Nachhaltigkeit und Zementindustrie

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Nachhaltigkeit und Zementindustrie
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

                 Nachhaltigkeit und
                 Zementindustrie
   Dokumentation
 von Beiträgen und
Handlungsoptionen

                                                                          1

                     Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
                     Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
                     Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft der
                     Deutschen Zementindustrie
                     in Zusammenarbeit mit dem
                     Verein Deutscher Zementwerke
Nachhaltigkeit und Zementindustrie
Nachhaltigkeit und Zementindustrie
Impressum

Auftraggeber                           Bearbeitung                             Diese Studie ist ein Beitrag der Sozial-
                                                                               partner zur Initiative für Nachhaltigkeit
Industriegewerkschaft                  SUSTAIN | CONSULT                       in der deutschen Zementindustrie.
Bauen-Agrar-Umwelt                     Beratungsgesellschaft für nachhaltige
                                       Wirtschaftsentwicklung mbH              http://www.initiative-nachhaltigkeit.de
Industriegewerkschaft
Bergbau, Chemie, Energie               Kaiserstraße 24
                                       44135 Dortmund
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft
der Deutschen Zementindustrie e.V.     Tel.: +49 (0)231 - 981 285.0
                                       Fax: +49 (0)231 - 981 285.29
in Verbindung mit dem
                                       Ralf Löckener (Projektleitung)
Verein Deutscher Zementwerke e.V.
                                       Abschluss: März 2013

                                                                                                                           3

Bildnachweis
Titelblatt (von links oben nach rechts unten):
HeidelbergCement AG / Steffen Fuchs (1, 4, 5),
© Stefanie Grebe (2), ThyssenKrupp Resource
Technologies (3), www.fotolia.com (6)
Inhalt

1       Hintergrund und Anliegen der Dokumentation............................8

2       Branchencharakteristika und Handlungsrahmen......................10
        Struktur und Entwicklung der Branche · Produkte, Produktions-
        verfahren und Innovation · Beschäftigung, Qualifikation und Aus-
        bildung · Cluster und Wertschöpfungskette

3       Beiträge zur Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette
        des Zements..................................................................................16
3.1     Rohstoffgewinnung ........................................................................16
        Rohstoffbedarf und Versorgungssicherheit · Substitutionspoten-
        ziale · Flächenbedarf und Raumnutzung auf Zeit · Landes- und
        Regionalplanung · Genehmigungsrecht und umweltverträgliche
        Rohstoffgewinnung · Folgenutzung und Naturschutz · Aktiver
        abbaubegleitender Natur- und Artenschutz
3.2     Zementproduktion ..........................................................................22     5
        Rechtlicher Rahmen · Umweltmanagement · Emissionen · Luftrein-
        haltung und Emissionsminderung · Energieintensität und Ener-
        gieeffizienz · Maßnahmen zum Klimaschutz · Verbesserung des
        Lärmschutzes · Wandel der Arbeitswelt · Ausbildung und Qualifi-
        zierung · Steigerung der Arbeitssicherheit und geringer Kranken-
        stand · Einkommen und Arbeitszeit · Nachhaltige Transport- und
        Logistikketten
3.3     Zementverarbeitung und Betonrecycling .......................................37
        Betonherstellung und Baustoffinnovation · Ressourcen­schonung
        durch Betonrecycling · Arbeitsschutz durch chromatarme Zemente
3.4     Anwendung zementgebundener Baustoffe ....................................40
        Ressourcenschonendes Bauen · Energieeinsparung und Klima-
        schutz · Anwendungen für den Umweltschutz · Infrastruktur für
        nachhaltige Mobilität

4       Zusammenfassung und Resümee...............................................48
Literatur und Materialien ..........................................................................55
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Abbildungen

Abbildung 1: Integration der drei Nachhaltigkeitsdimensionen durch Betrachtung
             entlang der Wertschöpfungskette..............................................................................................................8
Abbildung 2: Entwicklung des Zementverbrauchs in Deutschland; bis 1991 nur Westdeutschland,
             ab 1992 Gesamtdeutschland...................................................................................................................10
Abbildung 3: Entwicklung in den 16 Staaten mit dem höchsten Zementverbrauch.....................................................12
Abbildung 4: Produktionsschritte der Zementherstellung.............................................................................................14
Abbildung 5: Wertschöpfungskette Zement und Beteiligte..........................................................................................15
Abbildung 6: Lagerstätten und Standorte von Zementwerken.....................................................................................16
Abbildung 7: Anteil der Folgenutzungstypen an der Gesamtfläche der Folgenutzung.................................................21
Abbildung 8: Nutzungstypen vor dem Abbau, differenziert nach 50-Jahres-Zeiträumen.............................................21
Abbildung 9: Mittelwerte der Staubkonzentration im Reingas von 41 Drehofenanlagen im Jahr 2011........................25
Abbildung 10: Messergebnisse für Dioxin- und Furanemissionen..................................................................................25
Abbildung 11: Entwicklung des spezifischen Energiebedarfs für die Zementherstellung in den
              deutschen Zementwerken.......................................................................................................................26                7

Abbildung 12: Entwicklung des spezifischen elektrischen Energieverbrauchs in der Zementproduktion,
              ab 1987 inklusive ostdeutscher Werke....................................................................................................27
Abbildung 13: Bestandteile eines Altreifens für die Verwendung als Brennstoff und Rohmaterial
              im Klinkerbrennprozess...........................................................................................................................30
Abbildung 14: Entwicklung der (energiebedingten) CO2-Emissionen in Deutschland....................................................31
Abbildung 15: CO2-Emissionen der deutschen Zementwerke im europäischen Emissionshandels­system...................32
Abbildung 16: Entwicklung der Unfallhäufigkeit in der deutschen Zementindustrie......................................................35
Abbildung 17: Umweltvergleich des Gütertransports mit Binnenschiff, Bahn und Lkw.................................................35
Abbildung 18: Modal Split des Güterverkehrsaufkommens der befragten Zementwerke
              im Vergleich zum gesamten Güterverkehr in Deutschland in 2002 und 2008.........................................36
Abbildung 19: Balkenquerschnitte bei verschiedenen Bauweisen.................................................................................37
Abbildung 20: Stoffströme beim Recycling von Beton...................................................................................................38
Abbildung 21: Aufkommen und Verwertung von Baureststoffen....................................................................................38
Abbildung 22: Gezielter Rückbau von Gebäuden als Voraussetzung für ein modernes Betonrecycling........................39
Abbildung 23: Primärenergieverbrauch für Erstellung und Nutzung eines Mehrfamilien-Niedrig­energiehauses............41
Abbildung 24: Treibhauspotenzial von Gebäuden in Massiv- und Holzbauweise im Erstellungsjahr
              und über einen Lebenszyklus von 80 Jahren..........................................................................................42
Abbildung 25: Beton-Außenwandkonstruktionen für die passive und aktive Solarenergienutzung...............................43
Abbildung 26: Beton als leistungsstarker Baustoff auch für besondere Anwendungen wie Faultürme
              in Kläranlagen..........................................................................................................................................44
Abbildung 27: Reparaturen von Fahrbahndecken mit Hilfe von Spezialbetonen auf Basis schnell erhärtender
              Zemente...................................................................................................................................................46

Tabellen

Tabelle 1:           Entwicklung der Zementindustrie in Deutschland ..................................................................................10
Tabelle 2:           Zementarten und ihre Bestandteile..........................................................................................................12
Tabelle 3:           Substitutionseffekte und -potenziale.......................................................................................................17
Tabelle 4:           Flächenbedarf für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe im Jahr 2010 ..............................................18
Tabelle 5:           Marktanteile von Zementarten am Inlandsversand in Mio. t ...................................................................29
Tabelle 6:           Brennstoffeinsatz in der deutschen Zementindustrie in Mio. GJ pro Jahr .............................................30
Tabelle 7:           Beiträge zur CO2-Minderung in der deutschen Zementindustrie ...........................................................31
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

    1 Hintergrund und Anliegen der                     die Erstellung der ersten Fassung der                         Die Sozialpartner in der Zementin-
    Dokumentation                                      Dokumentation „Nachhaltigkeit und                             dustrie legen für ihre Initiative ein
                                                       Zementindustrie“, um eine Basis für                           Verständnis von Nachhaltigkeit als
    Im Jahr 2002 begründeten der Bun-                  einen verstärkten Dialog zur nach-                            Such- und Lernprozess zugrunde, der
    desverband der Deutschen Zement-                   haltigen Entwicklung zu schaffen. In                          die gesamte Wertschöpfungskette ze-
    industrie (BDZ), der Verein Deutscher              der Dokumentation wurden Grund-                               mentgebundener Baustoffe umfasst
    Zementwerke (VDZ) und die Sozialpoliti-            satzpositionen der Sozialpartner zur                          und der durch Investitionen und Inno-
    sche Arbeitsgemeinschaft der deut-                 nachhaltigen Entwicklung dargestellt,                         vationen schrittweise vorangebracht
    schen Zementindustrie (SPADZ) ge-                  eine Standortbestimmung im Hinblick                           wird, um ökologische, ökonomische
    meinsam mit der Industriegewerk-                   auf bereits bestehende Beiträge zur                           und soziale Bedürfnisse besser als
    schaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)                 Nachhaltigkeit vorgenommen und                                zuvor zu integrieren. Konkrete Bei-
    und der Industriegewerkschaft Berg-                Handlungsfelder für zukünftige Auf-                           träge und Maßnahmen werden in der
    bau, Chemie, Energie (IG BCE) die Initia-          gaben zur nachhaltigen Entwicklung                            Dokumentation „Nachhaltigkeit und
    tive für Nachhaltigkeit in der deutschen           in der Zementindustrie identifiziert,                         Zementindustrie“ daher diesen drei
    Zementindustrie. Die Sozialpartner                 um diese dann in konkreten Projekten                          Dimensionen nicht isoliert zugeordnet,
    würdigten damit, dass nachhaltige                  angehen zu können.                                            sondern entlang der branchenspe-
    Entwicklung zunehmend zu einem zen-                                                                              zifischen Wertschöpfungskette im
    tralen gesellschaftspolitischen Leitbild           Zehn Jahre später wird hiermit nun                            Zusammenhang dargestellt und do-
    wurde, das für wirtschaftliche bzw.                eine überarbeitete Fassung dieser                             kumentiert. Die Wertschöpfungskette
    industrielle Tätigkeiten immer stärker             Dokumentation „Nachhaltigkeit und                             „Zement“ gliedert sich in fünf Bereiche:
8                                                      Zementindustrie“ vorgelegt. Neben der                         die Rohstoffgewinnung, die Herstel-
    an Relevanz gewinnt. Dies gilt auch
    für die Herstellung und den Verbrauch              Aktualisierung von Inhalten und Daten                         lung von Zement, seine Verarbeitung
    von Zement und zementgebundenen                    umfasst dies die Darstellung und Aus-                         zu zementgebundenen Baustoffen
    Baustoffen.                                        wertung der gemeinsamen Projekte,                             (insbesondere Beton), deren Verwen-
                                                       die von den Sozialpartnern im Rah-                            dung in der Bauwirtschaft sowie das
    Allgemein fehlte vor zehn Jahren je-               men der Initiative für Nachhaltigkeit                         Recycling zementgebundener Bau-
    doch ein sach- und praxisgerech-                   durchgeführt wurden. In diesen Pro-                           stoffe (vgl. Abbildung 1).
    tes Verständnis von Nachhaltigkeit.                jekten ging es vor allem um folgende
    Dies galt auch für das Verhältnis von              vier Themen:                                                  Als die erste Fassung der Dokumen-
    nachhaltiger Entwicklung und Zement-                                                                             tation „Nachhaltigkeit und Zement-
    industrie. Die Sozialpartner in der Ze-                  integriertes Rohstoff- und Natur-                      industrie“ im Jahr 2002 vorgelegt
    mentindustrie haben sich in dieser                        schutzmanagement,                                      wurde, stand die praktische Umset-
    Hinsicht davon leiten lassen, dass                                                                               zung von nachhaltiger Entwicklung
    auch der Wirtschaft mit ihren Unter-                     Einsatz sekundärer Stoffe,                             erst am Anfang. Die zwischenzeitlich
    nehmen, Mitarbeitern und Interessen-                                                                             vorgelegten Fortschrittsberichte der
    vertretungen eine zentrale Bedeutung                     Gestaltung nachhaltiger Transport-                     Bundesregierung zur Umsetzung der
    für die nachhaltige Entwicklung zu-                       und Logistikketten,                                    nationalen Nachhaltigkeitsstrategie –
    kommt. Den Beginn ihrer Zusammen-                                                                                der jüngste stammt aus dem Jahr 2012
    arbeit bildete vor diesem Hintergrund                    Weiterbildung der Beschäftigten.                       – dokumentieren, welche Bedeutung

                                                                             Soziale
                                                                          Nachhaltigkeit

                                                                    – Wertschöpfungskette –
                                  Rohstoff-            Zement-              Beton-                   Bau-                Beton-
                                  gewinnung            produktion           herstellung              wirtschaft          recycling

                                                                    – Nachhaltigkeitsprozess –
                                      • Stakeholder                                       • Dialoge
                                      • Interessen                                        • Schnittstellen
                                      • Bestehende Beiträge                               • Entwicklungspotenziale

                 Ökonomische                                                                                                          Ökologische
                 Nachhaltigkeit                                                                                                      Nachhaltigkeit

      Abb. 1: Integration der drei Nachhaltigkeitsdimensionen durch Betrachtung entlang der Wertschöpfungskette
1 Hintergrund und Anliegen der Dokumentation

die nachhaltige Entwicklung heute für     unverzichtbare Grundlage für den Auf-     die wirtschaftlichen und sozialen
praktische Politik auf allen Ebenen hat   bau und Erhalt einer modernen Infra-      Charakteristika und Entwicklungen
(Bundesregierung 2012). Diesen An-        struktur zur Befriedigung der Bedürf-     der Branche erläutert, die zugleich
satz nehmen die Sozialpartner in der      nisse Wohnen, Arbeiten und Mobilität      die aktuellen Handlungsspielräume
Zementindustrie auf. Mit Blick auf die    bilden, sollen die Rahmenbedingungen      der Zementindustrie markieren. An-
gemeinsamen Aktivitäten im Rahmen         und Implikationen, die mit der Herstel-   schließend werden im Kapitel 3 die
der Initiative für Nachhaltigkeit gehen   lung des Grundstoffes Zement sowie        Relevanz der Branche für eine nach-
sie von den eigenen Handlungsmög-         seiner Anwendung verbunden sind, im       haltige Entwicklung und Beiträge zur
lichkeiten der Unternehmen und ihrer      Sinne der nachhaltigen Entwicklung        Nachhaltigkeit entlang der Wertschöp-
Beschäftigten aus, um praktische Bei-     gestaltet werden.                         fungskette des Zements aufgezeigt.
träge zu den oben genannten Themen                                                  Den Abschluss bildet eine Standortbe-
zu leisten und konkrete Problemlösun-     In der vorliegenden aktualisierten Do-    stimmung, die die Entwicklungen der
gen vorzuschlagen. Ausgehend davon,       kumentation „Nachhaltigkeit und Ze-       vergangenen zehn Jahre zusammen-
dass zementgebundene Baustoffe eine       mentindustrie“ werden im Kapitel 2        fassend bewertet (Kapitel 4).

                                                                                                                            9
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

     2 Branchencharakteristika und             Tab. 1: Entwicklung der Zementindustrie in Deutschland (Quelle: Statistisches Bundesamt,
     Handlungsrahmen                           eigene Berechnungen)
                                                                                       Einheit     1995             2000       2005     2010     2011
     Struktur und Entwicklung der
     Branche                                    Unternehmen                      Anzahl                     35         31        22       22             22

     Die Zementindustrie wird in Deutsch-       Betriebe *                       Anzahl                     66         59        55       52             51
     land durch eine Mischung aus industri-
     ellem Mittelstand und weltweit tätigen
                                                Beschäftigte *                   Anzahl             12 577          11 144     7 669    7 581      7 657
     Konzernen geprägt. Nach Angaben
     des Vereins Deutscher Zementwerke          Beschäftigte
     wurde im Jahr 2011 in 54 Betrieben                                          Anzahl                    191        189       139      146            150
                                                je Betrieb *
     Zement hergestellt, darunter auch sol-
     che mit weniger als 20 Beschäftigten.      Umsatz *                         Mio. E                  2 912       2 651     1 792    2 244      2 605
     Hinzu kommen 6 Verwaltungsstand-
                                                ... davon durch
     orte. Unter den produzierenden Be-                                          Mio. E                    168        211       228      368            408
                                                Ausfuhr *
     trieben befinden sich 35 so genannte
     integrierte Zementwerke, die den ge-       Auslandsanteil
                                                                                 Prozent                   5,8         8,0      12,7     16,4       15,7
     samten Produktionsprozess – begin-         am Umsatz *
     nend mit der Gewinnung, Förderung
10                                              Produktion **                    Mio. t                  37,2        36,1       31,0     29,9       33,5
     und Aufbereitung der Rohstoffe – ab-
     decken und typischerweise etwa 100         Anlage-
     bis 250 Beschäftigte haben. Die üb-                                         Mio. E              425,9          220,6      124,9    158,5           n.a.
                                                investitionen **
     rigen so genannten Mahlwerke sind
                                                Investitionsquote
     deutlich kleiner und beziehen das Zwi-                                      Prozent                 14,6          8,3       7,0      7,1           n.a.
                                                am Umsatz
     schenprodukt Zementklinker von den
     integrierten Werken, um damit Zement       Investition je
                                                                                 Tsd. E                  33,9        19,8       16,3     20,9           n.a.
                                                Beschäftigtem
     herzustellen.
                                                Umsatz je
                                                                                 Tsd. E              231,5          237,9      233,7    296,0      340,2
     Die Zahl der Mitarbeiter lag im Jahr       Beschäftigtem
     2011 bei 7 657 und ist damit seit 2001    * Betriebe mit mehr als 19 Beschäftigten / ** Unternehmen

     um rund 29 % gesunken (Tabelle 1).
     Insgesamt hat sich die Struktur der                            45
     Zementindustrie in Deutschland in                              40
     den vergangenen Jahren deutlich
     verändert. Die Zahl der zementher-                             35
     stellenden Unternehmen ging im glei-                           30
     chen Zeitraum sogar um 42 % zurück,
                                                      Mio. Tonnen

     die Zahl der Betriebe um 12 %. Die-                            25
     se Entwicklung war vor allem eine
                                                                    20
     Folge veränderter Marktverhält-
     nisse, die u.a. zu einem Preisverfall                          15
     führten, der sich von 1995 bis 2003
                                                                    10
     vollzog. Aufgrund einer schlechten
     Baukonjunktur ging in diesem Zeit-                              5
     raum auch die Nachfrage deutlich
                                                                     0
     zurück (Abbildung 2) und die Auslas-                                1970   1975       1980   1985       1990       1995     2000     2005   2010
     tung der Werke sank. Vor diesem                                                                         Jahr
     Hintergrund wurde die Produktion in
     verschiedenen Werken aufgegeben              Abb. 2: Entwicklung des Zementverbrauchs in Deutschland; bis 1991 nur Westdeutsch-
                                                  land, ab 1992 Gesamtdeutschland (Zahlenangaben: VDZ)
     und die dortige Beschäftigung entfiel.
     Diese Phase der Konsolidierung war
     2005 abgeschlossen, seitdem ent-
     wickelt sich die Zementindustrie in
     Deutschland wieder stabil und konnte      damit mehr als doppelt so hoch wie im                         bei, der Tiefbau dementsprechend
     zuletzt sogar Beschäftigung aufbauen.     Durchschnitt des gesamten Verarbei-                           einen Anteil von 36,3 %. Zemente,
                                               tenden Gewerbes (3,4 %).                                      die in anderen Branchen (z.B. als Tief-
     Die Bruttoanlageinvestitionen der                                                                       bohrzement bei der Erdölförderung)
     deutschen Zementindustrie sind in         Die Bauwirtschaft ist der wichtigste                          eingesetzt werden, spielen bezogen
     den letzten Jahren wieder gestiegen       Anwendungsbereich für Zement. Dabei                           auf den Zementabsatz insgesamt
     und beliefen sich zwischen 2006 und       kommt insbesondere dem Hochbau                                mengenmäßig nur eine geringe Rolle.
     2010 auf insgesamt 897 Mio. € bzw.        (Wohnungsbau und Nichtwohnungs-                               In den kommenden Jahren wird mit
     jährlich auf durchschnittlich 24 000 €    bau) eine tragende Rolle zu. In 2011                          einer anhaltend positiven Entwicklung
     je Beschäftigtem. Der Anteil der Inves-   trug dieser mit 63,7 % den Großteil                           des Zementverbrauchs in Deutschland
     titionen am Umsatz lag bei 7,1 % und      zum Zementabsatz in Deutschland                               gerechnet. Grundsätzlich gilt, dass in
2 Branchencharakteristika und Handlungsrahmen

reifen Märkten der Zementverbrauch             auf der Straße – in der Regel über     ist auch in Deutschland die Bedeu-
weniger von bauwirksamen Nachhol-              relativ kurze Entfernungen von bis     tung der konzerngebundenen Her-
bedarfen geprägt ist als von Ersatzin-         zu 200 km abgesetzt werden, wie        steller gewachsen. Die bislang größ-
vestitionen sowie der Modernisierung           eine empirische Studie im Jahr         ten Verschiebungen im Verhältnis von
von Wohnraum und Infrastrukturen.              2009 zeigt (Initiative für Nachhal-    konzerngebundenen und mittelstän-
                                               tigkeit 2010). Die Nähe zu den Ab-     dischen Unternehmen liegen allerdings
Die Zementindustrie wird im Allge-             satzmärkten ist daher ein weiterer     schon etwa 40 Jahre zurück. Derzeit
meinen durch folgende, eng zusam-              Standortfaktor, der die regionale      gehören zwei Drittel aller Produktions-
menhängende Merkmale charakte-                 Verteilung der Werke stark beein-      standorte in Deutschland (Mahlwerke
risiert.                                       flusst hat. Demgegenüber hat in        eingerechnet) zu den 6 größten Anbie-
                                               den vergangenen Jahren auch der        tern, darunter Tochtergesellschaften
   Kapitalintensität: Für den Neubau          Transport über Schiene und Was-        eines französischen, eines schweize-
    eines kompletten Zementwerkes              serwege an Bedeutung gewonnen.         rischen, eines italienischen und eines
    mit einer Jahresleistung von 1,5           Dieser erlaubt den Zement- bzw.        mexikanischen Konzerns.
    Mio. t Klinker sind Investitionen in       Zementklinkerversand auch über
    Höhe von bis zu 250 Mio. € anzu-           größere Distanzen.                     Aufgrund der vergleichsweise hohen
    setzen (nicht berücksichtigt sind                                                 Transportkostenintensität findet der
    Landerwerb und erschwerende               Rohstoff- und Energieintensi-          Außenhandel ganz überwiegend mit
    Rahmenbedingungen). Dies ent-              tät: Zement lässt sich nicht ohne      dem benachbarten EU-Ausland statt.
    spricht etwa dem Dreifachen eines          primäre Rohstoffe herstellen, die      Die Ausfuhr hat in den letzten Jahren
    Jahresumsatzes oder – bezogen              Stoffumwandlung zur Veredlung          an Bedeutung gewonnen und erreichte          11
    auf die direkt Beschäftigten –             der Rohstoffe bedarf zudem des         nach Angaben des VDZ im Jahr 2011
    im Durchschnitt etwa 1,5 Mio. €            Einsatzes von Brennstoffen und         rund 23 % des Gesamtversandes der
    pro Arbeitsplatz. Bei Neuinves-            Strom. So lag, trotz des hohen         deutschen Zementwerke. Demgegen-
    titionen entfallen heute über 20 %         energetischen Anlagenwirkungs-         über wurden zuletzt nur rund 4 % des
    des Investitionsvolumens auf Um-           grades von über 70 %, der Anteil       Inlandsverbrauchs importiert. Inter-
    weltschutz­maßnahmen. Entspre-             der Energiekosten an der Brutto-       national wettbewerbsfähige Rahmen-
    chende Großprojekte amortisieren           wertschöpfung der deutschen            bedingungen (u.a. bei den Energieko-
    sich nur über einen Zeitraum von           Zementindustrie nach Angaben           sten) sind daher vor allem mit Blick
    etwa 25 Jahren. Durch Instand-             des Statistischen Bundes­amtes in      auf die Exportmärkte auch für die Ent-
    haltung betragen die betrieblichen         2010 bei 49 %, einem der höchsten      wicklung der „standortgebundenen“
    Nutzungszeiten großer Aggregate            Werte aller Industriebranchen. Die     Zementindustrie in Deutschland von
    z.T. deutlich mehr als 30 Jahre.           Unternehmen haben deshalb seit         großer Bedeutung. Gleichzeitig steigt
    Hinzu kommt, dass Investitionen            jeher ein hohes Eigeninteresse dar-    angesichts von Überkapazitäten und
    der Zementindustrie in hohem               an, wertvolle Rohstoffvorkommen        Produktionskostendifferenzen inner-
    Maße irreversibel sind, weil mit den       als Basis der Zementproduktion zu      halb und außerhalb der EU auch der
    Anlagen in der Regel keine ande-           schonen und die Energieeffizienz       Importdruck spürbar.
    ren Produkte hergestellt werden            ihrer Anlagen zu steigern. Neben
    können (Einzweckcharakter) und             verfahrenstechnischen Verbes-          Insgesamt lässt sich eine dynamische
    ihr Liquidationswert gering ist. Die       serungen schöpfen sie dabei zu-        Globalisierung der Branche beobach-
    Zementindustrie bedarf daher bei           nehmend Substitutionspotenziale        ten. Zwar steht hier nicht in erster Linie
    der Rohstoffversorgung wie auch            durch alternative Brenn- und Ein-      eine Verlagerung der Produktion an,
    in anderen Bereichen einer ausrei-         satzstoffe aus. Ferner werden zur      wie sie in anderen Industriebranchen
    chenden, langfristigen Perspektive,        Ressourcenschonung und CO 2-           vollzogen wurde. Triebfeder ist viel-
    die die notwendige Investitions-           Minderung zunehmend Zemente            mehr die Ausschöpfung von Wachs-
    sicherheit bietet.                         mit mehreren Hauptbestandteilen,       tumspotenzialen und die Abfederung
                                               d.h. mit niedrigerem Klinkergehalt     (bau-)konjunktureller Risiken durch
   Standortgebundenheit: Die Ze-              produziert.                            eine möglichst breite räumliche Diver-
    mentherstellung ist an geeignete                                                  sifizierung. Als abgeleiteter Effekt fin-
    und verfügbare Rohstoffvorkom-         Im Unterschied zu den meisten ande-        det auch in der frachtkostenintensiven
    men gebunden. Um Transporte            ren Ländern der Erde einschließlich        Zementindustrie eine zunehmende
    und die damit einhergehenden           der Mitgliedstaaten der Europäischen       Optimierung der Produktionsbasis und
    Kosten möglichst gering zu hal-        Union weist die deutsche Zement-           der Kapazitätsauslastung im interna-
    ten, liegen Zementwerke, in denen      industrie einen strukturellen Mix von      tionalen Verbund statt. Angesichts
    das rohstoffintensive Zwischen-        konzerngebundenen Unternehmen              der relativ günstigen Frachtraten für
    produkt Klinker hergestellt wird,      und industriellem Mittelstand auf.         Schiffstransporte kommt dabei vor
    in der Regel in unmittelbarer Nä-      Während in Deutschland bei Berück-         allem großen Werksstandorten mit
    he geeigneter Lagerstätten. Dies       sichtigung der Unternehmensverflech-       Anschluss an den See- oder Binnen-
    ist nicht nur wirtschaftlich, son-     tungen 18 Unternehmen über eine            schifffahrtsverkehr eine wichtige stra-
    dern auch ökologisch sinnvoll,         eigene Produktionsbasis zur Herstel-       tegische Funktion zu. In Deutschland
    weil so Umweltbelastungen durch        lung von Zementklinker verfügen, trifft    gibt es zwar kein integriertes Zement-
    Input-Transporte vermieden wer-        dies in Belgien lediglich auf 3 sowie in   werk mit direktem Anschluss zum
    den. Hinzu kommt, dass die meis-       Frankreich und Großbritannien nur auf      Seeverkehr, einige Standorte befinden
    ten Normzemente aus wirtschaft-        jeweils 4 Unternehmen zu (vgl. Global      sich aber an wichtigen Binnenschiff-
    lichen Gründen – beim Transport        Cement Report Ninth Edition). Zwar         fahrtswegen. So erhöht sich auch in
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

     der Zementindustrie der internatio-                          Produkte, Produktionsverfahren und                          um ein homogenes Massengut. Die
     nale Wettbewerbsdruck und damit                              Innovation                                                  Zemente, die in Deutschland verwen-
     auch das Risiko der Verlagerung von                                                                                      det werden, entsprechen mit einem
     Produktion und CO2-Emissionen an                             Zement ist ein hydraulisches Binde-                         Marktanteil von rund 90 % den Ze-
     Standorte außerhalb der EU („carbon                          mittel, d.h. ein fein gemahlener, nicht-                    mentnormen DIN 1164 und DIN EN
     leakage“).                                                   metallisch-anorganischer Stoff, der                         197. Danach wird Zement im We-
                                                                  nach Zugabe von Wasser erhärtet                             sentlichen aus sechs verschiedenen
     In weltweiter Perspektive wachsen                            und sowohl an der Luft als auch un-                         Hauptbestandteilen hergestellt: Neben
     Produktion und Verbrauch von Zement                          ter Wasser fest bleibt. Die Mischung                        Portlandzementklinker, der aus den
     vor allem in Asien, das seinen Welt-                         von Zement, Wasser und Zuschlag-                            natürlichen Rohstoffen Kalkstein und
     marktanteil von rund einem Drittel in                        stoffen (Kies / Sand) ergibt Beton, der                     Ton bzw. Kalkmergel gebrannt wird,
     1980 auf etwa 80 % im Jahr 2010 aus-                         seinerseits dauerhaft fest und raum-                        handelt es sich dabei um Hüttensand,
     geweitet hat (Abbildung 3). Vom ge-                          beständig bleibt. Zement wird zudem                         Puzzolane, Flugasche, gebrannten Öl-
     samten weltweiten Zementverbrauch                            als Bindemittel für die Herstellung von                     schiefer und ungebrannten Kalkstein.
     findet gegenwärtig mehr als die Hälfte                       anderen Baustoffen wie z.B. Putz- und                       Aus diesen Stoffen können in Deutsch-
     alleine in China statt, in Europa dage-                      Mauermörtel verwendet. Bei Zement                           land fünf genormte Hauptzementarten
     gen rund 8,5 %.                                              handelt es sich ganz überwiegend                            hergestellt werden, die sich ihrerseits
                                                                                                                              in 34 Zementarten unterteilen. Port-
                                                                                                                              landzementklinker ist der wichtigste
                                                                                                                              Haupt­bestandteil, ohne den sich kein
12                   3 500
                                                                                                                              Zement herstellen lässt. Tabelle 2
                                                                                                           Übrige Welt
                                                                                                           Deutschland        fasst die wichtigsten Unterschiede in
                     3 000                                                                                 Italien            der Zusammensetzung von Normze-
                                                                                                           Mexiko
                                                                                                           Saudi-Arabien      menten zusammen.
                     2 500                                                                                 Japan
                                                                                                           Indonesien
                                                                                                           Türkei             Neben den bekannten Normalzemen-
       Mio. Tonnen

                     2 000                                                                                 Südkorea           ten („Common Cements“) gewinnt die
                                                                                                           Ägypten
                                                                                                           Russland           Entwicklung von genormten und nicht
                     1 500                                                                                 Vietnam            genormten Spezialzementen mit be-
                                                                                                           Iran
                                                                                                           Brasilien          sonderen, kundenspezifischen Anwen-
                     1 000                                                                                 USA                dungseigenschaften an Bedeutung.
                                                                                                           (o. Puerto Rico)   Hierzu gehören hochleistungsfähige
                                                                                                           Indien
                                                                                                           China              Schnellzemente, umweltfreundliche
                      500
                                                                                                                              Spritzzemente und mikrofeine Injek-
                                                                                                                              tionszemente. Mit Schnellzementen
                      0                                                                                                       kann die Festigkeitsentwicklung von
                          1990   1992   1994   1996   1998   2000 2002   2004   2006     2008   2010
                                                               Jahr                                                           Beton so beschleunigt werden, dass
                                                                                                                              sich die Sperrzeiten bei der Reparatur
        Abb. 3: Entwicklung in den 16 Staaten mit dem höchsten Zementverbrauch (Zahlen-                                       stark frequentierter Verkehrsflächen
        angaben: CEMBUREAU)                                                                                                   (Autobahnen, Flughäfen) drastisch
                                                                                                                              verkürzen. Neue umweltverträgliche
                                                                                                                              Spritzzemente verbessern den Ge-
     Tab. 2: Zementarten und ihre Bestandteile (Quelle: VDZ 2002)                                                             sundheitsschutz im Tunnelbau und den
                                                                                                                              Schutz des Grundwassers. Mikrofeine
      Zement-                        Bezeichnung               Anteil Portland-               Sonstige
        art                      (Normalzementarten)            zementklinker             Hauptbestandteile                   Zemente weisen eine besonders hohe
                                                                                                                              Mahlfeinheit bzw. Reaktivität auf und
      CEM I                  Portlandzement                       95–100 %                             –                      verbessern in Kombination mit Injek-
                             Portlandhüttenzement                  65–94 %             Hüttensand: 6–35 %                     tionshilfen und anderen Werkstoffen
                             Portlandsilicastaubzement             90–94 %             Silicastaub: 6–10 %
                                                                                                                              die Möglichkeiten, Risse in Bauwer-
                                                                                                                              ken oder Felsen zu verpressen, Bö-
                             Portlandpuzzolanzement                65–94 %             Puzzolane: 6–35 %                      den und Lockergestein zu verfes-
                             Portlandflugaschezement               65–94 %             Flugasche: 6–35 %                      tigen sowie die Dichtigkeit und Fes-
      CEM II
                             Portlandschieferzement                65–94 %             Gebrannter Schiefer:
                                                                                                                              tigkeit von Beton zu erhöhen.
                                                                                       6–35 %
                                                                                                                              Die Zementherstellung umfasst fol-
                             Portlandkalksteinzement               65–94 %             Kalkstein: 6–35 %                      gende Produktionsschritte (Abbil-
                             Portlandkompositzement                65–94 %             alles Obige: 6–35 %                    dung 4): Am Anfang steht die Gewin-
      CEM III                Hochofenzement                        5–64 %              Hüttensand: 36–95 %                    nung, Förderung und Aufbereitung
                                                                                                                              der Rohstoffe, die im Hinblick auf
                             Puzzolanzement                        45–89 %             Silicastaub, Puzzolane,                ihre chemische Zusammensetzung
      CEM IV
                                                                                       Flugasche: 11–55 %
                                                                                                                              homogenisiert und zu Rohmehl fein-
                             Kompositzement                        20–64 %             Hüttensand: 18–50 %;                   gemahlen werden. Das Rohmehl
                                                                                       Puzzolane, kiesel-                     wird im weiteren Produktionsver-
      CEM V
                                                                                       säurereiche Flugasche:                 lauf „entsäuert“, indem das Calci-
                                                                                       18–50 %                                umcarbonat (CaCO3) der Kalkkom-
2 Branchencharakteristika und Handlungsrahmen

ponente in Calciumoxid (CaO) und
Kohlendioxid (CO2) zerlegt wird, und        Hauptbestandteile von Zement
bei Temperaturen von rund 1 450 °C
bis zur Sinterung zum Zwischenpro-          Zemente werden aus mehreren Hauptbestandteilen hergestellt. Dies sind
dukt „Klinker“ gebrannt. Die hier ab-       Stoffe mit einem Anteil von mindestens 5 % an der Gesamtzementmenge.
laufenden chemischen Reaktionen             Darüber hinaus können in geringem Umfang Nebenbestandteile hinzugefügt
verleihen dem Zement später seine hy-       werden, um die richtige chemische Mischung herzustellen. Insgesamt gibt
draulischen Eigenschaften. Das Bren-        es sechs verschiedene Hauptbestandteile, die in Deutschland relevant sind:
nen geschieht in Drehöfen von mehre-
ren Metern Durchmesser und 40 bis 90        Portlandzementklinker ist ein hydraulischer Stoff, der aus einer genau fest-
Metern Länge. Nach rascher Kühlung          gelegten Rohstoffmischung hergestellt wird, die vor allem Calciumoxid (CaO),
wird der Zementklinker zusammen mit         Siliciumoxid bzw. Kieselsäure (SiO2), Aluminiumoxid bzw. Tonerde (Al2O3) und
einem Erstarrungsregler (Gips / Anhy-       Eisenoxid (Fe2O3) sowie geringe Mengen anderer Stoffe enthält. Kalkstein und
drit) und gegebenenfalls weiteren           Ton oder deren natürlich vorkommendes Gemisch, der Kalkmergel, liefern
Hauptbestandteilen außer Klinker (z.B.      diese chemischen Bestandteile und sind damit die wichtigsten Rohstoffe für
Hüttensand) zu Zement vermahlen             die Klinkerherstellung.
und / oder gemischt. Schließlich erfolgt
die Bereitstellung für den Versand als      Hüttensand (granulierte Hochofenschlacke) ist ein Koppelprodukt der Roh-
Sackware oder in loser Form per LKW         eisenherstellung, das durch schnelles Abkühlen (Granulieren) der Schlacke
(Silozug), Bahn oder Schiff.                entsteht, die im Hochofen beim Schmelzen von Eisenerz gebildet wird. Es
                                            handelt sich um einen latent hydraulischen Stoff, dessen Erhärtung mit Hil-         13
Die kapitalintensive Zementherstel-         fe von Portlandzementklinker und Calciumsulfaten (Gips, Anhydrit) alkalisch
lung war und ist durch verfahrens-          bzw. sulfatisch angeregt werden kann.
technische Innovationen geprägt.
Diese sind nicht zuletzt Ergebnis der       Puzzolane sind Stoffe, die nach dem Anmachen mit Wasser nicht selbst-
engen Kooperation mit dem Anlagen-          ständig erhärten, sondern in Gegenwart von Wasser bei üblichen Umge-
bau und der Forschung auf Gemein-           bungstemperaturen mit gelöstem Calciumhydroxid unter Entstehung von
schaftsebene aller Zementhersteller,        festigkeitsbildenden Calciumsilicat- und Calciumaluminat-Verbindungen
die im Verein Deutscher Zementwerke         reagieren. Natürliche Puzzolane sind im allgemeinen Stoffe vulkanischen
zusammengeschlossen sind. Haupt-            Ursprungs (z.B. Trass) oder Sedimentgesteine mit geeigneter chemisch-mi-
faktoren des Innovationsgeschehens          neralogischer Zusammensetzung.
sind die Senkung der fixen und varia-
blen Kosten sowie die Anforderungen         Flugasche kann ihrer Natur nach silicatisch oder kalkhaltig sein. Erstere ver-
des Umweltschutzes, wobei sich die          fügt über puzzolanische Eigenschaften, letztere kann zusätzlich hydraulische
Ziele durchaus ergänzen können. Dies        Eigenschaften haben. Flugasche fällt durch elektrostatische oder mecha-
gilt insbesondere für die Verminderung      nische Abscheidung von staubförmigen Partikeln aus Rauchgasen aus der
des spezifischen Brennstoffbedarfes.        Verfeuerung feingemahlener Kohle an. In Deutschland wird ausschließlich
Hier hat die frühe Umstellung vom           silicatische Flugasche als Zementbestandteil verwendet.
Nass- auf das Trockenverfahren und
die Optimierung der Abwärmenutzung          Gebrannter Schiefer – insbesondere gebrannter Ölschiefer – wird in spe-
zu einer erheblichen Verbesserung der       ziellen Öfen bei Temperaturen von etwa 800 °C hergestellt. Er weist feinge-
Energieeffizienz geführt. Vor allem Öfen    mahlen ebenso ausgeprägte hydraulische Eigenschaften wie Portlandzement-
mit Zyklonvorwärmern, deren „Erfin-         klinker und daneben auch puzzolanische Eigenschaften auf.
dung“ schon lange zurückliegt und bei
denen das Rohmehl über die Wirbel-          Kalkstein ist ein inerter Stoff, der keine hydraulischen oder puzzolanischen
schichtkammern eines so genannten           Eigenschaften hat. Kalkstein besteht als Hauptbestandteil von Zement zu
Wärmetauscherturms im Gegenstrom            mindestens 75 % aus Calciumcarbonat (CaCO3) und darf nur geringe tonige
zum Ofenabgas erwärmt wird, wurden          Anteile enthalten.
kontinuierlich weiter entwickelt.

Der spezifische Strombedarf unter-
liegt dagegen unterschiedlichen Ein-       Gleichmäßigkeit bei der Festigkeits-       jedoch die erreichten technischen Ef-
flüssen: Zwar konnte auch hier die         entwicklung auszeichnen und daher          fizienzfortschritte bei Weitem, so dass
Energieeffizienz gesteigert werden,        einen erhöhten Mahlaufwand erfor-          sich in den letzten Jahren ein leichter
andere Effekte führen aber gleichzei-      dern. Zudem nimmt der Anteil von Ze-       Anstieg des spezifischen elektrischen
tig zu einem Bedeutungszuwachs der         menten mit mehreren Hauptbestand-          Energiebedarfs beobachten lässt. Vor
„Modernisierungsenergie“ Elektrizität.     teilen – vor allem mit hohen Anteilen an   diesem Hintergrund kommt der Effizi-
Hierzu gehören steigende Umwelt-           Hüttensand – zu. Da Hüttensand ver-        enzsteigerung bei den stromintensiven
schutzanforderungen, die einen hö-         gleichsweise schwer mahlbar ist, kann      Mahlaggregaten, die bislang noch ein
heren Energieeinsatz bei der Rauch-        allein die Substitution des Klinkers zu    ungelöstes technisch-wissenschaft-
gasreinigung erforderlich machen. Eine     einem höheren Mahlaufwand führen.          liches Problem darstellen, künftig ein
wichtige Rolle spielen zudem höhere        Die oben genannten, gegenläufigen          erheblicher Stellenwert zu.
Qualitätsstandards: Auf entwickelten       Effekte (Umweltauflagen, höhere Pro-
Märkten werden zunehmend Zemente           duktqualitäten, Zementarten mit ge-        Insgesamt haben Prozessinnovationen
nachgefragt, die sich durch höchste        ringerem Klinkeranteil) kompensieren       nicht nur zur Verbesserung von Teilag-
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

     gregaten, sondern auch zur Kopplung                           mit dem hohen Automatisierungsgrad               en, informationstechnisch geprägten
     und Vernetzung der Verfahrensschritte                         und dem großen Umfang von Tätig-                 Berufen angeboten (Fachinformatiker,
     in den Zementwerken geführt. Der ge-                          keiten in der Steuerung und Kontrolle            IT-Systemkaufleute).
     samte Stofftransport ist mechanisiert                         des zentralen Produktionsprozesses.
     und fast vollständig automatisiert, alle                      Zu den branchentypischen Tätigkeits-             Auch auf Gemeinschaftsebene tragen
     Teilaggregate müssen heute gleichzei-                         feldern gehört die Arbeit in den zentra-         verschiedene Aktivitäten dazu bei,
     tig eine hohe Verfügbarkeit aufweisen.                        len Leitständen, die Anlagensteuerung            dass der branchenspezifische Weiter-
     Die Anlagen werden daher über inte-                           und -kontrolle, die Instandhaltung so-           bildungsbedarf gedeckt wird. Hierzu
     grierte, computergestützte Prozess-                           wie die Probenanalyse in den Labo-               gehören die Industriemeister-Lehrgän-
     leitsysteme gesteuert, in die zahlreiche                      ren, die der Qualitätssicherung dient.           ge der Fachrichtung „Kalk / Zement“,
     Mess- und Regelgrößen einschließlich                          Knapp zwei Drittel der Beschäftigten             die vom Verein Deutscher Zement-
     umweltrelevanter Daten eingehen. Dies                         sind Facharbeiter oder Fachange-                 werke angeboten werden. Zudem
     zeigt, dass sich die Zementindustrie                          stellte, ein weiteres Viertel besteht aus        umfasst das Weiterbildungsangebot
     zu einem bedeutenden High-Tech-An-                            Personen mit Hochschulabschluss,                 des VDZ einen Produktionssteuerer-
     wender entwickelt hat.                                        Kaufleuten mit zusätzlichem höheren              Lehrgang „Zement“, der sich an das
                                                                   IHK-Abschluss sowie Technikern oder              Leitstandspersonal in den Werken
     Beschäftigung, Qualifikation und                              Meistern. Der Anteil der An- und Un-             richtet, sowie Seminare mit Schwer-
     Ausbildung                                                    gelernten, die vor vielen Jahren ein             punkten in der chemischen Analytik,
                                                                   großes Gewicht hatten, liegt heute nur           im Immissionsschutz und im produk-
     Im Zuge des technischen und wirt-                             noch bei rund 10 % und damit deutlich            tionsintegrierten Umweltschutz. Seit
14   schaftlichen Wandels hat sich die                             unter dem Durchschnitt des gesamten              Anfang 2010 steht den Unternehmen
     Arbeitswelt in der Zementindustrie                            Verarbeitenden Gewerbes in Deutsch-              für die innerbetriebliche Weiterbildung
     stark verändert. Einerseits waren – in                        land (Initiative für Nachhaltigkeit 2012).       zudem eine Internet-Lernplattform zur
     Verbindung mit konjunkturellen und                                                                             Verfügung, die gleichermaßen von den
     strukturellen Veränderungen sowie                             Vor dem Hintergrund der betrieblichen            Beschäftigten für das individuelle Ler-
     der Auslagerung von Funktionen (Out-                          Anforderungen und der demografischen             nen wie auch für Gruppenschulungen
     sourcing) – die Produktivitätssteige-                         Entwicklung gewinnen die Ausbildung              genutzt werden kann.
     rungen mit einem Verlust von Arbeits-                         und die Qualifizierung der Beschäf-
     plätzen verbunden. Andererseits ist                           tigten in der Zementindustrie weiter an          Cluster und Wertschöpfungskette
     aus der Branche eine anlagenintensive,                        Bedeutung. Die Ausbildungsquote lag
     moderne Prozessindustrie geworden,                            im bundesweiten Durchschnitt der                 Im Rahmen der Wertschöpfungskette
     in der die Beschäftigten insgesamt eine                       deutschen Zementindustrie im Jahr                ist die Zementindustrie mit vielen an-
     hohe Verantwortung bei der Steuerung                          2011 bei 9,8 % und damit um mehr                 deren Branchen wechselwirksam ver-
     und Kontrolle der Produktion tragen                           als die Hälfte über dem Wert der ge-             flochten. Sie steht im Mittelpunkt eines
     und sehr produktiv sind. Dies ist auch                        samten deutschen Wirtschaft. Die                 industriellen Netzwerkes (Clusters),
     mit hohen Anforderungen verbunden,                            Unternehmen bilden nicht nur in den              das auf die Produktion mineralischer
     z.B. an das Qualifikationsniveau.                             gewerblichen, sondern auch in den                Baustoffe ausgerichtet ist und neben
                                                                   kaufmännischen Berufen aus, insbe-               den Abnehmern auch die Anbieter von
     Letzteres trifft nicht nur auf Fach- und                      sondere zum Industriekaufmann oder               Vorleistungen umfasst, die vielfach –
     Führungskräfte zu, sondern auf alle                           zur Industriekauffrau. Zudem wird –              z.B. in Form eines hochspezialisierten
     Beschäftigen: Hochqualifizierte Be-                           mit Schwerpunkt in den Hauptverwal-              Maschinen- und Anlagenbaus – stark
     legschaften korrespondieren heute                             tungen – eine Ausbildung in den neu-             exportorientiert sind. Insgesamt bietet
                                                                                                                    das Cluster aus Zementindustrie sowie
                                                                                                                    vor- und nachgelagerten Branchen
                 Rohstoffe                                               Rohmehl                                    schätzungsweise rund 75 000 Arbeits-
                Gewinnen                   Homogenisieren         Trocknen                    Brennen               plätze in Deutschland.
                und Brechen                  und Lagern          und Mahlen
                                                                                             Zyklonvorwärmer
                                                  Mischbett                 Elektro-                                Die Zementindustrie ist ein wichtiger
                                                                            filter                                  Abnehmer von Vorleistungen in Form
                                                                                                   Drehofen
         Steinbruch
                                                                                                                    von Energie (Brennstoffe, Strom),
                      Brecher                                                                                       Ausrüstungsgütern (Maschinen, An-
                                                                 Rohmühle
                                                                                                                    lagen) und produktionsnahen Dienst-
                                                                                                                    leistungen (Transporte, Wartungsar-
              Klinker                                                   Zement                                      beiten, Engineering etc.). Verschiedene
             Lagern und                     Mahlen                      Lagern                Verladen
           Homogenisieren            andere Hauptbestandteile
                                                                                                                    Untersuchungen belegen die Bedeu-
                                                  Sulfatträger                                                      tung der Vorleistungen für die Be-
                                      Klinker
                       Klinkersilo                                                                                  schäftigung in den betreffenden Bran-
                                                                                                                    chen (Heimer + Herbstreit / DIW 1997,
                                                                                                                    Löckener / Sundmacher 2001). Geht
                                             Zementmühle                                                            man von diesen Ergebnissen aus und
                                                                                                                    stellt in Rechnung, dass viele Unter-
                                                                                       Feststoff              Gas   nehmen in den vergangenen Jahren
                                                                                                                    Tätigkeiten ausgelagert haben, so ist
       Abb. 4: Produktionsschritte der Zementherstellung (Quelle: VDZ)                                              davon auszugehen, dass heute auf je-
                                                                                                                    den Arbeitsplatz in einem Zementwerk
2 Branchencharakteristika und Handlungsrahmen

durch den Bezug von Vorleistungen
deutlich mehr als ein Arbeitsplatz bei                           Weitere                  Betonhersteller                Gesteinskör-
                                                                Baustoffe                                              nungen (z. B. Kies)
Lieferanten entfällt.                                                                   Zementverarbeitung,
                                              Bauunternehmen                              Betonproduktion                            Zementhersteller
Insbesondere die Herstellung von In-
                                              Architekten                                                                            Anlagenhersteller
vestitionsgütern, die zur Baustoff- und                               Betonanwendung,
                                              Bauherren                                                       Zementproduktion       Energieversorger
insbesondere zur Zementproduktion                                       Bauwirtschaft
(Ofen-, Filter-, Mahl- und Fördertech-        Bauträger                                 Betonrecycling                               Behörden
nik, zudem Labor-, Elektro-, Mess- und        Behörden                                                                               Nachbarschaften
Regeltechnik) benötigt werden, ist eine                                                 Rohstoffgewinnung
Domäne des deutschen Maschinen-                                                                                           Brennstoffe,
und Anlagenbaus und sorgt hier für                                                      Zementhersteller                  Zumahlstoffe
mehrere Tausend Arbeitsplätze. Diese                                                    Behörden
                                              Rahmenbedingungen:                                                           Unternehmen:
Anlagenbauer weisen dabei einen ho-           • Politik                                 Nachbarschaften                    • Gesellschafter, Aktionäre
hen Exportanteil auf, und obwohl die          • Verbände                                                                   • Management
deutschen Zementwerke heute nicht             • Interessengruppen                                                          • Mitarbeiter
mehr die Hauptabnehmer dieser Un-
ternehmen sind, stellt deren kontinu-
                                              Abb. 5: Wertschöpfungskette Zement und Beteiligte
ierliche Nachfrage immer noch einen
erheblichen wirtschaftlichen Faktor
dar. Hinzu kommt, dass die deut-                                                                                                                         15
schen Zementwerke traditionell eine
besondere Rolle bei der Entwicklung,        Fasst man die gesamte Wertschöp-                        sind dies neben den teils organisierten,
Erprobung und Einführung neuer Ver-         fungskette zusammen, in der Zement                      teils nicht-organisierten Nachbarschaf-
fahrenstechniken spielen, die dann          hergestellt, weiterverarbeitet und ver-                 ten vor allem die Behörden mit Zu-
weltweit vermarktet werden. Dies gilt       wendet wird, so folgt auf die Rohstoff-                 ständigkeit für die Raumplanung und
insbesondere für die enge technolo-         gewinnung und Zementproduktion                          die Genehmigung von Abgrabungen.
gische Zusammenarbeit beim Um-              die Herstellung zementgebundener                        Auf der Stufe der Zementproduktion
weltschutz und bei der Steigerung der       Baustoffe (insbesondere Beton), die                     spielen neben den Nachbarschaften
Energieeffizienz.                           Anwendung dieser Baustoffe im Zu-                       und den Genehmigungsbehörden die
                                            ge des Bauprozesses sowie die Nut-                      Maschinen- und Anlagenbauer als
Die wichtigsten unmittelbaren Abneh-        zungsphase des betreffenden Bau-                        Ausrüster sowie die Energiewirtschaft
mer der deutschen Zementindustrie           werkes (Abbildung 5). Abgeschlossen                     als Zulieferer eine bedeutende Rolle.
sind die Transportbetonwerke, die im        wird die Wertschöpfungskette durch                      Bei der Anwendung entscheiden –
Jahr 2011 rund 56 % der deutschen           die Verwertung der Reststoffe nach                      vermittelt über die Betonhersteller und
Zementproduktion nachfragten, so-           Abriss eines Bauwerks. Betonbruch                       weitere Branchen (Baustoffhandel und
wie die Hersteller von Betonbauteilen       lässt sich zwar nicht zu Zement recy-                   Mörtelindustrie) – Bauwirtschaft, Archi-
mit 26 %. Diese Abnehmer werden             celn, kann aber nach erneuter Aufbe-                    tekten und Bauingenieure, Bauherren
mit Silozement beliefert. Der Anteil        reitung die natürlichen Ressourcen                      und Bauträger sowie diverse staatliche
des Sackzements, der u.a. über den          Kies und Sand teilweise ersetzen. An                    Einrichtungen über Art und Umfang des
Baustoffhandel vertrieben wird, lag nur     dieser Wertschöpfungskette ist die Ze-                  Einsatzes zementgebundener Bau-
noch bei 7 %. Weitere 11 % wurden           mentindustrie nur an den beiden ersten                  stoffe. Für die Ausge­staltung der Rah-
als sonstiger Silozement ausgeliefert       Stufen – der Rohstoffgewinnung und                      menbedingungen nehmen zudem auf
und v.a. für die industrielle Herstellung   der Zementproduktion – direkt betei-                    allen Stufen der Wertschöpfungskette
von Mörteln, Putzen und Estrichen so-       ligt. Verschiedene Zementhersteller                     die politischen Institutionen auf EU-,
wie für bauchemische und Sonderpro-         haben aber ihre eigene Wertschöpfung                    Bundes- und Länderebene einschließ-
dukte benötigt.                             abgerundet, indem sie im Rahmen                         lich der relevanten Interessengruppen
                                            einer vertikalen Integration Transport-                 (insbesondere Umwelt- und Wirt-
Die Transportbetonindustrie ist ausge-      beton- und Fertigteilwerke betreiben                    schaftsverbände sowie Gewerkschaf-
sprochen kleinbetrieblich und dezen-        oder sich an solchen beteiligen. Zudem                  ten) eine wichtige Funktion ein.
tral strukturiert, weil sich Frischbeton    ist die Zementindustrie über den VDZ
nur über geringe Entfernungen trans-        mit Aktivitäten zur Bauberatung, zum                    Fast alle Zementhersteller in
portieren lässt. Nach Verbandsanga-         Marketing und zur Betontechnologie                      Deutschland sind Mitglied im Ver-
ben – ein Teil der Unternehmen fällt        im Bereich der Betonherstellung und                     ein Deutscher Zementwerke, der
unter die „Abschneidegrenze“ des Sta-       Betonanwendung engagiert.                               u.a. das Forschungsinstitut der Ze-
tistischen Bundesamtes – beschäftigte                                                               mentindustrie trägt, und sind in
die Transportbetonindustrie im Jahr         Neben den Unternehmen der Zement-                       mehreren regionalen Arbeitgeber-
2011 insgesamt 9 500 Personen, der          industrie mit Gesellschaftern, Aktio-                   verbänden zusammengeschlossen. Die
Umsatz belief sich auf 3,1 Mrd. €. Die      nären und Management sowie Beleg-                       Beschäftigten werden durch die beiden
industrielle Herstellung von Betonbau-      schaften und Betriebsräten sind auf                     Industriegewerkschaften Bauen-
teilen ist durch kleine und mittelgroße     jeder Stufe der Wertschöpfungskette                     Agrar-Umwelt (Schwerpunkte in West-,
Betriebe geprägt. Insgesamt wurden          mehrere andere Akteure über direkte                     Süd- und Ostdeutschland) und Berg-
im Jahr 2011 von circa 35 000 Be-           materielle Inputs oder über sonstige                    bau, Chemie, Energie (Schwerpunkte
schäftigten Waren im Wert von 6 Mrd. €      Einflüsse in den Gesamtprozess ein-                     in Nord- und Westdeutschland) orga-
produziert.                                 gebunden. Bei der Rohstoffgewinnung                     nisiert und vertreten.
Nachhaltigkeit und Zementindustrie

     3 Beiträge zur Nachhaltigkeit in
     der Wertschöpfungskette des
     Zements

     3.1 Rohstoffgewinnung

     Rohstoffbedarf und
     Versorgungssicherheit
     Die Gewinnung der für die Zementpro-
     duktion wichtigsten Rohstoffe (Kalk-
     stein und Ton bzw. deren natürlich
     vorkommendes Gemisch, der Kalk-
     mergel) ist die erste Stufe des Herstel-
     lungsprozesses und damit integraler
     Bestandteil der Wertschöpfungskette.
     Für die Klinkerproduktion wurden in
     den vergangenen Jahren in Deutsch-
     land zwischen 34 und 42 Mio. t Roh-
     material abgebaut (vgl. VDZ 2012b).
16   Der Umgang mit mineralischen Roh-
     stoffen – hierzu gehören neben den für
     die Zementherstellung notwendigen
     Materialien u.a. auch Kies und Sand für
     die Beton- bzw. Mörtelproduktion – ist
     für die Entwicklung einer Nachhaltig-
     keitsstrategie von großer Bedeutung:
     Rohstoffgewinnung stellt einerseits
     die materielle Basis der Bauwirtschaft
     dar, andererseits ist sie mit Eingriffen
     in das Landschaftsgefüge verbunden.
     Letzteres kann zu Konflikten mit ande-
     ren Belangen und Flächenansprüchen
     führen. Vor diesem Hintergrund hatte
     sich auch die Enquete-Kommission
     des Deutschen Bundestages mit der
     Gewinnung mineralischer Rohstoffe              Abb. 6: Lagerstätten und Standorte von Zementwerken (Quelle: VDZ)
     befasst – ihre Schlussfolgerung ist
     auch heute noch unverändert gültig:
                                                  trie, die Wasserwirtschaft (Reinigung      betrieblichen Anforderungen der Un-
       „Die im Auftrag der Kommission             von Wasser) und den Umweltschutz           ternehmen ab, die mineralische Roh-
       durchgeführte Stoffstrom-Studie            (u.a. Rauchgasentschwefelung). Ent-        stoffe gewinnen und zu Baustoffen
       wie auch die Untersuchungen im             sprechende Reststoffe bzw. Kop-            weiterverarbeiten. So bedarf die Her-
       Auftrag des Bundesforschungsmi-            pelprodukte kommen im Sinne einer          stellung von 1 t Zementklinker etwa
       nisteriums zeigen, dass der Mate-          Kreislaufwirtschaft als sekundäre Ma-      1,6 t Rohmaterial (der Massenverlust
       rialbedarf für den Hochbau noch            terialien bei der Zementherstellung        erklärt sich vor allem durch das Aus-
       über viele Jahrzehnte weitgehend           zum Einsatz (siehe unten).                 treiben des im Kalkstein gebundenen
       über die Gewinnung von Mine-                                                          Kohlendioxids bei der Zementklinker-
       ralstoffen gedeckt werden muss,            Neue Untersuchungen zeigen aller-          herstellung). Hinzu kommt, dass der
       da Sekundärmaterialien aus Re-             dings, dass die Bedeutung von Se-          Transport der Rohstoffe aufgrund ihres
       cyclingprozessen im Hochbau nur            kundärrohstoffen als Ersatz für primä-     Gewichtes sehr kostenintensiv ist.
       einen geringen Prozentsatz des             re Steine- und Erdenrohstoffe in den       Obwohl es – etwa bei der Zufuhr von
       Bedarfes decken können.“ (vgl.             kommenden Jahren trotz hoher Ver-          hochwertigem Kalkstein als Korrektur-
       Enquete-Kommission 1998)                   wertungsquoten voraussichtlich leicht      material – gewisse Ausnahmen gibt,
                                                  abnehmen wird, weil durch die Ener-        liegen Zementwerke mit Klinkerherstel-
     Ergänzend ist darauf hinzuweisen,            giewende ein geringeres Aufkommen          lung deshalb in der Regel in unmittel-
     dass Kalksteine nicht nur eine Grund-        an Koppelprodukten aus Kraftwerken         barer Nähe der ihrerseits standortge-
     lage zur Erzeugung von Baustoffen            zu erwarten ist. Insgesamt ist daher mit   bundenen Lagerstätten (Abbildung 6).
     für den Hoch- und Tiefbau sind, son-         einem Anstieg des Kalksteinbedarfs         Dies hat nicht nur ökonomische, son-
     dern auch für andere Branchen einen          zur Zementerzeugung von 37,5 Mio. t        dern auch ökologische Vorteile, weil
     unverzichtbaren Rohstoff darstellen.         im Jahr 2010 auf 40,3 bis 46,2 Mio. t im   Umweltbelastungen durch Transporte
     Dies gilt u.a. für die Stahlindustrie (bei   Jahr 2030 zu rechnen (vgl. BBS 2012).      vermieden bzw. begrenzt werden kön-
     der Roheisenerzeugung), die Che-                                                        nen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht
     mische Industrie (u.a. für die Herstel-      Eine nachhaltige Versorgung der Bau-       ist eine langfristige Rohstoffsicherung
     lung von Düngemitteln), die Glasindus-       wirtschaft hängt maßgeblich von den        unverzichtbar, weil die Zementher-
3 Beiträge zur Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette des Zements

stellung besonders kapitalintensiv ist    dere die notwendigen Festigkeiten –            setzungen der jeweiligen Produktions-
und sich umfangreiche Investitionen       erreichbar sind (siehe Kapitel 3.3).           standorte ab. Sie sind bei Zementwer-
nur über entsprechende Zeiträume          Zement, der als Bindemittel zur Be-            ken mit sehr kalkreichen Lagerstätten
amortisieren (siehe Ausführungen in       tonherstellung eingesetzt wurde, lässt         generell höher einzuschätzen als bei
Kapitel 2).                               sich nicht mehr rezyclieren. Versuche,         Werken, die Kalkmergel verarbeiten.
                                          nicht hydratisierte Reste des Zement-
Substitutionspotenziale                   steins zu separieren, stellen mit Blick        Bei der Zementmahlung werden hin-
                                          auf Output, spezifischen Energiebedarf         gegen deutlich höhere Substitutionsef-
Häufig wird die Frage aufgeworfen, ob     und Bindemittelqualität zumindest aus          fekte erzielt. Die größte Bedeutung hat
die Rohstoffgewinnung zur Produk-         heutiger Sicht keine technisch durch-          dabei Hüttensand (granulierte Hoch-
tion zementgebundener Baustoffe ent-      führbare, ökologisch und ökonomisch            ofenschlacke), ein Koppelprodukt der
weder durch den verstärkten Einsatz       zielführende Option dar.                       Roheisenerzeugung. Hüttensand ist
nachwachsender Baustoffe oder durch                                                      ein latent hydraulischer Stoff, der mit
ein verstärktes Recycling von Bauab-      Allerdings trägt die Zementindustrie           Hilfe von Zementklinker und Gips alka-
fällen vermindert werden kann.            ihrerseits mit der Verwendung sekun-           lisch bzw. sulfatisch angeregt werden
                                          därer Einsatzstoffe zur Ressourcen-            kann, so dass er in technisch nutzbarer
Im Hinblick auf die Verwendung nach-      schonung und Kreislaufwirtschaft bei           Zeit erhärtet. Er wird daher mit Ze-
wachsender Baustoffe muss bezwei-         (Tabelle 3). Insgesamt wird mehr als           mentklinker und Gips zu Hütten- oder
felt werden, dass deren Marktanteile      ein Fünftel der natürlichen Rohstoffe          Hochofenzement vermischt bzw. ver-
so zunehmen, dass der Rohstoffbedarf      für die Zementproduktion durch se-             mahlen. Dadurch lassen sich nicht nur
für die Zement- und Betonproduk-          kundäre Einsatzstoffe und industrielle         natürliche Rohstoffe schonen, sondern      17
tion sinkt. In vielen Baubereichen –      Neben- bzw. Koppelprodukte ersetzt.            auch die CO2-Emissionen senken, die
wie z.B. dem Tiefbau – kann Beton         So werden in der Klinkerprodukti-              mit der Klinkerherstellung verbunden
schon aus technischen Gründen nicht       on Kalkschlämme aus der Trinkwas-              sind (siehe hierzu Kapitel 3.2). Im Jahr
ersetzt werden. Holz als der wichtigste   seraufbereitung, Gießereialtsande oder         2011 hat die deutsche Zementindustrie
nachwachsende Rohstoff, der im            Flugaschen aus der Entstaubung von             etwa 5,8 Mio. t Hüttensand bei der
Hochbau verwendet wird, hat in den        Kohlekraftwerken verwertet. Sie ent-           Zementmahlung eingesetzt, d.h. rund
vergangenen Jahren nur geringfügig        halten als Hauptbestandteile Silici-           10 Mio. t natürliche Rohstoffe für die
an Bedeutung gewinnen können (vgl.        umdioxid, Aluminiumoxid, Eisenoxid             Klinkerproduktion eingespart. Ab-
BBS 2012). Zudem würde sich der           und / oder Calciumoxid und werden mit          gesehen von den logistischen An-
Zementverbrauch durch steigende           den natürlichen Rohstoffen so kombi-           forderungen stellt aber die Verfüg-
Marktanteile von Holz im Eigenheim-       niert, dass die Anforderungen an die           barkeit von Hüttensand, die in ers-
bau kaum verringern. So hat das DIW       Klinkerqualität erfüllt werden. Aufgrund       ter Linie von der Entwicklung der
errechnet, dass sich die Zementpro-       des begrenzten Angebotes geeigneter            Stahlproduktion abhängt, eine Her-
duktion in Deutschland selbst bei         Stoffe lag der Anteil von Sekundär­            ausforderung dar. So wurden allein
starker Zunahme der Holzbauweise          rohstoffen am Input der Klinkerproduk-         im Jahr 2011 rund drei Viertel des in
und gleichzeitigem Verzicht auf eine      tion im Jahr 2011 branchen­weit nur bei        Deutschland erzeugten Hüttensandes
Unterkellerung nur um rund 1 % verrin-    rund 3 % (einschließlich Aschen). Die          für die Herstellung entsprechender
gern würde (Heimer + Herbstreit / DIW     Substitutionspotenziale hängen dabei           Portland-Komposit- oder Hochofen­
1997). Da gleichzeitig die Verwendung     auch von den geologischen Voraus-              zemente genutzt.
zementgebundener Baustoffe in ver-
schiedenen Feldern neue technische
Möglichkeiten und Anwendungen er-         Tab. 3: Substitutionseffekte und -potenziale (Zahlenangaben: VDZ Umweltdaten verschie-
öffnet, wodurch Zement neue Markt-        dener Jahre, BBS 2012, eigene Berechnungen)
potenziale gewinnt (siehe Kapitel 3.4),
                                           Produk-       Art der Einsatzstoffe                      Anteile   Voraussichtliche
ist für die Zukunft nicht von einem
strukturellen Rückgang des Zement-         tionsstufe                                            2000    2011 weitere Tendenz
verbrauches auszugehen.                    Klinker-      Rohstoffe
                                           herstellung
Das Recycling von Beton und ande-                        Natürliche Rohstoffe                    95 %   97 %           ì
ren Baustoffen hingegen stellt einen                     Alternative Rohstoffe / Asche            5%      3%           î
wichtigen Beitrag in der Wertschöp-
                                                         Brennstoffe
fungskette des Zements dar, führt je-
doch nicht zu einer Verminderung des                     Primäre Brennstoffe                     74 %   39 %           î
Zementbedarfs: Beton mit rezyklierten                    Alternative Brennstoffe                 26 %   61 %           ì
Gesteinskörnungen schont zwar Kies-
und Sandressourcen, bedarf aber sei-       Zement-
                                                         Hauptbestandteile
                                           mahlung
nerseits des Bindemittels Zement. Je
nach Ausgangsfraktion (Betonbruch,                       Zementklinker                           79 %   77 %           è
Betonbrechsande, Ziegelsplitt etc.)                      Summe anderer Hauptbestandteile         17 %   19 %           è
und angestrebter Betonqualität kann
der Zementbedarf für Beton mit re-                       Sulfatträger
zyklierten Gesteinskörnungen sogar                       Natürlicher Gips / Anhydrit             75 %   78 %           ì
ansteigen, weil nur so bestimmte Ei-
                                                         REA- / Industriegipse                   25 %   22 %           î
genschaften des Betons – insbeson-
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