Mensch und Gott Theologische Anthropologie (2) - Bildungsnetz

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Mensch und Gott Theologische Anthropologie (2) - Bildungsnetz
Mensch und Gott
                     Theologische Anthropologie (2)

                                                 Michelangelo, Erschaffung Adams [gemeinfrei]; Quelle:
© Dr. Markus Sasse, RFB 2021                     http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ACreaci%C3%B3n_de_Ad%C3%A1m.jpg
Mensch und Gott Theologische Anthropologie (2) - Bildungsnetz
Themenseite „Mensch“
   Vorbemerkungen
• Auch in der Bibel begegnet die Frage „Was ist der Mensch?“ –                   Psalm 8
                                                                                 1 Ein Psalm Davids, vorzusingen, auf der Gittit.
  allerdings   in    einem    anderen    Zusammenhang.            Es      geht   2 HERR,   unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in
                                                                                 allen Landen,
  grundsätzlich um das Verhältnis des Menschen zu Gott.                          der du zeigst deine Hoheit am Himmel!
                                                                                 3 Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge /

• Da aber im Rahmen des biblischen Weltbilds Gott sowohl als                     hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde
                                                                                 willen,
  absichtsvolle     Ursache   der   natürlichen   Lebensbedingungen              dass du vertilgest den Feind und den Rachgierigen.
                                                                                 4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk,

  (Schöpfung) als auch als Stifter einer gerechten Sozialordnung                 den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:
                                                                                 5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst,

  gilt, finden sich in den Texten auch grundsätzliche Aussagen über              und des Menschen Kind, dass du dich seiner
                                                                                 annimmst?
                                                                                 6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott,
  den    Menschen      mit    seinen    natürlichen    und       kulturellen
                                                                                 mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.
                                                                                 7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände
  Eigenschaften.
                                                                                 Werk,
• Gleichzeitig mit dem Menschenbild wird in der Bibel ein Gottesbild             alles hast du unter seine Füße getan:
                                                                                 8 Schafe und Rinder allzumal,

  vermittelt, das durch Zuwendung zum Menschen aber auch durch                   dazu auch die wilden Tiere,
                                                                                 9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer

  Erwartungen an ihn gekennzeichnet ist.                                         und alles, was die Meere durchzieht.
                                                                                 10 HERR, unser Herrscher,

                                                                                 wie herrlich ist dein Name in allen Landen!
                                                  © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
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Der Mensch als Teil des Kosmos (Gen 1,1-2,4a)
                                                                                   • Imago Dei
                                                                                   • Dominium terrae
                                                                                   • männlich und
                                                                                     weiblich erschaffen

• Die Bibel beginnt in ihrem ersten Text (Gen 1,1-2,4a) mit einer Rollenzuschreibung.
• Zunächst wird die Lebenswelt des Menschen als von Gott beabsichtigt qualifiziert. Das Leben (nicht nur das des
  Menschen) hat seinen Ursprung im Wirken Gottes.
• Im Unterschied zu allen anderen Lebewesen wird dem Menschen eine besondere Nähe zu Gott zugeschrieben:
  Er ist Bild Gottes (imago Dei).
• Diese Bedeutungszuschreibung ist verbunden mit der Beauftragung zur verantwortungsvollen Herrschaft über
                                                © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
  die übrigen Lebewesen und die Ressourcen der Erde (dominium terrae).
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Der Mensch und seine Eigenarten (Gen 2,4b-3,24)

                    • In       der     sog.       Paradiesgeschichte   werden   in   erzählender
                        (mythischer) Form die natürlichen Eigenschaften des Menschen
                        thematisiert, die Entsprechungen zur philosophischen Anthropo-
                        logie aufweisen.
                    • Mit der Vertreibung aus dem Garten beantwortet die Erzählung
                        Fragen nach dem Ursprung von Kulturgütern.
                    • Die Erzählung kann sowohl als Adoleszenz-Mythos (mit Gott als
                        umsorgenden Vater) gelesen werden als auch als Verhältnisbe-
                   © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
                        stimmung von Natur und Kultur.
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Holistische Anthropologie
•   adama (Subtanz: Ackererde)
                                  • In den Texten der Bibel begegnet durchgehend ein
•   nefes (Organ: Kehle)
                                      ganzheitliches Menschenbild.
•   ruah (Geist = Lebenskraft)
                                  • Der Mensch besteht aus geformter Substanz (adama =
•   Seele = Kehle
                                      Ackererde) und einer von Gott stammenden belebenden
                                      Energie (ruah = Geist) – mythisch als Atem Gottes
                                      dargestellt.
                                  • Die Kehle (nefes), durch die er den Atem Gottes
                                      aufnimmt, kann auch als „Leben“ übersetzt werden. Sie
                                      ist     das       Kontaktorgan   zu   Gott.   In   den   meisten
                                      Übersetzungen wird nefes mit „Seele“ übersetzt.

                                 © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
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Ätiologien menschlicher Eigenarten
• Übersetzt bedeutet Ätiologie die Lehre von der              •    Kommunikation
                                                              •    Gemeinschaft
  Ursachen. In der Mythenforschung bezeichnet
                                                              •    Sexualität
  der Begriff eine Erzählung, die ein gegenwärtiges           •    Arbeit
  Phänomen durch ein (fiktives!) Ereignis der                 •    Scham
  Vergangenheit erklärt.                                      •    Ängste
                                                              •    Schwäche
• Bsp. aus Gen 2-3: Der Mensch muss für seinen
  Lebensunterhalt arbeiten, weil er nach dem
  Vertrauensbruch das Paradies verlassen musste.

                                          © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
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Dogmatische Engführungen
Die   sog.     Paradiesgeschichte         hat    eine   Reihe     von     wirkungsgeschichtlichen
Veränderungen erfahren, die mit der ursprünglichen Aussageabsicht wenig zu tun
haben.

Biblisch: Der Mensch verliert durch die Vertreibung aus dem Paradies seine besondere Nähe zu
           Gott
Christlich: Der Mensch verliert die Gottebenbildlichkeit (imago Dei). Ihm bleibt nur die Ähnlichkeit
           (similitudo).
Jüdisch: Der Mensch fällt von der göttlichen Seele auf die Tierseele zurück.

Die im Christentum geläufige Bezeichnung „Sündenfall“ ist irreführend. Der Begriff
Sünde begegnet erstmalig in Gen 4 („Kain und Abel“). Es geht in dieser Geschichte nicht
darum, dass der Mensch zum Sünder wird. Entscheidend ist, wie Gott sich angesichts
des Vertrauensbruchs verhält. Er vollzieht nicht die angedrohte Strafe, sondern entlässt
die Menschen in die eigenverantwortliche (und
                                            © Dr.dadurch
                                                  Markus Sasse, auch
                                                                RFB 2021 beschwerliche) Freiheit.
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Hoffnung auf ein Leben
                                                                                   nach dem Tod
                                                                • Der Gott der Bibel ist zunächst ein Gott, der nur für die Lebenden
                                                                  zuständig ist (Jes 38,18; Ps 6,6; 88,6; 115,17).
                                                                • In den späten Texten des Alten Testaments kommt es zu einer
                                                                  Ausweitung der Zuständigkeit Gottes: Die Beziehung zu Gott endet
                                                                  nicht mit dem Tod, sondern bleibt erhalten. Erste Ansätze dazu gibt
                                                                  seit dem babylonischen. Exil (Ez 37) und den Makkabäerkriegen (Dan;
                                                                  Apokalyptik)
                                                                • Eine allgemeine Auferstehungshoffnung wird im Frühjudentum wohl
                                                                  erstmalig von den Pharisäern vertreten. In diesem Traditionsstrom
                                                                  bewegen sich auch Jesus und Paulus.
                                                                • Erwartet wird eine leibliche Auferstehung (Verwandlung des verwesten
Ezechiels Vision (Ez 37) auf der Kensset-Menorah in Jerusalem
                                                                  Leibes).   © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
Mensch und Gott Theologische Anthropologie (2) - Bildungsnetz
Grabanlage bei Dominus Flevit in Jerusalem mit erhaltenen Ossuarien

                                                                                                     Individualität

 • In der Zeit zwischen Altem und Neuem Testament gerät der Vordere Orient zunehmend unter
       hellenistischen Einfluss. Dies gilt auch für das Frühjudentum.
 • Dazu gehört ein stärkeres Interesse am einzelnen Menschen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für
                                                                      © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
       das Menschenbild des Neuen Testaments.
Mensch und Gott Theologische Anthropologie (2) - Bildungsnetz
• Dies äußert sich auch in der Veränderung der Bestattungsriten: Verstorbene werden in Ossuarien, die
  mit Namen beschriftet sind, zweitbestattet.
• Damit verbunden ist die Hinwendung zum Inneren des Menschen und die damit verbundene Sorge
  um sich selbst. Bereits das Ich in den Psalmen und das Schema Israel (Dtn 6,4f.) weisen einen Weg in
  diese Richtung. Auch wenn es im Alten Testament noch nicht um Subjektivität geht, bietet es dafür
  Anknüpfungspunkte.

                                                                          Individualität
                                           © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
Das Menschenbild im Neuen Testament
• Es zeigen sich keine grundlegenden Veränderungen
  gegenüber dem Alten Testament trotz starker kultureller
  Einflüsse (Griechenland).
• Die biblische Anthropologie bleibt eine holistische
  Anthropologie.
• Es besteht kein grundsätzlicher Gegensatz von Leib
  und Seele.
• Durch   die   besondere      Situation   der     christlichen
  Gemeinden (Bekehrungsreligion) ergeben sich andere
  Perspektiven: Der von der Macht der Sünde befreite
  Mensch sieht sich den Versuchungen durch die
  unerlöste Welt ausgesetzt.                                                Christus zwischen den Aposteln; Detail eine frühchristlichen
                                                                            Säulensarkophags (350-375), Museo Pio Cristina in Rom

                                             © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
Wachet und betet, dass ihr nicht in
Versuchung fallt! Der Geist ist willig;
 aber das Fleisch ist schwach. (Mk
                                          Positive Bewertung des Körpers
               14,38)

• Im Unterschied zu späteren Entwicklungen in Spätantike und Mittelalter wird der Körper des
  Menschen nicht im platonischen Sinne abgewertet.
• Unterschieden wird nicht in Leib und Seele, sondern in Fleisch und Geist. Dabei geht es um die
  Frage, ob man sein Leben ausschließlich nach fleischlichen Bedürfnissen ausrichtet oder an
  geistlichen (d.h. am Willen Gottes ausgerichtet). Die Einheit aus Fleisch und Geist ist der
  menschliche Körper (Leib).
• Alles Körperliche ist wichtig für das Verhältnis zu Gott. Der ganze Körper wird als Kontaktorgan zu
  Gott verstanden. Nach Paulus ist der Leib der Tempel des Heiligen Geistes (1Kor 6,12-20). Nicht der
  Tempel ist der Ort der Sündenvergebung, sondern der einzelne Mensch (1Kor 6,19).
• Auch der Mensch des Neuen Testaments ist durch die Befreiung von der Sünde nicht autonom im
  aufgeklärten Sinne. Der menschlicher Körper   bleibt
                                         © Dr. Markus Sasse,Angriffsfläche
                                                             RFB 2021      guter und böser Mächte (Dämonen)
BERGER, K.: Historische Psychologie des Neuen Testaments (SBS 146/147), Stuttgart 1991.
Bibel und Kirche 67 (1/2012): Der Mensch - verkörpertes Leben
FREVEL, C. (Hrg.): Biblische Anthropologie. Neue Einsichten aus dem Alten Testament (QD 237), Freiburg,
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                                                                                      © Dr. Markus Sasse, RFB 2021
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