Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
Nationale Forschungsstrategie
                                BioÖkonomie 2030
                                 Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
Impressum

          Herausgeber
          Bundesministerium
          für Bildung und Forschung (BMBF)
          Referat Bioökonomie
          11055 Berlin

          Bestellungen
          Schriftlich an den Herausgeber
          Postfach 30 02 35
          53182 Bonn

          Tel.: 01805 - 262 302
          Fax: 01805 - 262 303
          (0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz, max. 42 ct./Min
          aus den deutschen Mobilfunknetzen)

          E-Mail: books@bmbf.bund.de
          Internet: http://www.bmbf.de oder http://www.biotechnologie.de

          Gestaltung
          biotechnologie.de, Berlin

          Druckerei
          DruckVogt, Berlin

          Bonn, Berlin 2010

          Bildnachweise
          Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
          (Umschlag); BASF (S. 2, 33); fotolia (S. 5, 6, 13, 14, 15, 16, 23, 26, 35, 36, 39, 42, 43,
          47); Syngenta (S. 9); pixelio (S. 18, 20, 22, 24, 28); Evonik Degussa (S. 30), UFZ (S. 45)

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
Nationale Forschungsstrategie
                                 BioÖkonomie 2030
                                 Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft

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vorwort

                       Vorwort
                                                                            ganzheitliche Forschungsansätze, die wirtschaft-
                                                                            liche, ökologische und gesellschaftliche Belange
                                                                            gleichermaßen berücksichtigen und die gesamten
                                                                            Wertschöpfungsketten in den Blick nehmen.

                                                                                 Forschung und Innovation legen die Grundlagen
                                                                            für einen Strukturwandel von einer erdöl- zu einer
                                                                            bio-basierten Industrie. Dieser Wandel ist mit
                                                                            ­großen Chancen für wirtschaftliches Wachstum
                                                                             und Beschäftigung verbunden und verbessert unse-
                                                                             re Lebensqualität erheblich. Mit unserer Forschung
                                                                             übernehmen wir auch international Verantwor-
                                                                            tung für die Welternährung, die Rohstoff- und
                                                                            Energieversorgung aus Biomasse sowie den Klima-
                                                                            und Umweltschutz. Die Forschungsstrategie, die wir
                                                                            an aktuelle Entwicklungen anpassen werden, setzt
                                                                            klare ressortübergreifende Schwerpunkte für die
                                                                            nächsten Jahre.
                       Den Klimawandel zu bewältigen, ist eine der
                       größten globalen Menschheitsaufgaben des                Mit diesen Schwerpunkten sind große wissen-
                       21. Jahrhunderts. Die Herausforderung liegt darin,   schaftliche Aufgaben verbunden, die weit über die
                       unter veränderten klimatischen Bedingungen           Grenzen eines Wissenschaftsgebietes oder eines
                       die wachsende Weltbevölkerung mit ausreichend        Landes hinausreichen. Die dahinter liegenden viel-
                       Nahrungsmitteln und zugleich mit nachwachsen-        schichtigen Forschungsfragen spornen die Wissen-
                       den Rohstoffen für die stoffliche und energetische   schaft an, interdisziplinär zu arbeiten, international
                       Nutzung zu versorgen. Die „Nationale Forschungs-     zu kooperieren und den Transfer in die Praxis zu
                       strategie BioÖkonomie 2030“ strebt deshalb eine      beschleunigen. Das ist der Schlüssel für den Aufbau
                       am natürlichen Stoffkreislauf orientierte bio-       einer wissensbasierten Bioökonomie.
                       basierte Wirtschaft an, die mit Technologie und
                       Ökologie im Einklang steht.

                          Wir müssen die Bausteine und Baupläne von
                       biologischen Systemen in ihrer Komplexität noch
                       besser verstehen, beschreiben und ihre Reaktion
                       auf äußere Einflüsse vorhersagen. Nur dann werden
                       wir sie technisch noch besser nutzen können – zum    Prof. Dr. Annette Schavan, MdB
                       Vorteil von Mensch und Umwelt. Wir brauchen          Bundesministerin für Bildung und Forschung

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
Inhalt                                                                                                                                                                                                              1

                       Inhalt
                       Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     2

                       1.	Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Perspektiven
                             einer Bioökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     4

                       2. Bioökonomie in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                       7

                       3.	Vision und Ziele für eine bio-basierte Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                              14

                       4. Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    16

                             4.1 Weltweite Ernährung sichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 18

                             4.2 Agrarproduktion nachhaltig gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                         22

                             4.3 Gesunde und sichere Lebensmittel produzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                   26

                             4.4 Nachwachsende Rohstoffe industriell nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                  30

                             4.5 Energieträger auf Basis von Biomasse ausbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                  35

                       5. Querschnittsaktivitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            39

                       6. Umsetzung der Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                               46

                             6.1 Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                        46

                             6.2 Ressortforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    46

                             6.3 Nationale und internationale Koor­dination von Forschung und Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                              46

                             6.4 Qualitätssicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    47

                       7. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    48

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
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          Zusammenfassung
          Globale Ernährungssicherheit, nachhaltige
          Rohstoff- und Energieversorgung aus Biomasse,
          der Erhalt der biologischen Vielfalt, Klima- und
          Umweltschutz sowie die Wettbewerbsfähigkeit
          Deutschlands sind große Aufgaben zu Beginn
          dieses Jahrhunderts. Um diese Herausforderungen
          zu bewältigen, bedarf es neben gesellschaftlichen,
          wirtschaftlichen und politischen Anstrengungen
          intensiver Forschungsanstrengungen sowie neuer
          Ansätze für Forschung und Innovation. Hier setzt
          die neue Forschungsstrategie der Bundesregie-
          rung an, mit der die Grundlagen für die weitere
          Entwicklung einer wissensbasierten und internati-
          onal wettbewerbsfähigen Bioökonomie ausgebaut
          werden sollen. Die „Nationale Forschungsstrategie
          BioÖkonomie 2030“ ist Bestandteil der Hightech-
          Strategie und liefert für diese u. a. in den Bedarfsfel-
          dern Energie/Klima sowie Gesundheit/Ernährung
          wichtige Impulse.

              Mit der „Nationalen Forschungsstrategie                    Das Konzept der Bioökonomie erfasst die Agrar-
          BioÖkonomie 2030“ legt die Bundesregierung                 wirtschaft sowie alle produzierenden Sektoren und
          die Grundlagen für die Vision einer nachhaltigen           ihre dazugehörigen Dienstleistungsbereiche, die
          bio-basierten Wirtschaft bis zum Jahr 2030, deren          biologische Ressourcen – wie Pflanzen, Tiere und
          vielfältiges Angebot die Welt ausreichend und              Mikroorganismen – entwickeln, produzieren, ver-
          gesund ernährt sowie mit hochwertigen Produk-              und bearbeiten oder in irgendeiner Form nutzen.
          ten aus nachwachsenden Rohstoffen versorgt.                Sie erreicht damit eine Vielzahl von Branchen wie
          Diese Vision lebt von der Entwicklung einer freien,        Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau, Fischerei
          dynamischen und innovativen Wissensgesell-                 und Aquakulturen, Pflanzen- und Tierzüchtung,
          schaft, die die Ergebnisse aus den Lebens- und             Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie sowie die
          Technikwissenschaften mit Aufgeschlossenheit               Holz-, Papier-, Leder-, Textil-, Chemie- und Pharma-
          und Neugier aufnimmt sowie den (bio)technischen            industrie bis hin zu Teilen der Energiewirtschaft.
          Fortschritt und die Globalisierung als Chancen             Bio-basierte Innovationen geben auch Wachs-
          versteht. Sie setzt sich zum Ziel, die Chancen der         tumsimpulse für weitere traditionelle Sektoren,
          wissensbasierten Bioökonomie optimal zu nutzen             z. B. im Rohstoff- und Lebensmittelhandel, in der
          und in dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum               IT-Branche, im Maschinen- und Anlagenbau, in der
          umzusetzen. Deutschland soll zu einem führenden            Automobilindustrie, in der Umwelttechnologie, in
          Forschungs- und Innovationstandort in der Bioöko-          der Bauwirtschaft sowie in zahlreichen Dienstleis-
          nomie werden. Dies kann einen Wachstumsschub               tungsbranchen.
          für bio-basierte Produkte, Energien, Verfahren und
          Dienstleistungen bewirken und die Wettbewerbs-                 Für die weitere Entwicklung zu einer wissensba-
          fähigkeit der deutschen Wirtschaft im weltweiten           sierten, international wettbewerbsfähigen Bioöko-
          Maßstab stärken. Dieser Strukturwandel von einer           nomie werden mit der Forschungsstrategie fünf
          erdöl- zu einer bio-basierten Wirtschaft muss              prioritäre Handlungsfelder gesetzt: weltweite Er-
          fortgesetzt werden. Angestrebt wird eine Technolo-         nährungssicherheit, nachhaltige Agrarproduktion,
          gieführerschaft sowie Vorreiterrolle bei der Lösung        gesunde und sichere Lebensmittel, nachwachsende
          globaler Herausforderungen durch die Förderung             Rohstoffe industriell nutzen sowie Energieträger
          von Forschung und Innovation für die Bioökono-             auf Basis von Biomasse. Die Ernährungssicherheit
          mie, auch als Verpflichtung gegenüber internatio-          genießt dabei stets Vorrang. Um Zielkonflikte
          nalen Partnern und nachfolgenden Generationen.             zwischen diesen Handlungsfeldern aufzulösen,
          Die Biotechnologie ist dabei ein wichtiger Impuls-         sind ganzheitliche Ansätze gefordert, die ökologi-
          geber.                                                     sche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Belange

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Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
Zusammenfassung                                                                                                                            3

                       gleichermaßen berücksichtigen und im Sinne                               gewinnen, den Technologietransfer zu beschleu-
                       nachhaltiger Lösungen integrieren. Leitlinien bei                        nigen, die internationale Zusammenarbeit auszu-
                       der Umsetzung der Forschungsstrategie sind daher                         weiten sowie den Dialog mit der Öffentlichkeit zu
                       die nachhaltige Versorgung mit Nahrungsmit-                              intensivieren. Die „Nationale Forschungsstrategie
                       teln, nachwachsenden Rohstoffen, Produkten und                           BioÖkonomie 2030“ setzt auf den Ideenreichtum,
                       Energien, die Erfassung aller Nutzungswege von                           die Innovationskraft sowie auf die Eigeninitiative
                       Biomasse sowie die Betrachtung kompletter Wert-                          von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
                       schöpfungsketten.                                                        und unterstützt diese durch gezielte Förderung.
                                                                                                Die Forschungsstrategie setzt Schwerpunkte für
                           Die „Nationale Forschungsstrategie BioÖkono-                         die nächsten Jahre. Dabei werden Anpassungen an
                       mie 2030“ identifiziert die für jedes Handlungsfeld                      aktuelle Entwicklungen auch während der Laufzeit
                       notwendigen Maßnahmen. Diese Maßnahmen                                   im Sinne eines lernenden Programms einfließen.
                       dienen auch dazu, Stärken in Wissenschaft und
                       Wirtschaft auszubauen, Schwächen zu kompen-
                       sieren und Innovationshemmnisse zu beseitigen.
                       Hier gilt es, interdisziplinäre Kompetenzen zu

                                                                                   Unsere Vision

                                  Eine am natürlichen Stoffkreislauf orientierte, nachhaltige bio-basierte Wirtschaft, deren vielfältiges
                                     Angebot die Welt ausreichend und gesund ernährt sowie uns mit hochwertigen Produkten aus
                                                                 nachwachsenden Rohstoffen versorgt.

                                                                          Unsere strategischen Ziele

                                  1. Deutschland soll im internationalen Vergleich zu einem dynamischen Forschungs- und
                                     Innovationsstandort für bio-basierte Produkte, Energien, Verfahren und Dienstleistungen werden.

                                  2. Mit unserer Forschung wollen wir zugleich Verantwortung für die Welternährung sowie beim
                                     Klima-, Ressourcen- und Umweltschutz übernehmen.

                                                                              Unsere Maßnahmen

                                                                               Gesunde und sichere                         Agrarproduktion nachhaltig
                             Weltweite Ernährung sichern
                                                                             Lebensmittel produzieren                              gestalten

                                                      Energieträger auf Basis                       Nachwachsende Rohstoffe
                                                      von Biomasse ausbauen                            industriell nutzen

                             Querschnittsaktivitäten: Kompetenzen interdisziplinär ausbauen, internationale Zusammenarbeit nutzen,
                                                      Transfer in die Praxis beschleunigen und Dialog mit der Gesellschaft intensivieren

                       Abbildung 1: Zusammenfassende Darstellung der Vision, Ziele und Maßnahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 3                                                                                                                  05.11.2010 14:05:52 Uhr
Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 - Unser Weg zu einer bio-basierten Wirtschaft
4                               1. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Perspektiven einer Bioökonomie

          1. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
              und die Perspektiven einer Bioökonomie
          Eine der größten globalen Herausforderungen                   Produktion Luft, Böden und Gewässer, Klima und
          des 21. Jahrhunderts besteht darin, in Zeiten                 Ökosysteme insgesamt wenig zu belasten, die bio-
                                                                        logische Vielfalt zu fördern sowie mit begrenzten
          des Klimawandels eine wachsende Weltbevöl-
                                                                        Ressourcen wie Boden, Wasser und Nährstoffen
          kerung nachhaltig mit ausreichend Nahrungs-                   verantwortungsvoll umzugehen. Gleichzeitig ist
          mitteln und zugleich mit nachwachsenden                       die agrarische Produktion sowohl vom Klimawan-
          Rohstoffen für die stofflich-industrielle und                 del betroffen als auch Emittent von Treibhausga-
                                                                        sen. Der effiziente und schonende Umgang mit den
          energetische Nutzung zu versorgen.
                                                                        natürlichen Ressourcen sowie ihre maßvolle und
                                                                        nachhaltige Nutzung sind dringliche Aufgaben,
          Für eine ausreichende und                                     um die Ernährung der Menschheit zu sichern, ohne
          gesunde Ernährung sorgen                                      die Lebensgrundlage für nachfolgende Generatio-
                                                                        nen zu gefährden.
          Durch die Zunahme der Weltbevölkerung auf über
          9,5 Milliarden Menschen bis 2050, die zugleich mit            Internationale Verantwortung übernehmen
          veränderten Konsumwünschen einhergeht, wird die               und Chancen der Globalisierung nutzen
          globale Ernährungssicherheit zu einer wichtigen Zu-
          kunftsaufgabe. Gleichzeitig nimmt die weltweit zur            Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Energie und
          Verfügung stehende landwirtschaftliche Nutzfläche             Rohstoffen sowie der Schutz von Klima und Umwelt
          durch Bodendegradierung und Ausdehnung der                    sind nicht nur im nationalen Interesse, sondern
          Siedlungsflächen stetig ab; durch Klimaveränderung            auch eine globale Verpflichtung. Die Nutzung des
          wird diese Flächeneinbuße noch verschärft.                    technologischen Fortschritts ist damit eine Pflicht-
                                                                        aufgabe, die Wissenschaft und Wirtschaft gleicher-
             In den Industrieländern zeichnet sich hingegen             maßen fordert. Für Unternehmen ergibt sich durch
          ein Anstieg ernährungsassoziierter Krankheiten –              innovative Produkte und Verfahren die Chance zur
          wie z. B. Adipositas, Diabetes, Allergien, Herz- und          Technologieführerschaft sowie die Möglichkeit,
          Kreislauf-Erkrankungen – ab. Dies hat weitreichende           den notwendigen Übergang zur nachhaltigen
          gesellschaftliche Folgen, wie z. B. hohe Kosten für das       Produktion weltweit mitzugestalten sowie von
          Gesundheitssystem.                                            internationalen Partnerschaften und Wachstums-
                                                                        märkten zu profitieren. Wissensbasierte Ansätze
          Ressourcenschonende und wettbewerbsfähige                     und marktorientierte Lösungen erhöhen entschei-
          Energie- und Rohstoffversorgung sichern                       dend die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
                                                                        Wirtschaft.
          Aufgrund der Endlichkeit fossiler Ressourcen und
          dem damit verbundenen Preisanstieg wird die Nach-             Perspektiven einer wissensbasierten
          frage nach erneuerbaren Energien und Rohstoffen               Bioökonomie
          stark ansteigen. Unter den erneuerbaren Energien
          liefert die Bioenergie bereits heute den größten Bei-         Die vorgenannten Herausforderungen verdeut­
          trag bei Strom, Wärme und Kraftstoffen. Biomasse              lichen, dass auf abnehmender landwirtschaftlicher
          bildet auch die einzige erneuerbare Kohlenstoffquel-          Nutzfläche mehr Biomasse international wett­
          le für die stofflich-industrielle Nutzung. Zudem be-          bewerbsfähig und nachhaltig produziert werden
          sitzen biologische Ressourcen ein enormes Reservoir           muss. Unter dieser Prämisse gilt es, effiziente
          an natürlichen Stoffen für industrielle Zwecke, die           und ganzheitliche (systemische) Lösungswege zu
          ressourcenschonend hergestellt werden können.                 ­finden.

          Klima und Umwelt für eine                                         Ein vielversprechender Ansatz für diesen Struk-
          nachhaltige Entwicklung schützen                              turwandel von einer erdöl- zu einer bio-basierten
                                                                        Wirtschaft, der ökonomische Prosperität zugleich
          Die Herausforderung besteht darin, mit einer                  mit ökologischer und gesellschaftlicher Verträglich-
          effizienten und standortangepassten agrarischen               keit ermöglichen kann, ist die Stärkung der wissens-

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1. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Perspektiven einer Bioökonomie                                         5

                       basierten Bioökonomie1 durch gezielte Förderung                      beitragen. Aus den Herausforderungen wird sich
                       von Forschung und Innovation. Dazu gehören die                       zudem eine wachsende Nachfrage nach innovati-
                       Agrarwirtschaft sowie alle produzierenden Sekto-                     ven Produkten, Verfahren und Dienstleistungen
                       ren und ihre dazugehörigen Dienstleistungssekto-                     ergeben. Dies wiederum bedeutet Chancen für den
                       ren, die biologische Ressourcen – wie Pflanzen, Tiere                Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutsch-
                       und Mikroorganismen – entwickeln, produzieren,                       land. Bioökonomie steht daher auch und gerade für
                       ver- und bearbeiten oder in irgendeiner Form nut-                    die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie für
                       zen. Bioökonomie erreicht eine Vielzahl von Bran-                    Wachstum und Beschäftigung.
                       chen wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und
                       Aquakulturen, Pflanzen- und Tierzüchtung, Nah-                           Die ökomischen, ökologischen und gesellschaft-
                       rungsmittel- und Getränkeindustrie sowie die Holz-,                  lichen Perspektiven der Bioökonomie sind nur
                       Papier-, Leder-, Textil-, Chemie- und Pharmaindus-                   durch zunehmendes Wissen über die zugrunde
                       trie bis hin zu Teilen der Energiewirtschaft. Bio-ba-                liegenden biologischen Vorgänge und Systeme in
                       sierte Innovationen können auch Wachstums- und                       Verbindung mit den technischen Möglichkeiten
                       Entwicklungsimpulse für weitere Sektoren geben,                      sowie deren Wechselwirkung im Ökosystem bzw. zu
                       z. B. im Rohstoff- und Lebensmittelhandel, in der                    den gesellschaftlichen Auswirkungen realisierbar.
                       IT-Branche, im Maschinen- und Anlagenbau, in der                     Die vielfältigen und dynamischen Interaktionen –
                       Automobilindustrie, in der Umwelttechnologie, in                     von der molekularen Ebene über die Ebene der
                       der Bauwirtschaft sowie in zahlreichen Dienstleis-                   Organismen zu den Wechselwirkungen zwischen
                       tungsbranchen. Diese Sektoren bestimmen ande-                        der Biosphäre und dem Klimasystem bis hin zu den
                       rerseits auch wesentlich die Leistungsfähigkeit der                  Veränderungen für die Gesellschaft – beginnt man
                       Bioökonomie.                                                         erst in Ansätzen zu verstehen.

                          Eine international wettbewerbsfähige, wissens-                       Neue quantitative Methoden – wie z. B. Hoch-
                       basierte Bioökonomie kann wesentlich zur Wahr-                       durchsatzanalysen und -synthesen, automatisierte
                       nehmung globaler Verantwortung in der Gegen-                         und bildgebende Verfahren und die Möglichkeit
                       wart und zur Vorsorge für künftige Generationen                      zur Erfassung und Auswertung großer Datenmen-
                                                                                            gen als Grundlage zur Modellierung – werden den
                       1	Die Begriffe Bioökonomie, wissensbasierte Bioökonomie und bio-    Erkenntnisprozess beschleunigen. Die Kenntnis
                          basierte Wirtschaft werden im Folgenden als Synonyme behandelt.   von biologischen Strukturen und der damit verbun-

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 5                                                                                               05.11.2010 14:05:52 Uhr
6                                                      1. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Perspektiven einer Bioökonomie

          denen Funktionen auf der Mikro- bis Nanoebene                                                                          und der für den Menschen wichtigen Ökosystem-
          bieten vielfältige Anwendungen in den Bereichen                                                                        dienstleistungen wären Anwendungsbespiele für
          Materialwissenschaften, Analytik sowie Stoff- und                                                                      ein optimiertes Wissensmanagement. Je mehr man
          Energiewandlung bzw. -speicherung. Ein vertieftes                                                                      in der Lage sein wird, die Bausteine bzw. Baupläne
          Verständnis der biologischen Vorgänge insbeson-                                                                        von biologischen Systemen in ihrer Komplexität
          dere in ihrer zeitlichen Dimension wird es erlauben,                                                                   quantitativ zu beschreiben, zu verstehen sowie ihre
          belastbare und reproduzierbare Vorhersagen zu                                                                          Reaktion auf äußere Einflüsse vorherzusagen, desto
          treffen, wie diese Systeme z. B. auf äußere Einflüsse                                                                  mehr wird man sie auch zum Vorteil von Mensch und
          reagieren oder wie ihre Leistungsfähigkeit optimiert                                                                   Umwelt technisch nutzen können. Diese Perspektive
          und sie nachhaltig genutzt werden können, das heißt                                                                    ist die Basis für den Aufbau einer wissensbasierten
          beispielsweise, ohne dabei direkt oder indirekt an-                                                                    Bioökonomie (s. Abbildung 2), in der interdisziplinär
          dere Bereiche der Natur und Umwelt zu schädigen.                                                                       in Kooperationen und Netzwerken zusammengear-
          Modelle zur Vorhersage des Einflusses des Klimawan-                                                                    beitet, Wissen ganzheitlich (systemisch) integriert
          dels auf einzelne Arten und/oder auf Ökosysteme                                                                        und zu Innovationen geführt wird.

                                                                                                                                          Klima-/
                                                                              Welternährung                                             Umweltschutz
                           Dienst-               Chemie-/                                                                                                       Holz-/Zellstoff-          Lebensmittel-
                         leistungen           Pharmaindustrie                                                                                                     Industrie                 industrie

                                                                                                              Biotechnologie

                           Handel               Maschinen-/                                                                                                          Tier-/                      Fischerei
                                                Anlagenbau                         Land-/                                                  Energie-             Pflanzenzucht
                                                                              Forstwirtschaft                                             wirtschaft
                                                                                                       Innovationen für …

                                                                                  Biologische Systeme verstehen,
                                                                                     vorhersehen und nutzen
                                                                      Ökosystem                                  Organismen                                Gene

                                                                                                   Integration des Wissens von …

                                              Chemie                                               Biologie                            athemati                                 Physik
                                                                                                                                      M
                                                                                                                                              k

                                                                                                                                                                                                       zial- und
                                                                                                                                                                                                     So
                                                                                  s c h a f te n
                                                         Ag
                                                       ra r-/ E r n

                                                                                                                                                                                         W ir t sc

                                                                                                                                                                                                                   a f te n
                                      f ten
              In g e n

                                                                                                                                                  Umw

                                                                                                                                                                         te n
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                                                                                                                                                                    af

                                                                                                                                                                                                                ch

                                                                  hr                                            In                                  lt w                                        af
                         r w is s e nsc                                               s                                                                                  h                           t s w iss e ns
                                                                                                                                                                                            h

                                                                       u n g s w is                                  fo r m a t i k                        iss e n s c
                 i

                                                             ä

                                                                                                                                                   e

                                          Interdisziplinär                                                                                                               International
          Abbildung 2: Perspektiven der wissensbasierten Bioökonomie

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 6                                                                                                                                                                                       05.11.2010 14:05:54 Uhr
2. Bioökonomie in Deutschland                                                                                    7

                       2. Bioökonomie in Deutschland
                       Deutschlands Bioökonomie steht auf mehre-
                       ren Säulen. Sie beruht auf einer breit aufge-              •	In der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
                                                                                     Forschungszentren (HGF) wird vor allem im
                       stellten Forschungslandschaft. Auf der
                                                                                     Bereich Schlüsseltechnologien rund um die
                       wirtschaftlichen Seite umfasst sie besonders                  komplexen Themen der Bioökonomie unter
                       die Land- und Forstwirtschaft, weitere                        Einsatz von Großgeräten und entlang lang-
                       Sektoren der verarbeitenden und zuliefern-                    fristiger strategischer Programme geforscht.
                                                                                     Hierzu zählen u. a. Institute aus der Pflanzen-,
                       den Industrie sowie Teile des Dienstleis-
                                                                                     Umwelt-, Geo- und Klimaforschung, der
                       tungsbereiches. Die Biotechnologie ist dabei                  Biotechnologie sowie aus den Ingenieurwis-
                       ein wichtiger Impulsgeber.                                    senschaften.

                       Forschung                                                  •	Die Institute der Max-Planck-Gesellschaft
                                                                                     (MPG) leisten insbesondere in den Bio­wissen­
                       Ein Großteil der Forschungsaktivitäten im Bereich der         schaften wesentliche Grundlagenforschung
                       Bioökonomie erfolgt im Rahmen der industriellen               für eine wissensbasierte Bioökonomie.
                       Forschung in der Privatwirtschaft, die hier erhebliche
                       Mittel investiert. Diese werden sowohl für die eigene      •	In der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried
                       Forschung im Unternehmen als auch zunehmend für               Wilhelm Leibniz (WGL) bearbeiten mehr
                       gemeinsame Projekte mit Partnern aus der Wissen-              als 15 Institute vorwiegend aus der Sektion
                       schaft aufgewandt. Die in diesem Sektor durchge-              Lebenswissenschaften Themen der Bio­
                       führte Forschung ist naturgemäß stark anwendungs-             ökonomie, stellen Infrastrukturen bereit
                       orientiert und zielt auf unmittelbar verwertbare              und erbringen forschungsbasierte Dienst­
                       Ergebnisse (weitere Informationen zur Wirtschaft s.           leistungen.
                       nachfolgender Abschnitt).
                                                                                  • I nstitute der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG)
                           Die Grundlagenforschung zur Nutzung biolo-                im Verbund Lebenswissenschaften sowie
                       gischer Ressourcen integriert eine Vielzahl von               zunehmend auch in anderen Verbünden
                       unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen,                   betreiben anwendungsorientierte Forschung
                       u. a. die Agrar- und Ernährungswissenschaften,                zur Bioökonomie und transferieren wissen-
                       Biologie und andere Naturwissenschaften, Mathe-               schaftliche Erkenntnisse in die Praxis.
                       matik, Umwelt-/Geo- und Klimaforschung sowie
                       Informatik, Teile der Ingenieurwissenschaften und
                       der Sozial- bzw. Wirtschaftswissenschaften. Diese
                       Wissenschaftsdisziplinen sind im Rahmen der                  Neben den außeruniversitären Forschungsein-
                       staatlich finanzierten Forschung an zahlreichen          richtungen finanzieren einige Bundesressorts eine
                       Hochschulen, außeruniversitären Forschungsein-           umfangreiche Ressortforschung mit Bezug zur
                       richtungen, Akademien sowie an Instituten der            Bioökonomie. Hauptaufgabe der Ressortforschung
                       Ressortforschung verankert.                              ist es, wissenschaftliche Entscheidungshilfen für
                                                                                die Ernährungs-, Landwirtschafts-, Verbraucher-
                           Die außeruniversitäre Forschungslandschaft           sowie Umwelt- und Naturschutzpolitik des jeweili-
                       umfasst im Bereich der Bioökonomie ungefähr              gen Bundesressorts zu erarbeiten. Dazu zählt auch
                       50 Institute aus den vier großen deutschen For-          die Bereitstellung einer messtechnischen Infra-
                       schungsorganisationen (s. Abbildung 3), die              struktur, ohne die regulatorische Grenzwerte nicht
                       ausschließlich oder teilweise Forschungsfragen der       festgelegt oder etwaige Überschreitungen nicht
                       Bioökonomie bearbeiten. Sie werden gemeinsam             belastbar ermittelt werden können. Ihre Forschung
                       durch Bund und Länder finanziert.                        richtet sich nach den Fachaufgaben des jeweili-
                                                                                gen Ressorts. Die Erkenntnisse der Einrichtungen
                                                                                dienen zugleich auch dem Gemeinwohl sowie den
                                                                                Verbraucherinnen und Verbrauchern.

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 7                                                                                        05.11.2010 14:05:54 Uhr
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                                                                         Kiel                       Rostock

                                                                     Hamburg

                                                         Bremen
                                                                                                              Berlin

                                                                   Hannover

                                                                                        Magdeburg

                                                                     Göttingen

                                   Düsseldorf                                                                       Dresden
                                                                                 Erfurt                 Leipzig
                            Köln

                                                   Frankfurt a. M.

                                          Mainz

                                                                                         Nürnberg

                                                      Heidelberg
                          Saarbrücken
                                                                   Stuttgart

                                                                                              München
                                                   Freiburg

                               Max-Planck-Institute                    Helmholtz-Institute                     Ressortforschung

                               Leibniz-Institute                       Fraunhofer-Institute

                               Bioökonomierelevante Aktivitäten:       ausschließlich                          teilweise

          Abbildung 3: Vom Bund mitfinanzierte Forschungseinrichtungen mit Schwerpunkten in der Bioökonomie

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 8                                                                                                       05.11.2010 14:05:57 Uhr
2. Bioökonomie in Deutschland                                                                                9

                                                                                 Auf internationaler Ebene wird ein weltweit
                                                                              einzigartiges Netzwerk, die Beratungsgruppe für
                                                                              Internationale Agrarforschung (CGIAR), durch die
                                                                              Bundesregierung seit 1971 unterstützt. Es werden
                                                                              Forschungsaktivitäten zur Steigerung der Nah-
                                                                              rungsmittelproduktion bei gleichzeitiger Siche-
                                                                              rung der natürlichen Ressourcen in einem Netz-
                                                                              werk von 15 Forschungszentren weltweit gefördert.
                                                                              Ebenfalls wird der Einsatz von Wissenschaftlerin-
                                                                              nen und Wissenschaftlern aus Deutschland in den
                                                                              internationalen Zentren unterstützt. Hierdurch
                                                                              wird die Verbindung zwischen den internationa-
                                                                              len Agrarforschungszentren und der deutschen
                                                                              landwirtschaftlichen Forschung verbessert und
                                                                              spezielles Know-how aus der deutschen Agrarfor-
                                                                              schung international verfügbar gemacht.

                                                                              Innovationspotenziale

                                                                              Die Bereitstellung von biologischen Ressourcen
                                                                              erfolgt vor allem durch die Land- und Forstwirt-
                                                                              schaft sowie Fischerei, diese Branchen sind daher
                                                                              eine wichtige Basis der deutschen Bioökonomie.
                                                                              Deutschland verfügt zudem über zahlreiche
                                                                              innovative junge Biotechnologie-Unternehmen
                                                                              und ist traditionell stark in der für die Bioökonomie
                          Darüber hinaus stellen die überwiegend von          besonders wichtigen Chemie- und Pharmaindus-
                       den Ländern grundfinanzierten Hochschulen ein          trie, der Energiewirtschaft, dem Anlagen- und
                       wichtiges Standbein der Forschung dar. An über         Maschinenbau sowie den mittelständisch struk-
                       100 Universitäten und Fachhochschulen werden           turierten Saatgutfirmen und Pflanzenzüchtern.
                       Forschungsarbeiten mit Bezug zur Bioökonomie           Unternehmen aus diesen Sektoren sind auf bio-
                       durchgeführt.                                          ökonomie-relevante Innovationen in besonderer
                                                                              Weise angewiesen, wollen sie ihre internationale
                          Insgesamt zeigen Publikations- und Patent-          Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen.
                       analysen, dass Deutschland auf wissenschaftli-         Nicht zuletzt gehen von all diesen Branchen auch
                       cher Ebene für eine wissensbasierte Bioökonomie        entscheidende Wachstumsimpulse in vor- und
                       hervorragend aufgestellt ist. Die institutionelle      nachgelagerte, meist weniger forschungsintensive
                       Vielfalt ist Stärke aber zugleich auch Schwäche der    Sektoren aus, wie z. B. Lebensmittel-, Getränke-,
                       deutschen Wissenschaftslandschaft. Da die Kom-         Textil- und Papierindustrie. Diese Sektoren wiede-
                       petenzen über Hochschulen und außeruniversitäre        rum setzen Nachfrageimpulse für andere Sekto-
                       Forschungseinrichtungen bundesweit verteilt sind,      ren. Deutschland besitzt hier eine hervorragende
                       führt dies teilweise zu unterkritischen und interna-   Ausgangsposition.
                       tional wenig sichtbaren Einheiten. Dies geht einher
                       mit einer ebenso vielfältigen Schwerpunktsetzung.          Um durch den kontinuierlichen Nachschub an
                       Ein Grund dafür ist die dem Wissenschaftssystem        Innovationen Vorteile im globalen Wettbewerb zu
                       inhärente Systematik nach Fächern und Diszipli-        erhalten, bedarf es allerdings in zahlreichen Bran-
                       nen. Trotz wachsender Kooperationsbereitschaft         chen einer noch stärkeren Ausrichtung der Wirt-
                       verläuft die Zusammenarbeit über Disziplin- und        schaft auf Forschung und Innovation. Aufgrund
                       Institutionengrenzen noch zu zögerlich. Es gilt da-    ihrer hohen Flexibilität bei sich rasch änderndem
                       her, relevante Akteure in der Forschungslandschaft     Nachfrageverhalten sind dafür vor allem kleine
                       zusammenzubringen, um Ideen und Kapazitäten            und mittlere Unternehmen (KMU) volkswirtschaft-
                       über Netzwerke und Verbünde zu bündeln.                lich bedeutsam. In der Bioökonomie können z. B.

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               Bioökonomie – Potenziale für Wachstum und Beschäftigung

               Nach Schätzungen des Bioökonomie-Rates er-           Umsatzes aus erneuerbaren Energien auf den
               wirtschaftet der bio-basierte Wirtschaftsektor       Bioenergiesektor. Gleichwohl ist der weitere
               europaweit derzeit rund 1,7 Bil. Euro Jahresum-      Ausbau von international wettbewerbsfä-
               satz mit 22 Mio. Beschäftigten.                      higen Bioenergieformen notwendig, denn
                                                                    Deutschland ist bisher in großem Umfang
                   In Deutschland steht jeder zehnte Arbeits-       von fossilen Energieträgern aus Importen
               platz mit der Land- und Ernährungswirtschaft         abhängig: Beim Mineralöl zu 97 Prozent, beim
               in Verbindung. In der Landwirtschaft erzeugen        Erdgas zu 83 Prozent und bei der Steinkohle
               die rund 1,25 Mio. Voll- oder Teilzeitarbeitskräf-   zu 61 Prozent.
               te in 370.000 Betrieben jährlich Güter im Wert
               von rund 40 Mrd. Euro. Des Weiteren nutzt                Als einer der wichtigsten Impulsgeber für
               die Land- und Forstwirtschaft über 82 % der          bio-basierte Innovationen gilt die Biotechno-
               deutschen Landesfläche und bestimmt damit            logie. Schon heute spielen Biopharmazeutika,
               wesentlich das Erscheinungsbild unserer Land-        also biotechnologisch hergestellte Medika-
               schaften. Für die energetische und stofflich-        mente, eine große Rolle mit einem weltwei-
               industrielle Nutzung wurden nachwachsende            ten Umsatz von knapp 80 Mrd. US-$. Aber
               Rohstoffe im Jahr 2009 auf rund zwei Mio.            auch für Industrie und Landwirtschaft sind
               Hektar angebaut. Das sind knapp 17 Prozent der       biotechnologische Verfahren und Produkte
               Ackerflächen Deutschlands. Zusätzlich liefern        ein wirtschaftlicher Faktor, insbesondere in
               die 11,1 Mio. Hektar Wald – die immerhin ein         großen Chemie- und Saatgutunternehmen.
               Drittel der bundesdeutschen Fläche ausmachen         So eröffnet die Biotechnologie der Wirtschaft
               – Holz für die Industrie und die Energieversor-      die Möglichkeit, ressourcenschonender und
               gung. Im Bereich Bio-Lebensmittel ist Deutsch-       effizienter, also nachhaltiger zu wirtschaften,
               land mit 5,8 Mrd. Euro Jahresumsatz der größte       und damit Alternativen zu erdöl-basierten
               Markt in Europa.                                     Rohstoffen zu entwickeln. Der World Wide
                                                                    Fund For Nature (WWF) schätzt, dass durch
                   Neben den Beschäftigten in der Land- und         biotechnologische Produktionsverfahren
               Ernährungswirtschaft kommen Arbeitsplät-             weltweit bis zu 2,5 Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr
               ze in der Industrie hinzu, zunehmend vor             eingespart werden können. Die wissensba-
               allem in beschäftigungsintensiven Branchen           sierte Bioökonomie kann somit ökonomische
               wie der Chemie-/Pharmaindustrie sowie der            Prosperität mit ökologischer Verträglichkeit
               Energiewirtschaft. Von den insgesamt rund            verbinden. Deutschland steht mit seinen
               21,7 Mio. Tonnen organischer Rohstoffe in der        mehr als 500 Biotechnologie-Firmen im
               chemischen Industrie wurden 2008 ca. 2,7 Mio.        europäischen Vergleich gut da. Hinzukom-
               Tonnen nachwachsende Rohstoffe eingesetzt,           men weitere 100 Unternehmen, bei denen die
               dies entspricht rund 13 Prozent der insgesamt        Biotechnologie ein Teil der Geschäftstätigkeit
               eingesetzten organischen Rohstoffe.                  darstellt. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise
                                                                    wachsen Umsatz und Beschäftigungszahlen
                   Mit 69 Prozent leistet Biomasse weiterhin        der Biotechnologie-Unternehmen kontinuier-
               den größten Beitrag zur Endenergie aus erneu-        lich. Derzeit erwirtschaftet die noch sehr jun-
               erbaren Quellen. Über 90 Prozent der regene-         ge Branche ca. 2,2 Mrd. Euro im Jahr. Darüber
               rativen Wärme kommt aus Biomasse, vor allem          hinaus arbeiten inzwischen rund 30.000 hoch
               Holz. Im Kraftstoffsektor ist die Biomasse der-      qualifizierte Arbeitskräfte in der kommerziel-
               zeit die einzige regenerative Quelle. Insgesamt      len Biotechnologie in Deutschland.
               sind in der Wirtschaft über 100.000 Personen
               im Bereich der Bioenergie-Erzeugung tätig. Mit
               11,4 Mrd. Euro entfallen etwa 34 Prozent des

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2. Bioökonomie in Deutschland                                                                                                                 11

                       Biotechnologie-KMUs der Innovationstreiber sein,                            er teilweise noch zu langsam und nicht effizient
                       um neue Technologien – auch in Kooperationen                                genug. Ein wirkungsvoller Ansatz des Technolo-
                       und Netzwerken mit Großunternehmen und wis-                                 gietransfers sind Kooperationsprojekte zwischen
                       senschaftlichen Partnern – in traditionelle Bran-                           Wissenschaft und Wirtschaft sowie die direk-
                       chen einzuführen. Beschäftigungspolitisch spielen                           te Ausgründung aus dem wissenschaftlichen
                       sie ebenfalls eine große Rolle – vor allem als Motor                        Umfeld. Voraussetzung für einen neuen Grün-
                       für die regionale Wirtschaft.                                               derboom ist neben den gründungsrelevanten
                                                                                                   Rahmenbedingungen die Stärkung des Unter-
                          Für eine dynamische Entwicklung in der Bio-                              nehmergeistes an Hochschulen und außeruniver­
                       ökonomie ist ein schneller und kontinuierlicher                             sitären Forschungseinrichtungen sowie generell
                       Technologietransfer von der Wissenschaft in die                             die Bereitschaft für die Zusammenarbeit mit
                       Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Allerdings ist                          der Wirtschaft.

                                                 Stärken                                                                    Chancen

                            •	exzellente und vielfältige Forschung                                    •	zunehmender Bedarf an nach­haltig
                                                                                                          produzierten, qualitativ hochwertigen
                            • hochqualifizierte Fachkräfte                                                Lebensmitteln

                            • innovative Unternehmen                                                   •	durch Begrenzung fossiler und
                                                                                                          ­mineralischer Ressourcen steigt der
                                                                                                           Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen
                                                                                                           für die stofflich-industrielle bzw. ener-
                                                                                                           getische Nutzung

                                                                                                       •	Wandel in Landwirtschaft, im
                                                                                                          ­Handwerk, in der Industrie und
                                                                                                           im Dienstleistungssektor

                                                                                                       •	Erhalt der natürlichen Lebens­
                                                                                                          grundlagen

                                              Schwächen                                                                   Hemmnisse

                            • fragmentierte Forschungslandschaft                                       •	Technologietransfer ist zu langsam

                            •	fehlende Anreize, Bereitschaft und                                      •	zögerliche Bereitschaft für notwendige
                               professionelle Strukturen für den                                          Veränderungen
                               Technologie- und Wissensstransfer
                                                                                                       •	unzureichendes inter- und transdiszi-
                            • geringe FuE-Quote in einigen Branchen                                       plinäres Vorgehen für ganzheitliche
                                                                                                          (systemische) Lösungen
                            •	Diffusion von bio-basierten Innova-
                               tionen in traditionelle Branchen ist
                               ausbau­­fähig

                            •	unzureichende Finanzierungsquellen
                               für Wagniskapital

                       Abbildung 4: SWOT-Analyse (Strenghts (= Stärken), Weaknesses (= Schwächen), Opportunities (hier = Chancen) and Threats (hier = Hemmnisse))

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             Wirtschafts- und Gründungsdynamik hängen                                Die Strategie setzt sowohl im wissenschaftli-
          zudem von den gesellschaftlichen und politischen                        chen Bereich als auch in der Wirtschaft vor allem
          Rahmenbedingungen ab. Eine Rolle spielen dabei                          auf Eigeninitiative. Die Förderung mit Bundesmit-
          rechtliche Vorgaben, die z. B. zum Schutz von                           teln ist dazu komplementär angelegt und notwen-
          Umwelt und Gesundheit bei der Zulassung und An-                         dig, sofern die erforderlichen Forschungsvorhaben
          wendung bestimmter Produkte gelten, die Verfüg-                         von keiner anderen Stelle ausreichend gefördert
          barkeit von Finanzierungsmöglichkeiten oder die                         oder nicht schnell genug aufgegriffen werden.
          Akzeptanz neuer Technologien in der Bevölkerung.
                                                                                     Exzellente Wissenschaft, hochqualifizierte
          Handlungsbedarf für Forschung                                           Fachkräfte und innovative Unternehmen sind
          und Innovation                                                          traditionelle Stärken, auf denen Deutschlands
                                                                                  Bioökonomie aufbauen kann und die es weiter zu
          Die „Nationale Forschungsstrategie BioÖkono-                            entwickeln gilt. Dazu bedarf es einer engen Ver-
          mie 2030“ dient dazu, Stärken in Wissenschaft                           zahnung von Wissenschaft und Wirtschaft sowie
          und Wirtschaft auszubauen und Schwächen zu                              eines professionellen Wissenschaftsmanagements,
          kompensieren. Dadurch sollen Chancen einer                              um den Technologietransfer und die Anwendung
          wissensbasierten Bioökonomie u. a. für die globa-                       von wissenschaftlichen Ergebnissen dauerhaft zu
          le Ernährungssicherheit sowie die Rohstoff- und                         stärken und zu beschleunigen.
          Energieversorgung aus Biomasse genutzt und
          Hemmnisse für Innovationen überwunden werden
          (s. Abbildung 4).

                                                             Energieforschungsprogramm

                                                                                              Aktionsplan                        Bedarfsfeld
                                               Nationaler
                                                                                        zur stofflichen Nutzung                 Energie/Klima
                                           Biomasseaktionsplan
                                                                                       nachwachsender Rohstoffe

             Nationale
            Nachhaltig-
           keitsstrategie                                            Nationale                                                    Hightech-
                  –                                             Forschungsstrategie                                               Strategie
           Forschung für                                         BioÖkonomie 2030
            nachhaltige
            Entwicklung

                                                                                                                                 Bedarfsfeld
                                                 Nationale                               Gesundheitsforschungs-
                                                                                                                                 Gesundheit/
                                           Biodiversitätsstrategie                            programm
                                                                                                                                  Ernährung

                                                             Internationalisierungsstrategie
                                                            für Wissenschaft und Forschung

          Abbildung 5: Verzahnung der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ mit relevanten forschungsbezogenen Programmen
                        der Bundesregierung

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2. Bioökonomie in Deutschland                                                                                13

                           Auf der anderen Seite sollen Schwächen wie
                       eine fragmentierte Forschungslandschaft, eine
                       geringe Forschungsintensität in einigen Branchen
                       sowie kaum vorhandene professionelle Strukturen
                       für den Technologie- und Wissenstransfer sowie
                       fehlende diesbezügliche Anreize ausgeglichen
                       werden. Zudem ist insbesondere die Diffusion von
                       bio-basierten Technologien und Verfahren in eta-
                       blierte Branchen noch ausbaufähig, um einen für
                       die internationale Wettbewerbsfähigkeit notwen-
                       digen Strukturwandel zu beschleunigen und neue
                       Märkte zu erschließen bzw. neue gesellschaftliche
                       Bedürfnisse zu befriedigen. Innovationshemmend
                       wirken sich auch die mangelnde Eigenkapitalaus-
                       stattung deutscher Unternehmen und der unter-
                       entwickelte Wagnis- und Beteiligungskapital-
                       markt in Deutschland aus.

                           Die „Nationale Forschungsstrategie BioÖko-
                       nomie“ ist Bestandteil der Hightech-Strategie und
                       liefert für diese u. a. in den Bedarfsfeldern Energie/
                       Klima sowie Gesundheit/Ernährung wichtige
                       Impulse. Die Bundesregierung verfolgt durch die
                       Hightech-Strategie das Ziel, die Forschungsförde-
                       rung und die Gestaltung von Rahmenbedingun-              werbs – z. B. durch sich dynamisch entwickelnde
                       gen zu verbinden. Vor diesem Hintergrund wird die        Länder – eine hohe Bereitschaft zur Veränderung
                       Umsetzung der Forschungsstrategie mit den ein-           notwendig sein.
                       schlägigen Programmen der Bundesregierung auf
                       unterschiedlichen Politikfeldern (s. Abbildung 5)            Die Chancen der wissensbasierten Bioökonono-
                       sowie den technologieoffenen Maßnahmen zur               mie sind enorm. Dies zeigt sich an der zunehmenden
                       Innovationsförderung – insbesondere für KMUs –           Nachfrage und den dynamisch wachsenden Märk-
                       vernetzt, damit innovationsfreundliche und nach-         ten für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in
                       haltige Rahmenbedingungen für den Aufbau einer           den einschlägigen Sektoren. Neben der genannten
                       international wettbewerbsfähigen Bioökonomie             Verzahnung innovationspolitischer Maßnahmen
                       geschaffen werden können. Dies erfordert, dass auf       müssen aber nicht nur Anreize zur Erweiterung der
                       den unter­schiedlichen Politikfeldern in einem fort-     wissenschaftlichen Grundlagen, sondern auch zur
                       währenden Prozess Entscheidungen hinsichtlich            Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in neue
                       ihrer Konsequenzen für die Forschungs- und In-           Technologien, Verfahren, Produkte und Dienstleis-
                       novationsbedingungen auf den Prüfstand gestellt          tungen und deren Anwendung geschaffen werden.
                       und bei Bedarf angepasst werden.                         Synergien aus der Vernetzung unterschiedlicher
                                                                                Forschungsdisziplinen – die neben den naturwis-
                          Der Wandel in der Landwirtschaft, im Hand-            senschaftlichen auch die wirtschafts- und sozialwis-
                       werk, in der Industrie, im Dienstleistungssektor         senschaftlichen Kompetenzen umfassen – können
                       und in der Gesellschaft zu einer bio-basierten Wirt-     mit Blick auf die gesamten Wertschöpfungs- bzw.
                       schaft erfordert die Bereitschaft zur Veränderung.       Prozessketten ganzheitliche (systemische) Lösungen
                       Damit diese vorhanden ist und der Wandel gelingt,        für globale Herausforderungen hervorbringen. Die
                       bedarf es nicht nur der Aufgeschlossenheit von           Notwendigkeit für diese ganzheitlichen Ansätze
                       Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch der            sowie die zunehmende internationale Arbeitstei-
                       Akzeptanz der Bürger. Die im Rahmen dieser For-          lung in der Forschung ebenso wie die steigende
                       schungsstrategie zu erwartenden Ergebnisse sollen        Zahl technologisch wettbewerbsfähiger Länder
                       dazu einen Beitrag leisten. Darüber hinaus wird          erfordern zudem eine international ausgerichtete
                       vor dem Hintergrund des internationalen Wettbe-          Forschungsstrategie.

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14                                                    3. Vision und Ziele für eine bio-basierte Wirtschaft

          3. Vision und Ziele für eine bio-basierte Wirtschaft
          Welternährung unterstützen, Rohstoff- und            Bioökonomie schlägt somit zwischen Technologie,
          Energieversorgung aus Biomasse sichern,              Ökonomie und Ökologie eine Brücke.
          zugleich Klima und Umwelt schützen sowie
                                                                   Entscheidend dafür ist die Weiterentwicklung
          Deutschlands internationale Wettbewerbs-             in der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und
          fähigkeit ausbauen – all dies sind große             Wissenschaft, zwischen Partnern aus unterschied-
          Herausforderungen. Mit der „Nationalen               lichen Ländern sowie zwischen Disziplinen bzw.
                                                               Institutionen, in der sich das Wissen des einen
          Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“
                                                               durch die Entdeckungen des anderen bereichert.
          verfolgt die Bundesregierung die Vision,             Bei dieser Zusammenarbeit werden Schnitt- zu
          dass sich bis zum Jahr 2030 eine nachhaltige,        Nahtstellen und zu Innovationsquellen. Das
          bio-basierte Wirtschaft entwickelt hat, die          Verständnis biologischer Systeme und ihre nach-
                                                               haltige Nutzung ermöglichen, dass mithilfe der
          ein vielfältiges Angebot an gesunden Nah-
                                                               Forschunsstrategie bis 2030 wissenschaftliche Kre-
          rungsmitteln und hochwertigen Produkten              ativität im Wechselspiel mit Ingenieurskunst einen
          aus nachwachsenden Rohstoffen bereitstellt.          Strukturwandel in der industriellen Produktion in
                                                               Deutschland bewirkt. Die bio-basierte Wirtschaft
          Die bio-basierte Wirtschaft der Zukunft liefert      schafft durch innovative Produkte und Verfahren
          nachhaltig erzeugte Produkte sowie ein ausrei-       auch in traditionellen Branchen neue Möglichkei-
          chendes und breites Angebot an gesunden Nah-         ten für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung.
          rungsmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft.
          Die wissensbasierte Bioökonomie nutzt biologische        Diese Vision lebt von der Entwicklung einer
          Vorgänge, entwickelt sie technisch weiter und        freien, dynamischen und innovativen Wissensge-
          macht sie damit leistungsfähiger sowie deren         sellschaft, die es versteht, in komplexen Zusam-
          Nutzung effizient und nachhaltig. Ihre innovati-     menhängen zu denken, und dieses Wissen zum
          ven Produkte und Verfahren für Landwirtschaft        Nutzen kommender Generationen anzuwenden.
          und Industrie erfordern ein Minimum an Energie,      Hierbei schaffen am Vorsorgeprinzip orientier-
          schonen natürliche Ressourcen, vermeiden un-         te, wissenschaftsbasierte Rahmenbedingungen
          erwünschte Nebenprodukte, minimieren Emis-           Vertrauen und bieten dennoch genügend Freiraum
          sionen, beeinträchtigen nicht den Naturhaushalt      für Kreativität und Innovation. Neue Technologien
          und die biologische Vielfalt und führen die ent-     werden vorbehaltlos und ergebnisoffen diskutiert
          stehenden Produkte möglichst weitgehend in den       sowie verantwortungsbewusst angewandt. Dabei
          natürlichen Kreislauf zurück. Die wissensbasierte    wird keine Methode vorschnell aufgegeben, die
                                                               zur Lösung wichtiger Zukunftsfragen beitragen
                                                               könnte. Im Jahr 2030 ist Deutschland ein Bioöko-
                                                               nomie-Standort, an dem die Ergebnisse aus den
                                                               Lebens- und Technikwissenschaften mit Aufge-
                                                               schlossenheit, Neugier und Begeisterung aufge-
                                                               nommen sowie der (bio)technische Fortschritt und
                                                               die Globalisierung als Chancen verstanden und
                                                               genutzt werden.

                                                                   Deutschland wird kreative Köpfe aus aller Welt
                                                               anziehen und ein bevorzugter Kooperationspart-
                                                               ner sein. Bei der Bewältigung der globalen Heraus-
                                                               forderungen – wie Welternährung, Rohstoff- und
                                                               Energieversorgung aus Biomasse sowie Klima- und
                                                               Umweltschutz – wird Deutschland eine wichtige
                                                               Rolle spielen und international Verantwortung
                                                               tragen. Das bedeutet nicht zuletzt, dass bio-basier-
                                                               te Innovationen auch in anderen Teilen der Welt
                                                               befördert werden.

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3. Vision und Ziele für eine bio-basierte Wirtschaft                                                       15

                       Aus dieser Vision für eine bio-basierte Wirtschaft        werden. Sie misst in gleichem Maße der gesun-
                       leiten sich die folgenden strategischen Ziele ab:         den Ernährung große Bedeutung bei. Die Bun-
                                                                                 desregierung strebt eine Vorreiterrolle bei der
                       A) 	Deutschland soll im internationalen Vergleich        Erforschung und Entwicklung von Lösungen für
                            zu einem dynamischen Forschungs- und In-             diese globalen Herausforderungen an.
                            novationsstandort für bio-basierte Produkte,
                            Energien, Verfahren und Dienstleistungen wer-         Gerade weil die Vision einer am natürlichen
                            den. Mit der Entwicklung neuartiger Produkte,     Stoffkreislauf orientierten bio-basierten Wirt-
                            Verfahren und Dienstleistungen aus nachwach-      schaft noch viele Hürden zu nehmen hat, gilt es,
                            senden Rohstoffen sollen die Wettbewerbsfä-       bereits heute die Weichen richtig zu stellen. Die im
                            higkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt und     Folgenden beschriebenen Handlungsfelder dienen
                            bei der Anzahl an Beschäftigten und Unterneh-     als strategischer Wegweiser für Wissenschaft und
                            men eine internationale Spitzenposition unter     Wirtschaft, um im Dialog mit der Gesellschaft eine
                            vergleichbaren Industriestaaten eingenommen       auf Wachstum und Nachhaltigkeit ausgerichtete
                            werden.                                           Wirtschaftsstruktur zu etablieren. Sie setzt da-
                                                                              bei auf den Ideenreichtum, die Innovationskraft
                       B)	Mit den Forschungsergebnissen sollen zugleich      sowie auf die Initiativen von Forscherinnen und
                           wichtige Beiträge für unsere globalen Ver-         Forschern und unterstützt diese durch gezielte
                           pflichtungen insbesondere auf den Feldern der      Förderung.
                           Welternährung sowie beim Klima-, Ressour-
                           cen- und Umweltschutz im Zusammenhang mit
                           der Nutzung biologischer Ressourcen geleistet

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          4. Handlungsfelder
          Die Vision einer bio-basierten Wirtschaft                           senschaftsgebietes, eines einzelnen Unternehmens
          verlangt aufgrund der Vielfalt an Rohstoffen,                       und sogar einer ganzen Branche hinausgehen. Die
                                                                              dahinter liegenden komplexen Forschungsfragen
          Verfahren, Produkten, Techniken und Anwen-
                                                                              bieten Ansporn für die Wissenschaft interdiszip-
          dungen ein Bündel von Maßnahmen, die auf                            linär zu arbeiten und sind attraktiv für die Wirt-
          unterschiedliche Kompetenzen zurückgreifen.                         schaft. Ihre Antworten können die Lebensqualität
          Die nachfolgenden Handlungsfelder bilden                            verbessern. Der Aufbau einer wissensbasierten
                                                                              Bioökonomie kann allerdings nur gelingen, wenn
          den forschungspolitischen Rahmen entlang der
                                                                              diese Handlungsfelder zielgerichtet („top-down“)
          Wertschöpfungs- und Prozessketten von der                           bearbeitet werden. Dabei müssen sie genug Frei-
          landwirtschaftlichen Produktion bis zur Nut-                        raum für ungewöhnliche Wege und visionäre
          zung für Ernährung, stofflich-industrielle                          Ideen bieten, damit der Einzelne im Sinne eines
                                                                              „bottom-up“-Ansatzes kreative Eigeninitiative und
          Produkte und Verfahren sowie Bioenergie bzw.
                                                                              Verantwortung wahrnehmen kann. Die „Nationale
          darauf basierenden Dienstleistungen.                                Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ setzt den
                                                                              programmatischen Rahmen für die nächsten Jahre.
          Mit den einzelnen Handlungsfeldern sind gesell-                     Die Handlungsfelder und die daraus abgeleiteten
          schaftliche, wirtschaftliche sowie große wissen-                    Ziele und Maßnahmen sind eine Grundlage, die
          schaftliche Herausforderungen verbunden, die                        gleichwohl veränderbar bleibt. Die Forschungsstra-
          jeweils weit über die Grenzen eines einzigen Wis-                   tegie setzt die ressortübergreifenden Schwerpunkte

                                                                   Nachwachsende
                            Gesunde und sichere                                                    Energieträger auf
                                                                      Rohstoffe
                               Lebensmittel                                                       Basis von Biomasse
                                                                  industriell nutzen

                                           Prozess- und Produktinnovationen entlang der Wertschöpfungskette

                                                        Nutzungswege gemeinsam betrachten

                                                   globale                               nachhaltige
                                             Ernährungssicherheit                      Agrarproduktion

                                                          BIOLOGISCHE RESSOuRCEN

                                    Pflanzen                         Mikroorganismen                     Tiere

          Abbildung 6: Zusammenhänge zwischen den Handlungsfeldern

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 16                                                                                              05.11.2010 14:05:59 Uhr
4. Handlungsfelder                                                                                                17

                       für die Forschungsförderung der nächsten Jahre.              darf zugleich nicht Ziele von Klima- und Ressourcen-
                       Anpassungen an aktuelle Entwicklungen werden                 schutz, Schutz der biologischen Vielfalt und weitere
                       während der Laufzeit einfließen.                             Umweltschutzziele in Frage stellen. Gefordert sind
                                                                                    daher ganzheitliche Forschungsansätze im Sinne
                       Handlungsfelder ganzheitlich umsetzen                        des Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung, die
                                                                                    wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche
                       Die Handlungsfelder dürfen bei der Umsetzung nicht           Belange gleichermaßen berücksichtigen, um diese
                       isoliert voneinander betrachtet werden, um mögliche          Zielkonflikte möglichst aufzulösen oder zumindest
                       Zielkonflikte zu vermeiden oder gegeneinander ab-            abzufedern. Mit der Forschungsstrategie werden
                       wägen zu können. Die ausreichende Versorgung mit             fünf prioritäre Handlungsfelder gesetzt: weltweite
                       Nahrungsmitteln einerseits und mit bio-basierten,            Ernährungssicherheit, nachhaltige Agrarproduktion,
                       industriell genutzten Produkten sowie Bioenergie             gesunde und sichere Lebensmittel, nachwachsende
                       andererseits stehen bei einer begrenzten landwirt-           Rohstoffe industriell nutzen sowie Energieträger auf
                       schaftlichen Fläche in einem Spannungsverhältnis.            Basis von Biomasse. Folgende Leitlinien sind bei der
                       Die Produktion von Nahrungsmitteln, bio-basierten,           Umsetzung der Handlungsfelder (s. auch Abbildung 6)
                       industriell genutzten Produkten und Bioenergien              zu beachten:

                            Leitlinien

                            •	Menschen nachhaltig versorgen: Bei der Versorgung des Menschen mit Nahrung, nachwachsen-
                               den Rohstoffen und Bioenergie müssen die Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Natur berücksich-
                               tigt werden. Die ressourcen-, natur-, umwelt- und klimaschonende, tiergerechte sowie ethisch akzep-
                               table Produktion muss auch für eine bio-basierte Wirtschaft Bewertungsmaßstab bleiben. Neben der
                               ökologischen und gesellschaftlichen Komponente sind für die Nachhaltigkeit auch wirtschaftliche
                               Faktoren entscheidend. Insbesondere Forschungsvorhaben, die eine Biomasse-Nutzung mit schonen-
                               den Auswirkungen auf Ökosysteme ermöglichen und international wettbewerbsfähig sind, sollen
                               unterstützt werden.

                            •	Nutzungswege gemeinsam betrachten: Die Nutzungswege von Biomasse (Nahrung, stofflich-
                               industriell bzw. energetisch) sind in ihren Wechselwirkungen zu betrachten, um Konkurrenzen zu
                               erkennen und Prioritäten auf globaler, nationaler und regionaler Ebene zu setzen. Die Ernährungs­
                               sicherheit genießt dabei stets Vorrang. Zudem sind Produkte mit einem höheren Wertschöpfungspo-
                               tenzial zu bevorzugen. Wo möglich und sinnvoll, ist eine Kaskaden- und Koppelnutzung von Biomasse
                               vorzuziehen, wie sie z. B. in Bioraffinerien angelegt ist. Durch die intelligente Verknüpfung von Wert-
                               schöpfungs- bzw. Prozessketten können u. U. mögliche Konkurrenzen der Nutzungswege entschärft
                               und Innovationspotenziale erschlossen werden.

                            •	Gesamte Wertschöpfungsketten in den Blick nehmen: Die Handlungsfelder sollen mit system-
                               orientierten Forschungsansätzen verfolgt werden, die die gesamten Wertschöpfungsketten in den
                               Blick nehmen. Das heißt, dass eng miteinander zusammenhängende Forschungsthemen, die einzelne
                               Aspekte des agrarischen und industriellen Produktionssystems in der Bioökonomie umfassen, in an-
                               gemessener Weise bei der Forschungsförderung miteinander verknüpft werden. Durch diese Bün-
                               delung einzelner Forschungsthemen in der Förderung sollen Synergien erzielt werden. Da die Hand-
                               lungsfelder von zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren beeinflusst werden,
                               müssen Technik-/Naturwissenschaften und Wirtschafts-/Sozialwissenschaften enger kooperieren.

                            Diese Leitlinien sind der Kompass für die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen. Dabei sind
                            auch handlungsfeldübergreifende Maßnahmen zielführend, um Fördermittel effizient einzusetzen,
                            Synergien zwischen Handlungsfeldern zu erzielen und letztlich die oben genannten Zielkonflikte
                            aufzulösen.

20065_Biooekonomie-Broschur_2010.indd 17                                                                                        05.11.2010 14:05:59 Uhr
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