Mietraum - Ausgabe 1-2021
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Mietraum² Die Zeitung von Mieter helfen Mietern · Hamburger Mieterverein e. V. · www.mhmhamburg.de park s stat t parkr aum Verkehr besser machen b u n d e s ta g s wa h l 2021 Es geht um die mehr sozialwohnungen Wohnungsfrage Immobilienunternehmen in die Pflicht nehmen 1.2021 — 0,50 €
Ausgabe 1 — Juni 2021 t i t e lt h e m a Wir brauchen Parks statt Parkraum Interview mit Dr. Philine Gaffron 7 Zahlen zum Verkehr in Hamburg 10 mietrecht und mieten Mieterfreundliches zu Modernisierung 5 Kurzurteile 14 Liebe Mitglieder, Sie fragen – wir antworten 16 Betriebskosten Gut beraten mit MhM 15 das Bundesverfassungsgericht hat im April zwei wegweisende Wohnen mit Hartz iv 19 Entscheidungen veröffentlicht, die uns noch lange beschäftigen wer- Gewerbemietrecht im Lockdown 20 den. Es stellte fest, dass das Land Berlin nicht berechtigt ist, die Mie- Interview mit Rechtsanwältin ten zu deckeln. Mietbegrenzungen müssen also bundesweit geregelt Franziska Jourdan 21 werden, hierzu finden Sie die Vorschläge von MhM-Geschäftsführerin Sylvia Sonnemann auf Seite 3. wohnungspolitik Das Bundesverfassungsgericht befand zudem, dass die bisherigen Klimaschutzziele nicht ausreichen und die CO2-Last schneller abge- Bundestagswahlen Die Wohnungsfrage 3 baut werden muss. Eine Gerechtigkeitsfrage, welche die ältere Gene- Mehr Sozialwohnungen Interview mit ration strenger in die Pflicht nimmt, um den Jüngeren keinen Scher- Dr. Sarah Lincoln 17 benhaufen zu hinterlassen. Was im Verkehrssektor geschehen sollte, Volksinis »Keine Profite mit Boden & Miete« um den Klimaschutzzielen gerecht zu werden, lesen Sie im Interview – Wie weiter? 12 mit dem Mitglied des Klimabeirats des Hamburger Senats Dr. Philine Holsteninitiative 13 Gaffron ab Seite 7. Deutsche Wohnen enteignen 12 Wenn Sie uns Ihre Meinung sagen wollen oder einen spannenden Hinweis haben, über was wir berichten sollten, schreiben Sie mir ger- u m w e lt u n d s o z i a l e s ne eine E-Mail an info@mhmhamburg.de. Und noch eine Bitte: Abonnieren Sie die Mietraum² digital. So er- Wohnprojekt Kleinborstel 18 halten Sie unsere Mitgliedszeitung ein paar Tage früher und Beratungskompass motte in Altona 22 schonen die Umwelt. Eine anregende Lektüre wünsche ich Ihnen! mieter helfen mietern Ihre Andree Lagemann Rechenschaftsbericht 4 Einladung Vollversammlung 2 MhM schult Wohnungssicherung 22 Vorgestellt Neue Kollegin 23 Nachlese 22 m h m - m i t g l i e d e r v o l lv e r s a m m l u n g 26. Oktober 2021 um 18:30 Uhr im Bürgertreff Altona-Nord, Gefionstraße 3 Einladung zur Mitglieder-Vollversammlung Liebe Mitglieder, Tagesordnung hiermit laden wir Sie herzlich zu unserer Mitglieder-Vollver- Begrüßung sammlung am 26. Oktober 2021 um 18:30 Uhr in den Bürgertreff 1. Vorstellung des Rechenschaftsberichts (siehe Seite 4) Altona Nord, Gefionstraße 3 ein. 2. Entlastung der Vorstandssprecher*innen Bitte melden Sie sich bis zum 11. Oktober 2021 telefonisch un- 3. Wahl des Vorstandes und der Vorstandssprecher*innen ter 040 / 431 394 - 0 an. Je nach geltender Allgemeinverfügung 4. Anregungen und Fragen an den Vorstand können wir so die Einhaltung der Hygienevorschriften sicher- 5. Ausklang stellen und Sie über etwaige erforderliche Schnelltests etc. infor- Bringen Sie bitte Ihren Mitgliedsausweis zur Abstimmung mieren. Mit Blick auf die Unwägbarkeiten der Pandemie schauen mit. Sie erreichen den Veranstaltungsort über die S-Bahn Halte- Sie im Oktober unter www.mhmhamburg.de, ob es aktuelle Än- stelle Holstenstraße oder mit den Buslinien 3, 183 und 283. Der derungen gibt. Bürgertreff befindet sich in demselben Gebäude wie das Café Breitengrad. Vorstand und Geschäftsführung werden den in- haltlichen und finanziellen Rechenschaftsbericht ausführlich vorstellen. Wir freuen uns auf Sie! 2 MhM Mietraum² 1.2021
Bundestagswahlen 2021 Abstimmung über die Wohnungsfrage In Bayern versuchten es Volksinitiativen mit einem Mietenstopp, in Berlin die rot-rot-grüne Landesregierung mit einem Mietendeckel. Beides scheiterte. Die Verfassungsgerichte spra- chen den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für Mietbegrenzungen ab und so ist klar, der Bund und damit die nächste Bundesregierung sind gefordert. Für sozial engagierte Mieter*in- nen und Mietervereine bedeutet das: Aufstehen, Krönchen richten und weiterkämpfen. Wer als Mietpartei die Schieflage auf dem Woh- eben nur besser werden, was mal gut war. Noch nungsmarkt zu spüren bekommt, sollte schauen, immer zeigt die Mietpreisbremse keine große Wir- welche Antworten die jeweiligen Parteien auf die kung. Dass die Miete maximal 10 Prozent über der ausufernden Mieten und die Verdrängung vieler ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, muss für Mieter*innen in den Großstädten und Ballungs- alle Mietverhältnisse gelten – mit Ausnahme der zentren geben. Im Bündnis »Mietenstopp! Denn Neubauwohnungen. Das wäre eine einfache Regel dein Zuhause steht auf dem Spiel« sind die drän- und ein wirksamer Schutz der Mieter*innen vor gendsten Forderungen an eine soziale Wohn- und überzogenen Neuvermietungspreisen. Aber auch Mietenpolitik zusammengefasst worden: von Bestandsmieter*innen muss der Druck ge- nommen werden, einen hohen Prozentsatz des Kampagne Mietenstopp Einkommens für das Wohnen ausgeben zu müs- Mietenstopp flächendeckend für sechs Jahre sen. Die Kappungsgrenze – das ist die Mieterhö- Ausnahme bei Neubauwohnungen und bei hungsmöglichkeit in einem Zeitraum von drei Jah- fairen Mieten – dann 2 %-Steigerung jährlich ren – sollte idealerweise nach dem o. g. sechsjähri- Bodenspekulation eindämmen gen Einfrieren der Mieten auf fünf oder, wie es die mehr Neubau sowie bezahlbare Wohnungen Bundesratsinitiative des Hamburger Senats for- aus öffentlicher Hand dert, auf maximal zehn Prozent begrenzt werden. strengere Regeln bei Eigenbedarf nach Jetzt gelten bundesweit 20 bzw. 15 Prozent in eini- Umwandlung gen Gemeinden. So können Hamburgs Vermie- Mehr unter www.mietenstopp.de ter*innen nach der derzeitigen Gesetzeslage in- nerhalb von drei Jahren die Mieten um fünfzehn MhM ist diesem Bündnis aus Miet- und Wohl- Prozent erhöhen – das sind jährlich fünf Prozent! fahrtsverbänden, Aktivist*innen und Gewerkschaf ten beigetreten und unterstützt die dortigen For- Neue Wohnungsgemeinnützigkeit Die Forde- derungen – es darf sogar noch etwas weitergehen. rung nach mehr sozialem Wohnungsbau wird den Das vom Hamburger Senat seit 2011 initiierte Sozialwohnungsbestand nur kurzfristig stabilisie- Wohnungsbauprogramm hat gezeigt, dass es ren. Denn Sozialmieten werden lediglich für einen nicht allein auf hohe Baufertigstellungszahlen an- bestimmten Zeitraum vereinbart und sind in der kommt. Die Neubauwohnungen sind teuer und Regel lediglich auf 15 – 30 Jahre begrenzt. Jährlich für viele Mietparteien nicht bezahlbar. Der soge- fallen schon jetzt weit mehr Wohnungen aus der nannte Sickereffekt durch Haushalte, die eine Neu- Preisbindung, als neue gebaut werden. Die Idee bauwohnung beziehen und dann anderswo eine der von MhM mitgetragenen Hamburger Volksi- Mietwohnung freiziehen, kommt bei einkom- nis, auf öffentlichem Grund einen für immer güns- mensschwächeren Haushalten in Hamburg nicht tigen Wohnungsbestand zu schaffen (siehe auch an. So wird entgegen der schönen Theorie die neu Seite 12), ist deutlich nachhaltiger und sichert gebaute Wohnung nicht zwangsläufig von einem preisgebundenen Wohnungsbestand auf Dauer. Hamburger Haushalt bezogen, sondern häufig von Und auch, wer baut ist wichtig. Gemeinwohlori- Die nächste Bundes- Menschen, die neu nach Hamburg gezogen sind. entierte Eigentümer*innen müssen dringend fi- tagswahl entscheidet Selbst wenn eine günstige Hamburger Bestands- nanziell gestärkt werden. Dies ist Ziel der seit eini- auch darüber, wie wir wohnung frei gezogen wird, bleibt diese nicht gen Jahren diskutierten »Neuen Wohngemeinnüt- in Hamburg wohnen preiswert. Nach dem Motto »Günstig war ges- zigkeit«. Wohnungsunternehmen, die moderate werden. tern«, wird der Mietpreis oft nach dem Auszug der Mieten verlangen und geringe Renditen in Kauf Altmieter*innen von einem auf den anderen Tag nehmen, sollen im Rahmen einer Neuen Gemein- um fünfzig Prozent erhöht – im Idealfall allenfalls nützigkeit steuerlich entlastet werden. durch die Mietpreisbremse begrenzt. Das Zuhause schützen Die jetzige Bundesregie- Apropos Mietbegrenzung Die mit Ausnahmen rung hat sich mit halbherzigen Mäuseschritten für und Einschränkungen gespickte Mietpreisbremse Mieter*innenschutz eingesetzt. Erst im Mai wurde von 2015 war die Folge der vorletzten Bundestags- endlich das Baulandmobilisierungsgesetz verab- wahl 2013. Eine wenig taugliche Mietbegrenzung, die zweimal nachgebessert wurde. Aber es kann Mietenpolitik 3
schiedet. Nach jahrelangen Diskussionen und Ge- in der MhM-Beratungspraxis dieses existenzielle zerre ist von dem versprochenen Schutz vor Um- Thema immer häufiger auftaucht und viele Mie- wandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und ter*innen Angst haben, ihre Wohnungen zu verlie- damit vor Eigenbedarfskündigungen wenig ge- ren. Aber nicht nur die Quantität ist besorgniserre- blieben. Auch die auf dem Wohngipfel 2018 beteu- gend, auch die herabgesetzten rechtlichen Anfor- erten Neubauzahlen und Maßnahmen sind im derungen an eine Eigenbedarfskündigung ma- Wesentlichen ausgeblieben. Statt der bis zur Bun- chen es Vermieter*innen zu einfach. Bündnis 90/ destagswahl 2021 geplanten 1,5 Millionen neuen Die Grünen und Die Linke hatten zur Verbesserung Wohnungen sind allenfalls 900.000 Wohnungen des Kündigungsschutzes einige Vorschläge unter- gebaut worden. In den Mietenspiegeln werden breitet. MhM hat dazu Stellung genommen (siehe jetzt nicht nur die erhöhten Mieten der letzten Mietraum² Ausgabe 2/2020 sowie auf dem Blog vier Jahre, sondern die der letzten sechs Jahre www.mhmhamburg.de/blog) und Vorschläge un- einbezogen. Die ursprüngliche Forderung aber, terbreitet. Keiner davon ist von der jetzigen Regie- alle Mieten im Mietenspiegel abzubilden, ist weit rung in Angriff genommen worden. verfehlt worden. Man darf hoffen, dass die Bundestagsparteien Auch in Sachen Kündigungsschutz ignoriert die diese drängenden Fragen und damit insbesondere Bundesregierung Regelungslücken und die unsozi- die soziale Wohnungsfrage aufgreifen und Lösun- al ausgeweiteten Eigenbedarfsgründe. In Ham- gen anbieten, die ein bezahlbares Wohnen allen burg sind seit den 90er Jahren zahlreiche Miets- Menschen in diesem Land und in allen Ecken der häuser umgewandelt und an Einzeleigentümer*in- Republik ermöglichen. nen verkauft worden. Die zehnjährige Kündigungs- Sylvia Sonnemann sperre ist ausgelaufen – kein Wunder also, dass mhm Topthemen Lärm und Mängel Besonders hart traf es Mieter*innen, die im Jahr 2020 mit Baukran Rechenschaftsbericht 2020 und Gerüst vorm Fenster im Homeoffice zu Hause bleiben mussten. Lärm und damit Mängel waren deshalb auch im Jahr 2020 die drängendsten Miet- Im letzten Jahr sollte das 40-jährige Jubiläum von MhM gefeiert probleme. Dass viele Menschen so viel Zeit zu werden. Daraus wurde bekanntlich nichts. Stattdessen passten wir Hause verbringen, hat auch Nachteile: Nachbar- laufend das Hygienekonzept in den Vereinsräumen entsprechend schaftslärm als Thema in der Beratung hat deut- den jeweilig gültigen Allgemeinverfügungen an und nutzten die Zeit, lich zugenommen und führte zu einer großen um MhM noch zukunftsfähiger zu machen. So konnten wir allen Mit- Nachfrage nach Mediation. Erfreulicherweise gliedern ohne Unterbrechung gute und vor allem gut erreichbare Be- blieben im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 die ratung bieten. Daneben machte MhM so viel Öffentlichkeitsarbeit befürchteten Kündigungen wegen Zahlungsver- wie möglich durch Volksinis, Bundestagsauftritte und Presseberich- zugs weitgehend aus. Hingegen vezeichnete MhM te, um günstigen Mietwohnungsbau zu fördern und den Kündigungs- erneut mehr Fälle von Eigenbedarfskündigungen. schutz für Mieter*innen zu verbessern. Ein massives Problem für Betroffene und ein be- sonderes Ärgernis, weil sehr viele Eigenbedarfs- kündigungen nur ausgesprochen werden, um un- liebsame Mietparteien loszuwerden. MhM hat dies gegenüber der Presse und der Hamburger Bau- sowie der Justizbehörde immer wieder the- matisiert und konkrete Reformen vorgeschlagen. Ausführlich nahm MhM-Geschäftsführerin Sylvia Sonnemann im Bundestag am 9. Dezember 2020 zu Reformvorschlägen im Kündigungsrecht Stel- lung und sprach sich detailliert für mehr Mie- ter*innenschutz aus. Bezahlbares Wohnen Die von MhM gemeinsam mit dem Mieterverein zu Hamburg und Hambur- ger Mieterinis und sozialen Initiativen ins Leben gerufenen Volksbegehren haben die erste Hürde genommen, und sie haben schon jetzt für sehr viel Diskussionsstoff in der Hamburger Bürgerschaft gesorgt. MhM-Jurist Marc Meyer engagiert sich dort unermüdlich für einen sorgsamen Umgang mit Hamburgs Boden und langfristig niedrige Mietpreise auf städtischem Grund. Die MhM-Zentrale im Schanzenviertel 4 MhM Mietraum² 1.2021
Neue Beratungskanäle Ohne Anmeldung ging und fast 3.000 Mailanfragen – ein neuer Rekord – im Jahr 2020 wenig im Beratungsalltag von MhM. wurden beantwortet. Die Einzeltermine – sonst Persönlich vor Ort und ohne Anmeldung – so soll persönlich in der Zentrale – liefen telefonisch oder die sog. Offene Beratung des niedrigschwelligen per Videochat. Beratungsangebots von MhM funktionieren. Doch Safety first Da MhM in der Zentrale im Schan- seit März 2020 sind Anmeldungen erforderlich. zenviertel ganz überwiegend Einzelbüros unter- Seit dem Lockdown im November 2020 findet die hält und sowohl die Telefonanlage und das Com- Beratung gänzlich telefonisch und digital statt. puternetzwerk in kürzester Zeit homeoffice-fähig Vorteil für die Mitglieder: Keine Wege- und Warte- waren, konnten wir das Infektionsrisiko minimie- zeiten dank fester Termine. Täglich sind wir nun ren. Bis heute sind alle gesund geblieben – drei Mal außerdem morgens und nachmittags für jeweils auf Holz geklopft. Und die überraschend gute zwei Stunden für Beratung am Rechtstelefon er- Nachricht zum Schluss: Neue Mitglieder haben reichbar. Ein schneller und einfacher Einstieg in die den Weg zu uns gefunden und die Mitglieder sind Rechtsberatung – Mitglieder benötigen lediglich uns treu geblieben. Im Jahr 2020 konnte MhM so- ihre Mitgliedsdaten für diese erste rechtliche Ori- gar ein ganz klein wenig wachsen. Das sehen wir entierung. 24/7 können Mitglieder ebenfalls ihre als großes Geschenk in unserem 40-jährigen Jubi- Fragen online stellen – in der Regel gibt es schon läumsjahr an. innerhalb eines Werktags eine klärende Antwort. Sylvia Sonnemann Insgesamt fanden 8.829 Beratungsgespräche statt Verbesserte Rechtslage für Mieter*innen Gerichte schützen vor zu viel Miete nach Modernisierung Nicht selten wird Mieter*innen eine Modernisierung aufgedrängt, die sie weder nützlich finden, geschweige denn bezahlen wollen. Denn immerhin acht Prozent der Modernisierungskosten können als Miet erhöhung auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden (§ 559 BGB). Im letzten Jahr haben mehrere Urteile zum Thema Modernisierung die Rechtslage für Mieter*innen verbessert. Das gilt auch für die Anwen- dung der Mietpreisbremse, wenn Vermieter*innen meinen, diese gel- te nicht, weil sie zuvor umfassend modernisiert hätten. Fassadendämmungen Das Landgericht Hamburg hat bereits am 17. Ja- tauscht und deren Kosten nachvollziehbar erläu- gehören zu den den nuar 2020 (307 S 50/18) entschieden, dass eine Mo- tert worden wären, müssten Mieter*innen den häufigsten Sanierungs- dernisierungsmieterhöhung formell unwirksam Mieterhöhungsanteil für die Fenster zahlen, nicht maßnahmen ist, wenn bei umfangreichen Modernisierungs- aber für die zu pauschal begründete Wärmedäm- maßnahmen nur die Gesamtkosten genannt wer- mung. den, nicht jedoch auch nach einzelnen Gewerken Abzug von ersparten Instandsetzungskosten In (Maurer, Maler, Gerüstbauer etc.) untergliedert demselben Urteil vom 7. Juni 2020 hat der Bundes- wird. Diese Verpflichtung gelte insbesondere für gerichtshof eine ganz wichtige Neuerung ent- die umfangreiche Position »Wärmedämmung an schieden. Ein Vermieter muss nicht nur fällige er- den Außenwänden«. Ohne eine genaue Aufschlüs- sparte Reparaturkosten in der Modernisierungs- selung könnten Mieter*innen die Abrechnung mieterhöhung abziehen. Er muss zeitanteilig auch nicht nachvollziehen bzw. rechnerisch überprüfen. Reparaturkosten bei der modernisierenden Erneu- Die Mieterhöhung, bei der der Vermieter lediglich erung von Bauteilen in Abzug bringen, wenn diese die Gesamtkosten mit 608.645,62 Euro angegeben zwar noch funktionsfähig, aber bereits über einen hatte, wurde zurückgewiesen. nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwarten- Detailgenaue Abrechnung Der Bundesgerichts- den Gesamtlebensdauer abgenutzt worden sind. hof hat am 7. Juni 2020 (bgh VIII zr 81/19) klarge- Bisher konnte ein Vermieter, der noch funktions- stellt, dass eine Mieterhöhung, die sich auf mehre- tüchtige Fenster durch solche von besserer Quali- re tatsächlich trennbare Baumaßnahmen stützt, tät und höherem Wohnkomfort austauschte, die nicht insgesamt entfällt, wenn in ihr nur einzelne gesamten für diese Maßnahme aufgewandten Baumaßnahmen unzureichend begründet wer- Kosten ungekürzt auf die Mieter*innen umlegen. den. Wenn zum Beispiel in dem Fall des Landge- richts Hamburg gleichzeitig noch Fenster ausge- Mietrecht und Mieten 5
Das geht nach diesem Grundsatzurteil nicht mehr. Alle Vermieter*innen müssen nun fiktiv ersparte Instandhaltungskosten bei der Berechnung von Mieterhöhungen abziehen. Sie müssen darlegen Hohe Baukosten allein reichen aber nicht aus, so und beweisen, dass sie die fiktiven Instandhal- der Bundesgerichtshof, um aus einer Altbauwoh- tungskosten abgezogen haben. nung eine Neubauwohnung zu machen. Nur wenn Nur die sehr umfangreiche Modernisierung die Wohnung in wesentlichen Bereichen (insbe- schließt Mietpreisbremse aus Eine umfassende sondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elek- Modernisierung, die quasi einem Neubau der troinstallationen bzw. energetische Eigenschaf- Wohnung gleich kommt, schließt die Geltung der ten) qualitativ so verbessert wurde, dass die Mietpreisbremse aus. Nach Erfahrung von MhM Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt behaupten viele Vermieter*innen, dass die gemie- ist, kann von einem neubaugleichen Standard aus- tete Altbauwohnung eigentlich ein Neubau sei gegangen werden, für die die Beschränkungen der und daher die Mietpreisbremse nicht greife. Mietpreisbremse nicht gelten. Das erreichte Neu- In einem weiteren wichtigen Urteil vom 11. No- baugepräge ist ebenso entscheidend wie der hohe vember 2020 (bgh VIII zr 369/18) ging es um die Kostenaufwand. Frage, wann eine solche umfangreiche Moderni- Die Prüfung überteuert vermieteter Wohnun- sierung vorliegt. So muss die Modernisierung der gen vor allem aus den Baujahren 1919 – 1977 kann Wohnung mindestens ein Drittel des für eine ver- sich vor diesem Hintergrund extrem lohnen. So gleichbare Neubauwohnung erforderlichen Geld- konnte MhM einen Vermieter aus Eimsbüttel da- aufwands gekostet haben. Auf der Internetseite von überzeugen, dass trotz neuer Einbauküche, Aus Altbauten der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in neuer Dekoration der Wohnung und dem Ab- werden in der Regel Hamburg findet sich das aktuelle Gutachten schleifen der Holzfußböden aus einer Wohnung keine Wohnungen mit »Hamburger Baukosten 2021«, in dem die Höhe der aus den fünfziger Jahren kein Neubau entstan- Neubaugepräge aktuellen Baukosten für einen Neubau im Ham- den ist. Die Mieterin zahlt jetzt 300,00 Euro mo- burg erläutert wird. Bei der Berechnung des we- natlich weniger. sentlichen Bauaufwands zählen die Kosten für Er- Eve Raatschen haltungsmaßnahmen nicht, fiktive Instandset- zungskosten müssen ebenfalls abgezogen wer- den, so wie auch in dem o. g. bgh-Urteil vom 7. Juni 2020 entschieden wurde. Gerechtigkeit geht auf unsere Alles was Recht ist: das Gesamtprogramm Kosten. ALLRECHT. der ALLRECHT. Auch im Beruf, Privatleben oder Verkehr werden aus harmlosen Aus- einandersetzungen schnell handfes- te Rechtsstreitigkeiten. Mit ALLRECHT, einer Marke der SIGNAL IDUNA Versichert für den Fall der Fälle: Gruppe, sichern Sie sich finanzielle Rechtsschutz für MhM-Mitglieder. Rückendeckung – ein schätzbarer Vor- teil in Zeiten von steigenden Gebühren Mal angenommen: Sie haben Ihren Vermieter schriftlich auf eine feuchte Wand in Ihrer Wohnung für Gerichte und Anwälte, immer mehr aufmerksam gemacht. Da dieser den Mangel nicht behebt und stattdessen von »schlechter Zimmer- Gesetzen und einer erhöhten lüftung« spricht, mindern Sie die Miete. Ihr Vermieter verklagt Sie. Prozessbereitschaft. Unser umfassen- Insgesamt 1.560 Euro wären für Anwälte, Gerichte, Zeugen und Sachverständige angefallen – des Rechtsschutzprogramm berück- dem gegenüber stehen 29 Euro jährlich für die ALLRECHT-Mietrechtsschutzversicherung, die diese sichtigt jede individuelle Situation und Prozesskosten übernimmt. kann Zusatz oder sinnvoller Ersatz Wenn auch Sie vor Gericht auf der sicheren Seite sein wollen, informieren Sie sich direkt bei MhM von bestehenden Versicherungen sein – unter Tel. 040 - 431 39 40 oder im Internet unter www.mhmhamburg.de wir beraten Sie gern. service@allrecht.de www.allrecht.de 6 MhM Mietraum² 1.2021
t i t e lt h e m a Verkehr und Klima Wir brauchen Parks statt Parkraum Neue Radwege auf der Straße, ein autofreier Jungfernstieg und ein ÖPNV, der deutlich ausgebaut wird und bald ohne Fahrpläne auskommen soll: SPD und Grüne haben die Mobi- litätswende für Hamburg beschlossen. Weniger Individualverkehr ist gut für unsere Gesund- heit und den Klimaschutz. Einerseits. Und andererseits sorgt der Mobilitätsumbau an vielen Orten der Stadt für teils erbitterte Auseinandersetzungen. Frank Wieding sprach für MhM mit der Verkehrsexpertin Dr. Philine Gaffron von der Technischen Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, über Mobilität, die allen Nutzer*innen und der Umwelt gerecht wird, wie man Konflikte vermeidet und über einen kostenlosen HVV. Gaffron ist seit April 2021 Mitglied des Klimabeirat des Hamburger Senats. MhM: Warum ist die Diskussion oft so erbarmungslos, wenn es um Verkehrsthemen geht, oder haben Sie einen anderen Eindruck? Dr. Philine Gaffron: Ich würde dem gerne widersprechen, aber es ist tatsäch- lich auch meine Erfahrung. Das hat mehrere Gründe. Es gibt einen spezifi- schen Deutschlandfaktor: Wir gelten als Auto-Nation, die Autohersteller stel- Dr. Philine Gaffron len einen Wirtschaftsfaktor dar und sind sehr lobbymächtig. Das hat Einfluss mit einem ihrer auf den Diskurs. Dazu kommt, dass es beim Thema Mobilität um die Gewohn- Räder (Foto privat) heiten und die Routinen der Menschen geht. Man hat sich seine Alltagsmobi- lität bestmöglich organisiert und wenn einem dann gesagt wird, man müsse daran etwas ändern, ist das zunächst einmal anstrengend und oft auch man dann repräsentative Befragungen durch- Grund zur Sorge. Mobilität wird mit persönlicher Freiheit gleichgesetzt und führt, dann ist plötzlich eine Mehrheit für die Ver- viele haben das Gefühl, es werden ihnen Entscheidungsmöglichkeiten weg- änderung. Da spielen dann oft das Mehr an Le- genommen. bensqualität und Sicherheit eine Rolle. Durchaus auch Umwelt- und Klimaschutz. Und es gibt für all » die Fragen, wie wir Waren transportieren, wie wir Wir nehmen hin, dass viele tausend Menschen im Jahr im von A nach B kommen, wo der Besuch sein Auto Straßenverkehr sterben oder schwer verletzt werden. abstellen kann, ja Antworten und Lösungen. Es ist ein Problem, wenn die Wahrnehmung des öffent- lichen Diskurses, auch auf Seite der Politik, nicht Und die negativen Folgen des Straßenverkehrs spielen keine Rolle? Wir das widerspiegelt, was eigentlich insgesamt als haben in Deutschland mehr als 3.000 Verkehrstote pro Jahr und mehrere Tau- Meinungsbild vorhanden ist. send Schwerverletzte, die zum Teil den Rest ihres Lebens eingeschränkt sind. Besonders laut ist der Aufschrei immer dann, Es gibt Zehntausende Menschen, die aufgrund von Umweltbelastungen, die wenn Parkplätze wegfallen sollen. Wir sind mit- der Verkehr verursacht, früher sterben. Aber wir nehmen das als Kollateral- ten in einem Kulturwandel. Wir haben uns daran schäden hin und haben uns daran gewöhnt. Und Klimaschutz finden viele gewöhnt, dass wir im öffentlichen Raum parken wichtig, aber dann eben doch nicht so wichtig, dass sie bereit sind, ihren All- können, obwohl Kommunen rechtlich nicht dazu tag zu ändern. Es sind also immer jene, die eine Veränderung wollen, die sich verpflichtet sind, das zu ermöglichen. Wenn man rechtfertigen müssen. Da brauchen wir einen Paradigmenwechsel. das rational betrachtet, ist es völliger Irrsinn, was Wie bekommen wir diese verfestigte Pro-Auto-Haltung aus den Köpfen? wir da angesichts der begrenzten Flächen in den Gute Ideen sind wichtig und die Kommunikation ist wesentlich. Da ändert Städten machen. Andererseits können sich die Au- sich die Kultur mittlerweile auch vielerorts. Planungsprozesse sollen transpa- tos natürlich nicht von heute auf morgen in Luft rent sein und Entscheidungen nicht nur von oben durchgesetzt werden. Es auflösen. reicht eben nicht aus, nur zu fragen, was die Menschen von einer Maßnahme » halten, sondern sie müssen auch am Entscheidungsprozess beteiligt werden. Aber selbstverständlich sind dann fast nie alle einer Meinung. So ein Prozess Wir haben keine 20 Jahre mehr Zeit für macht also Arbeit. kleine Schritte. Aber hört man nicht eh eher die, die gegen etwas sind, als jene, die etwas unterstützen? Ja, erfahrungsgemäß sind jene, die gegen etwas sind, die Lau- teren. Um zu erfahren, was die Menschen wollen, müssen wir die stille Mehr- Und wie sähe eine Lösung aus? Wir brauchen heit mobilisieren, das ist sehr wichtig. Es ist fast immer so, dass es bei Projek- mehr politischen Mut und Willen, um die Mobili- ten, bei denen es um Mobilität und Umverteilung des Straßenraums geht, tätswende zu schaffen und die klimapolitischen riesige Diskussionen entbrennen und es laute Gegner*innen gibt. Und wenn Ziele zu erreichen, zu denen wir uns verpflichtet Titelthema 7
haben. Wir haben keine 20 Jahre mehr Zeit für kleine Schritte. Parkplätze zu verteuern oder anders zu nutzen und neue Geschwindigkeitsbeschränkun- gen einzuführen, sind durchaus sinnvolle Push-Instrumente, um eine Mobi- litätswende voranzutreiben. Viele Menschen sind ja bereit, Veränderungen hinzunehmen, wenn diese für alle gelten und nicht nur für einige, wenn sie Alternativen haben und wenn ihnen rechtzeitig klar ist, wie sich die Dinge än- dern werden. Wenn man weiß, dass es flächendeckend ein gutes Angebot beim Öffentlichen Verkehr und beim Sharing gibt und das Parken in der Stadt in ein paar Jahren richtig teuer wird, dann kauft man sich im nächsten Jahr eher kein neues Auto – oder schafft das Alte früher ab. Und wenn wir mehr- heitlich Veränderungen beim Straßenverkehr wollen, dann müssen wir auch einfach damit leben, dass wir nicht alle überzeugen können. In Hamburg kostet die hvv-Tageskarte 8,10 Euro, das ist ziemlich teuer. Ist der kostenlose öpnv nicht die Lösung? Der kostenfreie öpnv ist kein Allheil- mittel, denn das heutige System könnte einen großen Ansturm neuer Fahr- gäste oft gar nicht verkraften. Wenn man massiv ausbauen will, und das ist dringend notwendig, dann kostet das Geld. Aber die Tarifstrukturen des hvv sind schon deutlich komplizierter als anderswo und sollten einfacher gestal- tet werden. Und es ist ganz wichtig, dass Menschen mit geringem Einkommen wirklich leistbare Angebote bekommen. Hamburg soll einen Fünf-Minuten-Takt bekommen – also es sollen maxi- mal fünf Minuten vergehen, bis ein Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Ist das realistisch? Ja, wenn man entsprechend investiert und auch verstärkt Busse einsetzt, kann das gehen … der Bus, der dann im Stau steht, … Das hängt von den Bedingungen ab, unter denen sie fahren werden. Der Bus ist nur attraktiv, wenn er Vorfahrt hat, also mit Busspuren und Vorrangschal- tung an den Ampeln, was wir beides noch viel konsequenter umsetzen müs- sen. Und man muss alle Mobilitätswerkzeuge intelligent einsetzen. Klassi- scher öpnv, Shuttledienste, Sharing-Angebote und eine Plattform für alle An- gebote, die mir sagt, welches aktuell die beste Option ist, um ans Ziel zu kom- men. Dafür muss es diese Angebote auch in den Randzeiten und weiter au- ßerhalb geben. Die Privatwirtschaft meidet mit ihren Mobilitätsprodukten diese Bereiche und bietet ihre Dienste meist nur in den dicht besiedelten In- nenstädten an. Aber da brauchen wir sie am wenigsten. Man muss sich also ansehen, wo brauchen wir mehr Angebote im hvv. Der Fahrdienst ioki schließt im Hamburger Westen zum Beispiel Lücken. Solche zielorientierten Lösungen müssen das Maß sein, nicht das wirtschaftliche Interesse eines Privatanbieters. Hamburg plant, seine Ausfallstraßen weiterzuentwickeln und dort Woh- nen zu realisieren. Macht es Sinn, an den Magistralen Menschen mit noch mehr Autos anzusiedeln? Das muss ja nicht so sein. Gerade die Magistralen bieten sich für Bus- und Radspuren an, weil es dort meist viel Straßenraum gibt, den man umverteilen kann. Wie stellen Sie sich die Wohnquartiere der Zukunft vor? Das neue Wohn- quartier Oberbillwerder wird autoarm geplant, der Senat drückt sich aber vor autofreien Quartieren. Das Wort »autofrei« ist unglücklich. Ein Quartier Selten so wenig Autos auf dem ist nie komplett autofrei. Taxi, Möbelwagen, Mülllaster, Lieferwagen, Sharing- Schulterblatt (Foto oben) fahrzeuge – irgendwer fährt berechtigterweise immer in solche Gebiete. Bei einigen weckt das Wort »autofrei« zudem Ängste und Fundamentaloppositi- Immer noch weit verbreitet: Fahrräder on und auf der anderen Seite sorgt es für Enttäuschungen bei jenen, die dach- unerwünscht (Foto mitte) ten, dass vor Ort wirklich nichts mit Motor und vier Rädern unterwegs ist. Au- Fahrradfahren in Hamburg: Baustelle ßerdem liegt der Fokus sprachlich immer noch auf dem Auto und es wäre gut, mitten auf dem Radweg (Foto unten) wenn wir davon wegkommen. Kinderfreundlich wäre gut, denn fahrende und parkende Autos sind das wirklich fast nie. Der öffentliche Raum sollte haupt- sächlich für den Menschen da sein und für die Mobilität muss es dann die ge- bündelten, gut vernetzbaren Angebote für alle geben. Das ist in den wenigs- 8 MhM Mietraum² 1.2021
ten Fällen der private Pkw. Solche Konzepte sind in neu geplanten Quartieren etwas einfacher umzusetzen als im Bestand. Aber auch in Bestandsquartie- ren kann man den Verkehrsraum umplanen und neu verteilen. Wien, Amsterdam, Kopenhagen. Was können wir von unseren Nachbarn lernen? Paris finde ich auch noch interessant, wo die Bürgermeisterin Anne Hidalgo ab 2030 Verbrenner in der Innenstadt verbieten will. Und Paris hat auch bei der Infrastruktur für Fahrräder in den letzten Jahren deutlich zuge- legt. Hidalgo wünscht sich einen Wechsel hin zu einem ökologischen Huma- nismus und ein Ende des negativen Diskurses mit dem Fokus auf Umweltzer- störung. Das ist sehr anspruchsvoll, aber ein spannender Ansatz. Wie steuert man den Individualverkehr in Hamburgs Innenstadt? Wie ge- sagt, beim motorisierten Individualverkehr spielt immer das Parkraumma- nagement eine wesentliche Rolle. Wird zum Beispiel entschieden, dass man in bestimmten Teilen der Innenstadt öffentlich nur Sharing-Autos abstellen kann, dann ist das eine sinnvolle Steuerung. Noch kostet das Parken des eige- nen Autos an vielen Stellen in Hamburg nichts. Oder es ist viel zu günstig. Be- wohnerparken kostet 30 Euro – im Jahr. Das muss insgesamt teurer werden. Mit dem öpnv oder dem Fahrrad in die Stadt zu kommen, muss definitiv güns- tiger und unkomplizierter sein als mit dem eigenen Auto. Es ist auch eine Fra- ge der Gerechtigkeit denen gegenüber, die kein Auto haben. » Tempo 30 führt generell zu einem besseren Verkehrsfluss. Das zweite Instrument ist die Geschwindigkeit. Also Tempo 30 auf allen Straßen? Ja, Tempo 30 führt generell zu einem besseren Verkehrsfluss und macht die Straßen sicherer und leiser – wenn es auch durchgesetzt wird. Das lässt die Straßenverkehrsordnung derzeit aber noch nicht flächendeckend zu. Hier ist also auch der Bund gefragt. Oft wird zudem argumentiert, dass der öpnv dann nicht mehr attraktiv sei. Das halte ich nicht für plausibel, weil die Autos dann ja auch nicht schneller sein dürfen und es ohnehin sinnvoll ist, Bussen auf der Straße Vorrang zu geben. Kopenhagen zeigt uns seit vielen Jahren, dass auch Protected Bike Lanes sinnvoll sind und dafür sorgen, dass die Menschen aufs Rad umsteigen. In Hamburg kommt der erste geschützte Radweg auf der Straße im Jahr 2021. Warum so spät? Ein Mangel an Weitsicht? Letztlich wurden in der Vergangen- heit zu viele Dinge zu langsam angepackt. Mit der Priorisierung des motori- sierten Verkehrs als Wirtschaftsfaktor wurde vieles einfach weggewischt oder auf die lange Bank geschoben. Es bringt aber nichts, die Vergangenheit zu be- klagen. Wir müssen jetzt eben schneller werden. Es verändert sich ja mittler- weile auch schon einiges. Hamburgs grüner Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks sagt, dass wir in zehn Jahren einen anderen Verkehrsmix haben – eine sehr kurze Zeit. Wenn wir das in zehn Jahren nicht hinbekommen haben, dann haben wir ein Problem. Das ist ein extrem wichtiges Ziel, allein um unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Der Verkehrssektor hat in Deutschland seit den 90er Jahren seine CO2-Emissionen nicht reduziert. Wenn wir uns einig sind, dass wir gesunde Städte und Klimaschutz wollen, müssen wir das nun dringend nachholen. Corona hat in unserem Land vieles verändert, auch den Verkehr. Es sind weniger Menschen im öpnv unterwegs, es fahren mehr mit dem Fahrrad. Was wird davon bleiben? Die Tatsache, dass die Pandemie so lange dauert, ist Noch immer häufiges Straßenbild in zwar einerseits schlimm, aber andererseits macht es Veränderungen oder das Hamburg: Kein Weiterkommen zu Fuß oder per Beibehalten von anderem Verhalten wahrscheinlicher. Die Flexibilität wird Rad (Foto oben) größer, es dürfte eine Entzerrung der Arbeitszeiten geben und mehr Home Seit 2011 autofrei: Der Hansaplatz in office. Bei der Fahrradinfrastruktur müssen wir möglichst schnell mit dem St. Georg (Foto mitte) Ausbau voran kommen, auch durch zunächst temporäre Maßnahmen wie Pop-up Radwege. Und im öpnv werden überzeugende Angebote und zuver- Wegweisend: Verkehrsberuhigung In lässige Hygienekonzepte auch dafür sorgen, dass die Menschen ihn wieder Paris (Foto unten) verstärkt nutzen. Titelthema 9
Straßenverkehr Hamburg in Zahlen 804.136 Pkw waren 2020 in Hamburg angemeldet. Zehn Jahre zuvor waren es nur 725.845 Pkw. Seit 2010 wächst die Zahl der in Hamburg gemeldeten Autos kontinuierlich. 600 neue Haltestellen auf neuen Buslinien plant der Senat im Rahmen seines © Statista 3/2020 »Hamburg Takt« bis 2030. Ziel ist es, die Fahrgast- zahl im öpnv im Vergleich zu 2017 um 50 % zu 43 % erhöhen. © Senatskanzlei, 11.12.2019 der Hamburger Haushalte haben kein Auto, 48 % haben ein und 8 % zwei Autos. © Mobilität in Deutschland 2017, 3.100 StadtRäder können an 250 Stationen gemietet werden. 2009 wurde das Infas 11/2018 Bikesharing-System in Hamburg gestartet. © StadtRad.hamburg.de 39 % der Hamburger*innen sind der Meinung, dass das Thema »Mobilität, Verkehr, Infrastruktur« das wichtigste politi- 4.000 km umfasst in etwa Hamburgs Straßennetz, mit rund 7.500 sche Problem ist. Straßen, Plätzen und Brücken. Gefolgt von »Wohnen, Mieten« mit 33 %. © Statista 1/2020 12,8 km ist Hamburg längste Straße lang. Die Bergedorfer Straße verläuft von Lohbrügge bis Billstedt. Die kürzeste Straße ist der Wasserkamp in Ohlsdorf mit 23 Metern. © mopo, 14.2.2019 Illustrationen © Jana Madle-Elmerhaus 10 MhM Mietraum² 1.2021
46 % der Hamburger*innen, die älter als 14 Jahre sind, sind täglich oder fast täglich zu Fuß unterwegs. 24 % mit dem Fahrrad, 27 % mit dem Auto. © Mobilität in Deutschland 2017, Infas 11/2018 280 km soll Hamburgs Veloroutennetz mit 14 Strecken lang werden. Knapp zwei Drittel davon waren bis Ende 2020 62 km Radwege hat Hamburg im Jahr 2020 neu gebaut oder saniert. Mittelfris- fertiggestellt. © Verkehrsbehörde, 22.1.2021 tig sollen es 100 km pro Jahr werden. © Verkehrsbehörde, 22.1.2021 63 Millionen Euro will die Stadt 2021 in den Radverkehr investieren, das sind rund 34 Euro pro Einwohner*in. Der Ausbau der öpnv-Infrastruktur kostet 2021 rund 201 Millionen Euro. © Verkehrsbehörde, 2.12.2020 40.000 Stellplätze für Fahr räder sollen bis 2025 an den S- und U-Bahnhalte- 33 % betrug der Anstieg des Radverkehrs an den Zähltagen im August und stellen in Hamburg entstehen, zusätzlich 10.000 Radstellplätze in den innerstädtischen Quartie- ren. © Hamburger Koalitionsvertrag 2020–2015 September 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Die Pandemie mag ihren Anteil daran haben, aber auch ohne sie steigt Hamburgs Radverkehr kontinuierlich. © Verkehrsbehörde 17.11.2020 55 Zählstellen gibt es in Hamburg, um den Radverkehr anony- misiert zu erfassen, 100 sollen es einmal werden. 13.065 Menschen haben die Online-Petition »Pop-up-Radwege in Hamburg Die erfassten Daten, die für die Verkehrsplanung wichtig sind, können eingesehen werden: www.geoportal-hamburg.de/verkehrsportal/ jetzt« unterschrieben. Auf den Straßen An der © Verkehrsbehörde 17.11.2020 Alster, Reeperbahn und Wandsbeker Chaussee seien sie besonders nötig. © adfc, 24.10.2020 Titelthema 11
Volksinitiativen »Keine Profite mit Boden & Miete« – Wie weiter? Dank genügender Unterschriften kamen im Oktober 2020 die beiden Volksinitiativen »Bo- den behalten – Hamburg sozial gestalten!« und »Neubaumieten auf städtischem Grund – Für immer günstig!« zustande. Ein großer Erfolg, die erste Hürde der Volksgesetzgebung war da- mit genommen. Jetzt ist es an der Bürgerschaft, die Forderungen der von MhM mitinitiierten Volksinis zu übernehmen. Das tat sie bislang nicht. Aber die Gespräche mit den Abgeordne- ten der Regierungsfraktionen SPD und den GRÜNEN dauern an. Hier ein Zwischenbericht. Die Hamburger Bürgerschaft hat – wie erwartet bei den politischen Schlussfolgerungen liegen die – die Forderungen der Volksinis nicht innerhalb der Seiten wohl weit auseinander. dafür vorgesehenen Viermonatsfrist bis Februar Die Volksinitiativen haben gefordert, die Frist 2021 übernommen. Um zu vermeiden, dass die zur Beantragung des Volksbegehrens bis zum Ende Volksinitiativen mitten im Lockdown der Pande- der Pandemie zu verlängern, denn bei den langan- mie die zweite Hürde, das Volksbegehren, stem- dauernden Einschränkungen des privaten und öf- men müssen, haben die Inis im Februar und im fentlichen Lebens können weder die notwendigen Mai 2021 die beiden gesetzlich für jeweils drei Mo- Unterschriften eingeworben noch Fristen einge- nate möglichen Fristverlängerungsanträge ge- halten werden. Ende Mai hat die Hamburger Bür- stellt. Innerhalb von drei Wochen mehr als 65.000 gerschaft ein Gesetz verabschiedet, wonach u. a. Unterschriften (= 5 % der Wahlberechtigten) zu die für Volksinitiativen relevanten Fristen durch sammeln, hätte aktuell nicht gelingen können. Beschluss der Bürgerschaft bis auf Weiteres ge- Seit Ende Februar treffen sich Vertreter*innen hemmt werden können. Man darf hoffen, dass die der Volksinitiativen und der Regierungsfraktio- Volksinitiativen nach dem Ende der Pandemie nen. Gemeinsam mit Expert*innen wurden u. a. (und nach den Bundestagswahlen) genügend Zeit die Hamburger Grundstückspolitik, Wohnungs- erhalten, um die Voraussetzungen für den Start baukosten und deren Wirtschaftlichkeit bei be- der beiden Volksbegehren zu schaffen. Wann ge- stimmten Miethöhen über verschiedene Laufzei- nau die Volksbegehren in 2022 starten werden, ist ten sowie Fördermodelle für preiswerte Wohnun- noch ungewiss. Um einen erneuten Erfolg zu ge- gen gesprochen. Die Volksinis haben anhand von währleisten, haben die Vorbereitungen jedenfalls Modellrechnungen nachgewiesen, dass Zuschüsse schon begonnen, aktuelle Infos immer unter: in der Höhe, wie sie derzeit für den sozialen Woh- keineprofitemitbodenundmiete.de nungsbau (1. Förderweg) üblich sind, nicht nur wie Marc Meyer bisher maximal 30 Jahre, sondern auf ewig preis- gebundene Wohnungen wirtschaftlich darstellen können. Auch wenn nicht alle Zahlen strittig sind, Deutsche Wohnen & Co. enteignen Das Übel an der Wurzel packen Die Berliner Bürger*inneninitiative will private Vermieter*innen mit mehr als dreitausend Wohnungen enteignen, entschädigen und in Anstalten des öffentlichen Rechts überführen lassen. Die erste Phase auf dem Weg zum Volksentscheid hat sie 2019 erfolgreich mit 77.000 Unterschriften abgeschlossen. Nun geht es weiter zum Volksentscheid, über den die Ber- liner*innen zeitgleich mit der Bundestagswahl am 26. September 2021 abstimmen können. Hendrik Heetlage, aktiv bei der Initiative, kommt hier zu Wort: Seit dem 26. Februar 2021 stehen wir Berliner*in- die Hintergründe, die dazu geführt haben, dass nen vor Parkeingängen, vor Einkaufszentren, auf derzeit das Gespenst der Enteignung die großen belebten Straßen und Plätzen. Wir tragen lila Wes- Immobilienkonzerne der Stadt in Angst und Schre- ten und sammeln Unterschriften. Warum? Weil cken versetzt. wir wütend sind. Wir sind wütend, weil in Berlin In Berlin hat sich die Miete in den letzten 30 Jah- der Prozess der Verdrängung, der Gentrifizierung ren im Durchschnitt verdreifacht. Im gleichen Zeit- – der sogenannte Mietenwahnsinn – besonders raum wurden über 200.000 Wohnungen privati- schnell und besonders schamlos vor sich geht. siert. Allein seit zwischen 2009 und 2019 erhöhte Werfen wir einen kurzen Blick auf die Zahlen und sich die Miete im Durchschnitt von 5,60 Euro pro 12 MhM Mietraum² 1.2021
Quadratmeter auf 11,40 Euro – eine Steigerung von fen sein wird. Unter das »& Co.« fallen beispiels- 104 Prozent. Laut den Zahlen des Portals Immo weise auch Vonovia, Akelius und der dänische Kon- scout24 stieg sie in dem Bezirk, in dem ich lebe, zern Heimstaden oder auch die Milliardärsfamilie Berlin-Neukölln, sogar um 146 Prozent. Die Löhne Pears, die hinter der Gruppe Pears Global Real Esta- der Menschen haben sich im gleichen Zeitraum te steckt und schon so manche Räumung in Berlin keineswegs verdoppelt oder gar verdreifacht … veranlasst hat. Etwa 240.000 Wohnungen würden Die Mieten steigen also schneller als die Löhne so der Marktlogik entzogen und gemeinwohl und beanspruchen einen immer höheren Anteil orientert bewirtschaftet. Dazu soll eine neue An- am Einkommen. Was wir hier erleben, ist eine Um- stalt des öffentlichen Rechts gegründet werden. verteilung von unten nach oben; ein groß angeleg- Ausdrücklich ausgenommen von der Vergesell- ter und international geführter Klassenkampf von schaftung sind Genossenschaften und landeseige- oben – getrieben von der Logik des unregulierten ne Unternehmen. Unsere Initiative beruft sich auf Finanzmarktes, der für Wohnungen in Berlin in Artikel 15 des Grundgesetzes, der besagt, dass den letzten zehn Jahren Renditen von 20 Prozent Grund und Boden, Naturschätze und Produktions- versprach. Die Konsequenz: Wohnraum wird zur mittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch Kapitalanlage, Wohnraum wird zur Ware und ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädi- Wohnraum wird zum Spekulationsobjekt. Die Fol- gung regelt, in Gemeineigentum oder in andere ge: Mietsteigerungen, Mietwucher und radikale Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden Entmietungsstrategien. Die Finanzkrise von 2008/ können. 2009 hat diesen Effekt noch verstärkt, denn in Im- Nach zwei Monaten haben wir mit über 130.000 mobilien zu investieren ist seitdem noch attrakti- Unterschriften bereits mehr als die Hälfte der be- ver geworden: Betongold. nötigten Unterschriften gesammelt. Und das trotz Hendrik Heetlage Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen (Teil-)Lockdown, Ausgangssperren und kältestem beim Unterschriften will diesem Treiben ein Ende setzen. Hieß es vor- April seit 30 Jahren. Sammeln (Foto privat) her: »Erst deckeln, dann enteignen!« setzen wir seit Dass wir die Unterschriften zusammenbekom- der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts men, ist also keine Frage. Wichtiger wird die Zeit zum Aus des Berliner Mietendeckels nun auf das von Juni bis September werden, denn es reicht Motto: »Enteignen, jetzt erst recht!« Uns ist klar, nicht den Volksentscheid nur herbeizuführen, son- dass es so nicht weitergehen kann. Als Kampagne dern wir wollen ihn gewinnen! Der »Wahlkampf« wollen wir mittels eines Volksentscheides den Ber- beginnt dann, wenn das Volksbegehren endet, liner Senat dazu auffordern ein Gesetz zu erlassen, denn am 26. September, am Tag der Bundestags- dass die Vergesellschaftung der Bestände von pro- wahl, darf ein*e jede*r Berliner*in abstimmen, ob fitorientierten Wohnungsunternehmen mit mehr Deutsche Wohnen & Co. enteignet werden sollen. als 3.000 Wohnungen in Berlin regelt. Das bedeu- Mehr Informationen über unser Anliegen findet tet, dass nicht nur die Deutsche Wohnen se betrof- ihr auf unserer Homepage: www.dwenteignen.de Holsteninitiative »knallt am dollsten« Zu Gold gemacht Das frühere Gelände der Holsten-Brauerei in Altona soll neu bebaut werden – und ist längst zum Spielball von Investor*innen geworden. Die Stadt muss eingreifen. Bunte Flaschen tanzen und wippen, drehen sich im Kreis und tauschen ihre Position. Von wo aus man das Spektakel auch beobachtet: Es schieben sich immer wieder neue Parolen ins Blickfeld, die die großen Flaschen aus Pappe zieren: »Kaltmieten für 20 Euro pro Quadratmeter« oder »Eure Gier ist nicht unser Bier«. zichtet. Ein folgenschwerer Fehler: Wie ein Wan- Das Flaschenballett hat die Initiative »knallt am dollsten« am europaweiten derpokal wurde das Areal seither auf dem freien Housing Action Day Ende März am Rande des ehemaligen Holstenquartiers Markt weitergereicht. Zunächst kaufte die Gerch aufgeführt. Denn was auf dem Gelände im Herzen Altonas passiert, ist ein Group das Gelände für 153 Mio. Euro. Die verkaufte städtebaulicher Skandal. Die Bierbrauerei Holsten hat den Standort aufge es an die schweizerische snn Group. Diese wurde geben, weil sie aus logistischen Gründen an den Stadtrand umziehen wollte. von Consus übernommen und die wiederum von Auf dem alten Gelände ist nun eines der aktuell größten Neubauvorhaben ado / Adler geschluckt. Bei der letzten Übernahme Hamburgs geplant. Doch das Areal ist längst zum Spielball von Investor*innen sollen bereits 320 Mio. Euro geflossen sein. Der geworden. Trick dabei: Es handelt sich um sogenannte Share Seitdem die Holstenbrauerei entschieden hat, aus Altona wegzuziehen, hat Deals. Bei denen werden keine Grundstücke, son- das Gelände bereits vier Mal den Besitzer gewechselt. Die Stadt – unter der dern Firmenanteile verkauft. Die neuen Eigner Regierung von Olaf Scholz – hatte auf ihr Vorkaufsrecht für das Gelände ver- zahlen so keine Grunderwerbssteuer. Mietenpolitik 13
Der Preis hat sich also bereits verdoppelt – ohne dass auch nur ein Spaten- sammengeschlossen. Sie fordern, dass die Stadt ih- stich getan wurde. Um die damit verknüpften Renditeerwartungen erfüllen ren Fehler korrigiert. Noch hat sie ein Druckmittel zu können, wird mittlerweile von Mietpreisen von 19,90 Euro/m² netto kalt in der Hand: Der städtebauliche Vertrag muss für die frei finanzierten Wohnungen gesprochen – dies übersteigt sogar die noch abgeschlossen werden. Der Bezirk muss dar- teuren Mieten in der benachbarten Neuen Mitte Altona um einiges. Und das in auf eine sozialverträgliche Bebauung und aus- ist noch nicht alles. Ursprünglich war geplant, 20 Prozent des Geländes Bau- reichend Flächen für Baugemeinschaften dringen. gemeinschaften zur Verfügung zu stellen. Da das dafür vorgesehene Terrain Dann kann das Holstenareal vielleicht doch noch – ohnehin das unattraktivste des Geländes – mit Elektrosmog belastet ist, ist für eine solidarische Stadtentwicklung gerettet das Baugemeinschafts-Areal für Wohnen erheblich geschrumpft. werden. So droht ein Viertel zu entstehen, in dem Wohnen nur noch für Gutverdie- Holstenareal-Initiative »Knallt am dollsten« nende erschwinglich ist, verbunden mit dem entsprechendem Preisdruck und www.knallt-am-dollsten.de Gentrifizierungseffekten. Das will die Initiative »knallt am dollsten« verhindern. In ihr haben sich ver- schiedene Baugemeinschaften und Bewohner*innen des Holstenareals zu- michel sons kurzurteile Beherbergungsverbot und Reservie- mer-Wohnung vorliegen. Im vorliegen- rung Wenn uns die Decke zuhause auf den Fall wollte die Mieterin ein auf ein den Kopf zu fallen droht, zieht es uns in Jahr befristetes Arbeitsverhältnis im Aus- die Ferien und damit in ein Ferienhaus. land antreten. Für den Zeitraum ihrer Ab- Doch was ist, wenn touristische Beher- wesenheit wollte sie die Wohnung bergungen aufgrund von geltenden All- möbliert untervermieten und im Be- gemeinverfügungen plötzlich nicht mehr suchsfall die Wohnung gemeinsam nut- erlaubt sind? Mit dieser Frage musste sich zen. Das Gericht entschied, dass eine das Amtsgericht Blankenese befassen. Es Mietpartei, die neben einer Wohnung am MhM-Syndikusrechtsanwalt entschied zugunsten der enttäuschten Arbeitsort in einer anderen Stadt, die bis- Jan Michelson sichtete Urteile für Sie Urlauber*innen: Dürfen Hotel- und Be- heriges Wohnung beibehält, ein berech- herbergungsbetriebe aufgrund des Erlas- tigtes Interesse daran hat, diese Woh- betroffene Mieter*innen erneut einge- ses einer Allgemeinverfügung zur staat- nung unterzuvermieten, um von berufs- schränkt. In Berlin gibt sich das Kammer- lichen Pandemieabwehr keine Gäste bedingten Reise- und Wohnungskosten gericht dennoch kämpferisch und grenzt empfangen, berechtigt dies Mieter*in- entlastet zu werden. Dem steht auch sich von dieser Rechtsprechung deutlich nen zur außerordentlichen Kündigung nicht die bescheidene Größe der Woh- ab. Es vertritt die Auffassung, dass Lärm des Beherbergungsvertrages. Zwar ist es nung entgegen. Da es sich bei § 553 Abs. 1 und Erschütterungen von einer benach- Vermieter*innen grundsätzlich weiterhin bgb um eine mieterschützende Vorschrift barten Baustelle im Hinblick auf den ver- erlaubt, ihre Betriebe zu öffnen und zum handelt, kommt es lediglich darauf an, ob traglich vereinbarten Nutzungszweck Beispiel an Geschäftsreisende zu vermie- die Mietpartei die tatsächliche Sachherr- durchaus einen Mangel der Mietsache ten. Reisen und Übernachtungen zu tou- schaft an der Sache behält. Dies war hier begründen können, ohne dass es darauf ristischen Zwecken sind jedoch unter- der Fall, weil die Mieterin einen Schlüssel ankommt, ob Vermieter*innen einen ei- sagt. Folglich ist es Mieter*innen nicht zu- für die Wohnung behalten und den über- genen Entschädigungsanspruch gegen mutbar, an einem Vertrag festzuhalten, wiegenden Teil ihrer persönlichen Ge- die benachbarten Bauherrn haben. Das wenn ihnen aufgrund der geltenden All- genstände in der Wohnung belassen Kammergericht hält die Rechtsprechung gemeinverfügungen die Übernachtung wollte. Außerdem war geplant, im Be- des bgh für bedenklich. Die vom bgh be- untersagt ist. Der vertragsgemäße Ge- suchsfall die Wohnung gemeinsam zu mühte gesetzliche Vorschrift in § 906 bgb brauch der Mietsache war nicht möglich. bewohnen. Da die Vermieterin die Unter- sei bereits im Mietverhältnis der Parteien ag Hamburg-Blankenese, Urteil vom vermietung verweigerte und diese tat- nicht anwendbar. Auch eine Ausstrah- 18.9.2020 – 533 C 96/20 Die Berufung vor sächlich nicht erfolgte, konnte die Miete- lungswirkung im Wege ergänzender Ver- dem Landgericht Hamburg (305 S 56/20) rin Ersatz für den ihr entgangenen Unter- tragsauslegung komme nicht in Betracht. ist noch nicht entschieden. mietzins als Mietausfallschaden von der Das Urteil des Kammergerichts ist bis- Vermieterin verlangen. her nicht aufgehoben. Es bleibt also abzu- Untermieterlaubnis in einer Ein-Zim- ag Berlin-Mitte, Urteil vom 26.11.2020 warten, wie sich die Rechtsprechung wei- mer-Wohnung Mieter*innen ist es ge- – 25 C 16/20 terentwickelt. MhM hält es in Einzelfällen setzlich erlaubt, beim Vorliegen eines weiterhin für sinnvoll, Mietminderungen nach Vertragsschluss entstandenen be- Lärm und Erschütterungen einer be- wegen Nachbarbaulärm geltend zu ma- rechtigten Interesses einen Teil ihrer nachbarten Baustelle In der letzten Aus- chen und notfalls auch gerichtlich ein Wohnung unterzuvermieten. Aber ist gabe von Mietraum² haben wir Ihnen zuklagen. dies auch bei einer Ein-Zimmer-Wohnung vom sehr mieter*innenfeindlichen Urteil kg Berlin, Urteil vom 17.9.2020 – denkbar? Das Amtsgericht Berlin-Mitte des Bundesgerichtshofs (bgh) vom 29. Ap- 8 U 1006/20 hat dies bejaht. Ein berechtigtes Interesse ril 2020 (VIII zr 31/18) berichtet. Hier wur- kann auch hinsichtlich einer Ein-Zim- den die Möglichkeiten für von Baulärm 14 MhM Mietraum² 1.2021
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