TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...

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TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
TÄTIGKEITSBERICHT
2014-2017
Schweizerischer
Gewerkschaftsbund

April 2018

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TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
Impressum
Herausgeber: SGB
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Verlag: Publikation Digital AG
Bolacker 3, 4563 Gerlafingen, publikation-digital.com
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ISSN 2571-8703

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TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
INHALT
I    Einleitung.......................................................................................... 5
II   Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen
     und mehr GAV trotz Krise................................................................. 7
     Lange Krise und Frankenüberbewertung: hohe Unterbeschäftigung
     und Druck auf die Arbeitsbedingungen ........................................................... 7
     Lohnerhöhungen und mehr GAV-Unterstellte trotz Krise –
     aber ungerechte Verteilung.................................................................................. 8
     USR III-Referendum gewonnen – dennoch mehr Ungleichheit durch
     Steuer- und Abgabepolitik.................................................................................... 9
     Personenfreizügigkeit/Migrationspolitik: Lohnschutz verbessert –
     Kontingente und Saisonniersstatut verhindert................................................ 9
     Aussenwirtschaft: soziale Nachhaltigkeit verlangt........................................11
     Gesundheitswesen: mehr Prämienverbilligung nötig..................................11
III Soziale Sicherheit:
    Im Marathon für gute Renten.......................................................... 13
     Gute Renten für tiefe und mittlere Einkommen ............................................13
     Verpasste Chance für Stärkung der AHV.......................................................13
     Gute Pensionskassen-Renten trotz Tiefzinsphase........................................14
     Gute Renten bei Unfall und Krankheit ............................................................14
     Verteidigung der EL und Sozialhilfe.................................................................15
     Spielraum für Ausbau der Erwerbsersatzordnung.......................................16
IV Arbeitszeit, Arbeitsrecht, Arbeitnehmer-Schutz:
   Angriffe abgewehrt!........................................................................ 17
     Arbeitszeit: zahlreiche Angriffe abgewehrt.....................................................17
     Längere Ladenöffnungszeiten verhindert ......................................................17
     Gesundheit und Arbeitssicherheit: mehr Prävention bei gefährlichen
     Stoffen.....................................................................................................................18
     Digitalisierung: grundlegende Analysen verfasst .........................................18
     Gewerkschaftsrechte: Sensibilisierung der juristischen Öffentlichkeit....19
V Gleichstellung: Voller Einsatz für ein Gesetz mit Zähnen............... 20
     Bezahlte und unbezahlte Arbeit besser vereinbaren...................................21
VI Den Service public stärken. Jetzt erst recht!................................. 23

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VII Bildung: Eine Vision der Berufsbildung entwickeln........................ 27
     Neue Wege für Berufsbildung...........................................................................27
     Weiterbildung gestärkt........................................................................................28
VIII Migration: Durchsetzungsinitiative gebodigt –
     Ausländerfeindlichkeit zurückgebunden........................................ 29
     Integration von MigrantInnen zielstrebig fördern...........................................30
IX International: Einsatz verstärkt ...................................................... 31
     IGB: reger Austausch ..........................................................................................31
     EGB: Engagement gegen Dumping................................................................31
     ILO: SGB hält Beschwerde aufrecht................................................................32
X Anhang........................................................................................... 35
     SGB-Verbände (2013 bis 2016, Jahresende)................................................35
     Kongress ................................................................................................................35
     Delegiertenversammlungen...............................................................................36
     SGB-Vorstand 2014 bis 2017 ..........................................................................37
     SGB-Präsidialausschuss 2014 bis 2017.........................................................39
     SGB-Sekretariat 2014 bis 2017........................................................................40
     SGB-Rechnungsprüfungskommission 2014 bis 2017................................41
     SGB-Kommissionen ............................................................................................41
     SGB-Vertretung in Kommissionen, Stiftungen und anderen
     Vereinigungen.......................................................................................................42
     Die kantonalen Gewerkschaftsbünde 2014 bis 2017.................................44
     SGB-Information....................................................................................................45
     Bibliothek und Archiv...........................................................................................46
     Kollektive Arbeitsstreitigkeiten 2013 bis 2016...............................................46
     Eidgenössische Volksabstimmungen in den Jahren 2014 bis 2017.......48

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TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
I        EINLEITUNG
In den letzten vier Jahren mussten die Gewerkschaften in einem relativ
schwierigen Umfeld arbeiten. Dennoch haben der SGB und seine Mitglied-
verbände wichtige Ziele erreicht und verschiedene Erfolge feiern können. Sie
haben für die Arbeitnehmenden bedeutende Verbesserungen herausgeholt
und Verschlechterungen abgewehrt.
Bereits vor dem Kongress 2014 drohte mit dem knappen Ja zur «Massenein-
wanderungs-Initiative» am 9. Februar 2014 ein Rückfall in ein Kontingents-
system mit einem Saisonniersstatut. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses
durch die SNB setzte Löhne und Arbeitsplätze unter Druck. Und in den
Nationalratswahlen im Oktober 2015 wurden die sozialen Kräfte geschwächt.
Erschwerend wirkte die stärker parteipolitische Orientierung der Arbeitge-
berorganisationen in der Deutschschweiz («bürgerlicher Schulterschluss»).
Rückblickend kann gesagt werden: Die Präsenz, die Führungsstärke und die
Entschlossenheit des SGB haben entscheidend dazu beigetragen, dass die
Schweiz nach dem 9. Februar 2014 kein Kontingentssystem und kein Sai-
sonniersstatut eingeführt hat. Die Flankierenden Massnahmen FlaM wurden
punktuell verbessert – trotz Opposition von Arbeitgebern und bürgerlichen
Parteien. Dank den FlaM werden heute pro Jahr mehrere Tausend Löhne
erhöht. Es wird mehr kontrolliert und es gibt schärfere Bussen.
Die Löhne sind gestiegen, trotz Frankenüberbewertung und Lohndruck.
Durch den gewerkschaftlichen Einsatz in den Betrieben und dem perma-
nenten Druck auf die Nationalbank konnten viele Arbeitsplätze erhalten
werden – insbesondere auch von älteren Arbeitnehmenden. Dank der
Mindestlohnkampagne haben heute wesentlich weniger Berufstätige einen
Lohn unter 4000 Franken. Ohne den grossen Einsatz des SGB hätte es im
Bundesrat auch keine Mehrheit für Massnahmen gegen die Lohndiskrimi-
nierung der Frauen gegeben. Die verschiedenen GAV-Kampagnen haben
Früchte getragen. In den letzten vier Jahren konnten die Gewerkschaften
die GAV-Abdeckung erhöhen – auch wenn leider das Ziel von 60 Prozent
GAV-Abdeckung noch nicht erreicht ist.
Der SGB hat die Debatte über die Altersvorsorge wesentlich geprägt. Die
Initiative AHVplus, welche 10 Prozent mehr AHV-Rente verlangte, erreichte
ein im historischen Vergleich relativ gutes Resultat in der Volksabstimmung
(40.6 Prozent Ja-Stimmen). Die Initiative ebnete den Weg, dass der SGB
im Rahmen der Parlamentsentscheide zur Altersvorsorge 2020 erstmals
seit über 40 Jahren höhere AHV-Renten herausholen konnte. Die Vorlage

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Einleitung                              5
TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
scheiterte in der Volksabstimmung zwar knapp, erreichte mit 47.6 Prozent
aber mehr Ja-Stimmen als AHVplus.
Das Prestigeprojekt der neuen Nationalratsmehrheit, die Unternehmens-
steuerreform III, hat der SGB zusammen mit Bündnispartnern in der Volks-
abstimmung mit klarer Nein-Mehrheit versenkt. Weiter konnte der SGB eine
Verlängerung der Ladenöffnungszeiten bereits im Parlament verhindern.
Ein Fortschritt für die Arbeitnehmenden ist auch, dass die Arbeitszeiten in
der Schweiz vermehrt ernsthaft kontrolliert werden. Eine Aufweichung des
Arbeitsgesetzes wurde verhindert.
Der SGB hat den Service Public bei Bund, Kantonen und Gemeinden ver-
teidigt. Vor allem auf kommunaler Ebene (Spitäler, Elektrizitätswerke) haben
wir bedeutende Abstimmungen gewonnen. Auf nationaler Ebene hat der
SGB neben der USR III noch weitere Siege in wichtigen Volksabstimmun-
gen erzielt – so beispielsweise bei der Pro-Service-Public-Initiative oder der
Durchsetzungsinitiative.
Neben diesen wichtigen Verbesserungen und Erfolgen bleiben verschiedene
Herausforderungen und Probleme. Die Trendwende bei der Mitgliederent-
wicklung ist noch nicht erreicht. Die Lohn- und Einkommensschere ist nach
wie vor weit offen. Die Krankenkassen-Prämienverbilligungen hinken der
Prämienentwicklung hinterher, und die Altersvorsorge – insbesondere die
2. Säule – kann ihre Leistungsziele immer weniger erreichen. Die günstigere
Wirtschaftslage muss für Verbesserungen in diesen Bereichen genützt
werden.

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II       WIRTSCHAFT, BESCHÄFTIGUNG, LÖHNE:
         LOHNERHÖHUNGEN UND MEHR GAV
         TROTZ KRISE
Die wirtschaftliche und politische Lage der letzten Jahre war für
die Gewerkschaften alles andere als komfortabel. Trotz dauernden
Abwehrkämpfen haben sie auch im Offensiven einiges erreicht,
das sich sehen lässt. Das gilt insbesondere für die Löhne und die
Abdeckung durch Gesamtarbeitsverträge (GAV).
Die Jahre dieser Berichtsperiode waren für gewerkschaftliche Postulate eine
anspruchsvolle Zeit. Die Finanzkrise und die Frankenaufwertung trieben die
Erwerbslosigkeit auf einen Höchststand. Die Aufhebung des Mindestkurses
am 15. Januar 2015 verschärfte diese Situation noch. Die Erwerbslosenquote
stieg auf knapp 5 Prozent. Politisch erschwerend wirkten sich die Sitzge-
winne der bürgerlichen, arbeitgeberorientierten Parteien SVP und FDP in
den Nationalratswahlen 2015 aus. Dazu kam, dass sich der Schweizerische
Arbeitgeberverband (SAV) stärker parteipolitisch orientierte.

Lange Krise und Frankenüberbewertung: hohe Unterbeschäftigung
und Druck auf die Arbeitsbedingungen
Die wirtschaftliche Krise und die Frankenüberbewertung kosteten bis 2017
Zehntausende von Arbeitsplätzen. Die Erwerbslosigkeit und die Unter-
beschäftigung stiegen spürbar an. Die Arbeitsbedingungen kamen unter
Druck. Die betriebsüblichen Arbeitszeiten sind in den letzten Jahren leicht
gestiegen. Und der Anteil der Temporärstellen ist auf einem historischen
Höchststand. Erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 wurde auch die
Schweizer Wirtschaft vom weltweiten Aufschwung erfasst. Die Beschäftigung
stieg. Die Arbeitslosigkeit begann zurück zu gehen.
Dank den Gewerkschaften konnte in den Krisenjahren Schlimmeres ver-
hindert werden. Sie haben sich in diesen schwierigen Jahren immer wieder
erfolgreich für eine stabilisierende Geld- und Finanzpolitik (insbesondere für
einen Mindestkurs gegenüber dem Euro), für eine Ausweitung der Kurz-
arbeit sowie gegen Lohnsenkungen eingesetzt. Ab dem 15. Januar 2015
mussten die Gewerkschaften vor allem die Nationalbank SNB unter Druck
setzen, damit diese nach dem Fehler, den Mindestkurs aufzuheben, weiterhin
gegen die Frankenüberbewertung ankämpft. Dazu kamen anspruchsvolle
Auseinandersetzungen in den Betrieben – zum Erhalt von Arbeitsplätzen
und zur Verhinderung von Lohnsenkungen.

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen und mehr GAV trotz Krise   7
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Ein besonderes Augenmerk des SGB richtete sich im Berichtszeitraum auf
die Lage der älteren Arbeitnehmenden. Der Bundesrat wurde dazu gebracht,
jährlich eine nationale Konferenz durchzuführen. Die Arbeitgeber erklärten
sich unter Druck u.a. bereit, auf die Altersangabe in Stelleninseraten zu ver-
zichten. In verschiedenen GAV konnten bessere Kündigungsschutzbestim-
mungen eingeführt werden. Mehrere Kantone ergriffen Massnahmen, um
die Chancen von älteren Arbeitslosen bei der Stellensuche zu verbessern.

Lohnerhöhungen und mehr GAV-Unterstellte trotz Krise – aber un-
gerechte Verteilung
Angesichts der hohen Erwerbslosigkeit und der Frankenaufwertung war
die Lohnentwicklung insgesamt doch bemerkenswert positiv. Die Gewerk-
schaften haben einiges erreicht. Die Nominallöhne stiegen von 2014 bis
2016 um mehr als 1 Prozent. Aufgrund der Negativteuerung ergab das
Reallohnerhöhungen von 2.6 Prozent.
Die Mindestlohninitiative wurde zwar in der Volksabstimmung 2014 abge-
lehnt. Doch die Kampagne «keine Löhne unter 4000 Fr.» hatte eine grosse
Wirkung. Zahlreiche Firmen erhöhten ihre Löhne. Der Anteil der Tieflohnstel-
len ist zwischen 2008 und 2014 von 10.1 auf 8.9 Prozent zurückgegangen.
Positiv ist auch, dass die GAV-Abdeckung zugenommen hat. Die Zahl der
GAV-Unterstellten ist zwischen 2014 und 2016 mit 4.6 Prozent deutlich
stärker gestiegen als die Beschäftigung insgesamt (1.6 Prozent). Die ver-
schiedenen GAV-Kampagnen haben Früchte getragen. Vor dem Hintergrund
der Frankenüberbewertung war das alles andere als selbstverständlich.
Verbesserungen bei der gesetzlichen Grundlage der Allgemeinverbind-
lich-Erklärung scheiterten hingegen am Widerstand des Departementes von
Bundesrat Schneider-Ammann und der Deutschschweizer Arbeitgeber. Mit
Bündnispartnern in der Romandie und in den gewerblichen Branchen soll
nun im Parlament ein Durchbruch versucht werden.
Grundsätzlich positiv ist auch, dass der Lohnunterschied zwischen den Frauen
und den Männern abgenommen hat. Auch hier trugen die gewerkschaftlichen
Anstrengungen Früchte. Dennoch verdienen Frauen nach wie vor deutlich
weniger als Männer. Es sind weitergehende Massnahmen notwendig (s. Kapitel
V, Gleichstellungspolitik) Die Lohnschere ist leider nach wie vor weit offen. Die
meisten Versuche, die ab Mitte der 1990er Jahre beginnenden Lohnexzesse
politisch zu korrigieren, scheiterten an den bürgerlichen Parteien. Positivbei-
spiele sind die Kantonalbanken in AG und GL, wo die Löhne der Geschäfts-
leistung durch die Kantonsparlamente gesenkt wurden.

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USR III-Referendum gewonnen – dennoch mehr Ungleichheit durch
Steuer- und Abgabepolitik
Das gewonnene Referendum zur Unternehmenssteuerreform III (USR III)
im Februar 2017 war für die sozialen Kräfte in der Schweiz ein wichtiger
Sieg. Das 2015 gewählte nationale Parlament machte die USR III zum
Prestigeprojekt. Mit der USR III sollte endlich der politische Schulterschluss
zur Durchsetzung von Arbeitgeberpostulaten hergestellt werden. Das klare
Nein in der Volksabstimmung war ein umso klareres Verdikt, dass eine so
einseitige Politik nicht mehrheitsfähig ist.
Abgesehen davon hat die Steuer- und Abgabepolitik die Einkommensun-
gleichheit in der Schweiz verstärkt. Der Verteilungsbericht des SGB zeigt,
dass die hohen Einkommen von kantonalen und kommunalen Steuersenkun-
gen profitierten. Derweil stieg die Abgabenlast der Haushalte mit tiefen und
mittleren Einkommen – insbesondere durch die steigenden Krankenkassen-
prämien und die stagnierenden Prämienverbilligungen (s. separates Kapitel).
Die Finanzpolitik von Bund und Kantonen war geprägt von Sparlogik. Der
SGB wies in verschiedenen Analysen nach, dass die Sparpakete entweder
unnötig sind oder die Defizite durch Steuererhöhungen beseitigt werden soll-
ten. Durch gute gewerkschaftliche Arbeit in den Kantonen konnten gewisse
sozial negative Sparmassnahmen verhindert werden (z.B. Ablehnung des
Sparpakets im Kt. ZG in der Volksabstimmung). Eine nationale Erbschafts-
steuer wurde in der Volksabstimmung im Juni 2015 leider abgelehnt.
Einkommenspolitisch zunehmend zum Problem wird auch die Lage in der 2.
Säule der Altersvorsorge. Die Renten sinken, wegen den tieferen Umwand-
lungssätzen und den schlechter verzinsten Vorsorgeguthaben. Gleichzeitig
steigen die Beiträge.

Personenfreizügigkeit/Migrationspolitik: Lohnschutz verbessert –
Kontingente und Saisonniersstatut verhindert
Sehr anspruchsvoll waren die Arbeiten im Bereich Bilaterale Verträge mit der
EU, Personenfreizügigkeit und flankierende Massnahmen. Am 9. Februar
2014 wurde die so genannte Masseneinwanderungsinitiative in der Volks-
abstimmung knapp angenommen. Die Delegiertenversammlung und der
Kongress des SGB haben in Bezug auf «Umsetzungsarbeiten» folgende
Position beschlossen: Die Bilateralen müssen erhalten bleiben. Es dürfen
keine diskriminierenden Aufenthaltsstatute (Saisonnierstatut u.a.) eingeführt
werden. Es braucht mehr Schutz gegen Dumping sowie eine Verbesserung
der beruflichen Möglichkeiten – namentlich auch für ältere Arbeitnehmende.

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen und mehr GAV trotz Krise   9
TÄTIGKEITSBERICHT 2014-2017 - Schweizerischer Gewerkschaftsbund - Schweizerischer ...
Erschreckenderweise schlugen aber fast alle anderen Akteure (Bundesrat,
Kantone, Arbeitgeber u.a.) 2014 vor, ein Kontingentssystem mit Ausnah-
men bei Kurzaufenthaltern und Einschränkungen beim Familiennachzug
einzuführen. Angesichts der gewerkschaftlichen Erfolge der letzten 10
Jahre schworen sich Arbeitgeber und bürgerliche Parteien zusammen mit
Deutschschweizer Kantonen gegen weitere Flankierende Massnahmen ein.
Gewisse Kreise (SVP u.a.) wollten die FlaM sogar abbauen.
Diese Entwicklung ist in der neueren Schweizer Geschichte wohl einzigartig.
Die Landesregierung, welche zuvor einen Öffnungskurs verfolgte, machte
erstmals Vorschläge, welche in Richtung Abschottung der Schweiz führen
würden. Auch die Arbeitgeber wendeten sich von der Öffnungsstrategie
ab und suchten den Schulterschluss mit der Blocher-SVP. Im Bundesrat
war es vor allem das Aussendepartement, welches die bilaterale Strategie
konsequent einbrachte. Dieses will aber auch die «institutionellen Fragen»
abschliessen, wobei dafür die 8-Tage-Regel und die Kautionen aufzugeben
wären!
Die Gewerkschaften (SGB und Travail.Suisse) waren phasenweise fast die
Einzigen, welche vor den negativen Auswirkungen eines Kontingentssystems
warnten und sich für nichtdiskriminierende, arbeitsmarkt- und sozialpoliti-
sche Massnahmen einsetzten. Erst nach dem Sieg in der Volksabstimmung
gegen die «Durchsetzungsinitiative» bzw. die SVP öffnete sich ein politisches
Fenster, eine Umsetzungsvariante zu entwickeln, welche mit den Bilateralen
vereinbar ist.
Rückblickend ist es insgesamt alles andere als selbstverständlich, dass mit
der Stellenmeldepflicht schliesslich eine Lösung beschlossen wurde, welche
mit den Bilateralen vereinbar ist bzw. ohne Kontingente und diskriminierende
Statute auskommt. Bei der Entwicklung der Stellenmeldepflicht hat der
SGB eine Schlüsselrolle gespielt. Sie wird keine Wunder bewirken, aber
die beruflichen Chancen von benachteiligten Stellensuchenden verbessern.
Bei den FlaM gelang es, trotz dem «bürgerlichen Schulterschluss» und der
Obstruktion der Deutschschweizer Kantone, verschiedene Verbesserungen
zu erzielen. Auf Gesetzesebene beispielsweise eine Erhöhung der Bussen
von 5000 auf 30‘000 Franken. Ebenfalls erhöht wurden die Kontrollvorgaben
des Bundes, nämlich von 27‘000.- auf 35‘000.-. Dazu kamen Kantone wie GE
oder TI, welche ihre Kontrollziele zusätzlich hinaufsetzten. Mittlerweile gibt
es über 20 Normalarbeitsverträge mit verbindlichen Mindestlöhnen sowie
drei erleichtert allgemeinverbindlich-erklärte GAV. Auch bei der Frage des
Berufsregisters gab es bedeutende Fortschritte.

10      Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen und mehr GAV trotz Krise
Aussenwirtschaft: soziale Nachhaltigkeit verlangt
Aufgrund des schon länger andauernden Stillstandes in der WTO hat auch
die Schweiz ihre Aussenwirtschaftspolitik in den letzten Jahren vermehrt auf
plurinationale Verhandlungen (TiSA, TTIP) und den Abschluss bilateraler
Freihandelsabkommen (FHA) im Rahmen der EFTA konzentriert. Der SGB
hat diese Entwicklungen kritisch begleitet und war sich dabei sowohl der
Bedeutung der internationalen Solidarität als auch der starken Abhängigkeit
der Schweizer Wirtschaft vom Aussenhandel bewusst.
Seit 2012 befindet sich das internationale Dienstleistungsabkommen TiSA
in Verhandlung. Der SGB hat die Entwicklungen und insbesondere den
Positionsbezug der Schweiz eng verfolgt. Zentral dabei war und ist, den
Service Public von den Verhandlungen auszuschliessen und so beispiels-
weise weitere Liberalisierungen im Gesundheits- und Energiebereich zu
verhindern. TiSA befindet sich derzeit jedoch zumindest im Winterschlaf.
Neue FHA wurden mit China, Costa Rica, Panama, den Golfstaaten sowie
Bosnien-Herzegowina und Georgien ratifiziert. All diese Abkommen beinhal-
ten mittlerweile ein unter anderem auf Druck der Gewerkschaften einge-
führtes «Nachhaltigkeitskapitel» zur Respektierung von Menschenrechten,
ILO-Normen und Umweltstandards. Problematisch – und im Falle des FHA
mit China im SGB auch kontrovers diskutiert – sind die fehlenden Aufsichts-
und Durchsetzungsmechanismen für diese Kapitel. Dies gilt insbesondere
auch für die «Modernisierung» des FHA mit der Türkei.

Gesundheitswesen: mehr Prämienverbilligung nötig
Der SGB hat sich in der Berichtsperiode vor allem für einen Ausbau der
Prämienverbilligung eingesetzt.
Die Finanzierung des Gesundheitswesens – verbunden mit den anhalten-
den Kostensteigerungen – belastet Personen mit niedrigen und mittleren
Einkommen immer mehr. 2014 bis 2017 stiegen die Prämien jährlich um
3.8%, die individuellen Prämienverbilligungen sanken jedoch im gleichen
Zeitraum um jährlich 0.8%. Die Stärkung und der Ausbau des Prämienver-
billigungssystems wurden denn auch zu einem der Schwerpunkte der Arbeit
des SGB (siehe Dossier 108 «Höhere Prämienverbilligungen gegen die
Krankenkassen-Prämienlast“). Mittelfristig fordert der SGB ein bundesweites
Sozialziel zur Beschränkung der Prämien auf maximal 10% des Nettoein-
kommens eines Haushaltes. Die SP plant eine entsprechende Volksinitiative.

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen und mehr GAV trotz Krise   11
Die Eindämmung des durch die Krankenkassen betriebenen Pseudowett-
bewerbs ist eine weitere Konstante in der Gesundheitspolitik des SGB. Leider
wurde 2014 die Initiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» mit knapp 40%
Ja-Stimmen abgelehnt. Immerhin hat die Ja-Quote im Vergleich zur Abstim-
mung über eine soziale Einheitskasse (2007) um fast 10% zugenommen. Ein
Erfolg war dagegen die Annahme des direkten Gegenvorschlags zur Initiative
«Ja zur Hausarztmedizin» (2014). Deren Anliegen war es, Leerlauf und teure
Überversorgung zu verhindern. Mitgeholfen hat der SGB, die Zulassungs-
steuerung von ÄrztInnen im ambulanten Bereich fast durchgängig aufrecht
zu erhalten. Ein weiterer Meilenstein ist die vom SBK eingereichte und vom
SGB unterstützte Volksinitiative zur Stärkung der Pflege.

Aktion für gute Ergänzungsleistungen, 22.9.2015 in Bern.

12          Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Wirtschaft, Beschäftigung, Löhne: Lohnerhöhungen und mehr GAV trotz Krise
III      SOZIALE SICHERHEIT:
         IM MARATHON FÜR GUTE RENTEN
Seit bald 20 Jahren befindet sich der SGB im Modus einer Dauer-
kampagne für gute Altersrenten. In dieser Periode hätte es beinahe
geklappt. Die Vorlage «Altersvorsorge 2020», welche mit einem Tabu
gebrochen und für künftige RentnerInnen höhere AHV-Renten vor-
gesehen hatte, scheiterte im Herbst 2017 nur knapp an der Urne.

Gute Renten für tiefe und mittlere Einkommen
Die Renten müssen für ein anständiges Leben im Alter reichen. Für den
SGB war dieses in unserer Bundesverfassung verankerte Leistungsziel der
Altersvorsorge das Leitmotiv seiner Rentenpolitik. Dieses Leistungsziel lässt
sich am sichersten und gerechtesten über die AHV erreichen. Der SGB
konnte sich in der Kongressperiode als zentraler Akteur für eine gute und
stabile AHV bestätigen. Er thematisierte immer wieder die tiefen Renten und
die so begründeten Sorgen der Erwerbstätigen. Daher lancierte der SGB
seine «AHVplus-Initiative. Für eine starke AHV». Sie verlangte die Erhöhung
der Altersrenten um 10% und hätte endlich bessere AHV-Renten für alle
gebracht. Leider lehnte das Stimmvolk die Initiative im September 2016 ab.
5 Kantone aus der lateinischen Schweiz und über 40% der Bevölkerung
stimmten jedoch zu.

Verpasste Chance für Stärkung der AHV
Dank AHVplus rückte die Stärkung der AHV auch in den Fokus bei der
Reform Altersvorsorge 2020. Die 2014 eröffnete Vernehmlassung über
die gleichzeitige Revision der AHV und der beruflichen Vorsorge zielte
auf eine Schwächung der AHV ab, bei gleichzeitigem starken Ausbau der
beruflichen Vorsorge. Erst in der parlamentarischen Beratung im Ständerat
2016 gelang es – im Wesentlichen dank der geschickten Verhandlung des
SGB-Präsidenten – diese Logik zu durchbrechen und eine Verbesserung der
AHV-Renten in die Vorlage zu integrieren. Diese Stärkung der AHV-Renten
stiess auf erbitterten Widerstand des Arbeitgeberverbands. Der SGB, seine
Mitgliederverbände und die weiteren nationalen Arbeitnehmerorganisatio-
nen beschlossen hingegen die Vorlage zu unterstützen. Denn sie hätte für
Erwerbstätige mit tiefen und mittleren Einkommen bessere Renten gebracht,
die AHV auf eine solide finanzielle Basis gestellt und akute sozialpolitische
Probleme wie etwa die Rentensituation der älteren Arbeitslosen gelöst. Trotz
Erhöhung des Rentenalters befand der SGB, dass auch für die Frauen die

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Soziale Sicherheit: Im Marathon für gute Renten   13
Vorteile überwogen. Die Reform Altersvorsorge fiel aber im September
2017 beim Stimmvolk und bei den Kantonen knapp durch. Dabei spielten
sozialpolitische Argumente wie das höhere Frauenrentenalter, die Senkung
des Mindestumwandlungssatzes aber auch die Tatsache, dass den Rent-
nerInnen keine AHV-Erhöhung zugestanden wurde, eine Schlüsselrolle.
Für den SGB ist klar: Das Scheitern der Altersvorsorge ist eine verpasste
Chance, um endlich die AHV Renten zu verbessern und die AHV finanziell
abzusichern. Dass trotz klaren, demokratisch gefassten Parolen des SGB
die Westschweizer Gewerkschaftsbünde das Referendum ergriffen und eine
aktive Abstimmungskampagne geführt haben, schwächte die Schlagkraft
der Gewerkschaften bei der Durchsetzung von guten Renten.

Gute Pensionskassen-Renten trotz Tiefzinsphase
Damit im Alter der Lebensstandard in etwa gehalten werden kann, sind die
Erwerbstätigen auf eine gute berufliche Vorsorge angewiesen. Der SGB
setzte sich für den Erhalt des Leistungsniveaus der beruflichen Vorsorge ein.
Das von ihm initiierte PK Netz 2. Säule organisierte zahlreichen Tagungen,
Ausbildungsveranstaltungen und Austauschtreffen unter Vertreter/innen der
Arbeitnehmenden in den Stiftungsräten der Pensionskassen. Diese Arbeit, in
der Romandie von der ARPIPE geleistet, ist aktuell besonders wichtig. Denn
die Versicherten der beruflichen Vorsorge leiden unter der Tiefzinssituation.
Diese macht sich in einer immer tieferen Verzinsung der Altersguthaben
und in tieferen Umwandlungssätzen beim Renteneintritt bemerkbar. Die
Folge sind tiefere Pensionskassenrenten. Umso dringlicher wird deshalb
die Stärkung der AHV-Renten. In der Berichtsperiode hat der SGB zudem
unter dem Motto «Keine Profite mit unseren Renten» beharrlich die Rolle der
Privatversicherer, der Banken und der Berater in der Zweiten Säule kritisiert.

Gute Renten bei Unfall und Krankheit
Prekär ist die Rentenabdeckung bei einem Erwerbsausfall wegen gesund-
heitlichen Problemen. Bei einem Erwerbsausfall wegen Unfall können die
Erwerbstätigen auch weiterhin auf eine gute soziale Absicherung zählen.
Die von den Sozialpartnern ausgearbeitete Revision des Unfallversicherungs-
gesetzes (UVG) fand 2015 die Zustimmung der Eidg. Räte. Der SGB brachte
sich bei der Ausarbeitung dieser Revision erfolgreich ein. So wurde das bald
40-jährige Gesetz modernisiert, ohne dass das Leistungsniveau verschlech-
tert worden wäre. Zudem wurde die Governance der Suva gestärkt und somit
ihre Position als sozialpartnerschaftliches geführtes Sozialwerk gefestigt.

14                         Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Soziale Sicherheit: Im Marathon für gute Renten
Anders sieht es aber bei der Rentenabdeckung infolge Krankheit aus. Die
strengere Rechtspraxis und etliche Revisionen der Invalidenversicherung
führten dazu, dass der Zugang zur Rente stark gedrosselt wurde. Der Protest
der Organisation von Menschen mit Behinderung und des SGB gegen die
Verschlechterungen bei der IV haben zu einer Fokusverschiebung bei der
erneuten Revision der IV geführt. Nicht mehr Sparmassnahmen stehen im
Vordergrund, sondern die Weiterentwicklung der beruflichen Integrations-
massnahmen. Dazu führte der Bundesrat 2017 die Nationale Konferenz für
die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung durch. Denn
die Integration in den Arbeitsmarkt verläuft sehr harzig; in der Realität sind
IV-Bezüger/innen immer stärker auf Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen,
um über die Runden zu kommen.

Verteidigung der EL und Sozialhilfe
Die EL haben sich zum unverzichtbaren Bestandteil unseres sozialen Sicher-
heitssystems – insbesondere für die Pflegefinanzierung – gewandelt. Die
ungenügende Rentenabdeckung hat zur Folge, dass die EL an Bedeutung
gewonnen haben und dementsprechend die Ausgaben dafür angestiegen
sind. Eine Revision des EL-Gesetzes mit dem Ziel der Kostendrosselung steht
daher seit 2015 zur Debatte. Gleichzeitig müssen die maximal anrechen-
baren Mietzinsausgaben dringend den gestiegenen Wohnkosten angepasst
werden. Für dieses Anliegen hat sich der SGB stark engagiert. Zusammen
mit den Organisationen der Menschen mit Behinderungen, den Senioren-
verbänden und weiteren Arbeitnehmerorganisationen hat der SGB eine
Allianz zur Verteidigung der EL gebildet. Sowohl die Anpassung der Miet-
zinsmaxima als auch die Sparmassnahmen bei den EL werden die Eidg.
Räte 2018 behandeln.
Die vom SGB intensivierte Vernetzung unter den von den EL betroffenen
Verbänden wirkte sich positiv auf das Lobbying im Parlament aus. Die vom
Ständerat geforderte Besteuerung von EL und Sozialhilfe-Leistungen konnte
2015 verhindert werden. Dies ist ein Lichtblick, denn insbesondere die
Sozialhilfe war geprägt von drastischen kantonalen Abbaumassnahmen. Das
2014 gestartete Nationale Programm gegen Armut hat zwar zur besseren
Koordination der verschiedenen Akteure beigetragen. Materiell konnte das
Programm aber keine Verbesserungen bei der Armutsbekämpfung erzielen.

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Soziale Sicherheit: Im Marathon für gute Renten   15
Spielraum für Ausbau der Erwerbsersatzordnung
Als Erfolgsgeschichte erweist sich die Erwerbsersatzordnung (EO) bei Mut-
terschaft. Die Leistungen verharren jedoch auf einem zu tiefen Niveau. Da
2017 wegen gutem Betriebsergebnis die Lohnabgaben für die EO reduziert
werden konnten, wird der Spielraum für künftige Verbesserungen deutlich.
Etwa für die Finanzierung eines Vaterschaftsurlaubes.

Einreichung der Volksinitiative «AHVplus», 17.12.2013

16                                      Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Soziale Sicherheit: Im Marathon für gute Renten
IV       ARBEITSZEIT, ARBEITSRECHT,
         ARBEITNEHMER-SCHUTZ: ANGRIFFE
         ABGEWEHRT!
Die Gewerkschaften haben in den letzten vier Jahren erfolgreich
Angriffe auf die Ladenöffnungszeiten und die Arbeitszeiterfas-
sung abgewehrt. Im Bereich der Aufarbeitung der Asbest-Tragödie
erzielte der SGB wichtige Verbesserungen. Schliesslich hat die
Grundlagenarbeit im Bereich der Zutritts- und Informationsrechte
zu einem erfreulichen Leitentscheid des Bundesgerichts geführt.

Arbeitszeit: zahlreiche Angriffe abgewehrt
Parlamentarische Vorstösse und Arbeitgeber verlangten die flächendeckende
Abschaffung der Arbeitszeiterfassung sowie weitere Verschlechterungen
im Arbeitsgesetz und seinen Verordnungen. Als Vorwand wurde auf den
starken Franken, die Digitalisierung und die sog. «Entbürokratisierung» ver-
wiesen. Der SGB konnte eine flächendeckende Abschaffung der Arbeitszeit-
erfassung verhindern. Er bot Hand für eine Kompromiss-Revision, welche
für Angestellte mit hoher Autonomie ab Einkommen von 120›000 Franken
brutto gilt, Gratisarbeit verhindert und dafür GAV mit Massnahmen für
den Gesundheitsschutz obligatorisch erklärt. Dennoch sind immer noch
parlamentarische Vorstösse hängig, welche für viele Arbeitnehmende die
Arbeitszeiterfassung sowie die Ruhezeiten abschaffen wollen. Das würde
zusätzliche Sonntags- und Nachtarbeit bedeuten – und mehr Gratisarbeit,
Überarbeitung, Stress, Krankheit, soziale Verarmung. Der SGB wird sich
mit allen Mitteln, inklusive Referendum, gegen solche Wild-West-Deregulie-
rungen wehren. Er hat dafür eine breite Allianz aufgebaut. Im Bereich der
Arbeitszeiten hat der SGB zudem eine Tagung organisiert sowie mehrere
Gutachten, u.a. zu prekären Arbeitsformen wie Pikett oder Arbeit auf Abruf,
in Auftrag gegeben. Sie sind als SGB-Dossier erschienen.

Längere Ladenöffnungszeiten verhindert
Parlamentarische Vorstösse auf Bundes- und Kantonsebene wollten die
Ladenöffnungszeiten verlängern und die schon prekären Arbeitsbedin-
gungen im Verkauf weiter verschlechtern. Der SGB sowie die kantonalen
Gewerkschaftsbünde wehrten sich erfolgreich gegen diese Versuche, auf
dem Buckel der Vereinbarkeit sowie der Lebensqualität des Verkaufsperso-
nals den Verdrängungskampf im Detailhandel fortzuführen. Der SGB wehrt
sich prinzipiell gegen längere Ladenöffnungszeiten, weil diese als Türöffner

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Arbeitszeit, Arbeitsrecht, Arbeitnehmer-Schutz: Angriffe abgewehrt!   17
für alle andere Branchen dienen. Der SGB lobbyierte im Parlament zusam-
men mit den Kantonen und der Sonntagsallianz dezidiert und erfolgreich
gegen ein neues Ladenöffnungszeitengesetz mit schweizweiten Mindest-
öffnungszeiten. Im Detailhandel wurden neue wichtige GAV abgeschlossen
(z.B. Tankstellenshops).

Gesundheit und Arbeitssicherheit: mehr Prävention bei
gefährlichen Stoffen
Aufgrund von gewerkschaftlichen Interventionen ist die Prävention gegen
gefährliche Stoffe am Arbeitsplatz, insbesondre Nanomaterialien, verbessert
worden. Das gilt auch für den Bereich Asbest. So hat der Bund einen Vor-
schlag des SGB umgesetzt und neu den Kantonen vorgeschrieben, dass für
Um- und Ausbauarbeiten bei der Erteilung der Bewilligung das Vorhanden-
sein von Asbest geprüft sowie eine fachkundige Entfernung vorgesehen
sein müssen. Auch die Bewältigung der Asbesttragödie hat Fortschritte
gemacht: Für die Opfer insbesondere des tödlichen Mesothelioms und ihre
Familien wurden bürokratische Hürden abgebaut, die Ausbezahlung von Ent-
schädigungen durch die SUVA beschleunigt und ein Entschädigungsfonds
EFA gegründet, um v.a. nicht UVG-Versicherte schnell und unkompliziert
zu entschädigen und zu betreuen. Der Bundesrat hatte dazu wie vom SGB
gefordert einen Runden Tisch eingesetzt. Der SGB ist im Stiftungsrat des
EFA vertreten.
Für Nano-Materialien sind neu eine Kennzeichnungspflicht sowie die Auf-
nahme in ein Register vorgesehen.
Auch im Bereich des Jugendschutzes wurden Arbeitssicherheit und Gesund-
heit verbessert (Revision der Verordnung über gefährlichen Arbeiten bei
Jugendlichen). Gestärkt wurde vor allem die entsprechende Kontrolle der
Lehrbetriebe. Aus diesem Grund akzeptierte der SGB eine Senkung des
Lehrlingsalters für gewisse Berufe.

Digitalisierung: grundlegende Analysen verfasst
Der SGB hat mit der Durchführung einer Tagung zum Thema Arbeitsrecht
und Digitalisierung, mit der Publikation einer Studie (als SGB-Dossier) und
mit der Gründung einer Arbeitsgruppe zu Fragen der Digitalisierung grund-
legende Analysen vorgelegt. Er setzt sich dafür ein, dass die Digitalisierung
den Berufstätigen nützt. Dazu wurde ein Katalog mit Forderungen und Mass-
nahmen entwickelt. Dessen Themen: Kontrollen gegen digitale Schwarz-
arbeit, Regelungen für das Homeoffice, GAV in gefährdeten Branchen,

18             Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Arbeitszeit, Arbeitsrecht, Arbeitnehmer-Schutz: Angriffe abgewehrt!
Offensive in der Aus- und Weiterbildung sowie besserer Kündigungsschutz
für langjährige ältere Arbeitnehmende.

Gewerkschaftsrechte: Sensibilisierung der juristischen
Öffentlichkeit
An zwei grossen öffentlichen Tagungen, in zahlreichen Gutachten und in zwei
SGB-Dossiers wurden die arbeitsrechtliche Bedeutung der Europäischen
Menschenrechtskonvention, der ILO-Übereinkommen sowie die verfas-
sungsmässigen Zutritts- und Informationsrechte der Gewerkschaften in den
Betrieben dargelegt. Diese Sensibilisierung der juristischen Öffentlichkeit hat
zu einer Anpassung der Praxis von vielen Behörden, insbesondere Staats-
anwaltschaften sowie Gerichten, geführt. Besonders wichtig ist ein Leitent-
scheid von 2017 des Bundesgerichts zu einem Tessiner Fall des VPOD, wo
den Gewerkschaften erstmals grundsätzlich Zutritts- und Informationsrechte
am Arbeitsplatz zugestanden wurden.
Äusserst unbefriedigend bleibt die Lage dagegen beim Kündigungsschutz
für Mitglieder von Personalkommissionen, Stiftungsräte von Pensionskassen
und Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb. Trotz klaren Vorgaben der ILO auf-
grund einer Beschwerde des SGB sowie mehrerer Gutachten im Auftrag des
BJ/SECO und des SGB, die aufzeigen, dass das Schweizer Kündigungs-
recht nicht verfassungs- und völkerrechtskonform ist, haben Bundesrat und
Parlament bis jetzt nicht gehandelt. Der SGB wird weiterhin vor nationalen
Gerichten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in der
ILO sowie im Parlament für einen effektiven Schutz vor antigewerkschaft-
lichen Kündigungen kämpfen.

Einreichung der Volksinitiative «AHVplus», 17.12.2013

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Arbeitszeit, Arbeitsrecht, Arbeitnehmer-Schutz: Angriffe abgewehrt!   19
V    GLEICHSTELLUNG: VOLLER EINSATZ FÜR
     EIN GESETZ MIT ZÄHNEN
Die SGB-Gewerkschaften haben sich in der Berichtsperiode mit
Nachdruck für die Gleichstellung engagiert. Dank dem Impuls des
12. SGB-Frauenkongresses hat der Bundesrat nach dem Scheitern
des Lohngleichheitsdialogs eingesehen, dass freiwillige Mass-
nahmen im Kampf gegen Lohndiskriminierung nicht ausreichen.
Er hat eine Revision des Gleichstellungsgesetzes aufgegleist. Der
SGB setzt energisch für eine Revision ein, die den andauernden
Verfassungsbruch eliminiert.
Die letzten vier Jahre waren geprägt vom verstärkten Kampf für die Umset-
zung der Lohngleichheit. Der Frauenkongress vom Herbst 2013 hatte die
Debatte um die Lohngleichheit neu lanciert. Er hatte Bundesrätin Simonetta
Sommaruga das Versprechen abgenommen, sich verstärkt für die Umset-
zung der Lohngleichheit zu engagieren. Im Oktober 2014 verabschiedete
der Bundesrat darauf seine Eckwerte zur Revision des Gleichstellungsge-
setzes (GlG). Diese kommen den SGB-Forderungen zumindest entgegen,
eine behördliche Durchsetzungskompetenz sehen sie allerdings nicht vor.
Die Ankündigung des Bundesrates hat eine starke Gegenwehr ausgelöst:
Die Arbeitgeberorganisationen ziehen seither die offiziellen Lohnstatistiken
des Bundesamtes für Statistik in Zweifel. Sie werfen Gewerkschaften und
Bundesrat vor, eine «Lohnpolizei» installieren zu wollen. Der Arbeitgeberver-
band hat sich so neu positioniert. Zu Beginn des Lohngleichheitsdialogs
erachtete auch er die Lohndiskriminierung als unerwünschte Tatsache.
Auf Anregung des 12. SGB-Frauenkongresses hat am 7. März 2015 ein
breites Bündnis von 48 Frauenorganisationen unter dem Lead der SGB-
Frauen mit einer überwältigenden Demonstration ein starkes Zeichen für
die Lohngleichheit gesetzt. 12‘000 Frauen und solidarische Männer haben
auf dem Bundesplatz friedlich und kraftvoll für Lohnkontrollen demonstriert.
Es war die grösste Frauendemo in der Schweiz seit 1991.
Eine wichtige Rolle im Vorfeld der Demonstration hat das «Manifest 7. März»
gespielt, in dem 100 prominente Erstunterzeichnerinnen und weit über
5000 Unterzeichnende innerhalb von nur einer Woche die Lohngleichheit
gefordert haben. Der grosse Aufwand hat sich gelohnt: Die damalige Bun-
despräsidentin Simonetta Sommaruga hat das Manifest mit grossem Dank
persönlich entgegengenommen, ein wichtiges Zeichen.

20                   Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Gleichstellung: Voller Einsatz für ein Gesetz mit Zähnen
Das Bündnis Lohngleichheit trifft sich seit der Demo regelmässig, um im
politischen Prozess die Lohngleichheit vorwärtszubringen. Es nimmt im
politisch schwierigen Umfeld Einfluss auf wichtige Parlaments- und Bundes-
ratsentscheide: 2016 ist es ihm gelungen, den Nationalratsentscheid, die
Revision des GlG aus der bundesrätlichen Legislaturplanung zu kippen,
rückgängig zu machen.
In der Vernehmlassung zur Revision des GlG forderte der SGB 2016 Lohn-
kontrollen und Sanktionen bei Nichteinhaltung des Gesetzes. Am 14. Juni
2016 nutzten die SGB-Frauen den 25. Jahrestag des Frauenstreiks, um
unter dem Motto «Wir wollen den ganzen Kuchen!» schweizweit auf diese
Forderung aufmerksam zu machen.
Ab dem 14. Juni 2017 organisierten die SGB-Frauen jeweils mittwochs
Mahnwachen auf dem Bundesplatz, bis der Bundesrat am 5. Juli 2017
seine Botschaft zur Gesetzesrevision veröffentlichte. Die Botschaft kommt
den Arbeitgeberorganisationen sehr weit entgegen und entspricht den
SGB-Forderungen nicht. So ist mit der Variante einer Schwarzen Liste, auf
der säumige Unternehmer verzeichnet würden, auch die letzte Sanktions-
möglichkeit weggefallen.
Aufgrund der harzigen Entwicklungen bei der Gesetzesrevision hat die
SGB-Delegiertenversammlung im März 2017 per Resolution die Prüfung
einer Initiative zur Umsetzung der Lohngleichheit beschlossen. Am 3. Novem-
ber 2017 haben die SGB-Delegierten entschieden, einen Initiativtext zwar
auszuarbeiten, aber den Fokus der gewerkschaftlichen Arbeit 2018 auf die
Begleitung der parlamentarischen Beratung der GlG-Revision zu setzen und
den nötigen Druck für Verschärfungen aufzubauen. Die Lohngleichheit ist
deshalb 2018 ein Schwerpunkt des SGB und auch als Thema des 1. Mai
gesetzt, der unter dem Motto «Lohngleichheit. Punkt. Schluss!» stattfinden
wird. Mittlerweile hat der Ständerat beschlossen, auf die Vorlage zwar ein-
zutreten, sie aber an die Kommission zurückzuweisen zwecks Prüfung von
Alternativen zu den Kontrollen. Insbesondere sollen erneut Modelle der
Selbstdeklaration geprüft werden. Dieses Verzögerungsmanöver hat der
SGB harsch kritisiert und für den 8. März zu einer Protest-Platzkundgebung
aufgerufen.

Bezahlte und unbezahlte Arbeit besser vereinbaren
Die ungleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit wird von den
Schwierigkeiten, Berufs- und Familienarbeit zu vereinbaren, begünstigt und
hat direkte Auswirkungen auf die Verteilung von Karrierechancen und auf die

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Gleichstellung: Voller Einsatz für ein Gesetz mit Zähnen   21
zeitlichen und finanziellen Ressourcen von Frauen. Der SGB hat sich in der
nationalen Politik aktiv für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie
eingesetzt. So hat er erfolgreich die Vorlage zu den Finanzhilfen für die fami-
lienergänzende Kinderbetreuung verteidigt: Nach hitzigen Debatten haben
sowohl National- und Ständerat die 100 Millionen Franken gesprochen, die
in erster Linie den Kostenanteil der Eltern senken sollen.
Die Frauenkommission hat am 1. Juli 2015 zum 10-jährigen Jubiläum des
Mutterschaftsurlaubs ihre entsprechenden Forderungen bekräftigt: 24
Wochen Elternzeit, paritätisch zwischen den Eltern aufgeteilt, sowie ein
18wöchgier Mutterschaftsurlaub und ein achtwöchiger Vaterschaftsurlaub,
beide bei hundertprozentigem Erwerbsersatz.

Aktion «Lohnkontrollen jetzt!», 14.6.2017 in Bern.

22                                Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Gleichstellung: Voller Einsatz für ein Gesetz mit Zähnen
VI        DEN SERVICE PUBLIC STÄRKEN.
          JETZT ERST RECHT!
Die SGB-Gewerkschaften haben führend daran mitgeholfen, die
gefährliche «Pro Service public»-Initiative an der Urne zu versenken.
Sie konnten ihre starke Position als Sozialpartner der bundesnahen
Unternehmen behaupten. Sie mussten allerdings Sparpaketen der
öffentlichen Hand entgegentreten. Und sie mussten einer Geschäfts-
politik der bundesnahen Unternehmen opponieren, die Abbau bei
den Arbeitsbedingungen mit der technologischen Entwicklung
rechtfertigen wollten.
Beim Bund, in den Kantonen und Gemeinden herrscht ein Spardiktat.
Beim Bundespersonal und den Verwaltungsangestellten in den meisten
Kantonen stagnierte die Lohnentwicklung. Beim Bund wurde und wird das
Personalrecht schrittweise dem Obligationenrecht angepasst. Tiefgreifende,
anhaltende Veränderungen in Nachfrage und Angebot in allen Infrastruktur-
bereichen wirkten sich massiv auf den Personalbestand und die Arbeits-
bedingungen aus. Die Umstellung auf digitale Dienstleistungen und der
Abbau von Schalterangeboten bei Post und SBB haben die Debatte über
den Service public lange über die Abstimmung zur Initiative «pro Service
public» vom Juni 2016 hinaus befeuert. Und seitens Bundesverwaltung und
Bundesrat wird beim öffentlichen Verkehr und neuerdings auch wieder beim
Strom Wettbewerb und Vollliberalisierung gefordert.
Die SGB-Gewerkschaften konnten ihre starke Position als Sozialpartner der
bundesnahen Unternehmen behaupten und weitere Gesamtarbeitsverträge
in der Logistik und Telekommunikation sowie im Nahverkehr abschliessen.
Dank Interventionen bis hin zu rechtlichen Schritten seitens der Gewerk-
schaften, z. B. in der Revision des Fernmeldegesetzes oder in der Ausein-
andersetzung zu den Dumpinglöhnen von Crossrail, konnte das Prinzip der
Einhaltung von branchenüblichen Arbeitsbedingungen in den Infrastruktur-
branchen weiterhin durchgesetzt werden.
Die starke Position des Bundes als Haupteigner der marktbeherrschen-
den Verkehrs-, Logistik- und Telekommunikationsunternehmen SBB, Post
und Swisscom findet weiterhin starken Rückhalt in der Bevölkerung. Eine
weitergehende Privatisierung der Swisscom wurde in einer repräsentativen
Umfrage deutlich abgelehnt. Die Bevölkerung sieht im Besitz der öffentlichen
Hand eine Garantie für eine gute, flächendeckende Versorgung, allerdings
wächst die Kritik am Geschäftsgebaren der drei Unternehmen. Dies zeigte

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Den Service public stärken. Jetzt erst recht!   23
sich deutlich in der Debatte um die «pro Service public»-Initiative. Der SGB
und die Service public-Gewerkschaften VPOD, SEV und syndicom haben
eine erfolgreiche Kampagne gegen die Initiative geführt, die im Juni 2016
abgelehnt wurde. Gewisse Forderungen aus der Initiative wie Lohndeckelung
für das Management und keine Gewinnmaximierung auf Kosten der Versor-
gung wurden und werden jedoch auch von den Gewerkschaften unterstützt.
Am stärksten in der Kritik steht die Post mit dem rasanten Abbau der Post-
stellen und dem Umbau des gesamten Netzes in der ganzen Schweiz.
Die gesetzlichen Mindestvorgaben zur Grundversorgung erweisen sich
als nutzlos um diesen radikalen Wandel im Dienstleistungsangebot zu
verhindern. Das Unternehmen richtet sich konsequent nach der grössten
Wirtschaftlichkeit aus. Nicht zuletzt dank einer starken gewerkschaftlichen
Gegenkampagne wurde erreicht, dass das Parlament nun eine Überarbei-
tung der Kriterien zur Grundversorgung verlangt. Eine Arbeitsgruppe unter
der Leitung der zuständigen Bundesrätin wird diese bis im Frühjahr 2018
vorlegen. Das Restmonopol der Post im Briefversand bleibt bestehen.
Die Skepsis der Bevölkerung gegenüber Privatisierungen und Deregulierun-
gen im Service public darf weiterhin als solide eingeschätzt werden. Das gilt
für Vorhaben in den Kantonen und in den Gemeinden (Spitalprivatisierungen,
Auslagerung von Elektrizitätsunternehmen), wo immer die Gewerkschaften
die Gegenkampagnen anführten. Die Stimmungslage bewog den Bundesrat,
seine erklärte Absicht, den Strommarkt in der Berichtsperiode vollständig
zu liberalisieren, fallenzulassen. Denn, das zeigten die Ergebnisse der dies-
bezüglichen Vernehmlassung deutlich, ohne ein flankierendes Stromabkom-
men mit der EU würde dies keine zustimmende Mehrheit finden. Auch hier
haben die Haltung von SGB und Gewerkschaften den bundesrätlichen Ent-
scheid massgeblich beeinflusst. Das Projekt ist jedoch lediglich sistiert, das
Parlament ist mittlerweile unter dem Einfluss der Stromkonzerne geneigt, die
Vollliberalisierung voranzubringen. Diese sehen sich im Nachteil gegenüber
den Verteilnetzbetreibern, die ihren Strom zu festen Preisen an die Klein-
verbraucher verkaufen können. Und sie erhoffen sich von der kompletten
Strommarktöffnung Schwung für das Stromabkommen mit der EU, ohne
welches sie beim europaweiten Stromhandel preislich benachteiligt werden
könnten. Dieses wird aber ohne ein Rahmenabkommen zu den institutio-
nellen Fragen nicht zustande kommen.
Der stärkste Rentabilitäts- und Wettbewerbsdruck durch die Politik herrscht
ausgerechnet im Schienenverkehr, wo 2015 mit dem Bahninfrastrukturfonds

24                           Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Den Service public stärken. Jetzt erst recht!
FABI eine unbefristete, nachhaltige Finanzierung in der Bundesverfassung
verankert wurde. Sowohl Personen- wie Güterverkehr haben in der Berichts-
periode massiv zugelegt, ein Trend, der die nächsten Jahre ungebremst
anhalten wird. Die starke Belastung der Infrastruktur verursacht hohe Unter-
haltskosten, Ausbauprojekte müssen realisiert werden. Die Kosten des öffent-
lichen Verkehrs sind ein politischer Dauerbrenner. Noch immer herrscht die
Einschätzung vor, dass durch Wettbewerb mehr Effizienz zu erlangen sei.
Das revidierte Gütertransportgesetz verlangt nun die Eigenwirtschaftlichkeit
des Schienengütertransports auch in der Fläche, SBB Cargo soll durch eine
diversifiziertere Eigentümerschaft stärker verselbstständigt und effizienter
werden. Das Bundesamt für Verkehr hat 2017 anhand der Erneuerung der
Fernverkehrskonzession über Monate einen ressourcenzehrenden Streit
zwischen SBB und BLS eskalieren lassen und zudem Spekulationen über
eine Fernverkehrsbewilligung für das Busunternehmen Domo genährt. Der
Widerstand gegen dieses Vorhaben war gross, weshalb das BAV davon
absah. Der Konflikt ist aber nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Der
Kostendruck, der auf die Unternehmen ausgeübt wird, geht zu Lasten des
Personals.
Die technologische Entwicklung hat zu tiefgreifenden Veränderungen im
Service public geführt. In der Logistik führte dies zu einer verstärkten Zusam-
menarbeit der Service public-Gewerkschaften SEV und syndicom mit der
Unia. Das gemeinsame Projekt «FairLog» soll der Deregulierung der Arbeits-
bedingungen entgegentreten.
Die grössten negativen Auswirkungen zeigen sich bei den Printmedien,
wo es aufgrund des Einbruchs der Werbung und wegen Abonnementsver-
lusten zu einem rasanten Stellenabbau kam. Die Konzentration auf wenige
marktbeherrschende Unternehmen setzte sich fort. In der Deutschschweiz
gibt es für die Printmedien weiterhin keinen Gesamtarbeitsvertrag. Die
Zukunft der Mitgliederpresse ist ungewiss, die Tariferhöhungen der Post
beim Zeitungsversand konnten auch dank Intervention des SGB verzögert,
aber nicht verhindert werden. Eine destruktive Auseinandersetzung um die
SRG kulminierte in der populistischen Initiative «No Billag», die nach einem
intensiven Abstimmungskampf am 4. März 2018 deutlich mit 71,6 Prozent
und allen Standesstimmen bachab geschickt wurde. Trotz Ohrfeige für die
Initianten konzentrierte sich die Diskussion in den Medien sofort wieder auf
die angeblich zu grosse und zu mächtige SRG.

Tätigkeitsbericht SGB 2014-2017 / Den Service public stärken. Jetzt erst recht!   25
Der SGB organisierte im Winter 2014 und im Winter 2016 je eine Tagung zu
aktuellen Fragen des Service public. Klar wurde dabei u.a., dass Privatisie-
rungen und Auslagerungen aus ökonomischer Sicht für den Service public
keine Erfolgsmodelle seien.

Service public-Tagung, 27.2.2014 in Bern.

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