ verwiesen. Die Forderung           ausgerichtet sind: „Über Kompetenzen zur Planung,
entspricht der Position der Kammerorganisationen,
                                                         Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fach-
die in den Bezeichnungen einen wichtigen Beitrag
                                                         lichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur
für die Aufwertung der beruflichen Bildung sehen.
                                                         eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in
Erwartungsgemäß und umgehend protestierte der
                                                         Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder
Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der
die Abschlussbezeichnungen als akademische Ab-           in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die An-
schlüsse geschützt wissen will. Auch der Deutsche        forderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige
Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesverei-             Veränderungen gekennzeichnet.“ (BMBF 2013, DQR-
nigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)           Handbuch). Das ist aber auch die Niveaustufe für
nahmen gegenüber dem Vorstoß eine reservierte bis        den Bachelor-Abschluss. Damit wird über den DQR
ablehnende Haltung ein.                                  bereits attestiert, dass über berufliche Bildungswege
Die Wirtschaftsministerkonferenz hat des Weiteren        Kompetenzniveaus erreicht werden, die bisher – bei
am 7./8. Juni 2006 in Erfurt zur Aufwertung der be-      formaler Betrachtung – dem Wissenschaftsbereich
ruflichen Bildung beschlossen, dass der Arbeitskreis     vorbehalten waren. Die Technikerschule hat sich
„Berufliche Bildung“ beauftragt wird, einen Vor-         nicht nur dadurch – sondern schon seit langem – von
schlag zur internationalen Verständigung über die
                                                         der Einordnung als „niedere“ Schule gelöst.
deutschen Abschlüsse in der nicht-akademischen
beruflichen Weiterbildung zu erarbeiten. Der Auftrag     Berücksichtigt man die bildungspolitischen Ent-
zu einer Tischvorlage wird von der Wirtschaftsminis-     scheidungen und Vorgaben des DQR, die Entwick-
terkonferenz damit begründet, dass die „deutschen        lungen im Beschäftigungssystem und den Trend zur
Absolventen (...) zunehmend mit Absolventen über-
                                                         Wissensgesellschaft sowie die damit verbundene
wiegend semi-akademisch oder akademisch aus-
gerichteter Bildungssysteme anderer Staaten, die         Vielzahl spezifischer, langfristig zu leistender Aufga-
häufig mit den dort vielfach leichter erreichbaren       ben, so wird der organisatorische und institutionelle
Bachelor-Abschlüssen ausgestattet sind“ (Beschluss-      Ausbau der Technikerschule immer zwingender. Eine
Sammlung der Wirtschaftsministerkonferenz 2006,          Reformierung bzw. Anpassung des Weiterbildungs-
Punkt 3.2 der Tagesordnung), konkurrieren. „Da-          bereichs ist vor allem deshalb notwendig, weil für
durch entsteht eine potenzielle Beeinträchtigung         die Zukunft entscheidend sein wird, mit welchem
ihrer Wettbewerbschancen. Hinzu kommt, dass die
                                                         Wissen Studierende der Technikerschulen sich auf
gegenwärtigen Bezeichnungen der deutschen Wei-
terbildungsabschlüsse international kaum bekannt         einen Beruf vorbereiten, der ihnen, wenn es notwen-
bzw. nicht lesbar sind; die internationale Fachkräfte-   dig ist, die Möglichkeit eröffnet, im angestammten
mobilität wird gehemmt.“ (ebd.)                          Berufsfeld oder perspektivisch in andere Felder oder
Zu den anspruchsvollen Weiterbildungsabschlüssen,        Branchen im europäischen Raum zu wechseln.
insbesondere in den Hochtechnologiebereichen,            Es ist sinnvoll, dass die Lehrkräfte und ihre Organi-
die im Niveau den Vergleich mit Bachelor- oder so-       sationen weitere Anstöße zur Entwicklung der Tech-
gar Masterabschlüssen an Berufsakademien und             nikerschulen geben. Sie stehen am besten in der
Fachhochschulen nicht scheuen müssen, zählen die
                                                         Diskussion über den sozio-technischen Wandel der
Technikerschulen. Allerdings beruht die Annahme
                                                         Technikerberufe der zugehörigen Berufsfelder. Für
der Gleichwertigkeit weitgehend auf Einschätzungen
                                                         die Lehrenden an der Technikerschule stellt sich be-
bzw. dem Vergleich von curricularen Vorgaben. Be-
lastbare Daten aufgrund von Vergleichsstudien lie-       reits heute und insbesondere zukünftig die Aufgabe,
gen dazu bislang kaum vor. Diese wären aber auch         dass Perspektiven für die Schulentwicklung auch an
notwendig, um besser einordnen zu können, wie die        der beruflichen Weiterbildungseinrichtung disku-
verschiedenen Weiterbildungsabschlüsse im Hin-           tiert werden sollten. Neue Anforderungen durch den
blick auf das Niveau akademischer Abschlüsse ein-        Wandel der Arbeitswelt stellen dabei eine besondere
zustufen sind.                                           Herausforderung dar.

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

Didaktikansätze für Technikerschulen1

      Praxis- und Theorieentwicklung der Didaktikansätze
      der Technikerschulen basieren auf Grundlegungen,
      die als Reaktion auf den sozio-technischen Wandel
      schon zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts aus-
      gelöst wurden. Die in der Folgezeit bis hin zur Gegen-
      wart erfolgten Veränderungen sind von den Akteuren
      schulischer Berufsbildung begrüßt worden, weil sich JÖRG-PETER PAHL         FRIEDHELM SCHÜTTE
      damit eine Institution etabliert hat, die berufliche
      Weiterbildung in der Schule ermöglichte. Aber dennoch muss gegenwärtig und zukünftig weiterhin an
      einem in sich geschlossenen curricularen und didaktischen Theorieansatz gearbeitet werden, um die
      Vermittlungspraxis an den Fachschulen für Technik besser zu fundieren.

      TECHNIKERSCHULEN ALS GEGENSTAND                           ner weitergehenden beruflichen Qualifikation mit
      DIDAKTISCHER REFLEXION                                    staatlicher Abschlussprüfung führt. Eintrittsvoraus-
                                                                setzung sind eine einschlägige Berufsausbildung
      Wie alle anderen Fachschulen sind die vor mehr als
                                                                und Berufsausübung im Technikbereich. Die Diffe-
      einhundert Jahren aus den niederen Maschinenbau-
                                                                renzierung der Fachschulen für Technik umfasst eine
      schulen („Werkmeisterschulen“) hervorgegangenen
                                                                Vielzahl von Fachrichtungen. Dabei ist eine nicht
      Technikerschulen Institutionen der beruflichen Er-
                                                                einheitlich verwendete Begrifflichkeit festzustellen.
      wachsenen- und Weiterbildung. Auffallend ist: Diese
                                                                Innerhalb Deutschlands differieren die Bezeichnun-
      Ausbildungseinrichtung wird von der Gesellschaft in
                                                                gen. So gibt es beispielsweise in Bayern neben den
      ihrer Bedeutung nicht angemessen wahrgenommen.
      Das vielfältige Bildungsangebot ist für die interes-      Fachschulen für Technik so genannte Fachakademi-
      sierte Öffentlichkeit kaum überschaubar.                  en, deren Besuch einen gehobenen Schulabschluss
                                                                voraussetzt. Auch sind die Adressaten einiger Län-
      Anders ist es bei Berufstätigen, die bereits eine         derpläne Schüler/-innen und andernorts hingegen
      gewerblich-technische berufliche Erstausbildung           Studierende. Die Technikerschule ist in allen sech-
      absolviert haben und einige Jahre im Beschäfti-           zehn Bundesländern präsent (ZÖLLER 2013; PAHL
      gungssystem tätig sind. Sie interessieren sich für        2010, S. 126 ff.).
      die Technikerschule mit ihren Weiterbildungsmög-
      lichkeiten, weil wegen der damit erreichbaren Qua-        Seit ihrer Gründung in den 1890er Jahren hat sie sich
      lifikation das berufliche Fortkommen und die Fach-        institutionell verselbstständigt, ist durch Gesetze
      lichkeit gesichert werden können. Meist schon in          und Rechtsverordnungen funktional organisiert und
      der Endphase der beruflichen Erstausbildung, kurze        hat eine eigene Curriculumstruktur entwickelt. Tech-
      Zeit nach dem Abschluss der Ausbildung oder eini-         nikerschulen sind eine spezifische Form der berufli-
      ge Jahre später ventilieren sie, welche Angebote des      chen Erwachsenen- und Weiterbildung (KREBS 1992).
      unübersichtlichen Weiterbildungsmarktes für sie von       Curricular stellen sie sich den technologischen Her-
      Interesse sein könnten und welche Qualifikation den       ausforderungen (SCHÜTTE 1996), sozial befördern sie
      beruflichen Status dauerhaft befördert.                   den individuellen Aufstieg, beruflich garantieren sie
                                                                Mobilität.
      Die Fachschule wird als eine Einrichtung der beruf-
      lichen Aus- und Weiterbildung wahrgenommen, die           Sind die Technikerschulen noch zeitgemäß – ist ihr
      über die i. d. R. zweijährigen Bildungsgänge zu ei-       didaktischer Ansatz noch zukunftsfest?

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

ARBEITS- UND TECHNIKDIDAKTIK ALS EIN                            Für das in den aktuellen Plänen geforderte Unter-
KERNSTÜCK DER TECHNIKERSCHULE                                   richtskonzept wird somit das Ziel einer umfassenden
                                                                beruflichen Handlungskompetenz formuliert. Hier-
Makrodidaktische Grundlegungen                                  bei ist zu unterscheiden zwischen Lernen und Stu-
In der Technikerschule sollen die Kenntnisse, Fä-               dieren für Handeln einerseits sowie Lernen und Stu-
higkeiten und Fertigkeiten erlernt werden, die zur              dieren durch Handeln andererseits. Dadurch, dass
Ausübung eines gehobenen Berufes im unteren und                 das Konzept der Handlungsorientierung mit einer
mittleren Management erforderlich sind. Der makro-              Berücksichtigung von Arbeits- und Geschäftsprozes-
didaktische Rahmen erwächst aus den curricularen                sen in vielen Curricula verankert ist und außerdem
Ansprüchen an den Bildungsgang sowie der Forde-                 über das Prinzip der Wissenschaftsorientierung auch
rung nach selbstständigem Arbeiten und Lernen der               Wissensziele angestrebt werden, ergeben sich Vor-
Studierenden.                                                   teile für die spätere betriebliche Tätigkeit.

Für einen didaktischen Ansatz der Technikerschule               Didaktikansätze der Erwachsenen- und Weiterbil-
bilden der angestrebte Technikerberuf mit dem dafür             dung in ihrer Bedeutung für die Technikerschule
benötigten Arbeits- und Technikwissen sowie die In-
                                                         Schon seit längerem zeigt sich in der Erwachsenen-
teressen der Studierenden die zentralen curricularen
                                                         und Weiterbildung, dass neuere didaktische Modelle
und didaktischen Bezugspunkte. Für die einzelnen
                                                         immer schneller entstehen, wobei zugleich die Ler-
Bildungsgänge sind – soweit möglich – spezifische
                                                         nenden bzw. Studierenden stärker in den Mittelpunkt
didaktische Ansätze zu entwickeln. Didaktisch be-
                                                         gerückt werden. Dabei sollen Aspekte wie eine stär-
deutsam ist, dass sie die beruflichen und lebenswelt-
                                                         kere Orientierung an den Interessen und Lernvoraus-
lichen Erfahrungen der Erwachsenen
                                                                            setzungen aufgegriffen werden.
berücksichtigen.
                                            Erwachsene lassen sich Daraus folgt: Erwachsene lernen
Auf die berufsfachlichen Arbeits- und          nicht gern belehren          an Technikerschulen aus ande-
Geschäftsprozesse wirkt eine Rei-                                           ren Gründen, Motiven und mit
he von Momenten, die von den gesellschaftlichen          anderem Engagement als Jugendliche an Berufsschu-
Bedingungen über den Absatzmarkt bis hin zu ge-          len und Berufsfachschulen. Sie fordern sinnvolle und
setzlichen Bestimmungen reichen. Aus diesen Ar-          umsetzbare Inhalte, positive Herausforderungen, Le-
beitsabläufen sind berufliche Handlungsfelder her-       bens- und Berufsnähe, Bezug zu ihrer Lebenserfah-
auszukristallisieren, die didaktisch und methodisch      rung und Lern-, Studien- und Arbeitsumgebungen,
zu handlungsorientierten Lernsituationen aufberei-       in denen sie sich wohlfühlen. Für die erwachsenen
tet werden müssen. In der Auseinandersetzung mit         Studierenden an der Technikerschule ist das Lernen
den Lernsituationen können die Studierenden der          ein selbstgesteuerter, biographisch beeinflusster
Technikerschulen dann berufliche Handlungskom-           Prozess. Lernen und Studieren werden also nicht
petenz erwerben. Bei der Auswahl berufstypischer         lediglich als eine Reaktion auf Lehre verstanden.
arbeits- und technikbezogener Lern- und Studienin-       Erwachsene lassen sich in der Regel nicht gerne be-
halte sollte neben dem Kriterium der Relevanz des        lehren oder aufklären. Um unter dieser Prämisse als
jeweiligen Lerninhalts zugleich das berufsfachliche      Lehrkraft an der Technikerschule den Studierenden
Handeln betrachtet werden.                               gerecht zu werden, braucht es grundlegendes didak-
Die Lern- bzw. Studienziele müssen also neben der        tisches und methodisches Wissen darüber, wie Er-
Theorievermittlung ebenso auf die Ebene der prakti-      wachsene sich Wissen erschließen und Kompetenzen
schen Fertigkeiten für die zukünftige Tätigkeit gerich-  aneignen können.
tet sein, sodass die Absolventinnen und Absolventen             Curricular und inhaltlich kann unter Berücksichti-
nach dem Studium an der Technikerschule möglichst               gung von Selbstorganisation sowie Erfahrungen der
problemlos zurück in das Beschäftigungssystem                   beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung für die
gelangen, um dort Führungsaufgaben im mittleren                 Technikerschulen konzeptionell Neues entstehen.
Management zu übernehmen. Deshalb wird in den
                                                                Arbeit, Technik und Bildung als didaktische Referenz-
neueren Landeslehrplänen der Fachschulen für Tech-
                                                                bereiche
nik handlungs- und berufsorientiertes Lernen und
Studieren ausdrücklich gefordert und in Projekten               Für eine berufliche Erwachsenen- und Weiterbil-
praktiziert (siehe dazu die Beiträge in diesem Heft).           dungsstätte wie die Technikerschule sollten didak-

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

      tische Ansätze für Fächer, Module oder Lerngebiete        Insgesamt sollen dadurch die Berufsarbeit und de-
      darauf gerichtet sein, eine optimale Verknüpfung der      ren Gestaltungsmöglichkeiten (RAUNER 1995) besser
      Ansprüche der Studierenden, der gesellschaftlichen        berücksichtigt werden. Damit lassen sich neben dem
      Interessen und der Anforderungen des Beschäfti-           erforderlichen Fachwissen über den Umgang mit
      gungssystems auf die zu leistende Arbeit und die Be-      beruflichen Gegenständen auch Arbeits-, Arbeits-
      herrschung des Sachgebietes „Technik“ anzustreben.        prozess- und Erfahrungswissen entwickeln bzw.
      Durch das Bezugswissenschaftsproblem und didak-           weiterentwickeln. Darüber hinaus geht es für se-
      tische Diskussionen der letzten zwei Jahrzehnte ist       miakademische Berufe darum, die Arbeit nicht nur
      deutlich geworden, dass die Sachgebiete bzw. Sach-        selbstständig planen und durchführen, sondern auch
      systeme zusammen mit der zugehörigen Arbeit unter         organisieren, kontrollieren, bewerten und gestalten
      dem Berufsbildungsaspekt betrachtet werden müs-           zu können. Um solche umfassenden Lern- und Stu-
      sen (Abb. 1). Damit werden auch die Arbeits- oder         dienziele verwirklichen zu können, sind die hierfür
      Geschäftsprozesse unter dem Bildungsaspekt in ih-         notwendigen didaktischen Ausgangsbedingungen zu
      rer Komplexität und Mehrdimensionalität erfasst und       verbessern. Es müssen zum Teil andere bzw. zusätz-
      in die zu generierenden Konzepte integriert. In dem       liche wissenschaftliche Bezüge hergestellt werden,
      Relevanzbereich von Arbeit, Sachgebiet „Technik“          um damit das Bezugwissenschaftsproblem zu min-
      und Bildung sind die didaktischen Entscheidungen          dern.2
      zu treffen.
                                                                An den Technikerschulen zeichnen sich gute Mög-
                                                                lichkeiten zur Anwendung eines sowohl an der Arbeit
                                                                als auch am Sachgebiet orientierten didaktischen
                                                                Ansatzes ab. Dabei können und sollten die Ergeb-
                                                                nisse schon vorhandener Ansätze und Konzeptionen
                                                                berücksichtigt werden, indem sie systemisch in das
                                                                neu entstehende Gesamtkonzept eingefügt werden.
                                                                Mit diesem Angang werden die ausschließliche Aus-
                                                                richtung auf das Fach bzw. einzelne fachlich isolierte
                                                                Sachbereiche „der Technik“ aufgebrochen sowie die
                                                                mit dem Tätigkeitsgebiet verbundene Arbeit mit de-
                                                                ren Arbeits- und Geschäftsprozessen und die damit
      Abb. 1: Arbeit, Bildung und Sachgebiet „Technik“ im       im Zusammenhang stehenden relevanten Bildungs-
              didaktischen Zusammenhang
                                                                aspekte berücksichtigt.
                                                                In dem beruflich orientierten Didaktikkonzept der
      Beim Konzept einer arbeits- und technikorientierten       Technikerschule stehen die arbeits- und technikspe-
      Didaktik für die Technikerausbildung werden nicht         zifischen Intentionen und Lern- und Studienziele,
      nur eine Fachwissenschaft als didaktisch vereinfach-      die zugehörigen Lern- und Studieninhalte, Methoden
      tes Sachgebiet eines Technikbereiches thematisiert,       und Medien in einem wechselseitigen Zusammen-
      sondern auch berufswissenschaftlich begründete            hang. Arbeits- und technikspezifische Intentionen,
      Ansätze zur Erfassung von beruflichen Tätigkeitsdo-       Ziele und Inhalte stellen dabei die Entscheidungsfel-
      mänen herangezogen.                                       der für diesen Ansatz beruflichen Lernens und Stu-
      Arbeit, Technik und Handlungsorientierung                 dierens im engeren Sinne dar. Arbeits- und technik-
                                                                spezifische Methoden- und Medienkonzepte können
      Führungskräfte des unteren und mittleren Manage-
                                                                als Teil der „Methodik“ angesehen werden. Damit
      ments müssen über ein breites Spektrum beruflicher
                                                                zeigt sich ein Gesamtkonzept, das für die Planung
      Fähigkeiten verfügen. Deshalb ist für die zu entwi-
                                                                beruflicher Erwachsenen- und Weiterbildung an den
      ckelnden Kompetenzen der beruflichen Handlungs-
                                                                Technikerschulen wesentliche Bedingungs- und Ent-
      fähigkeit der Bezug zur Arbeit und zum Sachgebiet
                                                                scheidungsfelder benennt.
      „Technik“ unhintergehbar. Mit dem Konzept der
      Handlungsorientierung können der Technikbereich           Die beruflichen und lebensweltlichen Erfahrungen
      sowie die damit verbundene Arbeit und über das            der Studierenden sind – vor allem, wenn sie diese
      eng Fachliche hinausgehende allgemeinbildende As-         in den Lern- und Studienprozess einbringen wollen –
      pekte in einem ausgewogenen Verhältnis betrachtet         mit einer Bedingungsanalyse zu erfassen, denn wer-
      werden.                                                   den weiterreichende und übergeordnete Intentionen

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

und Ziele unterdrückt, so kann das zu grundlegenden  Durch den auf die Technik und die zugehörige Ar-
Auswirkungen bei den Lern- und Studieninhalten       beit orientierten didaktischen Ansatz beruflichen
führen sowie durch die damit einhergehende Re-       Lernens und Studierens können aber auch Themen
duktion in der Folge Probleme mit der erwachsenen    des Beschäftigungs- und des Gesellschaftssystems
Klientel erzeugen. Wenn bei den didaktischen Über-   behandelt werden, die nicht unmittelbar an einen
legungen allein schon durch Bezeichnungen der Fä-    Beruf sowie eine Fachrichtung gebunden sind.
cher, Module oder der Lernfelder ein Technikbereich  Außerdem sind in die didaktischen Entscheidungen
im Vordergrund steht, sollte darüber hinaus versucht die exemplarischen und berufsrelevanten Techniken,
werden, nicht nur das Sachgebiet oder Sachsysteme    Arbeits- und Geschäftsprozesse, der Motivations-,
und die damit verbundene Arbeit zu behandeln, son-   Aktivierungs- und Bildungsgehalt des Lern- bzw.
dern auch die Veränderungen im Beschäftigungssys-    Studieninhalts in Hinblick auf Denken, Wahrnehmen
tem zu thematisieren und dabei weitere Gestaltungs-  und Handeln sowie die wesentlichen Arbeitsmetho-
möglichkeiten für das Sachgebiet und die zugehörige  den und -verfahren einzubeziehen. Unter einer sol-
Arbeit insbesondere in Führungspositionen, wie sie             chen erweiterten Perspektive sind zugleich
die Absolventen der Fachschule                                 die Themen mit ihren Verknüpfungsmög-
anstreben, aufzuzeigen. Auf die- Veränderungen der lichkeiten mit weiteren Inhalten – ganz im
se Weise erlangt das Verhältnis zu Arbeit thematisieren Sinne des Lernfeldkonzepts – zu untersu-
Arbeit und Technik, zu den Arbeits-                  chen, sodass sie vielschichtiger, ganzheitlicher und
und Geschäftsprozessen und zur Arbeitsorganisation   integrativ fächerübergreifend strukturiert angelegt
besondere und angemessene Aufmerksamkeit. Durch      sind.
die veränderte Sichtweise erhalten wesentliche Mo-
mente der beruflichen Bildung – also Arbeit und      An der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbil-
Technik – ihre eigentliche didaktische Bedeutung     dungseinrichtung „Technikerschule“ sollte nicht eine
und werden um das Element „Bildung“ komplettiert.    ausschließliche Festlegung auf ein Lern- und Studi-
Unter Berücksichtigung dieser tragenden Momente      enkonzept erfolgen. In die Konzepte müssten auch
ergeben sich komplexe didaktische Konzepte für die   fachsystematisch und kasuistisch strukturierte Pha-
berufliche Erwachsenen- und Weiterbildung im Be-     sen mit arbeits- und technikweltlichen Themen, die
reich von Arbeit und Technik. Die berufliche Hand-   durch die Studierenden – unter Berücksichtigung
lungskompetenz mit den Elementen Selbstständig-      ihrer Probleme und Ansprüche – gestaltet werden
keit und Ganzheitlichkeit tritt somit ins Zentrum.   sollten, integriert werden. Dieser umfassende ar-
                                                     beits- und technikorientierte didaktische Ansatz
Mit einem solchen didaktischen Ansatz beruflichen    stellt in seiner relativ breiten Anlage eine Art Be-
Lernens erhalten das Handeln, Bewerten und Gestal-   reichsdidaktik dar, bei der im Regelfall eine erhebli-
ten im Sachgebiet sowie der Bezug zu Arbeit und      che Umformung auf die spezifischen Anforderungen
Technik für Lehr- und Lern- bzw. Studienkonzep-      einer Fachrichtung erforderlich wird.
te einen besonderen Stellenwert. So kann erreicht
werden, dass beispielsweise neben dem erforderli-    Mit einer Bereichsdidaktik – wie dem arbeits- und
chen Fachwissen über eine Technik und der damit      technikorientierten Ansatz – ergeben sich zwar be-
verbundenen Arbeit auch das Handlungswissen zur      sondere didaktische und methodische Möglichkeiten
Gestaltung und Beherrschung der Arbeits- und Ge-     für die berufliche Erwachsenen- und Weiterbildung,
schäftsprozesse berücksichtigt werden. Auf diese     es können jedoch nicht zwangsläufig die Spezifika
Weise wird für die angehenden Führungskräfte mit     erfasst werden, die sich auf die Profile der Fach-
der zusätzlichen Zieldimension „Gestaltungs- bzw.    bereiche, Fachrichtungen und die einzelnen Berufe
(Mit-)Gestaltungskompetenz“ – mehr noch als bei ei-  beziehen. Entwickelt werden müssen deshalb Aufga-
nem Bezug auf eine berufliche Handlungskompetenz     benstellungen, die den Studierenden für ihre berufli-
– „auf die schöpferische Qualität des selbstverant-  che Zukunft relevant erscheinen. Die Bereichsdidak-
worteten Tuns sowie auf die Inhaltlichkeit der Ge-   tik ist nicht auf die bestehenden Technikerschulen
staltungsspielräume“ (RAUNER 1995, S. 52) verwiesen. hin angelegt. Dennoch hat sie für die curricular vor-
Damit kann für einzelne Sachbereiche als Teil des    geschriebenen und zusätzlichen Bildungsgänge eine
                                                     große Relevanz.
Sachgebietes ein „unauflösbarer Zusammenhang
des technisch Möglichen und des sozial Wünschba-     Die Grenzen einer arbeits- und technikorientierten
ren“ (ebd., S. 57) aufgezeigt werden.                Didaktik liegen darin, dass diese nicht auf spezifi-

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

      sche Fachbereiche, Fachrichtungen und Berufe hin            Die Arbeitsfelder der Berufsdidaktiken für die Techni-
      ausdifferenziert sind und vielleicht auch nicht dar-        kerschulen lassen sich in Anlehnung an die bildungs-
      auf ausgelegt werden sollten, weil sonst übergeord-         theoretische Didaktik für berufliches Lernen und
      nete Momente von Arbeit und Sachgebiet oder Sach-           Studieren in eine solche im weiteren sowie im en-
      bereich aus dem Curriculum ausgeschlossen werden            geren Sinne differenzieren. Danach umfasst die Be-
      und die exemplarische Bedeutung von thematischen            rufsdidaktik im weiteren Sinn alle relevanten didak-
      Aufbereitungen verloren ginge.                              tischen und methodischen Bereiche. Eingeschlossen
                                                                  sind darin sowohl Fragen des Gesamtansatzes der
      Ansätze zu Berufsdidaktiken                                 Lern- und Studienziel- sowie Inhaltsproblematik als
      In der Technikerschule soll für einen Beruf mit Füh-        auch der Methoden und Medien sowie der Lernorga-
      rungsaufgaben im unteren und mittleren Manage-              nisation der Technikerschule. Die Berufsdidaktik im
      ment ausgebildet werden. Deshalb sind nicht nur             engeren Sinne sollte Fragen der Lern- und Studien-
      solche Berufsdidaktiken zu betrachten, wie sie be-          zielfindung, der Auswahl, des Ausschlusses und der
      reits in anderen Zusammenhängen diskutiert wor-             Strukturierung von Lern- und Studieninhalten sowie
      den sind. Vielmehr sind besondere Berufsdidaktiken          deren Evaluation und Transformation im Bildungs-
      wünschens- und erstrebenswert. Zwar werden schon            gang behandeln.
      seit längerem spezifische didaktische Konzepte in           Berufsdidaktik und Methodik des berufsfachlichen
      der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung              Unterrichts stehen letztlich für Planer von Lern- und
      verwendet, diese sind jedoch in ihrer Ausrichtung           Studienprozessen in enger Verbindung zueinander
      auf die angestrebten Zweit- oder Weiterbildungsbe-          und können nur in ihrem interdependenten Zusam-
      rufe verbesserungsbedürftig. Ursachen dafür liegen          menhang, d. h. nicht unabhängig voneinander, ge-
      sowohl im Wandel von Handwerk, Industrie und                sehen und entwickelt werden. Die systematisierten
      Handel als auch in der Differenziertheit der Berufs-        Ergebnisse von Tätigkeitsrecherchen sowie berufs-
      welt und neuer gesellschaftlicher und bildungspoli-         relevanten Aussagen von zusätzlich hinzugezoge-
      tischer Ansprüche.                                          nen Wissenschaften und berufswissenschaftlichen
                                                                  Ansätzen bilden die Basis für die Aufbereitung von
      Für die in der beruflichen Erwachsenen- und Wei-
                                                                  umfassenderen Inhalten für die Unterrichtspraxis im
      terbildung an Fachrichtungen und an der Berufswelt
                                                                  Vorfeld didaktisch-methodischer Entscheidungen.
      orientierten Bildungsgänge sind andere berufsorien-
      tierte oder berufsspezifische didaktische Konzepte          ENTWICKLUNGSMÖGLICHKEITEN DER DIDAKTIK UND
      erforderlich. Hier können Ansätze der Berufsdidak-          METHODIK DER BERUFLICHEN ERWACHSENEN- UND
      tik, die für andere berufliche Schulen konzipiert wor-      WEITERBILDUNG FÜR DIE PRAXIS UND THEORIE
      den sind, hilfreich sein. Darüber hinaus lassen sich        DER TECHNIKERSCHULE
      in der einschlägigen Literatur, u. a. unter Rückgriff
                                                                  Für die berufliche Erwachsenen- und Weiterbildung
      auf deren Gründungsphase, zahlreiche Anregungen
                                                                  an der Technikerschule lagen schon frühzeitig erste
      finden (PAHL 2010, S. 79 ff.).
                                                                  spezifische Unterrichtskonzepte sowie „didaktische“
      Die heutigen Technikerschulen sind viel differenzier-       Ansätze vor. Im Regelfall orientierten sich diese an
      ter in Fachrichtungen und Schwerpunkte gegliedert.          den Grundzügen der allgemeinen Unterrichtslehre
      Sie stellen die jeweiligen Inhalte und Tätigkeitsmerk-      bzw. Unterrichtsmethodik. Schon wenige Jahre nach
      male eines fachrichtungsbezogenen Schwerpunktes             der Gründung wurde aber erkannt, dass im Gegen-
      bzw. Berufes „Techniker/-in“ in den Mittelpunkt einer       satz zum Unterricht an allgemeinbildenden Schulen
      beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung. Darü-           beim Unterricht an beruflichen Lehranstalten „die
      ber hinaus sind die Ziele auch auf eine Abrundung           Anforderungen der Praxis im Vordergrunde“ (zit.
      der Allgemeinbildung gerichtet. Bei neuen didakti-          nach: SCHÜTTE 2003, S. 266) zu stehen hatten. Metho-
      schen Ansätzen sind außerdem – wie schon expli-             disch sollten „naturgemäße“ Unterrichtsverfahren
      ziert – lernpsychologische Reflexionen zur Zielgrup-        eingesetzt werden, die die psychologischen Anlagen
      pe „Erwachsene“ empfehlenswert. Für die berufliche          der Schüler berücksichtigen. Daher sollte sich der
      Weiterbildung, um die es an der Technikerschule im          Unterricht an den Schulen für Technik „nicht aus-
      Kern geht, sind deshalb eher andragogische Lern-            schließlich auf den Vortrag des Lehrers beschränken,
      konzepte erforderlich (s. dazu die Praxisbeiträge in        sondern durch Fragen, Beispiele, Wiederholungen
      diesem Heft).                                               ergänzt werden“ (zit. nach: SCHÜTTE 2003, S. 278). Die

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“

im Vorfeld der „Technikerschule“ geführten Diskussi-                  tigungssystem und an den beruflichen Erfahrungen
onen hatten schon in der Wende vom neunzehnten                        der Studierenden, wobei die Entsprechung von Ver-
zum zwanzigsten Jahrhundert ein beachtliches Refle-                   fahren des Beschäftigungssystems mit Lern- und Stu-
xionsniveau erreicht.                                                 dienmethoden nutzbar ist.
Heute können und müssen Dozentinnen und Dozen-                        Für die Medien gilt, dass neben den Exponaten und
ten bei ihren Lehr- und Studienplanungen auf sehr                     Lernmitteln, die aus der allgemeinbildenden Schule
verschiedene didaktische Konzepte der Allgemein-                      bekannt sind, spezifische Ausbildungs- und Arbeits-
bildung, der Erwachsenenbildung, der beruflichen                      mittel an der Technikerschule eingesetzt werden, die
Weiterbildung und der Berufsausbildung zurückgrei-                    durch fach-, branchen- oder berufsspezifische Be-
fen. Auch wenn es für die Technikerschule spezifi-                    sonderheiten bestimmt sind (MANSFELD 2013).
sche didaktische Konzepte gibt, sind viele Bereiche
                                                                      Die bisher in der Technikerschule praktizierten di-
mit Blick auf ihre Genese von der Allgemeinen Di-
                                                                      daktischen und methodischen Konzepte lassen sich
daktik und den Fachdidaktiken der entsprechenden
                                                                      auch als Ansätze zu spezifischen Didaktiken dieser
Fächer anderer Schularten geprägt (vgl. Abb. 2).
                                                                      semi-akademischen Ausbildungseinrichtung inter-
Für die berufsorientierten Fächer lassen sich dage-                   pretieren, wobei sich bei realistischer Sicht zeigt,
gen neben der arbeits- und technikorientierten Be-                    dass die an der beruflichen Erwachsenen- und Wei-
reichsdidaktik berufsdidaktische Ansätze feststel-                    terbildungsstätte praktizierten didaktischen Konzep-
len, die – ohne expressiv verbis benannt zu werden                    te beruflichen Lernens und Studierens einerseits ein
– mehr oder weniger stark praktiziert werden, wobei                   Konglomerat verschiedenster didaktisch-methodi-
die Berufs- und Fachlichkeit einen hohen Stellenwert                  scher Ansätze aus Allgemeinbildung, Erwachsenen-
einnimmt. Etwas Entsprechendes wie eine ausge-                        bildung und Berufsbildung darstellen, andererseits
formte schulspezifische Didaktik im engeren Sinne                     schon spezifisch und teilweise profilgebend sind.
ist nur in Ansätzen vorhanden.
                                                                      Damit sind Marksteine formuliert, um die Entwick-
Für den Einsatz in der Technikerschule liegt inzwi-                   lung der Didaktiken und Methodiken der Techniker-
schen ein reichhaltiges Reservoir an Vermittlungs-                    schule voranzubringen. Ein solches Vorhaben ist
verfahren vor, auf das die Lehrkräfte bzw. Dozen-                     nicht Selbstzweck, sondern soll die Unterrichtspra-
tinnen und Dozenten zurückgreifen können. Es ist                      xis fundieren und die Bildungsgänge an Techniker-
insbesondere im Bereich der Makromethoden ein                         schulen nachhaltig unterstützen.
umfassendes Methodenangebot vorhanden. Dieses
besteht sowohl aus allgemeinen als auch aus sehr                      ANMERKUNGEN
spezifischen Methoden. Letztere orientieren sich an
                                                                      1) Wegen des traditionellen und auch des heutigen
entsprechenden Arbeitsmethoden und Techniken
                                                                        Sprachgebrauchs wird im Folgenden der Ausdruck
bzw. Arbeits- und Geschäftsprozessen im Beschäf-
                                                                                „Technikerschule“ verwendet, obwohl die
                                                                                offizielle Bezeichnung „Fachschule für
                                                                                Technik“ lautet.
                                                                                2) Deshalb sollten die entstehenden be-
                                                                                rufswissenschaftlichen Ansätze ausge-
                                                                                baut werden, um u. a. zur Erfassung der
                                                                                beruflichen Arbeit im Sachgebiet „Tech-
                                                                                nik“ angemessene Instrumente zu entwi-
                                                                                ckeln.

                                                                                LITERATUR
                                                                                KREBS, W. (Hrsg.) (1992): Technikerausbildung
                                                                                als Aufstiegsfortbildung. Alsbach/Bergstraße
                                                                                MANSFELD, T. (2013): Simulation – fach- und be-
                                                                                rufsdidaktische Innovationen in metall- und
                                                                                elektrotechnischen Domänen. Diss. TU Berlin
Abb. 2: Genese der didaktischen Ansätze beruflichen Lernens für die
        Technikerschule

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SCHWERPUNKTTHEMA „TECHNIKERSCHULEN – FACHSCHULEN FÜR TECHNIK“/PRAXISBEITRÄGE

      PAHL, J.-P. (2010): Fachschule. Praxis und Theorie einer be-    SCHÜTTE, F. (2003): Quellen und Dokumente zur Geschich-
        ruflichen Weiterbildungseinrichtung. Bielefeld                  te der technischen Bildung in Deutschland. Teil 2:
      RAUNER, F. (1995): Gestaltung von Arbeit und Technik. In:         Das technische Fachschulwesen 1890–1938. Quellen
        ARNOLD, R./LIPSMEIER, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbil-       und Dokumente zur Geschichte der Berufsbildung in
        dung. Opladen, S. 50–64                                         Deutschland, Reihe C, Band 8. Köln/Weimar/Wien

      SCHÜTTE, F. (1996): Methodenwandel oder didaktischer Pa-        ZÖLLER, M. (2013): Berufliche Weiterbildung an Fachschu-
        radigmenwechsel? Zur Perspektive der Fachdidaktik an            len. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Da-
        Technikerschulen. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirt-         tenreport zum Berufsbildungsbericht 2013. Bonn, S.
        schaftspädagogik, 92. Band, Heft 2, S. 135–150                  371–374

Berechnungen an Profilen
– ein Beispiel aus dem Fachschulunterricht

      Die Weiterbildung zur Technikerin/zum Techniker für Maschinentechnik umfasst
      wesentliche ingenieurwissenschaftliche Grundlagen, die aber im Gegensatz zur
      Lehre an den Hochschulen nach den aktuellen Kriterien der Berufspädagogik ver-
      mittelt werden sollen. An der Fachschule für Technik der Staatlichen Gewerbe-
      schule für Stahl- und Maschinenbau G1 in Hamburg findet dies im Lernfeld „Mo-
      dellbildung“ seinen Niederschlag. An einem Beispiel zur Querschnittsgeometrie
      in der Festigkeitslehre wird dies mit Hilfe des Unterrichtsverfahrens Konstrukti-
      onsvergleich erklärt.                                                                              ROLAND KOCH

      MODELLBILDUNG – EIN LERNFELD IM BEREICH                         rein virtuelle Lernträger, da die Haupttätigkeit des
      „BERECHNEN UND KONSTRUIEREN“                                    Konstrukteurs im virtuellen Bereich stattfindet. Der
                                                                      Autor hält alle drei Lernträgervarianten für notwen-
      Das Lernfeld „Modellbildung“ wurde an unserer
                                                                      dig, da sie gemeinsam mehr Lernsituationen gene-
      Schule eingeführt, um die Fächer Mathematik, Phy-
                                                                      rieren.
      sik, Statik und Festigkeitslehre zu ersetzen. Neben
      dem fächerverbindenden Aspekt war die Verwertbar-               QUERSCHNITTSGEOMETRIE IN DER
      keit für die Konstruktionslehre, im Bezug auf Inhal-            FESTIGKEITSLEHRE
      te und Methoden, maßgebend. Dieses Unterfangen
      barg und birgt einige Widersprüche und Unwägbar-                „Es ist Aufgabe der Festigkeitslehre, Konzepte be-
      keiten, denen man sich stellen muss:                            reitzustellen, die eine sichere und wirtschaftliche
                                                                      Bauteilauslegung unter Berücksichtigung von Art
      1. keine passenden Referenzen im Bezug auf Niveau               und Höhe der Belastung sowie von Geometrie und
         und Inhalte,                                                 Werkstoffart erlauben.“ (LÄPPLE 2008, S. 1; Hervor-
      2. didaktische Brüche zwischen Grundlagen- und Er-              hebung im Original) Im Bereich Modellbildung erfolgt
         fahrungsfächern,                                             die Auseinandersetzung mit der Geometrie von Kon-
                                                                      struktionselementen als letztes von den drei genann-
      3. Zertifizierungs- und Überprüfungsdruck durch
                                                                      ten Themengebieten. Die Art der Belastung ist rein
         Bildungsstandards,
                                                                      zweidimensional und reduziert sich zunächst auf die
      4. Abbildungsprobleme der konstruktiven Vielfalt                gerade Biegung. Der Einstieg zur Querschnittsgeo-
         auf Lernträger.                                              metrie erfolgt klassisch mit dem rechteckigen Balken
      Ob ein Lernträger ein reales Industrieprodukt oder              unter Verwendung der Rechteckformel für Flächen-
      ein reales oder gar virtuelles Modell sein sollte, wur-         momente zweiten Grades:             .
      de und wird an der G1 durchaus kontrovers disku-                Hierzu gehören auch die Regeln zur Addition und
      tiert. Der Standpunkt der Konstrukteure priorisiert             Subtraktion von Flächenmomenten für zusammenge-

142                                                                                              lernen & lehren | 4/2014 | 116
PRAXISBEITRÄGE

setzte Querschnitte, die eine Reduzierung auf Recht-           Verteilen eines Plattenmaterials mit vorgegebener
eckprobleme ermöglichen (s. Abb. 1).                           Wandstärke können die Lösungsvarianten reduziert
                                                               werden.

                                                               Unterrichtsziel und Methode
                                                               Die Studierenden sollen in einem „Konstruktionsver-
                                                               gleich“ (PAHL 2013, S. 224 ff.) die Phänomene „Wider-
                                                               standsmoment“ und „Flächenmoment zweiter Ord-
                                                               nung“ verstehen lernen sowie diese bedeutsamen
Abb. 1: Beispiel für Addition und Subtraktion von Flächenmo-
        menten                                                 Parameter zur Querschnittsgeometrie unterscheiden
                                                               und anwenden können.
Ein paar Übungsaufgaben, mit der Methode „Papier               Phase 1: Vergleichsanlass: Widerstandsmoment versus
und Bleistift“, sollten die möglichen Denkfehler the-                   Formsteifigkeit
matisieren und Unsicherheiten reduzieren. Außer-
                                                               Anhand der Profilpaare, die den Lernern zur Verfü-
dem wird mit dem Randfaserabstand zmax das Wider-
                                                               gung stehen, wird das Verhalten auf gerade Durch-
standsmoment eingeführt:             .
                                                               biegung anschaulich überprüft. Dies geschieht am
DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUM                                   einfachsten, indem versucht wird, die Profile mit der
UNTERRICHTSABLAUF                                              Hand durchzubiegen (Abb. 3).

Phase 0: Fertigung zweier Profile
Im Vorfeld des Unterrichts bekommen die Lernenden
den Auftrag, ein Kreuz- und ein Kastenprofil (s. Abb.
2) nach folgenden Vorgaben anzufertigen:

                                                               Abb. 3: Belastete Profile (Kreuzprofil links; Kastenprofil rechts)

                                                               Phase 2: Intuitives Vergleichen, Hypothesenbildung und
                                                                        Hypothesenüberprüfung
                                                               Der wahrgenommene Unterschied, dass das Kas-
                                                               tenprofil biegsamer und das Kreuzprofil steifer ist,
                                                               wird von allen Studierenden variantenübergreifend
Abb. 2: Kreuz- und Kastenprofil
                                                               bestätigt. Manchmal ergibt sich der Glücksfall, dass
– Der Werkstoff sollte leicht und flexibel sein, z. B.         eine Studierende bzw. ein Studierender ein zu sprö-
  feinporiges Styropor.                                        des Material als Werkstoff verwendet hat. Dann kann
                                                               mit einem leider nur einmal durchführbaren Bruch-
– Etwaige Klebeverbindungen müssen elastischer
                                                               test (!) auch demonstriert werden, dass das Wider-
  als der Werkstoff sein.
                                                               standsmoment beim Kreuzprofil geringer ist. Die
– Die Klebeverbindungen dürfen das Festigkeitsver-             Beobachtungen werden rechnerisch überprüft und
  halten nicht stark verändern.                                bestätigt:                    .
– Die Länge des Profils ist deutlich größer als seine          Dieses Vergleichsergebnis führt zu ersten Hypothe-
  Außenmaße, z. B. 10:1.                                       sen, z. B.:
– Für beide Querschnitte gilt jeweils:                         – Dem Kastenprofil fehlt Höhe, deshalb hat es eine
  – zweiachsige Symmetrie und h = b,                             geringere Formsteifigkeit.
  – gleiche Wandstärke und gleiche Querschnitts-               – Die Waagerechte des Kreuzprofils liegt ungünstig.
    fläche,                                                    – Das Kastenprofil hat eine geschlossene, rohrähnli-
  – kleine Wandstärke zur Profillänge, z. B. 1:20.               che Struktur.
Scheinbar sind die Einschränkungen sehr groß, aber             Die Erklärungsversuche der Studierenden werden
die Schülerlösungen variieren doch erheblich. Durch            dokumentiert und in Arbeitsgruppen auf logische

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PRAXISBEITRÄGE

      Schlüssigkeit überprüft. Jetzt verdichten sich zwei
      Kernhypothesen:
      – Das Widerstandmoment geht zu Lasten der Form-
        steifigkeit.
      – Die Formsteifigkeit geht zu Lasten des Wider-
        standsmomentes.
      Je nach Temperament und Diskutierfreudigkeit der
      Studierenden wird die Hypothese „Formsteifigkeit        Abb. 4: Lösungsvarianten der Kastenprofile

      versus Widerstandsmoment“ mit Vorschlägen, Bei-         Höhe einfließen zu lassen. Außerdem wird auch Ma-
      spielen und Beobachtungen untermauert oder ange-        terial in die waagerechten Randstücke „investiert“
      zweifelt.                                               (wie im unteren Beispiel dargestellt). Folglich haben
      Phase 3: Vergleichsplanung mit                          die so entdeckten verschiedenen I-Profile (Doppel-T)
               Vergleichszielformulierung                     erstaunlich hohe Flächen- und Widerstandsmomen-
                                                              te. Diese können dann wiederum tabellarisch fest-
      Zwangsläufig werden Fragen laut, ob nicht bei           gehalten, verglichen und bewertet werden. Mit der
      gleichbleibenden Querschnittsflächen und Wand-          gefundenen optimalen Querschnittsgeometrie (s.
      stärken die Geometriewerte verbessert werden kön-       Abb. 5) wird der zum Unterrichtsbeginn festgestellte
      nen. Aus dem Paarvergleich wird nun ein Vergleich       Widerspruch widerlegt, dass ein hohes Widerstands-
      zwischen den Arbeitsergebnissen der Studierenden.       moment zu Lasten einer niedrigen Formsteifigkeit
      Gemeinsam werden die Optimierungsbedingungen            geht bzw. eine hohe Formsteifigkeit ein niedriges
      festgelegt. Als Zielformulierung sind bei senkrechter   Widerstandsmoment zur Folge hat.
      Symmetrie, gleichbleibender Querschnittsfläche und
      Wandstärke möglich:
      – Erhöhung des Widerstands- und Flächenmoments.
      – Verbesserung des jeweilig ungünstigeren Parame-
        ters.
      Phase 4: erste Optimierungssequenz und
              Vergleichsdurchführung                          Abb. 5: Optimierung der Profile
      Die Lerner fangen an, zu den Querschnittsflächen ih-
      rer Profile neue Profile zu entwerfen und deren Geo-    Ausblick und Fortführung des Themas
      metriewerte nachzurechnen. Da die Formsteifigkeit       Die stattgefundene umfangreiche Optimierungsse-
      im Wesentlichen von der Höhe h abhängt, entstehen       quenz ermutigt die Studierenden, noch weitere Op-
      rechteckige Kastenprofile mit h > b. Diese Lösungs-     timierungsmaßnahmen vorzuschlagen, z. B. durch
      varianten (s. Abb. 4) ergeben sich aus der vorgege-     Aufgabe der Profilsymmetrie, die zu einer Verschie-
      benen Ausgangssituation und der relativ leichten        bung der Schwerelinie führt. Unsymmetrische Profile
      Berechenbarkeit von Kastenprofilen. Die mit „Papier     erfordern dann die Herleitung des „Steinerschen Sat-
      und Bleistift“ berechneten Widerstandswerte und         zes“. Mit Hilfe des „Steinerschen Satzes“ können vie-
      Flächenmomente werden tabellarisch festgehalten,        le Profilvarianten entwickelt und berechnet werden.
      verglichen und bewertet.                                Außerdem ist jetzt ein sicherer Umgang mit Tabel-
      Phase 5: zweite Optimierungssequenz und                 lenwerten zu Normprofilen und deren konstruktiven
               Vergleichsauswertung                           Kombinationen möglich. Nun können neu entwickel-
                                                              te Profile und Profilkombinationen aus Normprofilen
      In der Regel wird von einigen Studierenden die Fra-     mit außermittiger Schwerelinie berechnet werden
      ge aufgeworfen (manchmal auch die Behauptung),          (Beispiele in Abb. 6 und Abb. 7).
      ob (bzw. dass) die Profilgeometrie noch weiter zu
      verbessern sei. Im Plenum wird dann das „Wie“           SCHLUSSBETRACHTUNG
      diskutiert. Gute bzw. berufserfahrene Studierende
                                                              In dem Unterrichtsbeispiel kommen nicht alle Pha-
      verzichten auf einen der beiden senkrechten Stege,      sen des Konstruktionsvergleiches zum Einsatz, da für
      um das dadurch gewonnene Material in eine größere

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PRAXISBEITRÄGE

                                                          einem Jahr werden Sie sich nicht mehr an die For-
                                                          mel für das Flächenmoment erinnern – an die Profile
                                                          aber doch!“
                                                          Insgesamt ist das Feedback der Lerner sehr positiv,
                                                          da diese Art des Unterrichts eine angenehme und
Abb. 6/7: Zu beherrschende praktische Anwendungsfälle
                                                          entspannte Arbeitsatmosphäre bei gleichzeitig ho-
                                                          hem Lernzuwachs fördert. Darüber hinaus bestätigen
                                                          die Konstruktionskollegen, dass die Studierenden in
diese Anwendungssituation dann doch mit Kanonen           den späteren Semestern – in den „harten“ Anwen-
auf Spatzen geschossen werden würde. Wem der Ter-         dungssituationen – sicher mit Flächenmomenten
minus „Konstruktion“ nicht behagt, könnte die Lern-       zweiter Ordnung und Widerstandsmomenten umge-
situation auch als „Homologievergleich“ titulieren.       hen können.
In den bisher durchgeführten Unterrichten wird die
Chronologie der Unterrichtsphasen 3, 4 und 5, be-         Realmodelle nehmen als Lernträger eine Zwitterfunk-
dingt durch die Spontanität und Berufserfahrung der       tion zwischen einem realen Industrieprodukt und
Studierenden, oftmals durcheinander geworfen. Die-        einem CAD generierten virtuellen Produkt ein. Beim
ses erfordert dann vom Unterrichtenden, „dramatur-        Thema „Querschnittsgeometrie“, dass unabhängig
gisch“ einzugreifen. Es kann z. B. so aussehen, dass      vom Werkstoff behandelt werden kann, ist ein Real-
eine leistungsstarke Arbeitsgruppe ihre einzelnen         modell z. B. aus Hartschaum ein idealer Lernträger,
Optimierungsschritte dem Plenum vorträgt und da-          da es als einprägsamer Gedächtnisanker fungiert
mit eine übertragbare Lösungsidee für die anderen         und durch materielle Leichtigkeit gute Handhabbar-
Lerner zur Verfügung stellt. Da die Spontanität und       keit ermöglicht. Versuche, auch destruktive, können
Lebendigkeit der Studierenden sehr viel Spaß bringt,      kostengünstig realisiert werden, und es hilft, eine
wurde bisher auf eine lenkende Agenda zum Einstieg        doch recht trockene Theoriewüste zu kultivieren.
in die Lernsituation verzichtet.
                                                          LITERATUR
Manchmal wird auch von den Studierenden der Ferti-
                                                          LÄPPLE, VOLKER (2008): Einführung in die Festigkeitslehre.
gungsaufwand für die Profilmodelle in Frage gestellt,       Schorndorf
etwa mit den Worten: „Man kann das doch gleich al-
                                                          PAHL, JÖRG-PETER (2013): Ausbildungs- und Unterrichtsver-
les auf dem Papier berechnen!“ Die Entgegnung: „In
                                                            fahren. Bielefeld

    Liebe Leserinnen und Leser,
    die Zeitschrift „lernen & lehren“ möchte sehr gern vor allem den Fachleuten an den Lernorten die Mög-
    lichkeit einräumen, die vielfältigen Erfahrungen gut funktionierender Ausbildungs- und Unterrichtspra-
    xis in Beiträgen der Zeitschrift zu veröffentlichen. Daher möchten wir Sie gern ermuntern, sich mit der
    Schriftleitung in Verbindung zu setzen. Wir streben wie bisher an, pro Heft zwei vom Themenschwer-
    punkt unabhängige Beiträge zu veröffentlichen.
    Wenn Sie Interesse haben, an einem Themenschwerpunkt mitzuwirken, setzen Sie sich bitte rechtzei-
    tig mit uns in Verbindung, da die Herstellung der Zeitschrift einen langen zeitlichen Vorlauf benötigt.
    Ab dem vierten Quartal 2015 sind derzeit folgende Themenschwerpunkte geplant:

    – Industrie 4.0
    – Elektromobilität
    – Beitrag der berufsbildenden Schulen zur Lehrer(aus)bildung und forschendes Lernen

    Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung!
    Herausgeber und Schriftleitung

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