Ratgeber atypische Beschäftigung - 400 #-Minijobs, Teilzeit, Befristung & Leiharbeit - ver.di: Sozialberatung
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www.sopo.verdi.de sopospezial Ratgeber atypische Beschäftigung 400 #-Minijobs, Teilzeit, Befristung & Leiharbeit Sozialpolitik Vereinte Dienstleistungs- gewerkschaft 9. Auflage
Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di Bundesverwaltung Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Elke Hannack, Mitglied des Bundesvorstandes Verantwortlich: Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik Redaktion: Evelyn Räder und Judith Kerschbaumer unter Mitarbeit von: Hannelore Buls, ver.di-Ressort 2 Christine Meier, ver.di-Ressort 18 Barbara Wederhake, ver.di-Ressort 12 1. Auflage, Februar 2003, 1–20.000 2. Auflage, März 2003, 20.001–45.000 (Nachdruck) 3. Auflage, Mai 2003, 45.001–80.000 (Nachdruck) 4. Auflage, April 2004, 80.001–85.000 (überarbeitet und aktualisiert) 5. Auflage, August 2005, 85.001–90.000 (überarbeitet und aktualisiert) 6. Auflage, Oktober 2005, 90.001–100.000 (Nachdruck) 7. Auflage, November 2005, 100.001–103.000 (Nachdruck) 8. Auflage, Juni 2006, 103.001–110.000 (überarbeitet und aktualisiert) 9. Auflage, Februar 2009, 110.001–120.000 (erweitert, überarbeitet und aktualisiert) Hinweis: Wer regelmäßig über alle Veröffentlichungen aus dem Bereich Sozialpolitik informiert und in den E-Mail- und/oder Post-Verteiler aufgenommen werden möchte, schreibt an: sopo@verdi.de ISBN 978-3-938865-34-7 2
www.sopo.verdi.de Vorwort Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in Krisenzeiten kommt es zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit besonders auf den arbeits- und sozialrechtlichen Schutz der Beschäftigten an. Somit ist prekäre Beschäfti- gung für ver.di ein zentrales Thema im Bundestagswahlkampf 2009. ver.di lehnt jede Art sozial ungesicherter Beschäftigung ab. Die politisch Verantwortlichen fordern wir auf, endlich wirksame Schritte gegen das Abdrängen von immer mehr Menschen in sozial schlecht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse einzuleiten. ver.di fordert die Abschaf- fung von Minijobs, die Unterbindung von nicht existenzsichernder Beschäftigung und setzt sich daher dafür ein, dass Leiharbeit, Befristungen und andere unsichere Beschäfti- gungsformen zurückgedrängt werden. Teilzeit und die Sonderform der 400 #-Minjobs können kaum Existenz sichernd sein und sind tendenziell „Zuverdienst“. Die Zahl derjenigen, die nicht einmal über einen relativ kurzen Zeitraum durchgehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Konsequenz aus solchen Erwerbsverläufen ist eine schlechte soziale Absicherung der Betroffenen. So kann atypische Beschäftigung bis ins Alter hinein zur Armutsfalle werden. Zudem führt ungesicherte Beschäftigung zu großen Unsicherheiten hinsichtlich der Lebensplanung. Der Anteil der atypischen Beschäftigungsverhältnisse ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Je nach Definition weicht jedes dritte bis vierte Arbeitsverhältnis vom soge- nannten Normalarbeitsverhältnis ab. Die Zunahme atypischer und prekärer Beschäfti- gung ist kein Zufall: Die Deregulierungspolitik der beiden letzten Jahrzehnte hat den Ausbau atypischer Beschäftigung gefördert und dazu beigetragen, dass die Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses zurückgeht. Die Vermeidung schlecht abgesicherter Be- schäftigung als sozialpolitisches Ziel wurde aufgegeben. Stattdessen wurde Arbeits- marktpolitik zur Durchsetzung von Niedriglöhnen und für die Ausweitung prekärer Be- schäftigung instrumentalisiert. So können Arbeitgeber aufgrund der geltenden Gesetze Arbeitskräfte flexibler einsetzen und sich schneller wieder von ihnen trennen. Die Folgen sind ein hohes Risiko des Arbeitsplatzverlustes für atypisch Beschäftigte, die Spaltung der Belegschaften in Stamm- und Randbelegschaften sowie Einnahmeverluste der sozia- len Sicherungssysteme und Abwälzung der Risiken auf die Sozialkassen. 3
Auch wenn wir uns sozialpolitisch für die Zurückdrängung von ungesicherter Beschäfti- gung einsetzen, sollten diejenigen, denen nur solche Beschäftigungen angeboten wer- den, über die Nachteile sowie über ihre Rechte informiert sein. Dieser Ratgeber wendet sich an Beschäftigte in Minijobs, in Teilzeit oder Leiharbeit – ob gewollt oder mangels Al- ternative. Ebenso enthält der Ratgeber Hinweise für befristet Beschäftigte, die in aller Regel ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis wünschen. Wir informieren über Fakten und Hin- tergründe zu atypischer Beschäftigung sowie über soziale Absicherung und arbeitsrecht- liche Ansprüche in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Wichtig ist uns dabei die Botschaft: Auch in atypischen Arbeitsverhältnissen haben die Arbeitnehmer/innen den vollen Anspruch auf alle gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen. Elke Hannack Judith Kerschbaumer Evelyn Räder Mitglied des Leiterin des Bereichs Referentin Bundesvorstandes Sozialpolitik Berlin, Februar 2009 4
www.sopo.verdi.de Inhalt Vorwort 3 A. Normal ist nicht mehr normal – atypische und prekäre Beschäftigung 7 B. Geringfügige Beschäftigung und Teilzeit 20 I. 400 Euro-Minijobs – Entwicklung und Ausgangslage 20 II. Die Regelungen geringfügiger Beschäftigungen 25 III. Durchführung über die Minijob-Zentrale 47 IV. Teilzeit – Entwicklung und Ausgangslage 47 V. Die Regelungen bei Teilzeit im Überblick 50 VI. Die Rechte von Minijobber/innen/Teilzeitbeschäftigten im Einzelnen 52 VII. Arbeitslosigkeit und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit – „Ein-#-Jobs“ 54 VIII. Beamtinnen/Beamte und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit 56 IX. Studium und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit 57 X. Ausbildung und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit 57 XI. Praktikum und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit 57 XII. Altersteilzeit und 400 Euro-Minijobs/Teilzeit 58 C. Befristung 59 I. Entwicklung und Ausgangslage 59 II. Die Regelungen zu Befristungen im Überblick 60 III. Die Rechte von befristet Beschäftigten im Einzelnen 61 D. Leiharbeit 66 I. Entwicklung und Ausgangslage 66 II. Die Regelungen zur Leiharbeit im Überblick 72 III. Die Rechte von Leiharbeitnehmer/innen im Einzelnen 73 IV. Leiharbeit und Arbeitslosigkeit 76 5
Anhang 77 Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen 77 Informationsmöglichkeiten 93 Abkürzungsverzeichnis 94 ver.di-Adressen 96 Bestellschein/Kopiervorlage 97 Beitrittserklärung 98 6
www.sopo.verdi.de A. Normal ist nicht mehr normal – atypische und prekäre Beschäftigung Der unbefristete Vollzeitarbeitsplatz mit existenzsicherndem Einkommen ist in Deutsch- lands Arbeitswelt nicht mehr der Regelfall. In den vergangenen Jahren haben prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland erheblich zugenommen. Gesetzliche Neure- gelungen haben den Weg dafür geebnet. Millionen von Menschen arbeiten für ein Ein- kommen unterhalb des Existenzminimums. Sie sind arm trotz Arbeit. Ihre Altersarmut ist vorprogrammiert. Mini- und Midi-Jobs, die Deregulierung der Zeitarbeit, die Verschär- fung der Zumutbarkeit für Erwerbslose nach dem SGB II, jede Arbeit annehmen zu müs- sen, die anhaltend hohe Sockelarbeitslosigkeit und Teile der Hartz-Gesetze haben maß- geblich zur Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Menschen bei- getragen. Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Ausweitung atypischer Beschäfti- gung kritisch zu sehen. Denn wer längere Zeit wenig verdient, kommt oft ohne aufsto- ckende Transfers nicht mehr aus – spätestens im Alter muss dann Grundsicherung in An- spruch genommen werden. Die daraus resultierenden Belastungen für die sozialen Si- cherungssysteme und sinkende Steuereinnahmen wurden mit Leistungs- und Ausgaben- kürzungen beantwortet und damit auf die Gesellschaft abgewälzt. Wer atypisch beschäftigt ist, hat oft weniger Lohn und schlechtere Perspektiven als Be- schäftigte mit klassischen festen Vollzeitstellen. Das gilt insbesondere für befristet Be- schäftigte und Leiharbeitnehmer/innen. Gut ein Drittel aller Arbeitnehmer/innen in Deutschland ist atypisch beschäftigt – in Teilzeit, Minijobs, auf befristeten Stellen oder als Leiharbeitnehmer/innen. Für alle atypisch Beschäftigten gilt: In ihre berufliche Zukunft wird wenig investiert. Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ist über alle atypischen Beschäfti- gungsformen hinweg deutlich niedriger als bei Normalarbeitnehmer/innen. Sie werden häufig schlecht oder gar nicht eingearbeitet. Insbesondere Leiharbeit- nehmer/innen sind daher überproportional von Arbeitsunfällen betroffen1. Atypisch Beschäftigte verdienen auch viel häufiger nur einen Niedriglohn2. Im Jahr 1 Nach Angaben der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, bei der die Leiharbeitsfirmen überwiegend versi- chert sind, sind die mehr als 740.000 Mitarbeiter/innen dieser Branche stärker gefährdet, einen Unfall zu erleiden, als Beschäftigte, die fest in einem Betrieb angestellt sind. Die Gründe liegen in der immer wieder neuen Arbeitsumgebung und häufig wechselnden Aufgaben. 2 Ein Niedriglohn ist nach der von OECD und EU verwendeten Definition ein Lohn, der unterhalb von zwei Dritteln des Durchschnittslohnes (Medianlohnes) aller Vollzeitbeschäftigten liegt. 7
2005 lagen 31 % der atypisch Beschäftigten unter 9,95 # im Westen und 7,49 # im Osten. Am häufigsten erhalten Minijobber/innen Niedriglöhne, mit einigem Ab- stand gefolgt von Leiharbeiter/innen. Atypische Beschäftigung – prekäre Beschäftigung Mit dem Begriff der „atypischen Beschäftigung“ werden Arbeitsverhältnisse beschrieben, die sich vom Normalarbeitsverhältnis unterscheiden. Atypische Beschäftigung bestimmt sich aus der Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis bzw. der Unterscheidung von zentralen Eigenschaften des Normalarbeitsverhältnisses. Normalarbeitsverhältnisse sind gekennzeichnet durch: eine Vollzeittätigkeit oder eine Teilzeittätigkeit mit mindestens der Hälfte der übli- chen vollen Wochenarbeitszeit, ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, die Integration in die sozialen Sicherungssysteme, die Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis. Unter atypischen Arbeitsverhältnissen werden Arbeitsverhältnisse verstanden, die vom Normalarbeitsverhältnis in einem oder mehreren der genannten Merkmale abweichen. Diese Broschüre geht insbesondere auf Teilzeit, Mini- und Midijobs als Sonderformen von Teilzeit, befristete Beschäftigung und Leiharbeit ein. Hinsichtlich anderer Formen 8
www.sopo.verdi.de atypischer Beschäftigung verweisen wir auf andere ver.di-Veröffentlichungen und Bera- tungsangebote3. Nicht jede atypische Beschäftigung ist schlecht bezahlt oder unsicher. Trotzdem sind pre- käre Arbeitsbedingungen hier relativ weit verbreitet. In welchem Ausmaß, haben die WSI-Forscher Hartmut Seifert und Wolfram Brehmer ermittelt. Sie werteten Daten aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) für den Zeitraum von 1989 bis 2005 aus. Dabei verglichen sie atypisch Beschäftigte und Arbeitnehmer/innen in Normalarbeitsverhältnis- sen in drei zentralen Punkten: Einkommen, Weiterbildungsbeteiligung und Stabilität der Beschäftigung. Als prekär kann ein Erwerbsverhältnis bezeichnet werden, wenn die Beschäftigten auf- grund ihrer Tätigkeit deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales Integrations- niveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und anerkannt wird. Nach dieser Definition ist der überwiegende Teil der atypischen Beschäftigungsver- hältnisse auch prekär. In den folgenden Beschäftigtengruppen gibt es einen ganz besonders hohen Anteil an prekär Beschäftigten, so dass die Beschäftigungsform als solche als prekär bezeichnet werden kann: geringfügig Beschäftigte (soweit nicht als Nebenjob), unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigte, befristet Beschäftigte, unfreiwillig/nicht existenzsichernd in Leiharbeit Beschäftigte, aber auch Solo-Selbständige, „Praktikant/innen“ und „Ein-Euro-Jobs“ und Alg II-Aufstocker/innen. Zunahme atypischer Beschäftigungsformen und die Folgen Atypische Beschäftigung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich zugenom- men. Atypisch Beschäftigte laufen eher Gefahr, zu Niedriglöhnen arbeiten zu müssen und von betrieblicher Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen zu werden. Atypische Beschäftigung kann für die betroffenen Arbeitnehmer/innen zu ar- 3 Siehe im Anhang Internet-Adressen sowie mediafon – ver.di-Beratung für Selbständige – www.mediafon.net. 9
Tabelle 1: Atypisch und normal abhängig Beschäftigte in der Haupterwerbstätigkeit von 1997 bis 2007 (15- bis 64-Jährige nicht in Bildung oder Ausbildung)4 Jahr insgesamt normal atypisch 1997 29.120.000 24.020.000 5.100.000 1999 29.450.000 23.640.000 5.810.000 2001 29.730.000 23.740.000 5.990.000 2003 28.960.000 22.830.000 6.130.000 2005 28.830.000 22.080.000 6.750.000 2007 30.180.000 22.490.000 7.680.000 Anteile in % 1997 100,0 82,5 17,5 1999 100,0 80,3 19,7 2001 100,0 79,9 20,1 2003 100,0 79,8 21,2 2005 100,0 76,6 23,4 2007 100,0 74,5 25,5 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008 (siehe Fußnote). beitsrechtlichen Benachteiligungen, zu Wettbewerbsnachteilen auf dem Arbeitsmarkt sowie zu weiteren spezifischen Problemen führen. Die Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat nach Angaben des Statistischen Bun- desamtes zwischen 1997 und 2007 um 2,58 Millionen zugenommen. Diese Verände- rung hat im Beobachtungszeitraum schrittweise und unterschiedlich ausgeprägt stattge- funden, ohne dass es Anzeichen einer gegenläufigen Entwicklung gab. Der Rückgang von Personen in Normalarbeitsverhältnissen ist in nahezu allen Wirt- schaftsabschnitten mehr oder minder ausgeprägt zu beobachten. Am deutlichsten ist 4 Statistisches Bundesamt, Atypische Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Ergebnisse des Mikro- zensus, Wiesbaden 2008. Bis einschließlich 2003 Ergebnisse bezüglich fester Berichtswoche im Frühjahr, ab 2005 Jahresdurchschnittsergebnisse. Zeitarbeitnehmer/innen sind erst ab 2007 in den Zahlen enthalten. 10
www.sopo.verdi.de Tabelle 2: Formen atypischer Beschäftigung von 1997 bis 2007 (15- bis 64-Jährige nicht in Bildung oder Ausbildung) Jahr Teilzeit geringfügig befristet 1997 3.390.000 1.310.000 1.820.000 1999 3.830.000 1.740.000 2.170.000 2001 4.130.000 1.820.000 2.090.000 2003 4.420.000 1.950.000 1.970.000 2005 4.680.000 2.430.000 2.390.000 2007 4.950.000 2.770.000 2.660.000 Anteile in % 1997 11,7 4,5 6,3 1999 13,0 5,9 7,4 2001 13,9 6,1 7,0 2003 15,3 6,7 6,8 2005 16,2 8,4 8,3 2007 16,4 9,2 8,8 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008 (siehe Fußnote 4). der Anteil in den Abschnitten Handel und Gastgewerbe von 78,0 % im Jahr 1997 auf 70,0 % im Jahr 2007 gesunken. In der öffentlichen Verwaltung lag der Anteil mit knapp 83,1 % fast genau auf dem Niveau von 1997. Im Bereich der öffentlichen und persönli- chen Dienstleistungen, zu dem auch das Bildungs- und Gesundheitswesen gehört, ar- beiten nur 64 % der Beschäftigten in einem Normalarbeitsverhältnis. 2007 befanden sich 16,4 % der abhängig Beschäftigten in der oben genannten Abgren- zung in einer Teilzeitbeschäftigung. 9,0 % waren geringfügig beschäftigt, 8,8 % verfüg- ten über einen befristeten Vertrag und 2,5 % befanden sich in Leiharbeit. In absoluten Zahlen betrachtet arbeiteten 2007 4,95 Millionen Personen, die 15 bis 64 Jahre alt und nicht in Bildung oder Ausbildung waren, in Teilzeit. 2,77 Millionen waren geringfügig, 2,66 Millionen befristet und über 700.000 als Leiharbeitnehmer/innen beschäftigt. 11
Atypische Beschäftigungen werden viel häufiger von Frauen ausgeübt als von Männern: 2007 waren 71,0 % der atypisch Beschäftigten Frauen und 29,0 % Männer. 2007 be- fanden sich bei den abhängig Beschäftigten 38,4 % Frauen und 14,0 % der Männer in atypischer Beschäftigung. Seit 1997 hat sich dieser Anteil bei den Frauen sogar stärker erhöht als bei den Männern. Bei den Frauen nahm er um 8,7 Prozentpunkte zu, bei den Männern um 6,2 Prozentpunkte. Die Zahl der atypisch beschäftigten Frauen ist zwischen 1997 und 2007 um 1,6 Millionen gestiegen, die Zahl der entsprechend beschäftigten Männer um 980.000. Unter den normal Beschäftigten liegt das Verhältnis von Frauen zu Männern bei 39,9 % zu 61,1 %. Wesentlicher Grund für dieses Ungleichgewicht zwi- schen den Geschlechtern ist die große Zahl in Teilzeit bzw. Minijobs erwerbstätiger Frauen. Der Anteil atypisch Beschäftigter ist zudem vor allem unter den jungen Menschen von 15 bis 24 Jahren, unter den Personen ohne anerkannte berufliche Ausbildung und unter den Nicht-EU-Migrant/innen sehr hoch. Der Bildungsstand spielt eine große Rolle für die Ausübung einer atypischen Beschäftigung. Knapp 40 % der gering qualifizierten Arbeit- nehmer/innen sind atypisch beschäftigt. Gut 7 % der atypisch Beschäftigten leben über- wiegend von Hartz-IV-Leistungen. Im Zusammenhang von atypischer Beschäftigung und Niedriglöhnen kumulieren sich die Risiken: Hohe Niedriglohnanteile gibt es vor allem bei verschiedenen Formen von prekä- rer Beschäftigung. Dabei ist Niedriglohnarbeit überwiegend weiblich: Über zwei Drittel der im Niedriglohnbereich beschäftigten Menschen, nämlich 69,1 %, sind Frauen. Und: 57 % der im Niedriglohnbereich Beschäftigten sind in Teilzeit tätig5. Die Zahlen der Erhebung zum DGB-Index Gute Arbeit 20086 haben ergeben: Mittlerweile arbeiten nicht einmal die Hälfte der repräsentativ Befragten abhängig Beschäftigten, nämlich 47 %, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das keine Leiharbeit ist, zu einem Entgelt von mindestens 2.000 # Brutto im Monat. Leihar- beit, Mini-Jobs, Ein-#-Jobs, Armutslöhne und befristete Beschäftigung prägen inzwischen für Millionen von Menschen den Alltag. Immer mehr Menschen können von ihrer eigenen Arbeit nicht leben. Insgesamt waren im Juli 2008 etwa 1,35 Millionen Menschen auf ergänzendes Arbeitslosen- geld II („Hartz IV“) angewiesen. Darin sind, neben den zusammen etwa 628.000 5 Gerhard Bosch/Claudia Weinkopf (Hrsg.), Arbeiten für wenig Geld: Niedriglohnbeschäftigung in Deutsch- land, 2007. 6 DGB-Index „Gute Arbeit“ 2008 – Der DGB-Index Gute Arbeit erfasst die Beschäftigtensicht auf die Arbeits- bedingungen in 15 wissenschaftlich relevanten Dimensionen. (vgl. Link im Anhang). 12
www.sopo.verdi.de Aufstocker/innen mit Vollzeit- oder Teilzeitjob, auch etwa 724.000 Hartz-IV-Emp- fänger/innen, die mit Minijobs ihr Einkommen aufbessern, einberechnet7. 720.000 Menschen arbeiten als Leiharbeitnehmer/innen – jede/r achte von ihnen verdient so wenig, dass er/sie zusätzlich SGB II-Leistungen benötigt8. Immer mehr Menschen kommen mit dem Einkommen von einem Arbeitsplatz nicht aus und sind in zwei oder mehr Beschäftigungsverhältnissen tätig9. Fast jeder fünfte 400 Euro-Minijob wurde 2007 als Zusatzjob ausgeübt10. Die Hälfte aller Selbständigen – und damit über zwei Millionen Menschen – sind Solo-Selbständige. Häufig leben sie in prekären Erwerbsverhältnissen und sind nicht selten als „Scheinselbständige“ tätig. 87.000 Selbständige müssen ihr Ein- kommen mit Alg II aufstocken. In bestimmten Branchen gibt es überproportional viele prekäre Beschäftigte, soz. B. im Einzelhandel. Laut einer neuen Studie arbeiten in Berlin 53 % der Verkäufer/ innen in Teilzeit. Jede/r vierte Beschäftigte ist ein/e Minijobber/in11. Nach den Ergebnissen des DGB-Index Gute Arbeit 2008 sind ein Viertel der Arbeit- nehmer/innen der Auffassung, nicht annähernd leistungsgerecht bezahlt zu wer- den. Weitere 41 % sehen sich nur in geringem Maße leistungsgerecht bezahlt. Rund 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten zu Löhnen unterhalb der Hälfte des Durchschnittslohnes – die meisten davon sind Frauen12. Mehr Arbeit durch atypische Beschäftigung? Eine Einschätzung, ob mit dieser Entwicklung mehr Arbeit entstanden ist, lässt sich an- hand der insgesamt in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden gewinnen. Die Volkswirt- schaftlichen Gesamtrechnungen weisen neben den Erwerbstätigen-Zahlen auch die insgesamt von Arbeitnehmer/innen geleisteten Arbeitsstunden aus. Demnach arbeiteten 7 Süddeutsche Zeitung vom 4. Dezember 2008. 8 nach Berechnungen des DGB, Januar 2008. 9 Vgl. IAB-Kurzbericht „Immer mehr Menschen arbeiten in mehreren Jobs“, Ausgabe Nr. 22 vom 6. Dezem- ber 2006. 10 Vgl. Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung – III. Quartal 2008“, S. 16 ff. 11 Claudia Dunst „Frauen (und Männer) im Berliner Einzelhandel – Studie zur Situation der Beschäftigten im Einzelhandel unter besonderer Berücksichtigung prekärer Beschäftigung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, Studie auf Initiative von ver.di und DGB mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Berlin, März 2008. 12 Ein Niedriglohn ist nach der von OECD und EU verwendeten Definition ein Lohn, der unterhalb von zwei Dritteln des Durchschnittslohnes (Medianlohnes) aller Vollzeitbeschäftigten liegt. 13
im Jahr 2007 die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt 47,8 Milliarden Stun- den. Demgegenüber hat sich die Zahl der insgesamt in Deutschland geleisteten Arbeits- stunden im Vergleich zu 1997 nahezu nicht verändert. Fazit ist, dass das sogenannte „Jobwunder“ auf der Umverteilung des gleichen zeitlichen Volumens an Arbeit auf mehr Köpfe beruht13. Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung Die nachfolgende Grafik zeigt das Ausmaß des Verlustes vor allem an sozialversiche- rungspflichtiger Vollbeschäftigung seit Anfang der 1990er Jahre: Waren im Juni 2002 noch rund 27,57 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so war deren Zahl im Juni 2007 auf rund 26,85 Millionen gesunken – kon- kret um 716.581 Beschäftigte. Damit haben die Hartz-Reformen zum weiteren Abbau von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen beigetragen. Mit der vorrüberge- henden Entspannung auf dem Arbeitsmarkt seit 2006 ist auch die Zahl der sozialversi- cherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse wieder gestiegen und lag nach der Hochrech- nung der Bundesagentur für Arbeit im Oktober 2008 bei 28,02 Millionen. Damit konnte erstmals der Verlust seit Anfang der 1990er Jahre – vor allem bei der sozialversiche- 13 Statistisches Bundesamt, Atypische Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Ergebnisse des Mikro- zensus, Wiesbaden 2008. 14 BA, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Januar 2009, S. 7. 14
www.sopo.verdi.de rungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung – aufgeholt werden. Bereits im November 2008 ging jedoch die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter saisonbereinigt wiederum um 10.000 zurück14. Atypische Beschäftigung ist kein Zufall – Ursachen für die Zunahme von atypischer und prekärer Beschäftigung Das 2003 in Kraft getretene Zweite Hartz-Gesetz15 hat die Verdienstgrenze für Mi- nijobs von 325 # auf 400 # angehoben und die 15-Stundengrenze abgeschafft. Die Versicherungspflicht in Nebenjobs wurde aufgehoben, die Sozialversicherungs- beiträge für die Arbeitgeber wurden auf 25 % festgelegt und Mitte 2006 auf 28 % angehoben16. Befristete Beschäftigung ohne sachlichen Grund bei Neueinstellung war bis zum Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 maximal für ein Jahr möglich. Mittlerweile kann bis zu zwei Jahre, bei neu gegründeten Unternehmen bis zu vier Jahre, ohne weitere Begründung befristet beschäftigt werden. Bei der Leiharbeit ist die ursprünglich auf maximal drei Monate begrenzte Überlas- sungsdauer zunächst auf sechs, dann auf zwölf und später auf 24 Monate ausge- weitet und letztlich völlig abgeschafft worden. Abgeschafft worden ist auch das Verbot, eine/n Leiharbeiter/in parallel zu einem Entleih-Einsatz anzustellen (Syn- chronisationsverbot). Das AÜG in seiner ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung regelt zudem, dass die Leiharbeitnehmer/innen ohne Tarifvertrag den gleichen Lohn und die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Beschäftigten des Entleiherbetriebes er- halten, wenn nicht ein Tarifvertrag eine abweichende Regelung trifft. Durch die Branchentarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften wird davon erheblich nach unten abgewichen. Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes für alle abhängig Beschäftigten von mindestens 7,50 # pro Stunde steht aus. Die Neufassung des Arbeit- nehmer-Entsendegesetzes (AEntG)17, in das 2009 weitere Branchen (u. a. Pflegedienste und Aus- und Weiterbildung nach SGB II und III) aufgenommen werden, ist nur ein ers- ter Schritt in Richtung zur Verbesserung der Situation im Niedriglohnbereich. Die Auf- 15 Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 – BGBl. I 2002, 4607 und 4621. 16 Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 zum 1. Juli 2006. 17 Entwurf eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für re- gelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AentG) – Bundesdrucksache 16/10486 vom 7. Oktober 2008. 15
nahme der Zeitarbeit war politisch nicht gewollt. Die Schwelle für die Anwendung des AEntG, wonach tarifgebundene Arbeitgeber eines Wirtschaftszweiges bundesweit oder regional mehr als 50 % der in der Branche tätigen Arbeitnehmer/innen beschäftigen müssen, liegt so hoch, dass bisher nur in wenigen Branchen ein Tarifvertrag nach Maß- gabe des Gesetzes für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Das Mindestarbeits- bedingungsgesetz (MiAG) für Branchen, die die Voraussetzungen des AEntG nicht erfül- len, bietet in der im Juli 2008 beschlossenen Fassung keinen ausreichenden Schutz vor Niedriglöhnen. Arbeitsmarkt und atypische/prekäre Beschäftigung Atypische Formen der Beschäftigung erfüllen auf dem Arbeitsmarkt verschiedene Funk- tionen. Sie können dazu dienen, die Arbeitskosten zu senken, die Anpassungsfähigkeit des Arbeitseinsatzes zu erhöhen oder die Instrumente der betrieblichen Personalpolitik zu erweitern (z. B. befristeter Arbeitsvertrag als verlängerte Probezeit). Seit den 1980er Jahren haben Deregulierungsmaßnahmen (Beschäftigungsförderungsgesetz und seine Novellierungen, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Hartz-Gesetze) die Rahmenbedingungen für atypische Beschäftigungsformen mit dem Ziel ihrer Ausweitung verändert. Flexibilität wurde zur zentralen Voraussetzung für die Bewältigung des Strukturwandels, für wirt- schaftliches Wachstum und für den Abbau der Arbeitslosigkeit erklärt. Dabei wurde die Grenze zwischen Arbeitslosigkeit und existenzsichernder/sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zunehmend verwischt. Die fortdauernde Unterbeschäftigung versetzt die Arbeitgeber in die Lage, aus der Masse von Arbeit suchenden auswählen zu können. In den wenigsten Fällen ebnet atypische Beschäftigung Erwerbslosen den Rückweg ins Be- rufsleben. Vielmehr sind immer mehr Menschen nicht auf eigenen Wunsch, sondern mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeiten zur Aufnahme von Teilzeitarbeit und Leiharbeit gezwungen. Mehr Beschäftigung bedeutet neben der Zunahme von Teilzeit- und der Abnahme von Vollzeitbeschäftigung in erster Linie weniger reguläre Beschäftigung. Ein großer Teil der Zunahme von Beschäftigung geht auf das Konto von Leiharbeit, die nach Berechnungen des DGB allein zwischen Juni 2006 und Juni 2007 einen Zuwachs von 24,8 % verzeich- net hat. 55 % der Arbeitsverhältnisse in dieser Branche sind kürzer als drei Monate, d.h. das Risiko der Arbeitslosigkeit ist weit überdurchschnittlich. Die seit Ende 2006 günstige Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung in Deutschland suggerierte einen Erfolg der Arbeitsmarktpolitik, der in der Rezession enttarnt wird. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit wieder, allen voran ungesichert und prekär Beschäftigte. Die Politik lässt sich jedoch unter Zugzwang setzen, statt schützend und regulierend ein- 16
www.sopo.verdi.de zugreifen. Sie verfährt weiter unter dem Leitsatz der Hartz-Reformen „Sozial ist, was Ar- beit schafft“. ver.di setzt dagegen: „Sozial ist, was ›Gute Arbeit‹ schafft“. Gute Arbeit ist existenzsichernde und unbefristete, aber auch die gesundheitlichen Ressourcen scho- nende und persönlichkeitsfördernde Arbeit. Die Verhinderung und Zurückdrängung pre- kärer Arbeit ist für ver.di daher eine zentrale Aufgabe gewerkschaftlichen Handelns. Auf- gezwungene prekäre Beschäftigung muss weiterhin thematisiert werden. Insgesamt muss über Qualität und Nachhaltigkeit der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gespro- chen werden, statt weiterhin auf „Arbeit um jeden Preis“ zu setzen. Arbeitsmarktpolitik muss wieder auf sozialpolitischen Grundlagen als wesentliches Politikfeld zur Vermei- dung von Armut und Altersarmut stattfinden. Soziale Sicherung Atypische Beschäftigungsverhältnisse wirken über den Arbeitsmarkt hinaus in die Syste- me der sozialen Sicherung hinein. Atypische Beschäftigungsverhältnisse beeinflussen so- wohl das Niveau der individuellen Sicherheit als auch die Systeme selbst, insbesondere deren Finanzierungsbedingungen. Die Systeme sozialer Sicherung orientieren sich nach wie vor an der Erwerbsarbeit und speziell am Normalarbeitsverhältnis ohne Rücksicht auf den Wandel der Beschäftigungsformen. Für die individuelle Sicherung hat dies so- wohl während als auch nach der Erwerbsphase erhebliche Konsequenzen. Während der Erwerbstätigkeit geht es um Ansprüche in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung, während des Ruhestandes um die Rentenversicherung. Die Auswirkungen auf die einzel- nen Zweige der Sozialversicherung sind unterschiedlich je nach Form und Dauer des Be- schäftigungsverhältnisses. In der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht voller Versicherungsschutz nur bei Leiharbeit, Teilzeit und Befristung. Mini- jobber/innen sind in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich versiche- rungsfrei18. Soweit sie nicht familienversichert sind, müssen sich Minijobber/innen freiwillig oder privat krankenversichern. Bei der ArblV dagegen entstehen bei einer befristeten Beschäftigung unter Um- ständen trotz Beitragszahlung keine Ansprüche19. Überhaupt nicht gegen Arbeits- 18 § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB V, siehe aber § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 sowie § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V – einge- führt durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wett- bewerbsverstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 – BGBl. I 2007, 378. 19 Der Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt voraus, dass der/die Erwerbslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung aller weiteren Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld mindestens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis stand (§§ 123 Satz 1 i. V. m. 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 SGB III). 17
losigkeit versichert sind Arbeitnehmer/innen, die ausschließlich auf Basis von Mini- Jobs tätig sind, während bei Nebenerwerbstätigkeit die Versicherungspflicht aus der Hauptbeschäftigung resultiert. Atypische Beschäftigung kann zu einer dramatischen Reduzierung der Rentenhöhe führen. Bei Mini-Jobs besteht die Option der Aufstockung von Rentenversiche- rungsbeiträgen, die aber wegen des zu geringen Einkommens und der Erwartung geringer Rentenbeträge kaum wahrgenommen wird. Bei Teilzeitarbeit lassen sich häufig auch keine existenzsichernden Ansprüche in der GRV erwerben. Rein formal ist die Leiharbeit (auf Vollzeitbasis) gegen soziale Risiken nicht schlechter abgesi- chert als Normalarbeitsverhältnisse. Allerdings bestehen wegen der geringeren Be- schäftigungsstabilität sowie der niedrigeren Einkommen faktische Nachteile. Jede Art von Beschäftigung ist über die GUV versichert, so dass auch atypisch Be- Übersicht 1: Sozialversicherungsschutz bei atypischer Beschäftigung: Sozialversicherung Teilzeit Minijob21 Midijob Befristetes Leiharbeit (wenn kein gering- kurz- Arbeits- Minijob) fügig fristig verhältnis ent- lohnt GKV/GPfV ja nein ja ja ja ArblV ja nein ja ja ja GRV ja grds. ja ja ja nein22 GUV ja ja ja ja ja 20 Für Versicherte über 15 und unter 18 Jahren sind dies 40 %, für Versicherte über 18 Jahren sind dies 60 % der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles maßgebenden Bezugsgröße, 2008 z. B. bei Vollinvalidität mindestens 8.000 # bzw. 12.000 # in den alten und 6.666 # bzw. 10.000 # in den neuen Bundesländern Verletztenrente pro Jahr (§§ 56 Abs. 3 S. 1, 85 SGB VII i. V. m. § 18 SGB IV). Auch bei Teilinvalidität und für Hinterbliebene entstehen Rentenansprüche, wenn der Unfallversicherungsschutz greift. 21 Minijobs sind sozialversicherungsfrei, d.h. sie begründen keinen eigenen Sozialrechtsschutz. Für 400-#-Mi- nijobs (nicht aber kurzfristige Minijobs) müssen aber dennoch pauschale Beträge zur GKV und GRV gezahlt werden. Keine Beiträge fallen in der GPfV und der ArblV an. 22 Aus der Summe der Entgeltpunkte für die geringfügige Beschäftigung werden die Monate für die Warte- zeit ermittelt, indem diese Summe durch den Wert 0,0625 geteilt wird (§ 52 Abs. 2 SGB VI). Diese Warte- zeitmonate werden aber keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet. Es handelt sich auch nicht um Pflicht- beiträge! Deshalb können mit diesen Monaten in der Regel weder die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbstätigkeit, so genannte Erwerbsunfähigkeits- bzw. Berufsunfähigkeitsrenten, noch Voraussetzungen für eine Leistung zur Rehabilitation („Kur“) erfüllt werden. 18
www.sopo.verdi.de schäftigte den vollen Versicherungsschutz genießen. Allerdings ist die Höhe der Verletzten- und Hinterbliebenenrente vom zuletzt bezogenen Jahresarbeitsver- dienst abhängig. Es gibt jedoch einen gesetzlich geregelten Mindestjahresarbeits- verdienst, der der Rentenberechnung zugrunde gelegt wird20. Die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat neben Konsequenzen für den Einzelnen auch Folgen für die Institutionen der sozialen Sicherung. Das Hauptproblem erwächst aus der Verdrängung sozialversicherungspflichtiger durch sozialversicherungs- freie oder in den Beitragszahlungen reduzierter Beschäftigung (speziell Mini-Jobs und hier besonders bei den Nebentätigkeiten). Auch wenn bislang keine belastbaren empiri- schen Befunde vorliegen, sprechen starke Indizien für eine partielle Verdrängung von Normalarbeitsverhältnissen in bestimmten Branchen durch Mini- und Midi-Jobs. Die Fol- ge sind erhebliche Einnahmeausfälle in allen Zweigen der Sozialversicherung. Diese kommt zudem für die aus steigender (Alters-) Armut resultierenden Lasten auf. ver.di fordert wirksame Schritte gegen das Abdrängen von immer mehr Men- schen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Erforderlich zur Vermeidung von Armut ist ein flächendeckender gesetzlicher Min- destlohn von mindestens 7,50 # pro Stunde. Mini- und Midijobs sind in sozial gesicherte Beschäftigung umzuwandeln. Befristet Beschäftigte müssen einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme erhal- ten, wenn im Unternehmen ein adäquater Arbeitskräftebedarf vorhanden ist. Die Befristung ohne Sachgrund wird als verlängerte Probezeit missbraucht und ist da- her abzuschaffen. Leiharbeitnehmer/innen sind vom ersten Tag an zu den beim Entleiher geltenden Vergütungsbedingungen zu beschäftigen. Sie dürfen vom Leiharbeitsunternehmen nicht deckungsgleich mit der Dauer ihres Einsatzes bei einem Entleiher beschäftigt werden. Praktika nach Berufsausbildung oder Studium sind zeitlich zu begrenzen und darüber hinaus als Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Reguläre Arbeit darf nicht durch Beschäftigte erledigt werden, die aus Kostengründen als Hospitant/innen, Volontä- re/innen oder Praktikant/innen ausgewiesen werden. Selbständige müssen in die soziale Sicherung einbezogen werden, an der auch die Auftraggeber zu beteiligen sind. Zur Abgrenzung gegen Scheinselbständigkeit sind verbindliche Regelungen zu schaffen. 19
B. Geringfügige Beschäftigung und Teilzeit 400 Euro-Minijobs sind eine Form von Teilzeitbeschäftigung, die nur beitragsrechtlich und steuerrechtlich besonderen Regelungen unterliegt. Arbeitsrechtlich gelten für Mini- jobber/innen jedoch dieselben Regelungen wie für alle anderen Teilzeitbeschäftigten. I. 400 Euro-Minijobs – Entwicklung und Ausgangslage Wie aus dem von der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft- Bahn-See veröffentlichten Bericht für das dritte Quartal 2008 hervorgeht, ist im Ver- gleich zum zweiten Quartal 2008 die Gesamtzahl der 400 #-Minijobber/innen im ge- werblichen Bereich und in Privathaushalten um rund 0,5 Prozent gewachsen (+34.000). Im gewerblichen Bereich blieb die Zahl mit einem leichten Plus von 0,6 Prozent (+40.827) nahezu unverändert. Die Beschäftigtenzahl im Bereich der Privathaushalte ist um 3,9 Prozent (-6.612) zurückgegangen. Insgesamt verzeichnete die Minijob-Zentrale zum 30. September 2008 6.826.086 geringfügig Beschäftigte. Die Zahl der ausschließ- lich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat nach ersten Hochrechnungen im November 4,86 Millionen Menschen betragen. Hinzu kommen 2,29 Millionen Menschen, die den Minijob als Nebentätigkeit ausüben23. Übersicht 2: 400 Euro-Minjobs im dritten Quartal 2008 Gesamt West Ost geringfügig entlohnte 6.664.150 5.851.304 812.846 Beschäftigte geringfügig entlohnte 161.936 148.204 13.732 Beschäftigte in Privathaushalten geringfügig Beschäftigte 6.826.086 5.999.508 826.578 Quelle: Knappschaft Bahn See – Die Minijob-Zentrale, I. Quartal 2008 – Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. 2008 ist erstmals nach der Anhebung des Arbeitgeberbeitrags ab 1. Juli 2006 um 5 % die Zahl der Minijobber/innen nicht mehr gesunken, sondern leicht angestiegen. 23 BA, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Januar 2009, S. 8. 20
www.sopo.verdi.de Übersicht 3: Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung Quelle: Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung – III. Quartal 2008“, S. 7. Einführung der Mini- und Midijobs durch die „Hartz-Reformen“ Zum 1. April 2003 traten die ersten beiden der so genannten „Hartz-Gesetze“ in Kraft24. Durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. De- zember 2002 wurden die Regelungen für geringfügige Beschäftigungen entscheidend verändert. Die Minijobs sollten ursprünglich auf haushaltsnahe Dienstleistungen be- schränkt sein und waren zur Legalisierung von bereits existierender Schwarzarbeit in die- sem Segment gedacht. Während des Gesetzgebungsverfahrens gelang es der CDU/CSU- Opposition im Vermittlungsausschuss, ihre Vorstellungen zur Reform der geringfügigen Beschäftigung in die Hartz-Gesetze einzubringen. Die Kernpunkte der Reform waren die Heraufsetzung der Geringfügigkeitsgrenze von 325 # auf 400 #. Eine Gleitzone im Be- reich über 400 # bis 800 # wurde eingeführt, in der die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer/innen nicht sofort voll einsetzen, sondern langsam ansteigen (so genann- te Midijobs). Damit sollte verhindert werden, dass mit steigendem Bruttoeinkommen das Nettoeinkommen fällt. Zudem wurde es wieder möglich, eine sozialversicherungs- freie Nebentätigkeit neben einer Haupterwerbstätigkeit auszuüben. 24 Erstes und Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 – BGBl. I 2002, 4607 und 4621. 21
Für Unternehmen dienen Minijobs der Substitution voll sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Der Zuwachs von rund 1,8 Millionen Minijobs ist ursächlich auf die Re- form zurückzuführen25. Minijobs meist keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt Minijobs führen regelmäßig nicht in den ersten Arbeitsmarkt zurück. Wie eine vom Rhei- nisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag der Bundes- knappschaft durchgeführte empirische Befragung gezeigt hat, gibt es keine „Brücken- funktion“ der Minijobs von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Die wenig verbreiteten Mi- dijobs könnten aber Brückeneffekte aufweisen, so das RWI. Erwiesen ist die Brücken- funktion auch bei Midijobs damit nicht. Tätigkeiten unmittelbar vor dem/den derzeitigen Minijob(s) Minijob SV-pfl. Beschäftigte mit Einkommen bis 800 # SV-pfl. Beschäftigte mit Einkommen über 800 # Selbstständig Arbeitslos gemeldet Arbeit suchend, aber nicht arbeitslos gemeldet Schüler/Student/Azubi Arbeitsunfähig Hausfrau/-mann Elternzeit Rentner/Pensionär 0 5 10 15 20 25 30 Quelle: RWI 2004 Auswirkungen der Zunahme von 400 #-Minijobs Durch geringfügige Beschäftigung wird der Arbeitsmarkt nachhaltig in seiner Struktur verändert. Viele Branchen setzen zunehmend geringfügig Beschäftigte ein, weil sie durch geringere, auch untertarifliche Bezahlung Personalkosten einsparen wollen. Diese Zerstückelung von Vollzeitarbeit eröffnet zudem nahezu unbegrenzte Arbeitszeitflexibili- sierung. Spitzenreiter sind hier die Branchen Einzelhandel, Grundstücks- und Woh- nungswesen, Gastronomie, Steuer- und Rechtsberatungen, Reinigung, Gesundheitswe- sen, Sozialwesen und kirchliche Arbeitgeber. 25 RWI, Gemischte Bilanz der Arbeitsmarktreformen, Essen 2006. 22
www.sopo.verdi.de Obwohl geringfügige Beschäftigungen nach wie vor zumeist von Frauen ausgeübt wer- den, weil oft Arbeitgeber keine Alternativen anbieten, können Teilzeitarbeit und Minijob nicht mehr „nur“ als Hinzuverdienst betrachtet werden, denn für etwa zwei Drittel die- ser Beschäftigten stellt dieses geringe Einkommen die überwiegende Einkommensquelle dar. Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung 400 #-Minijobs sind nicht nur keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt, sie verdrän- gen auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor allem in den unteren Einkom- mensgruppen. Nach einer Evaluation der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommis- sion berichtete das RWI und das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), dass zumindest ein gewisser Teil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsver- hältnisse mit einem eher geringen monatlichen Einkommen in Minijobs umgewandelt wurde26. Die Studie resümiert, dass Minijobs für die Unternehmen als flexibles und Kos- ten sparendes Instrument des Personaleinsatzes genutzt werden. Dabei gehe es nicht nur um die Bewältigung von Arbeitsspitzen und Engpässen in der Produktion oder Dienstleistungserstellung, sondern auch um den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit in hart umkämpften Branchen wie z. B. dem Einzelhandel – zu Lasten der Beschäftigten. Änderungen ab 1. Juli 2006 Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 stieg die pauschale Beitragsbelastung für Arbeit- geber ab 1. Juli 2006 in der GKV von 11 % auf 13 % und in der GRV von 12 % auf 15 %. So sollte der Trend zur Umwandlung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze in Minijobs aufgehalten werden. Damit wurde geringfügig entlohnte Beschäftigung für Arbeitgeber finanziell unattraktiver – auch wenn viele Arbeitgeber versuchen, die finan- zielle Mehrbelastung durch noch weitere Reduzierung der Entgelte bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit auf die Beschäftigten abzuwälzen. Die Folge der Anhebung der Arbeitgeberbeiträge war ein vorrübergehender Rückgang der Minijobs, ohne dass dadurch allerdings mehr sozialversicherungspflichtige (Teilzeit-) Beschäftigungen angeboten wurden. 26 RWI/ISG, Evaluation der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission – Arbeitspaket 1, Verbesserung der beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen und Makrowirkungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, Bericht vom 30. Juni 2005, S. 5 ff. 23
Wie der Jahresvergleich von 2005 bis 2008 zeigt, steigt die Zahl der Minijobs seit Mitte 2007 wieder an: geringfügig entlohnte Beschäftigte Veränderung zum Vorjahr (absolut) (prozentual) September 2008 6.664.150 190.947 2,9 % September 2007 6.473.203 219.652 3,5 % September 2006 6.253.551 -331.120 -5,0 % September 2005 6.584.671 -287.904 -4,2 % Veränderung zum Vorquartal September 2008 6.664.150 40.827 0,6 % Juni 2008 6.623.323 88.747 1,4 % März 2008 6.534.576 7.092 0,1 % Dezember 2007 6.527.484 54.281 0,8 % Quelle: Minijob-Zentrale „Aktuelle Entwicklungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung – III. Quartal 2008“, S. 7. Positiv an den Änderungen ab 1. Juli 2006 ist, dass insbesondere für die Alterssicherung der Beschäftigten ein höherer Beitrag geleistet wird. Im Hinblick auf die großen Defizite der Minijobber/innen in der Alterssicherung ist dies jedoch nur ein „Tropfen auf den hei- ßen Stein“. Die leider bisher nicht häufig genutzte Möglichkeit, durch Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit die vollen Rechte in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben, wird ebenfalls finanziell deutlich günstiger. Dadurch können alle Vorteile einer umfassenden Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung genutzt werden. Dies sollten insbesondere Frauen nutzen und künftig auch im Minijob davon Gebrauch ma- chen und mit der Riester-Rente zusätzlich eigenständig für das Alter vorsorgen. Die Minijob-Zentrale Im Rahmen der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung haben sich die bisher eigenständigen Rentenversicherungsträger Bundesknappschaft, Bahnversiche- rungsanstalt und Seekasse zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu- 24
www.sopo.verdi.de sammengeschlossen. Die Minijob-Zentrale, zuvor ein Teil der Bundesknappschaft, gehört jetzt zur neu geschaffenen Knappschaft-Bahn-See. Ihre Verwaltungsstelle Cottbus ist als Träger der Rentenversicherung zuständige Einzugsstelle für alle geringfügigen Beschäfti- gungen. Sie ist auch für die Erhebung der Pauschalsteuer zuständig. Seit 1. Januar 2006 übernimmt die Minijob-Zentrale auch die Anmeldung zur gesetzlichen Unfallversiche- rung bei Minijobs in Privathaushalten. Sie ist nicht zuständig für Beschäftigungen in der Gleitzone. II. Die Regelungen geringfügiger Beschäftigungen 1. Die Regelungen auf einen Blick Eine Beschäftigung kann zum einen wegen der geringen Höhe des Arbeitsentgelts und zum anderen wegen ihrer kurzen Dauer geringfügig sein27: Übersicht 4: Geringfügig entlohnte und kurzfristige Beschäftigung geringfügig entlohnte Beschäftigung – kurzfristige Beschäftigung sogenannter 400 #-Minijob Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, Eine geringfügige Beschäftigung liegt wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Be- davon abweichend auch vor, wenn das mo- schäftigung regelmäßig im Monat 400 # natliche Arbeitsentgelt zwar 400 # über- nicht übersteigt. Eine Arbeitszeitbeschrän- steigt, die Beschäftigung jedoch innerhalb kung gibt es nicht. eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart oder im Voraus vertraglich be- grenzt ist, es sei denn, die Beschäftigung wird berufsmäßig ausgeübt. Auf die Höhe des Einkommens kommt es hierbei – anders als bei den 400 #-Minijobs – nicht an. Achtung: Handelt es sich dabei hingegen um eine berufsmäßige Beschäftigung, gilt dennoch die Grenze von 400 #. Berufsmäßig bedeutet, dass sie für die/den Betreffende/n von nicht nur untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Auch Beschäftigte, die Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit beziehen oder als arbeitsuchend gemeldet sind, werden als berufsmäßig beschäftigt angesehen. 27 § 8 Abs. 1 SGB IV (im Anhang abgedruckt). 25
Beim Zusammenrechnen von geringfügig entlohnten mit nicht geringfügigen Beschäfti- gungen (in der Regel Haupttätigkeit und Nebenjob) bleibt eine geringfügige Beschäfti- gung sozialversicherungsfrei. Jeder weitere Minijob wird in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig28. In der Arbeitslosenversicherung besteht für Minijobs generell keine Versicherungspflicht29. Liegen infolge der Zusammenrechnung die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vor, tritt die Versi- cherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe der Feststellung durch die Minijob- Zentrale oder den Träger der GRV ein30. Während der/die Arbeitnehmer/in für Minijobs keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, sind vom Arbeitgeber folgende Beiträge und Steuern zu entrichten: Übersicht 5: Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bei 400 #-Minijobs Vom Arbeitgeber zu entrichten bei geringfügig entlohnter Beschäftigung – kurzfristiger Beschäftigung sogenannter 400 #-Minijob Umlagebeträge zum Ausgleich bei Umlagebeträge zum Ausgleich bei Krankheit und Mutterschutz Krankheit und Mutterschutz Beitrag zur GUV Beitrag zur GUV Pauschalsteuer (soweit gewählt) Pauschalsteuer (soweit gewählt) pauschale Beiträge zur GKV und GRV keine Beiträge zur GPflV und ArblV keine Beiträge zur GPflV und ArblV Bei geringfügigen Beschäftigungen beträgt die Gesamtbelastung des Arbeitgebers durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern höchstens 30,1 % des Arbeitsentgelts zuzüg- lich des Arbeitgeber-Beitrags zur gesetzlichen Unfallversicherung31. Hiervon entfallen auf: die Rentenversicherung 15 %, die Krankenversicherung 13 %, pauschale Unfallversicherung 1,6 % , 28 § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV (im Anhang abgedruckt). 29 Auch dann nicht, wenn durch Zusammenrechnung von mehr als einem Minijob mit der versicherungs- pflichtigen Hauptbeschäftigung eine Versicherungspflicht in der GRV, GKV und GPflV entsteht, § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III. 30 § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV (im Anhang abgedruckt). 31 §§ 150, 153 Abs. 1, 161, 165 bis 170 SGB VII. 26
www.sopo.verdi.de eine pauschale Lohnsteuer 2 % (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszu- schlag)32. Die geringfügig Beschäftigten zahlen keine Sozialabgaben, ggf. Umlage zur Lohnfortzahlungsversicherung für Krankheit/Kur 0,6 % (Arbeitge- ber mit maximal 30 Beschäftigten)33, 0,07 % Umlage zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Schwanger- schaft/Mutterschaft (U2). Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bei Minijobs in Privathaushalten Sonderregelungen gelten für die Beschäftigung von Haushaltshilfen durch private Ar- beitgeber (Minijobs in Privathaushalten34). Wird die monatliche Entgeltgrenze von 400 # eingehalten, beträgt die pauschale Abgabe des Arbeitgebers hier insgesamt höchstens 14,27 % des Arbeitsentgelts. Hiervon entfallen auf: die Rentenversicherung 5 %, die Krankenversicherung 5 %, pauschale Unfallversicherung 1,6 % 35, eine pauschale Lohnsteuer 2 % (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszu- schlag), Umlage zur Lohnfortzahlungsversicherung für Krankheit/Kur 0,6 % (U1) 36, 0,07 % Umlage zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Schwanger- schaft/Mutterschaft (U2). 32 Das Arbeitsentgelt ist stets steuerpflichtig. Die Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt für geringfügige Beschäfti- gungen im Sinne des SGB IV ist pauschal oder nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte zu erheben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 1. Februar 2006 (AZR 628/04) entschieden, dass bei ei- ner vereinbarten Bruttovergütung die Minijobberin und der Minijobber die Pflicht hat, die pauschale Lohn- steuer von 2 % selbst zu tragen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sie abführt, sie aber auf die Beschäf- tigten umlegen kann. In der Praxis jedoch trägt in vielen Fällen der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer. Er ist dazu aber nicht verpflichtet. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Tragung der pauschalen Lohnsteuer von 2 % besteht nur dann, wenn ein Nettolohn verabredet wurde. Dies muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, so das BAG. Siehe § 40a EstG (im Anhang abgedruckt). 33 Ab 1. Januar 2009; Eingeführt zum 1. Januar 2006 durch das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeber- aufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) vom 22. Dezember 2005 – BGB l. I 3686. 34 § 8a SGB IV (im Anhang abgedruckt). 35 Der Beitrag für die Unfallversicherung beträgt seit Januar 2006 einheitlich 1,6 % des Arbeitsentgeltes. Er wird zusammen mit den anderen Abgaben zweimal jährlich jeweils zum 15. Januar und zum 15. Juli für das vorangegangene Halbjahr im Lastschriftverfahren eingezogen. Die erste Beitragszahlung wurde also zum 15. Juli 2006 fällig. Die Minijob-Zentrale leitet die Beiträge zur Unfallversicherung anschließend an den zuständigen kommunalen Unfallversicherungsträger weiter. 36 Vgl. Fußnote 33. 27
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