Urbane Wärme wende - Smart Cities

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Urbane Wärme wende - Smart Cities
2019

       Urbane
       Wärme
        wende
Urbane Wärme wende - Smart Cities
Cover Illustration: Stefanie Hilgarth
Urbane Wärme wende - Smart Cities
Inhaltsverzeichnis

VORWORT                                                                                                              Seite 03

ecoRegeneration: Entwicklung einer „Merit-Order“
bei Regenerationswärme für Erdsondenfelder in urbanen Wohngebieten                                                   Seite 05

            In ecoRegeneration wurden verschiedene Optionen innerhalb eines Siedlungsgebietes überprüft um die erfor-
            derliche Regenerationswärme für Erdsondenfelder bereitzustellen. Erarbeitet wurden Geschäftsmodelle und
            bewertete Wärmepreise von sämtlichen Lösungen, sodass eine Art „Merit-Order“ für Regenerationswärme erstellt
            werden konnte.

Hybrid DH: Sondierung einer hybriden Netzeinspeisung im städtischen Fernwärmesystem Neusiedl am See                  Seite 13

            Das Ziel des Forschungsprojektes ist die Erarbeitung der technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen
            Aspekte zur Entwicklung eines gesamtheitlichen Konzeptes für die hybride Einspeisung des Fernwärmenetzes von
            Neusiedl am See. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei die effiziente Aufnahme von regionaler erneuerbarer Energie.

DeStoSimKaFe: Konzeptentwicklung & gekoppelte deterministisch/
stochastische Bewertung kalter Fernwärme zur Wärme- & Kälteversorgung                                                Seite 19

            Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist die Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit innovativer und nachhaltiger
            Wärme- und Kälteversorgung auf Basis von Kalter Fernwärme zu ermöglichen, indem die methodischen und
            simulationstechnischen Grundlagen für die Planung und langfristige Bewertung entwickelt werden.

Speicherstudie: “Big Solar Feldbach”                                                                                 Seite 27

            Im Rahmen des Klima- und Energiemodellregion Leitprojekts „Big Solar Feldbach“ wurde die techno-ökonomische
            Einbindung von Solarthermie und eines Saisonspeichers in das Fernwärmenetz Feldbach untersucht.

giga_TES: Giga-Scale Thermal Energy Storage for Renewable Districts                                                  Seite 33

            Das Leitprojekt giga_TES zielt darauf ab, Großspeicherkonzepte für Distrikte zur Einbindung eines hohen Anteils an
            erneuerbaren Energien zu entwickeln. Besonderer Fokus wurde auf realisierbare Umsetzungen in Österreich gelegt.

GeoTief Wien: Exploration Tiefer Geothermie in Wien                                                                  Seite 43

           Bei GeoTief Wien geht es um die wissenschaftlich fundierte und auf dem höchsten Stand der Technik durchgeführte
           Erforschung und Vermessung der Geologie im östlichen Raum Wiens. Dabei werden mögliche Wärmepotenziale
           erforscht und die Entscheidungsgrundlage für mögliche Wärmeprojekte der Zukunft gelegt.

Alle geförderten Projekte im Überblick                                                                               Seite 48
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    € 18.000.000,00
    € 16.000.000,00
    € 14.000.000,00
    € 12.000.000,00
    € 10.000.000,00
     € 8.000.000,00
     € 6.000.000,00
     € 4.000.000,00
     € 2.000.000,00
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                           2007       2008         2009   2010   2011   2012   2013   2014   2015       2016     2017

                                                                                                        Modellregionen
                                                                                                            Forschung
                                                                                               Erneuerbare Energien
    QUELLE:                                                                                            Energieeffizienz
    Klima- und Energiefonds, Stand: Februar 2019                                                    Bauen und Sanieren

                                   „		Der Wärmesektor ist für einen Großteil des österreichischen Endenergie-
   Z I TAT
                                     verbrauchs verantwortlich. Gerade in diesem Bereich sind neue innovative
                                     Ansätze notwendig um die Dekarbonisierung unseres Energiesystems
                                     voranzutreiben. Der Klima- und Energiefonds ist mit seinen Programmen
                                    ein wichtiger Treiber der urbane Wärmewende!“
                                    THERESIA VOGEL, GESCHÄFTSFÜHRERIN DES KLIMA- UND ENERGIEFONDS
Urbane Wärme wende - Smart Cities
Vorwort

                                      Mit der Wärmewende die Klimaziele erreichen
                                      Urbane Wärmewende – das große Potenzial

Der Wärmebereich ist für mehr als 50 % des österreichischen Endenergieverbrauchs verantwortlich und wird
zu einem Großteil von rund 60 % noch mit fossiler Energie abgedeckt. Gerade im urbanen Raum ist daher eine
erfolgreiche Wärmewende von zentraler Bedeutung für die Erreichung der nationalen und internationalen
Pariser Klimaziele.

Deshalb fördert der Klima- und Energiefonds seit seiner Gründung im Jahr 2007 fast 570 innovative Forschungs-
und Umsetzungsprojekte im Bereich „Urbane Wärmewende“ und unterstützt die Entwicklung von bedeutsamen
und neuen Innovationen mit mehr als 100 Millionen Euro. Durch diese Förderungen konnten Investitionen in
Höhe von über 250 Millionen Euro ausgelöst werden und neue wichtige Erkenntnisse im Bereich Wärmespeicher,
Wärmenetze, Sektorkopplung und Wärmeerzeugung gewonnen werden.

Ein weiterer Schwerpunkt des Klima- und Energiefonds ist die Überleitung von Forschungsergebnissen in den
Markt. Dadurch soll die Marktdurchdringung von klimarelevanten und nachhaltigen Energietechnologien
gefördert und der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt werden. Durch seine Forschungs- und Marktdurch-
dringungsprogramme ist der Klima- und Energiefonds ein wichtiger Treiber der urbanen Wärmewende.

Auch im Regierungsprogramm der Bundesregierung wird die Erarbeitung und Umsetzung einer Wärmestrategie
mit erneuerbarer Wärme in der Wirtschaft, im öffentlichen und privaten Bereich angestrebt. Der Klima- und
Energiefonds leistet auch hier einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der ambitionierten Ziele der Bundes-
regierung und zeigt mit seinen geförderten Projekten auf, wie die urbane Wärmewende gelingen kann.

Eine aufschlussreiche Lektüre wünschen Ihnen

Ihr Klima- und Energiefonds
Urbane Wärme wende - Smart Cities
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      EIT NG
  L
               Projektleitung: GERHARD HOFER
               e7 Energie Markt Analyse GmbH
PROJEKTNUMMER: 854649

                   ecoRegeneration
                   Entwicklung einer „Merit-Order“ bei Regenerationswärme für Erdsondenfelder in urbanen Wohngebieten

Einleitung
Als Alternativen zur gängigen Wärmeversorgung in                 kann (Hässig, 1998). Hier gibt es die Herausforde-
urbanen Wohngebieten mit Fernwärme oder Gas-                     rung, dass der Wärmeentzug aus der Wärmeeintrag
Kessel bieten sich Lösungen mit Wärmepumpen                      in die Erdsonden annähernd ausgeglichen sein
und Erdsonden(feldern) an. Eine Untersuchung im                  soll, um kein zusätzliches System für Heizen oder
Auftrag der Stadt Wien (Stadt Wien MA 20, 2016) hat              Kühlen einsetzen zu müssen.
                                                               _ Großvolumige Wohngebäude sowie in urbanen
ergeben, dass diese Art der Wärmeversorgung über
den Lebenszyklus auch wirtschaftlich sein kann. Da               Wohngebieten: hier ist die Ausgangsposition
in urbanen Wohngebieten vornehmlich Wärme zur                    schwieriger. Aufgrund des großen Wärmebedarfs ist
Raumheizung und für das Warmwasser benötigt wird,                hier die Anordnung einer Vielzahl von Erdsonden in
ist eine ausgeglichene Wärmebilanz der Erdsonden-                einem Erdsondenfeld erforderlich. Aufgrund der
felder nicht möglich. Daher ist eine thermische                  hohen Wärmeentzugsdichte erfolgt eine übermä-
Regeneration der Erdsonden mit anderen Wärme-                    ßige Abkühlung des Erdreiches. Diese Abkühlung
bereitstellungslösungen erforderlich.                            bewirkt zum einen eine geringere Effizienz des
Eine Regeneration der Erdsonden ist dann erforderlich,           Energiekonzeptes und kann zum anderen zur
wenn die Erdsonden den Ausgleich der entnommenen                 Frostbildung in den Sonden und somit zu einem
Wärme im Winter nicht durch die Umgebung im Erd-                 „Totalschaden“ der Erdsonden führen. In diesem
reich oder durch einen gegenläufigen Kühlbetrieb im              Konzept kann die Nutzung oberflächennaher
Sommer und saisonaler Speicherung bewältigen kön-                Geothermie nur bei gleichzeitiger Regeneration
nen. Die Regenerationserfordernisse hängen von der               des Erdreiches erfolgen. (Stadt Zürich, 2015)
Größe und der Nutzung des Gebäudes ab:
                                                               Als Erdsondenfelder werden rasterartige Anordnungen
_ Kleinere Wohngebäude, eine oder nur wenige                   von Tiefenbohrungen verstanden, welche mit Wärm-
  Erdsonden: In diesem Fall ist die Beeinflussung              tauscherrohren bestückt sind, durch die eine Wärme-
  von anderen Erdsonden nicht oder nur gering                  trägerflüssigkeit im geschlossenen Kreislauf geführt
  vorhanden, sodass keine Regeneration erforderlich            wird und so dem umgebenden Erdreich je nach
  ist (ZHAW, 2018).                                            Anforderung Wärme entzieht oder an dieses abgibt.
_ Gebäude oder Siedlungen mit Mischnutzung                     Typische Tiefenentwicklungen betragen 100 bis 250 m.
  (Wohn- und gewerbliche Nutzung): hier kann                   Erdsonden bieten sich als sehr effektive und tempera-
  dieses Konzept gut eingesetzt werden, da sowohl ein          turstabile Wärmequellen für Wärmepumpensysteme
  Heiz- als auch ein Kühlbedarf vorliegt, der durch die        an und zeichnen sich für die Anwendung im urbanen
  Wärmepumpe mit Erdsonden abgedeckt werden                    Kontext durch ihren geringen Flächenbedarf aus.
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      Lösungen für Regenerationswärme                                                                                     TABELLE 1

                   Bestehende Wärme nutzen (Abwärme)                                      Wärme neu schaffen

                   im Gebiet                      angrenzend                   am Gebäude               angrenzend am Gebäude

                                                                          bereits
                                          Nicht-Wohnnutzung mit        eingeplante     zusätzliche
                im Wohngebäude                                                                          Zusätzliche Technologie
                                             hoher Abwärme             Technologie     Technologie
                                                                          nutzen

                            Nicht-
          Wohnnutzung                        Fokus Datencenter            Liste an Technologien         Fokus Asphalt-kollektor
                         Wohnnutzung

      1

          LLE
     UE                  Literatur
            N
 Q

                         Hässig W. et al (1998) Regeneration von Erdwärmesonden, Phase 1: Potenialabschätzung.
                         Bundesamt für Energie, Forschungsprogramm Umgebungs- und Abwärme.
                         Huber A. (2014) Speicherung von Wärme in Erdwärmesonden. Huber Energietechnik AG. Zürich.
                         Magistrat der Stadt Wien MA 20 – Energieplanung (2016) Energieversorgungsoptionen für das
                         Stadtentwicklungsgebiet Donaufeld.
                         Untersuchung von acht unterschiedlichen Energieversorgungssze-narien, die für das Stadtentwicklungs-
                         gebiet infrage kommen.
                         Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW (2018) Optimierung von Erdwärmesonde,
                         Erdsonden regenerieren, http://www.erdsondenoptimierung.ch/index.php? id=269187, Abgerufen: 09.08.2018
                         Stadt Zürich, Amt für Hochbauten (2015) RegenOpt, Optimionen zur Vermeidung nachbarschaftlicher
                         Beeinflussung von Erdwärmesonden: energetische und ökonomische Analysen. Schlussbericht.
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Ohne Regeneration sinkt die Temperatur im Sonden-           Gastronomiebetrieben oder Bäckereien, die auch
rücklauf deutlich ab wogegen mit Regeneration keine         in urbanen Wohngebieten – in der Regel im Erd-
Abkühlung eintritt. Bei ausgeglichener Energiebilanz        geschoß von Gebäuden – angesiedelt werden.
                                                          _ Abwärme, im Gebiet oder angrenzend, Fokus Daten-
der Sonden verhält sich ein Sondenfeld ähnlich wie
eine Einzelsonde. Dadurch kann auch die Anzahl von          center: ein weiter Möglichkeit für Abwärme sind
Erdsonden eingespart werden, da ein höherer Ertrag          Datencenter/Rechenzentren. Hier wird an 365 Tagen
möglich ist. Es ist sogar eine höhere „Aufladung“ des       im Jahr Abwärme generiert. Entscheidend dabei
Erdreichs möglich, sodass die mittlere Erdreichtempe-       ist, die gezielte Ansiedelung von Datencentern in
ratur ansteigt. Dadurch wird die Effizienz des Energie-     urbane Wohngebiete, um diese Wärme direkt vor
konzeptes erhöht und die Anzahl der Erdsonden               Ort nutzen zu können.
                                                          _ Wärme neu schaffen: Hier sind Technologien
verringert (Huber, 2014).
                                                            abgebildet, die Wärme im Sommer möglichst CO2
Fragestellung                                               neutral bereitstellen können. Entscheidend dabei
Die Ausgangssituation ist eine Wärmeversorgung              ist die Integration in das Wärmekonzept sowie die
mittels Wärmepumpe und Erdsondenfeld sowie eine             Lebenszykluskosten der Technologien.
                                                          _ Wärme neue schaffen, Asphaltkollektor: Asphalt-
überwiegende Wohnnutzung im gesamten Untersu-
chungsgebiet. In diesem Fall wird im Erdsondenfeld          kollektoren sind Systeme aus in die Asphaltdecke
überwiegend Wärme entzogen. Welche kostengünsti-            von Straßen- oder Gehbelägen eingelegten Wärme-
gen Lösungen sind verfügbar, um das Erdsondenfeld im        tauscherrohren. Sie weisen außerdem die Zusatz-
Zeitraum von einem Jahr ausgeglichen zu bilanzieren?        nutzen der Verlängerung der Asphaltlebensdauer
Können die Lösungen anhand einer Reihenfolge ent-           und der Senkung der Wärmeabstrahlung des
sprechend der Gesamtkosten für die Regenerations-           Asphalts und somit der Milderung von Urban-
wärme gelistet werden, sodass eindeutig ersichtlich         Heat-Island-Effekten, die zunehmende Bedeutung
ist, welche Lösung die nächstgünstigste ist? Können         aufweisen.
die Lösungen für Regenerationswärme ähnlich einer
Merit-Order für Kraftwerke dargestellt werden?            Methode
                                                          Zur Ermittlung der Wärmekosten für Technologien
Technologien Und Lösungen                                 und Lösungen für die Regenerationswärme wurden
Die Möglichkeiten für Regenerationswärme                  zwei Modellgebäude mit jeweils zwei unterschied-
sind in Tabelle 1 dargestellt.                            lichen Niveaus der Energienachfrage definiert. Das
                                                          große Gebäude umfasst eine Bruttogrundfläche (BGF)
_ Abwärme, in Wohngebäuden, Wohnnutzung:                  von 18.000 m². Diese Art von Gebäuden haben rund
  Gängige Lösung zur Regeneration von Erdsonden           6 - 8 Geschoße und sind in sehr dicht besiedelten
  ist das Entziehen von Wärme aus den Wohnungen           Städten, vor allem in Wien, zu finden. Das mittelgroße
  über Free-Cooling. Die Nutzung von Flächenhei-          Gebäude hat eine Fläche von 3.000 m² BGF. Diese
  zungen zur Raumkühlung bietet sich als Wärme-           Größenordnung von Gebäuden kommt auch in mitt-
  quelle zur Regeneration der Sondenfelder an.            leren und kleineren Städten vor. Für die Wärmenach-
_ Abwärme, in Wohngebäuden, Nicht-Wohnnutzung:            frage für Warmwasser und Raumheizung wurde in
  Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von            ein Normal- und ein Effizienzszenario definiert. Die
  Abwärme der Kühlung für gewerbliche Nutzung.            Niveaus für die Wärmenachfrage liegen bei 63 bzw.
  Beispielsweise die Kühlung von Supermärkten,            42 kWh/m² BGFa für das große Gebäude, sowie bei
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    Werte für Berechnungsparameter und Sensitivitäten                                                TABELLE 2

                     Parameter NOMINALWERTE                        Basiswert   Sensitivität   Einheit

    Kalkulationszinssatz                                              3,0          7,0         %/a

    Betrachtungszeitraum                                              30                      Jahre

    Inflation/Preissteigerung allgemein                               1,0                      %/a

    Preissteigerung Bau                                               2,5                      %/a

    Preissteigerung Haustechnik                                       2,5                      %/a

    Preissteigerung Wartung/Instandsetzung                            2,5                      %/a

    Preissteigerung Energie – Strom                                   2,0                      %/a

    Preissteigerung Energie – Fernwärme Wien                          2,0                      %/a

    Preissteigerung Energie – Gas                                     2,0                      %/a

    Restwertbetrachtung – wenn Teile der Lösung bzw. Technologie
                                                                      ja                         -
    eine geringere Lebensdauer als der Betrachtungszeitraum hat

    Energiepreis Strom (Mischtarif Netto, typischer Wert
                                                                     0,125                    €/kWh
    für Wohnbauträger in Österreich)
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„Es gibt vielfältige Möglichkeiten Erdsondenfelder thermisch zu regenerieren. Die Untersuchung
                                                                                                                        Z I TAT
 am konkreten Gebäude und Gebiet ist entscheidend für die am Besten geeigneten Lösungen.
 Die Wärmewende in der Stadt muss auch alternativ zur Fernwärme möglich sein. Wärmepumpen
 mit Umweltenergie aus dem Erdreich bieten eine langfristig nachhaltige Lösung zur Wärme-
 versorgung. Gleichzeitig bietet es die Chance, Wohnungen im Sommer zu kühlen.
 Abwärme aus Gewerbeflächen in Wohngebieten, beispielsweise Supermärkte, können zur
 thermischen Regeneration von Erdsondenfeldern genutzt werden.” PROJEKTLEITER GERHARD HOFER

 73 bzw. 47 kWh/m² BGFa für das mittelgroße Gebäude.       Ergebnisse
 Für die Gebäude wurde eine Fläche auf dem Dach            Ergebnisse des Projektes sind Wärmekosten sowie eine
 definiert, die für die erneuerbare Wärmebereitstellung    Reihung der Niveaus der Kosten für die Regenerations-
 zur Verfügung steht.                                      wärme der Erdsondenfelder (siehe Abb 1).
 Die Wärmeversorgung erfolgt mit einer Wärmepumpe          Die y-Achse beschreibt mögliche Lösungen und Tech-
 und einem Erdsondenfeld sowie einem Spitzenlast-          nologien zur Generierung von Regenerationswärme,
 kessel. Die Auslegung und der Energiefluss der Wärme-     die obere x-Achse beschreibt die Gesamtkosten der
 pumpe sowie des Spitzenlastkessels wurden mit der         Wärmeproduktion in Euro pro MWh. In rot ist der
 Software Polysun ermittelt. Der Anteil der Wärme-         Energiebedarf für das Normalszenario und somit auch
 bereitstellung über die Wärmepumpe liegt – je nach        das höhere Niveau für die Regenerationswärme dar-
 Gebäude und Nachfrageszenario – zwischen 63 und           gestellt, in grau das Energieeffizienzszenario und das
 70 %. Die restliche Wärme wird mit einem Kessel           geringere Niveau der Regenerationswärme. Die untere
 bereitgestellt. Diese Aufteilung berücksichtigt bereits   x-Achse stellt das Ausmaß der Regenerationswärme,
 eine ökonomische Optimierung: eine hundertprozen-         die je Technologie oder Lösung bereitgestellt werden
 tige Abdeckung der Wärme mittels Wärmepumpen              kann, dar. Die strichlierte vertikale Linie gibt die maxi-
 und Erdsondenfeld führt zu einer sehr hohen Anzahl        mal erforderliche Regenerationswärme der Erdsonden
 an Erdsonden, dass damit auch die Spitzenlast, die nur    für die beiden Energiebedarfsvarianten dar.
 an wenigen Tagen auftritt, abgedeckt werden kann.         Für einzelne Lösungen sind auch die Auswirkungen
 Die Berechnung der Wärmekosten erfolgt über eine          auf den Nutzungskomfort dargestellt. Lösungen, die
 Dimensionierung der Lösungen und Technologien             Wärme in den Räumen entziehen und somit in den
 anhand der Gebäudevarianten sowie Nachfrageszena-         Sommermonaten für Kühlung sorgen sind nur als
 rien. Mit diesen Vorgaben können die Investitionskos-     Nutzung für Regenerationswärme dargestellt. In hell-
 ten sowie allfällige Betriebskosten ermittelt werden.     rot sind die Auswirkungen gering, in dunkelrot sind
 Zusätzlich wird die Energiemenge ermittelt, die über      große Auswirkungen auf den Nutzungskomfort dar-
 die Lösung oder Technologie als Regenerationsmenge        gestellt. Der zusätzliche Nutzen für KundInnen ist
 bereitgestellt werden kann. Damit werden unter Be-        nicht monetär bewertet worden.
 rücksichtigung der Kalkulationsparameter aus Tabelle 2    Als Ergebnis kann festgehalten werde, dass der Einsatz
 die Bandbreiten für Wärmetarife ermittelt.                von Luft-Wärmetauschern sowie die Nutzung der
 Oft sind in den Technologien und Lösungen auch            bestehenden Fußbodenheizung für Free-Cooling
 Einschränkungen hinsichtlich der Energiemenge oder        ökonomisch am attraktivsten ist. Gleichzeitig ist auch
 des Temperaturniveaus festgelegt, die in der Konzeption   die Nutzung der Abwärme eines größeren Supermark-
 der Regenerationswärme zu berücksichtigen sind.           tes ökonomisch attraktiv. Hier liegen die Kosten für
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    Wärmetarife zur Regenerationswärme von Erdsondenfelder                                                                          ABBILDUNG 1

                                                                      Regenerations-Wärmegestehungskosten [€/MWh]
                                                0       20       40       60         80     100      120       140     160         180    200
                     Luft-Wärmetauscher
            ohne Schallschutz (Ventilation)
                       Luft-Wärmetauscher
             inkl. Schallschutz (Ventilation)
              Abwärme Supermarkt mittel
                (Verkaufsfläche = 1500m²)                                                 Reg.-Bedarf „g2“                     Reg.-Bedarf „g1“
                             Free Cooling
                     per Fußbodenheizung
                    Solarthermie-Absorber
                     Kollektor (unverglast)
                              Datencenter
                   Entfernung 100 m (kurz)
                    Kühlung Wärmepumpe
                     per Fußbodenheizung
               Abwärme Supermarkt klein
                 (Verkaufsfläche = 780m²)
                              Datencenter
                   Entfernung 400 m (lang)
                             Solarthermie-
                             Flachkollektor
                         Abwassernutzung
                               aus Kanal
                 Kühlung Wärmepumpe per
    Bauteilaktivierung (Heizung & Kühlung)
                           Free Cooling per
    Bauteilaktivierung (Heizung & Kühlung)
                         Abwassernutzung
                                 Inhouse

                              PVT-Kollektor

               Kühlung Wärmepumpe per
      Bauteilaktivierung (nur zur Kühlung)
                          Free Cooling per
      Bauteilaktivierung (nur zur Kühlung)

                                                0            100               200          300              400             500           600
                                                                           Regenerations-Wärmemenge [MWh/a]

                                                                                                             Auswirkungen auf
                                                                                                             den Innenraumkomfort
                                                    Regenerations-Wärmegestehungskosten Szenario „g1“
                                                    Regenerations-Wärmegestehungskosten Szenario „g2“        Komfort Verbesserung
                                                    Regenerations-Wärmebedarf Szenario „g1“                  Hohe Komfort Verbesserung
                                                    Regenerations-Wärmebedarf Szenario „g2“                  Sehr hohe Komfort Verbesserung
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Regenerationswärme bei rund 10 - 20 EUR/MWh.            Insgesamt gesehen gibt es eine Reihe von Technologien
Etwas höher liegen die Kosten für Solarthermie-         und Lösungen, die ein sehr kostengünstiges Konzept
Absorber oder einem Solarthermie-Flachkollektor         für die Regenerierung der Erdwärmesonden darstellen.
(20 - 40 EUR/MWh). In einem ähnlichen Niveau            Diese Technologien und Lösungen sind in die Energie-
liegen die Kosten für die Nutzung der Abwärme von       konzepte zu integrieren, um eine langfristige und energie-
kleineren Supermärkten und Datencentern, die relativ    effiziente Nutzung des Erdreichs sicherstellen zu können.
nahe der Erdsonden liegen (ca. 100 m Entfernung),
sowie die Nutzung des Abwasserkanals. Die aktive        Danksagung
Kühlung des Fußbodens erhöht den Ertrag des Wärme-      Dieser Bericht wurde im Rahmen des Projektes „eco-
entzuges, dafür wird jedoch auch ein höherer Energie-   Regeneration: Entwicklung einer „Merit-Order“ bei
einsatz benötigt.                                       Regenerationswärme für Erdsondenfelder in urbanen
Darüber hinaus liegen Lösungen, die zusätzlich eine     Wohngebieten“ des Programmes Stadt der Zukunft erstellt.
Bauteilaktivierung der Decke für Kühlung nutzen         Stadt der Zukunft ist ein Forschungs- und Technologie-
möchten. Hier sind die baulichen Zusatzkosten für       programm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation
die Integration in der Decke relativ hoch und führen    und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der
zu hehreren Wärmekosten. Ein PVT-Kollektor für die      Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft ge-
Nutzung der Regenerationswärme ist technisch eine       meinsam mit der Austria Wirtschaftsservice GmbH und
sehr gute Lösung, weil hier die Temperaturen der        der ÖGUT - Österreichischen Gesellschaft für Umwelt
Wärmegewinne niedrig sind und somit direkt für die      und Technik abgewickelt.
Regeneration genutzt werden können. Gleichzeitig
sind die Investitionskosten noch relativ hoch, was zu
hohen Wärmekosten führt.

  DREI GUTE GRÜNDE FÜR DAS PROJEKT
_ Die Energieraumplanung wird als Instrument der Gebietskörperschaften nun aktiv genutzt.
                                                                                                                     TOP 3
  Welche ökologisch vorteilhafte Lösungen können in urbanen Wohngebieten außerhalb der
  Fernwärme- Zone eingesetzt werden? Regenerationsmöglichkeiten sind ein fehlendes
  Puzzlestein für Wärmeversorgung über Erdsondenfelder.
_ Fernwärme wird oft in Stadtentwicklungsgebieten an der Periferie nicht genutzt. Gas-Kessel
  sollen aus ökologischen Gründen nicht eingesetzt werden und werden in naher Zukunft im
  Neubau verboten werden. Konzepte mit Wärmepumpe und Erdsonden bieten ein geeignete
  Lösungen für die Wärmeversorgung. In urbanen Wohngebieten ist ein zu geringer Kühlbedarf
  vorhanden, um Erdsonden saisonal thermisch ausgeglichen bilanzieren zu können. Daher sind
  zusätzliche Lösungen zur thermischen Regeneration von Erdsondenfelder notwendig.
_ Erdgeschoßflächen in Wohngebäuden bieten in vielen Fällen Gewerbeflächen an, beispielsweise
  für den Supermarkt. Diese Gewerbeflächen werden oft aktiv gekühlt, die entnommene Wärme
  kann zur thermischen Regeneration der Erdsondenfelder genutzt werden. Ein Zusammenschluss
  der Energiesysteme der Wohn- und der Gewerbenutzung ist erforderlich.
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         U
      EIT NG
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                                Projektleitung: MARKUS PUCHEGGER
                                Forschung Burgenland GmbH

      Wärmzentrale des Neusiedler Wärmenetzes                      ABBILDUNG 1
PROJEKTNUMMER: 864975

                   Hybrid DH
                   Sondierung einer hybriden Netzeinspeisung im städtischen Fernwärmesystem Neusiedl am See

Das Energiesystem Österreichs und Europas ist im                Betrieb. Der bisherige und weitere Zubau an Wind-
Wandel hin zu einem regenerativen, flexiblen, intelli-          kraft beruht zu großen Teilen auf der attraktiven
genten und vernetzten System. Diese Wandlung muss               Förderung durch die OeMAG mittels fixen Tarifen.
vollzogen werden um den Klimazielen gerecht zu                  Der Fördertarif ist jedoch zeitlich begrenzt, was dazu
werden und die Erwärmung der Atmosphäre auf +2°C                führt, dass zunehmend mehr bestehende Windkraft-
zu beschränken.                                                 anlagen keine Tarifförderung mehr erhalten. Da die
In Österreich hat man sich zum Ziel gesetzt, eine               nicht mehr geförderten Anlagen auch aus der von
Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Erzeugung              der OeMAG bewirtschafteten Bilanzgruppe fallen,
zu schaffen. In der Energiestrategie #mission2030 wird          müssen diese am liberalisierten Strommarkt vermarktet
das Ziel definiert, bis 2030 den nationalen Gesamt-             werden. Auch für künftige Neuanlagen tut sich bei
stromverbrauch bilanziell zu 100 % aus erneuerbaren             Einführung der derzeit diskutierten Marktprämien-
Energieträgern zu erzeugen. Eine Dekarbonisierung               modelle anstatt der bisher üblichen Fixtarifmodelle
der Energiewirtschaft ist bis 2050 geplant. Dafür ist           ein Bedarf zur Entwicklung neuer Vermarktungs-
ein umfassender Ausbau erneuerbarer Energieträger,              strategien für Strom aus Windkraftanlagen auf.
vor allem in der Stromerzeugung notwendig. Aktuell              Die Eigenvermarktung von Windstrom führt aufgrund
beläuft sich der Anteil Erneuerbarer in der Strom-              von Prognoseunsicherheiten in der Erzeugung zu er-
erzeugung auf 71,7 %. Eine wesentliche Rolle für                heblichen Risiken und Kosten für Ausgleichsenergie.
den Ausbau der Erneuerbaren in Österreich spielt die            Die Vermarktung des betroffenen Windstroms des
Windenergie, wie die Entwicklung des Zubaus an                  assoziierten Partners Energie Burgenland AG passiert
Windkraftanlagen demonstriert. Bezüglich des Aus-               derzeit in der 24/7 Windleitwarte, welche die Wind-
baus der Windkraft spielt in Österreich vor allem das           energie am Terminmarkt, Day Ahead Markt und Intra-
Burgenland eine Vorreiterrolle, wo im Jahresschnitt             day Markt bewirtschaftet sowie die einzelnen Assets auf
bilanziell um rund 50 % mehr elektrische Energie er-            Fahrplanbasis steuert. Um weiterhin den Ausbau und
zeugt als verbraucht wird. Dieser Vorstoß in Richtung           die langfristige Wirtschaftlichkeit von bestehenden
erneuerbare Energieregion Burgenland ist durch den              und neuen Windkraftanlagen und somit den Absolut-
massiven Ausbau von Windkraftanlagen gelungen.                  Zuwachs an Windkapazität für das Voranschreiten
Der Bauboom der Windkraft begann im Burgenland                  der Energiewende sicherzustellen, sind alternative
im Jahr 2002, derzeit befinden sich 426 Anlagen mit             Geschäftsmodelle für die Windkrafterzeugung bzw. –
einer gesamt installierten Leistung von 1.026,1 MW in           verwertung notwendig.
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                   Verwendung Windstrom                                                                              ABBILDUNG 2

                   60.000

                   50.000
   Energie [MWh]

                   40.000

                   30.000

                   20.000

                   10.000                                                                              Windstrom in WP/Pth
                                                                                                       Netzeinspeisung Windstrom
                       0
                              Variante Standard   Variante Wärmepumpe         Variante Pth

    Aktuell stehen Flexibilitäten als eine der wichtigsten              Sektorkopplung werden einzelne Energieverteilungs-
    Mechanismen zur Bewältigung der Herausforderungen                   netze in integrierte Energiesysteme (hybride Netze),
    in einem Energiesystem basierend auf fluktuierenden                 die den Einsatz von Flexibilitäten enorm erleichtern,
    erneuerbaren Energieträgern in Diskussion. Nach der                 umgewandelt. Dabei ist die Kopplung unterschiedlicher
    Definition im EU-Mandat 490 bezieht sich Flexibilität               Netze und Infrastrukturen notwendig um zusätzliche
    allgemein auf die Elastizität des Ressourceneinsatzes               Speicherpotenziale zu generieren. In integrierten Ener-
    (Verbrauch, Speicherung, Erzeugung), insbesondere zur               giesystemen ist das Ziel, ein globales Optimum für
    Bereitstellung von Hilfsdiensten für die Netzstabilität             die Nutzung aller betrachteten Energiearten (Strom,
    und/oder Marktoptimierung. Die Bereitstellung von                   Wärme, Mobilität etc.) zu schaffen.
    Flexibilitäten bedingt, dass die VerbraucherInnen über              Das Wärmenetz der Stadtgemeinde Neusiedl wies im
    die Möglichkeit verfügen, auf einen Speicher zuzugrei-              Jahr 2016 eine Spitzenlast in der Höhe von 4,8 MW auf.
    fen. Diese Speicherkapazitäten können durch reale                   Der jährliche Wärmebedarf betrug knapp 12,5 GWh.
    physische Speicher bereitgestellt werden, wie z. B. bei             Die Energiezentrale des Wärmenetzes der Stadtge-
    industriellem Demand Side Management, chemischen                    meinde Neusiedl weist einen Hackgutkessel (2,6 MW)
    Speichersystemen (wie Batterien oder Gas) oder durch                sowie einen Gaskessel als Back-Up und Spitzenlastkessel
    Umwandlung von Elektrizität in Wärme, um die ther-                  (3,9 MW). Das städtische Fernwärmesystem zeichnet
    mischen Kapazitäten als Flexibilitäten für das Strom-               sich durch einen ganzjährig hohen Bedarf an Wärme
    netz nutzbar zu machen.                                             aus. Die Reduktion des Gaskesselspitzenlastanteils zur
    Im Kontext von Hybrid DH wurde in erster Linie die                  CO2 -Einsparung über regional erzeugten erneuerbaren
    Möglichkeit, die Sektorkopplung Strom zu Wärme zur                  Strom stellt ein großes Potenzial dar.
    Kompensation von Fluktuationen von Windkrafterzeu-                  In unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet befindet sich
    gung für das Gebiet um Neusiedl untersucht. Bei der                 zudem der Windpark Neusiedl, der mit 18 Wind-
864975

                Primärenergie für Wärmeerzeugung                                                                   ABBILDUNG 3

                14.000

                12.000

                10.000
Energie [MWh]

                 8.000

                 6.000

                 4.000
                                                                                                      Wärme aus Biomasse/Gas
                 2.000                                                                                Strom in WP/Pth
                                                                                                      Umweltenergie
                    0
                            Variante Standard   Variante Wärmepumpe          Variante Pth

energieanlagen eine Nennleistung von 32,4 MW auf-                     Zudem stellt sich die Frage der optimalen Anlagen-
weist. Im Jahr 2016 konnten damit knapp 48 GWh an                     größe, der technischen Einbindung sowie die Ent-
Strom erzeugt werden. Der Windpark ist aufgrund                       wicklung einer geeigneten Betriebsstrategie, die auch
seiner Inbetriebnahme Anfang der 2000er Jahre nicht                   die Entscheidung beinhaltet, ob die Power-to-Heat-
mehr im Förderregime der OeMAG integriert, die er-                    Anlage nur mit lokalem Windstrom oder auch mit
zeugte Windenergie wird somit auf dem freien Markt                    Netzstrom betrieben werden soll.
verwertet.                                                            Elektrodenkessel haben dabei den Vorteil, dass diese
Die energetische Potenzialanalyse für die Stadt Neusiedl              einfach in ein bestehendes System einbindbar sind,
zeigt, dass derzeit nur 7,9 % des Wärmebedarfs der Stadt              einfach geregelt werden können und niedrigere Inves-
aus regionaler Wärmebereitstellung erfolgt. Verschie-                 titionskosten als Wärmepumpen aufweisen. Wärme-
dene Faktoren lassen zudem auf eine Zunahme des                       pumpen sind dagegen exergetisch wesentlich effizienter,
Wärmebedarfs schließen (z.B. Zuzug in die Stadt,                      daher fallen niedrigere Primärenergiekosten bzw.
Zunahme von Wärmebedarf für Kälteanwendungen).                        Opportunitätskosten (für nicht eingespeisten Strom
Somit zeigt sich enormes Potenzial für Sektorkopplung                 aus den Windenergieanlagen) an. Die Einbindung ist
über Power-to-Heat. Innerhalb des Projekts lag der Fo-                allerdings komplexer, eine geeignete Wärmequelle muss
kus somit auf der technoökonomischen Detailanalyse                    genutzt werden können und die Investitionskosten
von Sektorkopplungsoptionen zwischen regionalen                       sind somit höher. Die Analysen erfolgten anhand von
Windstrom und dem Wärmenetz. Dabei wurden                             regelbasierten Jahresbetriebssimulationen der techno-
zwei technische Hauptvarianten für Power-to-Heat                      logischen Lösungen und einer Sensitivitätsanalyse der
untersucht:                                                           Anlagengröße. Aufgrund einer fehlenden ganzjährig
1. Elektrodenkessel                                                   nutzbaren Abwärmequelle wurde ein zweistufiges
2. Großwärmepumpen                                                    Konzept mit Luftwärmepumpen entwickelt, welches
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      Primärenergiekosten für die Wärmebereitstellung                                                                   ABBILDUNG 4

     600.000 €

     500.000 €

     400.000 €

     300.000 €

     200.000 €
                                                                                                Wärme aus Biomasse/Gas
     100.000 €                                                                                  Opp.-Kosten Einspeisung Windstrom
                                                                                                Elektrizitätsabgabe
                0€
                     Variante Standard      Variante Wärmepumpe            Variante Pth

          LLE
                       Literatur
     UE
                       Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Erneuerbare Energie in Zahlen 2017,
            N
 Q

                       Wien, Dezember 2017

                       Statistik Austria, Energiebilanz Burgenland 1988 bis 2016

                       Powert-to-Heat zur Integration von ansonsten abgeregeltem Strom aus Erneuerbaren Energien,
                       Agora Energiewende, 2014

                       Hinterberger R., Hinrichsen J., Dedeyne S. (2018), Einsatz von Power-To-Heat Anlagen zur
                       Verwertung von EE-Überschussstrom, 15. Symposium Energieinnovation, Technische Universität Graz

                       Hinterberger R. (2015a): Hybridnetze und Synergiepotenziale mit kommunalen Infrastrukturen.
                       Visions- und Strategiepapier. Bericht aus Energie- und Umweltforschung. Bundesministeri-um für
                       Verkehr, Innovation und Technologie.
864975

„		Wesentlicher Schlüssel zum Gelingen der Energiewende ist neben der technischen Integration                           Z I TAT

  fluktuierender Erzeugung auch die Entwicklung von organisatorischen, ökonomischen und
  partizipativen Lösungen. Die Sektorkopplung wird dabei zukünftig eine tragende Rolle spielen,
  die unterschiedlichen Energieformen sind dabei integriert zu behandeln und die jeweiligen
  Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Im Projekt Hybrid DH ist es uns gelungen, ein innovatives
  und exergetisch effizientes Umsetzungsprojekt als einen Baustein des integrierten Energie-
  systems anzustoßen.“ PROJEKTLEITER MARKUS PUCHEGGER

 im Sommer monovalent betrieben werden kann, wäh-           die Neuanlagen berücksichtigen, die Differenz zwischen
 rend in der kalten Jahreszeit, wenn der Biomassekessel     den Varianten muss daher die etwaige Mehr-Investition
 in Betrieb ist, eine Rauchgaskondensationsanlage als       in die Wärmepumpe finanzieren. Dabei zeigt sich, dass
 Wärmequelle dient. Abbildung 1 zeigt die Wärmzent-         die zu berücksichtigende Elektrizitätsabgabe ein we-
 rale des Neusiedler Wärmenetzes.                           sentlicher Einflussparameter auf die jährlichen Kosten
 Die technologiebasierte Energiebilanz zeigt, dass gegen-   der technischen Varianten darstellt. In der Investitions-
 über der derzeitigen Variante ein wesentlicher Teil der    rechnung führt dies letztlich zu der Entscheidung zu
 im Wärmenetz benötigten Energie über die Sektor-           Gunsten der Wärmepumpenlösung.
 kopplung Strom Wärme bereitgestellt werden kann            Durch das Projekt konnte somit ein technisches und
 (vgl. Abbildung 2). Abbildung 3 zeigt wiederum, dass       wirtschaftliches Konzept für die Umsetzung einer
 damit sowohl bei der Variante mit dem Elektroden-          Sektorkopplung Strom-Wärme mittels Einbindung von
 kessel (Pth) als auch bei der Wärmepumpenvariante          Wärmepumpen entwickelt werden. Die entwickelte
 ein großer Anteil der Wärme für das Wärmenetz zur          Lösung befindet sich derzeit in Umsetzung beim
 Verfügung gestellt werden kann. Wesentlicher Unter-        Betreiber des Windparks und Wärmenetzes. In einem
 schied der Sektorkopplungsvarianten ist die Menge an       Demonstrationsprojekt wird ab März 2019 u.a. die
 Windenergie, die für die Umwandlung benötigt wird.         Installation, Inbetriebnahme sowie das Betriebsmoni-
 Dies führt aufgrund der dafür anzusetzenden Oppor-         toring sowie die laufende Betriebsoptimierung durch-
 tunitätskosten auch zu erheblichen Unterschieden bei       geführt. Zudem sollen weitere Konzepte für Sektor-
 den jährlichen Primärenergiekosten für die Wärmebe-        kopplungsoptionen im und um das Stadtgebiet auf
 reitstellung (vgl. Abbildung 4). Es bleibt zu erwähnen,    technischer, ökonomischer und partizipativer Ebene
 dass diese Primärenergiekosten nicht die Investition in    erarbeitet und umgesetzt werden.

   DREI GUTE GRÜNDE FÜR DAS PROJEKT
 _ Lokale Verwendung fluktuierend erzeugter Windenergie                                                                 TOP 3

 _ Effiziente Umwandlung in Power-to-Heat Anlage über Wärmepumpe
 _ Entwicklung einer für andere Nahwärmenetze im Windgebiet multiplizierbaren
   Lösung ohne Notwendigkeit einer zusätzlichen Abwärmequelle
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         U
      EIT NG
  L            Projektleitung:
               HERMANN EDTMAYER, HARALD SCHRAMMEL
               AEE - Institut für Nachhaltige Technologien, Gleisdorf

               Mögliche Systemkomponenten in einem kalten Fernwärmenetz                    ABBILDUNG 1

                                        Wärmebedarf + Warmwasser

                               Heizzentrale          WP
                                                                   Strom

                     PVT
                                                                                   Klimatisierung
                                                                                      (=Kälte)

                                                    Kalte
                                                 Fernwärme                         Kältemaschine
                                                   4 –30°C

                                                                                            Strom

                   Abwärme
                   Abwasser                                                Erdsondenfeld
                   Seewasser                                                 (Speicher)
                       …
PROJEKTNUMMER: 865010

                   DeStoSimKaFe
                   Konzeptentwicklung & gekoppelte deterministisch/stochastische Bewertung kalter Fernwärme zur Wärme- & Kälteversorgung

Derzeit werden 51 % des Endenergiebedarfes der EU              Anlagen mit niedrigeren Temperaturniveaus (Nieder-
zur Wärme- und Kälteversorgung aufgewendet 1. Um               temperaturnetze) und innovativen Systemkonzepten
die ambitionierten Pariser Klimaziele zu erreichen, ist        wie z.B. in Salzburg-Lehen stellen eine neue Generation
daher eine vollständige Dekarbonisierung der Wärme-            von Fernwärmesystemen dar.
und Kälteversorgung erforderlich. Innovative Konzepte          Fernkälte ist sowohl in Österreich als auch in Europa
für Wärme- und Kältenetze werden dabei als Schlüssel-          stetig wachsend, sodass sich die gelieferte Fernkälte in
technologie betrachtet. Durch intelligente Vernetzung          den letzten zehn Jahren von 25 GWh auf 147 GWh
von Erneuerbaren und Abwärmequellen, Speichern,                knapp versechsfacht hat 2. Die installierte Fernkälte-
Wärmeabnehmern und durch Kopplung mit anderen                  leistung betrug 2017 134 MW. Dies liegt an gestiegenen
Energieversorgungsnetzen (Strom, Gas) und Infra-               Komfortanforderungen im privaten und kommerziellen
strukturen (Abwasser, Abwärme) wird eine Steigerung            Bereich und an steigenden Jahresmitteltemperaturen.
der Gesamteffizienz sowie eine Reduktion des Primär-
energiebedarfes erzielt. Damit ermöglichen sie den             Kalte Fernwärme / Anergienetze
Übergang zu einem dekarbonisierten, effizienten,               Bei Kalter Fernwärme ist die grundlegende Idee, durch
nachhaltigen und fossilfreien Energiesystem.                   sehr niedrige Temperaturniveaus (< 35°C) niedrigexer-
In der österreichischen Energieversorgung spielt Fern-         getische Wärmequellen wie NT-Abwärme, Geothermie,
wärme eine zentrale Rolle und deckt hier bereits 26 %          Oberflächengewässer, Grundwasser, Abwasser oder
des nationalen Wärmebedarfs (Stand 2017). Die Energie-         NT-Solarthermie in Kombination mit dezentralen
versorgung der Wärmenetze hat sich mit dem Ziel der            Wärmepumpen nutzbar zu machen sowie Transport-
Reduktion von CO2 -Emissionen in den letzten Jahren            verluste fast vollständig zu eliminieren. Diese Systeme
stark geändert. Der Anteil biogener Brennstoffe konnte         werden häufig mit flexiblen Systemtemperaturen
insbesondere durch eine Vielzahl an Biomasse-Nah-              (5 -35°C) betrieben und als hydraulisch ungerichtetes
wärmenetzen von knapp 8 % Anfang der 1990er Jahren             Netz mit ring- oder maschenförmiger Topologie aus-
auf 46 % im Jahr 2016 erhöht werden. Der Anteil von            geführt. Aufgrund der niedrigen Systemtemperaturen
Kohle und Öl ist in diesem Zeitraum von knapp 50 %             kann über dieselbe Infrastruktur nicht nur Wärme,
auf nunmehr 10 % gesunken 2. Das Temperaturniveau              sondern auch Kälte bereitgestellt werden. Wobei die
mit dem Fernwärmenetze in Österreich bzw. in Mittel-           Kälteversorgung gleichzeitig einen Energieeintrag
europa betrieben werden, bewegt sich zumeist zwischen          bedeutet und z.B. zur Regeneration von saisonalen
80 und 120°C Vorlauftemperatur. Die Rücklauftem-               Speichern dient.
peraturen liegen vorwiegend zwischen 50 und 70°C 3.
20 | 21

    Verrohrung des Hauptversorgungsstrangs des Anergienetzes FGZ Zürich   ABBILDUNG 2

    Quelle: anex Ingenieure AG
865010

                                                          Herausforderung und Zielsetzung
Aufgrund des intelligenten Systemdesigns werden           Damit man von Kalter Fernwärme als planbare,
Jahresarbeitszahlen von 4 bis 5 und trotz hoher Massen-   technisch/wirtschaftlich/ökologisch beurteilbare und
ströme ein vertretbarer Pumpstrombedarf erreicht.         langfristig betreibbare Systemlösung sprechen kann,
Weitere Vorteile sind sowohl die Möglichkeit unge-        gilt es noch eine Vielzahl an speziellen technischen
dämmte Kunststoffrohrleitungen einzusetzen sowie          und methodischen Fragestellungen zu lösen.
ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Integra-
tion neuer Quellen, Senken und Speicher an nahezu         Beispiele dazu sind:
                                                          _ Systematische Konzeption, Planung und
beliebiger Position im System.
                                                             (Langzeit-) Beurteilung
Vorreiter in Sachen Kalter Fernwärme ist die Schweiz.        - Funktionstaugliche und umsetzbare technische
Hier sind bereits mehrere Anergienetze zur Wärme-              Systemlösungen für wechselnde Rahmen-
und Kälteversorgung auf Basis von Abwärme bzw. ge-             bedingungen
speist von Abwasser- oder Seewasserwärme in Betrieb          - Aussagen über daraus resultierende Energiepreise
bzw. in Planung.                                             - Untersuchung und Optimierung von Betriebs-
Beispielsweise wird im Südwesten von Zürich ein Wohn-          weisen und Regelungsstrategien
                                                          _ Methoden zur ganzheitlichen Simulation
viertel im Eigentum der Familienheimgenossenschaft
Zürich (FGZ) teilweise über ein Anergienetz versorgt.        - Zeitlich hochaufgelöst, dynamisch
Jährlich werden in dem Quartier der FGZ rund                 - Jahressimulationen und ggf. Langzeiteffekte
32 - 33 GWh für Heizung und Warmwasser benötigt,               (z.B. Erdsondenfelder/Speicher)
wovon 2017/18 bereits 23 % durch das Anergienetz ge-         - Simulation der komplexen hydraulischen
deckt wurde. Das Anergienetz wird laufend ausgebaut            Verhältnisse (ungerichtetes System)
und soll mittelfristig das gesamte Quartier versorgen.       - Simulation des Gesamtsystems Erzeuger-Speicher-
Zwei große Datencenter nutzen das Netz zur Rückküh-            Verteilung-Abnahme (inkl. Wärmepumpen und
lung und speisen so gleichzeitig Wärme in das System           ggf. Gebäude)
ein. Erdsondenfelder dienen als saisonale Speicher und       - Gleichzeitiger bzw. alternierender Wärme-/
ergeben im Jahresmittel eine ausgeglichene Energiebi-          Kälteversorgungsbetrieb
                                                          _ Systematische und zeitabhängige Analyse relevanter
lanz. Die Temperaturen im Netz schwanken zwischen
27°C zu Beginn und 7°C zum Ende der Heizperiode.             Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen
Projektpartner anex Ingenieure GmbH ist maßgeblich           auf das System
                                                          _ Analyse von Flexibilitätspotenzialen in Hinblick
an der Entwicklung, dem Monitoring und dem wei-
teren Ausbau dieses Netzes beteiligt. Know-How und           auf Sektorkopplung mit dem Stromnetz
Praxiserfahrungen aus erster Hand stehen dadurch für
die Arbeiten im Projekt DeStoSimKaFe zur Verfügung.       Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es daher, die
                                                          Anwend- und Umsetzbarkeit innovativer und nach-
Weitere Projekte im Bereich kalter Fernwärme wurden       haltiger Wärme- und Kälteversorgung auf Basis kalter
bereits in Schweden, Deutschland und Wien umgesetzt.      Fernwärme zu ermöglichen bzw. zu erhöhen. Um
22 | 23

     3D-Modell eines Anergienetzes mit Energiezentralen, Einspeisern und Erdspeichern                                         ABBILDUNG 3

                                                                                                                       Abnehmer
                                                                                                                       Einspeiser
                                                                                                                       Erdsondenfelder

          LLE       		Quellen
     UE
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            N
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                        Fleiter, T.; Steinbach, J.; Ragwitz, M. et al. (2016): Mapping and analyses for the current and future (2020 - 2030)
                        heating/cooling fuel development (fossil/renewables) – Executive Summary. Brussels: European Commission,
                        DG Energy https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/documents/Summary%20WP1%20and%20WP2.pdf
                    2   FGW, WKO, 2018, Gas und Fernwärme in Österreich, Zahlenspiegel 2018.
                    3   Robbi, S., 2013: LowEx-Fernwärme: Vergleichende Bewertung von Maßnahmen für eine effizientere
                        multifunktionale Fernwärmeversorgung, Dissertation, TU Dresden
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das zu erreichen, erfolgt die Entwicklung komplexer      Versorgungsgebiete, Rahmenbedingungen und
technischer Systemlösungen und methodischer und          Anwendungsfälle übertragbar ist und womit maßge-
simulationstechnischer Grundlagen für die Konzep-        schneiderte Systemlösungen konzipiert und berechnet
tion, Planung und langfristige Bewertung solcher         werden können. Über die Simulation werden Key Per-
Systeme. Weiters wird ein stochastisches Modell für      formance Indicators ermittelt, welche in die Bewertung
die Langzeitbewertung von Systemlösungen auf Basis       der verschiedenen Netzkonzepte einfließen.
variierender Rahmenbedingungen und externer Sze-         Mit Hilfe eines simulationstechnisch abgebildeten
narien entwickelt. Aufbauend auf den erarbeiteten        virtuellen Stadtquartiers im Simulationstool IDA-ICE,
Systemlösungen und der technisch/ökologischen            verschiedenste Rahmenbedingungen in Hinblick auf
Bewertung werden maßgeschneiderte Produkte und           Typ, Alter oder Nutzungsart von bis zu 1.500 Einzel-
Dienstleistungen für kalte Fernwärme erarbeitet, die     gebäuden zu generieren und mit verschiedenen noch
dann in eine ökonomische Bewertungsmethode ein-          zu erarbeitenden Systemkonzepten zu kombinieren.
fließen.
                                                         Dies ermöglicht es auch, zeitliche Veränderungen
Konzeption und Simulation technischer                    sowohl auf der Konsumenten- als auch auf der Produ-
Systemlösungen                                           zentenseite, wie beispielsweise zeitlich variable Besie-
Der Projektpartner anex Ingenieure AG hat zeitlich       delungsdichten, Renovierungsraten, Auswirkungen
hochaufgelöste Betriebsdaten eines Anergienetzes         von Klimaveränderungen auf Heiz- und Kühlbedarf
für das Projekt zur Verfügung gestellt. Diese dienen     und veränderliches Nutzerverhalten abzubilden. Die
als Basis für die Entwicklung und Validierung eines      entwickelten deterministischen Simulationsmodelle
ersten dynamischen Simulationsmodels in der Simu-        bilden die Grundlage für die spätere stochastische
lationsumgebung Dymola/Modelica. Des Weiteren            Langzeitbewertung von Wärmenetzen sowie die Unter-
werden die Daten für eine Analyse des aktuellen          suchung und Definition von Flexibilitätspotenzialen.
Betriebsverhaltens und möglicher Optimierungs-           Dies ist in Hinblick auf einen gezielten und auf das
potenziale genutzt. Das Simulationsmodell ist bereits    Stromnetz bzw. den Strompreis abgestimmten Betrieb
lauffähig und wird nun hinsichtlich Detaillierungs-      der Wärmepumpen von hoher Relevanz und kann zur
grad der einzelnen Systemkomponenten schrittweise        signifikanten Reduktion der Energiegestehungskosten
verbessert. Weitere Komponenten wie beispielsweise       führen.
verschiedene Wärmequellen, Speicher- und Hydraulik-
konfigurationen werden ergänzt und getestet.             Das Projekt im Kontext aktueller Forschung
Mit dem Modell wurden bereits zwei Varianten des         Die Energieraumplanung ist eine Schlüsselkomponente
Netztes erstellt. Zum einen der zum jetzigen Zeitpunkt   bei der Entwicklung und Konzeption zukünftiger und
bestehende Ausbau des Netzes ohne Ringschluss (in        bei der Erweiterung/Optimierung bestehender Energie-
Abb. 3 Blauer Strang), sowie ein Endausbauzustand        systeme. Die im Projekt geplante Entwicklung von
des Netzes mit Ringschluss (in Abb. 3 Blauer und         stochastischen Langzeitevaluierungsmethoden bieten
roter Strang).                                           Interaktionsmöglichkeiten mit GIS-basierten Analyse-
                                                         und Darstellungsverfahren, wie aktuell bereits am
Auf Basis dieser Messdaten, Praxiserfahrungen und        Beispiel des virtuellen Stadtquartieres vorgezeigt wird.
abgeleiteten Simulationen wird ein weiterführendes       Anergienetze im Bereich von Smart Cities haben eine
Simulationspaket entwickelt, welches auf andere          besondere Bedeutung für den intelligenten, gebäude-
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   Z I TAT
             „		Die Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung ist von großer Wichtigkeit und
               dringlicher denn je. Anergienetze erschließen bislang ungenutzte Wärmequellen mit
               niedrigem Temperaturniveau und können Wärme sowie Kälte mit der gleichen Infrastruktur
               leitungsgebunden zur Verfügung stellen. Die fast vollständige Reduktion der Netzverluste,
               die neuartige Systemarchitektur, die hohe Systemflexibilität in Hinblick auf die Integration
               neuer Quellen und Senken sowie Kurz- und Langzeitspeicher und die Interaktionsmöglich-
               keiten mit dem Stromnetz stellen weitere herausragende Systemvorteile dar.
               Damit Kalte Fernwärme verstärkt angewendet werden kann, bedarf es eines tieferen Ver-
               ständnisses des komplexen Systemaufbaus und dessen spezifischen Eigenschaften, um
               diese Systeme technisch und wirtschaftlich optimal einsetzen zu können. Die Entwicklung,
               Simulation und Optimierung unterschiedlicher Systemvarianten unter wechselnden Rahmen-
               bedingungen ist daher ein zentraler Arbeitstask im Projekt.“ DIE PROJEKTLEITER
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übergreifenden Energieaustausch, der thermischen         In der Sektorkopplung wird eine holistische Betrach-
Vernetzung von Gebäuden und die Nutzung lokaler,         tung und Vernetzung einzelner Systeme zu einem
regenerativer Energiequellen. Über das gleiche Versor-   optimierten Gesamtsystem angestrebt.
gungssystem kann auch eine ökologisch nachhaltige        Des Weiteren wird die Integration von großen Anteilen
Gebäudekühlung zur Verfügung gestellt werden. Mit        von Erneuerbaren gefördert, welche für die Dekarbo-
saisonalen Speichern werden Erzeugungsspitzen im         nisierung der Energiesysteme ausschlaggebend sind.
Sommer zu den Lastspitzen im Winter transferiert         Mit Anergienetzen steht eine ideale Verbindungs-
und sogar Wärmeeinträge aus der Kälteversorgung          technologie zwischen Wärme- und Stromnetz zur
nutzbar gemacht.                                         Verfügung, die hohe Flexibilität bereitstellt.

  DREI GUTE GRÜNDE FÜR DAS PROJEKT
_ Anergienetze können einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Fernwärme und -kälte                 TOP 3

  der Erschließung bislang ungenutzter Wärmequellen leisten und helfen, die gesteckten Klimaziele
  zu erreichen.
_ Es fehlen detaillierte Methoden zur Konzeption und Bewertung maßgeschneiderter Systemkonzepte
  für verschiedenste Rahmenbedingungen. Diese müssen entwickelt werden, um die Anwendbarkeit
  Kalter Fernwärmesysteme zu erhöhen.
_ Komplexe Energiesysteme in urbanen Gebieten hängen stark von dynamisch veränderlichen Faktoren
  ab. Es ist daher entscheidend, Einflüsse von Langzeitentwicklungen (z.B. Klimawandel) zu untersuchen
  und deren Auswirkungen zu bewerten.
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         U
      EIT NG
  L
                                      Projektleitung: ROBERT SÖLL, PATRICK REITER
                                      Gesellschaft für Solarinstallation und Design mbH (SOLID GmbH)

        Big Solar Konzept für Feldbach inkl. Auslegung und Simulationsergebnisse                       ABBILDUNG 1

        des techno-ökonomischen Optimum

         Kollektorfeld                                                                                  Feldbach
          28.438 m²

                                           Saisonalwärmespeicher
                                                 99.000 m³                   Nachheizung
                           30–95°C                    90°C
                                                      60°C
                                                      20°C
                                                                   20–60°C   Absorptions- 8MW   85°C
                                     75–90°C                                 wärmepumpe

          Systemertrag: 14.826 MWh/Jahr
          Solarer Deckungsgrad: 46%
PROJEKTNUMMER: B772169

                   Big Solar Feldbach
                    Saisonalspeicher in Kombination mit Solarthermieanlage und Wärmepumpe für das Fernwärmenetz Feldbach

Projektbeschreibung                                             Innovationscharakter
Im Rahmen des Klima- und Energiemodellregion                    Auf technischer Ebene hat dieses Projekt insofern
Leitprojekts „Big Solar Feldbach“ wurde die techno-             erheblichen Innovationsgehalt, da durch die Er-
ökonomische Einbindung von Solarthermie und eines               weiterung der erwähnten Systemkomponenten das
Saisonspeichers für das Fernwärmenetz Feldbach                  Fernwärmesystem zusätzliche Freiheitsgrade gewinnt,
untersucht.                                                     welche neue Betriebsweisen ermöglichen. In den
Übergeordnetes Ziel der Studie war es, ein erneuer-             österreichischen Fernwärmenetzen gibt es bislang noch
bares Systemkonzept (mit den Kernkomponenten                    keine saisonalen Wärmespeicher, diese sind jedoch un-
Saisonspeicher, Solarthermie, Wärmepumpe) zu ent-               abdingbar um den Anteil erneuerbarer (solarer) Wärme
wickeln, das den größtmöglichen Anteil an erneuer-              in Wärmenetzen in Zukunft wesentlich zu erhöhen
barer Wärme im Fernwärmenetz (Gesamtsystem)                     sowie ihre Flexibilisierung voranzutreiben.
garantiert und gleichzeitig wirtschaftliche, rechtliche
und gemeindespezifische Randbedingungen erfüllt.                Big Solar-Konzeptbeschreibung
Antragsteller und Projektverantwortlicher des Leitpro-          Das Big Solar-Konzept ist ein innovatives System-
jektes war das Solartechnikunternehmen Gesellschaft             konzept zur erneuerbaren Versorgung der Fernwärme
für Solarinstallation und Design mbH (SOLID), das               durch Solarwärme. Die Schlüsselkomponenten des
für die Entwicklung des Systemkonzepts sowie die                Systems bestehen aus drei Haupttechnologien, ein
übergeordnete Projektabwicklung verantwortlich war.             solarthermisches Kollektorfeld, einen Saisonspeicher
Des Weiteren wurden der lokale Energieversorger und             und einer Absorptionswärmepumpe.
Fernwärmebetreiber die Energie Steiermark Wärme                 Solarwärme wird entweder direkt oder über einen
GmbH, die in der Stadt Feldbach ansässige Lokale                saisonalen Wärmespeicher, der je nach Temperatur-
Energieagentur, der KEM Manager des Mittleren                   niveau wiederum direkt oder über eine thermisch
Raabtals Ing. Karl Puchas, Verantwortliche der Stadt-           angetriebene Wärmepumpe (Absorptionswärmepumpe)
gemeinde Feldbach sowie das dänische Planungsbüro               in das Fernwärmenetz einspeist. Das System kann
PlanEnergi miteingebunden.                                      das ganze Jahr über Wärme mit max. 85°C liefern.
Die enge Zusammenarbeit mit den Projektpartnern                 Die Wärmepumpe wird einerseits genutzt um die
und die frühzeitige und kontinuierliche Einbindung              niedrigeren Temperaturen des Speichers, wenn dieser
lokaler Stakeholder in den Prozess sollte sicherstellen,        schon zum Teil entleert wurde, zu hebeln und ins
dass die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt           Fernwärmenetz einzuspeisen und andererseits um die
werden und eine mögliche spätere Umsetzung best-                Temperaturen im Speicher weiter zu senken um somit
möglich vorbereitet werden kann.                                mehr Solarwärmekapazität bereitzustellen. Zusätzlich
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