Lesbische Mütter, schwule Väter und ihre Kinder im Spiegel psychosozialer Forschung

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Lesbische Mütter, schwule Väter und ihre Kinder
          im Spiegel psychosozialer Forschung
                      Elite Jansen & Melanie Caroline Steffens

Therapeutinnen und Therapeuten machen sicherlich          len (Co)Vätern. Ziel des vorliegenden Beitrags ist
ebenso wie Vertreter/innen anderer Berufsgruppen          es, über diese Familienkonstellationen zu informie­
unbeabsichtigt mehr oder weniger zutreffende An­          ren und einen Überblick über entsprechende For­
nahmen darüber, wie Schwule und Lesben leben              schungsarbeiten zu vermitteln (vgl. auch Fthenakis,
(LSVD, 2003, 2005a). Eine irrtümliche Annahmen            2000; Jansen, 2003, 2005; Steffens & Thompson,
könnte lauten: Lesben und Schwule leben ohne              2003).
Kinder und wollen dies auch so. Amerikanischen                 Die Mehrheit der Kinder lesbischer Mütter und
Schätzungen zufolge hat im Schnitt jedoch jede            schwuler Väter stammt heute noch aus vorangegan­
dritte lesbische Frau und jeder fünfte schwule Mann       genen heterosexuellen Beziehungen. Zunehmend
ein oder mehrere Kinder (Bozett, 1987). In den            entscheiden sich Lesben und Schwule auch für ei­
Niederlanden hat laut einer aktuellen Statistik nach­     gene Kinder nach ihrem Coming-out. Kinder wer­
weislich jedes sechste lesbische Paar Kinder (18 %;       den via heterologer Insemination (mit Spender­
Expatica News & ANP, 2005). So können wir sicher          samen) in lesbischen Beziehungen geboren und
davon ausgehen, dass derzeit in Deutschland tau­          wachsen in ihnen auf Schwule oder lesbische Paare
sende Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen,            geben vermehrt Pftege- und Adoptivkindern ein
d. h. bei ihren lesbischen (Co)Müttern oder schwu­        neues Zuhause (LSVD, 2002, 2005b) oder realisie-

                                      Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis,38. Jg. (3), 643-656,2006
ren ihren Kinderwunsch gemeinsam als so genann­          für das Wohlbefinden ihrer Kinder bedeutsam und
te Queerfamily (Badelt, 2003). Alle diese Mütter         schädlich sind.
und Väter tragen alleine oder in einer Partnerschaft         Dieser Gedanke öffnet die Türe zum Bereich
Verantwortung für die Erziehung und das Wohler­          der Mythen und Vorurteile über schwul-lesbische
gehen ihrer Kinder. Diese Familien nennen sich           Lebensweisen. Hier eine Kostprobe der gängigsten
Regenbogenfamilien. Die mit dem Regenbogen               Vorbehalte (Berger, Reisbeck & Schwer, 2000;
assoziierte homosexuelle "Keim"zelle der Familie         Jansen, 2003; Rauchfleisch, 1997). Es wird postuliert
liegt hier in der Elterngeneration. Im angloameri­       dass Lesben und Schwule keine Kinder aufziehen
kanischen Sprachraum werden sie LGBT Families            sollten, da
genannt (Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender).
     "Regenbogenfamilien" bilden eine eigene Fa­         ~   sie ihre Kraft zur Aufrechterhaltung ihres ei­
milienform ebenso wie z. B. Eineltern-Familien oder          genen psychischen Wohlbefindens benötigen
Patchwork-Familien. Allen und Demo bieten fol­               würden,
gende Definition (1995, S. 113): "Lesbian and gay        ~   ihre Paarbeziehungen nur von kurzer Dauer
families are defined by the presence oftwo or more           selen,
people who share a same-sex orientation (e. g. a         ~   ihr Coming-out für die Kinder zu belastend
couple) or by the presence of at least one lesbian or        seI,
gay adult rearing a child."                              ~   ihre Kinder selbst lesbisch oder schwul werden
     Regenbogenfamilien können durch die Famili­             würden,
enform begünstigte entwicklungspsychologische            ~   ihre Töchter zu männlich und ihre Söhne auf­
Besonderheiten aufweisen. Lesbische Paare etablie­           grund fehlender oder "falscher" Rollenmodelle
ren z. B. häufig egalitäre Rollenverteilungen, die sie       zu weiblich werden würden,
im Gegensatz zur Mehrheit heterosexueller Partner­       ~   ihre Kinder sich aufgrund der homosexuellen
schaften auch nach der Geburt der Kinder beibehal­           Lebensform der Eltern von Gleichaltrigen zu­
ten (Gartrell et al. , 2000, 1999; Krüger-Lebus &            rückziehen und sozial isolieren würden,
Rauchfleisch, 1999). Regenbogenfamilien müssen           ~   die Kinder diskriminiert würden, da die Gesell­
auch heute noch einen Umgang mit Klischees und               schaft noch nicht reif für solche Familien sei.
Vorurteilen gegenüber schwul-lesbischer Elternschaft
entwickeln oder mögliche Sticheleien oder struktu­       Psychosoziale Studien zur Lebenswirklichkeit von
relle Diskriminierungen bewältigen. Eltern wie Kin­      Regenbogenfamilien attestieren lesbischen Müttern
der sind gefordert, ein Selbstverständnis ihres fami­    und schwulen Vätern seit langem eine angemessene
liären Kontextes zu schaffen oder Antworten auf die      Erziehungsfähigkeit und ihren Kindern eine gelun­
Frage nach dem "wie offen wollen wir wo sein" zu         gene emotionale, soziale und sexuelle Entwicklung
finden. Hier kann, so Rauchfleisch (2005), alleine       (Anderssen, Amlie & Ytteroy, 2002; Berger et al.,
die Verwendung und Etablierung des Begriffs "Re­         2000; Fthenakis, 2000). Dennoch ist ein adäquater,
genbogenfamilie" eine identitätsstiftende Wirkung        sach- und zeitgemäßer Umgang mit Regenbogen­
haben und "Selbstbewusstsein von lesbischen und          familien in Politik und Gesellschaft nicht überall
schwulen Paaren mit Kindern stärken".                    gegeben.
     Das Alltagsleben von Regenbogenfamilien ist             Potentielle Belastungsquellen im Familienalltag
ebenso wie die Realisation des Kinderwunsches in         lesbischer Mütter, schwuler Väter und ihrer Kinder
Deutschland für lesbische Frauen und schwule Män­        werden ebenso durch die rechtliche und gesellschaft­
ner mit weit mehr Schwierigkeiten verbunden als          liche Diskriminierung genährt wie durch Informati­
für heterosexuelle Frauen und Männer oder für            onsmangel und Verhaltensunsicherheiten von Seiten
homosexuelle Paare z. B. in den Niederlanden oder        familienrelevanten Fachpersonals (LSVD, 2003).
Spanien. In früheren Jahren wurde lesbischen Frauen          Was wissen wir heute über schwul-lesbische
und schwulen Männern im Rahmen von Scheidungs­           Elternschaft und die Kinder, die in Regenbogenfa­
prozessen häufig das Sorgerecht für ihre Kinder          milien aufwachsen? Diesen Fragen werden wir im
vorenthalten, wenn ihre sexuelle Orientierung be­        vorliegenden Artikel nachgehen.
kannt wurde.
     Juristische Begründungen und gesellschaftliche
Überzeugungen spiegelten die Annahmen, dass              1. Methodische Aspekte
lesbische Mütter und schwule Väter sich von hete­        Eine gute Quelle für Informationen über den Fami­
rosexuellen Eltern in Aspekten unterscheiden, die        lienalltag von Regenbogenfamilien stellen psycho­

         Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
soziale Studien dar, die sich mit lesbischen Müttern,   lienkonstellationen verbrachten. Neuere Studien,
schwulen Vätern und ihren Kindern beschäftigt           die sich auf Regenbogenfamilien konzentrierten, in
haben. Diese Forschungsarbeiten stammen bis heu­        welche die Kinder hineingeboren worden waren,
te mehrheitlich aus dem angloamerikanischen Raum,       konnten allerdings positive Entwicklungen doku­
Erhebungen in Deutschland sind rar.                     mentieren (Golombok, Tasker & Murray, 1997;
     Eine Anmerkung zur Qualität der vorliegenden       Gartrell et a1., 1996).
Studien: Da die frühe Forschung durch Sorgerechts­           Dem Kritikpunkt der selektiven kleinen Stich­
prozesse lesbischer Mütter ausgelöst wurde, herrschte   proben begegneten Forscher/innen mit Studien, in
eine defizitorientierte Perspektive vor, die entweder   denen die Facette lesbischer Mutterschaft in reprä­
zum Kampf gegen oder zum Beweis für verbreite­          sentative Studien z. B. zu Schwangerschaft und
te Vorurteile gegen schwule und lesbische Eltern        Kindheit integriert wurde. In Großbritannien star­
ins Feld zog. Dies schränkte die Themen, die er­        tete um die lahrtausendwende eine repräsentative
forscht wurden, stark ein, und das Design der Un­       Längsschnittstudie, die so genannte ALSPAC (Avon
tersuchungen fokussierte primär auf einen "Homo­        Longitudinal Study ofParents and Children), in der
Hetero-Vergleich". Kritiker der "Regenbogenfami­        Golding und ihre Arbeitsgruppe (Golding, Pembrey,
lienforschung" weisen gerne auf methodische Ein­        lones & the ALSPAC Study Team, 2001) 14000
schränkungen dieser Studien hin, wie z. B. die Frage    Mütter und ihre Kinder untersuchen. Golombok
der adäquaten Vergleichsgruppen: Ist es tatsächlich     konnte sich hier anschließen und eine repräsentative
angemessen, Kinder einer Mutter, die nach der           Stichprobe lesbischer Mütter mit siebenjährigen
Scheidung vom Kindsvater lesbisch lebt, mit Kin­        Kindern begleiten (Golombok et al., 2003).
dern in heterosexuellen Familien zu vergleichen,             Im Folgenden wollen wir uns neueren Untersu­
die keine Trennung erlebt haben? Methodisch zwei­       chungen zuwenden, die Themen klassischer "Fami­
felhaft sind auch die eher kleinen Stichproben. Di­     lienforschung" aufgenommen haben und bei denen
ese Kritik ist zwar hinsichtlich einzelner Studien      der Regenbogenkontext nur ein Spezifikum der
berechtigt, stellt jedoch den Wahrheitsgehalt der       Untersuchung darstellt. Es werden z. B. Famili­
Ergebnisse summa summarum nicht in Frage. Mitt­         enstrukturen und -dynamiken beleuchtet (z. B. Sin­
lerweile wurden die zentralen Ergebnisse in viel­       gles oder Paare mit Co-Müttern, Beziehungszufrie­
fältigen Studien über die Jahre hinweg repliziert       denheit oder die Zufriedenheit mit den Rollenauf­
(Patterson, 1992). Darüber hinaus fanden metho­         teilungen) oder die soziale und ökonomische Situ­
dische Kritikpunkte beim Design späterer Studien,       ation der Regenbogenfamilien betrachtet (Gartrell
die zu vergleichbaren Resultaten führten, eine ad­      et al., 1996, 1999,2000).
äquate Berücksichtigung (Tasker & Golombok,
1997a, 1997b; Golombok & Tasker, 1996; Golombok
et a1., 2003).                                          2. Homosexuelle Eltern:
     Ein Argument gegen die Validität früher Studien    "Erziehungsfähigkeiten" & -verhalten
ist der "Schläfer-Effekt": Kritiker hatten behauptet,   Eine Fülle von Studien belegt, dass lesbische Müt­
dass die Kinder lesbischer Mütter erst mit zeitlicher   ter und schwule Väter angemessen über die Fähig­
Verzögerung - also beispielsweise im jüngeren Er­       keit verfügen, Kinder zu erziehen und in Liebe zu
wachsenenalter - Störungen aufweisen würden, z. B.      begleiten. Sie unterschieden sich durchaus in einigen
beim Aufbau intimer Beziehungen. So wäre es nicht       Aspekten des Erziehungsverhaltens von Heterose­
verwunderlich, dass die Studien ,jetzt noch" positive   xuellen; dies scheint aber dem Wohlbefinden ihrer
Entwicklungen dokumentierten. Golombok und Tas­         Kinder grundlegend zuträglich zu sein.
ker konnten diese Kritik mit Hilfe von Follow-ups            So scheinen Väter, homosexuelle wie heterose­
ihrer frühen Studien aushebeIn (Golombok & Tasker,      xuelle, ihre Kinder zur Autonomie anzuregen, mit
1996; Tasker & Golombok, 1997a, 1997b). Ob Kin­         ihnen vermehrt Erholungs- und Freizeitaktivitäten
der von Lesben und Schwulen im hohen Alter ver­         zu teilen und sich mit generellen Brennpunkten der
stärkt Störungen aufweisen, ist demnach zum jetzigen    Elternschaft, wie der Gesundheit der Kinder und
Zeitpunkt noch offen.                                   ihrer schulischen Förderung, zu beschäftigen (Harris
     Ein weiterer Ansatz der Kritik erkennt die in      & Turner, 1985; Turner, Scadden & Harris, 1990).
den Studien dokumentierte positive Entwicklung          Schwule Väter scheinen jedoch etwas anders zu
der Kinder aus Regenbogenfamilien zwar an, führt        machen als ihre heterosexuellen Rollengenossen: Sie
sie jedoch ursächlich auf die ersten Jahre im Lehen     weisen ein stärkeres Engagement in ihrer Elternrol­
der Kinder zurück, die sie in heterosexuellen Fami­     le auf, gehen z. B. häufiger zu Schul- und Sportver­

                                                                           38. Jg. (3), 643-656, 2006
anstaltungen oder Theateraufführungen, an denen        Frauen häufiger als androgyn an, schreiben sich
ihre Kinder teilnehmen. Ferner zeigen sie mehr         typisch weibliche und typisch männliche Eigen­
Konsequenz bei der Einhaltung von Regeln bei           schaften zu (Hoeffer, 1981, zitiert nach Kirkpatrick,
"gleichzeitig stärkerer Betonung der Beratung und      1996; Steffens & Schertzl, in preparation).
Begleitung" ihrer Kinder. Die befragten schwulen            Erziehungs- und Versorgungsaufgaben sind
Väter waren also verstärkt bereit, sich durch erzie­   sowohl ohne als auch mit Kindern in lesbischen
herische Strenge "unbeliebt" zu machen, indem sie      Partnerschaften "gleichberechtigter, flexibler und
die Kinder in die Regel-Verantwortung nahmen,          demokratischer" verteilt als in heterosexuellen Part­
während sie sich mehr Zeit für Erklärungen und         nerschaften (Fthenakis, 2000; Gartrell et al., 1996,
gemeinsame Gespräche nahmen (Bigner & Jacobsen,        1999, 2000). Auch in "modernen" heterosexuellen
1992). Die Ergebnisse legen durchaus nahe, dass        Beziehungen scheint es weiterhin so, dass nach der
unter den befragen heterosexuellen Vätern nicht        Geburt eines Kindes der Löwenanteil der Erzie­
viele "neue Väter" vertreten waren (Fthenakis,         hungs- und Versorgungsarbeit ganz klassisch an die
1999). Diese Ergebnisse sind plausibel. Die eher       Mutter übergeht (Rauchfleisch, 1997, 2001). Zur
klassische und durch die verbreitete Strukturierung    Veranschaulichung sei hier auf die amerikanische
der Erwerbstätigkeit begünstigte geschlechtspezi­      "National Lesbian Family Study" hingewiesen
fische Rollenaufteilung kann bei homosexuellen         (Gartrell et al., 1999,2000). Hierbei handelt es sich
Elternpaaren nicht zum Tragen kommen: Wenn zwei        um eine längsschnittlich angelegte Studie, die Fa­
schwule Väter gemeinsam Kinder erziehen, ist es        milien mit lesbischen Müttern untersucht, die ihren
immer ein Vater, der die erzieherischen Aufgaben       Kinderwunsch mittels heterologer Insemination
übernimmt.                                             realisiert haben. Gut 80 Familien sollen seit Ende
     Zur Erziehungsfähigkeit lesbischer Mütter: Der    der 90er Jahre über einen Zeitraum von 25 Jahren
Lebensstil von Frauen mit Kindern scheint keine        begleitet werden. Zur Aufgabenteilung zeigte sich
typisch homosexuellen oder heterosexuellen Cha­        in den bisherigen Ergebnissen folgendes: Als die
rakteristika aufzuweisen; es gibt nicht die typisch    Kinder zwei Jahre alt waren, schilderten 75 % der
lesbische Art, ein Baby zu wickeln. Alle befragten     Befragten die Aufteilung der Erziehungs- und Ver­
Mütter richteten ihren Alltag primär nach den Be­      sorgungsaufgaben als gleichberechtigt. Als das Kind
dürfnissen ihrer Kinder aus (Flaks, Ficher, Master­    in die Schule kam, waren es noch fast 60 %.
pasqua & Joseph, 1995), verfügen über ein ver­              In Regenbogenfamilien ist zumindest eine Mut­
gleichbar gut funktionierendes soziales Unterstüt­     ter oder ein Vater immer der nicht-leibliche und oft
zungsnetz (Patterson, 1994, 1997) und versuchen,       auch der rechtlose Elternteil. Sie oder er erhält die
Kinder und Beruf "unter einen Hut" zu bringen.         Rolle eines sozialen Elternteils - eines Co- Vaters
     Neben diesen grundlegenden Ähnlichkeiten gibt     oder einer Co-Mutter - die viele Herausforderungen
es auch interessante Unterschiede im Erziehungsge­     birgt (Jacobs, 2003). "Co heißt daneben, nicht gleich­
schehen und der Partnerschaft von Müttern. Lesbische   berechtigt", beschrieb eine Co-Mutter im Verlauf
Mütter scheinen ihre Präferenzen bezüglich des ge­     eines LSVD-Familienseminars ihre eigene Position.
schlechtsspezifischen Rollenverhaltens ihrer Kinder    Die Rolle des sozialen Elternteils bzw. Co-Elternteils
stärker an den Wünschen der Kinder zu orientieren      in Regenbogenfamilien besitzt keinen offiziell aner­
als an den vorgegebenen gesellschaftlichen Normen.     kannten Status. Auch wenn Kinderbetreuung und ­
Wenn es also z. B. um die Spiele ging, die ihre Kin­   erziehung gleichberechtigt aufgeteilt werden, gilt der
der gerade begeisterten, gaben sich die befragten      soziale Elternteil in allen gesellschaftlich und finan­
lesbischen Mütter entspannter und ließen ihre Kinder   ziell relevanten Kontexten (z. B. Gesundheits- oder
unabhängig von geschlechtstypischenAusrichtungen       Rentenwesen) entgegen der familiären Realität als
gewähren. Amerikanische heterosexuelle Mütter          kinderlos. Wenn die Eltern in einer eingetragenen
zogen für Jungs eindeutig typisch männliche und für    Lebensgemeinschaft leben, ist die Co-Mutter oder
Mädchen eindeutig typisch weibliche Aktivitäten als    der Co-Vater dem Kind gegenüber nur ein/e "ver­
Spiele vor (Hoeffer, 1981; Kweskin & Coyle, 1995).     schwägerte/r FremdeIr". Für die Kinder in Regen­
Wie sehr Müttern geschlechtsspezifisches Rollen­       bogenfamilien beinhaltet dies große Schutzlücken
verhalten der Kinder wichtig war, hing nicht direkt    hinsichtlich Unterhalt und Erbrecht sowie im Falle
mit der sexuellen Orientierung der Mütter zusammen,    des Todes des leiblichen Elternteils oder bei Trennung
sondern damit, wie feminin das Selbstbild der Müt­     der gleichgeschlechtlichen Partnerlinnen. Einige der
ter und ihr Ideal waren (Kweskin & Cook, 1982).        Befragten in einer empirischen Untersuchung (Mc­
Lesben sehen sich im Vergleich zu heterosexuellen      Clellan, 2001) waren unsicher, ob sie sich "Mutter"

         Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
nennen dürfen, fühlten sich immer wieder wie Hoch­            Durch die Einschränkung der Stiefkindadopti­
staplerinnen und hatten Verlustangst im Falle von        on auf leibliche Kinder bleibt die Situation von
Trennung oder Tod der biologischen Mutter. Die           Familien, die Adoptivkindern ein neues Zuhause
Befragten, denen die Adoption der Kinder möglich         geben, weiterhin ungeregelt. Ebenfalls unberück­
wurde, berichteten, dass damit auch eine frühere         sichtigt bleiben lesbische und schwule Patchwork­
emotionale Zurückhaltung deutlich wurde. Voll­           familien, in die die Partner/innen Kinder aus vo­
machten und entsprechende Absicherungen können           rangegangenen Beziehungen mitbringen. In diesen
zu mehr Selbstsicherheit beispielsweise in schu­         Familienkonstellationen, wo Beziehungen zu El­
lischen Zusammenhängen verhelfen.                        ternteilen außerhalb der homosexuellen Partner­
     Seit dem 1. Januar 2005 können lesbische Co­        schaft bestehen und aufrechterhalten werden wollen
Mütter oder schwule Co-Väter in Deutschland leib­        und sollen, kann ein gemeinsames (großes) Sorge­
liche Kinder ihrer/ihres eingetragenen Lebenspart­       recht Sicherung bringen. So würde der "dritte"
nerin/-partners als Stiefkind adoptieren (§ 9 Abs.       Elternteil bei weitreichenden Entscheidungen selbst­
7 LPartG). Durch die Adoption erhält die Stiefmut­       verständlich Gehör finden.
ter oder der Stiefvater rechtlich die gleiche Stellung        Die Beziehungen lesbischer Co-Mütter zu Kin­
wie ein leiblicher Elternteil mit allen Rechten und      dern, die aus ehemals heterosexuellen Beziehungen
Pflichten wie Sorgerecht und Unterhaltsverpftich­        stammen, unterscheiden sich durchschnittlich von
tung. Die Verwandtschafts bande des Kindes zum           denen heterosexueller Stiefväter und biologischer
"weichenden" Elternteil und dessen Verwandten            Väter. Von Golombok und Tasker (1996) wurden in
werden vollständig aufgehoben. Dies bedeutet in          einer Untersuchung Kinder im Kindesalter und
der deutschen Rechtslandschaft ein Novum: Ein            erneut im jungen Erwachsenenalter (mit etwa 24
Kind mit zwei Vätern oder zwei Müttern. Für les­         Jahren) befragt. Die Beziehungen zu den lesbischen
bische Mütter, die gemeinsam ein Kind großziehen,        Co-Müttern hielten länger an und waren durch mehr
das in der lesbischen Beziehung geboren wurde, ist       Offenheit geprägt als diejenigen zu ihren heterose­
die Stiefkindadoption ein probater Weg. Das Kind         xuellen Stiefvätern bzw. biologischen Vätern. So
ist die Erfüllung eines geteilten Kinderwunsches         pflegten Kinder, nachdem sie aus dem Elternhaus
und es gibt in der Regel keinen "dritten Elternteil",    ausgezogen waren, intensiveren Kontakt zu ihren
der seine gelebte und gewünschte Elternbeziehung         Co-Müttern und waren eher bereit, mit ihnen ihre
aufgeben muss. Somit hat die juristische Realität        Probleme zu besprechen - auch solche (hetero)
die gelebte Wirklichkeit eingeholt.                      sexueller Natur - als mit den biologischen Vätern
     Eine Wirkung hiervon belegt die bereits er­         (Golombok, Tasker & Murray, 1997).
wähnte "National Lesbian Family Study" sehr an­               Auch Co-Mütter zeigen viel Konsequenz im
schaulich (Gartrell et al., 1996, 1999, 2000). U. a.     Erziehungsverhalten, d. h. sie scheuen nicht vor "Dis­
wurde die objektive und subjektive innere Bindung        ziplinierung und Grenzziehung" zurück, auch in
der Mütter und Co-Mütter mit ihrem Kind ermittelt.       Familienkonstellationen, in die Kinder hineingeboren
Objektiv war die Bindung der Mütter und Co-Müt­          wurden (Brewaeys, Ponjaert, von Hall & Golombok,
ter an ihr Kind bzw. der Kinder an sie vergleichbar      1997). Es scheint ferner so, dass lesbische Co-Mütter
stark und tragend, es gab jedoch erhebliche Unter­       mit ihren Partnerinnen sowohl in ihrer Einschätzung
schiede in der subjektiven Wahrnehmung der Co­           der Kinder - z. B. hinsichtlich ihrer emotionalen und
Mütter. In den ersten zwei Jahren nach der Geburt        sozialen Entwicklung - als auch grundlegend in ihrem
des Kindes berichteten mehr als die Hälfte der Co­       Erziehungsverhalten stärker übereinstimmen als he­
Mütter (64 %) von Neidgefühlen, die sie auf die von      terosexuelle Mütter mit ihren Partnern (Chan, Raboy
ihnen wahrgenommene größere Nähe der biolo­              & Patterson, 1998; Brewaeys et al., 1997). Die hete­
gischen Mutter zum Kind empfanden. Mit zuneh­            rosexuellen Väter sahen z. B. sehr viel weniger Pro­
mendem Alter der Kinder und damit einhergehenden         bleme bei den (Stief-)Kindern als ihre Partnerinnen.
Veränderungen in den Erziehungsaufgaben ließen           Dies kann darin begründet sein, dass Entwicklungs­
diese emotionalen Stressfaktoren langsam nach und        einschätzungen von Frauen w1d Männern unterschied­
wurden bei Einschulung von nur noch 32 % der             lich wahrgenommen und bewertet werden. Zusätzlich
Co-Mütter berichtet. Diejenigen, die das gemein­         nehmen z. B. Dunne (2000) und Patterson (1995) an,
same Kind adoptiert hatten (42 %), fühlten sich          dass homosexuelle Frauen und Männer vielleicht,
offiziell in ihrer Mutterrolle erheblich gestärkt und    wenn sie eine Familie gründen wollen, mehr Wert auf
erlebten auch subjektiv ihre Bindung zum Kind als        Gleichheit in den Einstellungen, Werten und dem
stärker.                                                 Verhalten legen als heterosexuelle Paare.

                                                                             38. Jg. (3), 643-656, 2006
Eine Studie schloss, dass Lesbenpaare bessere             Ferner legt ein Kind aus Regenbogenfamilien
elterliche Fähigkeiten hätten als heterosexuelle (Flaks   grundsätzlich eher Verhaltensweisen an den Tag,
et a1., 1995). Elterliche Fähigkeiten wurde darüber       die in unserem Kulturraum zu ihrem Geschlecht
erfasst, wie differenziert Eltern auf Fragen antwor­      als passend bewertet werden (Green, Mandel, Hot­
teten wie: "Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr 3­         vedt, Gray & Smith, 1986; Bailey et a1., 1995). So
Jähriges dem 8-Jährigen immer wieder sein Spielzeug       zeigten sich in den Studien mehrheitlich die gleichen
wegnimmt?" Die gefundenen Unterschiede lagen              geschlechtsspezifischen Präferenzen in der Identi­
allein darin begründet, dass die Väter schlechter         fikation mit (Fernseh-)Helden, in der Wahl der
abschnitten als die drei Gruppen von Müttern - wenn       Fernsehprogramme und den Lieblingsspielen.
die sprachliche Differenziertheit der prospektiven             Ein interessantes Beispiel: Anne Brewaeys un­
Verhaltenseinschätzung ein Kriterium fUr elterliche       tersuchte u. a. gemeinsam mit Susan Golombok
Fähigkeiten ist, dann sind Mütter wohl die besseren       (Brewaeys et a1., 1997) ca. 100 Kinder hinsichtlich
Eltern.                                                   ihres geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens. Hier­
     Summa summarum legen die Forschungsergeb­            bei verglichen sie Kinder, die via heterologe Insemi­
nisse nahe, dass Lesben und Schwule ebenso gut            nation in heterosexuelle und in lesbische Familien
oder schlecht in der Lage sind, ihre Kinder zu er­        geboren wurden und solche, die "konservativ ge­
ziehen, wie heterosexuelle Mütter und Väter. Wenn         zeugt" wurden und in ihren heterosexuellen Familien
die Studien auf Unterschiede im Erziehungsverhal­         aufwuchsen. Die Kinder waren etwa vier bis acht
ten homosexueller und heterosexueller Eltern ver­         Jahre alt. Unter anderem schätzten die Eltern mittels
weisen, handelt es sich um Aspekte, die eher eine         eines standardisierten Tests ein, wie oft ihr Kind - auf
positive Wirkung auf das Wohlbefinden der Kinder          einer Skala von 1 bis 5 - einer bestimmten vorgege­
vermuten lassen.                                          benen Aktivität in Zusammenhang mit Spielzeug,
                                                          Handlungen und Charakteristiken nachgeht (PSAI
                                                          - Preschool Activity Inventory mit Elternratings).
3. Die Entwicklung der Kinder                             Alle Söhne wiesen ein vergleichbares Maß an mas­
in Regenbogenfamilien                                     kulinem Verhalten auf.
Im Brennpunkt der Kritiker schwul-lesbischer El­               Schwule Väter haben nur zu 6 bis 9 % schwule
ternschaft stand und steht die vermeintliche Sorge        Söhne, und 91 bis 94 % der Töchter lesbischer Müt­
um eine "fehlerhafte" sexuelle Entwicklung der Kin­       ter leben als Erwachsene heterosexuell (Golombok
der. So liegt ein Schwerpunkt der psychosozialen          & Tasker, 1996; Gottmann, 1989; Green et al. , 1986).
Studien über Regenbogenfamilien auf der psychose­         Diese Befunde belegen, dass es Kinder in Regenbo­
xuellen Entwicklung der Kinder. Entgegen gängiger         genfamilien in ihrer geschlechtsspezifischen Ent­
Vorurteile in den Bereichen der Geschlechtsidentität,     wicklung offenkundig nicht "verwirrt oder verarmt",
des geschlechtstypischen Rollenverhaltens und der         wenn sie nicht von "Mutter und Vater" großgezogen
sexuellen Orientierung "haben Wissenschaftler kei­        werden. Für die in psychoanalytischen Entwicklungs­
ne beobachtbaren negativen Effekte bei den Kindern        modellen fußende Betonung der Bedeutung von
feststellen können" (Allen, 1997) - obwohl sich ei­       Vertreter(inne)n beiderlei Geschlechts als primäre
nige sicherlich sehr bemüht haben.                        (elterliche) Bezugspersonen fur eine gesunde psy­
    Ein Kind, das mit lesbischen Müttern oder schwu­      chosexuelle Entwicklung findet sich hier wie auch
len Vätern aufwächst, sieht sich selbst eindeutig als     andernorts keinerlei Bestätigung. Bereits McCandish
Frau, wenn es ein Mädchen ist, oder als Mann, welUl       (1987) zeigte, dass Kinder lesbischer Paare ab dem
es ein Junge ist. Anders formuliert: Die Geschlechts­     Alter von etwa 14 Monaten verstärkt auf die nicht
identität von vorpubertären Kindern, die bei einer        biologische Mutter fokussierten und damit den in
lesbischen Mutter groß geworden sind, korrespon­          traditionellen Theorien wichtigen Entwicklungsschritt
dierte mit ihrem biologischen Geschlecht (Bailey,         der Ablösung von der primären (stillenden) Bezugs­
Bobrow, Wolfe & Mikaeh, 1995). Wie es Perrin              person erreichten. Damit ist deutlich, dass das Ge­
(2002) in einem Übersichtsartikel ausfUhrt: "Keines       schlecht dieser zweiten Person - der Vorhersage
der mehr als 300 Kinder, die bislang in Studien           traditioneller psychoanalytischer Entwicklungsmo­
eingebunden wurden, lieferte einen Nachweis fUr           delle widersprechend - keine Rolle spielt. Wie in
eine Konfusion der eigenen Geschlechtsidentität,          jüngeren lerntheoretischen Ansätzen angenommen,
noch äußerte es den Wunsch, dem jeweils anderen           sind Kinder auch durchaus in der Lage, in ihrem
Geschlecht anzugehören" (freie Übersetzung, S.            Lebensumfeld Modelle fUr selbstbildrelevante Cha­
342).                                                     rakteristika - wie z. B. die Geschlechtsidentität oder

          Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
das geschlechtstypische Rollenverhalten - zu finden         trachtung verweisen die Ergebnisse ~ über die be­
und zu nutzen. Kinder aller Familienkonstellationen         schriebenen grundlegenden Ähnlichkeiten in der
suchen und finden Geschlechtsvertreterlinnen als            psychosexuellen Entwicklung hinaus - aufein Mehr/
Lernmodelle, jedoch müssen es weder die Eltern              an geschlechtsbezogenen Eigen- bzw. Freiräumen
sein, noch sind sie häufig die "maßgebliche Wahl".          von Kindern aus Regenbogenfamilien. So zeigte sich
    Hinsichtlich des Arguments, Kindern mit les­            hinsichtlich des geschlechtstypischen Rollenverhal­
bischen oder schwulen Eltern fehle das gleich- oder         tens, dass Töchter lesbischer Mütter ein größeres
gegengeschlechtliche Modell, verweisen Studien              Stück des "geschlechtsgeteilten" Universums zur
darüber hinaus auf ein zunächst überraschendes              Auswahl haben. Die fünf- bis vierzehnjährigen Mäd­
Muster: Scheidungskinder lesbischer Mütter haben            chen spielten z. B. sowohl eher mädchentypische als
nach der Trennung mehr Kontakt und hegen posi­              auch eher jungentypische Spiele und zogen grund­
tivere Gefühle für ihre leiblichen Väter als Schei­         sätzlich Spielsituationen vor, in denen Jungen und
dungskinder heterosexueller Mütter. Studien be­             Mädchen gemeinsam spielten. Die Töchter hetero­
legten, dass lesbische Mütter sich stärker um die           sexueller Mütter präferieren in diesen Studien durch­
Pflege des Vater-Kind-Kontaktes bemühen und nach            gängig traditionell weibliche und geschlechtshomo­
der Trennung selbst häufig mehr Kontakt zu ihrem            gene Aktivitäten (Green et al., 1986; Hotvedt &
Expartner aufrechterhalten als geschiedene hetero­          Mandel, 1982). Hinsichtlich der Berufsvorstellungen
sexuelle Mütter (Golombok, Spencer & Rutter, 1983;          zeigte sich eine vergleichbare Tendenz: Töchter les­
Tasker & Golombok, 1997a; Hotvedt & Mandel,                 bischer Mütter konnten sich stärker als die Töchter
1982; Harris & Turner, 1985). Ein Grund hierfür mag         heterosexueller Mütter vorstellen, auch männerdo­
darin zu finden sein, dass heterosexuelle Mütter            minierte Berufe zu ergreifen, wie z. B. Astronautin,
früher oder später "automatisch" eine neue primäre          Ingenieurin, Rechtsanwältin, Ärztin (Green et al. ,
männliche Bezugsperson im Leben ihrer Kinder                1986). Stacy und Biblarz (2001) nehmen an, dass es
erwarten (ihren neuen Partner), während lesbische           den in diese Studien eingebundenen lesbischen
Mütter sich aktiv um männliche Bezugspersonen und           (Co)Müttern gelang, ihren Töchtern ein stärkeres
Rollenmodelle für ihre Kinder kümmern.                      Gefühl für ihre Potentiale zu geben denn für die mit
    Stacey und Biblarz (2001) wiesen in einer Me­           dem weiblichen Geschlecht assoziierten Grenzen.
taanalyse anschaulich nach, dass über viele Jahre               Jüngere Studien verweisen darüber hinaus auf
Forscher/innen im Kontext von Regenbogenfamilien            eine größere kognitive Freiheit der Kinder aus Re­
ein defensives konzeptuelles Interpretationssystem          genbogenfamilien hinsichtlich ihrer sexuellen Ori­
pflegten. Aus der eigenen heterosexistischen Be­            entierung über die Lebensspanne. Wie wir bereits
grenzung heraus oder aus Sorge, Kritiker(inne)n             wissen, leben Kinder aus Regenbogenfamilien als
schwul-lesbischer Elternschaft Argumente zu lie­            Erwachsene genauso selten homosexuell wie Kinder
fern, wurden Unterschiede, die sich in den Studien          aus heterosexuellen Familien. Sie weisen jedoch
zwischen Kindern aus hetero- und homosexuellen              eine umfangreichere sexuelle "Möglichkeitswelt"
Bezügen andeuteten, bei der Interpretation der Er­          auf, d. h. sie erlauben sich eine größere Offenheit in
gebnisse vernachlässigt. Stacey und Biblarz schlie­         ihrer Wahrnehmung, ihren Mitteilungen und in
ßen ihre Analyse mit folgender Erkenntnis:                  ihren Lebensentwürfen. So gab etwa jedes vierte
                                                            Kind einer lesbischen Mutter in einer englischen
    Es gibt gute Gründe und Belege, anzunehmen, dass        Studie an, sich in der Pubertät durch eine Person
    sich Kinder und junge Erwachsene mit lesbischen         des eigenen Geschlechts angezogen gefühlt oder
    Müttern und schwulen Vätern in einer geringen, doch     homoerotische Kontakte gehabt zu haben (Golom­
    sehr interessanten Art und Weise, von Kindern hete­
                                                            bok & Tasker, 1996; Stacy & Biblarz, 2001). Aus­
    rosexueller Eltern unterschieden. Die meisten dieser
    Unterschiede sind nicht verursacht durch die sexuel­    nahmslos alle Kinder heterosexueller Mütter sagten,
    le Orientierung der Eltern. Es sind indirekte Effekte   so etwas hätten sie bei sich nie erlebt. Die Kinder
    des Geschlechts der Eltern oder Selektionseffekte,      aus Regenbogenfamihen schlossen darüber hinaus
    die mit den heterosexistischen sozialen Bedingungen     auch für ihr zukünftiges Leben seltener aus, sich in
    verbunden sind, unter denen lesbisch-schwule Fami­      eine/n Vertreter/in des gleichen Geschlechts zu
    lien derzeit leben. (freie Übersetzung nach Stacey &    verlieben, als Kinder, die in klassischen heterose­
    Biblarz, 2001, S. 176)                                  xuellen Strukturen groß geworden sind (ebd.).
                                                                 Was sagt die Empirie über die soziale und emo­
Inwiefern sind Kinder aus Regenbogenfamilien                tionale Entwicklung der Kinder lesbischer Mütter
"ganz normal anders"? Bei einer detaillierten Be­           und schwuler Väter? Studien mit einem adäquaten

                                                                                38. Jg. (3), 643-656, 2006
Forschungsdesign belegen; dass Kinder aus homo­        genbogen-)Enkelkindern vielfältig positive "Ne­
 sexuellen Familienkonstellationen ebenso gut sozial   benwirkungen" haben: Zum einen müssen diese
integriert sind wie Kinder heterosexueller Eltern,     (Groß-)Eltern das Coming-out ihres Kindes nicht
weder ängstlicher noch depressiver sind und einen      automatisch mit dem Ende der Hoffnung auf ein
ebenso guten Selbstwert haben wie z. B. Scheidungs­    Leben mit Enkelkindern gleichsetzen. Sie werden
kinder aus heterosexuellen Familien (Chan et al.,      mit ihren Kindern weiter in Kontakt bleiben kön­
 1998; Flaks et al., 1995; Perrin, 2002; Tasker &      nen, und so wird eine Elternschaft ihres Kindes
Golombok, 1997a). Kindern, die bei lesbischen oder     auch für sie einen Familienzuwachs bedeuten. Dies
schwulen Eltern aufwachsen, werden in verschie­        ist nicht selbstverständlich. Amerikanische Studi­
denen Studien größere soziale Kompetenzen zuer­        en belegen, dass jeder sechste Großelternteil einem
kannt, wie z. B. hinsichtlich der Reflexions- und      Enkelkind aus Regenbogenfamilien seine Aner­
Konfliktfähigkeit, dem Einfühlungsvermögen und         kennung verweigert (Gartrell et al., 2000). Zum
der Toleranz gegenüber der "Vielfalt der Lebens­       anderen können die Eltern in ihrer neuen Rolle als
formen". Diese Kinder setzten sich differenzierter     Großeltern ihre lesbischen und schwulen Kinder
als ihre Altersgenossen mit Sicht- und Verhaltens­     wesentlich bei der Betreuung und Versorgung der
weisen auseinander und konnten ihre eigenen Stand­     Enkelkinder unterstützen. Eine deutsche Studie
punkte in Konstellationen mit abweichenden Mei­        aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass ergänzende
nungen besser vertreten. Darüber hinaus konnten        private Betreuungsarrangements gerade mit den
sie sich besser in andere Menschen hineinversetzen     Großeltern für zwei Drittel aller Familien in Ost­
und unterschiedliche- auch gegensätzliche - Le­        und Westdeutschland eine zentrale Rolle spielen
bensweisen und Wertsysteme entspannter nebenei­        (Alt, 2004). Und nicht zuletzt können Großeltern
nander stehen lassen (Allen, 1997; Rauchfleisch,       ihre Kinder und Enkelkinder darin unterstützen,
1997,2001; Stacey & Biblarz, 2001).                    selbstverständlich offen und stolz mit dem homo­
     Die Mähr von der sozialen Isolation aufgrund      sexuellen Familienhintergrund umzugehen. Ame­
des lesbischen oder schwulen Familienhintergrunds      rikanische Studien belegen, dass der offene Um­
ließ sich in den Studien nicht bestätigen. Der Fami­   gang mit dem homosexuellen Familienhintergrund
lienalltag hat natürlich dennoch einen Einfluss auf    der Enkelkinder, die in lesbische Partnerschaften
den Grad der sozialen Integration von Kindern          hineingeboren wurden, bei den Großeltern über
lesbischer Mütter. Diejenigen Kinder waren z. B.       die Jahre größer wird. So gingen nach der Ein­
am stärksten sozial integriert, deren Mütter zufrie­   schulung der Kinder doppelt so vielen Großmüttern
den mit ihren Paarbeziehungen waren, beispiels­        und Großvätern Sätze locker von den Lippen, wie:
weise hinsichtlich einer gleichberechtigten Reali­     "Meine Tochter ist lesbisch", oder: "Mein Enkel
sierung der Aufgabenteilung (Chan, Brocks, Raboy       hat zwei Mütter", während es drei Jahre zuvor nur
& Patterson, 1998; Patterson, 1995), und die regel­    drei von zehn gelang (Gartrell et al., 2000).
mäßig "befriedigenden" Kontakt mit ihren Großel­
tern oder anderen Verwandten hatten. Das ist nicht
verwunderlich, denn Kinder jedweder Familien­          4. Das familiäre Umfeld und
konstellation werden in Studien als integrierter       die Regenbogenfamilienidentität
ausgewiesen, je zufriedener ihre homo- oder hete­      Wie sieht es mit der Vorannahme aus, dass die
rosexuellen Eltern mit ihren Paarbeziehungen sind,     Kinder lesbischer Mütter und schwuler Väter eine
je mehr Liebe sie erlebten undje weniger interper­     Menge an Diskriminierungen erleben müssen und
sonelle Konflikte wahrgenommen werden (Feldman,        so ernsthaften Schaden nehmen, da die Gesellschaft
Fisher & Seitei, 1997; Kreppner, 2004; Tasker &        noch nicht reif für einen toleranten Umgang mit
Golombok, 1998).                                       Homosexualität sei?
     Noch ein paar Anmerkungen zum familiären              Befunde belegen, dass Kinder aus Regenbogen­
Netz: Ein Coming-out gegenüber der eigenen Ur­         familien weder durch andere Kinder noch durch
sprungsfamilie kann mit einem Verlust bzw. qua­        Erwachsene aufgrund ihres homosexuellen Famili­
litativen und quantitativen Einbußen innerhalb         enkontextes stigmatisiert noch vermehrt abgelehnt
dieses Netzwerks einhergehen. Wenn Kinder mit          werden. Die Kinder werden also nicht in der Wahr­
ins Spiel kommen, hat dies eine spezielle Bedeu­       nehmung und Vorstellung Anderer auf das Merkmal
tung. Wenn Eltern schwuler Söhne oder lesbischer       "hat lesbische Mutter" oder "hat schwulen Vater"
Töchter mit der Homosexualität ihrer Kinder gut        reduziert. Kinder aus Regenbogenfamilien werden
umzugehen lernen, kann dies im Falle von (Re-          - ebenso wie Kinder aus anderen Familienkonstel­

         Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
lationen - als mehr oder weniger ganze Menschen         können dann eine Zeit lang ebenso zum Familienall­
wahrgenommen. Sie können jedoch durchaus Sti­           tag gehören wie das alltägliche in der Pubertät ver­
cheleien erleben (Green et al., 1986; Tasker & Go­      breitete Aufräum- und Mülldebakel. Diese pubertären
lombok, 1995, 1997a, 1997b). So berichten erwach­       "Tarnkappen-Phasen" sind in Studien aufgespürt
sene Kinder geschiedener lesbischer Mütter über         worden, in denen in erster Linie Kinder befragt wur­
mehr Sticheleien durch Gleichaltrige während ihrer      den, die aus ehemals heterosexuellen Beziehungen
Kindheit als erwachsene Kinder geschiedener hete­       stammen (Anderssen et al. , 2002; Lewis, 1980; Tas­
rosexueller Mütter (Tasker & Golombok, 1995). Auch      ker & Golombok, 1997a, 1997b).
Söhne lesbischer geschiedener Mütter berichteten            Interessant sind in diesem Zusammenhang auch
von Sticheleien durch Gleichaltrige. Hier scheint es    folgende Ergebnisse: Tasker und Golombok (1997b)
unter den Peers wohl naheliegend, die Jungen mit        fragten im Rahmen einer Follow-up-Studie Töchter
einer vermeintlichen eigenen homosexuellen Orien­       und Söhne lesbischer Mütter im jungen Erwachse­
tierung aufzuziehen (Tasker & Golombok, 1997a,          nenalter, wie sie rückblickend in ihrer Jugend ihren
1997b): "Bist wohl selber schwul".                      homosexuellen Familienhintergrund wahrgenommen
     Manche Studien berichten von einem temporä­        haben. Diese Jugendlichen, die aus ehemals hetero­
ren "Gefühl der Verlegenheit" bei Kindern bezüg­        sexuellen Beziehungen stammten, erinnerten sich,
lich der sexuellen Orientierung ihrer Eltern oder       dann größere Schwierigkeiten mit ihrem Regenbo­
der Familienkonstellationen, in denen sie leben.        genfamilienhintergrund gehabt zu haben, wenn
Kinder lesbischer Mütter und schwuler Väter, die
ehemaligen heterosexuellen Beziehungen entstam­         ~   sie den Umgang ihrer Mutter mit der lesbischen
men, berichteten hier von der Sorge über die Reak­          Lebensweise gegenüber Mitschüler(inne)n und
tionen primär gleichaltriger Anderer, wie z. B. ihrer       Schulfreund(inn)en als zu offen erlebten,
Mitschüler, neuer Freunde oder etwa der Mitglieder      ~   ihre Mutter keine Langzeitpartnerschaften, son­
der Fußballmannschaft (Lewis, 1980; Tasker &                dern Affären oder Kurzbeziehungen einging,
Golombok, 1997a, 1997b). In dieser Zeit kann es         ~   Gleichaltrige vermehrt negative Bemerkungen
für sie bedeutsam sein, wer von der homosexuellen           über ihren Familienhintergrund machten.
Orientierung ihrer Eltern weiß bzw. wer wann davon
erfährt (Anderssen et al., 2002; O'Connell, 1993).      Die Jugendlichen konnten ihren Regenbogenfami­
Wenn entsprechende Sorgen bei den Kindern - oder        lienhintergrund dann gut akzeptieren, wenn
besser Jugendlichen - aktuell groß sind, dann kön­
nen die Kinder in Konflikt geraten zwischen der         ~   ihr/e eigene/r Freund/in von der Mutter akzep­
Loyalität zu ihren lesbischen Müttern oder schwu­           tiert wurde,
len Vätern und dem Bedürfnis, sich zu schützen          ~   ihre Mutter eine positive Einstellung gegenüber
(O'Connell, 1993).                                          Männern zeigte,
     Eine naheliegende Bewältigungsstrategie kann       ~   ihre Schulfreunde/innen zu Hause willkommen
in dem Versuch liegen, zu kontrollieren und ver­            waren (Tasker & Golombok, 1997b, S. 191).
bindlich festzulegen, wo die Eltern offen lesbisch
oder schwul sind und wo nicht (Anderssen et al.,        Die Ergebnisse legen nahe, dass die Akzeptanz des
2002). Dies kann im Familienalltag dazu führen,         lesbischen Familienhintergrunds von (Scheidungs-)
dass z. B. Einladungen nach Hause nur dann aus­         Kindern während der Adoleszenz von der Nähe und
gesprochen werden, wenn die Eltern sicher nicht da      Stabilität der Familienbeziehungen beeinflusst wird,
sind. Oder den Eltern wird nachdrücklich mitgeteilt,    von der Häufigkeit von Sticheleien durch Gleich­
dass sie auf gar keinen Fall zu zweit auf dem Ab­       altrige und der Sensibilität der Familie im Coming-out
schlussball der Tanzschule ihrer Tochter auftauchen     gegenüber dem außerfamiliären Umfeld. Sticheleien
sollen. Oder die Kinder informieren diejenigen, die     wegen der Homosexualität der Eltern stehen bei
sie nach Hause eingeladen haben, über die sexuelle      Kindern wiederum im Zusammenhang mit der selbst­
Orientierung der Eltern, um sie - oder sich selbst ­    verständlichen Annahme des Regenbogenfamilien­
"schonend" auf ein Aufeinandertreffen vorzubereiten.    hintergrunds aller relevanten Teile des familiären
Wenn Jugendliche aus Regenbogenfamilien eine            Netzwerkes: Kinder werden umso weniger damit
solche "Angst- und Kontrollphase" erleben, ist es       aufgezogen, je offener sie selbst, ihre Eltern und
wichtig, dass die Mütter oder Väter hiermit gelassen    andere Freunde und Familienmitglieder mit der
umgehen, ohne sich - um des Kindes willen - selbst      sexuellen Orientierung umgehen (Rauchfleisch,
zu verleugnen. Territoriale Coming-out-Absprachen       2001).

                                                                            38. Jg. (3),643-656,2006
Hier deutet sich ein möglicher Kreislauf an, den   aber weder per se ein Garant noch ein Hinderungs­
es in frühen Jahren mit einem "positiven Schwung"       grund für eine gute Fähigkeit, zu erziehen. Wenn
zu versehen gilt: Wenn Kinder lernen, die Homose­       Studien so angelegt wären, dass z. B. lesbische und
xualität ihres/ihrer Vaters/Väter oder ihrer Mutter/    heterosexuelle Mütter befragt würden, die jenseits
Mütter als "anders" und nicht "besser oder schlech­     der sexuellen Orientierung zentrale Persönlichkeits­
ter" zu begreifen und zu erleben, dann können sie       merkmale teilen, sollten sich viele Unterschiede im
ein familiäres Selbstverständnis aufbauen, in dem       Erziehungsverhalten "in Wohlgefallen" auflösen.
die homosexuelle Identität der Eltern einen ange­       Eine direkte kausale Beziehung zwischen sexueller
messenen Platz erhält. Wenn sie Umgangsweisen           Orientierung und elterlichen Fähigkeiten würde
erlernen, die ihren Selbstwert schützen, wenn das       wohl niemand ernsthaft annehmen (d. h. auch "neue
Umfeld kritisch auf ein worin auch immer gegrün­        Väter" können gute Väter sein, obwohl sie hetero­
detes Anderssein reagiert, sind sie für ihr Leben       sexuell veranlagt sind). Oder wie es die American
gerüstet und werden diesen Situationen wahrschein­      Psychological Association (APA) in ihrer Resolution
lich seltener ausgesetzt sein. Dies ist eine erziehe­   zur sexuellen Orientierung, Eltern und Kindern
rische Mitgift, die Kinder jedweden familiären Hin­     sagt: "Research has shown that the adjustment,
tergrunds gut gebrauchen können, denn "anders" als      development, and psychological well-being of chil­
lokale Mehrheiten kannjede(r) im Verlaufdes Lebens      dren is unrelated to parental sexual orientation"
werden: Dicker oder dünner, wissender oder unwis­       (APA, 2004, S. 2).
sender, sportlicher oder unsportlicher, einheimisch          In dieser Resolution ermutigt die APA Psycho­
oder ausländisch, hip oder out. Hier sind natürlich     loginnen und Psychologen ausdrücklich, sich für
diejenigen Regenbogenfamilienkonstellationen "im        die Beseitigung jedweder Diskriminierungen ein­
Vorteil", in denen der Kinderwunsch nach dem Co­        zusetzen, die im Zusammenhang mit sexueller Ori­
ming-out der Eltern realisiert wird oder in denen die   entierung und Adoption, Sorge- und Besuchsrecht,
Kinder noch sehr jung sind, wenn ihre Mütter oder       Pflegeunterbringung und reproduktionsorientierten
Väter sich ihrer homosexuellen Orientierung bewusst     Gesundheitsdiensten stehen - sei es in ihrer thera­
werden und diese offen zu leben beschließen.            peutischen Arbeit, in der Forschung, Erziehung oder
                                                        Weiterbildung (APA, 2005).
                                                             Ein paar Unterschiede würden wohl bleiben: So
5. Resümee                                              sind z. B. - ungeachtet des Bildungsstandes der
Elternschaft und homosexuelle Lebensweisen waren        Eltern - überdurchschnittlich viele Kinder in Re­
lange Zeit für weite Teile der Gesellschaft, ein­       genbogenfamilien Wunschkinder, "Unfälle" sind
schließlich der Homosexuellen selbst, kaum zusam­       eine Seltenheit.
men vorstellbar. In den letzten 20 Jahren argumen­           Festzuhalten bleibt: Psychosoziale Studien attes­
tierten Forschung und Fürsprecher/innen, es gäbe        tieren lesbischen Müttern und schwulen Vätern um­
keine Unterschiede zwischen Kindern in Regenbo­         fassend eine angemessene Fähigkeit, zu erziehen,
genfamilien und in traditionellen Familien. Dies ist    und ihren Kindern eine gelungene emotionale, sozi­
nicht nur grundlegend unwahrscheinlich, sondern         ale und sexuelle Entwicklung (vgl. Anderssen et al.,
vor dem Hintergrund der derzeitigen Forschungs­         2002; Berger et al., 2000; Fthenakis, 2000). Lesben
lage auch falsch (Stacey & Biblarz, 2001). Lesben       und Schwule können sich - so sie denn in der ent­
und Schwule unterscheiden sich in der Regel von         sprechenden Gefahr waren - aus dem gesellschafts­
der Durchschnittsbevölkerung nicht nur durch ihre       politischen Anspruch entlassen, "überkompensieren­
sexuelle Ausrichtung. Die homosexuelle Orientie­        de Supereltern" zu sein (Pennington, 1987). Eltern
rung kann ebenso einen Einfluss auf die Wahl des        müssen - und sollten - nicht perfekt sein, wie sollen
Wohnortes haben wie auf die Aneignung und Aus­          die Kinder sonst lernen, sich abzulösen?
gestaltung von Werten und Normen. Studien belegen            Wenn man nicht von einer - als unplausibel
beispielsweise, dass Lesben mehrheitlich unabhän­       zurückzuweisenden - Defizithypothese ausgeht, gibt
giger, selbstbewusster und dominanter als heterose­     es wenig Grund für Vergleichsstudien von Regen­
xuelle Frauen sind sowie weniger depressiv, submis­     bogen- und traditionellen Familien. Die (Regenbo­
siv und ängstlich (Falk, 1993; Kershaw, 2000). Wie      gen-)Familienforschung könnte sich interessanteren
könnte man erwarten, dass dies keine Auswirkung         Frage widmen, wie den Unterschieden zwischen
auf das Erziehungsverhalten und so auf die Ent­         Familienformen, wie z. B. Stiefkindfamilien oder
wicklung der Kinder in Regenbogenfamilien haben         Patchworkfamilien, Einelternfamilien oder "voll­
sollte? Die sexuelle Orientierung der Eltern ist nun    ständigen" Familien -- gleich ob homo- oder hetero­

         Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
sexuell. Hier könnten Fragen interessant sein wie:     zweiter Klasse. Die heute gern gepriesene gesell­
Spielt die Konstanz der Bezugspersonen eine Rolle?     schaftliche Toleranz gegenüber gleichgeschlecht­
Oder ihre Zahl? Können Kinder es gut verkraften,       lichen Lebensweisen hört immer noch häufig dann /
an zwei Orten, in zwei Familien aufzuwachsen?          auf, wenn Kinder ins Spiel kommen. Dies spiegelt
    Wir wissen heute, dass die Familienstrukturen      sich vor allem in der derzeit gültigen Rechtslage.
einen eher geringen Einfluss auf die kindliche Ent­    Die vielfältige Ungleichbehandlung von Regenbo­
wicklung haben. Entscheidender sind die Prozesse       genfamilien gegenüber Heterosexuellen geht spe­
(Golombok, 2000; Patterson, 1992), das heißt z. B.     ziell zu Lasten der rechtlichen, finanziellen und
die Qualität der Beziehungen. Hier sind andere         psychosozialen Situation der Kinder, für die Lesben
Fragen entscheidend: In welchem Maße ist ein Zu­       und Schwule Verantwortung übernehmen. Hieran
hause von Fürsorge und Liebe geprägt? Ist die Kon­     wird eine "generöse" Toleranz gegenüber unter­
tinuität enger Bezugspersonen gegeben (Kershaw,        schiedlichen Lebensformen nichts ändern, sondern
2000)'1 Lesben und Schwule können Kindern also         nur eine Akzeptanz unterschiedlicher sexueller
wunderbare Familien bieten, wenn Kriterien eines       Orientierungen und eine konsequente Umsetzung
guten Zuhauses erfüllt sind (Golombok, 2000; Pur­      der EU-Richtlinien gegen Diskriminierung, die sich
year, 1983, zitiert nach Schwartz Gottman, 1989;       in der Festschreibung gleicher Rechte bei gleichen
Rauchfleisch, 1997). Und dies entspricht vielfältig    Pflichten spiegelt.
der gelebten (Regenbogen-)Wirklichkeit, wie es­
durch Studien umfassend bestätigt - die bemerkens­
werte psychische Stärke der Kinder von Lesben und      Literatur
Schwulen belegt (Stacey & Biblarz, 2001).              Allen, K. R. (1997). Lesbian and gay families. In T.
    Als Kristallisationspunkte von Beratungs- und               ArendelI (Ed.), Contemporary Parenting (pp.
Therapiebedarf identifizieren wir:                               196-218). New York: Sage.
                                                       Allen, K. R. & Demo, K. H. (1995). The families of les­
1. Wie gehen Paare mit hohem egalitären Anspruch                bian and gay men: A new frontier in family re­
   mit den unterschiedlichen und unterschiedlich                search. Journal ofMarriage and the Family,
   gewichtigen sozialen Rollen um, die sich bei                  57, 111~127.
   Familiengründung einstellen? So wird beispiels­     Alt, C. (2004). Kinder in Deutschland - alle glücklich
   weise die biologische Mutter mit fortschreitender             oder was? Lebenswelten von Kindern in einer
   Schwangerschaft sichtbarer, während die Co­                   sich ändernden Gesellschaft. Das Online-Famili­
   Mutter in spe in den Augen der Gesellschaft                   enhandbuch. Verfügbar unter: http://www.fami­
   an ihrer Seite immer unsichtbarer wird. Wie                   lienhandbuch.de/cmain/LFachbeitrag/a_Kind­
   wird die Co-Mutter-Rolle erlebt und gelebt,                   heitsforschung/s_1467.html [09.12.2004].
   ohne dass z. B. die biologisch-hormonelle und       Anderssen, N., AmEe, C. & Ytteroy, E. A. (2002). Outcomes
   Still-Realität der Mutterschaft dazugehört und                for children with lesbian or gay parents. A review of
   vielleicht die klassisch männlich besetze Rolle               studies from 1978 to 2000. Scandinavian Journal
   der Ernährerin an sie herangetragen wird?                     ofPsychology, 43,335-351.
                                                       APA (2004). Resolution on sexual orientation, parents, and
2. Wie offen geht die Familie mit Homosexualität                 children. Adopted by the APA Council of Repre­
   um, beispielsweise auf dem Lande? Wie viel                    sentatives, July 2004. Verfügbar unter: http://www.
   Rücksicht sollten Eltern auf "homophobe Ent­                  apa.org/pi/Igbc/policy/parentschildren.pdf.
   wicklungsphasen" jugendlicher Kinder nehmen?        APA (2005). Adoption and co-parenting of children by
                                                                 same-sex couples. APA Document Reference No.
3. Wie verbinden alleinstehende lesbische Mütter                 200214. Verfügbar unter: http://www.aclu.org/ge­
   und schwule Väter Partnerschaft oder Partnersu­               tequallffmJSection 1/ 1C7APA.pdf.
   che und Elternschaft? Wie wird mit möglichen        Badelt, U. (2003). Daddy Schwul. männer aktuell, 12.
   Konflikten und Eifersucht in den quantitativ                  Verfügbar unter: www.queerfamily.de/daddy_
   anwachsenden Familienkonstellationen umge­                    schwul.pdf.
   gangen?                                             Bailey, J. M., Bobrow, D., Wolfe, M. & Mikach, S. (1995).
                                                                 Sexual orientation of adult sons of gay fathers.
Abschließend soll ein wesentlicher Nachteil für                  Developmental Psychology, 31, 124-129.
Kinder in Regenbogenfamilien nicht verschwiegen        Berger, w., Reisbeck, G. & Schwer, P. (2000). Lesben
werden: Regenbogenfamilien sind rechtlich Familien               - Schwule - Kinder. Eine Analyse zum For­

                                                                              38. Jg (3),643-656,2006
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