Meditation Evangelische CityKirche am Karfreitag, den 10. April 2020 - Thema: Das Kreuz mit dem Kreuz

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Evangelische CityKirche Elberfeld
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          Meditation

    Evangelische CityKirche

am Karfreitag, den 10. April 2020

Thema: Das Kreuz mit dem Kreuz

            © Erhard Ufermann
Evangelische CityKirche Elberfeld
                                                                            Kirchplatz 2
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Musik

Begrüßung
Seht, welch ein Mensch!
Von Freunden verkauft
nachts verhaftet
durch Falschaussagen belastet
ausgelacht und verspottet
gefoltert
im Namen des Volkes – legal – angeklagt
und zum Tode verurteilt
gottverlassen
langsam
langsam
sterbend
Weil Jesus Freiheit forderte,
wurde er festgenommen.
Weil er den Ohnmächtigen Recht gab,
setzten ihn die Mächtigen ins Unrecht.
Weil er nicht zu Kreuze kroch,
wurde er gekreuzigt.
Seht, welch ein Mensch!

Wir laden Sie ein, sich einen Moment lang Zeit zu nehmen
für das Leben, für das Sterben unter uns und für das Kreuz Jesu.
Ein Augenblick im Namen Gottes.
Amen.
Evangelische CityKirche Elberfeld
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Erste Andeutung: Die Geschichte wiederholt sich
Tausende von Kreuzen wurden neben den Straßen errichtet. Die Besatzungsmacht
Rom nutzte öffentliche Hinrichtungen zur Abschreckung. Schließlich basierte der
Wohlstand Roms auf der brutalen und systematischen Ausbeutung der Provinzen.
Wer sich verweigerte und keine Steuern zahlte, wurde hingerichtet.
Der politische und religiöse Widerstand organisierte sich in Ghettos und kleinen
Zellen. Terrorakte und Messerattacken passierten auf öffentlichen Plätzen, im Schutz
von größeren Menschenaufläufen.

Unser Wohlstand in den Industrienationen basiert wesentlich auch auf Ausbeutung.
Handelsverträge mit ärmeren Ländern werden in der Regel zugunsten eigener
Vorteile diktiert. Dort vorhandene Bodenschätze kommen nicht der heimischen
Bevölkerung zugute, sondern halten unsere Preise niedrig. Wir profitieren von den
schlimmsten Produktionsbedingungen, Kinderarbeit und den geringsten Löhnen in
den Drittweltstaaten. Das alles ist uns bekannt. Wir ändern aber nichts, weil wir doch
so gut an dem Leiden der Menschen verdienen. Nur manchmal schrecken wir auf,
wenn Terrorakte bei uns vor der Haustüre passieren. Mitten in Europa – auf
öffentlichen Plätzen, im Schutz von größeren Menschenaufläufen.

Klangschale

Zweite Andeutung: Ecce homo!
Seht, ein Mensch!
Gesetze seien für die Menschen gemacht und nicht umgekehrt, soll ER gesagt haben.
Liebe sei stärker als Hass, sogar stärker als der Tod. Dass die freie Marktwirtschaft gar
nicht so frei sei. Man müsse ihr Grenzen setzen, wo sie nicht der Gerechtigkeit diene.
Dass die Zukunft der Armen mit der Lebensqualität der Reichen korreliert. Dass der
Wert eines Menschen sich nicht an seiner Produktivität messen lässt. Dass Gefangene
frei sein sollen.
So ähnlich muss er das gesagt haben.
Ja, und dass Gott auf Seiten der einfachen Leute stünde: Bei den Armen und den
Verlierern.
Den einfachen Leuten gefielen die einfachen Worte.
Die Mächtigen aber waren aufgebracht. Sie suchten nach einem Vorwand, ihn fertig
zu machen.
Als der Handwerker aus der Provinz die Tische der Bänker umtrat, war es so weit.
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Man machte kurzen Prozess. Gotteslästerung war ein politisches Delikt. Man wertete
es als einen Angriff auf die Grundfesten des Herrschaftssystems: gegen die römische
Herrschaft der Gottkaiser und gegen die Reste der israelischen Autonomie.
Die Höchststrafe war angesagt.

Die das Sagen haben, definieren,
wer zu den Gewinnern gehört, wer zu den Verlierern, und wer kriminell ist.
Da halten dann auch schon mal Politik und Religion, Justiz, Wirtschaft und Medien
zusammen. Damals und heute. Alles ganz legal natürlich.
So wurde Jesus illegal, kriminell.
Rechtskräftig verurteilt. Im Namen des Volkes.
Ecce homo!

Klangschale

Dritte Andeutung: Das Kreuz mit dem Kreuz
Manche hängen sich ein Kreuz um den Hals. Andere werden aufs Kreuz gelegt.
Für manche ist das Kreuz ein Skandal. Andere „kriechen zu Kreuze“.
Manche glauben: Gott habe seinen Sohn uns zuliebe am Kreuz geopfert. Für andere
ist dieser Gedanke Gotteslästerung.

Karfreitag. Die alljährliche Erinnerung an das brutale Ende des Nazareners: Das
Einschlagen der Nägel in Hände und Füße, die Aufrichtung des Kreuzes, das langsame
Sterben in der Hitze des Tages sowie die Folterung u.a. durch einen Dornenkranz, der
zynisch an den ehrenvollen Lorbeerkranz („corona“) eines römischen Triumphators
erinnern sollte.

Jesu Vorstellung von einer neuen Welt Gottes, sein konsequentes Eintreten für Ge-
rechtigkeit und Freiheit führten am Ende zu seiner Verurteilung. Weil er nicht zu
Kreuze kroch, wurde er gekreuzigt. Ein demonstrativer Foltertod für Aufständische.
„Zur Abschreckung“, sagte man damals. „Aus generalpräventiven Gründen“ würde
man heute sagen. Das Kreuz bot sich so über Jahrtausende an als Symbol für
Unterwürfigkeit und Opferbereitschaft.
Gott aber wollte den Foltertod Jesu ganz sicher nicht. Gerechtigkeit und Liebe will
Gott, keine Opfer. So sagten das bereits die Propheten Jahrhunderte zuvor.
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In ihrer Tradition, im Kampf um eine gerechtere Welt war Jesus kein Opfer, sondern
im Gegenteil: Täter! Nach damaligem Recht rechtskräftig verurteilt.

Vor sechs Wochen starb Ernesto Cardenal, Dichter und Befreiungstheologe aus
Nicaragua. Menschen wie er, die in totalitären und korrupten Systemen unter Einsatz
ihres Lebens gegen ungerechte Strukturen und Ausbeutung kämpfen, verstehen das
Kreuz Jesu und damit auch Gott anders: Gott ist parteiisch. Er ist kein Gott, der
Opferbereitschaft fordert, sondern Widerstand gegen Ungerechtigkeit! Er ist einer,
der sich mit ausgebeuteten und leidenden Menschen identifiziert. Gott auf ihrer
Seite. Bis zur Verwechselbarkeit.
Opfer zu produzieren, hat heute wieder Hochkonjunktur. Auf Gott darf sich allerdings
dabei niemand berufen! Niemand! Wir im reichen Norden nicht, solange wir
zulassen, dass tausende von Kindern täglich verhungern und unserem Wohlstand
geopfert werden. Wir in den Industrienationen nicht, solange wir nicht Verant-
wortung dafür übernehmen, dass wir unsere Erde beinahe zugrunde gewirtschaftet
haben. Wir im sog. christlichen Abendland nicht, solange wehrlose Menschen durch
unsere Drohnen und Hightec-Waffen sterben. Solange ist Gott nicht auf unserer
Seite!
Das Kreuz Jesu ist oft missbraucht und vereinnahmt worden. Es kann aber heute
dabei helfen, dass wir uns noch mal neu orientieren. Gerade jetzt, wo das Corona-
virus alles in Frage stellt, und die Pandemie alle anderen Nachrichten in der Welt
überlagert: Gott ist bei denen, die mit aufgerissenem Fleisch im Stacheldraht an den
europäischen Außengrenzen hängen bleiben. Bei den unzähligen namenlosen
Flüchtlingen, die in der Wüste verdursten oder im Mittelmeer ertrinken. Gott
identifiziert sich mit den Armen, die erst gar nicht fliehen können, deren Dörfer
kaputt gebombt und deren Familien gnadenlos ermordet werden. Gott ist bei denen
unter uns, die schwer erkrankt sind, die existentielle Angst haben, oder die keine
Perspektive mehr für ihr Leben sehen. Die am Ende sind.
Paradox ist das und nicht zu verstehen: Wo scheinbar niemand mehr ist, wo nichts
mehr geht, in seiner offensichtlichen Abwesenheit – da ist Gott.
Karfreitag: Das Kreuz mit dem Kreuz. Die alljährliche Erinnerung an die Abwesenheit
Gottes!

Meditative Musik
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Ein Gebet für andere und für uns:
Wir bitten Dich, Gott, für die, denen es zu schwer wird mit dem Leben.
Nimm Sie in Deine Arme.

Wir bitten dich, Gott, für die, die auf der Flucht leben:
   - vor politischer Verfolgung
   - vor lebensverachtenden Bedingungen
   - vor sich selbst
Lass Sie ankommen, Frieden finden, Schalom, Salam – bei Dir, unter uns.

Wir bitten Dich für die ausgelieferten Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten
gerade dann, wenn die Kameras und der Journalistentross weiter gezogen sind:
In dem ekelhaften Krieg in Syrien und dem Irak, in Afghanistan, im Sudan, in Lybien,
in Nigeria und im Kongo, in den Favelas Südamerikas und Asiens, in der Sahelzone.
Nimm Einfluss auf die Köpfe und Herzen der Mächtigen, dass sich ihre Interessen
zugunsten der armen Menschen ändern.

Wir bitten dich, Gott, für die, in deren Verantwortung es liegt, gerechte Strukturen zu
schaffen.
Lass Ihr Denken und Handeln von der Erkenntnis geleitet sein, dass Du parteiisch bist.

Wir bitten Dich für alle Menschen, die schwer erkrankt sind, die isoliert sind und mit
ihrer Angst allein klarkommen müssen; für die Menschen die angesichts der momen-
tanen Bedrohung durch den Virus Existenzängste haben; für die Angehörigen der
Verstorbenen: Sei ihnen ganz nah wie ein guter Freund, eine gute Freundin! Begleite
sie durch die schwere Zeit hindurch.

Und hilf uns weiter, wenn wir Dir oder anderen im Wege stehen.

Jede / Jeder schließt ihre / seine Bitten an.

Ich lade ein, getrennt voreinander, aber zusammen das Vaterunser zu beten.
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Vater unser im Himmel
geheiligt werde dein Name
dein Reich komme
dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

Segen
Wenn der Boden unter unseren Füßen schwankt,
halte uns.
Wenn der Wind uns entgegensteht,
stärke uns den Rücken.
Und bis dass wir uns wieder sehen,
hilf uns zum Leben.
Gott segne uns und behüte uns. Er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns
gnädig. Er hebe sein Angesicht über uns und schenke der Welt Schalom, Salam,
Frieden. Amen.

- Stille -

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen, einen nachdenklichen Karfreitag!

Ihr Erhard Ufermann
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