SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten

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SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
Journal für Mobilität und Verkehr, Ausgabe 13 (2022)

                                       Journal für Mobilität und Verkehr
                                                           ISSN 2628-4154
                                                             www.dvwg.de

SMARTICIPATION
Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und
Planungsverständnis von Verkehrsprojekten

Nicole Raddatz

Abstract

Verkehrsprojekte stoßen vermehrt auf Widerstand. Ein Kernproblem ist die Vermittlung von Informationen über
Planungsprojekte und -verfahren, analog wie digital. Die vorliegende Arbeit prüft die Probleme in
(Online-)Partizipationsprozessen, welche Potenziale mobile Online-Formate haben und welche Kriterien diese für
eine aktive Bürgerbeteiligung erreichen müssen. Forschungsprojekte sowie die Ergebnisse einer ersten Umfrage
haben gezeigt, dass mobile Online-Formate es schaffen, genau dies zu ermöglichen.

Schlagwörter / Keywords:
Bürgerbeteiligung, Mobile Partizipation, Verkehrsprojekte, Planungsverfahren

1.   Einleitung                                                          Ein Kernproblem bleibt die Freigabe und Kommunika-
                                                                         tion von Informationen über Planungsvorhaben durch
  Verkehrs- und Infrastrukturvorhaben stoßen in der
                                                                         Politik und Verwaltung. Die gesetzlichen Vorgaben zur
Zivilgesellschaft auf immer mehr Widerstand. Der
                                                                         Beteiligung an derartigen Projekten haben nichts mit
Bahnhofsumbau rund um Stuttgart 21 (Brettschneider
                                                                         dem eigentlichen Wunsch nach demokratischer Betei-
2013: 319 ff.), der im Bau befindliche Flughafen Berlin-
                                                                         ligung der Zivilgesellschaft zu tun. (vgl. Rottmann
Brandenburg (Aktionsbündnis Berlin Brandenburg
                                                                         2013: 14) Die BürgerInnen wollen mitentscheiden,
ABB: Mitgliederübersicht. (2018)) und der Flughafen-
                                                                         mitbestimmen und mitgestalten. Die Digitalisierung
ausbau in Frankfurt (ZRM: (o. D.)) sind die bundesweit
                                                                         und damit die Kommunikation von Informationen zu
prominentesten Beispiele, wo sich Protest regt. Das
                                                                         Planungsvorhaben mit mobilen digitalen Formaten
Sinken der Lebensqualität, in Verbindung mit Lärm-
                                                                         kann einen Lösungsansatz bieten.
und Luftemissionen und die Zerstörung von Umwelt
                                                                            Ziel soll es sein, Informationen über Verkehrspro-
und Natur sind oft genannte Gründe. Vielen BürgerIn-
                                                                         jekte und den damit verbundenen Planungs- und Be-
nen mangelt es an Vertrauen in die Verwaltung und
                                                                         teiligungsprozess frühzeitig und verständlich zu ver-
Politik. (vgl. Selle 2019-1:1 ff.) Nicht nachvollziehbare
                                                                         mitteln. Auf diese Weise soll ein Baustein zur Akzep-
und explodierende Kosten sowie komplexe und in-
                                                                         tanzsteigerung von Verkehrsprojekten geliefert wer-
transparente Verfahren bilden die Realität ab, wenn
                                                                         den. Die Bedeutung dieser Arbeit liegt in der anschau-
es um die Realisierung von Verkehrs-und Infrastruk-
                                                                         lichen Vermittlung von Projektinhalten und darüber
turprojekten geht. (vgl. Selle 2019-1: 2 ff.) Die Pla-
                                                                         hinaus von Planungsverfahren, die bisher nur wenigen
nungsverfahren und somit das Projekt an sich werden
                                                                         Fachleuten vorbehalten ist.
der Zivilgesellschaft nicht früh und einfach genug er-
                                                                            Das Smartphone als ein mobiles Online-Format hat
örtert. Die Gestaltungs- und Entscheidungsgewalt
                                                                         dabei enormes Potenzial, um jederzeit und überall
derartiger Vorhaben liegt bei Politik und Verwaltung.
                                                                         über Planungsprojekte zu informieren und mitzuwir-
Petitionen, Demonstrationen und Besetzungen wer-
                                                                         ken. Im besten Fall genau dort, wo Planung auch statt-
den von der Zivilgesellschaft als Form des Protests ge-
                                                                         findet und unabhängig von Präsenzveranstaltungen,
wählt, um ihren Unmut über politische Entscheidun-
                                                                         die im Kontext der COVID19-Pandemie (RKI (o.D.))
gen zu Planungsprojekten zum Ausdruck zu bringen.
                                                                         kaum und wenn mit erheblichen Einschränkungen
Der Widerstand hat unterschiedliche Beweggründe.
                                                                         stattfinden. Das Smartphone als Beteiligungstool

                                                                                                                             2
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würde eine breitere Masse an Menschen ansprechen                Die Mehrheit der BürgerInnen sehen ihre Interes-
und somit an demokratischen Planungsprozessen teil-           sen und Sorgen nicht ausreichend berücksichtigt, füh-
haben lassen.                                                 len sich nicht frühzeitig, kontinuierlich und transpa-
                                                              rent genug informiert und sehen parteipolitisch ihre
2.   Informationshoheit von Politik und Verwal-               Interessen und Bedürfnisse kaum bis gar nicht vertre-
     tung                                                     ten. Die Teilhabe an Planungsprozessen ist dabei nach
                                                              Aussagen von BürgerInnen und Interessenverbänden
   Während BürgerInnen ihre politische Teilhabe mit
                                                              stark eingeschränkt. (vgl. BMVI 2014: 5 ff., Göttinger
einem Häkchen regelmäßig demonstrieren, ist es die
                                                              Institut für Demokratieforschung 2011: 4, Rottmann
Politik, die über Planungsvorhaben Entscheidungen
                                                              2013: 10 ff., Stiftung Mitarbeit 2013: 32 f.) Sie kritisie-
fällt und die Verwaltung, die sie genehmigt und in die
                                                              ren damit das formale Planungsverfahren und bedie-
Wege leitet. BürgerInnen, Nichtregierungsorganisati-
                                                              nen sich folglich unterschiedlicher Protestformen.
onen und Wirtschaftsverbände dürfen die etablierten
Formen der Beteiligung in Politik und Verwaltung, wie
                                                              3.   Minimale Beteiligung, die zu spät und kaum
Wahlen oder Meinungsumfragen, nutzen. Den Bürge-
                                                                   verstanden wird
rInnen geht es jedoch um mehr als nur VertreterInnen
ihrer, wenn vorhanden, politischen Interessen zu wäh-           Wann erfährt die Zivilgesellschaft etwas über Pla-
len. Es geht ihnen um eine generelle direkte demokra-         nungsvorhaben? Meist dann, wenn der Beschluss be-
tische Teilhabe. „[…] laut Bertelsmann-Stiftung bevor-        reits festgelegt ist und die Umsetzung des Vorhabens
zugen dies 78% der Bürger, wobei besonders Infra-             beginnt. Dann, wenn die Möglichkeiten der Einfluss-
strukturprojekte im Fokus des Bürgerinteresses (68%)         nahme am geringsten sind, das Engagement und Inte-
stehen.“ (Rottmann 2013: 14) Im Bereich der Stadt-            resse für ein Vorhaben jedoch wächst und das Vorha-
entwicklung und Verkehrsplanung ist die Beteiligung           ben aus Sicht der Zivilgesellschaft gestoppt werden
auf den unteren Ebenen gewährleistet: Information             soll. Dieses Paradox lässt sich bereits im frühen Sta-
und Konsultation (vgl. BMVI 2014: 13). Dabei kommen           dium des Planungsverfahren eines Projektes abbilden.
die Stakeholder-Organisationen nie über die Grenze            Während der Analyse- und Entwicklungsstufe eines
der Information und Konsultation hinaus, obwohl dies          Projektes sind die Einflussmöglichkeiten am höchsten;
im Interesse der Zivilgesellschaft ist und sie für die        die Zivilgesellschaft versteht jedoch zu dem Zeitpunkt
nächsten Stufen der Beteiligung kämpfen. Für diesen           (noch) nicht worum es geht. Das Engagement und In-
Schritt ist eine Änderung des demokratischen Prinzips         teresse sind somit niedrig. Hier zeigt sich das Partizi-
in der Bundesrepublik notwendig.                              pationsdilemma bzw. das von der Stiftung Mitarbeit
                                                              entwickelte Partizipationsparadoxon. (vgl. Stiftung

                                                                       Abbildung 1 Formen und Stufen der Partizipation
     (Eigene Darstellung auf Grundlage von Arnstein 1969; Kubicek / Lippa / Westholm, in Voss 2014; Lüttringhaus 2003)

                                                                                                                       3
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Abbildung 2 Partizipationsparadoxon (Eigene Darstellung auf Grundlage von Stiftung Mitarbeit 2012)

Mitarbeit 2012) Ziel sollte es sein, das Interesse der Zi-        Hamburg der Amtliche Anzeiger (vgl. Lütcke & Wulff
vilbevölkerung bereits im Analysestadium zu errei-                (o.D.). Diese Informationen können dann im Rathaus
chen, um einen Realisierungsstopp zu vermeiden.                   und/oder in den entsprechenden Fachabteilungen
   Wie sieht die Informationsbereitstellung für Pla-              der Verwaltung eingeholt werden; seit 2011 in Ham-
nungsvorhaben grundsätzlich aus? Die entsprechen-                 burg beispielsweise auch online. Über die Aufberei-
den Gesetze formulieren es sinngemäß wie folgt: In-               tung und Verständlichkeit von Informationen zu Pla-
formationen zu Planungs- und Beteiligungsprozessen                nungsprozessen soll hier nicht diskutiert werden.
sind „[…] ortsüblich bekannt zu machen […]“ (BauGB §               Wie sieht die Planungsrealität aus? Bei Planungsver-
3 Abs. 2) oder „[…] unterrichtet die zuständige Be-               fahren für Verkehrs- und Infrastrukturprojekte wird
hörde die Öffentlichkeit […]“ (UVPG § 19 Abs. 1) oder             die Beteiligung, insbesondere der Zivilgesellschaft,
„[…] öffentlich bekannt zu machen.“ (VwVfG § 72 Abs.              klein gehalten. Formelle Beteiligungsverfahren gemäß
2). Das heißt in Deutschland seit Jahrzehnten über das            den rechtlichen Bestimmungen aus dem Gesetz zur
sogenannte Amtsblatt oder wie beispielsweise in

                                                                                    Abbildung 3 Amtlicher Anzeiger (2017)
                                                             (Quelle: https://www.luewu.de/docs/anzeiger/docs/2850.pdf)

                                                                                                                       4
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Abbildung 4 Ablauf eines formellen Plan- und Beteiligungsverfahren, am Bsp. des Planfeststellungsverfahrens
                                  (Eigene Darstellung auf Grundlage Stiftung Mitarbeit 2012, Rottmann 2013, BMVI 2014)
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), Raumord-                     dem bestehenden formellen Beteiligungsverfahren
nungsgesetz (ROG) oder Verwaltungsverfahrensge-                     sehr zufrieden ist. (ebd.)
setz (VwVfG) für z.B. Planfeststellungsverfahren1 se-
hen eine Information über Vorhaben und Planungs-
stand sowie Verfahren, eine Abgabe von Äußerungen
für die betroffene Öffentlichkeit, eine Gelegenheit zur
Stellungnahme für jeden dessen Belang berührt wird
und einen Erörterungstermin zu abgegebenen Ein-
wendungen und Stellungnahmen vor.
   Die Entscheidung, "ob" dieses Projekt realisiert
wird, obliegt nicht der Zivilgesellschaft, sondern wird
von der Politik getroffen. Allerdings ist es erlaubt, sich
zu dem Projekt zu äußern, wenn man davon betroffen
ist. Das bedeutet, Hinweise zu geben und Kritik zu äu-                             Abbildung 5 Plakataufsteller (2018 + 2021)
ßern. Die abgegebenen Kommentare müssen berück-                                                         (Eigene Darstellung)
sichtigt werden, wenn ihre Anliegen betroffen sind, da
sie in die Abwägung einbezogen werden. Der Projekt-                    Beide Akteure sehen eine umfassende Beteiligung
entwurf wird an die abgewogenen Stellungnahmen                      von Bürgern und Interessengruppen im Vorfeld der
angepasst und öffentlich erörtert. Damit ist das for-               Planaufstellung als nicht notwendig an. Sie befürchten
male Beteiligungsverfahren für Verkehrsprojekte bei-                Eingriffe in die eigenen Entscheidungsbereiche von
spielsweise im Planfeststellungsverfahren abgeschlos-               Personen bzw. Initiativen mit fehlendem Fachwissen
sen.                                                                und daraus resultierenden Zeitverzögerungen - sowie
   Die Anwendung von konventionellen, gesetzlich                    den Verlust von Informationshoheit. (vgl. Rottmann
vorgeschriebenen Verfahren zur Bürgerbeteiligung                   2013: 43)
wird obsolet. Die Universität Leipzig hat eine Umfrage                 Interessant ist das Ergebnis der Haushalte. Wäh-
zur Zufriedenheit mit diesem formellen Planungsver-                 rend fast 40 % der Haushalte mit dem formalen Betei-
fahren durchgeführt (vgl. Rottmann 2013: 35). Befragt               ligungsprozess unzufrieden sind, kennen 30 % diesen
wurden Kommunen, Unternehmen und Haushalte. Es                      überhaupt nicht. Dieser Wert deckt sich beinahe mit
ist nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der Kom-                 dem Ergebnis der Umfrage nach den Hemmnissen für
munen und Unternehmen als Projektentwickler mit                     eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung (vgl. Rottmann

1   Das Planfeststellungsverfahren (PFV) ist Bestandteil des Ver-      den. Wenn dem Vorhaben keine Gegenstimmen vorgebracht
    waltungsverfahrens zur Planung, Zulassung und Realisierung         werden, darf der Vorhabenträger mit dem Planfeststellungsbe-
    von Verkehrswegen. Im PFV wird abschließend über die Zu-           schluss sein Vorhaben realisieren.
    lässigkeit des geplanten Verkehrsplanungsvorhaben entschie

                                                                                                                                 5
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2013: 51). Hier wurden Kommunen und Unterneh-                Projektinformationen in das Online-Portal der Kom-
men befragt.                                                 mune integriert? Hierfür gibt es keine Regeln und ein-
   Fast die Hälfte der Befragten stimmt mit den Haus-        heitlichen Vorstellungen.
halten überein, dass es ihnen an Wissen über Beteili-
gungsprozesse mangelt. Interessant ist hier der am           4.   Online-Partizipation – von stationär zu mobil
häufigsten genannte Grund: Fast zwei Drittel und drei
                                                             4.1. Ein Relaunch für Online-Partizipation muss her
Viertel der Unternehmen und Kommunen sehen ein
mangelndes Interesse der Bürger an Entscheidungs-               Informelle und formelle Beteiligungsformate wer-
prozessen. Das lässt sich leicht sagen, wenn einge-          den auf unterschiedliche Weise kommuniziert. Die
räumt wird, dass Beteiligungsprozesse komplex sind           klassischen Formate stellen dabei die Amtlichen Be-
und Informationen über die Prozesse nur unzu-                kanntmachungen im lokalen Stadtanzeiger sowie Pla-
reichend zur Verfügung gestellt werden. Somit wird           kataufsteller im öffentlichen Raum dar.
weiterhin das klassische Prozedere des Verfahrens               Hinzu kommt mit der Entwicklung digitaler Kommu-
durchlaufen bis zum ersten geplanten Spatenstich.            nikationsmedien zu Beginn des 21. Jahrhunderts die
   Verschiedenste Studien und Fachveranstaltungen            Online-Partizipation. Im Bereich der Planung versteht
weisen auf einen Kompromiss hin, in dem formelle Be-         man darunter die „Digitalisierung bereits vorhandener
teiligungsverfahren durch informelle, diskursive For-        Beteiligungsverfahren und die Entwicklung neuer
men, wie Bürgerwerkstätten und -foren, Workshops             Möglichkeiten der politischen Teilhabe an Entschei-
und World Cafés vermehrt ergänzt werden sollen. Die          dungs- und Meinungsbildungsprozessen.“ (vgl. Rott-
Transparenz relevanter Informationen soll durch er-          mann 2013: 57) Ziel dabei ist die öffentliche Diskus-
gänzende Informationsveranstaltungen und einen               sion zu beeinflussen und ein Mitwirken bei Entschei-
verbesserten Internetauftritt erreicht werden. (vgl.         dungsfindungen herzustellen. Informationen zu Bau-
Rottmann 2013: 70 ff.; BMVI 2014: 25 ff.) Um infor-          leitplänen und Planfeststellungsverfahren werden da-
melle Beteiligungsformate in formelle Planungsver-           bei auf der stadteigenen bzw. kommunalen Home-
fahren zu integrieren, werden diese zusätzlich in vie-       page erläutert. Bei größeren Vorhaben gibt es oft ei-
len Teilen auch digital durchgeführt. Wie diese zusätz-      gene Online-Plattformen für die Zivilgesellschaft mit
liche Online-Partizipation genau gestaltet werden sol-       spielerischen Übersetzungen, so zum Beispiel die Öf-
len, bleibt offen. Es werden keine Kriterien für die Be-     fentlichkeitsbeteiligung für den Verkehrsentwick-
reitstellung von Informationen formuliert. Hat jedes         lungsplan in Bremen. (Verkehrswende Bremen 2030
Projekt ein eigenes Online-Portal oder werden die            (o.D.)) Stellungnahmen dürfen per E-Mail eingehen

                                   Abbildung 6 Ratsinformationssystem – Drucksachen Bezirksversammlung Eimsbüttel
                                                (Quelle: https://sitzungsdienst-eimsbuettel.hamburg.de/bi/vo040.asp)

                                                                                                                  6
SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
und Beschlüsse können in z.B. Ratsinformationssyste-      als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und nicht als
men der Kommunen abgerufen werden. Dabei wer-              Partizipationsmöglichkeit betrachtet. (vgl. Stiftung Di-
den sämtliche Dokumente, von Mitteilungen, über            gitale Chancen 2008: 38)
kleine Anfragen aus der Politik an die Verwaltung bis         Neben den klassischen Online-Portalen der Kom-
hin zu Empfehlungen und Anträgen in das sogenannte         munen werden digitale Medien, insbesondere soziale
Ratsinformationssystem hochgeladen, inkl. Datum            Medien, kaum für Planungsverfahren genutzt. (vgl.
und Gegenstand des Dokuments. (vgl. HamburgSer-            BBSR 2018: 5) Dabei verändern sie das Zusammen-
vice – Online-Dienste (o.D.)) Alle Dokumente zu einem      spiel von Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft in
Projekt erfolgen über die Suchfunktion. Die Inhalte        positiver Weise. Durch den Einsatz digitaler Medien
der Dokumente sind meist in reiner Textform, teil-         kann z.B. die Transparenz von Stadtentwicklungspro-
weise ohne weiterführende Anlagen, jedoch mit Zu-          zessen erhöht, da Daten und Informationen schnell
ständigkeitsbereich, aber ohne direkten Kontakt.           zugänglich und sichtbar gemacht werden. Mit der Im-
(ebd.)                                                     plementierung sozialer Medien in die Planungspraxis
  Ist es ausreichend, öffentliche Bekanntmachungen         und dem Aufbau von entsprechendem Know-how
zu stadtinternen Angelegenheiten als Dokument zum          kann informiert und die öffentliche Meinung (mit-)ge-
Download oder in einem Online-Portal anzubieten            staltet werden. (ebd.) Die Online-Partizipation ersetzt
oder über Großprojekte mit einer eigenen Website zu        dabei nicht analoge Beteiligungsformate: Partizipa-
informieren und zum Mitmachen anzuregen?                   tion sollte im Sinne einer crossmedialen Anwendung
  Viele Projekte sind auf den Online-Portalen der          von Offline- und Online-Formaten geschehen. (vgl.
Kommunen zu finden und deren Darbietung sollte             Zebralog (o.D.)) Problematisch ist, dass Stadtverwal-
dringend verbessert werden. Untersuchungen in              tungen kein organisatorisches sowie technisches
Deutschland und im internationalen Vergleich zeigen,       Know-how besitzen und entsprechende Ressourcen
dass gerade der Großteil der Online-Portale, inkl. für    benötigen. (vgl. BBSR 2018: 9)
die (Stadt-)Planung, insbesondere von Kommunen,               Es gibt Möglichkeiten der Partizipation, insbeson-
mindestens seit 2005 von geringer Nutzerfreundlich-        dere mit digitalen Medien auf Präsenzveranstaltun-
keit zeugen. (vgl. Bahrke / Kempermann / Schmitt           gen, wie bereits in Hamburg am Beispiel der Stadt-
2016: 78 ff., Bräuer / Biewendt 2005: 3, Stiftung Digi-    werkstatt im Jahr 2018 oder auch der Öffentlichkeits-
tale Chancen 2008: 40) Es wird festgestellt, dass bun-     beteiligung für die neue U-Bahnlinie 5 im Jahr 2019
desweit Handlungsbedarf im Bereich Breitbandver-           sichtbar geworden ist. Via Tablet konnten Fragebögen
sorgung besteht. (vgl. Bahrke / Kempermann / Schmitt       ausgefüllt und Meinungen geäußert und gleichzeitig
2016: 92 f.) In Hinblick auf die Inhalte ist das Angebot   dokumentiert und ausgewertet werden. Über ein XXL-
an Online-Services und Daten weiterhin begrenzt.
(ebd) Der Bereich Nutzerfreundlichkeit ist in der Bun-
desrepublik als nachteilig zu bewerten. (ebd.) Gründe
dafür liegen nach Umfragen von BürgerInnen, in der
uneinheitlichen Gestaltung von Bürgerservice-Porta-
len, deren schweren Auffindbarkeit (Unzufriedenheit
bei 46%) und Bedienbarkeit (Unzufriedenheit bei 42%)
sowie in Teilen in deren Unverständlichkeit, welches
auch die Hauptbarrieren sind. (vgl. Bahrke / Kemper-
mann / Schmitt 2016: 78 ff.) Bei letzterem werden ins-
besondere die undurchschaubare Struktur der Online-
Angebote und die (fach-)sprachlich schwer verständli-
chen Verfahren als Barrieren genannt. Darüber hinaus
sei die reine Informationsbereitstellung auf Online-
Portalen (z.B. über Ratsinformationssysteme) keine
aktive Bürgerbeteiligung. (vgl. Bräuer / Biewendt
2005: 3) Die Studie fordert eine Verständlichkeit der
bereitgestellten Informationen durch die Verwaltun-
gen, um Bürgerbeteiligung zu erleichtern und die
Transparenz von Politik zu steigern. (ebd.) Eine andere
Studie stellt darüber hinaus fest, dass die Möglichkei-
ten der Bürgerbeteiligungsverfahren im Internet
(auch im Rahmen der Bauleit- und Flächennutzungs-
planung) kaum genutzt werden. (vgl. Stiftung Digitale
Chancen 2008: 40) Sie geht sogar soweit, dass sie die       Abbildung 7 Tablet und VR-Brille zur Visualisierung von
Mehrheit der Dialogangebote für BürgerInnen eher                                              Planungsvorhaben

                                                                                                                 7
SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
Abbildung 8 Nutzungsintensität der Beteiligungsformate während der Präsenzveranstaltung
                                                                                    via Intervallbeobachtung (gesamt)
Tablet konnte sich über verschiedene GIS-basierte             vorübergehend bis zum 31. Dezember 2022 gesetzlich
Karten, ein Überblick über das Planungsgebiet auf             vorgeschrieben. (PlanSiG 2020 § 2 Abs. 1)
mehreren kategorialen Ebenen verschafft werden.
Beteiligung wird digitaler und visueller.                     4.2. Potentiale mobiler Online-Formate für Ver-
   Dies scheint der richtige Weg zu sein, um die Betei-            kehrsplanungsprozesse
ligung an Planungsprozessen im Rahmen von Präsenz-
                                                                Während Online-Portale von Kommunen mit ihrer
veranstaltungen zu verbessern. Allerdings kann ein
                                                              Nutzerunfreundlichkeit in Hinblick auf Planungs- und
derartiger Aufwand nicht für jedes kleine Quartiers-
                                                              Beteiligungsprozesse kämpfen, gibt es bereits Erfolg
entwicklungs- und Straßenplanungsprojekt betrieben
                                                              versprechende Formate in Richtung einer besseren
werden.
                                                              Beteiligung. 2019 wurde eine von vier öffentlichen
   Mit der COVID19-Pandemie konnten weder Prä-
                                                              Veranstaltungen im Rahmen der Planungen für die
senzveranstaltungen in Bürgerbeteiligungsverfahren
                                                              neue U-Bahnlinie 5 in Hamburg untersucht. Es sollte
noch Sprechstunden in der Verwaltung zur Einsicht in
                                                              herausgefunden werden, welche Rolle digitale For-
Planungsunterlagen im Frühjahr 2020 stattfinden. Seit
                                                              mate im Vergleich zu analogen Formaten bei einer
14.Mai 2020 gibt es in Deutschland ein Gesetz zur Si-
                                                              Präsenzveranstaltung spielen. Methodisch wurde eine
cherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Geneh-
                                                              Intervallbeobachtung aller vorhandenen Formate so-
migungsverfahren während der COVID19-Pandemie.
                                                              wie eine Befragung mittels eines analogen Fragebo-
(vgl. PlanSiG 2020 § 1) Die Online-Beteiligung ist somit
                                                              gens durchgeführt.

                   Abbildung 9 Tisch mit Hamburg-Map und U-Bahnlinie 5 sowie Augmented-Reality-Funktion via Tablet

                                                                                                                   8
SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
Festgestellt werden konnte die hohe Dichte am          Gege¬benheiten weitergetragen. Dies im Prinzip des
Augmented-Reality-Tisch und dem XXL-Tablet. Die           Open Data bedeutet für die Stadtplanung (Ver-
Nutzung der Online-Portale war weniger gut besucht.       wal¬tung wie Unternehmen) ungemeines Wissen zum
   Ergebnis der Intervallbeobachtung ist, dass der Aug-   weiteren Planen und Gestalten.
mented-Reality-Tisch am häufigsten besucht wurde
von allen Altersgruppen. Was hat dieses Medium so         4.3. Untersuchung - Entwicklung und Anwendung
besonders gemacht? Es ist ein mit einem Hamburger              eines digitalen Prototypen am Beispiel der Un-
Stadtplan zurechtgeschnittener Tisch, der einen Ab-            teren Königsstraße in Kassel
schnitt der neuen U-Bahnlinie zeigt.
                                                             Im Rahmen eines Studierendenprojektes der Berei-
   Mit bereitgestellten Tablets und personellem Sup-
                                                          che Stadtplanung, Architektur und Kommunikations-
port für die Technik konnten sich via Augmented Rea-
                                                          technik der Universität Kassel im Sommersemester
lity die neuen U-Bahnstationen mittels 3D-Animatio-
                                                          2021 wurde ein digitaler Prototyp, App-Mockups, ent-
nen angeschaut werden. Das zweithäufigste genutzte
                                                          wickelt und angewendet. Dazu wurde ein Planungs-
Medium war das XXL-Tablet mit unterschiedlichem
                                                          verfahren und Beteiligungsprozess am Beispiel eines
Kartenmaterial. Fast zwei Drittel der während der In-
                                                          lebendigen Straßenraums in Kassel simuliert und ne-
tervallbeobachtung festgehaltenen Besucher nutzten
                                                          ben verschiedenen Kommunikationskanälen, Visuali-
digitale Formate in dieser Veranstaltung. Warum
                                                          sierungen und testweise Augmented-Reality genutzt,
wurde dieses Medium am häufigsten benutzt? Die Er-
                                                          um das gesamte Verfahren verständlich und anschau-
gebnisse aus der Umfrage haben ergeben: Das Me-
                                                          lich zu gestalten; an dem Ort, wo geplant wird.
dium ist verständlich, klar, anschaulich und am ein-
                                                             Dafür wurden insgesamt 119 Beteiligungsapps (mo-
fachsten zu bedienen. Die Hälfte der Befragten hat es
                                                          bil und Desktop) recherchiert und anhand von Krite-
mind. 3 Minuten benutzt, sprich ausprobiert und ist
                                                          rien und entsprechenden Indikatoren gegenüberge-
der Meinung, dass dieses Medium bei ähnlichen Ver-
                                                          stellt und ausgewertet. Die Beteiligungsapps sind bun-
anstaltungen unbedingt wieder eingesetzt werden
                                                          desweit und international verortet. Es handelt sich da-
sollte. Insgesamt betrachtet findet die Mehrheit der
                                                          bei um real anwendbare Apps, um Forschungspro-
Befragten, dass Sie sich durch die Veranstaltung bes-
                                                          jekte und kleinere anwendungsorientierte Studien.
ser informiert fühlt als vorher und ihre Interessen be-
                                                          Die Kriterien, mit denen die Apps verglichen wurden,
rücksichtigt wurden. Fast die Hälfte der Befragten gab
                                                          sind abgeleitet aus den Grundproblemen von Pla-
an, dass ihre individuellen Einwände gegen die Pla-
                                                          nungsprozessen sowie Online-Formaten und Online-
nungen der U-Bahn Linie 5 aufgehoben werden
                                                          Portalen. Es sind Kriterien wie Partizipationsstufe, Be-
konnte. 28 % haben weiterhin Bedenken aus den un-
                                                          teiligungsdauer, Erreichbarkeit, Kommunikationska-
terschiedlichsten individuellen Gründen.
                                                          nal, Benutzerfreundlichkeit oder auch die Anwendung
   Was ist mit den Personen, die jedoch keine Zeit ha-
                                                          von Augmented/Virtual Reality.
ben, zu den Veranstaltungen zu gehen, sich auf den
Online-Portalen der Kommunen nicht zurechtfinden
                                                            Insgesamt lässt sich aus der Gegenüberstellung fol-
und/oder nun während der COVID19-Pandemie Prä-
                                                          gendes ziehen: Beteiligungsapps …
senzveranstaltungen nicht besuchen konnten?
                                                          • gehen kaum über die Partizipationsstufe Informa-
   Ist es nicht möglich, an dem Ort teilzunehmen, an
                                                              tion und Mitwirkung hinaus. In seltenen Fällen
dem die Projekte geplant werden? Welche Rolle kann
                                                              geht es um Petitionen, wo die nutzende Person
mobile Partizipation mit den Medien Smartphone und
                                                              über ein Vorhaben mitentscheiden darf.
Tablet dabei spielen? Verschiedene Studien zeigen,
                                                          • werden kaum für den direkten Austausch zwi-
welche Rolle das Smartphone in Planungsprozessen
                                                              schen den verschiedenen Nutzern (wie BürgerIn,
spielen kann. (vgl. Regenbrecht 2011; Höffken 2014,
                                                              Verwaltung, Institutionen, Unternehmen) genutzt.
Geerse / Vogt / Guschl 2018) Dr. Stefan Höffken un-
                                                              Die nutzenden Personen verwenden mobile An-
tersucht das Smartphone als Instrument der mobilen
                                                              wendungen überwiegend zum Abrufen und Lie-
Partizipation und dessen Mehrwert in der Stadtpla-
                                                              fern von Informationen, nicht zum Mitgestalten.
nung. Das Spektrum und der Einfluss der mobilen Par-
                                                          • sind in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit auf ei-
tizipation ist groß. Einerseits können sich die Nutzer
                                                              nem mittleren bis niedrigen Niveau. Das liegt zum
überall, schnell und einfach austauschen und organi-
                                                              Beispiel an unverständlichen Informationen und
sieren, ohne an einem bestimmten Ort zu sein. (vgl.
                                                              unübersichtlicher Navigation.
Höffken 2014: 119) Andererseits werden die Nutzer
                                                          • Die wenigsten Beteiligungsapps nutzen Kommuni-
zu Datenlieferanten oder DatenempfängerInnen an
                                                              kationskanäle, die One-Way sind. Sichtbare Kom-
bestimmten Orten, die in der Folge durch Crowdsour-
                                                              mentare oder Chats werden häufiger genutzt.
cing (GeoWeb) gespeichert und visualisiert werden
können. (vgl. Höffken 2014: 142 ff.) So werden neben
der eigenen Datenproduktion, Daten gespeichert, In-
formationen generiert und Wissen über räumliche

                                                                                                                9
SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
Abbildung 10 Entwicklung der Beteiligungsapp „be a PARTicipation“
                                                     (Eigene Darstellung auf Grundlage Studierendenprojekt SoSe 2021)
• 80% der Beteiligungsapps benennen den Pla-                  informellen Planungsschritte bekannt und zeigt
  nungshintergrund. Eine Transparenz ist gegeben.             gleichzeitig, wann sich BürgerInnen wie beteiligen
• 50% der mobilen Beteiligungsapps nutzen Aug-                können. Die Beteiligungsformate sind in die App
  mented Reality zur Veranschaulichung des Vorha-             integriert und es bedarf keiner weiteren App-
  bens.                                                       unabhängigen Anwendung.

   Aus den Schlussfolgerungen und unter Berücksich-             Zusammenfassend lässt sich sagen, dass folgende
tigung der abgeleiteten Grundprobleme von Partizipa-          Kriterien zur inhaltlichen Entwicklung einer erfolgreich
tionsprozessen sowie Online-Formaten und –Porta-              anzuwendenden Beteiligungsapp für mobile Endge-
len, wurden Ziele abgeleitet, die der zu entwickelnde         räte erfüllt werden müssen:
Prototyp erfüllen soll. Die Ziele umfassen die verständ-      1. Verständliche und intuitive Aufbereitung des Pla-
liche Aufbereitung und Vermittlung von Informatio-                nungsvorhabens und -prozesses
nen des jeweiligen Planungsvorhabens. Alles um das            2. Transparente Gestaltung des Planungsvorhabens
Planungsvorhaben und deren Prozess soll transparent               und -prozesses
kommuniziert werden. Beteiligung soll an sich über-           3. Vielfältige Kommunikationsmedien (One-to-one,
haupt stattfinden, analog und digital. Die Benutzer-              Many-to-Many)
freundlichkeit sowie das gemeinsame Gestalten mit             4. Hohe, mindestens mittellange Beteiligungsdauer
anderen Personen stehen im Fokus. Auch die Verbes-            5. Mindestens Partizipationsstufe Information und
serung der Kommunikation zwischen den BürgerIn-                   Mitwirkung, wenn möglich Mitentscheidung
nen an sich und den VorhabenträgerInnen und zu-               6. Hohe, mindestens mittlere Reichweite des Pla-
ständigen Personen soll verbessert werden.                        nungsvorhabens und -prozesses
Daraus ableitend wurde ein Kriterienkatalog mit               7. Inhalte zur politischen Agenda verständlich zusam-
korrespondierenden Indikatoren erstellt, der als                  menfassen, mindestens bereitstellen
Grundgerüst zur Entwicklung des digitalen Prototyps           8. einfache Zugänglichkeit und Benutzerfreundlich-
dient. Um das am Beispiel der Unteren Königsstraße                keit gewährleisten
in Kassel simulierte Planungsverfahren mit                    9. eine Diskursarchitektur implementieren und nut-
Beteiligungsprozess und damit für Laien abstrakten                zerbezogen anwenden
und komplexen Vorgang einfach zu vermitteln,                  10. Online-Verfügbarkeit der Informationen zum Vor-
wurde ein sogenannter „Beteiligungstracker“                       haben und Prozess
entwickelt. Dieser gibt alle formellen und

                                                                                                                  10
SMARTICIPATION Das Smartphone als partizipative Antwort auf Veränderungen im Demokratie- und Planungsverständnis von Verkehrsprojekten
Abbildung 11 Beteiligungsapp „be a PARTicipation” – Befragung und Anwendung
11. Zeigen der Einflussnahme der Beteiligung auf die         Beteiligungsmedium, reine Unterstützungsfunktion
    finale Entscheidung zum Vorhaben                         zum formellen Planungsprozess. Ein Ersetzen der bis-
                                                             herigen Beteiligungsformate durch digitale Medien
   An drei Tagen (Samstag, 2 x Dienstag) im Zeitraum         wird von ExpertInnen und Ministerien zudem nicht
von 15 bis 18 Uhr wurde die Anwendung der App an-            angeregt – ein medialer Mix vor-Ort und im Remote-
geboten und eine Umfrage durchgeführt. Von 52 Bür-           Zustand wird empfohlen.
gerInnen, die die App angewandt haben, füllten 36               Mobile Fomate, wie das Smartphone spielen dabei
Personen zwischen 10 und 60 Jahren den Fragebogen            eine wesentliche Rolle. Beteiligung kann somit allge-
aus. Die Umfrage hat ergeben, dass das Interesse an          genwärtig stattfinden, wenn auch manche Ebenen der
der App sehr groß ist und die befragten Personen die         Partizipation aufgrund ihrer Komplexität schwer zu
App für Planungsprozesse nutzen würden (82,5 %) so-          vermitteln sind. Der Bereich Geoinformation in der
wie der Planungs- (81%) und Beteiligungsprozess              Raumplanung schafft es bereits mittels interaktiven
(87%) mittels der einfachen und ansprechenden Visu-          Karten und den dort eingespeisten städtischen und
alisierungen von der Mehrheit der Befragten gut ver-         weiteren sektoralen Daten komplexe Sachverhalte,
standen wurde.                                               wie räumliche Funktionszusammenhänge visuell
                                                             nachvollziehbar zu machen. Das ist ein erster Schritt in
5.   Fazit                                                   die richtige Richtung, wenn auch technisch geschultes
                                                             Personal für die Vermittlung von Informationen mit-
   Die bisherige Auswertung von Handbüchern und
                                                             tels so genannter XXL-Tablets bereitgestellt werden
Studien hat ergeben, dass die bestehende Informa-
                                                             muss. Die müssen das entsprechende Kartenmaterial
tions- und auch Konsultationspraxis von Verkehrspla-
                                                             (er-)kennen und an geeigneter Stelle einsetzen kön-
nungsvorhaben - offline wie online - ungenügend ist.
                                                             nen.
Informationen zu Planungsstand und Verfahren wer-
                                                                Die bisherigen Ergebnisse aus Forschungsprojekten
den zu spät und unverständlich vermittelt, mit experi-
                                                             und Öffentlichkeitsbeteiligungen zeigen, dass mobile
mentellen Ausnahmen wie zum Beispiel der Hoch-
                                                             Online-Formate, wie das Tablet oder das Smartphone,
bahn AG oder die Stadtwerkstatt in Hamburg, die ihre
                                                             unabhängig von Alter und Geschlecht, bei Offline-Ver-
Informationen zum Planungsvorhaben visuell erleb-
                                                             anstaltungen oder im öffentlichen Raum beliebt in ih-
bar gestalten, das Medium an sich jedoch höchst un-
                                                             rer Anwendung sind. Besonders in Kombination mit
flexibel ist, wenn es um die ganzheitliche oder weiter-
                                                             Augmented Reality können konkrete Stadt- und Ver-
führende Planung geht. Eine aktive Beteiligung der Zi-
                                                             kehrsplanungsvorhaben anschaulicher und verständ-
vilgesellschaft, um mitgestalten oder mehr noch mit-
                                                             licher vermittelt werden und so einen besseren Infor-
entscheiden zu dürfen, wird kaum geboten. Die digi-
                                                             mationstransfer generieren. Sie sind dabei nutzer-
talen Medien gewinnen dabei vermehrt an Bedeutung
                                                             freundlich, anschaulich und Informationen sind ver-
und spielen eine wichtige Schlüsselrolle, wenn es da-
                                                             ständlich.
rum geht, Informationen schnell und frühzeitig zu er-
                                                                Das Smartphone als Partizipationstool für den Emp-
halten. Eine aktive Beteiligung der Bürger wird auf-
                                                             fang von Informationen von Planungsvorhaben sowie
grund der mangelnden Nutzerfreundlichkeit, hier von
                                                             Konsultationsoptionen im öffentlichen Raum einzu-
Online-Portalen der Kommunen, selten erreicht. Bei
                                                             setzen, birgt noch technische Herausforderungen, wie
der Nutzung digitaler, insbesondere sozialer Medien
                                                             z.B. relevante aber eine noch ungenaue Geolokalisie-
fehlt den Kommunen das technische Know-How sowie
                                                             rung bei Mobile Augmented Reality oder begrenzte
die organisatorischen, personellen und zeitlichen Mit-
                                                             Speicherkapazitäten beim mobilen Abrufen von Da-
tel. Wenn Online-Beteiligung über Online-Portale
                                                             tensätzen.
stattfinden, haben diese meist eine, als informelles

                                                                                                                 11
Das Smartphone steckt bisher als Beteiligungstool        Fortschritte benötigt, um dieses konkret anwenden zu
noch in den Kinderschuhen, birgt jedoch immenses           können.
Potential eine einfache planerische Informations- und
Übersetzungshilfe mit aktivem Handlungsmodus zu
sein. Es wird weiterhin qualitative wie quantitative Er-
kenntnisse im Umgang mit dem Smartphone als po-
tentielles Partizipationsmedium sowie technologische

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content/uploads/08032021_SMARTICI-
                                                           xis werden kann, pnd l online - ein Magazin mit Tex-
PATE_This_is_how_to_develop_a_public_ser-
                                                           ten und Diskussionen zur Entwicklung von Stadt und
vice.pdf
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    AutorInnenangaben
Nicole Raddatz
Universität Kassel
Gottschalkstraße 22
34127 Kassel, Deutschland

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