No Billag Mehr Abhängigkeit, weniger Schweiz - Magazin der - SRG Deutschschweiz
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EDITORIAL Für ein Nein, das verpflichtet Jakob Stark, Liebe Leserin, lieber Leser Regionalvorstand SRG Deutschschweiz, Regierungsrat Kanton Thurgau Die aktuelle Diskussion über Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und die SRG SSR ist wertvoll. Diesen Pluspunkt darf die No-Billag-Initiative verbuchen. Aller- dings nur dank ihrer Gegnerinnen und Gegner, die sie enttarnt haben. Sie ist eine «No SRG»-Initiative. Es geht am 4. März um Sein oder Nichtsein von SRF, es geht um alles! Sendeschluss JA oder NEIN? Weshalb tut die Diskussion gut? Zum einen, weil sie einer breiten Bevölkerung in Erinnerung ruft, dass unser Land SRF braucht: • f ür gute Radio- und TV-Sendungen über und für alle Regionen der Schweiz, in allen Landessprachen, über alle Kanäle; • f ür den Zusammenhalt sowie die kulturelle Identität und Unabhängigkeit der viersprachigen Schweiz inmitten von drei grossen Nachbarstaaten mit je einer einzigen Landessprache; • f ür eine fundierte und ausgewogene Information, insbesondere auch im Zusammenhang mit der direkten Demokratie unseres Landes. Zum andern, weil die Diskussion zeigt, dass zeitgemässe Reformen auch vor der SRG nicht Halt machen dürfen. Im Sinne von Überdenken des Status quo und von Fokussierung. Als Teil einer funktionierenden und vielfältigen Medienlandschaft Schweiz. So gilt es also: Voller Einsatz für ein möglichst klares NEIN am 4. März. Ein NEIN, das ein JA ist für einen Reformprozess in der SRG, der auch innerhalb von Unternehmen und Verein breit diskutiert werden sollte. Packen wir diese Chance! Der 4. März darf nicht das Ende sein. Sondern die Bestätigung. Und ein Anfang. Illustration Cover: Medianovis, Foto Editorial: zVg. Jakob Stark 2 LINK | Januar 2018
INHALT Fokus No Billag Die No-Billag-Initiative beschäftigt die Schweiz. In wenigen Wochen hat das Volk entschieden: Will es weiterhin gebührenfinanzierte Medien in der Schweiz oder will es sie dem Markt überlassen? Gastautorinnen und -autoren verschiedener Branchen erläutern in dieser LINK-Ausgabe die Konsequenzen der Volksinitiative aus ihrer Sicht. INITIATIVE – Seite 4 Verein SRG.D Philipp Metzger: Evolution statt Revolution – im Porträt der Weg zur digitalen Medienordnung Die SRG Deutschschweiz SRG SSR – Seite 6 (SRG.D) ist eine der vier Ruedi Matter: Die SRG und ihre Programme Regionalgesellschaften des würde es so nicht mehr geben Vereins SRG SSR, der das grösste Medienunternehmen PRIVATE TV- UND RADIOSENDER – Seite 8 der Schweiz mit öffentlichem André Moesch: Über Zerstörtes muss man Auftrag betreibt. Der Verein nicht mehr diskutieren gewährleistet einen wirt- schaftlich und politisch unab- MEDIEN & VOLKSWIRTSCHAFT – Seite 12 hängigen audiovisuellen Philipp Cueni: No Billag hat Auswirkungen Service public in allen Landes teilen. Zudem ist die SRG.D auf die ganze Medienbranche die Dachorganisation der sechs deutschschweizerischen WISSENSCHAFT – Seite 14 Mitgliedgesellschaften sowie Vinzenz Wyss: Abschaffen, der Regionalgesellschaft der was Wissen schafft? rätoromanischen Schweiz. Insgesamt zählt die SRG.D SINNESBEHINDERUNG – Seite 16 rund 16 500 Einzelmitglieder. Pascale Bruderer Wyss: Der Zugang zu Die SRG.D setzt sich für die den Medien ist eine völkerrechtliche Pflicht Anliegen des Unternehmens SRG SSR ein und erfüllt gemäss ihren Statuten ver- VERBREITUNG – Seite 18 schiedene Hauptaufgaben: Radio und TV bis • Verankerung des Unter ins kleinste Bergdorf nehmens SRG SSR in der Bevölkerung KULTUR/FILM – Seite 20 • Interessenvertretung der Denis Rabaglia: Wer würde unsere verschiedenen Bevölke- Geschichten erzählen? rungsgruppen gegenüber dem Unternehmen SRG SSR KULTUR/MUSIK – Seite 22 • Mitwirkung bei der Entwick- lung des Unternehmens Christoph Trummer: Für die Musik steht SRG SSR mehr als die SRG auf dem Spiel • Führung und Förderung der öffentlichen Diskussion zu SPORT – Seite 26 den Grundsätzen und der Roger Schnegg: Sport in seiner Vielfältigkeit Entwicklung des audiovisu- braucht eine starke SRG ellen Service public Ausgabe 1 / 2018 (Januar), erscheint fünf Mal jährlich. Verantwortlich: SRG Deutschschweiz, Dani Ernst, Pernille Budtz. Redaktion: Pernille Budtz. Kontakt: SRG Deutschschweiz, Fernsehstrasse 1– 4, 8052 Zürich, Tel. 044 305 67 03, link@srgd.ch, www.link-mobile.ch. Gestaltung / Produktion: Medianovis AG, Zürich. Druckvorstufe: Küenzi & Partner, Langnau /ZH. Korrektorat: Ingrid Essig, Winterthur. Druck: galledia ag, Berneck. LINK | Januar 2018 3
INITIATIVE Evolution statt Revolution – der Weg zur digitalen Medienordnung A m 4. März 2018 befindet das auch 21 Lokalradios und 13 Regionalfern- schweizerische Stimmvolk sehen wären in ihrer Existenz bedroht. über die Volksinitiative «Ja Bei einer Annahme der Initiative zur Abschaffung der Radio- würde die Schweiz als erstes Land Euro- und Fernsehgebühren (Abschaffung der pas den Service public für Radio und Fern- Billag-Gebühren)». Bereits der Titel deu- sehen abschaffen. Auch wenn aus Kreisen tet darauf hin, dass das Volksbegehren der Initiativbefürworter neuerdings ande- einen radikalen Wandel bezweckt. Der res zu hören ist, lässt der Text der Initia- vorgeschlagene neue Verfassungstext un- tive dem Parlament kaum Spielraum bei termauert dies: Er verbietet die Erhebung der Umsetzung: Mit der Annahme würde von Empfangsgebühren sowie die Subven- eine öffentliche Finanzierung von Radio tionierung von Radio- und Fernsehstatio- «Mit seinen und Fernsehen ausgeschlossen. nen und verlangt die Versteigerung von Beschlüssen hat Auch bei einem Nein bleibt medien Konzessionen. Laut Übergangsbestim- mung müsste der Bundesrat die erforder- der Bundesrat die politisch nicht alles wie heute: Da der On- line-Bereich an Bedeutung gewinnt, will lichen Ausführungsbestimmungen bereits Voraussetzungen der Bundesrat das RTVG zu einem Gesetz bis zum 1. Januar 2019 erlassen. Diese gäl- für eine digitale über elektronische Medien weiterentwi- ten, bis die gesetzlichen Bestimmungen ckeln. Zudem soll die SRG bereits ab nächs- des Parlaments in Kraft treten würden. Medienordnung tem Jahr mit einer neuen Konzession mit Der Wechsel zu einer rein kommerzi- geschaffen – weniger Mitteln mehr leisten – sprich effi- ellen Finanzierung von Radio und Fernse- hen hätte umgehende und einschneidende ohne zerstöre zienter werden. Dazu gehört, dass sie sich stärker von kommerziellen Angeboten un- Konsequenzen. Das Initiativkomitee argu- rische Radikal- terscheidet und den Schwerpunkt noch mentiert, die Abschaffung entlaste Haus- massnahmen.» konsequenter bei der Information setzt. halte und Unternehmen. Eine «ungeheure Schliesslich wurde die Radio- und Fernseh Kaufkraft von 1,37 Mrd. Franken pro abgabe per 1. Januar 2019 auf 1 Franken Jahr» werde freigesetzt. Bundesrat und Philipp Metzger, pro Tag gesenkt mit dem Ziel, sie in Zu- Parlament befürchten dagegen einen Kahl- Direktor Bundesamt für kunft noch weiter zu reduzieren. Mit all schlag mit gravierenden Auswirkungen Kommunikation (BAKOM) diesen Beschlüssen hat der Bundesrat die auf die Volkswirtschaft (Verlust von Ar- Voraussetzungen für eine digitale Medien- beitsplätzen und Wertschöpfung), vor al- ordnung geschaffen – ohne zerstörerische lem aber auf Demokratie, Kultur und Ge- Radikalmassnahmen. sellschaft in diesem Land. Sie wehren sich dagegen, dass dieser Betrag dem schwei- GASTKOMMENTAR: zerischen Medienwesen künftig entzogen PHILIPP METZGER wird. Im Gegensatz zu den Initianten ver- trauen sie nicht leichtfertig auf das freie Spiel der Marktkräfte, das quasi von al- leine zu einer vielfältigen, qualitativ be- friedigenden Information der gesamten Bevölkerung in allen Landesteilen führen soll. Bundesrat und Parlament finden es problematisch, wenn nur noch produziert würde, was rentiert. Absehbar wären eine massive Ausdünnung des Angebots und Foto: BAKOM ein drastischer Abbau, gerade auch in den kleineren Sprachregionen. Die SRG, aber 4 LINK | Januar 2018
Die Initiative im Überblick Gemäss Bundesverfassung müssen 2. (bisher, wird gestrichen): Radio und Fern- Radio und Fernsehen zur Bildung und sehen tragen zur Bildung und kulturellen kulturellen Entfaltung, zur Meinungs Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und bildung und zur Unterhaltung beitragen. zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Sie müssen auch die Besonderheiten der Besonderheiten des Landes und die Bedürf- Schweiz und die Bedürfnisse der Kantone be- nisse der Kantone. Sie stellen die Ereignisse rücksichtigen. Entsprechende Programme las- sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der sen sich in der kleinräumigen Schweiz mit ihren Ansichten angemessen zum Ausdruck. vier Landessprachen allein mit Werbung und Sponsoring nicht finanzieren. Um die Kosten 2. (bisher 3., wird neu zu 2.): Die Unabhängig- zu decken, wird daher eine Radio- und keit von Radio und Fernsehen sowie die Fernsehempfangsgebühr erhoben. Deren Er- Autonomie in der Programmgestaltung sind träge kommen Radio- und TV-Stationen zugu- gewährleistet. te, die den aus der Verfassung abgeleiteten Service-public-Auftrag erfüllen. Auf nationaler 3. (neu): Der Bund versteigert regelmässig Ebene und in den vier Sprachregionen ist die Konzessionen für Radio und Fernsehen. SRG damit betraut. Auf lokaler und regionaler Ebene sind es private Veranstalter. Alle diese 4. (bisher, wird gestrichen): Auf die Stellung Radio- und TV-Stationen haben eine Konzes und die Aufgabe anderer Medien, vor allem sion des Bundes, die den Auftrag präzisiert. der Presse, ist Rücksicht zu nehmen. Die No-Billag-Initiative, über die das Volk am 4. März 2018 befinden wird, will die Radio- 4. (neu): Er subventioniert keine Radio- und Fernsehgebühren abschaffen. Laut der und Fernsehstationen. Er kann Zahlungen Initianten würden mit einem Ja zur Initiative zur Ausstrahlung von dringlichen amtli- «die Haushalte im Vergleich zu heute jedes chen Mitteilungen tätigen. Jahr 451 Franken zusätzlich zur Verfügung haben», die SRG wäre «frei und unabhän- 5. (bisher, wird gestrichen): Programm gig», eine Abschaffung der Gebühren beschwerden können einer unabhängigen würde «die Wirtschaft ankurbeln», und Beschwerdeinstanz vorgelegt werden. «die h orrenden Saläre bei der SRG bzw. die Abzockerei am Volk würde gestoppt» 5. (neu): Der Bund oder durch ihn be ( Abstimmungsbüchlein, S. 25). auftragte Dritte dürfen keine Empfangs gebühren erheben. Konkret sieht die Initiative folgende Änderungen in der Bundesverfassung 6. (neu): Der Bund betreibt in Friedens Artikel 93 vor: zeiten keine eigenen Radio- und Fernseh stationen. 1. (bisher, bleibt): Die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen sowie über andere Formen der öffentlichen fernmeldetechni- schen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist Sache des Bundes. LINK | Januar 2018 5
SRG SSR Die SRG und ihre Programme würde es so nicht mehr geben W elches wären die Folgen, der 34 privaten Radio- und TV-Statio- würde die No-Billag- nen, die ebenfalls mit Hilfe von Gebüh- Initiative am 4. März ren produzieren. Es geht um die Frage, angenommen? Das ist wie viel uns ein solides Schweizer Me- die zentrale Frage in der aktuellen Dis- diensystem Wert ist. Ein System mit öf- kussion. Die publizierten Ansichten fentlich finanzierten und privaten Me- dazu gehen weit auseinander. Umso dien in grösstmöglicher Vielfalt. Denn wichtiger ist es, sich jetzt an Fakten zu natürlich steht nicht allein die SRG für halten und nicht an Vorstellungen oder Qualitätsjournalismus in redaktioneller gar Wunschbilder. Freiheit. Aber: Der wirtschaftliche Fakt ist: Die Initiative will gebüh- Druck auf die klassischen Medien nimmt renfinanziertes Radio und Fernsehen in zu, sie sind herausgefordert. Durch die der Schweiz verunmöglichen. Sie will Digitalisierung und durch grosse, inter- die Konzessionen versteigern. Und sie nationale Player. tilgt Artikel 93, Absatz 2, aus der Bun- Ein Wegfall der gebührenfinanzier- «Wer behauptet, desverfassung – und damit die garan- ten Sender würde die Schweizer Me- von der tierte Grundversorgung mit Informa- dienlandschaft als Ganzes schwächen; tion für alle. Verlierer wären am Ende die Schweize- Zerschlagung Fakt ist: Die SRG, wie wir sie kennen, rinnen und Schweizer. Diese pessimisti- des öffentlich mit ihren Programmen in vier Sprachre- sche Prognose wage ich, auch wenn ich finanzierten gionen, würde es nach einem Ja zur Ini tiative nicht mehr geben. Denn ein sol- keine Kristallkugeln lesen kann. Als Journalist habe ich aber gelernt, Fakten Service public ches Angebot ist nur möglich dank eines zu kombinieren. Und daher erlaube ich würde das Publi- Gebührensystems, das auf Solidarität mir auch dieses Fazit: Wer behauptet, kum profitieren, fusst. Dass der kleine Schweizer Medien markt ein vergleichbares Angebot her- von der Zerschlagung des öffentlich fi- nanzierten Service public würde das Pu- ist naiv, malt vorbringen könnte, ist realitätsfern, eine blikum profitieren, ist naiv, malt Luft- Luftschlösser – Illusion. Fakt ist: In allen funktionierenden schlösser – oder täuscht absichtlich. oder täuscht europäischen Demokratien gibt es einen GASTKOMMENTAR: absichtlich.» medialen Service public mit öffentlicher RUEDI MATTER Finanzierung. Modelle für vollwertige Service-public-Programme, die allein Ruedi Matter, Direktor SRF durch Werbegelder oder gar durch Pay-TV finanziert werden, gibt es auch in weit grösseren Märkten nicht. Aller- dings gibt es durchaus reale Beispiele dafür, was geschieht, wenn mächtige In- vestoren sich Massenmedien zu eigen machen, um ihre Interessen zu stärken. Die Folgen sind fatal für die Demokra- tie. Denn sie braucht Bürgerinnen und Bürger, die sich aufgrund unabhängiger Information eine freie Meinung bilden können. Fakt ist also auch: Es geht um weit mehr als um die Zukunft der SRG und 6 LINK | Januar 2018
PRIVATE TV-/RADIOSENDER Über Zerstörtes muss man nicht mehr diskutieren I ch habe keine Kinder. Und bezahle wenn genügend Geld vorhanden ist, unge- trotzdem mit meinen Steuern die niert politische Propaganda. Als letzter Sanierung des Primarschulhauses Hort für seriösen Journalismus bleiben im Dorf. Wenn ich den Zug be- dann wohl nur die Zeitungen – aber auch Radio X nutze, dann fahre ich fast nur die Strecke die verlieren seit Jahren Leser, weil vor al- 0,6 Mio. St. Gallen–Bern. Und finanziere mit mei- lem Junge sich immer mehr dem Internet Keine nem Billett auch kaum benutzte Regional- zuwenden. Dort bewegen sie sich dann Angaben strecken im Bündnerland. Ich bezahle zwischen Wutbürgern und Filterblasen. Radio Canal 3 auch brav meine Beiträge an die Sozial- Es gibt viel berechtigte Kritik, an un- 1,7 Mio.* hilfe. Und bekomme (hoffentlich) mein serem Bildungssystem, am öffentlichen BNJ Weiterbestand 2,8 Mio. ganzes Leben nie etwas davon zurück! Verkehr, den Sozialwerken. Aber deswe- nicht mehr möglich Wenn es nach der Logik der No-Billag- gen kommen wir nicht auf die Idee, sie ab- Keine Angaben Initianten geht, dann gehört das alles ab- zuschaffen. Wir reformieren sie. Auch die geschafft: Ich bezahle nur, was ich selber gebührenfinanzierten Radio- und Fern- Canal Alpha 3,4 Mio. (60 %) auch nutze. Diesen Satz höre ich jeden Tag sehstationen haben regelmässig Reform- von No-Billag-Befürwortern, ich lese ihn bedarf. Sie haben eine grosse Verantwor- Würde TeleBielingue eingestellt, 2,7 Mio.** dutzendfach auf Facebook und ich werde tung im Umgang mit den Gebührengeldern 35 Entlassungen Weiterbestand ausgelacht, wenn ich mit «Solidarität» und müssen sich der Kritik stellen. Wer nicht mehr möglich kontere. Diejenigen, die mich nicht nur aber Ja sagt zur No-Billag-Initiative, der niederschreien, landen rasch beim Tot- verunmöglicht genau diese Diskussion. schlagargument: «Das kann man doch Was einmal zerstört ist, darüber muss man TeleBärn 2,9 Mio. (ca. 40 %) nicht vergleichen!» Wirklich nicht? nicht mehr diskutieren. Natürlich sind die Medien nicht die Léman bleu Regionaler Service 2,7 Mio. (55 %) public wäre in gleicher SBB. Oder unsere Sozialwerke. Für unser Qualität nicht mehr zu bewerkstelligen Zusammenleben sind sie aber ebenso GASTKOMMENTAR: Schliessung nicht La télé (VD/FR) wahrscheinlich, 4,2 Mio. (65%) wichtig. Wir alle sind stolz auf unsere di- ANDRÉ MOESCH Modell müsste überdacht werden Schliessung Radio Freiburg rekte Demokratie und halten sie für eine wahrscheinlich 2,4 Mio. (33 %) der zentralen Errungenschaften unseres Radio Cité Existenz Landes. Direkte Demokratie aber bedeu- 0,7 Mio. bedroht, Entlassungen tet nichts anderes, als dass nicht Berufspo- Keine Radio Chablais litiker, sondern jeder einzelne Bürger sehr Angaben 1,5 Mio. (28 %) genau Bescheid wissen muss über jede Ab- Abbau der Hälfte des stimmungsvorlage. Er braucht Informa- Personals tion. Dafür sind die Medien da, insbeson- Canal 9 4,1 Mio. (54 %) dere die konzessionierten Radio- und Radio Rhône FM Würde Fernsehstationen, die einen gesetzlichen 1,4 Mio. eingestellt Auftrag haben, über Politik ausführlich Keine und ausgewogen zu informieren. Angaben Kommt die No-Billag-Initiative durch, Kommerzielle Radios dann verschwindet die SRG und mit ihr 34 Komplementäre Radios regionale Radio- und Fernsehstationen mit Regionalfernsehen Gebührenanteil und Leistungsauftrag. Dann darf – auch in puncto politischer In- Gebührenanteil * Darf 50 % der Betriebskosten (in CHF 2016; Quelle: BAKOM) formation – der freie Markt spielen: Wer nicht übersteigen Budget (in %) Fernsehen machen will, ersteigert sich eine ** Darf 70 % der Betriebskosten Konzession, macht reine Unterhaltung wie Konsequenzen bei No Billag nicht übersteigen die deutschen Privatsender oder macht, 8 LINK | Januar 2018
Regional-TV und -Radio: Existenziell bedroht Das Schweizer Medienmaga- Telebasel Radio Munot Radio Rasa zin «Edito» (6/2017) hat die 3,2 Mio. (40 %) 1,2 Mio. (ca. 35 %) 2,7 Mio. (55 %) Betreiber der 34 privaten Ra- Angebot müsste Weiterbetrieb mit Weiss noch nicht André Moesch, dio- und Fernsehsender, die massiv zusammen- hörbarer Reduktion gestrichen werden des Informations- Präsident TELESUISSE, Gebührengelder erhalten, ge- angebotes Verband der Schweizer fragt, welchen Anteil ihrer Regionalfernsehen, Einnahmen die Gebühren Tele M1 Radio Stadtfilter Radio toxic.fm Geschäftsführer TVO 2,9 Mio. (ca. 40 %) 0,5 Mio. (67 %) 0,6 Mio. (ca. 60 %) ausmachen und was bei einer Regionaler Service Könnte in bisheriger Könnte im Annahme von No Billag ge- public wäre nicht mehr Form nicht weiterge- bisherigen Umfang schehen würde. Die meisten in gleicher Qualität zu führt werden kaum weitergeführt bewerkstelligen werden Sender, insbesondere die re- gionalen TVs, wären in ihrer Kanal K Radio LoRa Tele Top Existenz bedroht. 0,6 Mio. (67 %) 0,5 Mio. (ca. 85 %) 2,5 Mio. (60 %) «Regionalfernsehen, wie wir Würde es nicht Betrieb ohne Geht nicht von es heute kennen, mit mehr geben Gebühren fraglich einer Annahme von No Billag aus – Schwerpunkt regionale Infor- deshalb: kein Plan B mation, lässt sich nicht aus dem lokalen Werbemarkt Radio Neo1 Radio 3fach TVO 1,2 Mio. (ca. 50 %) 0,5 Mio. (ca. 85 %) 2,9 Mio. (ca. 55 %) finanzieren», sagt etwa TVO- Geschäftsführer André Betrieb würde Betrieb ohne Würde faktisch das Radio Südost- grundsätzlich in Gebühren fraglich Aus bedeuten schweiz Moesch: «Die Vorstellung der Frage gestellt 2,6 Mio. (ca. 42 %) Initianten, man könne einfach Würde eingestellt freiwillige Abonnements ver- Radio Rabe TELE 1 kaufen, ist absurd – einem 0,5 Mio. (ca. 70 %) 0,3 Mio. (ca. 66 %) riesigen Verkaufsaufwand Langfristig kaum eine Keine Tele Ticino TV Südost- würden bestenfalls Ertrags- Überlebenschance Angaben 3,5 Mio. (52 %) schweiz 4,1 Mio. (ca. 67 %) Brösmeli gegenüberstehen.» Kompliziertes Szenario Würde eingestellt Beim Emmentaler Radio Radio Beo Neo1 wäre, so Geschäfts 1,7 Mio. (ca. 40 %) leiter Jüre Lehmann, der Gäbe es in dieser Fiume Ticino Betrieb ohne Gebühren nicht Form nicht mehr 1,1 Mio. aufrechtzuerhalten: «Unsere Keine Leidenschaft, das Konzes Angaben sionsgebiet in allen Facetten Radio Rottu abzubilden und hörbar zu 4,1 Mio. (54 %) machen, könnte nicht mehr Würde eingestellt Radio 3i 1,0 Mio. (30 %) umgesetzt werden. Die Folge wäre ein Hörerschwund und Kompliziertes Szenario damit ein Rückgang der Wer- beeinnahmen.» Foto: zVg., Illustration: «Edito» LINK | Januar 2018 9
MEINUNGEN Darum sagen wir NEIN «Ich lehne die No-Billag- Initiative ab. Nicht, weil ich alles von SRF gut finde – muss ich auch nicht – aber weil ich Prisca Birrer-Heimo, zum Beispiel auf Präsidentin Stiftung für ‹Echo der Zeit›, Konsumentenschutz SKS ‹Kontext›, «Für unser demokratisches ‹Einstein› und System, aber auch für eine fundierte Information Korrespon von uns Konsumentinnen denten wie und Konsumenten sind unab hängige und personell Patrik Wülser, ausreichend dotierte Medien Martin Alioth, unternehmen wichtig. Ein NEIN zu No Billag garantiert Iren Meier und ein breites und erschwing viele andere liches Angebot.» HEIDI MARIA GLÖSSNER, SCHAUSPIELERIN nicht verzichten «Die Kultur ist das Brot der Seele! Die SRG ist möchte.» «Diese Initiative macht mitverantwortlich für dieses ‹Brot›! Wir wollen so ziemlich alles kaputt, nicht geistig und emotional verhungern – Verena Abplanalp, Biel-Bienne was mir lieb und teuer ist. deshalb ein klares NEIN zu ‹No Billag›!» Ich bin eine leidenschaft liche Radiohörerin. ‹Rendez-vous› am Mittag, ‹Echo der Zeit› oder die Tagesgespräche orientie- ren mich umfassend durch «Die Qualitätseinbussen, wie die Woche. Alle Hinter- wir sie im US-Wahlkampf ge- grundsendungen wie ‹Kontext› und ‹Doppel- sehen haben, lassen nur eine punkt› möchte ich auf staatspolitische Folgerung keinen Fall missen. Ich zu: Der allgemein finanzierte stimme ganz sicher NEIN zu dieser völlig unnötigen Service public muss mit allen Initiative.» Mitteln verteidigt werden.» Trudi Raciti, Christian Vontobel, Muttenz Basel Fotos: zVg. 10 LINK | Januar 2018
«Die Mundart Casper Selg, vielfalt, echte ehemaliger Leiter Schweizer Kultur, «Echo der Zeit» die am Deutsch- «No Billag heisst: Kahl- schweizer Radio schlag statt Vielfalt. Für gepflegt wird, alle vier Landesteile. Und das gilt ganz speziell für ginge verloren den Bereich internationale oder würde Politik. Denn selbst wenn die Initianten Recht behiel- vernachlässigt, HEINZ FREI, RENNROLLSTUHL-SPORTLER ten und eine Rumpf-SRG darum ein klares «Ohne gelegentliche gute Beiträge und Recherchen überleben könnte (was ich für völlig unmöglich halte): NEIN an der Urne von SRF über unseren Behindertensport wird dieser Ein ‹Echo der Zeit› oder eine in die Steinzeit unserer Bemühungen zurückfallen, am 4. März weil Behindertensport von privaten Anbietern und ‹Rundschau› wird mit Sicherheit nicht mehr im 2018!» Bezahl-TV keine Beachtung finden wird. Wir würden Programm sein.» Ruth Olloz, auch erst bei einem Ja zu dieser Vorlage die Champéry (VS) Erkenntnis gewinnen, dass dadurch das Fernsehen nicht billiger wird, weil man dieses dann nämlich von seinen Favoritensendern für teures Geld einkaufen muss. Darum: Schweizer Fernsehen mit SRF für die ganze Schweiz bleibt billiger und ausgewogen Dank einem NEIN zu No Billag.» «Als Publikumsrätin SRG.D, sehe ich als Zuschauerin und Zuhörerin auch hinter die Kulissen von Radio und Fern- «Was die Artenvielfalt für die «Ich setze mich ein für die sehen. Ich mache mir grosse Erhaltung der lebendigen Erhaltung der Spartenradios. Sorgen um die Vielfalt und Natur bedeutet, ist für die Für junge Schweizer Musiker Ausgewogenheit in unserer lebendige Demokratie die und Komponisten ist dies Medienlandschaft, weil mit Vielfalt, die Diversität des die erste Möglichkeit, sich einem Ja zu No Billag Angebots in den Medien, wie einer breiteren Hörerschaft kompetente Sendungen ver- es das SRF verkörpert. Das vorzustellen, was für ihre Kathy Gerber, schwinden und Minderheiten soll erhalten bleiben.» Karriere sicher wichtig ist.» Publikumsrätin SRG vernachlässigt werden. Scha- Deutschschweiz de, wenn wir erst 2019 mer- Thomas Schnyder, Ursula Bertschinger, ken, was alles fehlt!» Zürich Zollikon LINK | Januar 2018 11
MEDIEN & VOLKSWIRTSCHAFT No Billag hat Auswirkungen auf die ganze Medienbranche W elche Auswirkungen hätte Wegfallen der entsprechenden SRG-Nor- ein Sendeschluss bei der men und der Konkurrenzsituation könnte SRG SSR und den 34 Regio für die Branche eine Nivellierung nach un- nalsendern auf den Jour ten provozieren. nalismus und die Medienlandschaft der Die SRG bietet heute fachlich attrak- Schweiz? tive und auch spezialisierte Arbeitsplätze, Durch No Billag würden circa 47 Sen die in der kleinen Schweiz ohne gebühren- derangebote und etwa 13 500 Vollzeitstel unterstützten Service public kaum mehr len abgeschafft. Zusätzlich geht etwa ein angeboten würden: etwa beim weltweiten Drittel der gesamten Filmproduktion in der Korrespondentennetz, in Spezialberei- Schweiz verloren – jener Teil, der von der chen der Musikredaktionen, beim Dekor- SRG finanziert wird. Eine derart massive bau, für Multimedia-Elektroniker, im Hör- Verkleinerung des Medienplatzes Schweiz spielbereich, bei den Live-Produktionen wird die Struktur dieser Branche insgesamt von Skirennen und, und, und. Der techni- schwächen: Vielfalt, Konkurrenz, Fachwis sche Sektor der SRG hat ein weltweit an- sen und Know-how werden dünner. erkanntes Spitzen-Know-how erreicht – «Eine lebendige Die Rechnung, der Markt würde diese bis hin zu Eigenentwicklungen bei der Medienszene Verluste ersetzen, geht nicht auf. Denn der Radio- und TV-Technologie. setzt einen brei- Markt finanziert nur, was Gewinn ver spricht. Die allermeisten der gebührenfi Ohne gebührenfinanzierte Sender würde die schweizerische Medienland- ten Arbeitsmarkt nanzierten Programmangebote sind in der schaft weiter verkleinert; damit besteht die und eine starke Schweiz über Werbung oder Pay-Ange Gefahr, dass die Branche insgesamt mar- Branche voraus.» bote also nicht refinanzierbar – zu klein der Publikumsmarkt, zu hoch die Kosten. ginalisiert wird und Berufsstandards ohne die SRG unter Druck geraten könnten. Das Das zeigen Erfahrungen in der Schweiz ganze mediale Berufsfeld und das entspre- Philipp Cueni, und im Ausland. chende Know-how würden in der Schweiz freischaffender Journalist, Die Verkleinerung des Mediensektors massiv geschwächt. ehemaliger Chefredaktor schwächt ihre gemeinsame Strukturen. So des Medienmagazins «Edito» wäre nach dem Wegfall des grössten Kun GASTKOMMENTAR: den (SRG) die Schweizerische Depeschen PHILIPP CUENI agentur SDA in ihrer Existenz definitiv ge fährdet. Oder bezüglich Ausbildung: Ein gutes Angebot setzt einen breiten Arbeits markt und eine starke Branche voraus. Beide sind bedroht. Denn auch im Ausbil dungsbereich ist die SRG bisher eine Ga rantin: mit hauseigenen Ausbildungsgän gen in verschiedenen Berufen, mit Praktikumsplätzen und über ihre Mitträ gerschaft an Journalismusschulen. Es droht die Verflachung von Berufs standards, denn die SRG definiert diese wesentlich mit, zum Beispiel durch Ethik richtlinien. (Die SRG trägt – auch finanzi ell – den Presserat mit.) Oder bezüglich Foto: swissmediaforum Gleichstellung – die SRG gilt hier als Trendsetter im Medienbereich. Oder im Bereich der Arbeitsbedingungen. Ein 12 LINK | Januar 2018
Medien als Wirtschaftsfaktor Kamerafrau, Journalist, IT-Spezialistin, Grafiker, Projektleiterin, Beleuchter, Visagistin, HR-Fachmann, Controller, Dokumentalistin, Regisseur, Produzentin, Redaktionsleiter: Das sind einige der vielen Berufe, welche die gebührenfinanzierten Medienhäuser als Arbeitgeber in der ganzen Schweiz brauchen – aber auch Ausbildungs- und Arbeitsplätze bieten. Der mediale Service public wird in der öffentlichen Diskussion meist als Kostenfaktor wahrgenommen. Fakt ist: Die von der Initiative betroffenen Medienhäuser sind als Arbeitgeber und Leistungsträger mit einem Gesamtjahresumsatz im Milliardenbereich ein relevanter Faktor für die Schweizer Wirtschaft und ihre Arbeitsplätze – nicht nur national, sondern auch regional. 1 Milliarde Franken Bruttowertschöpfung 13’500Arbeitsplätze Die SRG und die konzessio- nierten Privatsender Die konzessionierten erwirtschaften insgesamt Privatsender und die SRG 7,5 Millionen Franken für eine Bruttowertschöpfung bieten als Arbeitgeber 6’800 Arbeitsplätze. Aus- und Weiterbildung von fast einer Milliarde Indirekt lösen die Aufträge Franken. Die gebührenfinan- dieser Sender weitere Die SRG investierte in den letzten drei Jah- zierten Sender erwirtschaf- 6‘700 Arbeitsplätze in ren jährlich rund 2,5 Ausbildungstage res- ten beinahe so viel Wert- anderen Branchen aus. pektive 7,5 Millionen Franken in die Aus- schöpfung wie die Textil-und und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Bekleidungsindustrie zu Pro Jahr sind in der SRG circa 50 Lernende sammen und ist gemessen sowie rund 80 Praktikantinnen und Prakti- an der Wertschöpfung fast kanten tätig. Zudem erhalten jedes Jahr doppelt so gross wie die circa 70 Stagiaires die Chance, eine journa- Agrochemie. listische Laufbahn einzuschlagen. Quellen: BAK BASEL, «Volkswirtschaftliche Effekte des gebührenfinanzierten medialen Service public» 2016, SRG SSR 90 % 3-fache Bedeutung in der italienischen Schweiz In der italienischsprachigen Schweiz ist 723 Millionen Franken usgaben in der Schweiz A die Bedeutung des medialen Service Einkommen Ausgaben im Ausland public mehr als dreimal so hoch wie im gesamten nationalen Durchschnitt. 13‘500 Arbeitsplätze lösen Ein- Bis 2028 sollen die Aus Obwohl der Bevölkerungsanteil der italie- kommen der Arbeitnehmenden von gaben, welche bei der nischen Schweiz etwas über 4 Prozent 723 Millionen Franken aus. Davon Erfüllung des Service- liegt, entfallen 17 Prozent der Arbeits- fliesst ein Teil in Form von Konsum public-Auftrags der SRG plätze des medialen Service public auf anfallen, in der Schweiz ausgaben in den regionalen Wirt- diese Region. Auch die Westschweiz getätigt werden, und zwar schaftskreislauf, also zu lokalem in den unterschiedlichsten hat einen höheren Beschäftigungsgrad Handel und Gewerbe; ein anderer Branchen (AV-Industrie, (29 Prozent) im Bereich des medialen Teil geht in Form von Steuern an IT, Film, Bau, Energie Service public im Verhältnis zu ihrem Be- Städte und Gemeinden. usw.). völkerungsanteil (26 Prozent). LINK | Januar 2018 13
WISSENSCHAFT Abschaffen, was Wissen schafft? I st im Islam das Kopftuch ein Sym- dien würden sich heute noch Wissen- bol der Unterdrückung der Frau, schaftsredaktionen leisten können. oder ist es Ausdruck religiöser Ge- Ebenso sieht das Rainer Borer, Leiter fühle? Ist die Erwerbsquote der der Hochschulkommunikation der ETH: stärkere Erfolgsfaktor zur Integration von «Für die Wissenschaftskommunikation ist Migranten als Sprachkompetenz? Das sind es generell wichtig, dass die Medien über Fragen, die im aktuellen politischen Jour- kompetente Redaktionen verfügen, denen nalismus immer wieder aufkommen. Kom- es gelingt, kritisch, korrekt und mit hoher petenter Journalismus überlässt die Ant- Einordnungskompetenz über die For- worten jedoch nicht einfach Politikerzitaten schungsergebnisse von Hochschulen zu in journalistischen Geschichten. Vielmehr berichten. Die Fachredaktionen von SRF zeichnet sich Qualitätsjournalismus da- übernehmen diese wichtige Aufgabe in durch aus, dass er auch auf Wissen Bezug sehr guter Weise.» Die Wissenschaft sei nimmt, das etwa in den genannten Beispie- Vinzenz Wyss, auf gelungene Transferleistungen durch len bei Islam- beziehungsweise Migrations- Kommunikationswissenschaftler kompetente Wissenschaftsjournalisten und Professor für Journalistik ZHAW wissenschaftlern zu finden ist. Dies setzt angewiesen. Nur dank diesen könne es ge- voraus, dass Journalisten ein wissenschaft- lingen, komplexe Forschungsergebnisse liches Netzwerk aktivieren können, um wie etwa die Entdeckung des Higgs-Teil- spezifisches Wissen abzuholen. Die Informationsabteilung von SRF R adio, chens am Cern einem breiten Publikum Gerade in Zeiten, die mittlerweile die von Bern aus sämtliche SRF-Radio zu vermitteln. «postfaktisch» genannt werden, komme sender mit Informationssendungen wie Die beiden Hochschulvertreter sind mit der Wissenschaftsberichterstattung und «Rendez-vous» oder «Echo der Zeit» ver- ihrer Einschätzung nicht allein. Noch im damit der wissenschaftlichen Fundierung sorgt, ist zum grossen Teil schon seit Län- Februar treten sämtliche Schweizer Aka- des Journalismus’ eine besondere Bedeu- gerem in Fachredaktionen organisiert. Die demien der Wissenschaften – also die Ge- tung zu, meint Achim Podak, Bereichslei- Chefredaktorin Lis Borner ist überzeugt, sellschaften der Naturwissenschaften, Me- ter «Wissen und Gesellschaft» bei Schwei- dass «die Qualität unserer Radio dizin, Technik sowie Geistes- und zer Radio und Fernsehen (SRF). Die Studie berichterstattung auch dank unserer Fach- Sozialwissenschaften – mit einer Stellung- «Wissenschaftsbarometer» zeige, dass sich redaktionen schon so lange so konstant nahme zur No-Billag-Initiative an die Öf- mehr als die Hälfte der Schweizer Bevöl- hoch ist.» Diese haben eine wichtige fentlichkeit. Sie nehmen den Initiativtext kerung stark oder sehr stark für Wissen- Funktion, indem sie das tagesaktuelle Ge- beim Wort und gehen davon aus, dass der schaft und Forschung interessiere. Deshalb schehen schnell und kompetent einordnen Bildungsauftrag der Service-public-Me- habe man sich bei SRF entschieden, Wis- und vertiefen, das Wichtige vom Unwich- dien gestrichen und somit weniger Sende- senschaft in der Berichterstattung zu stär- tigen trennen sowie korrekte und fun- plätze für die Berichterstattung über Wis- ken, während Wissenschaftsressorts bei dierte Hintergründe liefern würden. senschaft angeboten würden. «Private anderen Medien häufig dem Spardruck Nun erstaunt es nicht, dass die Kader von Fernseh- und Radiostationen verfügen zum Opfer fielen. Auch für den Chefredak- SRF ihre Strukturen der Wissenschaftsbe- kaum über die Ressourcen, um For- tor von SRF TV, Tristan Brenn, ist klar, richterstattung würdigen. Doch auch Jürg schungsergebnisse journalistisch zu verar- dass im Journalismus Dossierkompetenz Dinner, Leiter Kommunikation der Uni- beiten», warnt Franca Siegfried, Spreche- und Expertise immer wichtiger werden: versität Zürich, lobt die Wissenschaftbe- rin der Schweizerischen Akademie der «Gefragt sind Fact-Checking, Erklärstü- richterstattung von SRF. Sie sei für eine Geistes- und Sozialwissenschaften vor der cke, Kontextualisierung und Analysen. wissenschaftsinteressierte Öffentlichkeit wissenschaftsfeindlichen Initiative. Darum ist es wichtig, interne Experten zu von hoher Relevanz. Bildung und Wissen haben, die kompetent und glaubwürdig die seien der Schlüssel zur Zukunft. Es sei VINZENZ W YSS Geschichten hinter den Nachrichten erklä- enorm wichtig, dass auch der Journalismus ren.» Beim Fernsehen setzt man deshalb der Gesellschaft den Nutzen von Wissen- Foto: Thomas Züger künftig auf ein Fachredaktionsprinzip, das schaft und Innovation aufzeige. Gerade im Newsroom auch organisatorisch unter- Wissenschaft werde jedoch vom Werbe- stützt wird. markt vernachlässigt und nur wenige Me- 14 LINK | Januar 2018
Werden Sie Mitglied Ihr Engagement ist Programm. Radio, Fernsehen, Multimedia – die Mitglieder der SRG stehen für ihre Medien ein. Sie engagieren sich für die Meinungsvielfalt in der Schweiz. Werden auch Sie Mitglied der SRG-Trägerschaft. • Leisten Sie einen Beitrag an die Zukunft der SRG-Medien. • Erleben Sie mediale Entwicklungen hautnah mit. • Nutzen Sie die Plattform, diskutieren Sie mit zu aktuellen Medienthemen. • Informieren Sie sich mit dem Magazin «LINK» und dem «Newsletter SRG.D aktuell» und nehmen Sie an exklusiven Events und Studiobesuchen teil. • Wirken Sie aktiv in den Gremien und Arbeitsgruppen Ihrer regionalen Trägerschaft mit. Anmeldung auf www.mitglied.ch
SINNESBEHINDERUNG Der Zugang zu den Medien ist eine völkerrechtliche Pflicht Die No-Billag-Initiative ist ein Angriff auf Errungenschaften, die für Menschen mit einer Sinnesbehinderung von grosser Bedeutung sind. Nicht nur, aber auch deshalb stehen die Behindertenorganisationen engagiert für ein Nein zur Initiative ein. W enn wir am 4. März über im Speziellen ist eine völkerrechtliche die No-Billag-Initiative Pflicht, welche die Schweiz mit der Ratifi- abstimmen, dann be- zierung der UNO-Behindertenrechts trifft dies den Alltag konvention eingegangen ist. Sendungen, und das Medienangebot von sehr vielen die dies auch für Menschen mit Sinnesbe- Menschen. Einige davon sind aber beson- hinderungen sicherstellen, sind allerdings ders betroffen, denn für Menschen mit Sin- nicht rentabel und deshalb auf eine öffent- nesbehinderung würde der Zugang zu po- liche Finanzierung angewiesen. Genau litischen Informationen auf einen Schlag diese Grundlage will die No-Billag-Initia- massiv eingeschränkt. tive jedoch entziehen! Das würde den All- Die SRG SSR bereitet einen grossen tag sehr vieler Menschen betreffen, jene «Für blinde Teil ihrer Sendungen so auf, dass auch mit einer Sinnesbehinderung jedoch noch Bürgerinnen und Menschen mit einer Sinnesbehinderung stärker als manch andere. Zugang dazu haben. Die Verpflichtung, Als Präsidentin von Inclusion Handi- Bürger sind quali- barrierefrei zugängliche Sendungen anzu- cap, dem Dachverband der Behinderten- tativ hoch bieten, wurde 2004 im Rahmen der Total- organisationen, setze ich mich deshalb stehende Radio revision in das Radio- und Fernsehgesetz integriert. Seither hat die SRG die Anzahl klar für ein Nein zu No Billag ein. Ich danke Ihnen für Ihre Solidarität und Un- sendungen wie der barrierefrei aufbereiteten Sendungen terstützung. zum Beispiel das kontinuierlich erhöht, und gemäss aktuel- ler Vereinbarung ist bis 2022 eine weitere ‹Echo der Zeit› Steigerung vorgesehen: 80 Prozent der GASTKOMMENTAR: PASCALE BRUDERER W YSS wichtige Infor- TV-Sendungen sollen bis dann untertitelt mationsquellen.» und jährlich 900 Stunden Sendungen mit Audiodeskription versehen werden. Letz- teres sind «Hörfilme», bei denen das be- Pascale Bruderer Wyss, wegte Bild laufend erläutert wird. Diese Präsidentin Inclusion Handicap Angebote erlauben blinden und sehbehin- derten sowie gehörlosen und schwerhöri- gen Menschen einen möglichst gleichbe- rechtigten Zugang zum TV-Angebot. Namentlich die Informationssendungen haben eine zentrale Bedeutung für die po- litische Meinungsbildung: Für blinde Bür- gerinnen und Bürger sind qualitativ hoch- stehende Radiosendungen wie zum Beispiel das «Echo der Zeit» wichtige Informa tionsquellen. Die «Tagessschau» in Gebär- densprache wiederum erfreut sich bei ge- hörlosen Personen grosser Beliebtheit. Der Zugang zu den Medien im Allge- Foto: zVg. meinen sowie zur politischen Information 16 LINK | Januar 2018
Morgan Schwab Hörsehbehindert «Mit den Gebühren werden auch die Untertitel, die Gebärdendolmetscher- Einblendungen und die Audiodeskription bezahlt. Wir Menschen mit Sinnes behinderungen wollen auch teilhaben. Wir wollen die Argumente der Menschen und Parteien erfahren – dafür ist zum Beispiel die ‹Arena› untertitelt. Ohne SRF gibt es das nicht mehr. Ohne Gebüh- Foto: SRF / Oscar Alessio ren haben wir keinen Zugang mehr zum Fernsehen.» LINK | Januar 2018 17
VERBREITUNG Radio und TV bis ins kleinste Bergdorf 1 4 2 3 1 D ie SRG SSR verpflichtet sich sorgung der Haushalte in der Schweiz ist Für die terrestrische Verbreitung ihrer gemäss Radio- und TV-Ge- garantiert. Die SRG stellt zudem sicher, Radioprogramme unterhielt die SRG 2016 setz (RTVG Art. 30), eine flä- dass die ganze Schweiz in Krisensituatio- insgesamt 1259 Sendeanlagen und für die chendeckende Verbreitung nen innert kurzer Zeit informiert wird. Mit Fernsehprogramme 215. ihres Programms zu gewährleisten. Das der Verbreitungsversorgung verbunden Das terrestrische Sendernetz betreibt Illustration: www.broadcast.ch heisst: Egal ob Grossstadt, Dorf oder Sied- sind kostenintensive Investitionen – rund Swisscom Broadcast im Auftrag und auf lung im hintersten Schweizer Tal, «Echo 104 Millionen Franken im Jahr bezie- Rechnung der SRG. Das Sendernetz-En- der Zeit», «Samschtig-Jass» oder das Lau- hungsweise sieben Prozent der jährlichen gineering und die Planung stellt die SRG berhornrennen kommen an. Eine fast Gesamtkosten der SRG – sowie komplexe sicher. Die Investitionen fallen bei Swiss- hundertprozentige Verbreitungsver- Verträge mit anderen Unternehmen. com an, die SRG amortisiert die Anlagen 18 LINK | Januar 2018
2 Für die Satellitenverbreitung betreibt die SRG eine eigene Aufbereitungs-, Überwa- chungs- und Verbindungsinfrastruktur. Da- mit es keine Unterbrüche gibt, sind die An- lagen mehrfach vorhanden: je zweimal re- dundant in Zürich und Lugano, damit man Würden Radio- je nach Wetter unterbruchsfrei vom Norden und TV-Gebühren in den Süden beziehungsweise umgekehrt schalten kann. Zwei Satellitentransponder wegfallen … sind bei Eutelsat langfristig gemietet. … müsste die SRG so rasch 5 wie möglich die Verträge 3 kündigen. Bei jedem Vertrags ausstieg wären hohe Aus- stiegsentschädigungen zu entrichten, da es hier teilweise Bei der Onlineverbreitung (Streaming) ist um langfristige Infrastruk- es ähnlich: Aufbereitungs- und Überwa- turverträge geht; chungsanlagen sind bei der SRG, die benö- … wäre es unklar, in welchem tigten Übertragungskapazitäten werden Umfang die Privatunterneh- bei einem sogenannten CDN (Content De- men, welche die Sendeanlagen livery Network) gemietet. betreiben, ihre Anlagen beim Wegfallen eines grossen Auf- 4 traggebers wie der SRG noch weiterbetreiben könnten; … wäre eine nationale Ra- dio-Verbreitung über die Die SRG treibt die Modernisierung voran, ganze Schweiz, wie die SRG beispielsweise mit hochauflösendem sie heute anbietet, nicht vor- Fernsehen (HDTV und Dolby Digital) stellbar, denn diese wäre rein oder rauschfreiem Radio (Digital Audio kommerziell nicht zu refinan- Broadcasting, DAB+). Gemeinsam mit der zieren; Schweizer Radiobranche engagiert sich die … wäre die Grundversorgung SRG für eine Ablösung der analogen Ra- in Krisensituationen durch dioverbreitung über UKW durch DAB+ die SRG noch bis Ende 2018 bis spätestens Ende 2024. gewährleistet, danach nur noch gemäss den Ausfüh- 5 rungsbestimmungen des Bundesrats, die er per 1.1.2019 in Kraft setzen müsste. Darin wäre auch zu Bei schweren Krisen ist die SRG das offi- regeln, wie diese Informatio- zielle Informationsorgan des Bundesrats. nen bis zum Inkrafttreten ei- Leistungsvereinbarungen stellen sicher, nes neuen Gesetzes sicher- über die jährlichen Betriebskosten. Die dass sich der Bundesrat jederzeit an die Be- gestellt werden sollen. Kosten dafür bewegen sich im mittleren völkerung wenden kann. Falls die SRG zweistelligen Millionenbereich. nicht mehr in der Lage sein sollte, ein re- Die Sendeanlagen werden von Swiss- guläres Programm herzustellen und zu com Broadcast oder anderen Privatunter- verbreiten, produzieren ihre Journalistin- nehmen betrieben. Oft werden sie nicht nen und Techniker ein dreisprachiges ausschliesslich für Broadcastdistributions- Radio-Notprogramm unter der direkten zwecke verwendet; die SRG bezieht ein- Verantwortung des Bundes. zig den Service für den Betrieb der eige- nen Sendefrequenzen. QUELLE: SRG SSR LINK | Januar 2018 19
KULTUR/FILM Wer würde unsere Geschichten erzählen? S o ist es in allen «kleinen» euro Claude Goretta und Michel Soutter. Die päischen Ländern, in Belgien, Produktionsgelder, die sie für ihre ersten den Niederlanden und in Skan Kinofilme erhielten, erlaubten den Durch- dinavien: Unterhalb der Zehn- bruch des «jungen Schweizer Films» auf Millionen-Einwohnergrenze sind die öf internationaler Ebene. Diesen Erfolg nutz- fentlichen Fernsehanstalten die unum ten auch die Filmschaffenden der anderen gänglichen Verbündeten des nationalen Regionen des Landes, indem sie eine re- Filmschaffens. Warum? Weil ein nationa gelmässige Zusammenarbeit mit den an- les Fernsehen durch Produktion und Aus deren Einheiten der SRG auf die Beine strahlung über seine Nation berichten stellten. In der deutschen Schweiz zum muss. Es kann sich nicht damit begnügen, Beispiel wird der Dialekt zum Eckpfeiler die amerikanischen Serien, so brillant sie dieser Politik. Denn wenn Schweizer Fern- auch sein mögen, bis ins Unendliche zu sehen keine Dialektfilme produziert, wer wiederholen. Seine Aufgabe ist es, Ge macht es dann? Bestimmt nicht die deut- schichten für jedes Publikum zu erzählen schen Fernsehanstalten. So hat sich im «Die Zusammen und nicht nur für die Schlaflosen, die Filme und Serien auf VOD (video on demand) Laufe der Jahrzehnte zwischen Schweizer Fernsehen und dem Schweizer Kino eine arbeit zwischen verschlingen. Filme oder Dokus aus dem erfolgreiche Zusammenarbeit ergeben. Schweizer Fern- eigenen Land auszustrahlen, ist weit mehr Gewiss hat sie in Genf, Zürich oder Lu- als simple «kulturelle Vielfalt» oder «Auf gano nicht dieselbe Farbe, da sie sich der sehen und dem gabe des Service public». Es entspricht ei soziokulturellen Wirklichkeit anpasst. Die Schweizer Kino nem tiefen gesellschaftlichen Bedürfnis, No-Billag-Initiative ist ein Angriff auf das ist eine Erfolgs- die Welt zu widerspiegeln, in der wir le ben, und nicht nur die Welt, in der unsere Herz dieser Einrichtung. Die Folgen wä- ren das Verschwinden der SRG, eine Strei- geschichte.» Nachbarn leben. Die Beziehungen zwi chung von 25 Prozent der Finanzierung schen Schweizer Kino und Schweizer des Schweizer Films und Dokumentarfilms Fernsehen folgen auch dieser Logik, aber sowie die gleichzeitige Zerstörung jegli- Denis Rabaglia, mit einer viel komplexeren, multikulturel cher Fernsehproduktionen. Wer würde Filmregisseur und Autor von Filmen wie «Azzurro» (2000) len Realität. dann unsere Geschichten erzählen? und «Marcello, Marcello» (2008). Die SRG SSR besteht aus vier Einhei ten, von denen jede einer der nationalen GASTKOMMENTAR: Sprachen zugeordnet ist. Jede Einheit hat DENIS RABAGLIA die Aufgabe, Filme oder Dokus in ihrer Sprache zu produzieren oder koproduzie ren, in Zusammenarbeit mit Autoren, Pro duzenten, Interpreten und Technikern des betreffenden Sprachgebiets. Diese Zusam menarbeit wurde im «Pacte de l’audiovi suel» festgehalten. Die Vereinbarung wird alle vier Jahre zwischen den Parteien ver handelt; in der aktuellen Vorlage stehen CHF 27,5 Millionen Franken zur Verfü gung. Diese finanziellen Mittel werden un ter den Einheiten für das Fernsehschaffen und das Filmschaffen verteilt. Diese Form der Zusammenarbeit nimmt ihren Anfang in den 1970er Jahren: Da mals arbeiteten bei RTS Alain Tanner, 20 LINK | Januar 2018
SRG und Kultur in Zahlen 21 % Im Durchschnitt sind 21 Prozent der Musik auf den SRF-Radiosendern Schweizer Titel. Der Anteil bei Radio SRF Virus liegt gar bei 52,7 Prozent. Der Verband Schweizer Privatradios (VSP) geht von einem Anteil von rund zehn Pro- 1996 260 Konzerte zent Schweizer Musik bei den Stationen seiner Mitglieder aus. schuf die SRG zusammen mit Partnern der in den Sparten Klassik, zeitgenössische 5 Mal Filmbranche den «Pacte de l’audiovisuel». Musik und Jazz überträgt Radio SRF 2 2000 Kino-, Fernseh-, Dokumentar-, Kultur jährlich. Damit ermöglicht SRF Kurz- und Trickfilme hat die SRG seit den Zugang zu verschiedensten kulturellen Bestehen des Pacte-Abkommens kopro Veranstaltungen – ohne Ticket und Die Musik-Programmvielfalt ist bei den duziert. Eintrittspreis. SRG-Sendern etwa 5 Mal so gross wie bei den Privaten: Im Durchschnitt wurde 2016 jede Musikaufnahme auf den Kanälen der 27.5 14’000 SRG 9 Mal wiederholt, auf den Kanälen der Privatradiosender 50 Mal wiederholt. Millionen Franken pro Jahr stellt die SRG Im Durchschnitt werden in den SRG- für die Herstellung von Schweizer Programmen jährlich über 14’000 unter- Filmen bereit, gleich viel wie das Bundes- schiedliche Schweizer Titel gespielt; bei amt für Kultur (BAK). den meisten Privaten weniger als ein Drittel davon, im Schnitt 4175. 993’000 150 Stunden 400 So viele Zuschauerinnen und Zuschauer schauten auf SRF die erste Episode von Live-Konzerte übertragen die Radio- So viele Stunden hatte SRF Literatur «Gotthard», einem Pacte-Film, der sender SRF 3 und SRF Virus pro Jahr – 2016 im Programm, RTS 266 Stunden, die dramatische Geschichte des ersten darunter auch die von SRF lancierte 122 Stunden waren es bei RSI, und Gotthardtunnels von 1882 erzählt. Konzertreihe «8 x15», die noch unbekann- RTR beschäftigte sich während rund ten Schweizer Künstlerinnen und Künstlern 40 Stunden mit der Literatur. eine Plattform bietet. 32’718 Minuten respektive rund 545 Stunden lang wurden 2016 Pacte-Filme auf allen 34 % Senderketten der SRG ausgestrahlt. In Falle einer Annahme der No-Billag- Dies entspricht 90 Minuten pro Tag. Initiative prognostiziert Swissperform Quellen: SRG / Suisa / Swissperform 34 Prozent Mindereinnahmen für Schwei- zer Musiker und Musikproduzenten. LINK | Januar 2018 21
KULTUR/MUSIK Für die Musik steht mehr als die SRG auf dem Spiel E ntgegen der Aussage in einigen für alternative Musik, die nicht ins mas- unfair konzipierten Artikeln sentaugliche Tagesprogramm passt. Hier in der Sonntagspresse: Der und dort setzen sich UNIKOM-Stationen Kampf gegen die No-Billag- ein, die aber ebenfalls 50 Prozent ihres Initiative hat in der Musikszene eine nie Budgets aus den Gebühren erhalten. Hier dagewesene Mobilisierung ausgelöst. Das wird also von der SRG zusammen mit den hat viele Gründe. Das Offensichtliche zu- Halbprivaten dank der Gebühren ein ech- erst: Die bedrohte SRG beheimatet einige ter Service public erbracht: Ein Angebot, der gewichtigsten «Institutionen» der das sich anders als solidarisch nicht finan- Schweizer Popmusik: «Swiss Music zieren liesse in unserem kleinen Land. Awards», «Best Talents», grosse Festi- Auf diversen Plattformen kann man bei valübertragungen in TV und Radio, Virus den Statements der Musikerinnen und Mu- als Sender für Newcomer und Entdeckun- siker sehen, dass sie – noch vor dem eige- gen, «Punkt CH» für die einheimische nen Sendeplatz und Portemonnaie – oft- «Der internatio Szene, MX3 als Vernetzungsplattform für mals gerade diese Idee der Solidarität Bands, die noch keine Plattenverträge ha- hinter der Service-public-Gebühr verste- nale Wettbewerb ben, und so weiter. Es geht nicht primär, hen und verteidigen. Denn dort haben wir macht aus dem aber irgendwann auch um Geld: Aus all alle gemeinsam am meisten zu verlieren. grössten Teil der diesen Sendegefässen fliesst durch den Ge- bührentopf der SRG ein relevanter Teil der GASTKOMMENTAR: Schweizer Musik Einnahmen aus Urheber- und Interpreten- CHRISTOPH TRUMMER ein Spezial rechten für Schweizer Künstlerinnen und Künstler. Einnahmen, die von Privaten interesse. In der nicht ersetzt würden, weil sie kleiner sind kleinen Schweiz und grösstenteils viel weniger Schweizer lassen sich Musik spielen. Die Charta der Schweizer Musik, die seit über zehn Jahren zwischen Sendungen zu der SRG und den Musikverbänden verhan- Spezialinteres- delt wird, hat zu vielen dieser bemerkens- werten Resultate entscheidend beigetragen. sen nicht mit Mit der Abschaffung der Gebührenpflicht Werbegeldern wäre auch diese Charta hinfällig: Die an- finanzieren.» gemessene Berücksichtigung des einhei- mischen Musikschaffens im Programm ist an das staatliche Geld geknüpft. Christoph Trummer, Aber es gibt auch komplexere Gründe Musiker sowie Co-Präsident und für die Sorgen in der Musikszene: Der in- Leiter der politischen Projekte SON- ternationale Wettbewerb macht aus dem ART – Musikschaffende Schweiz grössten Teil der Schweizer Musik ein Spe- zialinteresse. In der kleinen Schweiz las- sen sich Sendungen zu Spezialinteressen nicht mit Werbegeldern finanzieren. Es ist bezeichnend, dass es solche Sendungen bei den privaten Radiomachern fast aus- schliesslich dort gibt, wo auch Gebüh- Foto: Peter Mosimann renanteile fliessen. Kein einziger Privat sender ohne Gebühren bemüht sich um klassische Musik, Jazz oder Electronica, 22 LINK | Januar 2018
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