Occasional Paper Februar 2013 - Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifi schen Raum: BICC Bonn

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Occasional Paper Februar 2013 - Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifi schen Raum: BICC Bonn
Sicherheitspolitische
Implikationen
maritimer Aufrüstung
im asiatisch-
pazifischen Raum:
Australien, Japan, Süd-
korea und Vietnam im Fokus

    Occasional Paper
               Februar 2013
Occasional Paper VIII

      Sicherheitspolitische Implikationen
      maritimer Aufrüstung im asiatisch-
              pazifischen Raum
                              Australien, Japan, Südkorea
                                und Vietnam im Fokus

                                                                                                 Jan Grebe (BICC)
                                                                                  Christoph Schwarz (RWTH Aachen)

                                                                                                                   Februar 2013

             The responsibility for contents and views expressed in this Occasional Paper lies entirely with the authors

INTERNATIONALES KONVERSIONSZENTRUM BONN -                                                                 Pfarrer-Byns-Straße 1
BONN INTERNATIONAL CENTER FOR CONVERSION (BICC) GMBH                                                            D - 53121 Bonn
                                                                                                            Tel.: 0228-911 96-0
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Aufsichtsratsvorsitzender: Staatssekretär Helmut Dockter                                                E-Mail: bicc@bicc.de
Handelsregister: Bonn HRB 6717                                                                  Internet: http://www.bicc.de
Inhalt
Zusammenfassung                                              2

Summary                                                      3

Einleitung                                                   4

1. Die maritime Aufrüstung in Südostasien und dem Pazifik    7

2. Chinas Aufrüstungskurs – Schwerpunkt Marine?              9

3. Regionale Anrainer im Fokus                              12

  3.1 Japan: Rüstungsbeschaffung                            12

  3.2 Japan: Strategische Analyse                           13

  3.3 Australien: Rüstungsbeschaffung                       16

  3.4 Australien: Strategische Analyse                      18

  3.5 Vietnam: Rüstungsbeschaffung                          20

  3.6 Vietnam: Strategische Analyse                         21

  3.7 Südkorea: Rüstungsbeschaffung                         23

  3.8 Südkorea: Strategische Analyse                        25

Schlussfolgerung                                            28

Bibliographie                                               32
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

Zusammenfassung                                     interessiert, wenn es sich als verantwortlicher
                                                    und vertrauenswürdiger stakeholder der

D    er (Wieder-)Aufstieg Chinas gehört seit den    internationalen Politik erweist.
     1990er Jahren zu den zentralen Themen          Trotzdem besteht angesichts zahlreicher
der internationalen Politik. Diese Entwicklung      ungelöster Territorialkonflikte, einer zunehmend
bringt weit reichende regionale und globale         selbstbewussten chinesischen Außen- und
Folgen mit sich. Hierzu zählt nicht zuletzt eine    Sicherheitspolitik sowie der wachsenden
umfassende maritime Aufrüstung – nicht nur          militärischen Fähigkeiten aller beteiligten
durch China selbst, sondern auch durch              Staaten generell das Risiko bewaffneter
seine unmittelbaren Nachbarn und weitere            Zwischenfälle bis hin zu Konflikten. Eine Reihe
Staaten im asiatisch-pazifischen Raum. Da           von Maßnahmen erscheint hier sinnvoll und
sich ein Großteil der wissenschaftlichen            notwendig, um die Eskalationsgefahr auf ein
Beiträge nahezu ausschließlich auf China            Minimum zu reduzieren und den Weg für
konzentriert, will der vorliegende Aufsatz die      vertrauensvolle, kooperative Beziehungen
sicherheitspolitischen     und    strategischen     zwischen den beteiligten Akteuren frei zu
Konzepte Japans, Australiens, Vietnams und          machen. Regionale Abrüstung könnte in
Südkoreas analysieren und die damit                 langfristiger     Perspektive     die    erfolgver-
zusammenhängenden Beschaffungsprojekte              sprechendste        Handlungsalternative        zur
betrachten. Hiermit soll der Blick für die          derzeitig        dominierenden          Aufrüstung
regionale Dynamik maritimer Aufrüstung              darstellen. Schritte hierzu wären ein gemein-
geschärft werden. In allen hier betrachteten        sames Vorgehen aller Akteure gegen
Fallbeispielen ist der chinesische Aufstieg und     Herausforderungen wie zum Beispiel die
die ihn begleitende Modernisierung und              Piraterie, eine Revitalisierung und gegebe-
Aufrüstung der Seestreitkräfte Pekings ein          nenfalls      Anpassung        der      regionalen
wichtiges Motiv für die jeweiligen eigenen          Sicherheitsarchitektur sowie die Etablierung
Beschaffungsprojekte.                               eines      funktionsfähigen      Rüstungskontroll-
Auch wenn Australien und Japan der                  regimes, das langfristig in eine Abrüstungs-
chinesischen Aufrüstung ob deren möglichen          initiative überführt werden könnte. Insgesamt
geostrategischen Konsequenzen deutlich              ist die von allen Beteiligten aktiv betriebene
ablehnend        gegenüberstehen,       begleiten   Herstellung kooperativer, transparenter und
diese Länder ihre eigene Rüstungspolitik nicht      vertrauensvoller Beziehungen aussichtsreicher
mit einer entsprechend robusten oder gar            als jede Art von Wettrüsten, birgt sie doch
drohenden Rhetorik, die eine unmittelbare           geringere Risiken als das blinde Vertrauen auf
bewaffnete        Eskalation   der    zahlreichen   die quasi natürliche Herausbildung eines
Territorialkonflikte befürchten ließe. Vielmehr     Gleichgewichts, das auf beträchtlichen
vermittelt      die      Zusammenschau        von   militärischen Fähigkeiten aller Seiten beruht.
Beschaffungs- und Modernisierungsprojekten
sowie Strategiepapieren den Eindruck, dass
die betrachteten Staaten eher für den (nicht
auszuschließenden) Eventualfall einer bewaff-
neten Konfrontation mit China gerüstet sein
wollen. Primär sind diese Staaten jedoch
ebenso       an      einer    friedlichen     und
kooperativen Lösung bestehender Konflikte
wie     am      friedlichen   Aufstieg     Chinas

2
Jan Grebe
                                                                             Christoph Schwarz

Summary                                             Still, in view of the numerous unresolved
                                                    territorial conflicts, an increasingly self-

T  he (renewed) rise of China has been one          confident Chinese foreign and security policy
   of the central topics in international           combined with growing military capabilities
politics since the 1990s. This development          of all states concerned, there is the general
brings along a number of far-reaching               risk of armed incidents or even conflicts. A
regional and global consequences. A                 number of measures seem to be in order and
comprehensive maritime rearmament—not               necessary to reduce the danger of
only by China itself but also its immediate         escalation to a minimum and to free the way
neighbors and other states in the Asia–Pacific      for a relationship of trust and cooperation
region—is       not   least  one    of   these      amongst the actors involved. In the long-
consequences. As most research reports              term, regional disarmament could be the
focus on China, this Occasional Paper goes          most rewarding alternative to the currently
beyond that and analyzes the security               dominating arms race. Joint action of all
policies and strategic concepts of Japan,           actors against challenges such as pirates, a
Australia, Vietnam and South Korea and view         revitalization and, if necessary, adjustment of
their arms procurement in this context. With        the regional security architecture as well as
this, it is intended to sharpen the perception      the establishment of a functioning arms
of regional dynamics for the naval build-up.        control regime—which in the long term could
The Chinese rise and the accompanying               be translated into a disarmament initiative—
modernization and rearmament of Peking’s            would lead into the right direction. All in all,
naval forces are important motives for the          to actively enter into relationships of
arms procurements of the respective                 cooperation, transparency and trust offers
countries.                                          more promise of success than any kind of
                                                    arms race as the risks are lower than to
Even though Australia and Japan are strongly        blindly trust in the ‘natural’ establishment of
opposed to Chinese rearmament due to the            an equilibrium based on quite large military
possible geostrategic consequences, they do         abilities on all sides.
not accompany their own armaments policies
with robust or even threatening rhetoric which
could lead to fears of an immediate armed
escalation of the numerous territorial conflicts.
The combination of procurement and
modernization projects as well as strategy
papers rather give the impression that the
states in question would simply like to be
prepared for any, not so unlikely, eventuality
of an armed confrontation with China.
Primarily, these states, however, are just as
interested in a peaceful and cooperative
solution of existing conflicts as they are in a
peaceful rise of China should it prove to be a
responsible and trustworthy stakeholder of
international politics.

                                                                                                  3
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

        Wie bei der deutschen Reichseinigung        auch zukünftig innerhalb der bestehenden
       im 19. Jahrhundert werden auch durch         Ordnungsstrukturen des internationalen Systems
             Chinas Wiederaufstieg als starker,
                                                    zu agieren, dem es seinen Aufstieg in nicht
           einiger Staat die Kalkulationen des
         Kräfteverhältnisses aller umliegenden      unerheblichem Maße verdanke (Ikenberry,
              Staaten unweigerlich beeinflusst.     2008; Glaser, 2011).
                 Historisch gesehen entwickelt
                 ein solches Staatensystem ein      Verschiedene Entwicklungen geben Anlass zur
            Kräftegleichgewicht, das auf dem        Sorge, dass das Risiko eines Krieges zwischen
              Austarieren von Drohpotenzialen       China und seinen unmittelbaren Nachbarn
                                        beruht.“    ebenso       wie    das      einer      bewaffneten
                     Henry Kissinger (2011: 527)    Konfrontation mit den USA nicht so gering ist,
Einleitung                                          wie verschiedentlich behauptet wird. Die
                                                    aktuellen Vorkommnisse in Hinblick auf die

D    er (Wieder-)Aufstieg Chinas gehört seit        Senkaku/ Diaoyu-Inseln verdeutlichen dieses
     den 1990er Jahren zu den wichtigsten           Problem: China, Japan und Taiwan erheben
Themen der internationalen Politik. Während         Anspruch auf diese Inselgruppe. Besonders
grundsätzliche Übereinstimmung dahingehend          China und Japan untermauern diesen
besteht, dass China bereits heute zu den            Anspruch derzeit mit der Entsendung von
zentralen    Akteuren    des  internationalen       Schiffen der zivilen maritimen Sicherheits-
Systems gehört, deren Bedeutung in den              behörden,      die    jedoch       teilweise   leicht
kommenden Jahrzehnten tendenziell weiter            bewaffnet sind, in die Gewässer um die Insel. In
zunehmen wird, sind Beobachter uneins über          der Vergangenheit war es diesen Staaten nicht
die globalen und regionalen Implikationen           an einer Eskalation gelegen. Ob dies auch
dieses Prozesses.                                   weiterhin Gültigkeit besitzt, ist gegenwärtig
                                                    offen. Die angespannte Lage verdeutlicht
Insbesondere die Frage, ob Chinas Aufstieg          jedoch die Fragilität der Beziehungen, wenn es
auch künftig anhalten wird, findet ein geteiltes    um     Macht-     und     Territorialfragen     geht
Echo. So prophezeien (neo-)realistische             (Süddeutsche Zeitung, 2012). Im Frühjahr 2012
Autoren     für   den      Fall   eines   weiter    kam      es   bereits     am      Scarborough-Riff/
ungebrochenen Wachstumskurses Chinas                Huangyan-Inseln         zu      einer     maritimen
eine starke sicherheitspolitische Konkurrenz        Konfrontation zwischen China und den
samt der Gefahr eines Krieges mit den USA           Philippinen.    Beide     Länder       beanspruchen
(Mearsheimer, 2006: 160). Andere Kommenta-          ebenso wie Indonesien Teile der Inseln. Die
toren sehen zwar im Aufstieg des Reichs der Mitte   Konfrontation im April 2012 entzündete sich
„perhaps the most significant challenge to          an der Festsetzung der Mannschaften von
regional security and stability“ (Bitzinger &       acht chinesischen Fischerbooten durch die
Desker 2008: 106). Gleichzeitig gehen sie aber      philippinische Marine.
davon aus, dass die asiatisch-pazifische
Region ungeachtet der aktuellen Heraus-             Im Zuge der sich zuspitzenden Krise entsandte
forderungen sowie dem nach wie vor                  die chinesische Regierung zwei Schiffe der
bestehenden Sicherheitsdilemma zwischen             ‚China Marine Surveillance’ Behörde in die
Anrainerstaaten und externen Akteuren wie           Region (International Business Times, 2012).
den USA eine Zone strategischer Stabilität sei      Auch wenn beide Staaten die diplomatische
(Bitzinger & Desker, 2008: 105). Diese Stabilität   und    friedliche   Lösung    des    Konflikts
wird vielfach als Produkt der wachsenden            anstrebten, verdeutlicht dieser Zwischenfall
Interdependenz zwischen den Akteuren sowie          ebenso wie die jüngsten Zusammenstöße bei
dem unterstellten Interesse Chinas gesehen,         den Senkaku/ Diaoyu-Inseln die offensichtlich

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Jan Grebe
                                                                                  Christoph Schwarz

aggressivere Gangart der chinesischen                   Anschein eines kosmetischen Anstriches der
Regierung. Darauf deuten auch hitzige                   eigenen Außen- und Sicherheitspolitik und
Reaktionen aus Teilen der chinesischen                  dürfte die Erfolge der „Guten-Nachbarschafts-
Medien sowie in entsprechenden Diskussions-             Politik“ von vor 2008 zunichte gemacht haben.
foren im Internet hin.                                  Drittens sind aktuell unverkennbare Zeichen
                                                        einer neuen regionalen Rüstungsdynamik
Neben diesen aktuellen Konflikten bedürfen
                                                        erkennbar, die gerade vor dem Hintergrund
drei weitere Entwicklungen größerer Auf-
                                                        des in Europa und sogar den USA
merksamkeit: Erstens gibt es in Asien neben
                                                        angebrochenen „age of austerity“ bemerkens-
den oben genannten Auseinandersetzungen
                                                        wert sind. Auch wenn diese wachsenden
nach wie vor eine Vielzahl weiterer ungelöster
                                                        Potenziale nicht an konkrete Kriegspläne
Territorialkonflikte – und dies nicht nur zwischen
                                                        gekoppelt sind – das Risiko einer weiter
Peking und seinen unmittelbaren Nachbarn.
                                                        zunehmenden Zahl bewaffneter Zwischenfälle
Auch zwischen den anderen Akteuren im
                                                        samt der möglichen Konsequenz eines
Südchinesischen Meer ebenso wie in Ostasien
                                                        „accidental war“ ist unverkennbar. Maritime
bestehen zahlreiche ungelöste Konflikte fort.1
                                                        Zwischenfälle haben in den vergangenen
Zweitens hat sich China zwischenzeitlich –
                                                        Jahren deutlich an Zahl zugenommen, auch
zumindest in der Wahrnehmung seiner
                                                        als Folge des zunehmenden Potenzials der
Nachbarn und auch der USA – deutlich vom
                                                        chinesischen Marine und der maritimen
Paradigma        des     „friedlichen    Aufstiegs“
                                                        Sicherheitsbehörden sowie des politischen
verabschiedet und zwischen 2008 und 2010
                                                        Willens, diese Faktoren auch zu demonstrieren
eine     nachdrücklichere,        ja  aggressivere
                                                        (Le Mière, 2011).
Gangart in der Außen- und Sicherheitspolitik
an den Tag gelegt. Die anschließend von                 Während unstrittig sein dürfte, dass die durch
Peking       2010       in      Gang      gesetzte      Peking gezielt betriebene Aufrüstung der
„Charmeoffensive“          dürfte    wenig    dazu      Volksbefreiungsarmee,      der    chinesischen
beigetragen haben die Zweifler in Tokio, Seoul          Marine und Luftwaffe gepaart mit der
oder Washington zu überzeugen, dass ein                 zunehmend      selbstbewussten     Politik   der
erstarkendes China auch zukünftig ein                   chinesischen     Führung     der   wesentliche
verantwortungsvoller stakeholder der inter-             Antrieb der aktuellen Rüstungsspirale ist, so
nationalen Gemeinschaft sein wird, der den              wäre es irreführend und verkürzend, die
Interessen Dritter Rechnung trägt und im                Beschaffungsprojekte der übrigen Staaten
Konfliktfall an friedlicher Streitbeilegung im          der Region allein durch diese Entwicklung
Konsens der beteiligten Parteien interessiert ist.      erklären zu wollen. Wie der Blick in die
Vielmehr hatte Chinas „Charmeoffensive“ den             nationalen      Strategiepapiere      asiatisch-
                                                        pazifischer Staaten zeigt, liegt der Aufrüstung
                                                        zu Lande, zur See und in der Luft ein breites
1   Genannt seien hier beispielhaft die Konflikte
    um die Paracel Inseln (China, Taiwan,
                                                        Spektrum an Motiven zu Grunde.
    Vietnam) und Spratly Inseln (China, Taiwan,
                                                        Der vorliegende Artikel zielt darauf ab die
    Vietnam, Malaysia, den Philippinen, Brunei),
    Macclesfield-Bank         und    Scarborough-Riff   Frage zu beantworten, auf welchen Motive
    (China,      Phillipinen,   Taiwan),    Senkaku-    die umfangreichen maritimen Rüstungs-
    /Diaoyou(tai)-Inseln (China, Japan, Taiwan)         anstrengungen basieren. Darüber hinaus
    sowie       Socotra-Fels     (China,   Südkorea,
                                                        werden die regionalen sicherheitspolitischen
    Nordkorea). Siehe auch Bräuner 2011, S. 219.
    Auch die Philippinen sind in eine Reihe von         Implikationen eines möglichen Rüstungs-
    Territorialkonflikten in der Region verwickelt;     wettlaufs skizziert. Schließlich diskutiert er, ob
    aufgrund ihrer vergleichsweise geringen             trotz oder gerade als Folge wechselseitiger
    maritimen Fähigkeiten werden sie in der
                                                        Rüstungsanstrengungen eine nachhaltige
    vorliegenden Analyse jedoch nicht näher
    betrachtet.                                         Stabilität erreicht werden kann.

                                                                                                        5
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

Zur Beantwortung der Fragen wird zunächst
                                                     Danksagung
anhand maritimer Rüstungsbeschaffungen
und Modernisierungspläne der Seestreitkräfte         Ein besonderer Dank gilt den kritischen
ausgewählter Staaten die regionale Rüstungs-         Kommentaren der Kollegen am BICC sowie
dynamik nachgezeichnet und veranschaulicht.          am Institut für Politische Wissenschaft der
Neben       einer     kurzen    Darstellung    des   RWTH-Aachen. Aufrichtiger Dank gebührt
chinesischen Modernisierung- und Aufrüstungs-        ebenso den drei anonymen Gutachtern für
kurses     werden      im    Folgenden     Japan,    ihre konstruktiven Anregungen. Zu Dank sind
Australien, Vietnam und Südkorea näher               wir ebenso Susanne Heinke für das Lektorat
betrachtet.      Alle    Länder    spielen    eine   sowie Andra Schmidt und Heike Webb für das
strategisch wichtige Rolle in der gesamten           Layout verpflichtet.
Region, pflegen jedoch unterschiedliche
Beziehungen zu China und verfolgen
teilweise unterschiedliche Strategien. In der
Tat wäre es gerechtfertigt, eine Reihe
weiterer Länder, wie etwa die Philippinen,
Indonesien oder Singapur mit in die Analyse
einzubeziehen, da sie teilweise ebenfalls in
Territorialkonflikte involviert sind. Die Analyse
beschränkt sich zunächst jedoch auf auf die
Staaten      mit    den      größten    maritimen
Kapazitäten.

Aufbauend auf der empirischen Basis folgt
eine Sichtung und Analyse der sicherheits-
politischen Primärdokumente der einzelnen
Staaten, um die Motive und Gründe der
maritimen Aufrüstung zu identifizieren sowie
die Bedrohungswahrnehmungen, die diesen
Entwicklungen    zu   Grunde     liegen,  zu
veranschaulichen. Abschließend können die
Entwicklungen eingeordnet werden.

6
Jan Grebe
                                                                                                      Christoph Schwarz

1. Die maritime Aufrüstung                                            und 2011 um 214 Prozent auf 129 Milliarden
                                                                      US-Dollar geradezu explodiert.3 Insgesamt ist
in Südostasien und dem                                                in den vergangenen fünf Jahren ein
Pazifik                                                               deutlicher Anstieg der Militärausgaben in
                                                                      den meisten Ländern zu beobachten (siehe

Insgesamt sind starke Aufrüstungstendenzen                            Tabelle 1).
 im asiatischen Raum zu beobachten. Von
                                                                      Zahlreiche Rüstungsgeschäfte der jüngsten
Außen betrachtet steht insbesondere China
                                                                      Vergangenheit und eine neue sicherheits-
mit der Erweiterung seiner Marine im Fokus.
                                                                      politische Linie verdeutlichen, dass der Marine
Unbestreitbar ist, dass China den Aufbau
                                                                      in der strategischen Ausrichtung vieler Staaten
einer hochseetauglichen Flotte seit Jahren
                                                                      der Region eine wachsende Bedeutung
deutlich forciert – der Aufbau einer Blue
                                                                      zukommt. Längst ist nicht mehr nur der
Water Navy soll bis 2020 abgeschlossen sein.
                                                                      unmittelbare Küstenschutz durch eine Brown
Aber auch Australien, Japan, Südkorea und
                                                                      Water Navy das Ziel, sondern insbesondere
Vietnam rüsten ihre Seestreitkräfte signifikant
                                                                      der Auf- und Ausbau einer Blue Water Navy
auf und modernisieren sie.
                                                                      steht im Fokus, um den Zugriff auf die

Tabelle 1: Militärausgaben ausgewählter asiatischer Staaten zwischen 2007 und 2011

    Jahr                   2007          2008            2009             20010           2011              %-Veränderung
    Australien           20591          21341          22938            23221           22955                              +11
    China                87730          96663         116666           121064          129272                              +48
    Indien               34374          38987          45903            46086           44282                              +29
    Japan                53885          53159          54339            54641           54529                              +1,3
    Südkorea             24689          26297          27708            27572           28280                              +14
    Singapur              7935           7998           8264             8323            8302                               +5
    Taiwan                8380           8932           9500             9067            8888                               +6
    Thailand              3908           4600           5485             4846            5114                              +30
    Vietnam               2215           2182           2397             2672            2487                               +9
Quelle: SIPRI Military Expenditure Database, Angaben in Mio. konstanten (2010) US-Dollar, online: http://www.sipri.org/databases/milex

Zwischen 1990 und 2000 wuchsen die Militär-                           Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) zu
ausgaben in Ost- und Südostasien um 28                                sichern und in möglichen Territorialkonflikten
Prozent, von 128 auf 164 Milliarden US-Dollar.2                       auch fernab der eigenen Gewässer operieren
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts                              zu können. Jenseits des Versuchs der Staaten,
stiegen die Militärausgaben in der Region um                          ihre maritime Sicherheit auch abseits der
beinahe weitere 73 Prozent, von 175 auf 303                           Küstengewässer zu gewährleisten, gibt es
Milliarden US-Dollar. Allein China und Japan                          vereinzelt    Bestrebungen,   die     Macht-
waren im Jahr 2011 für etwa 60 Prozent der                            projektionsfähigkeiten auszubauen und sich
regionalen Militärausgaben verantwortlich.
Pekings Militärausgaben sind zwischen 2001                            3     Grundlage für die Angaben zu den chine-
                                                                            sischen Militärausgaben sind die Daten des
                                                                            Stockholm International Peace Research
2     Angaben zu Militärausgaben basieren auf                               Institute (SIPRI) (vgl. FN 2). Insgesamt sind keine
      Zahlen des Stockholm International Peace                              gesicherten Ausgaben über die chinesischen
      Research Institute (SIPRI) und werden in der                          Militärausgaben möglich, da die Regierung in
      Regel in konstanten US-Dollar zu 2010                                 Peking        keine       umfassenden        Zahlen
      dargestellt;                                                          veröffentlicht und so die tatsächlichen
      http://www.sipri.org/databases/milex.                                 Ausgaben teilweise geschätzt werden.

                                                                                                                                  7
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
    Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

gegen etwaige anti-access oder area-denial                           Südkorea, die dem Militär besonders viele
Strategien zu wappnen. Auch wenn der                                 Mittel zur Verfügung stellen. China und Japan
Ausbau der globalen Machtprojektions-                                hingegen weisen nur durchschnittliche
fähigkeiten allenfalls ein sekundäres Ziel ist,                      Militarisierungsgrade auf (siehe Tabelle 2).
kann man doch davon ausgehen, dass                                   Nichtsdestotrotz stellen China und Japan in
China bestrebt ist, diese Fähigkeiten langfristig                    absoluten Zahlen dem Verteidigungssektor
auszubauen.     Umfangreiche     Beschaffungs-                       enorme Summen zur Verfügung. Diese
projekte    von       Nachbarstaaten,         die                    vergleichsweise hohe Konzentration militä-
wachsenden Fähigkeiten zur Machtprojektion                           rischer Ressourcen in der Region birgt
in internationalen Gewässern und die                                 insgesamt ein erhebliches Konfliktpotenzial.
Verschärfung     ungelöster    Territorialfragen
veranlassen viele Länder in der Region dazu,
ihre maritimen Kapazitäten auszubauen. Die

    Tabelle 2: Militarisierungsgrad ausgewählter asiatischer Staaten zwischen 2007 und 2011

    Jahr                  Wert und Rang                       2007         2008          2009      2010   2011
    Australien            Wert                                 455           459          467       443    443
                          Rang                                  80            76           71        75     75
    China                 Wert                                 456           434          428       406    415
                          Rang                                  79            82           83        87     82
    Indien                Wert                                 454           458          470       452    454
                          Rang                                  81            77           69        72     71
    Japan                 Wert                                 346           336          335       336    340
                          Rang                                 115           115          117       112    112
    Südkorea              Wert                                 611           626          635       616    620
                          Rang                                  26            19           18        22     18
    Singapur              Wert                                 845           837          831       807    807
                          Rang                                   2             2            2         2      2
    Thailand              Wert                                 539           545          559       536    538
                          Rang                                  48            43           41        43     46
    Vietnam               Wert                                 632           612          617       622    614
                          Rang                                  21            22           22        19     22
    Quelle: BICC Global Militarization Index (GMI), online: http://www.bicc.de/our-work/gmi.html

unterschiedliche Verteilung der militärischen
und gesellschaftlichen Ressourcen innerhalb
dieser Staaten spiegelt sich in ihrem
Militarisierungsgrad wider.4 Im Verhältnis zur
Gesamtgesellschaft            sind es Singapur und

4      Der Globale Militarisierungsindex (GMI) bildet
       das relative Gewicht und die Bedeutung des
       Militärapparats eines Staates im Verhältnis zur
       Gesellschaft als Ganzes ab. Siehe dazu auch:
       Grebe,     Jan.    2011.   Der    Globale  Mili-
       tarisierungsindex (GMI) – Der Nutzen des GMI zur
       Bewertung der Entwicklungsorientierung
       von Staaten und regionale Militarisierung.
       Occasional Paper VII, BICC: Bonn, 2011.

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Jan Grebe
                                                                             Christoph Schwarz

2. Chinas Aufrüstungskurs –                          mit dem Regierungswechsel in Taiwan 2008
                                                     die Konflikte im Süd- und Ostchinesischen
Schwerpunkt Marine?                                  Meer verstärkt in den Fokus der chinesischen
                                                     Sicherheitspolitik gerückt.

A    uch wenn die Volksrepublik nicht im
     Zentrum der vorliegenden Analyse steht,
so kann sie keinesfalls außer Acht gelassen
                                                     Dies kommt nicht von ungefähr, wickelt China
                                                     doch inzwischen 95 Prozent seiner Im- und
werden. Denn für die im Folgenden                    Exporte über den Seeweg ab (Li, 2009: 161).
ausführlich     betrachteten      unmittelbaren      Peking kann seinen ökonomischen Wachstums-
Nachbarstaaten und regionalen Anrainer               kurs nur dann erfolgreich fortsetzen, wenn eine
bildet der Aufstieg Chinas und seine                 sichere Passage der vor allem für die
begleitende     maritime    Aufrüstung    einen      wirtschaftliche Produktion zentralen Rohstoffe
zentralen Faktor in den jeweiligen strate-           und      Energie    gewährleistet     ist.  Die
gischen Überlegungen. Daher muss zwangs-             Verwundbarkeit dieser Transportrouten bietet
läufig der gegenwärtige Aufrüstungsprozess           umgekehrt auch potenziellen Gegnern wie
des chinesischen Militärs und hier besonders         den USA die Möglichkeit, den chinesischen
der Marine schlaglichtartig erläutert werden. Es     Außenhandel nachhaltig zu beeinträchtigen,
geht hierbei nicht um eine erschöpfende              wenn nicht gar vollständig zum Erliegen zu
Darstellung geplanter und bereits laufender          bringen. Gemäß der hier beschriebenen
Beschaffungsvorhaben und des entsprechenden          Logik müssen die Fähigkeiten der Marine in
strategischen Kalküls, sondern lediglich darum,      Richtung einer regionalen Blue Water Navy
den Kontext für die anschließende ausführliche       ausgebaut werden. Dazu hat China zwischen
Beschreibung und Analyse der sicherheits-            2000 und 2009 die Ausgaben für Beschaffung
politischen Konzepte und Rüstungsinitiativen         sowie Forschung und Entwicklung von 7,3
Australiens, Japans, Südkoreas und schließlich       Milliarden US-Dollar auf 25,8 Milliarden US-
Vietnams zu schaffen.                                Dollar gesteigert. Dennoch ist der Anteil an
                                                     den gesamten Militärausgaben mit etwa 30
Der      seit   der     Jahrtausendwende        zu   Prozent über die letzten Jahre konstant
beobachtende         signifikante   Anstieg   des
                                                     geblieben (CSIS, 2012: 9f).
Verteidigungsbudgets Chinas wäre ohne das
dynamische wirtschaftliche Wachstum der              Gegenwärtig verfügt Chinas Marine über eine
Volksrepublik undenkbar. Diese eindrucksvolle        Vielzahl     unterschiedlicher   Typen      von
ökonomische Entwicklung hat die Aufrüstung           Kriegsschiffen und hat in den vergangenen
zur See jedoch nicht nur möglich, sondern aus        Jahren eine umfassende Modernisierung der
chinesischer Sicht auch notwendig gemacht.           Seestreitkräfte vollzogen. Während vormals
Zu den maritimen Kerninteressen chinesischer         hauptsächlich      Schiffe   aus   sowjetischer
Sicherheitspolitik gehört die Verteidigung der       Produktion im Dienste der chinesischen Marine
territorialen Integrität. Auf welches Territorium    standen, wurden seit den 1970er Jahren
sich die chinesische Politik hier bezieht ist        Schiffe aus eigener Herstellung in die
unklar, da Gebietsansprüche etwa im                  Streitkräfte integriert. Die seit Beginn der
südchinesischen Meer nie genau definiert             1990er Jahre betriebene Modernisierung
worden sind (Bräuner, 2011: 219). Vor mehr als       verfolgt das Ziel, technologisch veraltete
einem Jahrzehnt waren der treibende Faktor           Schiffe außer Dienst zu stellen und sukzessive
für die Modernisierung der chinesischen              moderne in die Streitkräfte zu integrieren
Marine noch die Unabhängigkeitsbestre-               (O’Rourke, 2011:141). Damit soll die Marine in
bungen der taiwanesischen Regierung unter            die Lage versetzt werden, auch Operationen
der        Führung       der      Demokratischen     jenseits der eigenen Hoheitsgewässer über
Fortschrittspartei. Auch wenn China unbeirrt         einen längeren Zeitraum durchführen zu
Anspruch auf Taiwan erhebt, sind spätestens          können. Zusätzlich wurden umfangreiche Luft-

                                                                                                  9
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

und Raketenabwehrkapazitäten aufgebaut.             China Marine Surveillance wiederum verfügt
Mit ihrer Vielzahl an U-Booten ist die              über umfangreiche Handlungsautonomie zur
chinesische Marine in der Lage, die eigenen         Durchsetzung der chinesischen Souveränitäts-
Küstengewässer zu schützen, Operationen in          ansprüche auf hoher See. Derzeit beschäftigt
weit entlegenen Gebieten durchzuführen              die chinesische Marine 215.000 Soldaten. Die
                                                    Regierung kann ebenfalls auf das 260.000
Tabelle 3: Chinas maritime Kapazitäten
                                                    Mann      starke    Grenzverteidigungskorps
 Waffenkategorien                       Anzahl      zurückgreifen.

 U-Boote                                    71      China ist bestrebt, durch Ausbau und
 Flugzeugträger                                     Modernisierung der Marine auch vermehrt
 Patrouillenboote                          211      Operationen fernab der eigenen Hoheits-
 Zerstörer                                  13      gewässer zum Schutz des internationalen
 Minenboote                                 73      Seehandels     und    zur    Machtprojektion
 Fregatten                                  65      durchzuführen (Dördrechter et al., 2009: 2).
 Amphibienfahrzeuge                        239      Im Zentrum steht der Ausbau der U-Boot-
 Logistik und Unterstützung (Schiffe)      205      Flotte, die zudem die nukleare Zweitschlag-
                                                    fähigkeit Chinas sichern soll. Zwischen 1995
Quelle: IISS, 2012.
sowie     eine   ernstzunehmende        nukleare    und 2007 hat China 38 neue U-Boote in
Abschreckung aufzubauen (Li, 2011: 121f).           Betrieb genommen (O’Rourke, 2008: 12).
Umfangreiche      Investitionen     im    Bereich   Neben den acht nicht nuklearen U-Booten
Forschung und Entwicklung (F&E) haben               der russischen Kilo-Klasse, die seit 2006 in
Navigation- und Kommunikationstechnologie           Betrieb sind, ist das chinesische Militär
sowie      Luftraumüberwachungskapazitäten          bestrebt, vier weitere U-Boot-Klassen zu
erfolgreich vorangebracht. Letztere unterstützen    bauen, darunter auch nuklearbetriebene
beispielsweise     die      Zielerfassung     der   Einheiten. Die U-Boote der Jin-Klasse (SSBN 5),
chinesischen Marine (ibid.: 128).                   die jeweils bis zu zwölf ballistische Raketen
                                                    tragen können, würden die strategischen
Neben der Marine hat China noch eine Viel-
                                                    Handlungsoptionen Chinas deutlich erweitern.
zahl weiterer Behörden, die Zuständigkeiten
                                                    U-Boote dieses Typs, von denen bis zu fünf
im maritimen Bereich besitzen und für die
                                                    Stück gebaut werden sollen, würden Chinas
Durchsetzung seiner Interessen im Süd-
                                                    seegestützte nukleare Abschreckung deutlich
chinesischen Meer von besonderer Be-
                                                    verbessern (Eaglen/Rodeback, 2010: 9).
deutung sind. Unter diesen Institutionen, die
häufig als „nine dragons stirring up the sea“       Darüber hinaus zielt das Modernisierungs-
bezeichnet (ICG, 2012) werden, befinden             programm auf den Ausbau konventionell
sich    etwa    das   Bureau     of   Fisheries     angetriebener   U-Boote    aus    heimischer
Administration,     die     China       Marine      Produktion ab (O’Rourke, 2008: 9-18).
Surveillance, die lokalen Regierungen und           Neben U-Booten nimmt der Bau von
die chinesische Küstenwache (ibid.: 8ff). Die       Flugzeugträgern eine zentrale Stellung in der
Fischereibehörde dient dem Schutz der               strategischen Ausrichtung Pekings ein. Dieser
nationalen     Fischereigründe      und    hat      wurde bereits in den 1990er Jahren forciert
umfangreiche Vollzugs- und Strafverfolgungs-        (Wiegand, 2006: 45). Aktuelle Planungen
kompetenzen, die sie mit einer Reihe eigener        sehen vor, bis 2020 mehrere (wahrscheinlich
Patrouillenboote neueren Typs sowie durch
ältere Boote, die die Marine ausgemustert
und überstellt hat, durchzusetzen sucht. Die        5   SSBN – Ship Submersible Ballistic Nuclear (U-
                                                        Boot mit ballistischen Raketen)

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Jan Grebe
                                                                            Christoph Schwarz

drei) Flugzeugträger zu bauen, um sie als          eingesetzt werden (O’Rourke, 2008: 26f).
Kern      eigenständiger        Trägerverbände     Durch amphibische Kampfschiffe ist es
einzusetzen. Aus chinesischer Sicht ist die        möglich, Marineinfanteristen in weit entlegene
Anschaffung      von     drei   Flugzeugträgern    Operationsgebiete anzulanden sowie durch
notwendig, um angesichts der indischen und         Hubschrauber Luftunterstützung sicherzustellen.
japanischen Beschaffungspläne von jeweils          China ist dadurch in zunehmendem Maße in
drei Flugzeugträgern bis 2014 die eigenen          der Lage, immer weiter jenseits seiner Küste
Interessen auch weiterhin mit Nachdruck            zu    operieren    und     strategische     Ziele
vertreten zu können. Bis dahin wird der            durchzusetzen. Chinas Militär macht große
chinesischen      Marine      der    ukrainische   Fortschritte bei der Entwicklung einer
Flugzeugträger „Varyag“ für Trainingszwecke        modernen      Antischiffsrakete     des      Typs
zur Verfügung stehen (Janes Defence                „Dongfeng 21 D“, die eine ernsthafte
Weekly, 5. Januar 2011, S. 5). Ende Juli 2011      Bedrohung für amerikanische Schiffe sowie
wurde von offizieller Seite die General-           Flugzeugträger darstellt (Stokes, 2009: 1f).
überholung und Modernisierung des ehemals
                                                   Mit der umfangreichen Aufrüstung seiner
ukrainischen Flugzeugträgers für Trainings-
                                                   Seestreitkräfte   will  China   aber    auch
und Forschungszwecke bestätigt (People’s
                                                   internationale Verantwortung bei multi-
Republic of China. Ministry of National
                                                   lateralen Marineoperationen übernehmen.
Defense, 27. Juli 2011).
                                                   Pekings Beteiligung an der Anti-Piraterie-
Inzwischen hat Peking seinen ersten Flug-          Mission am Horn von Afrika veranschaulicht
zeugträger offiziell vorgestellt und der Marine    diese Intention, auch wenn es den
übergeben. Es ist jedoch davon auszugehen,         chinesischen Militärs sicher ebenso um die
dass dies ein symbolischer Akt war, da der         Möglichkeit geht, bei solchen Missionen ihre
Prototyp noch einige Jahre von der                 neu ausgebildeten maritimen Kräfte in den
Einsatzbereitschaft entfernt sein dürfte (Wall     Einsatz zu entsenden und den teilstreitkraft-
Street Journal, 26. September 2012). Es darf       und plattformübergreifenden Einsatz zu üben.
jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die           Die derzeitige Beteiligung Chinas an der Anti-
Beschaffung von Flugzeugträgern noch               Piraterie-Mission am Horn vor Afrika mit zwei
lange nicht mit der Fähigkeit zur operativen       Zerstörern und einem Versorgungsschiff und
und taktischen Führung bzw. Einsatzfähigkeit       die ihr zugrundeliegenden Motive müssen
von komplexen Trägerverbänden gleich-              auch vor diesem Hintergrund bewertet
zusetzen ist. Im Unterschied zu den USA oder       werden (Li, 2009: 5).
etwa Indien dürften die entsprechenden
Kapazitäten       mangels      Erfahrung    auf
absehbare Zeit beschränkt bleiben und sich
erst schrittweise entwickeln.

Im    Bereich    der     großen   militärischen
Überwasserschiffe, insbesondere bei Fregatten,
kann „von einer Serienproduktion die Rede
sein“ (Brune et al., 2009: 12–14). Besonders
der Bau verschiedener Landungsschiffe
belegt Chinas Ziel, auch jenseits der eigenen
Gewässer operieren zu können. Das eigens
entwickelte und produzierte amphibische
Kampf- und Transportschiff der Klasse 071
(Yushao) kann bis zu 800 Soldaten anlanden
und    ebenfalls     als   Hubschrauberträger

                                                                                                 11
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

3. Regionale Anrainer im                           chinesische Aufrüstung und die dahinter
                                                   stehende Strategie mit Sorge betrachtet.
Fokus                                              Tokios Ziele sind die Gewährleistung der
                                                   territorialen  Integrität   und    die    Selbst-
3.1 Japan:                                         verteidigungsfähigkeit sowie der Schutz des
Rüstungsbeschaffung                                Landes vor maritimen Bedrohungen. Daher
                                                   reagiert Japan auf den Ausbau der
Japans     Marine   verfügt    über    Vielzahl    chinesischen Marine seit einigen Jahren mit
moderner Kriegsschiffe und ist besonders auf       strategischen Anpassungsmaßnahmen und
U-Boot-Bekämpfung sowie die Entminung von          dem       Ausbau    der     eigenen      Marine,
Gewässern spezialisiert. Die Teilnahme an          insbesondere durch die Stärkung der U-Boot-
verschiedenen internationalen Einsätzen hat        Flotte. Der Küstenwache (JCG – Japanese
verdeutlicht, dass die japanische Marine           Coast Guard) weist Tokio traditionell eine
umfangreiche Kapazitäten und Fähigkeiten           entscheidende Rolle bei der Durchsetzung
besitzt. Japan hat einige der modernsten           japanischer Interessen in seiner maritimen
diesel-elektrischen U-Boote und ist darüber        Einflusszone6 zu. Die JCG ist in ihrer Struktur
hinaus mit seinen Kapazitäten in der Lage          und Funktion vergleichbar mit der US-
auch jenseits der eigenen Hoheitsgewässer          amerikanischen Küstenwache und wird
umfangreiche Operationen durchzuführen.            häufig, wie in den USA, als vierte Teilstreitkraft
Derzeit leisten 45.518 Soldaten sowie 9.800        bezeichnet. Durch die JCG ist es der
Marineflieger ihren Dienst in der japanischen      japanischen     Regierung     möglich,      auch
Marine. Hinzu kommen noch 12.636 Zivilisten, die   außerhalb des begrenzten Verteidigungs-
gegenwärtig in der Küstenwache beschäftigt         budgets maritime Verteidigungskapazitäten
sind (IISS, 2012). Die beiden größten              aufzubauen, da die Küstenwache dem
Nachbarn Chinas im Pazifik sind Japan und          Ministerium für Land, Infrastruktur, Verkehr
Australien (abgesehen von den USA). Sowohl         und Tourismus untersteht. Dies könnte indirekt
in Japan als auch in Australien werden die         zu einer Verbesserung der Fähigkeiten zur
                                                   Machtprojektion führen, da Kapazitäten der
 Tabelle 4: Kapazitäten der japanischen
 Marine und Küstenwache                            JCG      zum   Schutz     der  Küstengewässer
                                                   freigesetzt werden (Samuels, 2007: 84ff).
 Waffenkategorien                     Anzahl       Ein weiterer Beleg für die aktive Rolle der
 U-Boote                                   18      japanischen Marine (MSDF – Maritime Self
 Flugzeugträger                             2      Defence Force) ist der Anti-Piraterie-Einsatz
 Patrouillenboote                           6      am Horn von Afrika, bei dem bis zu zwei
 Zerstörer                                 29      Zerstörer, zwei P-3C Aufklärungsflugzeuge
 Minenboote                                33      und 3 C-130H Helikopter im Einsatz sind. Mit
 Fregatten                                 15      dem Aufbau eines eigenen Stützpunktes in
 Amphibienfahrzeuge                        22
 Logistik und Unterstützung                76      6   Die maritime Einflusszone geht deutlich über
 (Schiffe)                                             die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die
 Patrouillenboote (Küstenwache)           386          sich über 200 Seemeilen (370km) erstreckt,
                                                       hinaus und wird von jedem Staat selbst
 Logistik und Unterstützung                25          festgelegt. Die chinesische maritime Einfluss-
 (Küstenwache)                                         zone zieht sich vom Japanischen über das
 Quelle: IISS, 2012.                                   Südchinesische Meer bis zum Indischen Ozean
                                                       und zum Eingang des Persischen Golfs (Neue
                                                       Züricher Zeitung, „China drängt zu den
                                                       Weltmeeren“, 18. Juni 2011).

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Djibouti   stärkt    Japans   Regierung    ihre   auf verschiedene Szenarien, die jenseits der
Beteiligung an der multinationalen Mission        klassischen, „statischen“ Verteidigungsaufgaben
(Bloomberg, 8. Juli 2011). An die Seite der       liegen (Berkofsky, 2011), in Zukunft an
Vergrößerung der U-Bootflotte und der             Bedeutung gewinnen.
Modernisierung der Überwasserkapazitäten tritt
die neue strategische Ausrichtung der             3.2 Japan: Strategische Analyse
„dynamischen Verteidigung“, die insbesondere
die     Verwundbarkeit      gegenüber       der   Das bilaterale Verhältnis zwischen Japan und
chinesischen sea-denial Strategie verringern      China wird nicht nur durch die jahrtausende-
soll (Medcalf/ Heinrichs, 2011: 18). Dazu ist     alte gemeinsame Geschichte geprägt und
die Anschaffung von bis zu sechs neuen U-         insbesondere durch die japanischen Kriegs-
Booten geplant, so dass die MSDF in Zukunft       verbrechen in den 1930er und 1940er Jahren
über 22 U-Boote verfügen wird (Strait Times,      belastet.     Als Folge der unmittelbaren
21. Oktober 2010/ Government of Japan.            geographischen Nachbarschaft existiert auch
Ministry of Defense, 2010). Darüber hinaus        ein nach wie vor ungelöster direkter
sehen die im Dezember 2010 verab-                 territorialer Konflikt um die Senkaku-Inseln
schiedeten nationalen Verteidigungsrichtlinien    (Nass, 2010: 11). Doch nicht nur dies beeinflusst
den Kauf von drei Zerstörern und zehn             das bilaterale Verhältnis. Weitere mögliche
Aufklärungs- und Überwachungsflugzeugen           Bedrohungen und Konfliktursachen werden in
(P-1) vor (Wall Street Journal, 12. Februar       der Geschwindigkeit und Dynamik des
2011). Tokio plant ebenfalls den Erwerb eines     chinesischen Aufstiegs sowie der nach wie
Hubschrauberträgers (DDH), der die schnelle       vor engen Sicherheitspartnerschaft zwischen
Verlegbarkeit von Truppen garantieren soll,       Japan und den USA gesehen (Smith, 2009)7.
sowie     26     SH-60K    Hubschrauber     zur   Neben diesen Faktoren, die unmittelbar das
Aufklärung/Überwachung         und     U-Boot-    bilaterale Verhältnis betreffen, spielen auch
Bekämpfung (Government of Japan. Minstry          systemische      eine    bedeutende       Rolle.
of Defense, 17. Dezember 2011). Für neue          Insgesamt zeichnet sich die ostasiatische
Beschaffungsvorhaben hat die japanische           Region durch ein anhaltendes, komplexes
Regierung in den Jahren 2000 bis 2011 im          Sicherheitsdilemma (Hertz, 1957) aus:
Schnitt etwa 8,3 Milliarden US-Dollar pro Jahr
                                                      The region is characterized by major shifts in
bereitgestellt. Für Forschung und Entwicklung
                                                      the balance of power, skewed distribution of
standen im selben Zeitraum im Schnitt 1,3
                                                      economic and political power within and
Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Insgesamt
                                                      between countries, political and cultural
beliefen sich die Ausgaben auf fast 15
                                                      heterogeneity, growing but still relatively low
Milliarden US-Dollar für Forschung und
                                                      levels of intraregional economic interdepen-
Entwicklung sowie 91 Milliarden US-Dollar für
                                                      dence, anemic security institutionalization,
Beschaffungen (CSIS, 2012: 17).
                                                      and widespread territorial disputes that
Die Überarbeitung des Weißbuchs von 2011,             combine natural resource issues with post-
die wachsende Bedeutung von MSDF und                  colonial nationalism” (Christensen, 1999: 49).
JCG in der sicherheitspolitischen und
strategischen Ausrichtung sowie schließlich
die aktuellen Beschaffungsvorhaben für die
Marine weisen auf eine Neuausrichtung der         7     Trotz der fundamentalen Bedeutung, die die
japanischen Verteidigungspolitik hin. Zwar              USA und Japan ihrer Sicherheitspartnerschaft
                                                        attestieren, ist auch diese nicht frei von
wird auch weiterhin die Verteidigung des
                                                        Friktionen. Gerade in Japan zeigt sich in der
japanischen Territoriums die primäre Aufgabe            Öffentlichkeit und auch unter politischen
bleiben. Dennoch wird die schnelle Reaktion             Entscheidungsträgern vielfach eine ambi-
                                                        valente Haltung zu dieser Allianz.

                                                                                                    13
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
    Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

Die Fragen, wie Japan einerseits auf den             Diese explizite Kritik an der mangelnden
Aufstieg Chinas reagieren sowie andererseits         Transparenz des Modernisierungs- und Auf-
seine Außen- und Sicherheitspolitik insgesamt        rüstungsprozesses der chinesischen Streitkräfte
neu ausrichten sollte, wird seit geraumer Zeit       und       der    ebenfalls   als   unzureichend
intensiv     diskutiert.      Einige      Autoren    eingestuften Aufklärung über die sicherheits-
diagnostizieren einen schrittweisen „Normali-        politischen Intentionen Pekings in einem
sierungsprozess“,       der    allerdings    eine    offiziellen     Dokument       rechtfertigt    die
langfristige Remilitarisierung Japans (Hughes,       Einschätzung, dass es sich hierbei um „a
2008: 16) mit einschließt. Alles in allem            radical departure in Japanese defence
zeichnet sich diese innenpolitische Debatte          thinking vis-à-vis China“ (Khan, 2011: 391)
durch einen hohen Grad an Pragmatismus               handelt. Als zusätzlicher Beleg für die
und     Anpassungsfähigkeit       an   die    sich   wachsende         Wahrnehmung      des      „China
verändernden         strategischen      Rahmen-      threat“ kann die veränderte Dislozierung der
bedingungen aus (Samuels, 2008: 6). Konsens          japanischen Streitkräfte gelten, bei der in
im Pro und Contra in Bezug auf die                   zunehmendem Maße Truppenkontingente
Neuvermessung der japanischen Außen- und             sowie Luftwaffen- und Marineeinheiten von
Sicherheitspolitik ist dabei, dass China eine        Norden nach Süden verlegt werden, um
der wesentlichen, wenn nicht gar die                 chinesischen Territorialansprüchen im Süd-
zentrale Triebfeder hierfür ist.                     chinesischen Meer begegnen zu können.
                                                     Auch der konzeptionelle Schwenk von einem
Der Blick auf die „National Defense Program
                                                     „Basic Defense Force Concept“ hin zu einer
Guidelines    (NDPG)“    Japans    für   das
                                                     „Dynamic Defense Force“ (Government of
Haushaltsjahr 2011 und darüber hinaus
                                                     Japan. Ministry of Defense, 2010: 7), die sich
bestätigt diesen Befund. Im entsprechenden
                                                     unter anderem durch größere Mobilität,
Vorgängerdokument aus dem Jahr 2004
                                                     Flexibilität und Durchhaltefähigkeit auszeichnen
wurden erstmals Bedenken hinsichtlich der
                                                     soll, wird in dieser Weise interpretiert.
Auswirkungen des chinesischen Aufstiegs auf
die regionale Sicherheit zum Ausdruck                China nimmt unzweifelhaft einen zentralen
gebracht (Hughes, 2009: 88f.). Die aktuellen         Platz   als    potenzielle   Bedrohung      der
NDPG gehen darüber deutlich hinaus, wenn             japanischen Handlungsfreiheit ein. Gleich-
es heißt:                                            zeitig betont die japanischen Regierung in
                                                     den NDPG neben den oben genannten
    China is widely and rapidly modernizing its
                                                     Bedenken, dass sie nach wie vor an
    military force […] and is strengthening its
                                                     vertrauensbildenden Maßnahmen mit China
    capability for extended-range power pro-
                                                     arbeiten will. Diese sollen im Ergebnis eine
    jection. In addition, China has been
                                                     konstruktive und kooperative Beziehung zu
    expanding and intensifying its maritime
                                                     Peking hervorbringen. Die Grundlage hierfür
    activities in the surrounding waters. These
                                                     bilden gemeinsame strategische Interessen.
    trends, together with the insufficient
                                                     Allerdings zeigt ein genauerer Blick auf diese
    transparency over China’s military forces
                                                     angestrebte „Mutually Beneficial Relationship
    and its security policy, are of concern for
                                                     based on Common Strategic Interests“, dass
    the regional and global community8
                                                     etwaige gemeinsame strategische Interessen
    (Government of Japan. Ministry of Defense,
                                                     bisher nur in Ansätzen ausformuliert sind (Gao,
    2010: 4).
                                                     2008). Zur Reduzierung der Spannungen
                                                     könnte z.B. die sogenannte „Gemeinsame
                                                     Entwicklung“ (Joint Development) umstrit-
                                                     tener Seegebiete mit Bodenschätzen dienen.
8   Hervorhebung durch die Verfasser.

14
Jan Grebe
                                                                                      Christoph Schwarz

Zwar hatten sich Japan und China im Jahr                 aufgegeben wurde (Hosoya, 2011). In den
2008 auf die gemeinsame Ausbeutung des                   aktuellen NDPG ist lediglich die Rede davon,
umstrittenen Chunxiao-/ Schirakaba-Gasfeldes             ergänzend zum nach wie vor zentralen
geeinigt. Es kam jedoch zu gegenseitigen                 amerikanisch–japanischen         Bündnis   eine
Vorwürfen und einer Eskalation des Konflikts             „Multi-layered Security Cooperation with the
durch die Entsendung von chinesischen                    International Community“ anzustreben. Diese
Patrouillenbooten    nach      diplomatischen            soll   dazu    beitragen,     durch   bi-  und
Verstimmungen (Bräuner, 2011). Um vertrauens-            multilaterale sicherheitspolitische Kooperation
vollere Beziehungen zwischen beiden Staaten              mit Staaten in der Region und anderen
zu     entwickeln,   müssten     gemeinsame              Ländern der internationalen Gemeinschaft
Interessen in substanziellerer Form als bisher           die regionale Stabilität weiter auszubauen
artikuliert werden.                                      (Government of Japan, Ministry of Defense,
                                                         2010: 8f.).
Gegen eine grundsätzliche Positionierung
Japans im Sinne einer konfrontativen Gegen-              Die nach wie vor bestehende Bedrohung
machtbildung (Link, 1996) spricht der                    durch Nordkorea, die als „unmittelbar“ und
Umstand, dass das seinerzeit durch den                   „gravierend“ bezeichnet wird (ibid.: 4), und
damaligen Außenminister Taro Aso vorge-                  die Bereitschaft Japans, sein internationales
schlagene Projekt einer „Arc of Freedom and              Engagement         zur    Verbesserung       der
Prosperity“ 9 für Asien mittlerweile offiziell           internationalen Sicherheit auszubauen (ibid.: 2),
                                                         erklären zusätzliche Beschaffungsprojekte im
                                                         Bereich     maritimer     Rüstung.    Allerdings
9   Vgl. zu deren geographischer Reichweite die          überzeugt das Argument, sich gegen eine
    Ausführungen in Aso (2006): “Next I would like
    for you to take a look around the outer edge
                                                         Bedrohung durch Nordkorea wappnen zu
    of Eurasia--just follow that line all the way        müssen, in diesem Zusammenhang nicht
    around. This belt has seen great changes upon        vollständig,   reichen     doch    die   bereits
    the end of the Cold War as the curtain was           vorhandenen maritimen Fähigkeiten dazu
    being drawn on the confrontation between
    East and West. It is these countries in which we     bereits aus. Zudem hält Japan explizit an den
    hope to help build "the arc of freedom and           bestehenden drei Prinzipien gegen eine
    prosperity" of which I spoke, and I would like to    nukleare Bewaffnung fest10, was ebenfalls
    address this issue from now. Why not Africa,
                                                         gegen eine als unmittelbar und potenziell
    you might say. Or what about Latin America–
    clearly a very important region, you could           überwältigend wahrgenommene Bedrohung
    argue, keeping an eye on other parts of the
    globe. I will be speaking about this in greater
    detail later in my remarks, but one                       sometimes referred to by the countries' initials
    consideration for Japan is that we are looking            of "CLV." In addition, there is the example of
    to strengthen our cooperation with both the               the countries of Central Asia, and the
    EU and NATO. What naturally comes to mind                 countries of the Caucasus region, such as
    upon me mentioning this fact is the band of               Georgia and Azerbaijan, which are extremely
    countries I mentioned earlier forming this nice           important with regard to the supply of natural
    arc. This region includes countries whose                 resources to the globe. Still further we have
    systems have been undergoing great changes                Ukraine, which I visited this summer, and whose
    now that the confrontation between the East               capital, Kyiv, and other major cities I felt share
    and the West has ended. My statement was                  the atmosphere of the cities of the world
    that we should make that into an "arc of                  powers, as might be expected.”
    freedom and prosperity. Now of course the            10   Die drei nuklearen Prinzipien umfassen, dass
    Middle Eastern region also lies within this arc. I        Japan keine Nuklearwaffen besitzt, sie nicht
    believe that I need another speech to address             produziert und sie nicht ins Land lässt. Darüber
    our policies concerning the Middle East, so I             hinaus wird mit den drei Prinzipien auch häufig
    will not be discussing those issues in any detail         eine Politik verbunden, die eine friedliche
    today. Concretely speaking, what I have in                Nutzung der Kernenergie fördert, die globale
    mind right now is Cambodia, Laos, and                     nukleare Abrüstung anstrebt und auf die nukleare
    Vietnam, for example, which as a belt is                  Abschreckung der USA baut.

                                                                                                             15
Sicherheitspolitische Implikationen maritimer Aufrüstung im asiatisch-pazifischen
Raum – Australien, Japan, Südkorea und Vietnam im Fokus

durch     Pjöngjang   spricht. Denkbar     ist   entspricht freilich nicht dieser abwartenden
hingegen, dass Tokio den Faktor Nordkorea        Position. Damit läuft die japanische Führung
als legitimatorischen Deckmantel für eine im     allerdings auch Gefahr, im Falle eines
Kern gegen China gerichtete Aufrüstung           Rückziehers gegenüber China einen hohen
benutzt, wobei es gegenwärtig noch weit          innenpolitischen Preis bezahlen zu müssen.
davon entfernt ist, deshalb sein Credo
nuklearer Nichtbewaffnung aufzugeben.            3.3 Australien:
Hingegen erscheint die Beschaffung neuer         Rüstungsbeschaffung
maritimer Fähigkeiten mit Blick auf eine
stärkere Partizipation an Maßnahmen, die der     Die australische Marine verfügt über eine
Sicherung der international und insbesondere     begrenze Anzahl von U-Booten älteren Typs
für    Japan     fundamental    bedeutsamen      sowie ein Dutzend Fregatten, die den Kern
Handels- und Importrouten dienen, durchaus       der maritimen Kapazitäten darstellen. Speziell
plausibel. Die zunehmende Unterstützung          zur U-Bootabwehr befinden sich zahlreiche
internationaler Bemühungen um friedens-          Hubschrauber im Dienst der Streitkräfte.
stabilisierende bzw. –schaffende Maßnahmen       Insgesamt     sind   die    Kapazitäten    und
durch eine maritime Komponente ist vor           Fähigkeiten zur U-Boot Bekämpfung nur
diesem Hintergrund nachvollziehbar. Der in       begrenzt, sollen jedoch im Rahmen von
Japan       bereits    vor   geraumer     Zeit   Beschaffungsprogrammen deutlich verbessert
vorgenommene Schwenk vom Konzept der             werden. Die U-Boote weisen erhebliche
„nationalen Verteidigung“ hin zum weiter-        technische Defizite auf und sind häufig nur
gefassten und gleichzeitig diffuseren Konzept    begrenzt einsatzfähig. Insgesamt ist die
der „Sicherheit“ (Sato, 2010) unterstreicht      australische Marine deutlich kleiner als die
diesen Punkt. In der Tat dienen militärische     Seestreitkräfte Chinas oder Japans. Mit
Fähigkeiten entsprechend dieser Interpre-        Beschaffungsvorhaben       im   Bereich     der
tation neben der klassischen Kriegsführung       amphibischen       Kapazitäten      will    die
auch der Aufrechterhaltung internationaler       australische     Regierung    eine     zentrale
Ordnungsstrukturen, bei der Kampfeinsätze        Fähigkeitslücke schließen (Davies, 2010).
nicht im Vordergrund stehen (ibid.: 25).         Derzeit verfügt die australische Marine über
                                                 14.250 Soldaten (IISS, 2012). Australien
Insgesamt ist zu konstatieren, dass der          verfolgt eine ähnliche Aufrüstungsstrategie
Aufstieg Chinas als Faktor in der japanischen
Außen- und Sicherheitspolitik sukzessive an
                                                 Tabelle 5: Kapazitäten der australischen
Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig hat sich         Marine
Tokio bisher nicht entschieden auf die Seite
der     Befürworter    einer     Politik  der     Waffenkategorien                       Anzahl
konfrontativen Gegenmachtbildung gestellt,
                                                  U-Boote                                      6
sondern verfolgt weiterhin eine „hedging“-
                                                  Patrouillenboote                            14
Strategie (Samuels, 2008). Ungeachtet der
                                                  Minenboote                                   9
Betonung der potenziell destabilisierenden
                                                  Fregatten                                   12
Wirkung der chinesischen Modernisierungs-
                                                  Amphibienfahrzeuge                          36
und Aufrüstungsbestrebungen vermitteln die
NDPG den Eindruck: “Japan has a strong            Logistik und Unterstützung (Schiffe)        24
tendency to prevent confrontation and to          Hubschrauber (Marineflieger)                40
adopt a wait-and-see-pragmatism“ (Holslag,
                                                 Quelle: IISS, 2012.
2010: 78). Die gegenwärtige Haltung im Streit
um     die    Senkaku/    Diaoyu-Inselgruppe

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