Pauschalierungssatz in Gefahr: Handeln Sie jetzt! - Die Bundesregierung wird voraussichtlich den Pauschalierungssatz Anfang 2022 senken. Für viele ...
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Betriebsleitung Pauschalierungssatz in Gefahr: Handeln Sie jetzt! Die Bundesregierung wird voraussichtlich den Pauschalierungssatz Anfang 2022 senken. Für viele Landwirte sind das keine guten Nachrichten und wer seinen Betrieb teilen will, um die neuen Pauschalierungsgrenzen einhalten zu können, muss umdenken. △ Nichts ist in Stein gemeißelt – auch der Pauschalierungssatz von 10,7 % MwSt. nicht. Die Regierung wird den Satz künftig einmal im Jahr überprüfen und ggf. anpassen. UNSERE EXPERTEN den das Bundesfinanzministerium an ken, ihren Betrieb zu teilen, um die Pau- Steuerberater Stefan Heins und Steuerberater die Fraktionen der CDU/CSU und SPD schalierungsgrenze von 600 000 € ein- Jasper Reiter, wetreu Kiel geschickt hat und top agrar vorliegt. halten zu können? Hier die Antworten Für Pauschalierer würde damit die Lü- auf die wichtigsten Fragen. cke zwischen den Ausgaben (oft 19 % D ie Ankündigung kommt relativ MwSt.) und den Einnahmen (9,6 % HINTERGRUND nüchtern formuliert auf andert- statt 10,7 % MwSt.) größer. Oder an- Was steckt hinter der Ankündigung? halb Seiten daher. Dabei hat sie ders ausgedrückt: Der Pauschalierungs- Antwort: Seit Jahren streiten die Bun- eine enorme Sprengkraft: Die Bundes- vorteil fällt künftig kleiner aus. desregierung und die EU über zwei Fra- regierung will den Pauschalierungssatz Was steckt hinter der Ankündigung? gen: Wer darf pauschalieren? Und ist von 10,7 % auf 9,6 % senken. Mögli- Bleibt es bei 9,6 % oder sind auch an- der Satz von 10,7 % zu hoch? Die Zan- cherweise schon am 1.1.2022. Das zu- dere Werte realistisch? Und wie sollten kerei gipfelte in gleich zwei Vertrags- mindest geht aus einem Entwurf hervor, Betriebe regieren, die darüber nachden- verletzungsverfahren gegen Deutsch- 24 top agrar 7/2021
land. Um die Wogen zu glätten, hat verzerrt. Eigentlich müsste das Land- SCHNELL GELESEN Berlin mit dem Jahressteuergesetz 2020 wirtschaftsministerium die umsatzstar- beschlossen: ken Höfe herausrechnen. Das Ergebnis Der Pauschalierungssatzsinkt • Betriebe mit einem Nettoumsatz von würde dann nicht mehr so drastisch vorraussichtlich gegen Ende des Jahres 600 000 €/Kalenderjahr dürfen ab dem ausfallen. Ändert die Regierung die Be- von 10,7 % auf 9,6 %. 1.1.2022 nicht mehr pauschalieren. rechnung nicht, ist der verzerrende Ef- Für Veredlerund andere wertschöpfungs • Die Bundesregierung wird die Höhe fekt erst ab 2025 verschwunden. starke Betriebe fällt der Pauschalierungs des Pauschalierungssatzes jedes Jahr vorteil künftig kleiner aus. aufs Neue prüfen und ggf. anpassen. ZEITHORIZONT Bundesfinanzminister Olaf Scholz Wann geht es nun weiter? Betriebsteilungenlohnen sich bei (SPD) hat daher vor ein paar Monaten Antwort: Mit einer Entscheidung ist einem sinkenden Pauschalierungssatz seine Amtskollegin Julia Klöckner erst gegen Ende des Jahres zu rechnen. immer seltener. (CDU) gebeten, die durchschnittliche Vor der Bundestagswahl wird kaum Vorsteuerbelastung für die Jahre 2017 eine Partei schlechte Nachrichten ver- bis 2019 zu berechnen. Ergebnis: an- kaufen wollen. Auf die lange Bank statt 10,7 % müsste der Wert 9,6 % be- kann die neu gewählte Regierung die tragen. Würde das Ministerium im Üb- Entscheidung hingegen nicht schieben. nem tatsächlichen Fall basiert. Der rigen das Jahr 2020 mit einbeziehen, Berlin muss gegenüber Brüssel liefern, Pauschalierungsvorteil des Betriebs sähe die Rechnung nicht viel besser aus. damit das Vertragsverletzungsverfahren liegt derzeit bei rund 10 000 €/Jahr. Denn zeitweise lag der Mehrwertsteu- nicht eskaliert und schnellstmöglich die Würde der Satz auf 9,6 % sinken, zahlt ersatz nicht bei 19 % sondern 16 %. Kriegsbeile begraben werden können. er sogar drauf. Lesen Sie dazu die Die Ausgaben der pauschalierenden Um jetzt nicht unter Zeitdruck eine Zusatzinfo „Es fehlen 13 500 €“ auf Landwirte fielen entsprechend geringer Fehlentscheidung zu treffen, hat die Re- Seite 26. aus, bei gleichbleibend hohen Mehr- gierung die EU-Kommission um mehr Vor allem Veredler, denen die niedri- wertsteuereinnahmen (10,7 %). Zeit gebeten. Ob Brüssel der Bitte nach- gen Preise schlechte Ergebnisse besche- kommt, stand zu Redaktionsschluss ren, sollten sich mit ihrem Steuerbera- PAUSCHALIERUNGSSATZ noch nicht fest (7.6.2021). ter zusammensetzen und genau abwä- Sind die 9,6 % in Stein gemeißelt? gen, ob eine Betriebsteilung noch Antwort: Das ist nicht sicher. Dagegen FOLGEN gerechtfertigt ist. Das Gleiche gilt für sprechen zwei Argumente: Was bedeuten die Änderungen für Be- Landwirte, die in der Vergangenheit • Neben der bereits angesprochenen triebe, die derzeit über eine Betriebstei- stark investiert haben. Denn diese er- Berechnung des BMEL gibt es noch lung nachdenken, um die Pauschalie- halten bei einem Wechsel in die Regel- eine des Bundesrechnungshofes. Dieser rungsgrenze einhalten zu können? besteuerung einen Teil der Vosteuer aus kommt zu einem noch niedrigeren Satz. Antwort: Da der Pauschalierungsvorteil den Investitionen zurück. Zudem ist Danach wäre ein Wert von 9,3 % ange- ab dem Jahr 2022 kleiner ausfallen der Aufwand für eine Betriebsteilung messen. Allerdings: Die Kalkulation be- könnte, ist möglicherweise für einige nicht zu unterschätzen. Lesen Sie dazu zieht sich auf die Jahre 2011 bis 2013. Betriebe ein Wechsel in die Regelbe- die Zusatzinfo „Betriebsteilung: Auf- Zudem unterscheiden sich die Rechen- steuerung doch eine Option. Experten wand als Nutzen abwägen“ auf S. 27. wege der beiden Methoden, auch wenn rechnen damit, dass Mäster z.B. pro Diejenigen, die ihren Betrieb bereits das BMEL seine Vorgehensweise nach Schwein um rund 1,50 € und Milch- geteilt haben, müssen nun ebenfalls eigenen Angaben an die des Bundes- viehhalter pro Kuh und Jahr rund 40 € noch einmal genau nachrechnen und rechnungshofes angepasst hat. verlieren. Wie drastisch sich das aus- möglicherweise das Konstrukt wieder Hintergrund: Klöckners Mitarbeiter wirkt, zeigt unser Beispiel, das auf ei- auflösen. ▶ hatten in älteren Kalkulationen bislang auch die Vorsteuer von gewerblichen Lohnunternehmen einfließen lassen (ca. 12 %). Damit handelte sich das Minis- terium aber Kritik vom Bundesrech- nungshof ein, weshalb das BMEL die Lohnunternehmen in seiner jüngsten Analyse gestrichen hat. Ob die neue Herangehensweise des BMEL aber von allen Beteiligten so akzeptiert wird, steht noch nicht fest. • Die Berechnungen beziehen sich auf ▷ Wer einen die Jahre 2017, 2018 und 2019. Prob- Betrieb teilt, lem: Der neue Satz könnte bereits ab sollte den bürokratischen dem 1.1.2022 gelten. Dann dürfen al- Mehraufwand lerdings Betriebe mit einem Umsatz von nicht unter- mehr als 600 000 €/Kalenderjahr nicht schätzen. Der Foto: Höner mehr pauschalieren. In den Berechnun- kann schnell bei gen des BMEL sind diese Betriebe aber 20 Stunden pro enthalten. Die Kalkulation ist somit Monat liegen. top agrar 7/2021 25
Betriebsleitung Foto: Beckhove △ Wer seinen Betrieb teilt, benötigt für jede Hofstelle eine eigene Futterversorgung. ◁ Ob sich eine Betriebsteilung noch Foto: Höner auszahlt, sollten die betroffenen Betriebe zusammen mit einem Steuerberater sauber abwägen. Bedenken Sie aber: Wenn Sie die Tei- erben. Davon profitieren Sie aber nur, • Sie dürfen Verluste aus einer gewerb- lung aufheben und dadurch gewerblich wenn Sie land- und forstwirtschaftliche lichen Tierhaltung nicht mit anderen werden, hat das Konsequenzen. Nur ein Einkünfte erzielen. Für Gewerbetrei- Einkünften verrechnen. paar Beispiele: bende gilt hingegen das Bürgerliche Ge- • Ihre Schlepper sind nicht von der • Sie dürfen nicht mehr pauschalieren setzbuch. Kfz-Steuer befreit. – auch wenn Sie weniger als 600 000 € • Sie erhalten weniger Fördergelder. diethard.rolink@topagrar.com Umsatz/Kalenderjahr erwirtschaften. • Sie müssen schärfere Vorschriften • In einigen Bundesländern können Sie beim Bau eines Stalles einhalten, was Ihren Betrieb nach dem Höferecht ver- mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. BEISPIELRECHNUNG Es fehlen 13 500 € BEISPIEL: 300 HEKTAR-ACKERBAU UND EIERPRODUKTION Max Zurbrüggen (Name geändert) be- 10,7 % MwSt. 9,6 % MwSt. wirtschaftet 300 ha und hält 12 000 Bruttoeinnahmen/Jahr 1 360 000 € 1 346 486 € Legehennen. Er pauschaliert und hat Einnahmen Nettoeinnahmen/Jahr 1 228 546 € 1 228 546 € 2020 rund 131 000 € MwSt. durch Gesamt 131 454 € 117 940 € seine Verkäufe eingenommen (10,7 %). Diese muss er nicht an das Finanzamt Bruttoausgaben mit 7 % MwSt. 411 000 € abführen. Allerdings hat er auch Ausga- Ausgaben Nettoausgaben mit 7 % 384 112 € 7 % MwSt. ben, in denen insgesamt rund 95 000 € Gesamt 26 888 € MwSt. enthalten waren, die ihm das Fi- nanzamt nicht erstattet. Sein Pauscha- Bruttoausgaben mit 19 % MwSt. 424 500 € Ausgaben lierungsvorteil beträgt somit rund. Nettoausgaben mit 19 % 356 723 € 19 % MwSt. 37 000 €. Das ist allerdings nur die Gesamt 67 777 € halbe Wahrheit. Denn Zurbrüggen hat Steuerausgaben Gesamt 94 665 € in den vergangenen Jahren Hühner- ställe gebaut und Maschinen gekauft. Pauschalierungsvorteil (Einnahmen – Ausgaben) 36 789 € 23 275 € Wenn er in die Regelbesteuerung wech- Vorsteuerkorrektur für Investitionen 27 075 € seln würde, könnte er sich die Vorsteuer Pauschalierungsvorteil nach Vorsteuerkorrektur 9 714 € -3 800 € aus seinen Investitionen erstatten las- top agrar; Quelle: wetreu Kiel sen – auch noch Jahre später. Diese Gutschriften muss er somit noch von △ Sinkt der Satz auf 9,6 %, lohnt sich in diesem Fall die Pauschlierung nicht mehr. den 37 000 € abziehen, um seinen tat- Im Gegenteil: Zurbrüggen würde 3 800 €/Jahr mehr ausgeben als einnehmen. 26 top agrar 7/2021
tes zu berechnen, muss Zurbrüggen für Foto: Schnippe jede Maschine bzw. für jedes Gebäude ermitteln, wie viel Zeit von den zehn bzw. fünf Jahren abgelaufen ist. Die da- rauf entfallende Vorsteuer bekommt er nicht erstattet. Die Vorsteuer für die noch verbleibenden Jahre hingegen schon. Allerdings zahlt ihm das Finanz- amt seinen Anteil nicht in einer Summe aus, sondern jährlich 1/10 bzw. 1/5. EIN WECHSEL LOHNT SICH ◁ Vor allem In unserem Beispiel stünden Zurbrüg- Mäster profitieren gen bei einem Wechsel in die Regelbe- bislang von der steuerung 2022 ca. 27 000 € zu. Sein Pauschalierung. Vorteil beträgt somit tatsächlich „nur“ 9 700 € (37 000 € – 27 000 €). Bei ei- nem Pauschalierungssatz von 9,6 % sinken seine Mehrwertsteuereinnahmen sächlichen Vorteil beziffern zu können. Für Gebäude beträgt dieser zehn, für um rund 13 500 €. Bei gleichen Ausga- Zurbrüggen steht nicht die gesamte Maschinen fünf Jahre. Beispiel: Sie ha- ben und dem Abzug für die Vorsteuer- Vorsteuer zu, die er damals ausgegeben ben 100 000 € Vorsteuer für einen Stall korrektur klafft unterm Strich ein Mi- hat, sondern nur ein Anteil. Das Fi- ausgegeben. Dann sind das bei einem nus von 3 800 € bzw. bei einem Wechsel nanzamt verteilt dazu seine Vorsteuer Zeitraum von zehn Jahren 10 000 €/ in die Regelbesteuerung könnte er die- gleichmäßig auf Korrekturzeiträume: Jahr. Um die Erstattung des Finanzam- sen Betrag als Vorteil verbuchen. -ro- BETRIEBSTEILUNG Aufwand und Nutzen abwägen Wer seinen Betrieb teilt, hat oft nur ein gründete Gesellschaft verpachten, dann Das gilt auch für die Seuchenkasse. Ziel im Visier: möglichst viel Steuern muss der Pachtvertrag einem Fremdver- Getrennte Nummern für die Invekos- sparen. Wer allerdings nur aus steuerli- gleich stand halten. Das gilt auch dann, Datenbank sind ebenso erforderlich chen Gründen seinen Betrieb teilt, dem wenn an dem neuen Betrieb Ihre Toch- wie getrennte Abgaben von Beiträgen, kann das Finanzamt schnell einen Ge- ter oder Ihr Sohn beteiligt sind. z. B. bei der Landwirtschaftlichen Al- staltungsmissbrauch unterstellen. • Sie müssen sich an die Vereinbarun- terskasse. Das zeigt auch ein Urteil des Bundes- gen im Vertrag halten und dies ggf. dem Die Verfügung finden Sie auf unserer finanzhofes (BFH): Ein Steuerbera- Finanzamt nachweisen. Themenseite im Internet: tungsbüro hatte sich in sechs Gesell- Wenn Sie der neuen Gesellschaft www.topagrar.com/pauschalierung2021 schaften aufgesplittet, um die Kleinun- Ställe überlassen, dann sollten Sie: ternehmergrenze zu unterschreiten. So • Ihre Ställe klar und deutlich vonein- ZUSÄTZLICHE KOSTEN mussten die Berater ihren Mandanten ander trennen. Es reicht nicht aus, ein- Berücksichtigen Sie auch die zusätzli- keine Umsatzsteuer in Rechnung stel- zelne Buchten zu verpachten. chen Kosten einer Betriebsteilung: len. Die Richter am BFH stuften das • Die Ställe benötigen eigenständige • Wer eine Gesellschaft gründet, benö- Konstrukt hingegen als Gestaltungs- Futterversorgungen. tigt die Hilfe eines Steuerberaters und missbrauch ein. Folge: Die Berater • Wasser und Strom müssen getrennt die eines Rechtsanwaltes. Dafür fallen mussten Tausende von Euros an das Fi- voneinander erfasst werden. in der Regel bis zu 3 000 € an (einma- nanzamt nachzahlen. • Die Gülleentsorgung müssen Sie so lig). regeln wie unter Fremden. Wenn bei- • Der Aufwand für den zusätzlichen UNZÄHLIGE VORGABEN spielsweise Ihr Junior eine Gesellschaft Jahresabschluss und die Buchführung Suchen Sie daher immer außersteuerli- gründet, einen Maststall von Ihnen variieren – je nach Größe und Umfang che Gründe. Im Zweifel holen Sie Be- pachtet, Sie aber die Gülle für ihn ent- des Betriebes – zwischen 1 000 und rufskollegen mit an Bord, wie z. B. bei sorgen, dann müssen Sie Ihrem Nach- 4 000 €/Jahr. 51 a-Kooperationen. Um auf der siche- wuchs das in Rechnung stellen. • Unterschätzen Sie nicht den Aufwand ren Seite zu sein, hilft auch ein Blick in • Sie benötigen außerdem für jede Ge- für das Controlling, das Schreiben der eine Verfügung der Oberfinanzdirek- sellschaft EU-Betriebsnummern, müs- Rechnungen usw. Der kann schnell bei tion Hannover, an der sich die meisten sen für jeden Hof Förderanträge ausfül- 20 Stunden pro Monat liegen. Bei ei- Finanzämter orientieren: len und die Tierbestände der HI-Tier nem Stundenlohn von 20 € sind das im- • Wenn Sie einen Stall an eine neu ge- datenbank melden. merhin 4 800 €/Jahr. -ro- top agrar 7/2021 27
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