Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug

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Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Infonium
 PH Zug 3/2017
 Lernen im Spiel

                   Pädagogische Hochschule Zug
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Editorial                                                          Inhalt

                                                                   Editorial                                                   2
                                                                   Lernen im Spiel                                           3–5
                                                                   Mit Geschichten Gelerntes verarbeiten                       6
                                                                   Lerngeschichten – wo Welten sich öffnen                   7–8
                                                                   Spielbegleitung: indirekt und direkt lenken              9–10
                                                                   Spielbegleitung konkret                                 10–11
                                                                   Komm, wir spielen Schulentwicklung                      12–13
                                                                   Kulturreflexive Coaching-Praxis                         14–15
                                                                   «Der Ruf der PH Zug: klein und fein»                    16–17
                                                                   Studierenden-Kolumne: Alle sind anders und doch so gleich 18
Esther Kamm                                                        Informationen aus den Leistungsbereichen                   19
                                                                   Veranstaltungen                                            20

Spielen ist für das Lernen und die Entwicklung von Kindern zent-   nur etwas für Kinder. Bei der Qualifizierung von Lehrpersonen
ral. Das zeigen Lucia Amberg und Luzia Bürgi in ihrem Artikel      und schulischen Führungskräften werden erfolgreich Planspiele
eindrücklich auf (S. 3–5). Damit junge Kinder wichtige Lerner-     eingesetzt (S. 12–13).
fahrungen machen können, brauchen sie aufmerksame Lehrper-
sonen, die ihre Interessen und Ressourcen erkennen und ent-        Zum Schluss noch etwas Persönliches: Seit gut 100 Tagen bin
sprechende Spiel- und Lernsituationen schaffen. Mit Hilfe von      ich nun Rektorin der PH Zug. Wie mir der Arbeitsstart geglückt
Geschichten können Lehrerinnen und Lehrer mit den Schüle-          ist und welche Themen mich beschäftigen, dazu äussere ich
rinnen und Schülern über ihre gemachten Spielerfahrungen           mich in einem Interview (S. 16–17). In meiner Startphase durfte
sprechen und sie so in ihrem Entwicklungsprozess unterstützten     ich zahlreiche interessante Gespräche mit Studierenden, Mitar-
(S. 6). Zwei Studentinnen der PH Zug erläutern in einem Inter-     beitenden und lokalen Partnern führen. Ich freue mich auf die
view, welche Erfahrungen sie im Praktikum mit ihrer Spiel- und     Fortsetzung dieses Dialogs über die aktuelle und zukünftige
Lernbegleitung gesammelt haben (S. 7–8).                           Lehrer/innen-Bildung im Kanton Zug!

Die Aufgabe von Lehrpersonen ist es unter anderem, geeignete       Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Spielsituationen zu planen und zu gestalten und die Schülerin-
nen und Schüler bei ihrem Spiel indirekt und direkt zu lenken
(S. 9–10). Wie eine solche Spielbegleitung aussehen kann, zeigt    Esther Kamm
Studentin Nanita Scherrer auf (S. 10–11). Spiele sind aber nicht   Rektorin

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Lernen im Spiel

Spielen ist für das Lernen und die Entwicklung      Auf allen Unterrichtsstufen spielen
von Kindern zentral. Das Lernen im Spiel hat auf    Spielerische Formen haben im Unterricht auf
allen Stufen seinen Platz. Die PH Zug legt im       allen Stufen ihren Platz. So lernen sich Voka-
Studiengang Kindergarten/Unterstufe einen           beln einfacher im Rahmen eines Spiels. Ebenso
Schwerpunkt beim Thema «Spiel».                     ist die Motivation grösser, in einer spielerischen
                                                    Form das 1x1 zu lernen als beim blossen Wie-
Hartnäckig hielt sich die Meinung, Spielen und      derholen für sich alleine. Aus fachlicher Sicht
Lernen seien gegensätzliche Tätigkeiten. Be-        ist eine Abgrenzung zwischen den verschiede-
sonders im Schulumfeld wurde gerne zwischen         nen Formen des Spiels im Unterricht notwen-
Spielen und Lernen unterschieden. Aussagen          dig, um spielpädagogisches Handeln professio-
wie «Mit der Schule beginnt der Ernst des Le-       nell einsetzen zu können. Ulrich Heimlich
bens» sowie schulstrukturelle Rahmenbedin-          unterscheidet in seinem Buch «Einführung in
gungen begünstigten diese Abgrenzung: Das           die Spielpädagogik» (Heimlich, 2015) zwei
Spielen wurde dem (lange nicht zur Schule zäh-      verschiedene Formen spielpädagogischen
lenden) Kindergarten zugeschrieben, das Ler-        Handelns: «Spiel als Mittel zum Lernen» und
                                                                                                          Abbildung 1:
nen der Schule. Gleichzeitig wurde jedoch nie       «Spielen als Ziel». Beide Formen haben ihre
                                                                                                          Formen spielpädagogischen
bestritten, dass das Spielen hoch entwickelte       Berechtigung in Kindergarten und Schule, beide        Handelns nach Heimlich
Lebewesen auszeichnet und eminent wichtig für       verlangen professionelle Überlegungen.                (2015, S. 217).
die individuelle Entwicklung ist. Der nachhaltige
Erfolg von Huizingas Buch «Homo Ludens» zeigt              Spielpädagogik im engeren Sinn                Spielpädagogik im weiteren Sinn
dies exemplarisch (Huizinga, 2011).                                 Spielen als Ziel                       Spiel als Mittel zum Lernen

Aktuell ist ein deutliches Revival der Thematik        Unterstützung                   Förderung
                                                                                                            Spielerische Einkleidung
des Spiels festzustellen. Im Feuilleton und in          des Spiels                     des Spiels
populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen
                                                         Spielsituation            1. Diagnose                       Lernspiel
wird auf die Wichtigkeit des Spiels und des                gestalten
Spielens für Kinder hingewiesen (z. B. Hüther &                                    2. Intervention               Interaktionsspiel
Quarch, 2016). Dies mag einerseits eine Reakti-
                                                         Spielsituation
on auf immer höhere Anforderungen an immer                 begleiten               3. Evaluation
jüngere Kinder und damit ein Veto gegen diesen
zunehmenden Druck sein, der insbesondere
auch auf der jungen Generation lastet, die sich     Für die Ausbildung an der PH Zug bilden Profes-
im globalisierten Wettbewerb dereinst wird          sionsstandards eine zentrale Referenz. Sie be-
behaupten müssen. Andererseits hat sich die         ziehen sich auf das Aufgabenfeld einer Lehrper-
Forschung zum Thema «Spiel» stark intensiviert      son und zeigen somit diejenigen Kompetenzen
und es liegen aus psychologischen und pädago-       auf, welche die Studierenden im Rahmen ihrer
gischen Fachgebieten empirische Ergebnisse          Ausbildung an der PH Zug erwerben sollten.
vor, die das Spiel als zentralen Motor der Bil-     Aufbauend auf den Überlegungen von Heimlich
dung und Entwicklung des Kindes empirisch           wurde an der PH Zug für die Beschreibung der
untermauern. Damit wird die schon in den            professionellen Kompetenzen von Lehrperso-
1960er-Jahren vom Psychologen Vygotsky ge-          nen für das Lernen im Spiel ein spezifischer
machte Feststellung, dass das Spiel als «leading    Professionsstandard entwickelt. Dieser umfasst
activity» für das Lernen und die Entwicklung der    Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen: Das
Kinder zu betrachten ist, bestätigt. Die Evidenz    Verstehen des Lernens im Spiel und das Verste-
dieser Ergebnisse (z. B. Siraj-Blatchford & Mayo,   hen von Spielprozessen sind Voraussetzungen
2012) mag mitunter ein Grund sein, dass Aus-        dafür, dass das Planen und das Begleiten des
sagen wie «Spielen gehört nicht in die Schule»      Spiels ebenso gelingen kann wie das Dokumen-
obsolet geworden sind und heute vielmehr da-        tieren und Analysieren.
nach gefragt wird, wie das Spiel im Kindergar-
ten und in der Schule gepflegt werden kann,
damit Kinder eine anregende Umgebung für ihre
Entwicklung vorfinden.

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Spielpädagogische Kompetenzen aufbauen
                                         Das Desiderat der stärkeren Berücksichtigung
                                         des Spiels in der Ausbildung für Kindergarten-
                                         und Unterstufenlehrpersonen stand an der PH
                                         Zug schon lange im Raum, mit der aktuellen
                                         Studienplanreform konnte es nun umgesetzt
                                         werden. Wer an der PH Zug Kindergarten/Un-
                                         terstufe studiert, kommt direkt «in medias res»:
                                         Die Gestaltung von kompetenzorientierten
                                         Spielsituationen und die Begleitung von Spieltä-
                                         tigkeiten stehen im Zentrum der berufsprakti-
                                         schen Ausbildung des ersten Studienjahres. Als
                                         didaktisches Grundkonzept dient ein Struktur-
                                         modell, das die Alters- und Entwicklungs-
                                         heterogenität der Kinder in der Eingangsstufe
                                         berücksichtigt und auch in altersdurchmischten
                                         Klassen (z. B. Grundstufe) eingesetzt werden
                                         kann. Mit der Verwendung der vier Unterrichts-       Spielförderung: sich an den Interessen und Stärken der
                                         bausteine «Thema», «Freie Tätigkeit», «Kurs» und     Kinder orientieren.

                                         «Plan» nach Birri (in Achermann, 2012) wird es
                                         möglich, dem Spiel im engeren Sinne – nämlich        Das Ausbildungskonzept sieht vor, dass sich die
                                         dem Spielen als Ziel und nicht als Mittel zum        Studierenden in der ersten Praxisphase, die im
                                         Zweck – genügend Raum zu geben. Durch die            Kindergarten und in Grundstufenklassen absol-
                                         konsequente Ausrichtung an den Lern- und Er-         viert wird, nur auf den Baustein «Freie Tätigkeit»
                                         fahrungsfeldern steht das Kind mit seinen indi-      – notabene das Spiel – konzentrieren. Das
                                         viduellen Voraussetzungen im Zentrum. Damit          heisst, sie planen mit einem eigens von der PH
                                         wird auch der im Lehrplan 21 geforderten Ent-        Zug entwickelten Planungsraster kompetenz-
                                         wicklungsorientierung Rechnung getragen.             orientierte Spielsituationen, die sie im Sinne
                                                                                              des Verfahrens «Lerngeschichten» begleiten
                                                                                              und dokumentieren (siehe S. 7–8).
               Sache                       Anforderungen             Erfahrungs-/Lernfelder
                                                                                              Interessen und Entwicklungsthemen der
                                                                                              Kinder erkennen
                                                                             Thema            Für die Studierenden liegt gemäss aktuellen
    Sache analysieren               Orientierung am LP 21
                                                                                              Erkenntnissen die Herausforderung darin, im
    Fachliche und fachdidaktische   Entwicklungsorientierte                                   Spiel der Kinder deren Interessen und Entwick-
    Inhalte, Konzepte               Zugänge (EoZ)                        Freie Tätigkeit
                                                                                              lungsthemen zu erkennen und darauf professio-
    Bedeutung der Inhalte:          Fachliche Kompetenzen                                     nell zu reagieren – also mit Empathie und dem
    –– Gegenwarts-/Alltagsbezug                                                               Blick dafür, wie das Kind in interessengeleiteten
    –– Zukunftsbedeutung            Überfachliche Kompetenzen                 Kurs
    –– Exemplarische Bedeutung                                                                Spielthemen gefordert und gefördert werden
    –– Fachspezifische                                                                        kann. Einige Studierende hatten zu Beginn die
       Überlegungen
                                                                               Plan           Vorstellung, guter Unterricht bedeute aus-
                                                                                              schliesslich Lerninhalte in kleine Lernschritte zu
                                                                                              gliedern und die Kinder anzuleiten. Von dieser
                                            Bedingungen
                                                                                              mussten sie sich zuerst verabschieden. Anfor-
                                                                                              derungsreich war auch, sich im Sinne der Ak-
                           Bedingungsanalyse
                                                                                              zeptanz auf die oft eigenwilligen Ideen der Kin-
                                                                    Situationsanalyse
                                                                                              der einzulassen und zusammen mit ihnen nach
                                                                    Personenbezogene          Antworten auf ihre je eigenen Fragen zu finden.
                                      Personale Bedingungen
          Lernvoraussetzungen                                       Bedingungen;
          der Kinder
                                      der einzelnen Kinder
                                                                    institutionelle und       Dieses Einlassen auf die Spielprozesse und der
          Präkonzepte/Interessen/
                                      Soziale Voraussetzungen
                                                                    kulturelle Faktoren;      Austausch in fest installierten Reflexionsgrup-
          Wohlbefinden                                              räumlich-, zeitliche
                                      der Klasse                                              pen öffnete und schärfte jedoch den Blick für
                                                                    Voraussetzungen
                                                                                              die Lernmöglichkeiten, die eine gut durchdach-
                                                                                              te Spielsituationsgestaltung beinhalten kann.
Abbildung 2: Strukturmodell für die Planung im Zyklus 1 (PH Zug).                             Auch Wechselwirkungen zwischen Spielzeit,
4
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Raum, Spielpartner/innen und Spielmaterial
oder die Bedeutung der Exploration als Basis               Luzia Bürgi
der Kompetenzentwicklung rückten ins Zentrum               Luzia Bürgi ist Co-Fachschaftsleiterin Bildungs- und
der Diskussion. Im Sinne von «Spiel im engeren             Sozialwissenschaften, Leiterin des Mentorats Kinder-
                                                           garten/Unterstufe im 1. Studienjahr und langjährige
Sinn» wurden bei der Planung keine kleinschrit-            Mentorin im Kindergarten/Unterstufen-Studiengang
tigen Lernziele vorgegeben, sondern Kompeten-              der PH Zug.
zen erfasst, die theoretisch durch die geplante
                                                           Die ehemalige Kindergärtnerin mit einem MAS in
Spielsituation gefördert werden könnten. Da-               Teacher Education ist für die Weiterentwicklung des
durch wurden die Kinder zu wichtigen Akteuren              Studiengangs Kindergarten/Unterstufe verant-
des eignen Lernens. Dies entspricht einem                  wortlich und leitet zusammen mit Lucia Amberg
                                                           die Arbeitsgruppe Kindergarten/Unterstufe der
Kernanliegen des Lehrplans 21.
                                                           beiden Hochschulen Zug und Luzern.

Eine Auseinandersetzung mit der professionel-
len Spielförderung unterstützt angehende Lehr-             Lucia Amberg
personen dabei, sich nicht an den Defiziten,
                                                           Lucia Amberg ist promovierte Erziehungswissen-
sondern an den Interessen und Stärken der Kin-             schaftlerin und war bis Frühling 2017 an der PH Zug
der zu orientieren. Denn ohne diese kann gar               für das Hauptstudium und den Kindergarten/Unter-
kein spielpädagogisches Handeln «im engeren                stufen-Studiengang verantwortlich.
Sinn» erfolgen. Kaum ein anderes Lernarrange-              Nun arbeitet sie an der PH Luzern als Studiengangs-
ment vermag stärker zum Ausdruck zu bringen,               leiterin Kindergarten/Unterstufe und leitet gemein-
worin der Unterschied zwischen Instruktion und             sam mit Luzia Bürgi die Arbeitsgruppe Kindergarten/
                                                           Unterstufe der beiden Hochschulen Zug und Luzern.
Konstruktion liegt. Wenn im Kontext des kompe-
tenzorientierten Unterrichts von Performanz
gesprochen wird, so sind genau solche lebens-
nahen, entwicklungsorientierten und meist
auch fächerübergreifenden Lernsituationen ge-
                                                           Mediothek: Fachliteratur zum Thema «Spiel»
meint, die diesem Begriff gerecht werden.
                                                           Die links in der Infobox aufgeführte Literatur ist in
                                                           der Mediothek der PH Zug zu finden (siehe auch
In den nachfolgenden Ausführungen wird daher
                                                           mediothek.phzg.ch). Folgende zwei Publikationen
das Modell der Lerngeschichte vorgestellt und              können ebenfalls ausgeliehen werden:
illustriert, ebenfalls werden Grundüberlegungen
                                                           Einsiedler, W. (1999).
zur Spielbegleitung skizziert und eine spiel-              Das Spiel der Kinder: zur Pädagogik und Psychologie
pädagogische Intervention beschrieben (siehe               des Kinderspiels (3., aktualisierte und erw. Aufl.).
S. 6–11).                                                  Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

                                                           Leu, H. R. et al. (Hrsg.). (2007).
Lucia Amberg und Luzia Bürgi                               Bildungs- und Lerngeschichten. Bildungsprozesse
                                                           in früher Kindheit beobachten, dokumentieren
                                                           und unterstützen.
Literatur                                                  Weimar: verlag das netz.
Achermann, E. (2012).
Der Vielfalt Raum und Struktur geben: Unterricht mit
Kindern von 4 bis 8 (2. Aufl.). Bern: Schulverlag plus.

Heimlich, U. (2015).
Einführung in die Spielpädagogik (3. aktual. Aufl.).
Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Huizinga, J. (2011).
Homo Ludens vom Ursprung der Kultur im Spiel
(22. Aufl.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Hüther, G. & Quarch, C. (2016).
Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist.
München: Carl Hanser.

Siraj-Blatchford, I. & Mayo, A. (2012).
Early childhood education. 2. Implications for early
childhood curriculum and pedagogy.
Los Angeles, Calif. u.a.: Sage.

                                                                                                                   5
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Mit Geschichten Gelerntes verarbeiten

                                      Mit Hilfe von Geschichten, die zum Austausch        Was sind Lerngeschichten?
                                      über das Lernen anregen, dokumentieren Lehr-        Lerngeschichten basieren auf einer Assess-
                                      personen Lernerfahrungen von Kindern.               mentpraktik, die aus dem frühpädagogischen
                                                                                          Bildungsplan Neuseelands hervorgeht. Lernge-
                                      Lernen in der frühen Kindheit ist in erster Linie   schichten sind auf den ersten Blick alltäglichen
                                      ein vielfältiges Erfahrungslernen, das an All-      Ereignisberichten ähnlich. Wer etwas Besonde-
                                      tagssituationen gebunden ist. Damit junge Kin-      res erlebt, berichtet darüber. In einer Lernge-
                                      der wichtige Lernerfahrungen machen können,         schichte wird das Lernereignis nicht kriterien-
                                      brauchen sie aufmerksame Erwachsene, die            orientiert erfasst und in einzelne Teile zerlegt,
                                      zum einen ihre Interessen und Ressourcen er-        sondern wichtige Details (z. B. Gedanken zur
                                      kennen und entsprechende Spiel- und Lernsitu-       Situation, «Aha-Momente» usw.) werden in nar-
                                      ationen schaffen. Zum anderen brauchen sie          rativer Form zusammengefasst. Das genaue
                                      Personen, die für kindliche Fragen und Proble-      Beobachten und Dokumentieren wird nicht wie
                                      me ernsthaftes Interesse zeigen und sich darauf     beim quantitativ-statistischen Forschen durch
                                      einlassen. Auf diesem Qualitätsverständnis          Fragestellungen gesteuert, sondern in Form
                                      vom Lernen junger Kinder basiert das Konzept        einer «sprachlich-anschaulichen Ganzheit»
                                      «Lerngeschichten». Die fünf Lerndispositionen       (Neuss, 2007, S. 35) erfasst. Alem-zadeh und
                                      nach Carr (2007) beschreiben die Grundvoraus-       Schäfer sprechen dabei von wahrnehmender
                                      setzung für lebenslanges Lernen: interessiert       Beobachtung: «Damit wir uns mit dem Kind über
                                      sein, engagiert sein, standhalten bei Herausfor-    sein Tun verständigen können, müssen wir ihm
                                      derungen und Schwierigkeiten, sich ausdrücken       zuhören und Erfahrungen mit ihm teilen» (2015,
                                      und mitteilen, an der Lerngemeinschaft mitwir-      S. 1). Die Besonderheiten der Situation werden
                                      ken und Verantwortung übernehmen. Die Lern-         deshalb meist im Nachhinein notiert und mit
                                      dispositionen versteht Carr als Fundus oder         Hilfe der Lerndispositionen und der Bezugnah-
                                      Repertoire von Lernstrategien, mit deren Hilfe      me zum Lehrplan ausgewertet.
                                      der lernende Mensch Lerngelegenheiten wahr-
Literatur                             nimmt, auswählt oder herstellt und sie aufgrund     Lerngeschichten werden neben dem Text meist
Alemzadeh, M. & Schäfer, G.           eigener Bemühungen fortwährend erweitert.           mit verschiedenen medialen Hilfsmitteln an-
(2015). www.wahrnehmendes-            Die Lerndispositionen berücksichtigen auch die      schaulich dargestellt und erzählt. Sie ermögli-
beobachten.de/content/Orientie-
                                      Motivation und die Fähigkeit, sich auf Neues        chen, sich Lernerfahrungen bildlich vorzustel-
rungshilfe-wahrnehmendes-Beob-
achten.pdf.                           und Ungewohntes einzulassen und es aktiv mit-       len, so dass diejenige Person, welche die
Abgerufen am 18. Oktober 2017.        zugestalten.                                        Geschichte liest oder hört, sich gut in die Situa-
Carr, M. (2007).                                                                          tion hineinversetzen kann. Lerngeschichten
Learning Stories – ein Bildungs-      Dieses Grundverständnis von Lernen lässt sich       betten das Lernen in aktuelle Lebensgeschich-
und Lernkonzept aus Neuseeland.       gut mit dem Kompetenzverständnis, wie es dem        ten ein. So werden Lernerfahrungen auch zu
In N. Neuss (Hrsg.), Bildung und      Lehrplan 21 zugrunde liegt, verbinden. In Anleh-    bedeutenden Lebenserfahrungen. Kinder erle-
Lerngeschichten im Kindergarten
(S. 41–54).
                                      nung an Weinert (2002) wird im Lehrplan 21          ben sich dabei als selbstwirksam und kompe-
Berlin: Cornelson Scriptor.           darauf hingewiesen, dass es für den Kompe-          tent und werden auch von aussen so wahrge-
D-EDK (2016). Lehrplan21.
                                      tenzerwerb neben unterschiedlichen Arten von        nommen. Die beschriebene Dokumentation
Grundlagen. v-ef.lehrplan.ch          Wissen auch physische Voraussetzungen und           ermöglicht nicht nur den Kindern selbst, son-
Abgerufen am 18. Oktober 2017.        die nötige Bereitschaft und den Willen braucht,     dern auch der Lehrperson und den Eltern, über
Leu, H.R. et al. (Hrsg.).(2007).      um das Gelernte anzuwenden (vgl. D-EDK 2016,        gemachte Lernerfahrungen nachzudenken und
Bildungs- und Lerngeschichten.        S. 7 ff). Wenn sich junge Kinder beim Spielen als   sich anhand konkreter Beobachtungen auszu-
Bildungsprozesse in früher Kindheit   kompetent, selbstbestimmend und selbstwirk-         tauschen (siehe Interview Seiten 7–8).
beobachten, dokumentieren und
                                      sam erleben, bilden diese Grunderfahrungen
unterstützen.
Weimar: Verlag das netz.              die besten Voraussetzungen, um sich auf immer       Luzia Bürgi
                                      anspruchsvollere Lernsettings einzulassen.
Neuss, N. (2007). Bildung im
Kindergarten – ein kritischer         Wichtig dabei ist, dass sich Lehrpersonen in
Überblick. In N. Neuss (Hrsg.),       den ersten Bildungsjahren nicht nur an vor-
Bildung und Lerngeschichten           strukturierten Förderprogrammen orientieren,
im Kindergarten (S. 9–40).
                                      sondern von den Interessen und Entwicklungs-
Berlin: Cornelson Scriptor.
                                      besonderheiten des einzelnen Kindes ausge-
Weinert, F. (2002).                   hen. Das braucht sorgfältige Beobachtung und
Leistungsmessungen in Schulen.
Weinheim: Beltz.
                                      Dokumentation, die durch Lerngeschichten un-
                                      terstützt werden können.
6
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Lerngeschichten – wo Welten sich öffnen

Im nachfolgenden Interview berichten Bettina
Kobelt Hotz und Kathrin Lang, Studentinnen im
Studiengang Kindergarten/Unterstufe, von ihrer
Arbeit mit Lerngeschichten im Rahmen der Pra-
xisausbildung im ersten Studienjahr.

Sie hatten in Ihrem Praktikum im Kinder-
garten die Aufgabe, eine Lerngeschichte zu
schreiben und diese zu illustrieren. Dafür
mussten Sie zuerst eine auf ein bestimmtes
                                                                                                        Abbildung 1:
Kind abgestimmte Spiel- und Lernsituation
                                                                                                        Titelblatt der Lerngeschichte
schaffen. Wie ist es Ihnen gelungen, die Inter-                                                         für Jan (mit einem Bild des
essen und Ressourcen des jeweiligen Kindes                                                              gebauten Tempels).
zu erkennen?
Bettina Kobelt Hotz: Ich beobachtete Jan* über     Zur Arbeit mit Lerngeschichten gehört die
eine gewisse Zeit hinweg. Insbesondere interes-    Spielbegleitung. Wie muss man sich diese
sierten mich die von ihm gewählten Spielorte       konkret vorstellen?
sowie seine Spielweisen. Um Jan besser ken-        Kathrin Lang: Für die von mir bereitgestellte
nenzulernen, fragte ich zudem bei der Kinder-      Spiel- bzw. Lernumgebung brauchte es keine
gartenlehrperson nach seinen Interessen. An-       grosse Einführung, und Lea spielte sehr selbst-
hand dieser Informationen gestaltete ich für ihn   ständig. Daher intervenierte ich eher zurückhal-
eine erste Spielsituation. Im gemeinsamen          tend. Als Schwierigkeiten auftauchten, stellte
Spiel merkte ich, dass sich für Jan Settings mit   ich für den kommenden Praxishalbtag jeweils
nur wenigen Vorgaben am besten eignen. Dar-        ein Angebot zusammen, das darauf ausgerich-
aus ergab sich dann die Idee des Bauspiels.        tet war, diejenigen Tätigkeiten zu trainieren, die
Kathrin Lang: Lea* trug meist farbige Haarspan-    Lea noch Mühe bereiteten.
gen in ihren langen Haaren. Daher nahm ich an,     Bettina Kobelt Hotz: Bei mir war das ein biss-
sie könnte sich für Haare und Frisuren interes-    chen anders. Jan äusserte den Wunsch, mit mir
sieren und kam so auf das Setting «Haarsalon».     zusammen zu spielen. Das intensive gemeinsa-
                                                   me Spiel erleichterte es mir, Jans Interessen
Worauf haben Sie bei der Gestaltung der            und Bedürfnisse zu erkennen und das Arrange-
Spiel- und Lernsituation geachtet?                 ment in der Folge auf diese abzustimmen. Ich         * Alle Namen der Kinder geändert.
Kathrin Lang: Mir war von Anfang an bewusst,       denke, ich konnte damit dazu beitragen, dass
dass das Thema «Haarsalon» die Gefahr birgt,       sich Jan in der vorgegebenen Lernumgebung             Ganz besonders beeindruckt
                                                                                                         hat mich dein Eichhörnchen-
ein Mädchen in ein geschlechtertypisches           wohlfühlte – eine wichtige Voraussetzung für
                                                                                                         Spielplatz im Wald:
Rollenklischee zu drängen. Deshalb empfand         ein erfolgreiches Explorieren. Ein weiteres zent-
ich es als zentral, dass im «Frisurenheft», das    rales Element meiner Begleitung waren Fragen          Zu Beginn des Morgens hast du
                                                                                                         dich, wie meistens, am Bach mit
ich für Lea gestaltete, nicht nur Mädchen,         wie etwa «Wie hast du es geschafft, dass das          Abseilen beschäftigt. Ein paar
sondern auch Jungen mit unterschiedlichen          Bauwerk nun stabil ist?» oder «Was ist dir beim       Kinder haben in der Nähe ein Eich-
Haarschnitten abgebildet waren. Ausserdem          zweiten Mal besser gelungen?» Diese dienten           hörnchen-Haus gebaut. Nach kur-
wählte ich Utensilien in unterschiedlichen         dazu, Jan zu motivieren und ihn zum Weiterden-        zer Zeit bis du auch dazu gesto-
                                                                                                         ssen und hattest sofort eine Idee:
Farben. Unabhängig davon achtete ich darauf,       ken anzuregen. Schliesslich bot ich ihm zur Un-       «Ich könnte für die Eichhörnchen
dass genügend Kämme, Haarschmuck usw. –            terstützung jeweils entsprechende Materialien         einen Spielplatz bauen, die müs-
aufgrund der feinmotorischen Tätigkeiten im        und Werkzeuge an, die das Bauen erleichterten.        sen doch das Balancieren üben»,
Haarsalon auch in Kindergrössen – vorhanden                                                              hast du gesagt. Du hast dich dem
                                                                                                         Eichhörnchen-Hausbau der ande-
waren, sodass es möglich war, mehrere Kinder       Während der Spielbegleitung haben Sie das             ren Kinder angepasst und dabei
im Salon spielen und miteinander agieren zu        Kind beobachtet. Wie sind Sie vorgegangen?            rücksichtsvoll deine eigenen Ideen
lassen.                                            Kathrin Lang: Die eher zurückhaltende Beglei-         verwirklicht. Es hat mich sehr
Bettina Kobelt Hotz: Auch bei mir gab es einiges   tung meinerseits ermöglichte es mir, meine            gefreut, wie ihr euch gegenseitig
                                                                                                         beim Abschneiden der Schnur und
zu beachten. Zum Beispiel suchte ich im Kinder-    Beobachtungen unmittelbar schriftlich festzu-         beim Knoten geholfen habt.
garten nach einem wenig frequentierten Raum,       halten und ausgewählte Situationen zu foto-
damit das Gebaute über eine gewisse Zeit ste-      grafieren.
                                                                                                        Abbildung 2:
hen gelassen werden konnte. Zudem schaute          Bettina Kobelt Hotz: Im Gegensatz zu Kathrin         Auszug aus der Lerngeschichte für
ich mich nach geeigneten Plätzen für Bauten im     war ich grösstenteils mitten im Geschehen drin.      Jan (zum gebauten Spielplatz für
Freien um.                                         Das Beobachten wurde dadurch sicherlich              Eichhörnchen).

                                                                                                                                            7
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Kind) zu Beginn des Rollenspiels etwa wie folgt:
                                                                               «Grüezi Frau Lorena, nehmen Sie doch bitte
                                                                               Platz.» Nachdem sie Lorena ein Glas Wasser
                                                                               gebracht hatte, sagte sie: «Hier ist das Frisuren-
                                                                               heft, Sie dürfen sich etwas aussuchen.»

                                                                               Was war für Sie das Herausfordernde an Ihrer
                                                                               Aufgabe?
                                                                               Bettina Kobelt Hotz: Für mich war es nicht im-
                                                                               mer einfach, die Balance zwischen Intervention
                                                                               und Zurückhaltung zu finden. Zwar macht es
                                                                               Sinn, beispielsweise bei stockendem Spielver-
                                                                               lauf einzugreifen; dabei sollte dem Kind aber
Kathrin Lang (links) und
Bettina Kobelt Hotz        erschwert. Jedoch erfuhr ich durch die Gesprä-      nicht voreilig eine Lösung präsentiert werden.
                           che, die sich aus dem Zusammenspiel ergaben,        Zudem sind Fehler als wichtige Stationen im
                           viel Wichtiges. Um die entsprechenden Informa-      Lernprozess zuzulassen.
                           tionen aufzuschreiben, zog ich mich teilweise       Kathrin Lang: Da ich die Lerngeschichte für Lea
                           bewusst kurz zurück. Als der gebaute Turm           schrieb, stand sie im Mittelpunkt der Betrach-
                           zusammenfiel, sagte Jan beispielsweise Folgen-      tung. Dieser Umstand erschwerte es, gleichzei-
                           des: «Letztes Mal hatte ich den Boden breiter       tig auch andere Kinder beim Spielen zu beglei-
                           gebaut und dann war der Turm auch oben stabi-       ten. Zudem fand ich es frustrierend, dass ich
                           ler.» Solche «Aha-Momente» eines Kindes sind        Lea aufgrund des vorgegebenen zeitlichen Rah-
                           als Inhalte einer Lerngeschichte geradezu ideal.    mens teilweise während wertvoller Lernprozes-
                                                                               se unterbrechen musste.
                           Sie haben die Lerngeschichte erwähnt, worin
                           Lernereignisse anhand von Beobachtungen in          Was nehmen Sie aus der Arbeit mit Lern-
                           narrativer Form zusammengefasst werden.             geschichten mit?
                           Können Sie eine für Sie aussagekräftige Stelle      Bettina Kobelt Hotz: Während der geschilderten
                           Ihrer Lerngeschichte kurz vorstellen und kom-       Begleitung durfte ich Jans Interessen, Ressour-
                           mentieren?                                          cen und Denkmuster kennenlernen. Dabei
                           Bettina Kobelt Hotz: Eines der gebauten Werke       staunte ich immer wieder. Insbesondere impo-
                           war ein Tempel, wofür wir – aufgrund der mit        nierten mir seine Kreativität und die von ihm
                           dem zusammenfallenden Turm gemachten Er-            gefundenen Lösungen, auf die ich teilweise nie
                           fahrung – zuerst ein Fundament legten. Gegen        gekommen wäre. An der Arbeit mit Lernge-
                           Ende der Spielsequenz antwortete Jan auf            schichten im Allgemeinen gefällt mir besonders,
                           meine Frage, was er am schönsten fand, voller       dass die dokumentierten Beobachtungen er-
                           Stolz: «Mir hat am besten gefallen, dass der        möglichen, die Lernereignisse eines Kindes zu
                           Sockel so gut gehalten hat, dass wir beide auf      einem späteren Zeitpunkt zu reflektieren und
                           diesen hinaufsteigen konnten und dass am            entsprechende Erkenntnisse für das weitere
                           Schluss ein stabiler Tempel mit vielen Türmen       Lernen des Kindes nutzbar zu machen.
                           und Geheimgängen entstanden ist.» Dieses            Kathrin Lang: Ich habe gelernt, dass es nicht viel
                           Lernereignis wollte ich dokumentieren, weshalb      benötigt, um Kinder zu begeistern und sie da-
                           ich auf dem Titelblatt der Lerngeschichte – ein     durch zum Lernen anzuregen. Kinder können
                           Buch, das ich für Jan gestaltete – ein Bild des     sich auch mit einfachen Materialien über einen
                           fertigen Tempels platzierte (siehe Abbildung 1)     längeren Zeitraum hinweg beschäftigen. Dabei
                           und in der Lerngeschichte auf das beschriebene      reicht eine Frage manchmal bereits aus, um in
                           Erlebnis einging. Im Wald baute Jan zudem           den Köpfen der Kinder Türen zu neuen Welten
                           einen Spielplatz für Eichhörnchen. Mich beein-      zu öffnen – und wo neue Welten sich erschlies-
                           druckten Jans Idee und die Umsetzung seines         sen, finden sich Lernerfahrungen, die in narrati-
                           Projekts, was ich in der Lerngeschichte in Form     ver Form Eingang in eine Lerngeschichte finden
                           eines an Jan gerichteten Textes festhielt (siehe    können. Das war eine schöne Erfahrung.
                           Abbildung 2).
                           Kathrin Lang: An einer Stelle beschreibe ich, wie   Das Interview führte Dr. Stefanie Haussener,
                           überzeugend Lea die Rolle der Coiffeuse spiel-      Wissenschaftliche Mitarbeiterin Leistungs-
                           te. So begrüsste sie ihre «Kundin» (ein anderes     bereich Ausbildung.
8
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Spielbegleitung: indirekt und direkt lenken

                       Spielpädagogisches Handeln umfasst die Planung      gen im pädagogischen Setting, bei denen in das
                       und Gestaltung von Spielsituationen, das Beob-      kindliche Spiel eingegriffen werden kann und
                       achten, ein allfälliges Intervenieren sowie das     soll. Es geht um die Akzeptanz gegenüber dem,
                       Dokumentieren der Spielprozesse. Um den Cha-        was Kinder ins Spiel einbringen und wie sie es
                       rakter des Spiels beibehalten zu können, müssen     entwickeln. Damit sind sowohl Themen und
                       verschiedene Rahmenbedingungen berücksichtigt       Spielformen als auch Spielverläufe gemeint.
                       werden.                                             Dies verlangt von den Lehrpersonen eine gros-
                                                                           se Offenheit gegenüber den Spielideen der
                       Ulrich Heimlich beschreibt drei Prinzipien, die     Kinder und ein hochgradig adaptiertes Unter-
                       für spielpädagogisches Handeln zentral sind         richten.
                       (vgl. Heimlich, 2015, S. 201 ff.). Er spricht vom
                       Prinzip der Multidimensionalität des Spiels und     Das dritte spielpädagogische Prinzip nach
                       meint damit, dass bei der Gestaltung von Spiel-     Heimlich bezieht sich auf die Umsetzung. Um
                       situationen und der Spielbegleitung zwingend        der Forderung nach Multidimensionalität und
                       darauf geachtet werden muss, dass die Spieltä-      Akzeptanz gerecht zu werden, muss das Prinzip
                       tigkeit des Kindes immer mehrere Entwick-           der Situationsgestaltung berücksichtigt werden.
                       lungsaspekte berücksichtigt. Wenn Kinder auf        Nicht das direkte Einwirken der Lehrperson
                       die Spielvorstellungen von anderen Kindern          steht im Zentrum, sondern die Frage nach der
                       eingehen lernen, werden soziale Aspekte be-         Gestaltung von Spielsituationen. Zentral ist,
                       deutsam, ebenso kommen emotionale Aspekte           dass die Kinder überhaupt die Möglichkeit ha-
                       zum Tragen, wenn Kinder aktuelle Erlebnisse in      ben zu spielen. Ist die ganze Unterrichtszeit
                       das Spiel einbringen. Kognitive Aspekte zeigen      bereits verplant, fehlt schlicht die Zeit für das
                       sich, wenn Kinder Spielabläufe memorieren, um       Spiel. Bei der Spielsituationsgestaltung muss
                       ein Spiel aufrechtzuerhalten, weiter zu planen      die Lehrperson auf mögliche Themen, die Kin-
                       und zu verändern.                                   der aufgrund ihrer Entwicklung und ihrer Le-
                                                                           benswelt in den Kindergarten und die Schule
                       Offensein gegenüber Spielideen der Kinder           einbringen könnten, vorbereitet sein und ent-
                       Das Ziel zu verfolgen, Kinder spielen zu lassen,    sprechende Spielsituationen ansprechend vor-
                       aber gleichzeitig von den Aufgaben der Lehrper-     bereiten. Eine perfekte Spielumgebung hat
                       son im Spiel zu sprechen, mag auf den ersten        nach diesem Verständnis imperfekt zu sein –
                       Blick widersprüchlich erscheinen. Das Prinzip       also unfertig und offen, damit sie für Kinder ge-
                       der Akzeptanz befasst sich mit den Bedingun-        staltbar wird.
             Bild 1:
Angebot Konstrukti-                                                        Indirektes Lenken
  onsspiel «Baufix».                                                       Spielpädagogisches Handeln hat zum Ziel, anre-
                                                                           gende Spielsituationen vorzubereiten und durch
                                                                           passende Interventionen die Qualität des Spiels
                                                                           anzuregen, aufrechtzuerhalten oder zu fördern,
                                                                           damit die Lernmöglichkeiten im Spiel – sei es in
                                                                           kognitiver, emotionaler oder sozialer Hinsicht
                                                                           – von den Kindern genutzt werden können. Die
           Bild 2:                                                         Lehrperson lenkt also einerseits indirekt durch
  Verbindungsteile
                                                                           entsprechende Vorbereitung der Spielsituation,
       werden mit
        Werkzeug                                                           und sie lenkt auch direkt durch konkrete Inter-
 zusammengebaut.                                                           ventionen, die Spieltätigkeiten anregen oder
                                                                           unterstützen.

                                                                           Für die indirekte Lenkung des Spiels ist das
                                                                           Verständnis der Spielsituation nach Heimlich
                                                                           hilfreich (vgl. Heimlich, 2015, S. 63 ff.). Heim-
                                                                           lich versteht eine Spielsituation als ein Netz-
                                                                           werk, in dem sich Personen, Dinge und Rah-
                                                                           menbedingungen gegenseitig beeinflussen. Alle
                                                                           Beteiligten (Kinder und Erwachsene) interagie-
                                                                           ren in einem Spiel, das durch den Spielraum,
                                                                                                                               9
Infonium PH Zug 3/2017 Lernen im Spiel - Kanton Zug
Bild 3: Optimierung                    Bild 4: Weitere Optimierung: Einrichten einer Baustellenwelt.   Bild 5: Intensive Konstruktionstätigkeit im Rahmen des Rollenspiels.
hinsichtlich Übersichtlichkeit
und Anregungsgehalt.
                                       die Spielmittel und die Spielzeit einen Rahmen                  durch ihr Mitspielen die Situation komplexer
                                       bekommt. Die Fragen der Gestaltung von Spiel-                   und somit die Spielsituationen für die Kinder
                                       situationen – also in welchem Raum, mit wel-                    anspruchsvoller zu gestalten. Beim themati-
                                       chen Materialien, zu welchem Themenbereich,                     schen Phantasiespiel gibt die Lehrperson eine
                                       mit welchen Regeln und wie lange gespielt wird                  Geschichte vor; gemeinsam mit den Kindern
                                       – sind wichtige Planungselemente.                               werden die Rollen und der Ablauf besprochen.
                                                                                                       Die Geschichte wird mit wechselnden Rollen
                                       Direktes Lenken                                                 und unter Beizug von Requisiten gespielt.
                                       Einsiedler unterscheidet verschiedene Formen
                                       spielpädagogischen Handelns (vgl. Einsiedler,                   Spielpädagogisches Handeln beinhaltet in An-
                                       1999, S. 156 ff.). Beim Mitspielen agiert die                   lehnung an Heimlich aktive und passive Hand-
                                       Lehrperson nur am Rand. Sie fügt sich in einen                  lungsmuster, die in einer Wechselwirkung ste-
                                       vorhandenen Spielablauf ein und versucht, mit                   hen (vgl. Heimlich, 2015, S. 196). Eine Lehr-
                                       Einzelvorschlägen die Qualität des Spiels zu                    person muss das Kind als Ganzes feinfühlig
                                       erhöhen, z. B. indem sie auf eine Situation ab-                 wahrnehmen und sich auf seine Themen einlas-
 Literatur
                                       gestimmte Fragen stellt oder ebenfalls mit den                  sen, um zu erkennen, wofür es sich interessiert
 Einsiedler, W. (1999).                vorhandenen Materialien spielt (Parallelspiel).                 und worauf es sich vertiefter einlassen kann.
 Das Spiel der Kinder: zur Pädagogik   Beim Spieltutoring ist die Rolle der Lehrperson                 Ausgehend von diesen Erkenntnissen kann eine
 und Psychologie des Kinderspiels
 (3., aktual. und erw. Aufl.).         aktiver. Sie steuert mit ihrer Intervention gezielt             Spielsituation gestaltet und im Austausch mit
 Bad Heilbrunn: Klinkhardt.            auf anspruchsvollere Situationen hin. Beim                      dem Kind oder Kindern weiterentwickelt wer-
 Heimlich, U. (2015).
                                       Spieltutoring von aussen gibt die Lehrperson                    den.
 Einführung in die Spielpädagogik      eine Anregung oder eine Aufgabe von aussen in
 (3. aktual. Aufl.).                   das Spiel ein, beim Spieltutoring von innen                     Lucia Amberg
 Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
                                       übernimmt sie selbst eine Rolle und versucht,

                                       Spielbegleitung konkret

                                       Nanita Scherrer, Studentin Kindergarten/Unter-                  es damit in seiner Kompetenzentwicklung indivi-
                                       stufe, hat im Rahmen eines Praktikums spiel-                    duell zu fördern –, beobachtete ich in einem ers-
                                       pädagogische Handlungsformen eingesetzt. In                     ten Schritt das Kind im Freispiel. Nach mehreren
                                       folgendem Beitrag beschreibt sie, wie man kom-                  Beobachtungen zeigte sich, dass es das Konst-
                                       petenzorientierte Lernprozesse von innen und                    ruktionsspiel aktuell am meisten interessiert. So
                                       aussen anstossen kann.                                          entschied ich mich, das Kind in den Bereichen
                                                                                                       «Bauen» und «Konstruieren» zu fördern.
                                       Während der Halbtagespraxis im ersten Studien-
                                       semester hatten wir im Rahmen der berufsprak-                   Spielgestaltung 1
                                       tischen Ausbildung die Aufgabe, für ein Kind                    Ich wählte ein Konstruktionsspiel, das dem Kind
                                       einer Kindergartenklasse eine Spielsituation zu                 noch unbekannt war. «Baufix» besteht aus vielen
                                       gestalten. Um die Spielbegleitung auf die Inter-                verschiedenen Holzteilen. Dabei können Verbin-
                                       essen des Kindes abstimmen zu können – und                      dungsteile mit Werkzeug zusammengebaut wer-
10
den. Zu Beginn offerierte ich die Baufixteile in
der zugehörigen Spielkiste (siehe Bild 1, S. 9).
Die Räder entfernte ich bewusst, um diese zu
einem späteren Zeitpunkt dazuzugeben.
Erneut beobachtete ich das Kind während des
Freispiels, um herauszufinden, welche Spieltä-
tigkeiten es ausübte. Ich bemerkte, dass mehr-
heitlich die gleichen Bauteile verwendet wurden
und dass die Wühlkiste als Behälter die Über-
sicht über alle Bauteile nicht gewährleisten
konnte. Zudem entstanden keine dreidimensio-
nalen Konstrukte, sondern vor allem lange
Schlangen, die mit den Schrauben von Hand
zusammengebaut wurden (siehe Bild 2). Die
Kinder konnten nicht wirklich verweilen; ich
hatte den Eindruck, dass ihnen schnell langwei-
                                                                                                         Bild 6: Konstruktionsergebnis aus
lig wurde. Also machte ich mir Gedanken darü-         dreidimensionalen Baufixfiguren als Anregung       der Baustellenwelt.
ber, wie die Spielsituation optimiert werden          auf (siehe Bild 4). Zudem baute ich eigene drei-
könnte.                                               dimensionale Konstruktionen und legte sie ein-
                                                      ladend in die Mitte der Baustelle. Das Werkzeug
Spielgestaltung 2                                     und die Schrauben wurden in einem Werkzeug-
Um die Vielfalt der Teilchenauswahl besser zu         koffer bereitgestellt. Zudem waren die einzel-
präsentieren, musste ich mehr Übersicht schaf-        nen Bauteile neu sortiert. Beim Eingang der
fen. Mit dem Ziel, das Bauen von Fahrzeugen           Baustelle lagen Bauhelme und orange Bauwes-
und somit dreidimensionaler Figuren anzuregen,        ten bereit, denn aus Sicherheitsgründen sollten
fügte ich die Räder hinzu. Da kein grosser Be-        Bauleute vor dem Betreten der Baustelle ent-
hälter vorhanden war, drehte ich einen Arbeits-       sprechende Schutzkleider tragen.
tisch um und schüttete die Teile dort hinein (sie-    Plötzlich waren Schiesswaffen uninteressant
he Bild 3). Die Räder mischte ich darunter.           und alle vertieften sich in die Baustellenwelt.
Ich stellte fest, dass in dieser zweiten Spielsitu-   Die Kinder kleideten sich entsprechend und
ation mehr Bauteile verwendet wurden. Die Rä-         besprachen die Baupläne gemeinsam (siehe
der wurden zwar entdeckt, waren für die Kinder        Bild 5). Zudem entstanden mobile, dreidimensi-
aber irrelevant. Die aneinandergeschraubten           onale Konstrukte mit Rädern (siehe Bild 6).
Teile wurden nicht erweitert, stattdessen in ei-      Auch wurden Werkzeuge korrekt eingesetzt.
nem Rollenspiel als Schiesswaffen eingesetzt.         So konnten Konstruktionsspiel und Rollenspiel
Die Situation entwickelte sich vom Konstrukti-        gleichzeitig praktiziert werden.
onsspiel zum Rollenspiel. In diesem Moment
versuchte ich durch Parallelspiel das Kind mit        Ergebnis
dreidimensionalen Gebilden zum Weiterbauen            Das Spiel entwickelte sich aus einem «Gegen-
zu animieren. Das Kind nahm meinen Input je-          einander» (Schiessen) zu einem «Miteinander»
doch nicht auf.                                       (Bauarbeiterteam). Die Kinder vertieften sich
Da mir die Idee der Schiesswaffen nicht gefiel,       sehr lange mit viel Interesse im Spiel. Es ent-
entschied ich mich für eine weitere Optimierung       standen neue Ideen und Innovationen und es
der Spielsituation. Mein Ziel war es, mit dem         herrschte ein rücksichtsvoller Umgang unterein-
gleichen Material ein attraktiveres Spielangebot      ander.
im Bereich des Konstruierens zu offerieren. Ich       Das Spielangebot konnte in dieser Form mehre-
wollte jedoch das hohe Interesse am Rollen-           re Male angeboten werden, ohne seine Attrakti-
spiel berücksichtigen und in die Planung mitein-      vität zu verlieren. Durch die Veränderung der
beziehen.                                             Spielsituation ist es gelungen, das Kind im an-
                                                      gestrebten Kompetenzbereich zu intensivem
Spielgestaltung 3                                     Lernen im Spiel anzuregen.
Ich wandelte die Baufixecke zur Baustelle um.
Dazu grenzte ich den Spielraum mit orangen            Nanita Scherrer,
Verkehrskegeln ein und hängte Bilder von Kin-         Studentin Kindergarten/Unterstufe
dern im Bauarbeiterkostüm und von möglichen           im zweiten Ausbildungsjahr, PH Zug                 Nanita Scherrer

                                                                                                                                             11
B
IB

 Komm, wir spielen Schulentwicklung

                               Die Planspielmethode eignet sich in der Qualifizie-   Durch das Setting eines Planspiels steht aber
                               rung von Lehrpersonen und schulischen Füh-            anderseits auch das Spielen als Lernmethode
                               rungskräften.                                         im Vordergrund. Hier geht es um Spass, Unter-
                                                                                     haltung und Kurzweiligkeit. Teilnehmende schil-
                               Viele Teilnehmende an Kursen und Seminaren            dern das Planspiel als eine Trainingsmethode
                               beklagen die geringe Nachhaltigkeit und Trans-        mit hohem «Transferimpact». Die Planspielme-
                               ferwirkung des Gelernten in die alltägliche           thode bietet aufgrund der Erfahrungen der Au-
                               Praxis (vgl. auch Wahl, 2001). Es entsteht viel       toren in der konkreten Anwendung viel Potenzi-
                               zu häufig «träges Wissen», das nicht adäquat          al (vgl. u. a. Kriz & Auchter, 2016; Hitzler et al.,
                               nutzbar gemacht werden kann. Um dies zu               2011; Capaul & Ulrich, 2010; Kriz, 2000).
                               verhindern, gilt es insbesondere bei der metho-       Der 2001 gegründete Fachverband SAGSAGA
                               dischen Umsetzung von Fort- und Weiterbil-            (Swiss Austrian German Simulation And Gaming
                               dungsangeboten und Massnahmen der Füh-                Association, www.sagsaga.org) benennt folgen-
                               rungskräfteentwicklung multiple Lernanlässe           de vier zentralen Prinzipien:
                               zu nutzen (vgl. Huber, 2013).                         –– Selbsttätigkeit und Lerneraktivierung:
                                                                                        u. a. Autonomie der Lernenden in der
                               Planspielmethode                                         Gestaltung eigener Lernaktivitäten.
                               Eine Methode, die in der Schulleitungsqualifizie-     –– Lernerorientierung: u. a. Anknüpfen an
                               rung und schulischen Führungskräfteentwick-              Vorwissen und Vorerfahrungen der
                               lung nicht neu, aber (noch) nicht flächende-             Lernenden und Interessenorientierung
                               ckend verbreitet ist, ist die Planspielmethode           (z. B. Neugier wecken).
                               (vgl. u. a. Capaul, 2001). Sie bedient verschie-      –– Lebensnähe: Realitätsorientierung
                               dene Lernanlässe gleichzeitig: kognitiv-theoreti-        (Vorstellung ist zentral, dass sich das Denken
                               sche (Briefing/Theoriearbeit durch Vorträge              aus dem praktischen Tun in realistischen Si-
                               und Selbststudium), kooperative (Lernen in der           tuationen entwickelt).
                               Gruppe) und kommunikativ-prozessorientierte           –– Ganzheitlichkeit und Sinnhaftigkeit:
                               (Fallarbeit) und schliesslich reflexive (Debrie-         u. a. die Ermöglichung von vollständigen
                               fing/Feedback zum Spielverlauf).                         Handlungsabläufen, die systemische Betrach-
                               Einerseits müssen Planspielende Strategien               tung von Zusammenhängen und die Integrati-
                               entwickeln, simulierte Problemstellungen bear-           on von kognitiven, affektiven und psychomo-
                               beiten und Konflikte bewältigen sowie in kom-            torischen Prozessen beim Lernen.
                               plexen Szenarien verschiedene Kompetenzen
                               anwenden:                                             Das Planspiel stellt damit eine Hybridform von
                               –– System-Gestaltungskompetenz                        hochgradiger Komplexität dar, das Formen wie
                               –– Teamkompetenz (sozial-kommunikative                Simulation, Regelspiel, Rollenspiel, Schauspiel
                                  Handlungskompetenz)                                und Fallstudie verbindet. Planspiele orientieren
                               –– Reflexionskompetenz                                sich an realen Situationen und sind deshalb
                               –– Problemlösekompetenz                               eine komplexere und dynamischere Umsetzung
                               –– Personale, emotionale und motivationale            der Fallmethode. Sie nähern sich der Realität
 Planspiel: Trainingsmethode
 mit hohem Transferimpact.        Kompetenzen (Kriz & Gust, 2003)                    an durch Modelle, in denen Menschen als Mit-
                                                                                     spieler Rollen übernehmen und konkrete Ent-
                                                                                     scheidungen treffen müssen, deren wirklich-
                                                                                     keitsrelevante Aus- und Folgewirkungen dann
                                                                                     geprüft werden. Drei wesentliche Komponen-
                                                                                     ten, nämlich Akteure/Rollen, Regeln und Res-
                                                                                     sourcen (vgl. Ceccini, 1988), einen alle Formen
                                                                                     von Planspielen.

                                                                                     SysTeamsChange
                                                                                     Ein komplexes Planspiel, das als Brettspiel
                                                                                     mit Spielfiguren und computerunterstützt in
                                                                                     Kleingruppen gespielt wird, ist das Planspiel
                                                                                     «SysTeamsChange» (Kriz & Hansen, 2006,
                                                                                     2011, 2016). Wir, die Autoren, setzen es seit
                                                                                     mehreren Jahren als Ein- bis Drei-Tages-Work-
 12
IB
                                                                                                                                                         B
                                                  shop in der Lehrerausbildung sowie in der             und die Gruppendynamiken zwischen den Ak-
Literatur                                         Führungskräfteentwicklung und Schulleitungs-          teuren (Innovatoren, Leader, Mehrheiten, Nach-
Capaul, R. (2001).                                aus- und -weiterbildung ein. Es stellt Verände-       zügler) mit beachtet werden.
Die Planspielmethode in der Schulleiteraus-       rungsmanagement, also Schulentwicklung,               Gespielt werden mehrere Runden. Vor und nach
bildung. Theoretische Grundlagen und              als simulierten Prozess dar und wurde vor ca.         jeder Spielrunde kommen alle Teilnehmenden
praktische Anwendungen.
                                                  15 Jahren von Prof. Dr. Willy Kriz (FH Vorarlberg,    im Plenum zu Briefings (zur Einführung in die
Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
                                                  Österreich) und Dr. Hanja Hansen (PH Schaff-          nächste Aufgabe oder Runde) und Debriefings
Capaul, R. & Ulrich, M. (2010).                   hausen, Schweiz) entwickelt.                          (zur Reflexion und Bewertung der Geschehnisse
Planspiele. Simulationsspiele für Unterricht
und Training. Mit Kurztheorie:
                                                  Dieses Planspiel basiert auf Theorien zur Organi-     der Spielphase) zusammen (vgl. Geuting, 1992).
Simulations- und Planspielmethodik.               sationsentwicklung, zur Teamentwicklung, zur          Die Teilnehmenden erhalten in vertiefenden
Altstätten: Tobler.                               lernenden Organisation, zu Prozessen der Verän-       Inputs und Team- und Reflexionsübungen Hin-
Cecchini, A. (1988).                              derung, zu Widerständen sowie zu weiteren Er-         tergrundwissen.
Simulation is education. In D. Crookall et al.    kenntnissen aus der Schulmanagement-, Schul-          Neben der Reflexion in den Debriefings ist die
(Hrsg.), Simulation-Gaming in Education and       entwicklungs- und Schulqualitätsforschung.            Planspielleitung («Facilitator/in», vgl. Hansen,
Training. Proceedings of the ISAGA 18th
                                                  Die Teilnehmenden schlüpfen in ihrer Kleingrup-       2004, S. 49) ein zweiter Schlüsselfaktor. Sie
Conference 1987 (S. 213–228).
Oxford: Pergamon Press.                           pe in die Rolle eines Schulentwicklungsbera-          nimmt eine zentrale, wenn auch zurückhaltende
                                                  tungsteams. Sie müssen gemeinsam Entschei-            und moderierende Rolle ein. SAGSAGA kenn-
Geuting, M. (1992).
Planspiel und soziale Simulation                  dungen treffen, die sich auf die Entwicklung          zeichnet die Rolle als «aktive Inaktivität»: «Aktiv
im Bildungsbereich.                               einer simulierten Organisation beziehen. Die          ist die Planspielleitung insbesondere bei der
Frankfurt am Main: Lang (Studien zur              Akteure der Schule, darunter Schulleitung,            Beobachtung der Geschehnisse. Die Inaktivität
Pädagogik, Andragogik und Gerontagogik, 10).
                                                  Lehrpersonen, Hausmeister, Eltern und Schü-           bezieht sich auf das zurückhaltende, fragende
Hansen, H. (2004). Spielend lernen.               ler/in, bewegen sich als Spielsteine auf einem        Rollenverständnis. Die Aufgabe der Planspiellei-
Planspiele: eine Brücke zwischen
                                                  Brett. Jede/r Akteur/in durchläuft alle Phasen        tung ist es nicht, die Geschehnisse im Planspiel
Theorie und Praxis.
ph akzente 4/2004, S. 49–50.                      der Veränderung – vom Schock, über die Phase          zu bewerten oder zu erklären. Vielmehr unter-
                                                  des Festhaltens, der Einsicht, des Loslassens,        stützt sie die Teilnehmenden darin, dies selbst
Hitzler, S., Zürn, B. & Trautwein, F. (2011).
Planspiele – Qualität und Innovation. Neue An-
                                                  des Ausprobierens, der Erkenntnis bis zur Integ-      zu tun.» (Vgl. www.sagsaga.org/index.php/
sätze aus Theorie und Praxis. Norderstedt:        ration des Wandels (Hord et al., 1987).               anwendung/didaktik-methodik).
Books on Demand (ZMS-Schriftenreihe, 2).          Jedem Akteur ist eine eigene Persönlichkeits-
Hord, S.M., Rutherford, W.L.,                     struktur, eine eigene Motivation und ein eigener      Fazit
Huling-Austin, L., Hall, G.E. (1987).             Widerstand gegen die Veränderung zugewiesen.          Durch die Simulation im Planspiel SysTeams-
Taking Charge of Change.                          Dadurch ergeben sich sehr unterschiedliche            Change werden Schulentwicklungsprozesse
Baltimore: Association for Supervision
                                                  Reaktionen auf die einzelnen Aktionen der Be-         erlebbar gemacht und Gelingensbedingungen
and Curriculum Development.
                                                  ratungsteams. Eine Bewegung wird ausgelöst            für Change-Management aufgezeigt. Die Teil-
Huber, S.G. (2013). Lernmodelle für Erwachsene:
                                                  durch eine Aktion, die einmal mehr, einmal we-        nehmenden erhalten die Möglichkeit, durch
multiple Lernanlässe nutzen.
In S.G. Huber (Hrsg.), Handbuch Führungskräf-     niger logisch den Prozess der Schulentwicklung        eigenes spielerisches Handeln praktische
teentwicklung. Grundlagen und Handreichungen      vorantreibt, z. B. Coaching der Schulleitung,         Lernerfahrung zu gewinnen. Diese werden in
zur Qualifizierung und Personalentwicklung im     Problembestandsaufnahmen und Situationsbe-            der Gruppe diskutiert sowie vor einem theore-
Schulsystem (S. 649–657). Köln: Link.
                                                  schreibung mit allen Betroffenen, Bildung einer       tischen Hintergrund reflektiert. Damit stellt
Kriz, W.C. (2000).                                (repräsentativen) Steuergruppe, ein sozialer          dieses Planspiel für den Kompetenzerwerb ein
Lernziel Systemkompetenz.
                                                  Event (z. B. Ausflug, Schulfest) usw., für die sich   praxisnahes Lernfeld dar mit realistischer
Planspiele als Trainingsmethode.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.                das Beraterteam entscheidet. Die Teilnehmen-          Komplexität und einem angemessenen Ent-
                                                  den können aus 35 Aktionen auswählen. Die             scheidungs- und Handlungsspielraum. In einer
Kriz, W.C. & Auchter, E. (2016).
10 Years of Evaluation Research Into
                                                  Spielleitung am Computer gibt die gewählte            «fehlerfreundlichen Umwelt» wird gemeinsa-
Gaming Simulation for German Entrepreneur-        Aktion in die Spielsoftware ein, die dann auto-       mes kooperatives Probehandeln möglich. Als
ship and a New Study on Its Long-Term Effects.    matisch ein Feedback erstellt, auf dem ver-           experimentelle und erfahrungsorientierte Lern-
Simulation Gaming, 47(2), 179–205.                merkt ist, ob bzw. was die Aktion gebracht hat        umgebung eignet es sich zur Sensibilisierung
Kriz, W.C. & Gust, M. (2003).                     und ob bzw. wie viele Felder welcher Akteur auf       und Einführung, wenn in einer Organisation
Mit Planspielmethoden Systemkompetenz             dem Spielbrett vorwärts in Richtung Brett-Mit-        Veränderungsprozesse in Gang gebracht wer-
entwickeln. Zeitschrift für Wirtschafts-
                                                  telpunkt ziehen kann. Jede Aktion kostet Res-         den sollen.
psychologie, 10(1), 12–17.
                                                  sourcen, deren Beachtung zum effizienten Han-
Kriz, W.C. & Hansen, H. (2006, 2011, 2016).
                                                  deln anregen soll. Erfolgreich werden die             Nadine Schneider,
Handbuch zum Planspiel SysTeamsChange.
                                                  Entscheidungen der Berater/innen nur sein,            Wissenschaftliche Mitarbeiterin IBB,
Wahl, D. (2001).                                  wenn neben den logischen Massnahmen eines             und Prof. Dr. Stephan Gerhard Huber,
Nachhaltige Wege vom Wissen zum Handeln.
Beiträge zur Lehrerbildung, 19(2), 157–174.
                                                  Veränderungsmanagements auch die unter-               Leiter IBB
                                                  schiedlichen Entwicklungsstände der Akteure
                                                                                                                                                        13
B
IZ

 Kulturreflexive Coaching-Praxis

                                     Migration sowie die Internationalisierung von Ar-   Persönlichkeitsstruktur integriert und bei Be-
                                     beits- und Lebensprozessen verändern zuneh-         darf abgerufen werden.
                                     mend die individuellen Lebenswelten. Diese Ver-
                                     änderungen haben direkte oder indirekte             Interkulturelles Know-how
                                     Auswirkungen auf das Coaching und die Anforde-      Interkulturelles Know-how umfasst Wissen,
                                     rungen an eine/n Coach/in.                          Haltungen und Kompetenzen für einen konst-
                                                                                         ruktiven Umgang mit eigenen und fremden kul-
                                     Was genau muss ein/e Coach/in wissen und            turellen Prägungen und Werthaltungen. Dies
                                     können, um Menschen in immer komplexeren            setzt Kenntnisse über die eigenen Wahrneh-
                                     Lebens- und Arbeitskontexten wirksam beglei-        mungs-, Deutungs- und Handlungsmuster
                                     ten zu können? Das auf diese Fragestellung hin      voraus und damit verbunden eine hohe Selbst-
                                     entwickelte Kompetenzprofil des/der kulturre-       reflexionsfähigkeit, die zu Anerkennung und
                                     flexiven, professionellen Coachs/Coachin (vgl.      Wertschätzung des Anderen oder Fremden
                                     Abbildung 1) zeigt, dass die Reflexion und Integ-   führen können. Das differenzierte Wahrnehmen,
                                     ration von Coaching Know-how und Interkultu-        Deuten und Bearbeiten von Irritationen ist dabei
                                     rellem Know-how zu spezifischen Wissensberei-       zentral. Einerseits ermöglicht dies kulturelle
                                     chen, Haltungen und Kompetenzen führen kann.        Unterschiede zu erkennen, andererseits kann
                                     Damit wird der/die Coach/in befähigt, die kul-      damit vorschnellen Zuschreibungen aufgrund
                                     turelle Dimension während den Begleitungen          kultureller Unterschiede entgegengewirkt wer-
                                     konsequent zu berücksichtigen und damit das         den. Insbesondere bei Anliegen im interkulturel-
                                     Coaching auf aktuelle gesellschaftliche Prozes-     len Kontext besteht nämlich die Tendenz, dass
                                     se abzustimmen.                                     kulturelle Unterschiede oder Eigenheiten nicht
                                                                                         bedacht oder im gegenteiligen Falle als Störfak-
                                     Coaching Know-how                                   tor überbewertet werden. Die Kulturalisierung
                                     Coaching Know-how umfasst Wissen, Haltun-           von Problemstellungen kann bestehende Vorur-
                                     gen und Fertigkeiten für eine professionelle Be-    teile zementieren und die Chance für einen
                                     gleitung unter Anwendung von ausgewählten           echten Problemlösungsprozess untergraben.
                                     Modellen, Methoden und Instrumenten. Dabei          Denn es gilt auch immer andere Aspekte für
                                     besteht die wesentliche Aufgabe der Coachin/        Störungen zu beachten wie beispielsweise die
                                     des Coachs darin, den Coachee beim Erfassen         unterschiedliche Ausstattung mit Macht auf-
                                     der Problemsituation sowie dem daraus abgelei-      grund vorherrschender institutionellen Struktu-
                                     teten Lösungsprozess zu begleiten. Mit der sys-     ren, unterschiedlicher Sprachkompetenzen
                                     temisch-konstruktivistischen Herangehenswei-        oder gesellschaftlich geprägter Zuschreibungs-
                                     se unterstützt der/die Coach/in den Kunden          mechanismen. Es reicht also nicht, sich Wissen
                                     dabei, den Lebenskontext möglichst breit, aber      über Kulturen im Allgemeinen sowie spezifi-
 CAS Interkulturelles                auch differenziert zu erfassen. Zentral ist dabei   sches Kulturwissen anzueignen, um die vielfälti-
 Coaching
                                     auch, dass der/die Coach/in die subjektive          gen Herausforderungen im interkulturellen Kon-
 Das Institut für internationale     Wahrnehmung des Kunden und damit verbun-            text professionell begleiten zu können. Vielmehr
 Zusammenarbeit in Bildungsfragen
                                     den seine Lebensrealität sieht und anerkennt.       braucht es auch Wissen zu möglichen Störfak-
 IZB der PH Zug bietet in Zusam-
 menarbeit mit dem Coaching-         Damit die systemisch-konstruktivistische Hal-       toren in der (interkulturellen) Begegnung, zu
 zentrum Olten einen CAS Interkul-   tung im Coaching, also ein Perspektivenwech-        bestehenden Machtasymmetrien, über die Ent-
 turelles Coaching an. Die Zusatz-   sel, sowie der ganzheitliche Blick auf das Anlie-   stehung und Wirkung von Fremdbildern und
 ausbildung richtet sich an Fach-
                                     gen des Kunden gelingt, sind offene Fragen,         insbesondere auch Wissen über sich selbst und
 und Führungspersonen mit Bera-
 tungs- und Begleitungsaufgaben.     aktives Zuhören sowie eine wertschätzende           die eigenen Wahrnehmungs-, Deutungs- und
 Dabei erwerben die Teilnehmen-      Grundhaltung zentrale Voraussetzungen. Dies         Handlungsmuster. Zudem ist auch die Fähigkeit
 den die nötigen Grundlagen,         wiederum bedingt eine fundierte und differen-       wichtig, mit anspruchsvollen Situationen ange-
 Methoden und praktischen Instru-
                                     zierte Selbstreflexion unter Einbezug der per-      messen umgehen zu können, und zwar auch
 mente, um Einzelpersonen oder
 Teams in interkulturellen Frage-    sönlichen Prägungen und Denkweisen der              dann, wenn sich eine auftretende Irritation
 stellungen sensibel und lösungs-    Coachin/des Coachs. Coaching Know-how be-           nicht schlüssig erklären lässt. Diese Anforde-
 orientiert zu begleiten.            inhaltet also viel mehr als das Wissen über Mo-     rung wiederum setzt voraus, dass das eigene
 Nächster Starttermin ist der        delle, Methoden und Instrumente. Erst durch         Nicht-Wissen und die daraus entstehende Unsi-
 9.10.2018. Weitere Informationen    dessen vertiefte Reflexion und den damit ge-        cherheit ausgehalten werden können. Die obi-
 und Anmeldung unter: izb.phzg.ch    machten (Coaching-)Erfahrungen können per-          gen Ausführungen zeigen auf, dass das Aneig-
 bzw. www.coachingzentrum.ch/
 casic
                                     sönliche Entwicklungsprozesse angeregt und so       nen von Interkulturellem Know-how ein
                                     das neu erworbene Know-how in die eigene            anspruchsvolles Unterfangen ist, das sich in
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