Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München

Die Seite wird erstellt Kimi Hofmann
 
WEITER LESEN
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
Nr. 64 Dezember 2012    www.muenchner-stadtgespraeche.de

Münchner
Stadtgespräche

 Papier                                                    Das graue Vergessen
                                                           Warum kauft
                                                           niemand mehr

     =                                                     Recyclingpapier?

    Wald                                                   Papier-Labels
                                                           Gutes Papier
                                                           erkennen

                                                           Der Deutsche Wald
                                                           Urwald ja, aber
                                                           nicht bei uns?

Recyclingpapier schützt die Umwelt.
Warum haben wir das vergessen?
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
                         die seite zwei                                                   aus dem referat für gesundheit und umwelt

Die Papierwende macht Schule
                                 Recyclinghefte sind gut für das Klima.

I
      n den 90er-Jahren war Umweltschutz „in“. Schulhefte aus Recy-       Die Schülerinnen und Schüler werden auf eine Reise in den kana-
      clingpapier waren damals noch grau, und trotzdem – oder viel-       dischen Regenwald mitgenommen. Deutschland bezieht rund 20 Pro-
      leicht gerade deshalb – kauften rund 70 Prozent aller Schü-         zent seines Zellstoffs aus Kanada. Kanadas Bedeutung als Zellstoffliefe-
lerinnen und Schüler solche Hefte, um die Umwelt zu schützen.             rant hat gravierende Auswirkungen auf seine Wälder. Die Kinder werden
Heute machen von den bundesweit etwa 200 Millionen Schulhef-              so über den Zusammenhang von Papierverbrauch und Umweltzerstö-
ten die umweltfreundlichen Varianten aus Recyclingpapier nur noch         rung informiert und sollen auf diese Weise dazu motiviert werden, Re-
maximal zehn Prozent aus.                                                 cyclingpapier zu verwenden. Um den Kauf zu erleichtern, erstellt Pro
     Dabei schützt Recyclingpapier nicht nur die Wälder vor der Zerstö-   REGENWALD jedes Jahr eine Liste von Münchner Geschäften, die Re-
rung. Für die Herstellung von Schulheften aus recycelten Fasern wird      cyclinghefte mit dem Blauen Engel verkaufen. Auch die Internetplatt-
auch weniger Energie und Wasser benötigt. Doch wer heute ein Recy-        form www.heftefinder.de wird von dem Verein betreut.
clingheft kaufen will, muss oft weite Wege gehen. Der Einzelhandel bie-
                                                                          4. Münchner Recyclingheft-Wettbewerb
tet Recyclingprodukte kaum noch an, angeblich weil die Verbraucher
umweltfreundlichere Produkte selten nachfragen. Stellt sich natürlich     Das Pädagogische Institut des Referats für Bildung und Sport der Lan-
die Frage, warum die Hersteller dann Hefte aus frischem Zellstoff mit     deshauptstadt München versendet seit vier Jahren an alle öffentlichen
Siegeln auf den Markt gebracht haben, die genau diesen Anschein er-       Grundschulen in München für jeden der rund 10.000 ABC-Schützen ein
wecken sollen: umweltfreundlich zu sein. Die Labels Aqua pro Natu-        Recyclingheft, das von der memo AG gespendet wird. Die Bezugsliste
ra und Weltpark Tropenwald, die sich auf vielen Heften finden, besagen    von Pro REGENWALD und ein Faltblatt der „Papierwende“ gibt’s dazu.
aber lediglich, dass das Papier nicht mit Chlor gebleicht wurde und das       In diesem Schuljahr führt das Pädagogische Institut zudem den 4.
Holz oder der Zellstoff nicht aus den Tropen stammt. Laut Verbraucher-    Münchner Recyclingheft-Wettbewerb durch. Gewinner ist die Schule, in
zentrale Bayern schließt das aber nicht einmal aus, dass für dieses Pa-   der die meisten Schülerinnen und Schüler Recyclinghefte verwenden.
pier Bäume aus nordischen Urwäldern gefällt werden.                       Die Siegerschule erhält 1000 DIN A4-Recyclinghefte, für den zweiten
                                                                          bis fünften Platz gibt es insgesamt noch einmal 1300 Hefte, über die
Papierwende in Bayern
                                                                          sich die Umwelt freut.
Umwelt- und Verbraucherverbände wie Greenpeace, der Münchner Ver-             Die Fachkoordination Umweltschutz für die Münchner Schulen
ein Pro REGENWALD, die Verbraucherzentrale Bayern und weitere Un-         schreibt darüber hinaus immer wieder alle Schulen an und bittet da-
terstützer haben sich zur „Papierwende in Bayern“ zusammengeschlos-       rum, sich für die Verwendung von Recyclingheften einzusetzen. 2012
sen. Das Ziel ist ein sparsamer Umgang mit dem Rohstoff Papier. Der       erhielt jede Schule fünf bis zehn solcher Hefte, um die gute Qualität zu
Papierverbrauch soll gesenkt, die Nachfrage nach Recyclingpapier ge-      demonstrieren und das Vorurteil vom „grauen Papier“ zu widerlegen.
fördert werden. Und das Angebot von Schul- und Büromaterialien aus        Auf dass Recyclinghefte auch an den Schulen wieder „in“ werden.
Recyclingpapier soll erhalten und ausgebaut werden. Koordiniert wird
die „Papierwende in Bayern“ von Pro REGENWALD.
    Pro REGENWALD und die Verbraucherzentrale bieten Schulen in
München Unterrichtseinheiten an: „Ein Schulheft macht sich auf den        Text: Franz Hammerl-Pfister
Weg“ heißt eine der Geschichten. Sie erzählt, woraus Papier hergestellt   Referat für Bildung und Sport
wird und woher die Rohstoffe nach Deutschland kommen.                     Foto: Fotolia

                                                                          Kontaktadressen
    Fachkoordinator Umweltschutz für Münchner Schulen                     Pro REGENWALD e.V., Papierwende
    Franz Hammerl-Pfister                                                 Frohschammerstr. 14, 80807 München
    Referat für Bildung und Sport,                                        Tel.: (089) 359 86 50, Fax: (089) 359 66 22
    Pädagogisches Institut Fachbereich 4                                  E-Mail: papier@wald.org
    Tel.: (089) 233-27328, Fax: (089) 233-22108                           Ansprechpartnerin: Simone Hörner
    E-Mail: franz.hammerlpfister@muenchen.de                              www.pro-regenwald.de, www.heftefinder.de
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                            12/2012                                  

Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,

kaum ein Material kommt so häufig in unserem Alltag vor wie Papier: von der Tageszeitung über
Schulhefte oder Einkaufszettel bis hin zum Toilettenpapier. Dass der Rohstoff für diese Produkte
lebendigen Ursprungs ist – genauer gesagt aus Bäumen gewonnen wird – vergegenwärtigen wir                              04
uns viel zu selten.

Vermutlich ist das auch einer der Gründe, weshalb unser Papierverbrauch massiv gestiegen ist.
Nicht nur, dass Deutschland heute 50 Prozent mehr Papier verbraucht als noch vor 40 Jahren.
Mit knapp 250 Kilo Papier pro Jahr belegen wir im weltweiten Pro-Kopf-Verbrauchsranking den
unrühmlichen fünften Platz. Ein Armutszeugnis für das umweltbewusste Deutschland. Denn die
Verschwendung hat fatale Folgen für Wälder, Gewässer, Klima und nicht zuletzt für die Menschen
und Tiere, die in und von den Urwäldern dieser Erde leben.                                                             08

Mit diesem Heft wollen wir nicht nur auf die enorme Papierverschwendung aufmerksam machen,
sondern vor allem zeigen, wie verantwortungsbewusster Konsum möglich ist.

Eine spannende Lektüre wünscht
Katja Bachert

                                                                                                                       14

Inhalt

02          Die Papierwende macht Schule
            Recyclinghefte sind gut fürs Klima                             12           Poster: Papier in Zahlen
                                                                                        Eine Übersicht zum Herausnehmen

04          Das graue Vergessen
            Umweltpapier bedeutet Umweltschutz – eine Erinnerung           14           Urwald ja, aber nicht bei uns?
                                                                                        Der Wald – Rohstofflieferant und Lebensraum

06          Recyclingpapier, die bessere Wahl
            Vorurteile gegen Altpapier und Gegenargumente                  17           Papierherstellung
                                                                                        Recyclingpapier versus Frischfaserpapier

07          Papier bei der Stadt München
            Stadtrat beschließt 100 Prozent Recyclingpapier                18           Das Papier-Massaker
                                                                                        Die Folgen unseres Papierverbrauchs

08          Gutes Papier erkennen
            Welche Papier-Labels gibt es und was sagen sie aus             20           Dasselbe in Grün
                                                                                        Interview mit der ökologischen Druckerei ulenspiegel druck

10          Jedes Buch ein Baum
            Recyclingpapier in der Literaturindustrie                      22           Wider die Verschwendung
                                                                                        Für weniger Papier und mehr Lebensqualität
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
graue
                          Umweltinstitut München e.V.                                                                               12/2012

                                                                   Das

         Vergessen
              Umweltpapier bedeutet Umweltschutz – eine Erinnerung

E
         s ist noch nicht lange her, da zogen      wird es leider im Verhältnis zu Frischfaserpa-    sich die Online-Portale mit Schnäppchenan-
         die Schulkinder – und zwar nicht nur      pier weniger als damals. Zwar liegt der Einsatz   geboten. Bestellt wird wie verrückt und zwar
         in Waldorf- und Montessorischulen –       von Recyclingpapier bei rund 70 Prozent, doch     auf Kosten der Umwelt. Denn durch den On-
ausschließlich Hefte aus Recyclingpapier aus       unser Gesamtpapierverbrauch steigt seit Jah-      line-Versandhandel entstehen nicht nur jede
ihrem Ranzen. Die Schulbücher waren in Zei-        ren kontinuierlich an. Für den Großteil werden    Menge Transportemissionen, sondern auch
tungspapier gewickelt. Und wenn Eltern ihr         nach wie vor wertvolle Urwälder in Brasilien,     Berge an Verpackungsmüll. Die Verpackungen
Kind doch mal mit einem weißen Frischfaser-        Kanada und Skandinavien gerodet. Zahlen der       bestehen zwar zum großen Teil aus umwelt-
block ausstaffierten, gab es von der strickbe-     Naturschutzorganisation Robin Wood belegen,       freundlichem Altpapier. Doch Hand aufs Herz:
mäntelten Klassenlehrerin einen Rüffel.            dass sich der Papierkonsum im Laufe der ver-      Wie umweltschonend kann der unnötige Ver-
     Der Konsens darüber, dass Wälder nicht        gangenen 40 Jahre fast verdoppelt hat. Ver-       brauch eines Rohstoffs überhaupt sein?
nur Holzstofflieferanten sind, sondern vor         brauchten wir 1970 noch 126 Kilo pro Kopf
allem Lebensräume für unzählige Pflanzen           pro Jahr, waren es 2010 bereits 248 Kilo. Da-     Eine vernünftige Schlussfolgerung kann also
und Tiere, den es zu schützen gilt, hatte in den   mit liegen wir 200 Kilo über dem Weltdurch-       nur lauten: Wir müssen weniger Papier ver-
1980er und 90er-Jahren in der Breite der Ge-       schnitt.                                          brauchen und wenn, dann Recyclingpapier.
sellschaft Bestand. Das lag zum einen an der            Die digitale Revolution hat an unserem           Leider tun ausgerechnet wir Deutsche, die
Bedrohung der heimischen Wälder durch den          gewaltigen Papierverbrauch nichts geän-           wir uns so viel auf unser Umweltbewusstsein
sauren Regen und zum anderen an der zuneh-         dert. Auch wenn die E-Mail den physischen         einbilden, uns mit einfachen Lösungen wie der
menden weltweiten Urwaldrodung.                    Brief abgelöst hat und die ersten Printmedi-      Nutzung von Recyclingpapier überraschend
     Mit Slogans wie „Erst stirbt der Wald, dann   en wie die Frankfurter Rundschau, die Finan-      schwer. Dabei hat sich an den positiven Aus-
der Mensch“ machte die Umweltbewegung              cial Times Deutschland oder das Stadtmaga-        wirkungen von Recyclingpapier für Wälder,
auf das Waldsterben aufmerksam. Man war            zin Prinz von der Internet-Konkurrenz abgelöst    Wasser und Klima seit den 1980er-Jahren
sich einig: Wer Recyclingpapier kauft, schont      wurden, steigt unser Papierverbrauch unge-        nichts geändert. Vor allem das leicht grau ge-
Wälder und Wasser. Dass das Papier grau und        bremst weiter an. Zwar hat sich vor allem die     färbte Umweltschutzpapier – ist IMMER die
nicht weiß war, störte niemanden. Im Gegen-        tagesaktuelle Kommunikation und Medienbe-         bessere und umweltfreundlichere Wahl. Wieso
teil, so konnte man damit doch zeigen, dass        richterstattung ins Internet verlagert, Anhänge   verwenden wir es dann heute so ungern?
man mit seiner Kaufentscheidung zum Schutz         und Artikel werden jedoch keineswegs aus-
                                                                                                     Der Tropfen auf den
der Wälder beiträgt.                               schließlich am Computer gelesen, sondern oft
                                                                                                     heißen Stein?
                                                   ausgedruckt. Zudem ist durch das Internet ein
Und heute?
                                                   Markt entstanden, der zusätzlich Unmengen         Im Schatten havarierender Atomkraftwerke
Recyclingpapier gibt es inzwischen in allen nur    an Papier verbraucht: der Online-Versandhan-      und Ölplattformen, schmelzender Pole sowie
erdenklichen Weiß- und Grautönen, gekauft          del. Gerade vor Weihnachten überschlagen          Jahrhundertdürren und -überschwemmungen
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                           12/2012                            

erscheint der Griff zum Umweltpapier offen-      len Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht       Wir alle können etwas tun!
bar vielen Menschen als zu kleiner Tropfen       klar, dass es einen eklatanten Unterschied        Auch für private Konsumentinnen und Kon-
auf den heißen Stein des Klimawandels. Nicht     zwischen Recycling- und FSC- oder PEFC-Pa-        sumenten ergibt sich absolut kein Nachteil
wenige haben den Eindruck, dass es keinen        pier gibt.                                        durch Recyclingpapier. Selbst wer beim Pa-
Unterschied macht, ob sie nun Recycling-              Recyclingpapier wird aus alten Papierfa-     pierkauf Wert auf eine blütenweiße Farbe legt,
Toilettenpapier oder das dreilagige Frischfa-    sern, also „Abfall“ gewonnen. Die Fasern kön-     kann diese Papiere längst in Recyclingqualität
serpapier kaufen.                                nen bis zu sieben Mal wiederverwendet wer-        bekommen. Allerdings muss man hier beach-
     Doch das ist ein Irrtum. Die Papierin-      den. Die meisten Papier-Siegel garantieren        ten, dass das graue Umweltschutzpapier am
dustrie ist beileibe keine unbedeutende Ni-      jedoch lediglich, dass das Holz für die Papier-   empfehlenswertesten ist. Denn um den Grau-
sche, sondern ein Weltmarkt, der floriert –      fasern aus nachhaltiger Forstwirtschaft gewon-    schleier, der auf Tintenpartikel der bedruck-
Tendenz steigend. Ausgerechnet der Zellstoff     nen wird. Auch sie sind natürlich immer noch      ten Fasern zurückgeht zu entfernen, müssen
für Toilettenpapier und andere Einwegpro-        umweltfreundlicher als der Großteil des Frisch-   die Fasern im so genannten Deinking-Prozess
dukte wird nur noch zu 50 Prozent aus Re-        faserpapiers, dessen Holz völlig ohne Kontrol-    gebleicht werden. Und dafür braucht man
cyclingpapier gewonnen. Besonders deutlich       le und Umweltschutzauflagen geschlagen und        nach wie vor Chemie. (siehe S. 17)
wird das Ausmaß der Verschwendung, wenn          verarbeitet wird. Den weit größeren Beitrag            Doch ob grau oder weiß – Recyclingpapier
man sich bewusst macht, woher das Holz für       zum Umweltschutz leistet jedoch echtes Re-        ist immer die beste und umweltfreundlichste
den Zellstoff kommt: nämlich aus den Urwäl-      cyclingpapier, wie es das Umweltzeichen „Der      Wahl. Denn es schont nicht nur die Wälder
dern dieser Erde. Der Klimawandel steht also     Blaue Engel“ verspricht. (siehe S. 8 und 9)       und Urwälder dieser Erde, sondern auch die
durchaus mit unserem Papierverbrauch in Zu-                                                        Gewässer und es spart Energie.
                                                 Vorurteile gegenüber
sammenhang. Wenn wir konsequent Produkte
                                                 Recyclingpapier
aus Recyclingpapier kaufen, würde der Bedarf                                                       Wer insgesamt Papier spart, Recyclingpapier
an Frischholz deutlich zurückgehen. Auf die-     Das Gros der Verlage, Druckereien und Unter-      nutzt und darüber spricht, leistet einen wert-
se Weise würden Wälder geschont und damit        nehmen ist immer noch der Meinung, Recy-          vollen Beitrag zu Klima- und Artenschutz und
mehr klimaschädliches CO2 gebunden.              clingpapier belaste Drucker und Kopierer über-    trägt außerdem dazu bei, dass das graue Ver-
                                                 mäßig. Auch die Angst, Kunden könnten sich        gessen ein Ende hat.
FSC steht nicht für
                                                 vom grauen Papier abgestoßen fühlen, wird
Recyclingpapier
                                                 vorgeschoben. Dass dies völliger Unsinn ist,
Auch seit dem Aufkommen der Zertifikate für      beweisen ökologische Druckereien und Ver-
nachhaltige Forstwirtschaft, wie FSC- und        lage, die auf Recyclingpapier umgestellt ha-      Text: Katja Bachert
PEFC-Labels, scheint die Nachfrage nach Re-      ben und mit ihrer umweltfreundlichen Strate-      Foto: Fotolia
cyclingpapier zurückzugehen. Offenbar ist vie-   gie sehr erfolgreich sind. (siehe S. 10 und 20)
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
                          Umweltinstitut München e.V.                                                                                 12/2012

                                                            Recyclingpapier,
                                                                  die bessere Wahl

      Egal, wo man nachfragt – ob in Papierläden, Copy Shops, bei Verlagen oder Verbrauchern –
      immer wieder stößt man auf die selben Vorurteile gegenüber Recyclingpapier. Die meisten
      Irrtümer stammen aus den 1970er-Jahren, als das Altpapier noch recht rau daherkam. Dabei
                     kann Recyclingpapier längst mit Frischfaserpapier mithalten.

Ist Recyclingpapier teurer als Frischfaserpapier?                            dem Qualitätssiegel „Der Blaue Engel“ nach DIN 6738 der höchsten
Nein! Hochwertige Recyclingpapiere sind in der Regel 5 bis 15 Prozent        Lebensdauerklasse und erreichen bei sachgemäßer Lagerung eine vo-
günstiger als vergleichbare Frischfaserqualitäten, sofern man die glei-      raussichtliche Haltbarkeit von mehreren hundert Jahren.
chen Einkaufsmengen zugrunde legt.
                                                                             Gibt es speziellere Produkte auch aus Recyclingpapier?
Hat Recyclingpapier eine schlechtere Umweltbilanz als Frisch-                Ja! Mittlerweile gibt es fast alle Papierartikel auch als Recyclingpa-
faserpapier?                                                                 pier-Variante. Dass manche Produkte aus Recyclingpapier nicht immer
Im Gegenteil: Der Energie- und Wasserverbrauch sind deutlich nie-            leicht zu finden sind, liegt vielmehr an der sinkenden Nachfrage und
driger, die Emissionen sinken, der (Ur-)Wald wird geschont. Ein wei-         dem Teil des Handels, der kein Interesse an der Vermarktung von Re-
terer Vorteil einer vermehrten Recyclingpapier-Nutzung läge in der ver-      cyclingpapier zeigt.
brauchsnahen Produktion. Heute wird jedoch fast die Hälfte des in
Deutschland umweltfreundlich produzierten Recyclingpapiers expor-            Verschleißen Geräte durch Recyclingpapier stärker?
tiert, während im Gegenzug oft unter fragwürdigen Bedingungen pro-           Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig, obwohl es längst überholt ist. Gab
duzierte Primärfaserpapiere importiert werden.                               es bei früheren Recyclingpapieren Verschmutzungen durch Staubent-
                                                                             wicklung, hat sich die Qualität in den vergangenen Jahrzehnten konti-
Fällt das Farbergebnis auf Recyclingpapier weniger gut aus?                  nuierlich verbessert. Bei einigen Unternehmen haben sich die Probleme
Nein! Ökologische Verlage und Druckereien beschreiben die Bildqualität       sogar verringert, seitdem sie Recyclingpapier verwenden.
auf Recyclingpapier als durchweg sehr gut. Entscheidend für ein gutes
Farbergebnis ist die richtige Materialkombination, insbesondere die Ab-      Schadet die Verwendung von Recyclingpapier dem Firmenimage?
stimmung der Druckfarben auf die Papiersorte. Zudem ist Recyclingpa-         Ganz im Gegenteil! Sehr viele Kunden honorieren die Verwendung von
pier inzwischen in zahlreichen Grauabstufungen erhältlich, bis hin zu fast   Recyclingpapier als Pluspunkt. Zahlreiche Firmen und öffentliche Insti-
weißem Papier.                                                               tutionen können dies in langjähriger Erfahrung bestätigen.

Ist Recyclingpapier nicht alterungsbeständig?
Doch! Die Alterungsbeständigkeit hängt von der Papierherstellung und         Text: Ruth Böcher
nicht vom Rohstoff ab. Deshalb entsprechen gute Recyclingpapiere mit         Foto: Fotolia
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                            12/2012                              

Umweltpapier bei der Stadt München
      Um die angestrebte Recyclingpapier-Quote von nahezu 100 Prozent zu erreichen, führte der
      Münchner Stadtrat 2011 eine Recyclingpapier-Pflicht für die städtische Verwaltung ein.
      Damit leistet die Stadt einen wichtigen Beitrag zur Schonung der Ressourcen und zeigt lokalen
                           Unternehmen, dass aktiver Umweltschutz möglich ist.

S
        o gestrig der Spitzname Papiertiger an-   Nach Umfragen fand die zentrale Vergabestelle,    Dieser geht einen großen Schritt weiter: So
        gesichts digitaler Kommunikation wie      die die Papierbeschaffung innerhalb der Stadt-    sind nun alle Dienststellen zur Nutzung von
        E-Mail, Chat und sozialen Netzwerken      verwaltung organisiert, heraus, dass offenbar     Recyclingpapier verpflichtet. Frischfaserpa-
heute auch klingen mag, besitzt er noch immer     in vielen Köpfen noch immer alte Vorurteile ge-   pier darf nur noch in Ausnahmefällen, etwa für
höchste Aktualität. In sehr vielen Unternehmen,   genüber Recyclingpapier bestehen. So gaben        Urkunden oder ähnliche offizielle Dokumente
Organisationen und Verwaltungsbetrieben ist       die Bedarfsstellen an, dass sie Frischfaserpa-    verwendet werden. Um den Gesamtpapierver-
der Papierverbrauch seit dem Einsatz der mo-      pier bevorzugen, weil das Geschriebene an-        brauch zu senken, wurden die Referate zudem
dernen Medien keinesfalls zurückgegangen,         geblich besser lesbar sei, außerdem weniger       angehalten, papierärmer zu kommunizieren,
sondern sogar gestiegen. Der Recyclingpapier-     Papierstau in Druckern und Kopierern entste-      also weniger E-Mails auszudrucken, doppel-
verbrauch nahm zwar teilweise zu, jedoch viel     he und die Geräte weniger schnell verstauben.     seitig zu drucken und zu kopieren.
zu wenig in Relation zum Gesamtverbrauch.         All diese Vorurteile konnte die Vergabestelle          Dass der neue Beschluss schon jetzt Früch-
    Auch die Stadt München gibt selbstkritisch    freilich entkräften. Denn natürlich gibt es für   te trägt, kann die zentrale Vergabestelle bestä-
zu, von dieser Entwicklung betroffen gewesen      besondere Fälle auch weißes Recyclingpapier       tigen. Genaue Zahlen könne man zwar noch
zu sein. Trotz eines Stadtratsbeschlusses von     und auch der Mythos vom höheren Verschleiß        nicht nennen, doch bereits jetzt sei der Recy-
2008, auf Antrag der ÖDP-Fraktion, die Recy-      durch Umweltpapiere ist schlicht falsch.          clingpapieranteil etwas gestiegen und auch der
clingpapier-Quote auf nahezu 100 Prozent zu             Ein erneuter Antrag der SPD-Stadtrats-      Gesamtpapierverbrauch habe abgenommen.
erhöhen und den damit verbundenen Maßnah-         fraktion und der Fraktion Bündnis90/Die Grü-
men, stieg der Gesamtpapierverbrauch zwi-         nen – rosa Liste im Frühjahr 2011, die Recy-
schen 2007 und 2010 um knapp ein Drittel.         clingpapier-Quote auf nahezu 100 Prozent zu
Zudem wurde vor allem mehr Frischfaserpa-         erhöhen, führte nun zum jüngsten Stadtrats-       Text: Katja Bachert
pier verbraucht.                                  beschluss vom Oktober 2011.                       Foto: Michael Nagy, Info- und Presseamt LHM
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
                        Umweltinstitut München e.V.                                                                 12/2012

Gutes Papier erkennen
       Die Fülle an Papier-Labels ist groß. Diplom-Forstwirtin Antje Wagner,
      Umweltinstitut München, gibt einen Überblick über die gängigsten Siegel
                    und erklärt, welche wirklich ökologisch sind.

               Der Blaue Engel
    Der Blaue Engel (RAL-UZ 14 / Recyclingpapier) ist das          Dies garantiert, dass Papiere
    bekannteste Label für Recyclingpapier. Zeicheninhaber ist      mehrmals recycelt werden, was
    das Bundesumweltministerium. Das Umweltbundesamt               eine optimale Ausnutzung des
    entwickelt die Kriterien, die durch eine unabhängige Jury      Rohstoffs Holz bedeutet. Die Ver-
    beschlossen werden. Vergeben wird das Umweltzeichen            wendung giftiger Chemikalien ist
    durch die RAL gGmbH. Mit dem „Blauen Engel“ werden             strenger reguliert, als dies bei den
    Produkte und Dienstleistungen ausgezeichnet, die beson-        anderen Labels der Fall ist. So
    ders umweltfreundlich sind und darüber hinaus Ansprüche        dürfen Krebs erzeugende, erbgut-
    des Gesundheitsschutzes erfüllen.                              verändernde oder fortpflanzungs-
      Auf eine ganzheitliche Betrachtung der Umwelteigen-          gefährdende Färbemittel oder
    schaften über die gesamte Lebensdauer eines Produkts           Beschichtungen nicht eingesetzt werden, für andere ge-
    wird Wert gelegt. Konkret bedeutet dies für das Umweltzei-     sundheitsschädliche Stoffe wurden Grenzwerte festgelegt.
    chen für Recyclingpapier: Die Papierfasern müssen zu 100        Papiere mit dem Blauen Engel sind empfehlenswert.
    Prozent aus Altpapier bestehen, 65 Prozent davon aus Alt-
    papier niedriger Qualität.                                     Foto: Blauer Engel

               „Die Europäische Blume“
    Das Europäische Umweltzeichen (auch Euroblu-                   Daher wirkt es paradox, dass laut
    me genannt) wurde von der EU-Kommission eingeführt.            Labelvorschriften der Hinweis „Bitte
    Gekennzeichnet werden Konsumgüter, die sich durch              sammeln Sie Altpapier für das Recy-
    Umweltverträglichkeit und vergleichsweise geringe Gesund-      cling.“ auf die Produktverpackung ge-
    heitsbelastung auszeichnen sollen.                             druckt werden muss.
       Die Auszeichnung wird in Deutschland durch das Deut-           Da nun schon Frischfaserpapiere
    sche Institut für Gütersicherung und Kennzeichnung (RAL        genutzt werden, sollte man zumindest
    gGmbH) und das Umweltbundesamt vergeben. Das Sie-              hohe Anforderungen an die Waldbe-
    gel stellt relativ hohe Anforderungen an die Umweltverträg-    wirtschaftung erwarten. Dies ist leider
    lichkeit der Papierproduktion: Unter anderem gibt es Vor-      nicht der Fall.
    schriften zu Energieverbrauch, Treibhausgas-Emissionen,         Da kein Recyclinganteil vorgeschrieben ist, halten wir die
    Abfallbehandlung und giftigen Chemikalien. Die EU-Blume        EU-Blume nur für eingeschränkt empfehlenswert, obwohl
    schreibt aber NICHT die Verwendung von Altpapier vor. Im       die Umweltkriterien für den Herstellungsprozess in der Pa-
    Gegensatz zum Blauen Engel kann das Europäische Um-            pierfabrik und die gesundheitlichen Anforderungen an das
    weltzeichen auch an reine Frischfaserpapierhersteller verge-   Endprodukt sehr hoch sind.
    ben werden.                                                    Foto: www.eu-ecolabel.de
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                    12/2012                               

            FSC®
Der Forest Stewardship Council® (FSC®) wurde ge-                   „vorhandene, bereits geschlagene
gründet, um durch Zertifizierung weltweit die verantwor-           Holzressourcen genutzt werden“.
tungsvolle Waldbewirtschaftung zu fördern. FSC hat eine              Keines der FSC-Zeichen be-
hohe Glaubwürdigkeit, da alle Interessensgruppen (Um-              zieht sich auf den Herstellungs-
welt, Sozial- und Wirtschaftsverbände) gleichwertig vertre-        prozess oder den Gesundheits-
ten sind. Leider verwirrt der FSC bei der Zertifizierung von       schutz. Waldschutz wird nur bei
Papierprodukten durch eine Vielzahl von Siegeln. Die FSC-          FSC-100% und FSC-Recycled
Siegel stehen NICHT für die Verwendung von Altpapier.              gewährleistet. Die drei fast gleich
  Es gibt drei Labels:                                             anmutenden Labels sind zudem
 FSC-100% kennzeichnet Frischfaserpapiere, die zu 100             äußerst verwirrend. Ressourcenschonend ist nur das mit
Prozent aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft kommen.            FSC-Recycled gekennzeichnete Papier.
 FSC-Mix labelt Papierwaren, deren Fasern zu 50 Pro-               Daher ist nur das FSC-Recycled-Siegel, und dies auch
zent aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft stammen.              nur eingeschränkt, empfehlenswert.
 FSC-Recycled stellt sicher, dass die Papiere nicht aus            FSC-Mix sollte auf keinen Fall gekauft werden.
Frisch-, sondern ausschließlich aus recycelten Holzfasern
gewonnen wurden. Als Faserquellen werden z.B. alte Möbel,          Foto: FSC Arbeitsgruppe Deutschland e.V.
Telegrafenmasten, Paletten, etc. genannt. Hierdurch sollen

            PEFC                                                                  Aqua pro Natura
Das PEFC (Programme for the                                          Das Aqua pro Natura Sie-
Endorsement of Forest Certifi-                                       gel wird von der Vereini-
cation Schemes) wurde von euro-                                      gung Deutscher Herstel-
päischen Waldbesitzern und Vertre-                                   ler für umweltschonende
tern der Holzwirtschaft initiiert.                                   Lernmittel e.V. vergeben.
  Die PEFC-Siegel stehen NICHT                                          Aqua Pro Natura steht
für die Verwendung von Altpapier.                                    NICHT für die Verwendung von Altpapier. Das Label kenn-
Es kennzeichnet Papiere, die aus                                     zeichnet Schulmaterialien, die aus frischem Zellstoff her-
Holz aus PEFC-zertifizierten Wäl-                                    gestellt werden. Der Zellstoff käme nicht aus den Tropen
dern hergestellt wurden.                                             und wäre chlorfrei gebleicht, ist auf den Siegeln zu lesen.
  Die Zertifizierungskriterien des PEFC sind allerdings äu-          Doch dies ist kein besonderer Beitrag zum Umwelt- oder
ßerst schwach. Die Zeitschrift Ökotest z.B. bewertet die             Verbraucherschutz: Die meisten Papiere werden heu-
Waldbewirtschaftung nach FSC mit „sehr gut“, das PEFC                te chlorfrei gebleicht, der Zellstoff kommt sowieso häufig
bekommt nur die Note „ausreichend“.                                  nicht aus tropischen, sondern aus nordischen Wäldern.
 Nicht empfehlenswert                                                Nicht empfehlenswert

Foto: PEFC Deutschland e.V.                                          Foto: Copyright © Aqua Pro Natura

Holzfreies Papier
Der Begriff „holzfreies Papier“ ist irreführend. Auch „holzfreie   Minderwertigere Papiere haben einen hohen Anteil an Holzstof-
Papiere“ werden aus Holz hergestellt. Dazu muss man wissen,        fen, dadurch sind sie faseriger und vergilben leicht (z.B. Bierde-
dass Holz zu rund 55 Prozent aus so genannten „Holzstoffen“        ckel). Hochwertige Papiere bestehen nur aus Zellulose, sie sind
und zu 45 Prozent aus Zellulosefasern besteht.                     also holzstofffrei – werden aber irreführend „holzfrei“ genannt.
Münchner Stadtgespräche - =Papier Wald - Umweltinstitut München
10                         Umweltinstitut München e.V.                                                                               12/2012

Jedes Buch ein Baum
      Trotz des wachsenden Erfolgs von E-Book und Online-Publishing ist Papier immer noch das
      zentrale Medium des Buchhandels. Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Branche jedoch meist
      nur in den Buchinhalten behandelt, für eine bessere Ökobilanz ihrer Produkte sorgen die Verlage
      bisher erstaunlich wenig. Dabei könnte der Buchhandel durch den vermehrten Einsatz von
                  Recyclingpapier ganz einfach zur Vermeidung der Waldrodung beitragen.

K
          napp eine Milliarde Bücher produzie-     dische Verlag Raincoast Books, der die Millio-    Stattdessen schmücken sich die Verlage lie-
          ren deutsche Verlage jedes Jahr, fast    nenauflage eines Harry Potter-Bands auf 100       ber mit FSC-zertifiziertem Papier (Forest Ste-
          alle werden auf Frischfaserpapier        Prozent Recyclingpapier drucken ließ. Da-         wardship Council). (siehe S. 9)
gedruckt. Die dadurch entstehende Umwelt-          durch konnten 30.000 Bäume vor der Rodung              Der psychologische Effekt des Siegels
belastung ist immens: Für eine Million Kopien      bewahrt und über 47 Millionen Liter Wasser        ist folgenschwer: Nur wenige Kunden reali-
eines Buches mit durchschnittlich 250 Sei-         eingespart werden. Ein voller Erfolg sowohl bei   sieren den Unterschied zwischen Recycling-
ten müssen über 12.000 Bäume gefällt wer-          den Lesern als auch für die Umwelt – und das,     papier und FSC, das Papier aus nachhaltig
den. Darüber hinaus werden bei der Herstel-        ganz ohne Qualitätseinbußen.                      angebautem Holz verspricht. Doch der ist ek-
lung riesige Mengen an Wasser und Energie                                                            latant: Während Recyclingpapier zu fast 100
                                                   Feigenblatt FSC-Siegel
verbraucht. Eine dringende und sinnvolle Lö-                                                         Prozent aus Altpapier (also Abfall) und nur zu
sung wäre es, Bücher ausschließlich auf Re-        Dennoch beharrt die Mehrheit der Verlage auf      einem kleinen Teil Frischfasern (also Holz) be-
cyclingpapier zu drucken. Doch die meisten         dem Einsatz von Frischfaserpapier. Für sie ge-    steht, werden für die Herstellung von FSC-Pa-
Verlage sträuben sich dagegen. Ihre Begrün-        hen betriebswirtschaftliche Interessen vor Um-    pier Tausende Bäume abgeholzt. Das Wört-
dung ist immer dieselbe: Recyclingpapier sei       weltschutz: Die großen Frischfaserpapierher-      chen „nachhaltig“ bezieht sich lediglich auf
für den Buchdruck ungeeignet.                      steller verteidigen ihre Marktmacht bei den       die Waldbewirtschaftung. Auch der Wasser-
     Doch das ist ein längst überholtes Vorur-     Verlagen mit niedrigen Preisen. Weshalb soll-     und Energieverbrauch, sowie Co2-Emissionen
teil. Hochqualitatives Umweltpapier für Zeit-      te man sich also die Mühe machen und nach         liegen bei FSC-Papier um ein Vielfaches hö-
schriften und Bücher existiert schon seit vielen   einem geeigneten Recyclingpapier-Hersteller       her. FSC-Papier ist folglich keine echte Um-
Jahren. Das Paradebeispiel liefert der kana-       Ausschau halten?                                  weltschutzalternative zu Recyclingpapier.
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                               12/2012                           11

Kleine Verlage machen’s vor                        Oekom Verlag aber bald Abhilfe schaffen. Die        ihre Verlage dazu auf, beim Druck Recyclingpa-
In Deutschland beweisen bisher nur eini-           Initiative möchte interessierten Verlagen auf       pier zu verwenden. Im Ausland trug der Einsatz
ge wenige Verlage wie Arbor, J. Kamphau-           ihren Bedarf zugeschnittene Handlungsopti-          bereits Früchte: Der Erfolg der umweltfreund-
sen, Oekom oder der Kinderbuchverlag Gar-          onen für eine umweltfreundliche Buchproduk-         lichen Harry Potter-Ausgabe überzeugte mehre-
be, dass Umweltpapier alle Ansprüche an den        tion aufzeigen.                                     re Verlage in Kanada, komplett auf Recyclingpa-
Buchdruck erfüllt. Sie verwenden für ihre Pu-           Ein weiteres beliebtes Argument, das die       pier umzusteigen. Auch in Deutschland wurden
blikationen fast ausschließlich Recyclingpa-       Verlage vorschützen, lautet, man fürchte durch      schon einige Jugendbücher auf Recyclingpapier
pier. Nachteile ergeben sich für sie dabei keine   die Umstellung auf Recyclingpapier Kunden zu        gedruckt. Es zeigt sich also, dass die Verlage
– weder hinsichtlich Papier- und Druckqualität     verlieren. Da dieses aufgrund der kürzeren Fa-      sehr wohl können – wenn sie nur wollen.
noch auf Kundenseite. Und auch die Mär vom         sern ein geringeres Volumen als Frischfaser-
                                                                                                       Buchkäufer sind gefragt
höheren Preis weiß Anne Petersen vom Verlag        papier hat, falle der Buchkörper dünner aus
J. Kamphausen zu entkräften: „Es gibt zwar ei-     und dies könne unattraktiv auf Kunden wir-          Doch solange nicht auch wir Leser Druck auf
nen Preisunterschied, der entsteht jedoch vor      ken. Angesichts des Bücherbooms im Online-          die Branche ausüben, wird sich das Gros der
allem deshalb, weil die Nachfrage nach Recy-       versandhandel erscheint diese Argumentati-          Verlage weiterhin auf dem FSC-Siegel ausru-
clingpapier zu gering ist. Die Druckereien kön-    on jedoch äußerst fadenscheinig. So werden          hen. Fragen Sie deshalb in Ihrer Buchhandlung
nen diese Papiere nicht in so großen Mengen,       im Internet massenhaft Bücher verkauft, ohne,       nach umweltfreundlich produzierter Literatur
die preisgünstiger sind, bestellen. Der Preisun-   dass die Kunden die Dicke des Buches sehen,         und fordern Sie die Verlage Ihrer Lieblingsau-
terschied ist aber letztendlich eine Frage der     geschweige denn ertasten können. Oft heißt          toren auf, auf Recyclingpapier umzustellen.
Prioritäten. Ein größerer Verlag kann sich si-     es auch, die graue Farbe des Recyclingpapiers
cherlich Recyclingpapier leisten, wenn es ihm      würde den Kunden missfallen. Dabei lässt sich
wichtig wäre.“                                     längst kein Unterschied mehr zwischen Frisch-       Text: Ruth Böcher
     Was hält die Verlage also davon ab, ihre      faser- und Recyclingpapier erkennen, weder in       Foto: Fotolia
Bücher auf Recyclingpapier zu drucken? Die         Sachen Qualität, Farbe noch Haptik.
Umstellung von Frischfaserpapier erfordert Ei-
                                                   Autoren für Urwälder                                            Secondhand
genengagement: Echtes und hochwertiges
Recyclingpapier muss man suchen und aus-           Seit einigen Jahren engagieren sich auch viele        Gebrauchte Bücher gibt es hier:
probieren, schließlich soll es auch beim Druck     Autoren weltweit für eine Umstellung. Promi-           Münchner Stadtbibliotheken
perfekte Ergebnisse erzielen. Das Wissen über      nente Schriftsteller wie Günter Grass, die Kin-       www.muenchner-stadtbibliothek.de
umweltfreundliche Buchherstellung ist zu-          derbuchautorinnen Kirsten Boie und Corne-              Oxfam Buchshop, www.oxfam.de
dem bislang noch weit verstreut. Mit seinem        lia Funke, Harry Potter-Schöpferin J. K. Rowling       Bücherflohmarkt LISAR
Projekt Green Publishing will der Münchner         oder die Bestsellerautorin Isabel Allende fordern     www.buecherflohmarktlisar.wordpress.com
12      Umweltinstitut München e.V.                12/2012

                                      Papier in
                                        Wir können den Papierv
                                                Recyclingquote

 248 kg
 Papier werden in
 Deutschland pro Jahr
 pro Kopf verbraucht.

 282 kg in Finnland

                                                   50
 149 kg in Frankreich
 8 kg in Afrika
 54 kg im Weltdurchschnitt                     um
                                               stieg der
                                               in Deutsch
                                               1970 und

 2,3 kg Holz
 benötigt man für 1 kg Frischfaserpapier
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                  12/2012   13

n Zahlen
 erbrauch senken und die
 deutlich erhöhen!

                                                      100 %
                                                      beträgt die Altpapierquote
                                                      bei Zeitungen, bei Druck-
                                                      und Büropapier nur 31%

 %
 Papierverbrauch
hland zwischen
 2010

                                                                  4-7 Mal
                                                                  kann eine Papierfaser
                                                                  beim Reyclingprozess
                                                                  wiederverwendet werden

     Text: Andreas Marth, Katja Bachert
     Foto: Fotolia
     Quellen: Greenpeace Aachen, Papierkompass Forum Ökologie und Papier, Robin Wood, www.papier-und-mehr.de
14                         Umweltinstitut München e.V.                                                                                12/2012

                    Urwald ja,
                               aber nicht bei uns?
                    Der Wald – Rohstofflieferant und Lebensraum

D
            er deutsche Wald – wer denkt dabei     den Wald als Rohstoffquelle ab. Zunehmend         aufgebaut. Fichte und Kiefer sind die häufigs-
            nicht sofort an wilde Natur, Mythen    wichtiger wurde in den letzten Jahrzehnten        ten Baumarten – von Natur aus würden sie nur
            und Märchen. Dabei hat unser Wald      der Wald als Ort der Erholung. Mit dem Auf-       auf wenigen Prozent der Waldfläche vorkom-
schon seit Jahrhunderten mit ursprünglicher        kommen der ökologischen Bewegung setzte           men. In der Hälfte der Wälder sind alle Bäume
Natur nichts mehr zu tun. Mit der Einführung       sich schließlich das Leitbild einer naturnahen    gleich alt, der Wald wird dadurch strukturarm,
der geordneten Forstwirtschaft vor 400 Jah-        Waldbewirtschaftung in den Forstverwal-           monoton und instabil.
ren wurde der Wald zum Holzacker. Er wurde         tungen durch. Heute sollen Wälder „multifunk-
                                                                                                     Totholz lebt
vermessen, gesät, gedüngt und beerntet. Wald       tional“ sein. Sie sind gleichzeitig Holzfabrik,
musste sich rentieren. Unter dem Motto „Weg        artenreiches Naturbiotop und Wellness-Oase.       Mittlerweile hat sich die Forstwirtschaft jedoch
mit den faulen Gesellen“ fällte man jahrhun-                                                         deutlich ökologischer ausgerichtet. Ziel ist es,
                                                   Wald heute
dertealte Laubbäume, um schnellwachsenden                                                            stärker strukturierte Wälder mit standortge-
Nadelholzplantagen Platz zu machen.                Deutsche Wälder sind zum größten Teil natur-      rechten Baumarten aufzubauen. Immer mehr
     Erst als Kohle und Erdöl das Holz als Ener-   ferne Wirtschaftswälder. Sie sind zu erheb-       Laubhölzer werden gepflanzt, Kahlschläge wer-
gielieferant ersetzten, nahm der Druck auf         lichen Teilen aus standortfremden Baumarten       den glücklicherweise kaum mehr praktiziert.
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                            12/2012                           15

Wald ist nicht gleich Wald: Links ein naturnaher Wald, rechts ein forstwirtschaftlich optimierter Plantagenwald

Ein großes Problem besteht aus Naturschutz-        vor, dass diese Schutzgebiete bis zum Jahr        Zudem verliert ein intensiv bewirtschafteter
sicht aber immer noch fort: Alte Wälder mit        2020 fünf Prozent der Waldfläche einnehmen        Wald sein Potential als Kohlenstoffspeicher.
Bäumen älter als 180 Jahre sind kaum mehr          sollen.                                           Alte Bäume, Totholz und der Boden speichern
vorhanden. Dabei sind gerade alte, zerfallende                                                       große Mengen an Kohlenstoff. Dem Klima-
                                                   Klimaschutz auf dem Holzweg
Bäume die Heimat einer unglaublichen Viel-                                                           schutz und dem Naturschutz wäre mit dem
zahl von Lebewesen: Flechten, Käfer, Pilze,        Doch viele Akteure aus Forst- und Holzwirt-       Aufbau vorratsreicher Wälder und humusrei-
Spechte, Fledermäuse, Käuzchen, Sieben-            schaft stemmen sich mit Händen und Füßen          cher Waldböden mehr geholfen, als durch die
schläfer, Hohltauben, Marder und Hornissen         gegen die Einrichtung von Schutzgebieten –        Förderung von Holzheizungen.
leben auf und in alten Höhlenbäumen.               vor allem mit dem Hinweis auf den vermeint-            Um der Atmosphäre CO2 zu entziehen,
    Im Wirtschaftswald finden all diese Tiere      lich „klimafreundlichen Rohstoff Holz“. Bio-      sollte Holz vor allem für langlebige Produkte
keinen Lebensraum, da kaum ein Baum sein           masse-Heizkraftwerke, Pelletsheizungen und        eingesetzt werden, zum Beispiel als Bauholz
biologisches Alter erreichen darf. Da viele Tot-   Schwedenöfen – der angeblich CO2-neutrale         oder Möbelholz. In den letzten Jahrzehnten
holzbewohner keine weiten Strecken zurück-         Brennstoff liegt im Trend. Die Eigenwerbung       aber werden immer mehr Wälder zu Werbe-
legen, bräuchten sie eine ganze Menge abge-        der Forst- und Holzindustrie erweckt den Ein-     broschüren, Hackschnitzeln oder Billigmöbeln
storbener dicker Bäume über den Wald verteilt      druck: Je höher der Holzverbrauch – umso          verarbeitet. Rund die Hälfte der deutschen
– für viele Förster und Waldbauern ein nicht       besser fürs Klima. Doch ist dem wirklich so?      Holzernte wird für minderwertige und kurzle-
hinnehmbarer wirtschaftlicher Verlust.                 Heute wird mit großen Maschinen immer         bige Produkte wie Papier, Spanplatten oder als
                                                   mehr Biomasse aus dem Wald geholt, selbst         Brennstoff verwendet.
Urwälder von morgen?
                                                   Nadeln und Reisig, um daraus Pellets oder
                                                                                                     Klima wandelt den Wald
In Naturwaldreservaten soll daher ein Teil der     Hackschnitzel herzustellen. Dies wirkt sich de-
Wälder ihrer natürlichen Entwicklung überlas-      saströs auf die Waldböden aus. Ein großer Teil    Zusätzliche Gefahren drohen dem Wald durch
sen werden und sich zu den „Urwäldern von          der Nährstoffe geht verloren, der Boden wird      den Klimawandel. Erwärmung und Extrem-
morgen“ entwickeln. In Deutschland gibt es         durch schwere Maschinen verdichtet, die Bo-       wetterereignisse wie Trockenheit und Stürme
Naturwaldreservate auf gerade einmal 0,3           denorganismen ersticken, Wasser kann kaum         stellen das Ökosystem vor neue Herausforde-
Prozent der gesamten Waldfläche. Die Nati-         mehr versickern. Das Waldwachstum wird            rungen. Bäume wachsen langsam, sie fruch-
onale Strategie zur biologischen Vielfalt sieht    über Jahrhunderte gestört.                        ten erst nach vielen Jahrzehnten und ihre
16                          Umweltinstitut München e.V.                                                                                 12/2012

Samen keimen oft nur wenige Meter vom Mut-           seit Jahrzehnten zu einer massiven Vermeh-       Langfristiges Ziel ist es, naturnahe, vielschich-
terbaum entfernt. Damit sind viele Baumarten         rung der Tiere. Diese vernichten oft flächen-    tige und ungleichaltrige Wälder zu schaf-
wohl nicht schnell genug, um sich dem ra-            deckend sämtlichen Jungwuchs. Laubbäume          fen. Bis dahin ist es allerdings noch ein wei-
santen Klimawandel anzupassen. Es könnte             und Tannen fressen sie besonders gern, die       ter Weg. Heute werden noch große Teile der
zu einer völlig neuen Baumartenzusammen-             stacheligen Fichten dagegen lassen sie ste-      städtischen Wälder von gleichförmigen Fich-
setzung kommen. In Bayern wird wohl vor              hen. So werden aus artenreichen Mischwäl-        tenforsten bestimmt. Doch auch rund um un-
allem die Fichte durch längere Trockenperio-         dern nach einigen Jahrzehnten Fichtenrein-       sere Großstadt gibt es an den Isarhängen, im
den geschwächt werden. Mit ihrer heute do-           bestände. Die mächtige Jagdlobby wehrt sich      Leutstettener Moss oder der Echinger Lohe ei-
minierenden Stellung könnte es damit schon           aber gegen höhere Abschusszahlen. Naturna-       nige wundervolle Naturwaldreservate.
bald vorbei sein.                                    he Wälder können sich so nicht entwickeln.
                                                                                                      Der Wald braucht unser
Insgesamt versucht sich die Forstwirtschaft
                                                     Münchner Stadtwald auf                           Engagement
durch den Anbau möglichst vieler Baumar-
                                                     dem richtigen Weg
ten pro Fläche die Unwägbarkeiten zukünftiger                                                         Wird sich ökologische Waldbewirtschaftung
Auswirkungen der Klimaerwärmung abzufe-              Unsere Wälder weisen heute große ökolo-          gegen eine steigende Holznachfrage durch-
dern. Angesichts des Klimawandels haben üb-          gische Defizite auf und sind von unwägbaren      setzen? Hier ist vor allem der Einsatz der Zi-
rigens auch die bereits erwähnten Naturwald-         Gefahren bedroht. Wie steht es um die Wälder     vilgesellschaft gefordert: Wir müssen uns für
reservate eine wichtige Funktion: Sie fördern        rund um München?                                 mehr Umweltbildung, Waldreservate und Na-
die biologische Vielfalt und Stabilität der Wälder       Die Wälder der Landeshauptstadt sind seit    tionalparks einsetzen. Wir brauchen eine an
und verbessern so deren Chancen, sich an zu-         2001 nach den Richtlinien von Naturland und      den Bedürfnissen des Waldes ausgerichtete,
künftige Veränderungen anzupassen.                   des FSC (Forest Stewardship Council) ökolo-      umweltfreundliche Jagd. Wir müssen unseren
                                                     gisch zertifiziert. Beides sind Gütesiegel mit   Holzverbrauch reduzieren und Holzverschwen-
Wald vor Wild
                                                     hohen ökologischen Ansprüchen. Das Natur-        dung anprangern. Und wir müssen alles tun,
Ein großes Hindernis für die Entwicklung na-         land-Label schreibt unter anderem vor, dass      um den Klimawandel zu bremsen.
turnaher Wälder sind Reh, Hirsch und Wild-           zehn Prozent der holzwirtschaftlichen Fläche
schwein. Von Natur aus leben nur wenige              der natürlichen Entwicklung überlassen wer-
dieser Tiere im Wald. Ein dichter Urwald bie-        den. Ein hoher Totholzanteil von zehn Prozent
tet ihnen nur wenig Nahrung. Doch unzurei-           wird angestrebt. Kahlschläge und Ganzbaum-       Text: Antje Wagner
chende Bejagung und die Unmengen von Fut-            nutzung sind verboten, ebenso Pestizideinsatz    Fotos: Bayerische Landesanstalt für Wald und
ter, mit dem Jäger das Wild mästen, führen           oder die Pflanzung standortfremder Bäume.        Forstwirtschaft, Fotolia

                                                                     „Wo möglich Holz!“?
   „Wo möglich Holz!“ lautete einst ein Slogan der Holz- und                  Jahr 2011 bereits 56 Millionen Festmeter, die auf bis zu 80
   Forstwirtschaft, der den Holzverbrauch ankurbeln sollte.                   Millionen Festmeter gesteigert werden sollen.
   Und tatsächlich nimmt die Nachfrage nach Holz und Holz-                      Das ist zwar deutlich weniger als die rund 95 Millionen Ku-
   produkten seit Jahrzehnten zu.                                             bikmeter, die jedes Jahr in Deutschlands Wäldern zuwach-
      Seit 2002 ist der Holzverbrauch in Deutschland um 40                    sen. Es wird aber vergessen, dass die Wälder im Sinne des
   Prozent gestiegen. Allein der Rohstoffverbrauch der Holz-                  Natur- und Klimaschutzes mehr Holzmasse aufbauen soll-
   werkstoff- und Zellstoffwirtschaft kletterte von rund 19 Mil-              ten. Viele Waldböden sind zudem Jahrhunderte lang über-
   lionen Kubikmeter im Jahr 2000 auf knapp 36 Millionen                      nutzt worden. Zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbar-
   Kubikmeter im Jahr 2009. Bis 2020 wird die EU ihre Holz-                   keit müssen daher große Mengen des Zuwachses im Wald
   importe wohl mehr als verdoppeln.                                          belassen werden.
      Schon geht die Angst vor der Holznot um: „Angesichts                      Doch die Forst- und Holzwirtschaft will von einem „Peak
   der zu erwartenden Nachfragesteigerung nach Holz für die                   Holz“ nichts wissen. Sie will die Einschläge erhöhen. Man
   stoffliche und Biomasse für die energetische Nutzung stellt                wirbt dafür mit Aussagen von angeblich überalterten Be-
   sich die Frage nach der Sicherung der Rohstoffversorgung                   ständen und warnt, die Vorräte hätten ein „bisher unbe-
   für die heimische Holz- und Papierwirtschaft“ schreibt die                 kanntes Ausmaß erreicht“. Dies ist allerdings eine gewagte
   Bundesregierung in ihrer Waldstrategie 2020.                               These: Rund 320 Festmeter Holz enthält der deutsche Wald
      Aufgrund der steigenden Nachfrage wird in unseren Wäl-                  im Durchschnitt pro Hektar. Ein alter Buchenurwald dage-
   dern immer mehr Holz eingeschlagen: Ende der 1990er-                       gen kann bis zu 1000 Kubikmeter pro Hektar enthalten.
   Jahre waren es rund 35 Millionen Festmeter pro Jahr, im
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                     12/2012                       17

Papierherstellung
   Die Herstellungsprozesse von Frischfaser- und Recyclingpapier unterscheiden sich deutlich von-
   einander, wie der Vergleich von Diplom-Chemiker Andreas Marth, Umweltinstitut München,
   zeigt: Recyclingpapier ist im Vergleich zu Primärfaserpapier wesentlich umwelt- und ressour-
   censchonender. Wir alle können der unnötigen Rodung von Wäldern zuvorkommen und wichtige
    Ressourcen wie Wasser und Luft schonen, indem wir Papier sparen und Recyclingpapier nutzen.

Recyclingpapier                                          Frischfaserpapier
 Für die Gewinnung von Recyclingpapier dient             Die Rohstoffe (Zell- und Holzstoff) werden direkt
Altpapier als Rohstoff.                                  aus Holz gewonnen.

 Beim Recyclingpapier sind die Wege deutlich kürzer.     Der Zellstoff für Frischfaserpapier wird zu über
Der Zellstoff wird aus Altpapier gewonnen, welches       80 Prozent importiert, zum Großteil aus Brasilien,
in Deutschland tonnenweise gesammelt wird.               Skandinavien und Kanada.

 Die Herstellung von Altpapierstoff benötigt KEIN        Pro Tonne Primärzellstoff werden ca. zwei Tonnen
frisches Holz.                                           Holz verbraucht.

 Sekundärfasern (Altpapierstoff) werden durch Auf-       Frischfasern (Primärzellstoff) werden aus dem Holz-
lösen des Altpapiers in Wasser, Sortieren und Trocknen   verbund chemisch herausgelöst, indem das Holz in ei-
erhalten. Die Verwendung von Recyclingpapier senkt       ner alkalischen oder sauren Schwefelsalzlösung ge-
massiv den Frischfaserbedarf!                            kocht wird.

 Bei der Altpapieraufbereitung wird die Bleiche mit      Bei der Bleiche werden Verunreinigungen entfernt.
dem deutlich umweltschonenderen Wasserstoff-             In europäischen Fabriken wird meist eine chlorarme
peroxidin in den Auflösevorgang integriert, um irre-     Bleiche angewendet, die offiziell als „chlorfrei“ bezeich-
versible Vergilbungen der Fasern zu verhindern. Laut     net werden darf, da kein elementares Chlorgas einge-
Greenpeace verzichten jedoch die meisten Hersteller      setzt wird. Dennoch sind die Chemikalien extrem
ganz auf das umweltbelastende Bleichen.                  schädlich und umweltbelastend.

 Für hochwertige graphische Recyclingpapiere ist die     Die Wasser- und Luftbelastung durch Chemikalien
umweltschädliche Druckfarbenentfernung („Deinking“)      ist bei der Produktion von Frischfaserpapier immens
erforderlich. Beim grauen Umweltschutzpapier wird        höher als im Fall von Recyclingpapier.
daher auf Deinking verzichtet.
                                                          Energieverbrauch bei der Primärzellstoffherstel-
 Energieverbrauch bei der Aufbereitung von Altpa-       lung: 26,3 bis 44,7 GJ/t
pier zu Altpapierstoff: ca. 4,7 GJ/t
                                                          Der Frischwassergebrauch kann bei der Zellstoff-
 Bei der Altpapieraufbereitung kann der Frischwas-      herstellung durch Wasserkreislaufschließungen nur auf
sergebrauch auf bis zu 5 m³/t gesenkt werden.            bis zu 20 m³/t gesenkt werden.

 Für 1 kg Sekundärfaserpapier werden 1,1 bis 1,3         Für 1 kg Primärfaserpapier werden rund 2,3 kg
kg Altpapier benötigt.                                   Holz benötigt.
18                          Umweltinstitut München e.V.                                                                                 12/2012

Das Papier-Massaker
     Weil wir so viel Papier verbrauchen, werden andernorts Urwälder
      gerodet. Der intensive Raubbau hat fatale Konsequenzen für
               Menschen und Umwelt in den Anbauländern.

V
          on wegen nachhaltig, für den Papierkonsum in Deutschland             politischer Kontrolle, mangelnder Rechtsdurchsetzung, Korruption und
          werden bei uns in Indonesien Menschen vertrieben und in-             Skrupellosigkeit in Politik sowie der Holz- und Papierindustrie ließ In-
          takte Wälder zerstört“, empörte sich der indonesische Um-            donesien innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Papier- und
weltschützer, Aidil Fitri, auf einer Veranstaltung in Berlin Mitte November.   Zellstoffproduzenten der Welt werden. Nicht nur unberührte Regenwäl-
Eine dreiköpfige Delegation indonesischer Aktivisten war nach Europa           der mussten für Plantagen weichen, selbst in geschützten Nationalparks
gereist, um wieder einmal auf die Folgen der Papierproduktion im Land          wurde und wird auch heute noch illegal Holz für die Papiergewinnung
hinzuweisen, die durch den übermäßigen Verbrauch in Deutschland und            eingeschlagen.
anderen europäischen Ländern verursacht sind. Und Indonesien ist nur                Der indonesische Papierhersteller APP (Asia Pulp and Paper) pro-
ein Beispiel von vielen.                                                       duziert jährlich über zwei Millionen Tonnen Zellstoff und rund 5 Millio-
                                                                               nen Tonnen Papier und Verpackungsmaterialien in nur zwei Werken auf
Raubbau und Waldverlust
                                                                               Sumatra. Der Rohstoff für diese Menge Zellstoff ist allein aus Plantagen
Die Folgen des Raubbaus sind mancherorts katastrophal. Allein auf Su-          nicht zu beschaffen, so dass Schätzungen zufolge rund 70 Prozent des
matra fielen in den 1990er-Jahren über 800.000 Hektar Naturwald der            benötigten Holzes direkt aus den natürlichen Wäldern des Landes stam-
Papier- und Zellstoffproduktion zum Opfer. Eine Mischung aus fehlender         men. In den Provinzen Riau und Jambi, wo sich die beiden Werke von
Münchner Stadtgespräche Nr. 64                                                                           12/2012                           19

APP befinden, wurden in den letzten Jahren über 300.000 Hektar Re-         darf, der zur Absenkung des Grundwasserspiegels und zur Austrock-
genwald von dem Unternehmen abgeholzt.                                     nung ganzer Regionen führt. Zusätzlichen Schaden nehmen Wasser
    Der Verlust der ursprünglichen Wälder hat verheerende Auswir-          und Böden durch den Einsatz von Düngern und Pestiziden, die Schäd-
kungen auf die Tierwelt und die Biodiversität, bringt bedrohte Tierarten   linge von den gepflanzten Bäumen fernhalten sollen. Und da Eukalyptus
wie den Sumatra Tiger, das Nashorn oder den Orang Utan noch näher          in Brasilien außerdem nicht heimisch ist, steht die Tier- und Pflanzen-
an die Ausrottung. Die Umwandlung der auf tiefen Torfschichten stehen-     welt zusätzlich unter Bedrängnis. Die Eukalyptusplantagen bieten ihnen
den Wälder setzt zudem Unmengen an Kohlenstoff frei, der zum Klima-        nicht den gewohnten Lebensraum. Die Folge ist ein dramatischer Rück-
wandel beiträgt.                                                           gang der Artenvielfalt.

Zerstörung der Lebensgrundlagen                                            Probleme nicht nur im Süden
Entgegen ihrer Marketingaussagen respektieren die Papierhersteller in      Die Zerstörung von Wäldern zur Papiergewinnung und die Missachtung
den seltensten Fällen die Rechte der Bevölkerung. Oft genug müssen         der Rechte der lokalen Bevölkerung ist jedoch nicht allein das Problem
Kleinbauern und die indigene Bevölkerung den neuen Plantagen wei-          in Entwicklungs- und Schwellenländern. Kanada, einer der größten Zell-
chen – die Menschen werden von ihrem seit Generationen bewohnten           stofflieferanten Deutschlands, holzt seinen temperierten Regenwald in
und bewirtschafteten Land vertrieben. Sie suchen notgedrungen ein          großem Maßstab ab und erteilt – illegal – an Holzkonzerne Konzes-
neues Stück Land, wandern in die Städte ab oder versuchen in der           sionen auf indianischem Land. Auch in Kanada verschmutzen Papier-
Nähe der Plantage zu überleben. Doch das ist selten gut möglich, da        fabriken die Gewässer und gefährden Kahlschläge ganzer Wälder die
Gewässer durch Pestizide verseucht sind, die Böden unfruchtbar sind        Lebensgrundlage der “First Nations“.
und sie ihrer traditionellen Quelle Wald für Nahrung, Fasern, Medizin,          Von besonderer Bedeutung ist in Kanada das Schicksal der Lachse.
Bau- und Feuerholz beraubt sind. Arbeit in den Plantagen und der Zell-     Durch Abholzung bedingte Verschlammung der Flüsse werden die Brut-
stoffproduktion ist rar – zumal die wenigen Jobs eher an auswärtige        stellen der Lachse zerstört. Hunderte Lachsbestände Kanadas sind be-
Fachkräfte vergeben werden.                                                reits ausgestorben oder massiv bedroht. Diese Bedrohung des Lachses
    Der Papierhersteller Mondi beschäftigt in Südafrika nur 0,7 Per-       hat unmittelbar negative Auswirkungen auf die Menschen und Tiere der
sonen pro 100 Hektar – die Büromitarbeiter und Arbeiter in der Zell-       Region, wie Bären, Wölfe, Vögel, für die der Lachs eine der wichtigsten
stofffabrik bereits mit eingerechnet. Auf den Plantagenflächen werden      Nahrungsquellen darstellt.
demnach kaum Arbeiter benötigt. Entgegen den Ankündigungen der                  Der hohe Papierkonsum in den Industrieländern verbraucht nicht
Papierproduzenten und Plantagenbetreibern verarmt die lokale Bevöl-        nur Rohstoffe, wie Holz, Wasser und Energie und emittiert erhebliche
kerung, die vorher wenigstens selbstbestimmt einer die Familien ver-       Mengen CO2. Er hat damit auch großen Anteil am weltweiten Waldver-
sorgenden Subsistenzwirtschaft nachgehen konnte.                           lust, der Zerstörung von Lebensräumen, fördert Menschenrechtsver-
    Nicht nur die Plantagen bedrohen die Menschen vor Ort, sondern         letzungen und Krankheiten, Korruption und Konflikte um Land und ver-
auch die Papier- und Zellstofffabriken. Fehlende Umweltstandards oder      schärft den Klimawandel.
laxe Kontrollen verleiten die Fabriken hochbelastete Abwässer in die            Die Antwort auf die globalen Auswirkungen des Papierverbrauchs in
Flüsse zu leiten. Die Bewohner in unmittelbarer Umgebung der Fabriken      den Industriestaaten kann nur eine massive Reduktion desselben sein.
leiden vermehrt unter Haut- und Atemwegserkrankungen.                      Die Umstellung auf Recyclingpapier alleine reicht nicht aus um den
    In Indonesien ist es bisher trotz Kampagnen und Protesten von Um-      Druck von den Wäldern zu nehmen und Lebensräume zu erhalten.
welt- und Menschenrechtsorganisationen sowie der betroffenen Bevöl-
kerung nicht gelungen, zwei der größten Abholzer auf Sumatra, die Zell-
stoff- und Papiergiganten APRIL (Asia Pacific Resources International      Text: Simone Hörner, Pro REGENWALD
Holdings Ltd.) und APP (Asia Pulp and Paper), von der weiteren Abhol-      Fotos: L. Maráz, Pro REGENWALD
zung der Naturwälder, der Anlage riesiger Plantagen und zur Lösung der
Landrechtskonflikte zu bewegen.

Immer mehr „Grüne Wüsten“
                                                                                   Netzwerk Papierwende
Aktivisten in Lateinamerika haben den Begriff der „Grünen Wüsten“
geprägt. Anders konnten sie den Unterschied zwischen den ihnen von           Das bundesweite Netzwerk Papierwende ist ein Zusam-
früher bekannten kleingliedrigen und artenreichen Strukturen und den         menschluss von Umwelt- und Verbraucherverbänden,
modernen Plantagenflächen der Papierindustrie nicht beschreiben. Wo          die sich für die Reduzierung des Papierverbrauchs auf
vorher artenreiche Ökosysteme die lokale Subsistenzwirtschaft mittru-        ein nachhaltiges Maß und die Nutzung von Recyclingpa-
gen, stehen heute Eukalyptus- oder Akazienbäume in Reih und Glied.           pier einsetzen. Informationen zum Thema Wald und Pa-
In Brasilien entstanden in den letzten 30 Jahren beispielsweise in den       pier, Tipps zum Papiersparen und für die Umstellung auf
östlichen Bundesstaaten auf mehreren Zehntausend Hektar Eukalyp-             Recyclingpapier, Mitmachaktionen für Schulklassen auf
tusplantagen. Eukalyptusbäume haben einen sehr hohen Wasserbe-               www.papierwende.de
Sie können auch lesen