Riester-Rente: Verteilungswirkungen der Zulagenförderung
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Riester-Rente: Verteilungswirkungen der Zulagenförderung Dr. Reinhold Thiede Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde ein grundlegender Paradigmenwechsel der deutschen Alterssicherungs- politik eingeleitet. Um den als Folge des demographischen Wandels befürchteten Anstieg des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) zu begrenzen, wurde eine langfristige Senkung des Leistungsniveaus der RV beschlossen, die durch den individuellen Aufbau von Anwartschaften in den kapitalgedeckten Systemen der betrieblichen Altersversorgung bzw. der privaten Altersvorsorge kompensiert werden soll. Dadurch wandelt sich das Leitbild der Alterssicherung in Deutschland: Während das deutsche Alterssicherungssystem seit der Rentenreform von 1957 vom Gedanken der „Lebensstandard sichernden gesetzlichen Rente“ geprägt war1, orientiert es sich seit den Rentenreformen von 2001 und 2004 am Leitbild der „Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen“2. Danach soll auch für langjährig in der gesetzlichen RV versicherte Personen die gesetzliche Rente allein die Aufrechterhaltung des zuvor erreichten Lebensstandards im Alter nicht mehr gewährleisten; das wird im Regelfall vielmehr nur noch dann realisierbar sein, wenn die Rente aus der gesetzlichen RV durch Leistungen aus privaten oder betrieblichen Alterssicherungseinrichtungen oder aber durch Einkünfte aus anderen Quellen ergänzt wird. 1. Gesetzliche Regelungen die Förderung direkte staatliche Transfers („Zu- Um den Betroffenen den Aufbau entsprechender lagen“) zugunsten der zertifizierten Altersvorsorge- Anwartschaften in den Alterssicherungseinrichtun- verträge, sofern die Geförderten bestimmte Voraus- gen der zweiten und dritten Säule zu erleichtern, hat setzungen erfüllen. der Gesetzgeber 2001 im Rahmen des Altersvorsorge- Altersvorsorgeverträge, für die die Förderung be- vermögensgesetzes (AVmG) neben den Maßnahmen ansprucht werden kann, werden nach dem zum zur Senkung des Rentenniveaus der gesetzlichen RV Zeitpunkt der Verabschiedung der Reform amtieren- auch Regelungen zur Förderung des Erwerbs von den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Walter Anwartschaften in der kapitalgedeck- Riester, auch als „Riester-Renten“ be- ten zusätzlichen Altersvorsorge be- zeichnet. Die Abwicklung der Zulagen- schlossen. Die im Einkommensteuer- Dr. Reinhold Thiede ist förderung wurde der 2001 eigens da- recht angesiedelten Regelungen sehen Leiter des Geschäfts- für unter dem Dach der Bundesversi- zum einen die Möglichkeit eines er- bereichs Forschung cherungsanstalt für Angestellte – der weiterten steuerlichen Sonderausga- und Entwicklung der heutigen Deutschen Rentenversiche- benabzugs von Aufwendungen für Deutschen Renten- rung Bund – eingerichteten Zentralen Altersvorsorgeverträge vor, sofern versicherung Bund. Zulagenstelle für Altersvermögen diese Verträge speziellen Regulie- (ZfA) übertragen. rungsvorschriften genügen und dies von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- 2. Kann die geförderte Zusatzvorsorge die Minderung sicht (BaFin) zertifiziert wurde. Zum anderen umfasst des Rentenniveaus ausgleichen? Da die staatliche Förderung der Riester-Renten schon 1 Vgl. exemplarisch z. B. die Empfehlungen der von der Bundes- vom Gesetzgeber eng mit der beabsichtigten lang- regierung eingesetzen sog. Alterssicherungskommission aus fristigen Senkung des Leistungsniveaus in der gesetz- den frühen achtziger Jahren. Danach soll „ein Regelsiche- lichen RV verknüpft wurde, stellt sich die Frage, ob rungssystem, wie es die Rentenversicherung der Arbeiter diese Fördermaßnahmen ein wirksames Instrument und Angestellten (…) darstellt, für sich allein einen alters- zur Kompensation der Niveauminderung in der gesetz- gemäßen Lebensstandard sichern.“ Sachverständigenkommis- lichen RV sind. Diese Frage ist allerdings vor allem aus sion Alterssicherungssysteme, Vergleich der Alterssicherungs- systeme und Empfehlungen der Kommission (Gutachten der zwei Gründen derzeit nur schwer zu beantworten: Sachverständigenkommission v. 19.11.1983, Bd. I), Bonn 1983, ● Zum einen ist unklar, welche Niveausenkung durch S.141 f. die Förderung im Rahmen der Riester-Rente über- 2 Vgl. dazu bereits Michaelis/Thiede, Reform der gesetzlichen haupt kompensiert werden soll: Sollen damit allein die Rentenversicherung: Zwischen Kontinuität und Paradigmen- Auswirkungen der Rentenniveausenkung im Rahmen wechsel; in: DAngVers (2000), S. 426 ff. oder aktuell Dedring/ des AVmG kompensiert werden oder auch die Aus- Deml/Döring/Steffen/Zwiener, Rückkehr zur lebensstandard- sichernden und armutsfesten Rente, Friedrich Ebert Stiftung wirkungen der erst 2004 im Rahmen des Gesetzes zur (WISO-direkt), Juli 2010. Zu den Konsequenzen für die gesetz- Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen liche Rentenversicherung vgl. Rische, Neue Wege für die der Gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltig- Deutsche Rentenversicherung; in: DAngVers (2005), S. 2 ff. keitsgesetz) beschlossenen weiteren Niveausenkung. RVaktuell 3/2011 71
● Zum anderen ist zu bedenken, dass die Förderung Senkung des Leistungsniveaus der gesetzlichen RV erst zum Jahresbeginn 2002 eingeführt wurde und kompensiert werden kann, erscheint aber auch auf deshalb bislang erst sehr wenige Personen mit einer dieser Basis zz. noch nicht möglich. zusätzlichen Riester-Rente in den Ruhestand ein- getreten sind. Selbst in diesen Fällen ist zudem eine 3. Verteilungswirkungen der Zulagenförderung Aussage zum Umfang der Kompensationswirkung der Möglich sind dagegen derzeit bereits gewisse Aus- Riester-Rente kaum möglich, da die bislang tatsäch- sagen zu den Verteilungswirkungen der Riester- lich erfolgte Rentenniveausenkung außerordentlich Förderung. Auch das ist im Hinblick auf die Frage gering ist3 und aufgrund der sehr kurzen Ansparphase danach, ob und in welchem Umfang die geförderte bislang selbst bei voller Ausschöpfung der Riester- Zusatzvorsorge die langfristige Rentenniveausenkung förderung erst ein verhältnismäßig kleines Vorsorge- in der gesetzlichen RV auszugleichen vermag, von Be- vermögen gebildet werden konnte. Für diesen Fall ist deutung; es ermöglicht zumindest eine Aussage zu bei Rentenbeginn die Auszahlung des Vorsorgever- den relativen Kompensationswirkungen der Riester- mögens als Einmalabfindung möglich, so dass auch Rente. Zwar kann man keine Aussage darüber ma- dadurch eine empirisch fundierte Aussage zur Kom- chen, ob die Riester-Rente die Niveauminderungen pensationswirkung der Riester-Rente derzeit noch vollständig kompensieren kann oder zu welchem An- nicht getroffen werden kann. teil dies gelingt – die Verteilungsanalysen erlauben Erste empirisch fundierte Hinweise auf das Volumen aber immerhin Aussagen dazu, für welche Gruppen der aktuell im Rahmen der Riester-Rente angesparten von Versicherten eine höhere Kompensationswirkung Vorsorgevermögen können allerdings möglicherweise im Vergleich zu anderen Gruppen zu erwarten ist. die Ergebnisse der Befragung „Individuelle Alters- Hinsichtlich der Verteilungswirkungen der Riester- vorsorge 2009“ (IAV 2009)4 liefern, eine Folgestudie Förderung sollte man dabei deutlich unterscheiden zur Studie „Altersvorsorge in Deutschland 2005“ zwischen der Wirkung der Regelungen zum Sonder- (AVID 2005)5. Dabei werden für eine repräsentative ausgabenabzug und jener der Zulagenförderung. Stichprobe der deutschen Bevölkerung der Geburts- Es ist zu erwarten, dass von diesen beiden Aspekten jahrgänge 1942 bis 1961 Befragungsdaten zu den der Riester-Förderung die betroffenen Versicherten individuellen Anwartschaften in der Betrieblichen in sehr unterschiedlicher Weise berührt werden und Altersversorgung und der Privaten Altersvorsorge mit dass insbesondere von der Zulagenförderung auch Informationen zu den Anwartschaften in der gesetz- deutlich andere Personengruppen profitieren als von lichen RV zusammengeführt, wobei letztere mit Zu- den Regelungen zum Sonderausgabenabzug. Der vor- stimmung der Befragten den Versicherungskonten liegende Beitrag konzentriert sich dabei auf eine der RV entnommen wurden. Dadurch ergibt sich ins- Analyse der Verteilungswirkungen der Zulagenförde- gesamt ein umfassendes Bild der Altersversorgung rung. der einbezogenen Geburtsjahrgänge. Dabei ist grundsätzlich zunächst die gleiche Ein- Im Rahmen der IAV 2009 wurde u. a. auch nach der schränkung zu machen wie bei der Beantwortung Höhe des aktuell im Rahmen eines Riester-Vertrages der Frage, ob die Riester-Rente die Auswirkung der angesparten Altersvorsorgekapitals gefragt. Da die Niveausenkung in der gesetzlichen RV kompensieren Befragung im Jahr 2009 stattfand, können allerdings kann: Empirisch basierte Aussagen über die Ver- allenfalls Eigenbeiträge und Zulagen sowie die darauf teilungswirkungen lassen sich abschließend erst tref- entfallenen Zinsen aus den Jahren 2002 bis 2008 an- fen, wenn zumindest eine nennenswerte Zahl von gespart worden sein. Zu berücksichtigen ist zudem, Personen mit Riesterverträgen das Rentenalter er- dass die Zahl der Riestersparer, die bereits seit 2002 reicht hat bzw. – wenn man einen Vergleich der die Förderung in Anspruch nimmt und dementspre- Renditen über die gesamten Ein- und Auszahlungs- chend Altersvorsorgevermögen anspart, nur einen ströme als Indikator für Verteilungswirkungen heran- relativ kleinen Teil der Versicherten ausmachen, die heute einen Riestervertrag besparen. In vielen Fällen 3 Das hat seinen Grund u. a. darin, dass die beabsichtigte Senkung wird das heute auf den Vorsorgekonten ausgewiesene des Rentenniveaus durch die Einfügung von „Dämpfungsfakto- Kapital deshalb erst im Verlauf der letzten zwei oder ren“ in die Formel für die jährliche Rentenanpassung realisiert drei Jahre angespart worden sein, so dass es noch wird, durch die die Rentendynamik grundsätzlich hinter der kein übermäßig großes Volumen erreicht haben kann. Lohndynamik zurück bleibt. Aufgrund verschiedener gesetzlich verankerter Schutzregelungen haben diese Dämpfungsfaktoren Erste Auswertungen zeigen aber, dass bei den bereits in den vergangenen Jahren ihre Wirkung aber nur sehr ein- relativ bald nach Einführung der Förderung ab- geschränkt oder auch überhaupt nicht entfalten können. geschlossenen Verträgen, die seit mindestens fünf 4 Vgl. dazu näher: Haak, Das angesparte Altersvorsorgekapitel Jahren „bespart“ werden, inzwischen ein Vorsorge- aus Riester-Verträgen: Eine empirische Auswertung auf Basis kapital in einer Größenordnung von durchschnittlich der Befragung „Individuelle Altersvorsorge 2009“; erscheint in: gut 4 000 EUR angespart wurde6. Eine fundierte Aus- DRV (2011). sage darüber, ob und in welchem Umfang das bis 5 Vgl. dazu u. a. Frommert/Ohsmann/Rehfeld, Altersvorsorge zum Rentenbeginn aufgrund der geförderten Alters- in Deutschland 2005 (AVID 2005) – Die neue Studie im Überblick; vorsorge akkumulierte Vermögen die Zahlung einer in: DRV (2008); S.1 ff. 6 lebenslangen Zusatzrente ermöglicht, mit der die Vgl. Haak (2011). 72 RVaktuell 3/2011
ziehen will – nach dem Rentenwegfall. Allerdings sind Vorjahr – abzüglich der gewährten Zulage(n) – er- im Hinblick auf die Verteilungswirkungen der Zu- bracht wird. Die Riesterversicherten müssen den lagenförderung Modellbetrachtungen möglich und Eigenbeitrag also nicht in vollem Umfang selbst tra- angemessen. Dabei spielen vor allem zwei Aspekte gen, sondern nur den nach Abzug der Zulage(n) noch eine wesentliche Rolle: Zum einen geht es um die verbleibenden Anteil. Dieser hier als „Eigenbeitrags- theoretischen Verteilungswirkungen, wie sie sich aus anteil“ bezeichnete Betrag ist natürlich von der Höhe den gesetzlichen Regelungen selbst ergeben; zum des maßgeblichen Entgelts der Betroffenen abhängig, anderen spielt eine Rolle, in welchem Umfang Ver- aber auch von der Höhe der von ihnen bezogenen sicherte aus verschiedenen Einkommens- und Bevöl- Zulage(n), die vor allem auch von der Anzahl der be- kerungsgruppen die Förderregelungen in Anspruch rücksichtigten Kinder abhängig ist. Darüber hinaus nehmen und somit die potentiellen Umverteilungs- spielt bei der Ermittlung des relativen Eigenbeitrags- wirkungen der Regelungen tatsächlich nutzen. Zur anteils auch die Tatsache eine Rolle, dass die Rege- tatsächlichen Inanspruchnahme der Riester-Förde- lungen zur Riester-Förderung einen Mindesteigen- rung und den dabei erkennbaren Verteilungseffekten beitrag der Versicherten vorsehen, der 60 EUR im liegen inzwischen eine Reihe von Untersuchungen Jahr – also 5 EUR im Monat – beträgt; dieser Beitrag vor7; im Weiteren konzentriert sich dieser Beitrag ist von den Versicherten auch dann zu entrichten, deshalb auf eine Analyse der Verteilungswirkungen, wenn die von ihnen zu beanspruchenden Zulagen ins- die sich aus den Regulierungen der Zulagenförderung gesamt schon einen größeren Betrag ausmachen als selbst ergeben. 4 % ihres maßgeblichen Entgelts. Abb.1 (s. S. 74) zeigt die Höhe des relativen Eigen- 4. Der „Relative Eigenbeitragsanteil“ als Indikator beitragsanteils in Abhängigkeit vom individuellen für Verteilungswirkungen der Zulagenförderung maßgeblichen Monatseinkommen für alleinstehende Im Hinblick auf die von den gesetzlichen Regelungen Personen. Dabei wird zusätzlich differenziert nach grundsätzlich ausgehenden Verteilungswirkungen der Anzahl der Kinder, für die die Betroffenen eine werden dabei im Wesentlichen zwei Fragen gestellt: Zulage im Rahmen der Riester-Förderung erhalten. In welchem Umfang werden für bestimmte Gruppen Da die Höhe der Kinderzulage abhängig ist vom die Beitragszahlungen zur Riesterrente staatlich sub- Geburtsjahr des Kindes, wird zudem danach unter- ventioniert und – damit zusammenhängend, aber schieden, ob die Kinder vor dem Jahr 2008 oder ab doch gesondert zu betrachten – in welchem Verhältnis 1. 1. 2008 geboren wurden. Es zeigt sich, dass der steht das angesparte Vorsorgekapital im Vergleich zu relative Eigenbeitragsanteil – also der prozentuale dem von den Versicherten dafür aufzubringenden Anteil des maßgeblichen Einkommens, der von den Beitrag. Versicherten zu entrichten ist, um die volle staatliche Für diese Analysen wurden zwei Indikatoren gebildet: Förderung zu erhalten – bei alleinstehenden Kinder- Der „relative Eigenbeitragsanteil“ und die „Anspar- losen mit Entgelten von unter 600 EUR weniger als quote“. Der „relative Eigenbeitragsanteil“ ist dabei 2 % ihres Bruttoentgelts ausmacht, bei Entgelten von definiert als der vom Riestersparer für die Sicherung rd. 1 300 EUR je Monat bei etwa 3 % liegt und sich der vollen Zulage selbst aufzubringende Beitrag dann langfristig einem Wert von ca. 3,6 % annähert. (ohne Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs) Bei alleinstehenden Personen mit einem Kind er- in Relation zum maßgeblichen Entgelt des Betroffe- geben sich – je nachdem ob das Kind vor 2008 oder nen8, die „Ansparquote“ als das auf dem geförderten ab 2008 geboren worden ist – bei maßgeblichen Ein- Altersvorsorgekonto in einem Jahr neu angesparte kommen von unter 1 400 bzw. unter 1 900 EUR im Kapital, ebenfalls im Verhältnis zum maßgeblichen Monat relative Eigenbeitragsanteile von 2 % oder Entgelt des Betroffenen. weniger. Alleinstehende, mit zwei Kindern – wobei hier unterstellt wurde, dass jeweils ein Kind vor Im Hinblick auf den relativen Eigenbeitragsanteil und ein Kind ab 2008 geboren wurde – zahlen für den wird in der Öffentlichkeit vielfach fälschlicherweise vollen Erhalt ihrer Riesterförderung bis zu einem Ent- angenommen, dass ein Versicherter 4 % seines Brutto- gelt von etwa 1 800 EUR weniger als 1% ihres Ent- entgelts für die Riester-Rente aufbringen müsse. Tat- gelts als Eigenbeitragsanteil. Bis zu einem Entgelt sächlich ist jedoch Voraussetzung für den Erhalt von rd. 2 600 EUR müssen sie weniger als 2 % zahlen. der vollen Zulage im Rahmen der Riester-Förderung, dass ein „Eigenbeitrag“ in Höhe von 4 % des sozial- Damit wird deutlich, dass gerade bei Alleinstehen- versicherungspflichtigen Entgelts der Geförderten im den mit Kindern der von den Betroffenen selbst zu tragende Beitrag für die Riester-Rente im Verhältnis zu ihrem maßgeblichen Bruttoentgelt einen sehr 7 Vgl. dazu z. B. Stolz/Rieckhoff, Beitragsjahr 2007: Zulagenförde- geringen Prozentsatz ausmacht. Der von den Betrof- rung nochmals um mehr als ein Viertel gestiegen; in: RVaktuell fenen zu tragende Beitragsanteil ist bei niedrigem (2010), S. 355 ff. oder Gerber/Zwick, Daten zur kapitalgedeckten Altersvorsorge – Die Riesterrente; in: DRV (2010), S.197 ff. Entgelt oft sogar noch geringer als in der paritätisch 8 Als maßgebliches Entgelt der Betroffenen gilt dabei – ent- finanzierten gesetzlichen RV, wo der Arbeitgeber eine sprechend den gesetzlichen Regelungen zur Riester-Förderung – Hälfte und der betroffene Arbeitnehmer die andere das sozialversicherungspflichtige Bruttoentgelt des Jahres, das Hälfte des Beitrages zu tragen hat. Das gilt allerdings dem jeweiligen Beitragsjahr vorangeht. nur für den Zeitraum, in dem die Betroffenen Kinder- RVaktuell 3/2011 73
Abb.1: Riester-Rente: Beitragsbelastung eines Single (nach Kinderzahl) – Relativer Eigenbeitragsanteil nach Höhe des Monatseinkommens 5,00% 4,00% 3,00% 2,00% Kinderlos 1 Kind (geb. vor 2008) 1,00% 1 Kind (geb. ab 2008) 2 Kinder 0,00% 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 4200 4400 4600 4800 5000 5200 5400 400 600 800 Maßgebliches Bruttoentgelt/Monat in EUR zulagen beziehen können, also im Prinzip für den deutlich geringer als 2 %. Insofern implizieren die Zeitraum des Kindergeldbezuges. bestehenden Regelungen auf der Beitragsseite eine Betrachtet man Ehepaare, ergeben sich im Grundsatz deutliche Umverteilung zugunsten der Bezieher nied- ähnliche Verläufe des relativen Eigenbeitragsanteils riger sozialversicherungspflichtiger Entgelte und von in Abhängigkeit vom maßgeblichen Monatseinkom- Kindererziehenden. men (s. Abb. 2). Bei kinderlosen Ehepaaren liegt der relative Eigenbeitragsanteil unter 2 % des maßgeb- 5. Die Ansparquote als Indikator für Verteilungs- lichen Entgelts, wenn das Bruttoentgelt des Paares wirkungen der Zulagenförderung insgesamt weniger als 1 200 EUR monatlich beträgt. Für die Beurteilung der Verteilungswirkung der Zu- Abhängig von der Zahl der Kinder verschiebt sich lagenförderung insgesamt muss neben der Beitrags- der von den Betroffenen selbst zu tragende Anteil am seite auch die Leistungsseite berücksichtigt werden. Beitrag zur Riester-Rente deutlich nach unten; Ehe- Wie bereits ausgeführt, liegen derzeit noch keine paare mit zwei Kindern, von denen eines vor und Informationen über die Höhe der Leistungen vor, eines nach 2008 geboren ist, zahlen für ihre Riester- die aus Riesterverträgen erwachsen. Das ist ange- Rente weniger als 2 % ihres maßgeblichen Entgelts, sichts der bislang sehr kurzen Laufzeit der Förderung solange dieses Entgelt insgesamt unter 3 200 EUR auch für die nächsten Jahre noch nicht zu erwarten. liegt. Allerdings ergeben sich aus der Betrachtung der Im Ergebnis zeigt sich also, dass von den rechtlichen rechtlichen Regelungen wiederum Hinweise darauf, Regelungen zur Höhe des von den Versicherten selbst welche grundsätzlichen Verteilungswirkungen die zu tragenden Beitrags für die Riester-Rente eine leistungsrechtlichen Regelungen der Riester-Rente deutlich umverteilende Wirkung ausgeht: Die Bei- implizieren. tragsbelastung ist, bezogen auf das Entgelt der Die Förderregelungen sehen bekanntlich vor, dass Betroffenen, im Bereich niedriger Einkommen deut- Riestersparern eine Grundzulage von 154 EUR sowie lich geringer als bei durchschnittlichen oder höheren für jedes Kind eine Kinderzulage von 185 EUR (bzw. Einkommen. Zudem verringert sich der von den Ver- 300 EUR für Kinder, die ab 2008 geboren sind) gut- sicherten zu tragende Eigenbeitragsanteil noch deut- geschrieben wird, sofern der Versicherte den Min- lich mit der Anzahl der Kinder. Bei Ehepaaren mit desteigenbeitrag erbringt. Dieser beträgt 4 % des so- zwei Kindern ist die Beitragsbelastung – bezogen auf zialversicherungspflichtigen Entgelts des Vorjahres die Höhe des Entgelts – selbst bei Einkünften oberhalb abzüglich der Zulagen, die der Versicherte gut- des Durchschnittsentgelts eines Versicherten noch geschrieben bekommt; unabhängig davon ist aber in 74 RVaktuell 3/2011
Abb. 2: Riester-Rente: Beitragsbelastung für ein Ehepaar – Relativer Eigenbeitragsanteil nach Höhe des Monatseinkommens 5,0% 4,5% 4,0% 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% Kinderlos 1 Kind (geb. vor 2008) 1,0% 1 Kind (geb. ab 2008) 0,5% 2 Kinder (geb. vor/ab 2008) 0,0% 10000 10400 10800 400 800 1200 1600 2000 2400 2800 3200 3600 4000 4400 4800 5200 5600 6000 6400 6800 7200 7600 8000 8400 8800 9200 9600 Maßgebliches Bruttoentgelt/Monat in EUR jedem Fall ein Mindesteigenbeitrag von 60 EUR pro einem Kind, das erst ab 2008 geboren wurde, werden Jahr zu entrichten. In Fällen, in denen bereits die sogar bei Monatseinkommen von bis 1 100 EUR mehr Summe der Zulagen eines Versicherten mehr als 4 % als 4 % des Einkommens auf dem Riestervertrag an- des maßgeblichen Entgelts – also des individuellen so- gespart. Betrachtet man schließlich Alleinerziehende zialversicherungspflichtigen Entgelts des Vorjahres – mit zwei Kindern9 so ergibt sich sogar noch bei einem ausmacht, wird also diese Summe der Zulagen zzgl. sozialversicherungspflichtigen Monatsentgelt von 60 EUR Mindesteigenbeitrag pro Jahr dem Förder- 1 400 EUR ein Ansparvolumen, das größer ist als 4 % konto gutgeschrieben. Das Ansparvolumen ist dann des maßgeblichen Entgelts. – bezogen auf das maßgebliche Entgelt des Versicher- Ähnliches zeigt sich auch für Ehepaare: Werden z. B. ten – größer als 4 %. Bei gleichem Vorsorgeprodukt Paare mit zwei Kindern betrachtet, von denen eines und gleichem Entgelt wird daraus – unter sonst glei- vor und eines nach dem 1.1. 2008 geboren wurden, chen Bedingungen – tendenziell eine höhere Leistung so würden bis zu einem maßgeblichen Monatsentgelt resultieren als für einen Versicherten, für den nur von 1 800 EUR mehr als 4 % dieses Monatseinkom- genau 4 % angelegt werden. mens für den Riestervertrag angespart. Letztlich er- Im Falle eines kinderlosen alleinlebenden Riester- gibt sich damit, dass auch auf der Leistungsseite sparers ist das in der Praxis relativ belanglos: Nur die gesetzlichen Regelungen zur Zulagenförderung bei sozialversicherungspflichtigen Entgelten in der im Rahmen der Riester-Rente einen deutlichen Um- Größenordnung der geringfügigen Beschäftigung verteilungseffekt zugunsten sehr niedriger Einkom- könnte es dazu kommen, dass die Zulage zzgl. des men und vor allem zugunsten von Kindererziehenden Mindesteigenbeitrags des Versicherten den Wert entstehen lassen. Da für die genannten Gruppen ein von 4 % eines sozialversicherungspflichtigen Vor- höherer Anteil des sozialversicherungspflichtigen jahresentgelts überschreitet. Anders stellt es sich Monatsentgeltes im Rahmen der Riester-Rente ange- dagegen bei Versicherten mit Kindern dar. Für Allein- spart wird, ist – unter sonst gleichen Bedingungen – erziehende mit einem Kind, das vor 2008 geboren für diese Gruppen auch eine relativ zum individuellen wurde, werden immerhin bis zu einem sozialver- Entgelt höhere Leistung zu erwarten als für Ver- sicherungspflichtigen Entgelt von 900 EUR monatlich sicherte mit höherem Einkommen und/oder weniger insgesamt – Eigenbeitrag der Versicherten plus Zu- Kindern. lagen – mehr als 4 % dieses Einkommens für die Riester-Rente angespart. Bei Alleinerziehenden mit 6. Deutliche „Höherbewertung“ der eigenen Riester-Beiträge 9 Wobei für diese Modellrechnungen wiederum unterstellt wurde, Die Verteilungseffekte der Zulagenförderung zuguns- dass jeweils ein Kind vor und nach dem 1.1. 2008 geboren wurde. ten von Geringverdienern und Versicherten mit Kin- RVaktuell 3/2011 75
Abb. 3: Eigenbeitragsanteil und Ansparvolumen als Prozentsatz des Einkommens – Single, ein Kind (geboren vor 2008) 14% 12% Relativer Eigenbeitragsanteil Ansparquote 10% 8% 6% 4% 2% 0% 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 4200 4400 4600 4800 5000 5200 5400 Maßgebliches Bruttoentgelt/Monat in EUR dern werden noch deutlicher, wenn man die Beitrags- die ein Bruttoentgelt von 1 000 EUR/Monat beziehen, und die Leistungsseite im Zusammenhang betrachtet. müssen zum Erhalt der vollen Riester-Zulagen selbst Die Verteilungstendenzen, die mit den Regelungen sogar nur 60 EUR (0,5 % ihres Entgelts) im Jahr als zur Beitragsseite und zur Leistungsseite verbunden Beitrag auf den Riestervertrag einzahlen, für sie wer- sind, gehen in die gleiche Richtung und verstärken den dann insgesamt 514 EUR (4,12 % ihres Entgelts) sich damit: Niedrigeinkommensbezieher zahlen im angelegt – es kommt also quasi zu einer „Aufwertung“ Vergleich zu Versicherten mit höherem Einkommen ihres selbst gezahlten Beitrags um 757 % (vgl. Abb. 4)! einen geringeren Anteil ihres Einkommens als Eigen- Die Zusammenhänge von relativem Eigenbeitrags- beitragsanteil, gleichzeitig wird für sie tendenziell anteil, Ansparquote und maßgeblichem Bruttoentgelt im Vergleich zu ihrem Entgelt ein größerer Betrag bei einem Ehepaar mit zwei Kindern10, bei dem ein als Vorsorgekapital angespart. Partner erwerbstätig ist, werden in Abb. 5 dargestellt. Man könnte den hier beschriebenen Effekt auch als Durch die Gewährung von Grund- und Kinderzulagen eine „Aufwertung der Beiträge“ im Bereich der Riester- wird bei der zusätzlichen Altersvorsorge im Rahmen Rente interpretieren: Um die vollen Zulagen zu erhal- der Riester-Rente stets ein höherer Eurobetrag dem ten, müssen z. B. Alleinerziehende mit einem vor 2008 Vorsorgevertrag gutgeschrieben, als der Versicherte geborenen Kind und einem maßgeblichen Bruttoent- selbst mit seinem Eigenbeitragsanteil entrichtet. Es gelt von 2 000 EUR selbst rd. 2,6 % dieses Entgelts als kommt – wenn man diese Bezeichnung aus dem Be- Beitrag für die Riester-Rente zahlen; dafür werden reich der gesetzlichen RV übernehmen will – also im- dann insgesamt 4,0 % des maßgeblichen Bruttoent- mer zu einer gewissen „Aufwertung“ der Beiträge. gelts auf dem Altersvorsorgevertrag angelegt, wie Diese „Aufwertung“ ist aber stark degressiv: Bei Ver- Abb. 3 zeigt. Man könnte in diesem Fall also davon sicherten mit höheren sozialversicherungspflichtigen sprechen, dass der eigene Riester-Beitrag des Ver- Entgelten ist sie deutlich geringer als bei Versicherten sicherten um etwa 55 % aufgewertet wird. Verfügt mit niedrigen Entgelten, bei gleichem Einkommen der/die Alleinerziehende über ein monatliches Brutto- wird sie mit abnehmender Kinderzahl geringer – wo- entgelt von nur 1 000 EUR, müsste er/sie nur rd. 1,18 % bei durch die Erhöhung der Kinderzulage für ab 2008 dieses Entgelts selbst aufbringen, um die volle Riester- geborene Kinder bei den davon Begünstigten noch Förderung zu erhalten, so dass auf dem Riestervertrag eine deutliche Verstärkung des beschriebenen Effekts 4,0 % des Bruttoentgelts angelegt werden; hier käme auftritt. es also bereits zu einer Aufwertung des von Versicher- ten selbst gezahlten Beitrags um 240 % (vgl. Abb. 3). 10 Annahme: Eines der Kinder ist vor und eines nach dem 1.1. 2008 Alleinerziehende mit einem ab 2008 geborenen Kind, geboren. 76 RVaktuell 3/2011
Abb. 4: Eigenbeitragsanteil und Ansparvolumen als Prozentsatz des Einkommens – Single, ein Kind (geboren ab 2008) 14% 12% Relativer Eigenbeitragsanteil Ansparquote 10% 8% 6% 4% 2% 0% 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 4200 4400 4600 4800 5000 5200 5400 400 600 800 Maßgebliches Bruttoentgelt/Monat in EUR Abb. 5: Eigenbeitragsanteil und Ansparvolumen als Prozentsatz des Einkommens – Ehepaar, zwei Kinder (geboren vor/ab 2008) 14% 12% Relativer Eigenbeitragsanteil Ansparquote 10% 8% 6% 4% 2% 0% 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 0 0 60 90 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60 63 66 69 Maßgebliches Bruttoentgelt/Monat in EUR RVaktuell 3/2011 77
7. Fazit: Deutliche Umverteilung zu Gunsten ausfallen: Eine Aufwertung der eigenen Beiträge von von Geringverdienern und Kindererziehenden mehr als 50 % wird z. B. bei kinderlosen Allein- in der Riester-Rente stehenden erzielt, wenn deren sozialversicherungs- Auch wenn ein Vergleich zwischen diesen Regelungen pflichtiges Entgelt unter rd. 1 000 EUR liegt, bei nur sehr eingeschränkt möglich ist, soll doch darauf Alleinerziehenden mit einem vor 2008 geborenen hingewiesen werden, dass es auch im Bereich der ge- Kind, wenn das Entgelt 2 100 EUR oder weniger be- setzlichen RV Regelungen gibt, die eine „Aufwertung“ trägt, und bei Alleinerziehenden mit einem ab 2008 der Versicherungsbeiträge enthalten. Als Beispiel geborenen Kind, wenn das Entgelt 2 800 EUR im Mo- seien hier nur die Regelungen zur „Rente nach nat unterschreitet. Bei allen Unterschieden zwischen Mindestentgeltpunkten“ erwähnt, nach denen für Ver- den Regelungen zur Rente nach Mindestentgeltpunk- sicherte mit niedrigen Rentenanwartschaften die An- ten in der gesetzlichen RV und der Zulagenförderung wartschaften aus Pflichtversicherungszeiten bei Vor- im Rahmen der Riester-Rente und damit auch deren liegen bestimmter Voraussetzungen für die Rentenbe- sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit werden so rechnung aufgewertet werden11. Dabei können die doch die ganz erheblichen Umverteilungswirkungen entsprechenden Zeiten maximal um 50 % aufgewertet zugunsten von Geringverdienern und Kindererziehen- werden. Je nach Kinderzahl und Geburtsjahr der Kin- den deutlich, die den Regelungen zur Zulagenförde- der kann die – allerdings von Art und Wirkung her an- rung im Rahmen der Riester-Rente implizit sind. ders geartete – „Aufwertung“ der vom Versicherten 11 gezahlten Beiträge in der Riester-Rente deutlich höher § 262 SGB VI. 78 RVaktuell 3/2011
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