Ratgeber atypische Beschäftigung - 400 #-Minijobs, Teilzeit, Befristung & Leiharbeit - ver.di: Sozialberatung

Die Seite wird erstellt Sandra Fleischmann
 
WEITER LESEN
Ratgeber atypische Beschäftigung - 400 #-Minijobs, Teilzeit, Befristung & Leiharbeit - ver.di: Sozialberatung
www.sopo.verdi.de
sopospezial

              Ratgeber atypische
              Beschäftigung
              400 #-Minijobs, Teilzeit,
              Befristung & Leiharbeit

                  Sozialpolitik   Vereinte
                                  Dienstleistungs-
                                  gewerkschaft

                           9. Auflage
Ratgeber atypische Beschäftigung - 400 #-Minijobs, Teilzeit, Befristung & Leiharbeit - ver.di: Sozialberatung
Herausgeber:
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Bundesverwaltung
Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin
Elke Hannack,
Mitglied des Bundesvorstandes
Verantwortlich:
Judith Kerschbaumer,
Leiterin des Bereichs Sozialpolitik
Redaktion:
Evelyn Räder und Judith Kerschbaumer
unter Mitarbeit von:
Hannelore Buls, ver.di-Ressort 2
Christine Meier, ver.di-Ressort 18
Barbara Wederhake, ver.di-Ressort 12
1. Auflage, Februar 2003, 1–20.000
2. Auflage, März 2003, 20.001–45.000 (Nachdruck)
3. Auflage, Mai 2003, 45.001–80.000 (Nachdruck)
4. Auflage, April 2004, 80.001–85.000 (überarbeitet und aktualisiert)
5. Auflage, August 2005, 85.001–90.000 (überarbeitet und aktualisiert)
6. Auflage, Oktober 2005, 90.001–100.000 (Nachdruck)
7. Auflage, November 2005, 100.001–103.000 (Nachdruck)
8. Auflage, Juni 2006, 103.001–110.000 (überarbeitet und aktualisiert)
9. Auflage, Februar 2009, 110.001–120.000 (erweitert, überarbeitet und aktualisiert)
Hinweis: Wer regelmäßig über alle Veröffentlichungen aus dem Bereich Sozialpolitik
informiert und in den E-Mail- und/oder Post-Verteiler aufgenommen werden möchte,
schreibt an: sopo@verdi.de
ISBN 978-3-938865-34-7

2
www.sopo.verdi.de

Vorwort

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

gerade in Krisenzeiten kommt es zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit besonders auf den
arbeits- und sozialrechtlichen Schutz der Beschäftigten an. Somit ist prekäre Beschäfti-
gung für ver.di ein zentrales Thema im Bundestagswahlkampf 2009. ver.di lehnt jede Art
sozial ungesicherter Beschäftigung ab. Die politisch Verantwortlichen fordern wir auf,
endlich wirksame Schritte gegen das Abdrängen von immer mehr Menschen in sozial
schlecht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse einzuleiten. ver.di fordert die Abschaf-
fung von Minijobs, die Unterbindung von nicht existenzsichernder Beschäftigung und
setzt sich daher dafür ein, dass Leiharbeit, Befristungen und andere unsichere Beschäfti-
gungsformen zurückgedrängt werden.

Teilzeit und die Sonderform der 400 #-Minjobs können kaum Existenz sichernd sein und
sind tendenziell „Zuverdienst“. Die Zahl derjenigen, die nicht einmal über einen relativ
kurzen Zeitraum durchgehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, hat in den
vergangenen Jahren zugenommen. Die Konsequenz aus solchen Erwerbsverläufen ist
eine schlechte soziale Absicherung der Betroffenen. So kann atypische Beschäftigung bis
ins Alter hinein zur Armutsfalle werden. Zudem führt ungesicherte Beschäftigung zu
großen Unsicherheiten hinsichtlich der Lebensplanung.

Der Anteil der atypischen Beschäftigungsverhältnisse ist in den letzten Jahren erheblich
gestiegen. Je nach Definition weicht jedes dritte bis vierte Arbeitsverhältnis vom soge-
nannten Normalarbeitsverhältnis ab. Die Zunahme atypischer und prekärer Beschäfti-
gung ist kein Zufall: Die Deregulierungspolitik der beiden letzten Jahrzehnte hat den
Ausbau atypischer Beschäftigung gefördert und dazu beigetragen, dass die Bedeutung
des Normalarbeitsverhältnisses zurückgeht. Die Vermeidung schlecht abgesicherter Be-
schäftigung als sozialpolitisches Ziel wurde aufgegeben. Stattdessen wurde Arbeits-
marktpolitik zur Durchsetzung von Niedriglöhnen und für die Ausweitung prekärer Be-
schäftigung instrumentalisiert. So können Arbeitgeber aufgrund der geltenden Gesetze
Arbeitskräfte flexibler einsetzen und sich schneller wieder von ihnen trennen. Die Folgen
sind ein hohes Risiko des Arbeitsplatzverlustes für atypisch Beschäftigte, die Spaltung
der Belegschaften in Stamm- und Randbelegschaften sowie Einnahmeverluste der sozia-
len Sicherungssysteme und Abwälzung der Risiken auf die Sozialkassen.

                                                                                           3
Auch wenn wir uns sozialpolitisch für die Zurückdrängung von ungesicherter Beschäfti-
gung einsetzen, sollten diejenigen, denen nur solche Beschäftigungen angeboten wer-
den, über die Nachteile sowie über ihre Rechte informiert sein. Dieser Ratgeber wendet
sich an Beschäftigte in Minijobs, in Teilzeit oder Leiharbeit – ob gewollt oder mangels Al-
ternative. Ebenso enthält der Ratgeber Hinweise für befristet Beschäftigte, die in aller
Regel ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis wünschen. Wir informieren über Fakten und Hin-
tergründe zu atypischer Beschäftigung sowie über soziale Absicherung und arbeitsrecht-
liche Ansprüche in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Wichtig ist uns dabei die
Botschaft: Auch in atypischen Arbeitsverhältnissen haben die Arbeitnehmer/innen den
vollen Anspruch auf alle gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen.

Elke Hannack                    Judith Kerschbaumer                 Evelyn Räder
Mitglied des                    Leiterin des Bereichs               Referentin
Bundesvorstandes                Sozialpolitik

Berlin, Februar 2009

4
www.sopo.verdi.de

Inhalt

Vorwort                                                                             3
A.     Normal ist nicht mehr normal – atypische und prekäre Beschäftigung           7

B.     Geringfügige Beschäftigung und Teilzeit                                     20
I.     400 Euro-Minijobs – Entwicklung und Ausgangslage                            20
II.    Die Regelungen geringfügiger Beschäftigungen                                25
III.   Durchführung über die Minijob-Zentrale                                      47
IV.    Teilzeit – Entwicklung und Ausgangslage                                     47
V.     Die Regelungen bei Teilzeit im Überblick                                    50
VI.    Die Rechte von Minijobber/innen/Teilzeitbeschäftigten im Einzelnen          52
VII. Arbeitslosigkeit und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit – „Ein-#-Jobs“                54
VIII. Beamtinnen/Beamte und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit                             56
IX.    Studium und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit                                      57
X.     Ausbildung und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit                                   57
XI.    Praktikum und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit                                    57
XII. Altersteilzeit und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit                                 58

C.     Befristung                                                                  59
I.     Entwicklung und Ausgangslage                                                59
II.    Die Regelungen zu Befristungen im Überblick                                 60
III.   Die Rechte von befristet Beschäftigten im Einzelnen                         61

D.     Leiharbeit                                                                  66
I.     Entwicklung und Ausgangslage                                                66
II.    Die Regelungen zur Leiharbeit im Überblick                                  72
III.   Die Rechte von Leiharbeitnehmer/innen im Einzelnen                          73
IV.    Leiharbeit und Arbeitslosigkeit                                             76

                                                                                    5
Anhang                                    77
Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen   77
Informationsmöglichkeiten                 93
Abkürzungsverzeichnis                     94
ver.di-Adressen                           96
Bestellschein/Kopiervorlage               97
Beitrittserklärung                        98

6
www.sopo.verdi.de

A. Normal ist nicht mehr normal – atypische und prekäre
   Beschäftigung
Der unbefristete Vollzeitarbeitsplatz mit existenzsicherndem Einkommen ist in Deutsch-
lands Arbeitswelt nicht mehr der Regelfall. In den vergangenen Jahren haben prekäre
Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland erheblich zugenommen. Gesetzliche Neure-
gelungen haben den Weg dafür geebnet. Millionen von Menschen arbeiten für ein Ein-
kommen unterhalb des Existenzminimums. Sie sind arm trotz Arbeit. Ihre Altersarmut ist
vorprogrammiert. Mini- und Midi-Jobs, die Deregulierung der Zeitarbeit, die Verschär-
fung der Zumutbarkeit für Erwerbslose nach dem SGB II, jede Arbeit annehmen zu müs-
sen, die anhaltend hohe Sockelarbeitslosigkeit und Teile der Hartz-Gesetze haben maß-
geblich zur Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Menschen bei-
getragen. Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Ausweitung atypischer Beschäfti-
gung kritisch zu sehen. Denn wer längere Zeit wenig verdient, kommt oft ohne aufsto-
ckende Transfers nicht mehr aus – spätestens im Alter muss dann Grundsicherung in An-
spruch genommen werden. Die daraus resultierenden Belastungen für die sozialen Si-
cherungssysteme und sinkende Steuereinnahmen wurden mit Leistungs- und Ausgaben-
kürzungen beantwortet und damit auf die Gesellschaft abgewälzt.

Wer atypisch beschäftigt ist, hat oft weniger Lohn und schlechtere Perspektiven als Be-
schäftigte mit klassischen festen Vollzeitstellen. Das gilt insbesondere für befristet Be-
schäftigte und Leiharbeitnehmer/innen. Gut ein Drittel aller Arbeitnehmer/innen in
Deutschland ist atypisch beschäftigt – in Teilzeit, Minijobs, auf befristeten Stellen oder
als Leiharbeitnehmer/innen.

Für alle atypisch Beschäftigten gilt:

     In ihre berufliche Zukunft wird wenig investiert.

     Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ist über alle atypischen Beschäfti-
     gungsformen hinweg deutlich niedriger als bei Normalarbeitnehmer/innen.

     Sie werden häufig schlecht oder gar nicht eingearbeitet. Insbesondere Leiharbeit-
     nehmer/innen sind daher überproportional von Arbeitsunfällen betroffen1.

     Atypisch Beschäftigte verdienen auch viel häufiger nur einen Niedriglohn2. Im Jahr

1
     Nach Angaben der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, bei der die Leiharbeitsfirmen überwiegend versi-
     chert sind, sind die mehr als 740.000 Mitarbeiter/innen dieser Branche stärker gefährdet, einen Unfall zu
     erleiden, als Beschäftigte, die fest in einem Betrieb angestellt sind. Die Gründe liegen in der immer wieder
     neuen Arbeitsumgebung und häufig wechselnden Aufgaben.
2
     Ein Niedriglohn ist nach der von OECD und EU verwendeten Definition ein Lohn, der unterhalb von zwei
     Dritteln des Durchschnittslohnes (Medianlohnes) aller Vollzeitbeschäftigten liegt.

                                                                                                                    7
2005 lagen 31 % der atypisch Beschäftigten unter 9,95 # im Westen und 7,49 #
     im Osten. Am häufigsten erhalten Minijobber/innen Niedriglöhne, mit einigem Ab-
     stand gefolgt von Leiharbeiter/innen.

Atypische Beschäftigung – prekäre Beschäftigung

Mit dem Begriff der „atypischen Beschäftigung“ werden Arbeitsverhältnisse beschrieben,
die sich vom Normalarbeitsverhältnis unterscheiden. Atypische Beschäftigung bestimmt
sich aus der Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis bzw. der Unterscheidung von
zentralen Eigenschaften des Normalarbeitsverhältnisses.

Normalarbeitsverhältnisse sind gekennzeichnet durch:

     eine Vollzeittätigkeit oder eine Teilzeittätigkeit mit mindestens der Hälfte der übli-
     chen vollen Wochenarbeitszeit,

     ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis,

     die Integration in die sozialen Sicherungssysteme,

     die Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis.

Unter atypischen Arbeitsverhältnissen werden Arbeitsverhältnisse verstanden, die vom
Normalarbeitsverhältnis in einem oder mehreren der genannten Merkmale abweichen.
Diese Broschüre geht insbesondere auf Teilzeit, Mini- und Midijobs als Sonderformen
von Teilzeit, befristete Beschäftigung und Leiharbeit ein. Hinsichtlich anderer Formen

8
www.sopo.verdi.de

atypischer Beschäftigung verweisen wir auf andere ver.di-Veröffentlichungen und Bera-
tungsangebote3.

Nicht jede atypische Beschäftigung ist schlecht bezahlt oder unsicher. Trotzdem sind pre-
käre Arbeitsbedingungen hier relativ weit verbreitet. In welchem Ausmaß, haben die
WSI-Forscher Hartmut Seifert und Wolfram Brehmer ermittelt. Sie werteten Daten aus
dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) für den Zeitraum von 1989 bis 2005 aus. Dabei
verglichen sie atypisch Beschäftigte und Arbeitnehmer/innen in Normalarbeitsverhältnis-
sen in drei zentralen Punkten: Einkommen, Weiterbildungsbeteiligung und Stabilität der
Beschäftigung.

Als prekär kann ein Erwerbsverhältnis bezeichnet werden, wenn die Beschäftigten auf-
grund ihrer Tätigkeit deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales Integrations-
niveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und anerkannt
wird. Nach dieser Definition ist der überwiegende Teil der atypischen Beschäftigungsver-
hältnisse auch prekär.

In den folgenden Beschäftigtengruppen gibt es einen ganz besonders hohen Anteil an
prekär Beschäftigten, so dass die Beschäftigungsform als solche als prekär bezeichnet
werden kann:

     geringfügig Beschäftigte (soweit nicht als Nebenjob),

     unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigte,

     befristet Beschäftigte,

     unfreiwillig/nicht existenzsichernd in Leiharbeit Beschäftigte, aber auch

     Solo-Selbständige,

     „Praktikant/innen“ und

     „Ein-Euro-Jobs“ und Alg II-Aufstocker/innen.

Zunahme atypischer Beschäftigungsformen und die Folgen

Atypische Beschäftigung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich zugenom-
men. Atypisch Beschäftigte laufen eher Gefahr, zu Niedriglöhnen arbeiten zu müssen
und von betrieblicher Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen zu
werden. Atypische Beschäftigung kann für die betroffenen Arbeitnehmer/innen zu ar-

3
     Siehe im Anhang Internet-Adressen sowie mediafon – ver.di-Beratung für Selbständige –
     www.mediafon.net.

                                                                                               9
Tabelle 1: Atypisch und normal abhängig Beschäftigte in der Haupterwerbstätigkeit von
1997 bis 2007 (15- bis 64-Jährige nicht in Bildung oder Ausbildung)4

         Jahr                    insgesamt                       normal                    atypisch

         1997                   29.120.000                  24.020.000                    5.100.000

         1999                   29.450.000                  23.640.000                    5.810.000

         2001                   29.730.000                  23.740.000                    5.990.000

         2003                   28.960.000                  22.830.000                    6.130.000

         2005                   28.830.000                  22.080.000                    6.750.000

         2007                   30.180.000                  22.490.000                    7.680.000

                                             Anteile in %

         1997                             100,0                         82,5                        17,5

         1999                             100,0                         80,3                        19,7

         2001                             100,0                         79,9                        20,1

         2003                             100,0                         79,8                        21,2

         2005                             100,0                         76,6                        23,4

         2007                             100,0                         74,5                        25,5

Quelle: Statistisches Bundesamt 2008 (siehe Fußnote).

beitsrechtlichen Benachteiligungen, zu Wettbewerbsnachteilen auf dem Arbeitsmarkt
sowie zu weiteren spezifischen Problemen führen.

Die Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat nach Angaben des Statistischen Bun-
desamtes zwischen 1997 und 2007 um 2,58 Millionen zugenommen. Diese Verände-
rung hat im Beobachtungszeitraum schrittweise und unterschiedlich ausgeprägt stattge-
funden, ohne dass es Anzeichen einer gegenläufigen Entwicklung gab.

Der Rückgang von Personen in Normalarbeitsverhältnissen ist in nahezu allen Wirt-
schaftsabschnitten mehr oder minder ausgeprägt zu beobachten. Am deutlichsten ist

4
     Statistisches Bundesamt, Atypische Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Ergebnisse des Mikro-
     zensus, Wiesbaden 2008. Bis einschließlich 2003 Ergebnisse bezüglich fester Berichtswoche im Frühjahr, ab
     2005 Jahresdurchschnittsergebnisse. Zeitarbeitnehmer/innen sind erst ab 2007 in den Zahlen enthalten.

10
www.sopo.verdi.de

Tabelle 2: Formen atypischer Beschäftigung von 1997 bis 2007 (15- bis 64-Jährige
nicht in Bildung oder Ausbildung)

       Jahr                     Teilzeit              geringfügig          befristet

      1997                     3.390.000                  1.310.000        1.820.000

      1999                     3.830.000                  1.740.000        2.170.000

      2001                     4.130.000                  1.820.000        2.090.000

      2003                     4.420.000                  1.950.000        1.970.000

      2005                     4.680.000                  2.430.000        2.390.000

      2007                     4.950.000                  2.770.000        2.660.000

                                           Anteile in %

      1997                              11,7                     4,5               6,3

      1999                              13,0                     5,9               7,4

      2001                              13,9                     6,1               7,0

      2003                              15,3                     6,7               6,8

      2005                              16,2                     8,4               8,3

      2007                              16,4                     9,2               8,8

Quelle: Statistisches Bundesamt 2008 (siehe Fußnote 4).

der Anteil in den Abschnitten Handel und Gastgewerbe von 78,0 % im Jahr 1997 auf
70,0 % im Jahr 2007 gesunken. In der öffentlichen Verwaltung lag der Anteil mit knapp
83,1 % fast genau auf dem Niveau von 1997. Im Bereich der öffentlichen und persönli-
chen Dienstleistungen, zu dem auch das Bildungs- und Gesundheitswesen gehört, ar-
beiten nur 64 % der Beschäftigten in einem Normalarbeitsverhältnis.

2007 befanden sich 16,4 % der abhängig Beschäftigten in der oben genannten Abgren-
zung in einer Teilzeitbeschäftigung. 9,0 % waren geringfügig beschäftigt, 8,8 % verfüg-
ten über einen befristeten Vertrag und 2,5 % befanden sich in Leiharbeit. In absoluten
Zahlen betrachtet arbeiteten 2007 4,95 Millionen Personen, die 15 bis 64 Jahre alt und
nicht in Bildung oder Ausbildung waren, in Teilzeit. 2,77 Millionen waren geringfügig,
2,66 Millionen befristet und über 700.000 als Leiharbeitnehmer/innen beschäftigt.

                                                                                         11
Atypische Beschäftigungen werden viel häufiger von Frauen ausgeübt als von Männern:
2007 waren 71,0 % der atypisch Beschäftigten Frauen und 29,0 % Männer. 2007 be-
fanden sich bei den abhängig Beschäftigten 38,4 % Frauen und 14,0 % der Männer in
atypischer Beschäftigung. Seit 1997 hat sich dieser Anteil bei den Frauen sogar stärker
erhöht als bei den Männern. Bei den Frauen nahm er um 8,7 Prozentpunkte zu, bei den
Männern um 6,2 Prozentpunkte. Die Zahl der atypisch beschäftigten Frauen ist zwischen
1997 und 2007 um 1,6 Millionen gestiegen, die Zahl der entsprechend beschäftigten
Männer um 980.000. Unter den normal Beschäftigten liegt das Verhältnis von Frauen zu
Männern bei 39,9 % zu 61,1 %. Wesentlicher Grund für dieses Ungleichgewicht zwi-
schen den Geschlechtern ist die große Zahl in Teilzeit bzw. Minijobs erwerbstätiger
Frauen.

Der Anteil atypisch Beschäftigter ist zudem vor allem unter den jungen Menschen von
15 bis 24 Jahren, unter den Personen ohne anerkannte berufliche Ausbildung und unter
den Nicht-EU-Migrant/innen sehr hoch. Der Bildungsstand spielt eine große Rolle für die
Ausübung einer atypischen Beschäftigung. Knapp 40 % der gering qualifizierten Arbeit-
nehmer/innen sind atypisch beschäftigt. Gut 7 % der atypisch Beschäftigten leben über-
wiegend von Hartz-IV-Leistungen.

Im Zusammenhang von atypischer Beschäftigung und Niedriglöhnen kumulieren sich die
Risiken: Hohe Niedriglohnanteile gibt es vor allem bei verschiedenen Formen von prekä-
rer Beschäftigung. Dabei ist Niedriglohnarbeit überwiegend weiblich: Über zwei Drittel
der im Niedriglohnbereich beschäftigten Menschen, nämlich 69,1 %, sind Frauen. Und:
57 % der im Niedriglohnbereich Beschäftigten sind in Teilzeit tätig5.

     Die Zahlen der Erhebung zum DGB-Index Gute Arbeit 20086 haben ergeben:
     Mittlerweile arbeiten nicht einmal die Hälfte der repräsentativ Befragten abhängig
     Beschäftigten, nämlich 47 %, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das keine
     Leiharbeit ist, zu einem Entgelt von mindestens 2.000 # Brutto im Monat. Leihar-
     beit, Mini-Jobs, Ein-#-Jobs, Armutslöhne und befristete Beschäftigung prägen
     inzwischen für Millionen von Menschen den Alltag.

     Immer mehr Menschen können von ihrer eigenen Arbeit nicht leben. Insgesamt
     waren im Juli 2008 etwa 1,35 Millionen Menschen auf ergänzendes Arbeitslosen-
     geld II („Hartz IV“) angewiesen. Darin sind, neben den zusammen etwa 628.000

5
     Gerhard Bosch/Claudia Weinkopf (Hrsg.), Arbeiten für wenig Geld: Niedriglohnbeschäftigung in Deutsch-
     land, 2007.
6
     DGB-Index „Gute Arbeit“ 2008 – Der DGB-Index Gute Arbeit erfasst die Beschäftigtensicht auf die Arbeits-
     bedingungen in 15 wissenschaftlich relevanten Dimensionen. (vgl. Link im Anhang).

12
www.sopo.verdi.de

     Aufstocker/innen mit Vollzeit- oder Teilzeitjob, auch etwa 724.000 Hartz-IV-Emp-
     fänger/innen, die mit Minijobs ihr Einkommen aufbessern, einberechnet7.
     720.000 Menschen arbeiten als Leiharbeitnehmer/innen – jede/r achte von ihnen
     verdient so wenig, dass er/sie zusätzlich SGB II-Leistungen benötigt8.
     Immer mehr Menschen kommen mit dem Einkommen von einem Arbeitsplatz
     nicht aus und sind in zwei oder mehr Beschäftigungsverhältnissen tätig9. Fast jeder
     fünfte 400 Euro-Minijob wurde 2007 als Zusatzjob ausgeübt10.
     Die Hälfte aller Selbständigen – und damit über zwei Millionen Menschen – sind
     Solo-Selbständige. Häufig leben sie in prekären Erwerbsverhältnissen und sind
     nicht selten als „Scheinselbständige“ tätig. 87.000 Selbständige müssen ihr Ein-
     kommen mit Alg II aufstocken.
     In bestimmten Branchen gibt es überproportional viele prekäre Beschäftigte, soz. B.
     im Einzelhandel. Laut einer neuen Studie arbeiten in Berlin 53 % der Verkäufer/
     innen in Teilzeit. Jede/r vierte Beschäftigte ist ein/e Minijobber/in11.

     Nach den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit 2008 sind ein Viertel der Arbeit-
     nehmer/innen der Auffassung, nicht annähernd leistungsgerecht bezahlt zu wer-
     den. Weitere 41 % sehen sich nur in geringem Maße leistungsgerecht bezahlt.
     Rund 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten zu Löhnen unterhalb der Hälfte
     des Durchschnittslohnes – die meisten davon sind Frauen12.

Mehr Arbeit durch atypische Beschäftigung?

Eine Einschätzung, ob mit dieser Entwicklung mehr Arbeit entstanden ist, lässt sich an-
hand der insgesamt in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden gewinnen. Die Volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnungen weisen neben den Erwerbstätigen-Zahlen auch die
insgesamt von Arbeitnehmer/innen geleisteten Arbeitsstunden aus. Demnach arbeiteten

7
     Süddeutsche Zeitung vom 4. Dezember 2008.
8
     nach Berechnungen des DGB, Januar 2008.
9
     Vgl. IAB-Kurzbericht „Immer mehr Menschen arbeiten in mehreren Jobs“, Ausgabe Nr. 22 vom 6. Dezem-
     ber 2006.
10
     Vgl. Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung – III. Quartal
     2008“, S. 16 ff.
11
     Claudia Dunst „Frauen (und Männer) im Berliner Einzelhandel – Studie zur Situation der Beschäftigten im
     Einzelhandel unter besonderer Berücksichtigung prekärer Beschäftigung und der Vereinbarkeit von Beruf
     und Familie“, Studie auf Initiative von ver.di und DGB mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie
     und Frauen, Berlin, März 2008.
12
     Ein Niedriglohn ist nach der von OECD und EU verwendeten Definition ein Lohn, der unterhalb von zwei
     Dritteln des Durchschnittslohnes (Medianlohnes) aller Vollzeitbeschäftigten liegt.

                                                                                                             13
im Jahr 2007 die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt 47,8 Milliarden Stun-
den. Demgegenüber hat sich die Zahl der insgesamt in Deutschland geleisteten Arbeits-
stunden im Vergleich zu 1997 nahezu nicht verändert. Fazit ist, dass das sogenannte
„Jobwunder“ auf der Umverteilung des gleichen zeitlichen Volumens an Arbeit auf mehr
Köpfe beruht13.

Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

Die nachfolgende Grafik zeigt das Ausmaß des Verlustes vor allem an sozialversiche-
rungspflichtiger Vollbeschäftigung seit Anfang der 1990er Jahre:

Waren im Juni 2002 noch rund 27,57 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig
beschäftigt, so war deren Zahl im Juni 2007 auf rund 26,85 Millionen gesunken – kon-
kret um 716.581 Beschäftigte. Damit haben die Hartz-Reformen zum weiteren Abbau
von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen beigetragen. Mit der vorrüberge-
henden Entspannung auf dem Arbeitsmarkt seit 2006 ist auch die Zahl der sozialversi-
cherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse wieder gestiegen und lag nach der Hochrech-
nung der Bundesagentur für Arbeit im Oktober 2008 bei 28,02 Millionen. Damit konnte
erstmals der Verlust seit Anfang der 1990er Jahre – vor allem bei der sozialversiche-

13
     Statistisches Bundesamt, Atypische Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Ergebnisse des Mikro-
     zensus, Wiesbaden 2008.
14
     BA, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Januar 2009, S. 7.

14
www.sopo.verdi.de

rungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung – aufgeholt werden. Bereits im November 2008
ging jedoch die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter saisonbereinigt wiederum
um 10.000 zurück14.

Atypische Beschäftigung ist kein Zufall – Ursachen für die Zunahme von
atypischer und prekärer Beschäftigung

     Das 2003 in Kraft getretene Zweite Hartz-Gesetz15 hat die Verdienstgrenze für Mi-
     nijobs von 325 # auf 400 # angehoben und die 15-Stundengrenze abgeschafft.
     Die Versicherungspflicht in Nebenjobs wurde aufgehoben, die Sozialversicherungs-
     beiträge für die Arbeitgeber wurden auf 25 % festgelegt und Mitte 2006 auf 28 %
     angehoben16.

     Befristete Beschäftigung ohne sachlichen Grund bei Neueinstellung war bis zum
     Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 maximal für ein Jahr möglich.
     Mittlerweile kann bis zu zwei Jahre, bei neu gegründeten Unternehmen bis zu vier
     Jahre, ohne weitere Begründung befristet beschäftigt werden.

     Bei der Leiharbeit ist die ursprünglich auf maximal drei Monate begrenzte Überlas-
     sungsdauer zunächst auf sechs, dann auf zwölf und später auf 24 Monate ausge-
     weitet und letztlich völlig abgeschafft worden. Abgeschafft worden ist auch das
     Verbot, eine/n Leiharbeiter/in parallel zu einem Entleih-Einsatz anzustellen (Syn-
     chronisationsverbot). Das AÜG in seiner ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung regelt
     zudem, dass die Leiharbeitnehmer/innen ohne Tarifvertrag den gleichen Lohn und
     die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Beschäftigten des Entleiherbetriebes er-
     halten, wenn nicht ein Tarifvertrag eine abweichende Regelung trifft. Durch die
     Branchentarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften wird
     davon erheblich nach unten abgewichen.

Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes für alle abhängig
Beschäftigten von mindestens 7,50 # pro Stunde steht aus. Die Neufassung des Arbeit-
nehmer-Entsendegesetzes (AEntG)17, in das 2009 weitere Branchen (u. a. Pflegedienste
und Aus- und Weiterbildung nach SGB II und III) aufgenommen werden, ist nur ein ers-
ter Schritt in Richtung zur Verbesserung der Situation im Niedriglohnbereich. Die Auf-

15
     Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 – BGBl. I 2002,
     4607 und 4621.
16
     Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 zum 1. Juli 2006.
17
     Entwurf eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für re-
     gelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz –
     AentG) – Bundesdrucksache 16/10486 vom 7. Oktober 2008.

                                                                                                       15
nahme der Zeitarbeit war politisch nicht gewollt. Die Schwelle für die Anwendung des
AEntG, wonach tarifgebundene Arbeitgeber eines Wirtschaftszweiges bundesweit oder
regional mehr als 50 % der in der Branche tätigen Arbeitnehmer/innen beschäftigen
müssen, liegt so hoch, dass bisher nur in wenigen Branchen ein Tarifvertrag nach Maß-
gabe des Gesetzes für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Das Mindestarbeits-
bedingungsgesetz (MiAG) für Branchen, die die Voraussetzungen des AEntG nicht erfül-
len, bietet in der im Juli 2008 beschlossenen Fassung keinen ausreichenden Schutz vor
Niedriglöhnen.

Arbeitsmarkt und atypische/prekäre Beschäftigung

Atypische Formen der Beschäftigung erfüllen auf dem Arbeitsmarkt verschiedene Funk-
tionen. Sie können dazu dienen, die Arbeitskosten zu senken, die Anpassungsfähigkeit
des Arbeitseinsatzes zu erhöhen oder die Instrumente der betrieblichen Personalpolitik
zu erweitern (z. B. befristeter Arbeitsvertrag als verlängerte Probezeit). Seit den 1980er
Jahren haben Deregulierungsmaßnahmen (Beschäftigungsförderungsgesetz und seine
Novellierungen, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Hartz-Gesetze) die Rahmenbedingungen
für atypische Beschäftigungsformen mit dem Ziel ihrer Ausweitung verändert. Flexibilität
wurde zur zentralen Voraussetzung für die Bewältigung des Strukturwandels, für wirt-
schaftliches Wachstum und für den Abbau der Arbeitslosigkeit erklärt. Dabei wurde die
Grenze zwischen Arbeitslosigkeit und existenzsichernder/sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung zunehmend verwischt. Die fortdauernde Unterbeschäftigung versetzt die
Arbeitgeber in die Lage, aus der Masse von Arbeit suchenden auswählen zu können. In
den wenigsten Fällen ebnet atypische Beschäftigung Erwerbslosen den Rückweg ins Be-
rufsleben. Vielmehr sind immer mehr Menschen nicht auf eigenen Wunsch, sondern
mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeiten zur Aufnahme von Teilzeitarbeit und
Leiharbeit gezwungen.

Mehr Beschäftigung bedeutet neben der Zunahme von Teilzeit- und der Abnahme von
Vollzeitbeschäftigung in erster Linie weniger reguläre Beschäftigung. Ein großer Teil der
Zunahme von Beschäftigung geht auf das Konto von Leiharbeit, die nach Berechnungen
des DGB allein zwischen Juni 2006 und Juni 2007 einen Zuwachs von 24,8 % verzeich-
net hat. 55 % der Arbeitsverhältnisse in dieser Branche sind kürzer als drei Monate, d.h.
das Risiko der Arbeitslosigkeit ist weit überdurchschnittlich. Die seit Ende 2006 günstige
Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung in Deutschland suggerierte einen Erfolg
der Arbeitsmarktpolitik, der in der Rezession enttarnt wird. Viele Menschen verlieren ihre
Arbeit wieder, allen voran ungesichert und prekär Beschäftigte.

Die Politik lässt sich jedoch unter Zugzwang setzen, statt schützend und regulierend ein-

16
www.sopo.verdi.de

zugreifen. Sie verfährt weiter unter dem Leitsatz der Hartz-Reformen „Sozial ist, was Ar-
beit schafft“. ver.di setzt dagegen: „Sozial ist, was ›Gute Arbeit‹ schafft“. Gute Arbeit ist
existenzsichernde und unbefristete, aber auch die gesundheitlichen Ressourcen scho-
nende und persönlichkeitsfördernde Arbeit. Die Verhinderung und Zurückdrängung pre-
kärer Arbeit ist für ver.di daher eine zentrale Aufgabe gewerkschaftlichen Handelns. Auf-
gezwungene prekäre Beschäftigung muss weiterhin thematisiert werden. Insgesamt
muss über Qualität und Nachhaltigkeit der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gespro-
chen werden, statt weiterhin auf „Arbeit um jeden Preis“ zu setzen. Arbeitsmarktpolitik
muss wieder auf sozialpolitischen Grundlagen als wesentliches Politikfeld zur Vermei-
dung von Armut und Altersarmut stattfinden.

Soziale Sicherung

Atypische Beschäftigungsverhältnisse wirken über den Arbeitsmarkt hinaus in die Syste-
me der sozialen Sicherung hinein. Atypische Beschäftigungsverhältnisse beeinflussen so-
wohl das Niveau der individuellen Sicherheit als auch die Systeme selbst, insbesondere
deren Finanzierungsbedingungen. Die Systeme sozialer Sicherung orientieren sich nach
wie vor an der Erwerbsarbeit und speziell am Normalarbeitsverhältnis ohne Rücksicht
auf den Wandel der Beschäftigungsformen. Für die individuelle Sicherung hat dies so-
wohl während als auch nach der Erwerbsphase erhebliche Konsequenzen. Während der
Erwerbstätigkeit geht es um Ansprüche in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung,
während des Ruhestandes um die Rentenversicherung. Die Auswirkungen auf die einzel-
nen Zweige der Sozialversicherung sind unterschiedlich je nach Form und Dauer des Be-
schäftigungsverhältnisses.

     In der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung
     besteht voller Versicherungsschutz nur bei Leiharbeit, Teilzeit und Befristung. Mini-
     jobber/innen sind in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich versiche-
     rungsfrei18. Soweit sie nicht familienversichert sind, müssen sich Minijobber/innen
     freiwillig oder privat krankenversichern.

     Bei der ArblV dagegen entstehen bei einer befristeten Beschäftigung unter Um-
     ständen trotz Beitragszahlung keine Ansprüche19. Überhaupt nicht gegen Arbeits-

18
     § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB V, siehe aber § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 sowie § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V – einge-
     führt durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wett-
     bewerbsverstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 – BGBl. I 2007, 378.
19
     Der Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt voraus, dass der/die Erwerbslose innerhalb der letzten zwei Jahre
     vor der Entstehung aller weiteren Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld mindestens 12
     Monate in einem Versicherungsverhältnis stand (§§ 123 Satz 1 i. V. m. 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 SGB III).

                                                                                                           17
losigkeit versichert sind Arbeitnehmer/innen, die ausschließlich auf Basis von Mini-
        Jobs tätig sind, während bei Nebenerwerbstätigkeit die Versicherungspflicht aus
        der Hauptbeschäftigung resultiert.

        Atypische Beschäftigung kann zu einer dramatischen Reduzierung der Rentenhöhe
        führen. Bei Mini-Jobs besteht die Option der Aufstockung von Rentenversiche-
        rungsbeiträgen, die aber wegen des zu geringen Einkommens und der Erwartung
        geringer Rentenbeträge kaum wahrgenommen wird. Bei Teilzeitarbeit lassen sich
        häufig auch keine existenzsichernden Ansprüche in der GRV erwerben. Rein formal
        ist die Leiharbeit (auf Vollzeitbasis) gegen soziale Risiken nicht schlechter abgesi-
        chert als Normalarbeitsverhältnisse. Allerdings bestehen wegen der geringeren Be-
        schäftigungsstabilität sowie der niedrigeren Einkommen faktische Nachteile.

        Jede Art von Beschäftigung ist über die GUV versichert, so dass auch atypisch Be-
Übersicht 1: Sozialversicherungsschutz bei atypischer Beschäftigung:

     Sozialversicherung Teilzeit     Minijob21                   Midijob          Befristetes       Leiharbeit
                        (wenn kein gering- kurz-                                  Arbeits-
                        Minijob)   fügig   fristig                                verhältnis
                                             ent-
                                             lohnt
     GKV/GPfV                      ja              nein               ja                ja                ja

     ArblV                         ja              nein               ja                ja                ja

     GRV                           ja             grds.               ja                ja                ja
                                                  nein22

     GUV                           ja                ja               ja                ja                ja

20
        Für Versicherte über 15 und unter 18 Jahren sind dies 40 %, für Versicherte über 18 Jahren sind dies 60 %
        der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles maßgebenden Bezugsgröße, 2008 z. B. bei Vollinvalidität
        mindestens 8.000 # bzw. 12.000 # in den alten und 6.666 # bzw. 10.000 # in den neuen Bundesländern
        Verletztenrente pro Jahr (§§ 56 Abs. 3 S. 1, 85 SGB VII i. V. m. § 18 SGB IV). Auch bei Teilinvalidität und für
        Hinterbliebene entstehen Rentenansprüche, wenn der Unfallversicherungsschutz greift.
21
        Minijobs sind sozialversicherungsfrei, d.h. sie begründen keinen eigenen Sozialrechtsschutz. Für 400-#-Mi-
        nijobs (nicht aber kurzfristige Minijobs) müssen aber dennoch pauschale Beträge zur GKV und GRV gezahlt
        werden. Keine Beiträge fallen in der GPfV und der ArblV an.
22
        Aus der Summe der Entgeltpunkte für die geringfügige Beschäftigung werden die Monate für die Warte-
        zeit ermittelt, indem diese Summe durch den Wert 0,0625 geteilt wird (§ 52 Abs. 2 SGB VI). Diese Warte-
        zeitmonate werden aber keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet. Es handelt sich auch nicht um Pflicht-
        beiträge! Deshalb können mit diesen Monaten in der Regel weder die besonderen versicherungsrechtlichen
        Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbstätigkeit, so genannte Erwerbsunfähigkeits-
        bzw. Berufsunfähigkeitsrenten, noch Voraussetzungen für eine Leistung zur Rehabilitation („Kur“) erfüllt
        werden.

18
www.sopo.verdi.de

     schäftigte den vollen Versicherungsschutz genießen. Allerdings ist die Höhe der
     Verletzten- und Hinterbliebenenrente vom zuletzt bezogenen Jahresarbeitsver-
     dienst abhängig. Es gibt jedoch einen gesetzlich geregelten Mindestjahresarbeits-
     verdienst, der der Rentenberechnung zugrunde gelegt wird20.

Die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat neben Konsequenzen für den
Einzelnen auch Folgen für die Institutionen der sozialen Sicherung. Das Hauptproblem
erwächst aus der Verdrängung sozialversicherungspflichtiger durch sozialversicherungs-
freie oder in den Beitragszahlungen reduzierter Beschäftigung (speziell Mini-Jobs und
hier besonders bei den Nebentätigkeiten). Auch wenn bislang keine belastbaren empiri-
schen Befunde vorliegen, sprechen starke Indizien für eine partielle Verdrängung von
Normalarbeitsverhältnissen in bestimmten Branchen durch Mini- und Midi-Jobs. Die Fol-
ge sind erhebliche Einnahmeausfälle in allen Zweigen der Sozialversicherung. Diese
kommt zudem für die aus steigender (Alters-) Armut resultierenden Lasten auf.

ver.di fordert wirksame Schritte gegen das Abdrängen von immer mehr Men-
schen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse:

     Erforderlich zur Vermeidung von Armut ist ein flächendeckender gesetzlicher Min-
     destlohn von mindestens 7,50 # pro Stunde.

     Mini- und Midijobs sind in sozial gesicherte Beschäftigung umzuwandeln.

     Befristet Beschäftigte müssen einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme erhal-
     ten, wenn im Unternehmen ein adäquater Arbeitskräftebedarf vorhanden ist. Die
     Befristung ohne Sachgrund wird als verlängerte Probezeit missbraucht und ist da-
     her abzuschaffen.

     Leiharbeitnehmer/innen sind vom ersten Tag an zu den beim Entleiher geltenden
     Vergütungsbedingungen zu beschäftigen. Sie dürfen vom Leiharbeitsunternehmen
     nicht deckungsgleich mit der Dauer ihres Einsatzes bei einem Entleiher beschäftigt
     werden.

     Praktika nach Berufsausbildung oder Studium sind zeitlich zu begrenzen und
     darüber hinaus als Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Reguläre Arbeit darf nicht durch
     Beschäftigte erledigt werden, die aus Kostengründen als Hospitant/innen, Volontä-
     re/innen oder Praktikant/innen ausgewiesen werden.

     Selbständige müssen in die soziale Sicherung einbezogen werden, an der auch die
     Auftraggeber zu beteiligen sind. Zur Abgrenzung gegen Scheinselbständigkeit sind
     verbindliche Regelungen zu schaffen.

                                                                                      19
B. Geringfügige Beschäftigung und Teilzeit
400 Euro-Minijobs sind eine Form von Teilzeitbeschäftigung, die nur beitragsrechtlich
und steuerrechtlich besonderen Regelungen unterliegt. Arbeitsrechtlich gelten für Mini-
jobber/innen jedoch dieselben Regelungen wie für alle anderen Teilzeitbeschäftigten.

I.        400 Euro-Minijobs – Entwicklung und Ausgangslage

Wie aus dem von der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-
Bahn-See veröffentlichten Bericht für das dritte Quartal 2008 hervorgeht, ist im Ver-
gleich zum zweiten Quartal 2008 die Gesamtzahl der 400 #-Minijobber/innen im ge-
werblichen Bereich und in Privathaushalten um rund 0,5 Prozent gewachsen (+34.000).
Im gewerblichen Bereich blieb die Zahl mit einem leichten Plus von 0,6 Prozent
(+40.827) nahezu unverändert. Die Beschäftigtenzahl im Bereich der Privathaushalte ist
um 3,9 Prozent (-6.612) zurückgegangen. Insgesamt verzeichnete die Minijob-Zentrale
zum 30. September 2008 6.826.086 geringfügig Beschäftigte. Die Zahl der ausschließ-
lich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat nach ersten Hochrechnungen im November
4,86 Millionen Menschen betragen. Hinzu kommen 2,29 Millionen Menschen, die den
Minijob als Nebentätigkeit ausüben23.

Übersicht 2: 400 Euro-Minjobs im dritten Quartal 2008

                                         Gesamt                         West             Ost

     geringfügig entlohnte            6.664.150                   5.851.304         812.846
     Beschäftigte

     geringfügig entlohnte               161.936                    148.204          13.732
     Beschäftigte in
     Privathaushalten

     geringfügig Beschäftigte         6.826.086                   5.999.508         826.578

Quelle: Knappschaft Bahn See – Die Minijob-Zentrale, I. Quartal 2008 – Aktuelle Entwicklungen im
Bereich der geringfügigen Beschäftigung.

2008 ist erstmals nach der Anhebung des Arbeitgeberbeitrags ab 1. Juli 2006 um 5 %
die Zahl der Minijobber/innen nicht mehr gesunken, sondern leicht angestiegen.

23
        BA, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Januar 2009, S. 8.

20
www.sopo.verdi.de

Übersicht 3: Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung

     Quelle: Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen
     Beschäftigung – III. Quartal 2008“, S. 7.

Einführung der Mini- und Midijobs durch die „Hartz-Reformen“

Zum 1. April 2003 traten die ersten beiden der so genannten „Hartz-Gesetze“ in Kraft24.
Durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. De-
zember 2002 wurden die Regelungen für geringfügige Beschäftigungen entscheidend
verändert. Die Minijobs sollten ursprünglich auf haushaltsnahe Dienstleistungen be-
schränkt sein und waren zur Legalisierung von bereits existierender Schwarzarbeit in die-
sem Segment gedacht. Während des Gesetzgebungsverfahrens gelang es der CDU/CSU-
Opposition im Vermittlungsausschuss, ihre Vorstellungen zur Reform der geringfügigen
Beschäftigung in die Hartz-Gesetze einzubringen. Die Kernpunkte der Reform waren die
Heraufsetzung der Geringfügigkeitsgrenze von 325 # auf 400 #. Eine Gleitzone im Be-
reich über 400 # bis 800 # wurde eingeführt, in der die Sozialversicherungsbeiträge der
Arbeitnehmer/innen nicht sofort voll einsetzen, sondern langsam ansteigen (so genann-
te Midijobs). Damit sollte verhindert werden, dass mit steigendem Bruttoeinkommen
das Nettoeinkommen fällt. Zudem wurde es wieder möglich, eine sozialversicherungs-
freie Nebentätigkeit neben einer Haupterwerbstätigkeit auszuüben.

24
     Erstes und Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 – BGBl.
     I 2002, 4607 und 4621.

                                                                                                      21
Für Unternehmen dienen Minijobs der Substitution voll sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung. Der Zuwachs von rund 1,8 Millionen Minijobs ist ursächlich auf die Re-
form zurückzuführen25.

Minijobs meist keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt

Minijobs führen regelmäßig nicht in den ersten Arbeitsmarkt zurück. Wie eine vom Rhei-
nisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag der Bundes-
knappschaft durchgeführte empirische Befragung gezeigt hat, gibt es keine „Brücken-
funktion“ der Minijobs von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Die wenig verbreiteten Mi-
dijobs könnten aber Brückeneffekte aufweisen, so das RWI. Erwiesen ist die Brücken-
funktion auch bei Midijobs damit nicht.

     Tätigkeiten unmittelbar vor dem/den derzeitigen Minijob(s)
                                               Minijob
      SV-pfl. Beschäftigte mit Einkommen bis 800 #
     SV-pfl. Beschäftigte mit Einkommen über 800 #
                                         Selbstständig
                                  Arbeitslos gemeldet
      Arbeit suchend, aber nicht arbeitslos gemeldet
                               Schüler/Student/Azubi
                                       Arbeitsunfähig
                                      Hausfrau/-mann
                                             Elternzeit
                                    Rentner/Pensionär
                                                          0     5      10   15   20   25   30
Quelle: RWI 2004

Auswirkungen der Zunahme von 400 #-Minijobs

Durch geringfügige Beschäftigung wird der Arbeitsmarkt nachhaltig in seiner Struktur
verändert. Viele Branchen setzen zunehmend geringfügig Beschäftigte ein, weil sie
durch geringere, auch untertarifliche Bezahlung Personalkosten einsparen wollen. Diese
Zerstückelung von Vollzeitarbeit eröffnet zudem nahezu unbegrenzte Arbeitszeitflexibili-
sierung. Spitzenreiter sind hier die Branchen Einzelhandel, Grundstücks- und Woh-
nungswesen, Gastronomie, Steuer- und Rechtsberatungen, Reinigung, Gesundheitswe-
sen, Sozialwesen und kirchliche Arbeitgeber.

25
         RWI, Gemischte Bilanz der Arbeitsmarktreformen, Essen 2006.

22
www.sopo.verdi.de

Obwohl geringfügige Beschäftigungen nach wie vor zumeist von Frauen ausgeübt wer-
den, weil oft Arbeitgeber keine Alternativen anbieten, können Teilzeitarbeit und Minijob
nicht mehr „nur“ als Hinzuverdienst betrachtet werden, denn für etwa zwei Drittel die-
ser Beschäftigten stellt dieses geringe Einkommen die überwiegende Einkommensquelle
dar.

Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

400 #-Minijobs sind nicht nur keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt, sie verdrän-
gen auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor allem in den unteren Einkom-
mensgruppen. Nach einer Evaluation der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommis-
sion berichtete das RWI und das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik
(ISG), dass zumindest ein gewisser Teil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsver-
hältnisse mit einem eher geringen monatlichen Einkommen in Minijobs umgewandelt
wurde26. Die Studie resümiert, dass Minijobs für die Unternehmen als flexibles und Kos-
ten sparendes Instrument des Personaleinsatzes genutzt werden. Dabei gehe es nicht
nur um die Bewältigung von Arbeitsspitzen und Engpässen in der Produktion oder
Dienstleistungserstellung, sondern auch um den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit in hart
umkämpften Branchen wie z. B. dem Einzelhandel – zu Lasten der Beschäftigten.

Änderungen ab 1. Juli 2006

Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 stieg die pauschale Beitragsbelastung für Arbeit-
geber ab 1. Juli 2006 in der GKV von 11 % auf 13 % und in der GRV von 12 % auf
15 %. So sollte der Trend zur Umwandlung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze
in Minijobs aufgehalten werden. Damit wurde geringfügig entlohnte Beschäftigung für
Arbeitgeber finanziell unattraktiver – auch wenn viele Arbeitgeber versuchen, die finan-
zielle Mehrbelastung durch noch weitere Reduzierung der Entgelte bis an die Grenze
der Sittenwidrigkeit auf die Beschäftigten abzuwälzen.

Die Folge der Anhebung der Arbeitgeberbeiträge war ein vorrübergehender Rückgang
der Minijobs, ohne dass dadurch allerdings mehr sozialversicherungspflichtige (Teilzeit-)
Beschäftigungen angeboten wurden.

26
     RWI/ISG, Evaluation der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission – Arbeitspaket 1, Verbesserung
     der beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen und Makrowirkungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik,
     Bericht vom 30. Juni 2005, S. 5 ff.

                                                                                                       23
Wie der Jahresvergleich von 2005 bis 2008 zeigt, steigt die Zahl der Minijobs seit Mitte
2007 wieder an:

                                      geringfügig entlohnte Beschäftigte

                                                          Veränderung zum Vorjahr
                                                       (absolut)         (prozentual)

 September 2008                  6.664.150                 190.947                       2,9 %

 September 2007                  6.473.203                 219.652                       3,5 %

 September 2006                  6.253.551                -331.120                      -5,0 %

 September 2005                  6.584.671                -287.904                      -4,2 %

                                                        Veränderung zum Vorquartal

 September 2008                  6.664.150                  40.827                       0,6 %

 Juni 2008                       6.623.323                  88.747                       1,4 %

 März 2008                       6.534.576                    7.092                      0,1 %

 Dezember 2007                   6.527.484                  54.281                       0,8 %

Quelle: Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung –
III. Quartal 2008“, S. 7.

Positiv an den Änderungen ab 1. Juli 2006 ist, dass insbesondere für die Alterssicherung
der Beschäftigten ein höherer Beitrag geleistet wird. Im Hinblick auf die großen Defizite
der Minijobber/innen in der Alterssicherung ist dies jedoch nur ein „Tropfen auf den hei-
ßen Stein“. Die leider bisher nicht häufig genutzte Möglichkeit, durch Verzicht auf die
Rentenversicherungsfreiheit die vollen Rechte in der gesetzlichen Rentenversicherung zu
erwerben, wird ebenfalls finanziell deutlich günstiger. Dadurch können alle Vorteile einer
umfassenden Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung genutzt werden. Dies
sollten insbesondere Frauen nutzen und künftig auch im Minijob davon Gebrauch ma-
chen und mit der Riester-Rente zusätzlich eigenständig für das Alter vorsorgen.

Die Minijob-Zentrale

Im Rahmen der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung haben sich die
bisher eigenständigen Rentenversicherungsträger Bundesknappschaft, Bahnversiche-
rungsanstalt und Seekasse zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu-

24
www.sopo.verdi.de

sammengeschlossen. Die Minijob-Zentrale, zuvor ein Teil der Bundesknappschaft, gehört
jetzt zur neu geschaffenen Knappschaft-Bahn-See. Ihre Verwaltungsstelle Cottbus ist als
Träger der Rentenversicherung zuständige Einzugsstelle für alle geringfügigen Beschäfti-
gungen. Sie ist auch für die Erhebung der Pauschalsteuer zuständig. Seit 1. Januar 2006
übernimmt die Minijob-Zentrale auch die Anmeldung zur gesetzlichen Unfallversiche-
rung bei Minijobs in Privathaushalten. Sie ist nicht zuständig für Beschäftigungen in der
Gleitzone.

II.        Die Regelungen geringfügiger Beschäftigungen

1.      Die Regelungen auf einen Blick

Eine Beschäftigung kann zum einen wegen der geringen Höhe des Arbeitsentgelts und
zum anderen wegen ihrer kurzen Dauer geringfügig sein27:

Übersicht 4: Geringfügig entlohnte und kurzfristige Beschäftigung

     geringfügig entlohnte Beschäftigung –          kurzfristige Beschäftigung
     sogenannter 400 #-Minijob

     Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor,     Eine geringfügige Beschäftigung liegt
     wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Be-         davon abweichend auch vor, wenn das mo-
     schäftigung regelmäßig im Monat 400 #          natliche Arbeitsentgelt zwar 400 # über-
     nicht übersteigt. Eine Arbeitszeitbeschrän-    steigt, die Beschäftigung jedoch innerhalb
     kung gibt es nicht.                            eines Kalenderjahres auf längstens zwei
                                                    Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer
                                                    Eigenart oder im Voraus vertraglich be-
                                                    grenzt ist, es sei denn, die Beschäftigung
                                                    wird berufsmäßig ausgeübt. Auf die Höhe
                                                    des Einkommens kommt es hierbei –
                                                    anders als bei den 400 #-Minijobs – nicht
                                                    an.

Achtung: Handelt es sich dabei hingegen um eine berufsmäßige Beschäftigung, gilt
dennoch die Grenze von 400 #. Berufsmäßig bedeutet, dass sie für die/den Betreffende/n
von nicht nur untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Auch Beschäftigte, die
Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit beziehen oder als arbeitsuchend gemeldet
sind, werden als berufsmäßig beschäftigt angesehen.

27
        § 8 Abs. 1 SGB IV (im Anhang abgedruckt).

                                                                                                 25
Beim Zusammenrechnen von geringfügig entlohnten mit nicht geringfügigen Beschäfti-
gungen (in der Regel Haupttätigkeit und Nebenjob) bleibt eine geringfügige Beschäfti-
gung sozialversicherungsfrei. Jeder weitere Minijob wird in der Renten-, Kranken- und
Pflegeversicherung versicherungspflichtig28. In der Arbeitslosenversicherung besteht für
Minijobs generell keine Versicherungspflicht29. Liegen infolge der Zusammenrechnung
die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vor, tritt die Versi-
cherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe der Feststellung durch die Minijob-
Zentrale oder den Träger der GRV ein30.

Während der/die Arbeitnehmer/in für Minijobs keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen
muss, sind vom Arbeitgeber folgende Beiträge und Steuern zu entrichten:

Übersicht 5: Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bei 400 #-Minijobs

     Vom Arbeitgeber zu entrichten bei

     geringfügig entlohnter Beschäftigung –                kurzfristiger Beschäftigung
     sogenannter 400 #-Minijob

       Umlagebeträge zum Ausgleich bei                        Umlagebeträge zum Ausgleich bei
       Krankheit und Mutterschutz                             Krankheit und Mutterschutz
       Beitrag zur GUV                                        Beitrag zur GUV
       Pauschalsteuer (soweit gewählt)                        Pauschalsteuer (soweit gewählt)
       pauschale Beiträge zur GKV und GRV

       keine Beiträge zur GPflV und ArblV                     keine Beiträge zur GPflV und ArblV

Bei geringfügigen Beschäftigungen beträgt die Gesamtbelastung des Arbeitgebers durch
Sozialversicherungsbeiträge und Steuern höchstens 30,1 % des Arbeitsentgelts zuzüg-
lich des Arbeitgeber-Beitrags zur gesetzlichen Unfallversicherung31. Hiervon entfallen
auf:

        die Rentenversicherung 15 %,
        die Krankenversicherung 13 %,
        pauschale Unfallversicherung 1,6 % ,

28
        § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV (im Anhang abgedruckt).
29
        Auch dann nicht, wenn durch Zusammenrechnung von mehr als einem Minijob mit der versicherungs-
        pflichtigen Hauptbeschäftigung eine Versicherungspflicht in der GRV, GKV und GPflV entsteht, § 27 Abs. 2
        Satz 1 Halbsatz 2 SGB III.
30
        § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV (im Anhang abgedruckt).
31
        §§ 150, 153 Abs. 1, 161, 165 bis 170 SGB VII.

26
www.sopo.verdi.de

     eine pauschale Lohnsteuer 2 % (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszu-
     schlag)32. Die geringfügig Beschäftigten zahlen keine Sozialabgaben,
     ggf. Umlage zur Lohnfortzahlungsversicherung für Krankheit/Kur 0,6 % (Arbeitge-
     ber mit maximal 30 Beschäftigten)33,
     0,07 % Umlage zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Schwanger-
     schaft/Mutterschaft (U2).

Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bei Minijobs in Privathaushalten

Sonderregelungen gelten für die Beschäftigung von Haushaltshilfen durch private Ar-
beitgeber (Minijobs in Privathaushalten34). Wird die monatliche Entgeltgrenze von 400 #
eingehalten, beträgt die pauschale Abgabe des Arbeitgebers hier insgesamt höchstens
14,27 % des Arbeitsentgelts. Hiervon entfallen auf:

     die Rentenversicherung 5 %,
     die Krankenversicherung 5 %,
     pauschale Unfallversicherung 1,6 % 35,
     eine pauschale Lohnsteuer 2 % (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszu-
     schlag),
     Umlage zur Lohnfortzahlungsversicherung für Krankheit/Kur 0,6 % (U1) 36,
     0,07 % Umlage zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Schwanger-
     schaft/Mutterschaft (U2).

32
     Das Arbeitsentgelt ist stets steuerpflichtig. Die Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt für geringfügige Beschäfti-
     gungen im Sinne des SGB IV ist pauschal oder nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte zu erheben. Das
     Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 1. Februar 2006 (AZR 628/04) entschieden, dass bei ei-
     ner vereinbarten Bruttovergütung die Minijobberin und der Minijobber die Pflicht hat, die pauschale Lohn-
     steuer von 2 % selbst zu tragen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sie abführt, sie aber auf die Beschäf-
     tigten umlegen kann. In der Praxis jedoch trägt in vielen Fällen der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer. Er
     ist dazu aber nicht verpflichtet. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Tragung der pauschalen Lohnsteuer
     von 2 % besteht nur dann, wenn ein Nettolohn verabredet wurde. Dies muss aber hinreichend deutlich
     zum Ausdruck kommen, so das BAG. Siehe § 40a EstG (im Anhang abgedruckt).
33
     Ab 1. Januar 2009; Eingeführt zum 1. Januar 2006 durch das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeber-
     aufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) vom 22. Dezember 2005 –
     BGB l. I 3686.
34
     § 8a SGB IV (im Anhang abgedruckt).
35
     Der Beitrag für die Unfallversicherung beträgt seit Januar 2006 einheitlich 1,6 % des Arbeitsentgeltes. Er
     wird zusammen mit den anderen Abgaben zweimal jährlich jeweils zum 15. Januar und zum 15. Juli für
     das vorangegangene Halbjahr im Lastschriftverfahren eingezogen. Die erste Beitragszahlung wurde also
     zum 15. Juli 2006 fällig. Die Minijob-Zentrale leitet die Beiträge zur Unfallversicherung anschließend an den
     zuständigen kommunalen Unfallversicherungsträger weiter.
36
     Vgl. Fußnote 33.

                                                                                                              27
Sie können auch lesen