Ute Mager Das Verhältnis von Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation aus verfassungsrechtlicher Sicht

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Ute Mager
                                               Das Verhältnis von Steuerung, Freiheit und
                                               Partizipation in der Hochschulorganisation aus
                                               verfassungsrechtlicher Sicht*

Seit den 1990er Jahren hat sich die Hochschulorganisation               schung und Lehre sind frei.“ Von Hochschulen ist nicht
in den Bundesländern unter dem Einfluss von New Public                  die Rede. Es gibt jedoch in dreizehn Landesverfassungen
Management Konzepten und dem Schlagwort von der                         Bestimmungen, die sich explizit auf Hochschulen bezie-
Stärkung der Hochschulautonomie erheblich ausdifferen-                  hen,2 von denen wiederum zehn das Recht der Selbst-
ziert.1 Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger                verwaltung im Rahmen der Gesetze garantieren. Drei
Rechtsprechung den weiten Gestaltungsspielraum des                      Länder (Baden-Württemberg, Sachsen, Nordrhein-
Gesetzgebers. Die Frage, der hier nachzugehen ist, lautet,              Westfalen) sprechen von einer dem besonderen Charak-
inwieweit das Verfassungsrecht, namentlich die Wissen-                  ter der Hochschulen entsprechenden Selbstverwaltung.
schaftsfreiheit, Steuerung und Partizipation in der Hoch-               Sechs Bundesländer (Bayern, Brandenburg, Hessen,
schulorganisation determiniert.                                         Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen) verankern explizit
                                                                        die Mitwirkung der Studierenden, zwei Bundesländer
I. Definition der leitenden Begriffe                                    nennen auch die Lehrenden und sonstige Mitglieder
                                                                        oder sprechen von der Beteiligung aller Mitglieder an
Die Bearbeitung des Themas erfordert zunächst die drei                  der Selbstverwaltung (Brandenburg, Thüringen). In der
Begriffe Steuerung, Freiheit und Partizipation zu definieren.           überwiegenden Zahl der Landesverfassungen ist also
Schon die Definition dieser drei leitenden Begriffe bleibt nicht        Partizipation ausdrücklich Bestandteil der Selbstverwal-
unbeeinflusst von rechtlichem Verständnis. Verfassungsrecht-            tungsgarantie.
lich ist in einem freiheitlichen Staat der Begriff der Freiheit             Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Freiheits-
grundlegend und damit Ausgangspunkt für die Bestimmung                  garantie für Wissenschaft, Forschung und Lehre Maß-
der Reichweite von Steuerung und Partizipation.                         stäbe für die Hochschulorganisation abgeleitet, die ange-
     Freiheit ist auch nach verfassungsrechtlichem Verständnis          sichts der Tatsache, dass dem Wortlaut keinerlei organi-
Selbstbestimmung.                                                       satorische Anweisungen zu entnehmen sind, von bemer-
     Steuerung ist dagegen Fremdbestimmung und bedarf des-              kenswerter Argumentationskunst zeugen. Andererseits
halb verfassungsrechtlich gesehen der Rechtfertigung.                   betont das Bundesverfassungsgericht den weiten Gestal-
     Partizipation schließlich lässt sich begreifen als die durch       tungsspielraum des Gesetzgebers in organisatorischen
Organisations- und damit Steuerungserfordernisse zur Mitbe-             Fragen. Tatsächlich haben die Landesgesetzgeber den
stimmung gewandelte Selbstbestimmung. Im Begriff der Par-               Spielraum genutzt und sehr unterschiedliche organisato-
tizipation verbinden sich also freiheitliche Selbstbestimmung           rische Modelle im Spannungsfeld zwischen plural orga-
und steuernde Fremdbestimmung. Dabei kann Partizipation                 nisierter Selbstverwaltung auf der einen Seite und hier-
den Inhalt von Entscheidungen betreffen; sie kann sich aber             archischer Leitung auf der anderen Seite verwirklicht,
auch darauf beschränken, die Entscheidungsträger maßgeb-                seit das Bundesrecht infolge des 4. Änderungsgesetzes
lich mitzubestimmen.                                                    zum Hochschulrahmengesetz von 1999 bis auf § 37 keine
                                                                        Vorgaben mehr für die Hochschulorganisation enthält.
II. Bestandsaufnahme der Rechtsgrundlagen
                                                                        2. § 37 HRG
1. Verfassungsrecht                                                     Interessanterweise betrifft die einzige Vorgabe des Bun-
Verfassungsrechtliche Grundlage ist zunächst Art. 5                     desrechts für die Hochschulorganisation die Partizipati-
Abs. 3 GG, der lapidar bestimmt: „Wissenschaft, For-                    on. § 37 HRG trägt die Überschrift „Allgemeine Grund-

*   Der Beitrag beruht auf dem Vortrag, den die Verfasserin am              rung“, VVDStRL Bd 65 (2006), S. 238 ff. und S. 274 ff. mit weiteren
    11.10.2018 im Rahmen der Tagung „Hochschulsteuerung und                 Nachweisen. S. auch Kahl, Hochschule und Staat, 2004, § 11.
    Wissenschaftsfreiheit“ des Vereins zur Förderung des deutschen &    2   Art. 20 BWVerf; Art. 138 BayVerf; Art. 32 BbgVerfg; Art. 34
    internationalen Wissenschaftsrechts an der Universität Duisburg-        BremVerf; Art. 60 HesVerf; Art. 16 MVVerf; Art. 5 NdsVerf; Art.
    Essen gehalten hat.                                                     16 NRWVerf; Art. 39 RPVerf; Art. 33 SaarlVer; Art. 107 SächsVerf;
1   S. dazu die Vorträge von Hendler und Mager zum Thema „Die               Art. 31 LSAVerf; Art. 28 ThürVerf.
    Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisie-

                                                Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197-9197
8                       O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4

sätze der Mitwirkung“. In der Sache gibt die Vorschrift die                  Spricht man über die Organisation staatlicher Hoch-
Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem                   schulen, ist zu berücksichtigen, dass diese im Wesentli-
Jahre 1973 zur damaligen Einführung der Gruppenuniversi-                 chen vom Staat finanziert werden und dass ihnen insbe-
tät durch das niedersächsische Hochschulgesetz wieder.3 Er               sondere mit Ausbildung und Prüfung Aufgaben übertra-
lautet:                                                                  gen sind, für deren ordnungsgemäße Erfüllung der Staat
    „(1) Die Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hoch-                im Interesse der Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit
schule ist Recht und Pflicht aller Mitglieder. Art und Um-               der Studierenden und des Gemeinwohls die Verantwor-
fang der Mitwirkung der einzelnen Mitgliedergruppen und                  tung trägt. In zahlreichen Landeshochschulgesetzen fin-
innerhalb der Mitgliedergruppen bestimmen sich nach der                  det diese Pflichtenstellung der Hochschulen Ausdruck in
Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit                 der Formulierung, dass die Hochschulen nicht nur Körper-
der Mitglieder.4 Für die Vertretung in den nach Mitglieder-              schaften des öffentlichen Rechts, sondern auch staatliche
gruppen zusammengesetzten Gremien bilden die Hoch-                       Einrichtungen sind.6 Dementsprechend ist den Hochschu-
schullehrerinnen und Hochschullehrer, die akademischen                   len Selbstverwaltung nicht unbegrenzt, sondern nur im
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Studierenden und                   Rahmen der Gesetze gewährt.
die sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätz-                    Herkömmlich wurde zwischen staatlichen Angele-
lich je eine Gruppe; alle Mitgliedergruppen müssen vertre-               genheiten einerseits, Angelegenheiten der Hochschulen
ten sein und wirken nach Maßgabe des Satzes 2 grundsätz-                 andererseits und Aufgaben, die ein Zusammenwirken
lich stimmberechtigt an Entscheidungen mit. Das Landes-                  von Staat und Universität fordern, unterschieden. Nach
recht regelt die mitgliedschaftsrechtliche Stellung der sons-            dieser Gliederung gehören zu den staatlichen Angele-
tigen an der Hochschule tätigen Personen. In nach                        genheiten insbesondere die Personal-, Wirtschafts-,
Mitgliedergruppen zusammengesetzten Entscheidungsgre-                    Haushalts- und Finanzverwaltung. Das Zusammenwir-
mien verfügen die Hochschullehrerinnen und Hochschul-                    ken betrifft unter anderem die Errichtung, Änderung
lehrer bei der Entscheidung in Angelegenheiten, die die                  und Aufhebung von Fachbereichen und anderen wissen-
Lehre mit Ausnahme der Bewertung der Lehre betreffen,                    schaftlichen Einrichtungen, die Ordnung des Studiums
mindestens über die Hälfte der Stimmen, in Angelegenhei-                 und der Hochschulprüfungen, die im Zuge der Bologna-
ten, die die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorha-                 Reform weitgehend externalisiert wurde – Stichwort Ak-
ben oder die Berufung von Hochschullehrerinnen und                       kreditierung7 – sowie die Bestellung des Rektors.8 Für
Hochschullehrern unmittelbar betreffen, über die Mehrheit                die uneingeschränkte Selbstbestimmung der Hochschu-
der Stimmen.“5                                                           len verbleiben die Bereiche, die Forschung und Lehre
    Mit den Kriterien Qualifikation, Funktion, Verantwor-                unmittelbar berühren. Hierzu zählen das Satzungsrecht
tung und Betroffenheit enthält § 37 Abs. 1 S. 2 HRG die we-              in akademischen Angelegenheiten, also insbesondere
sentlichen verfassungsrechtlich fundierten Kriterien für die             Promotions- und Habilitationsordnungen, die For-
Partizipation. Diese Kriterien rechtfertigen die Bildung von             schungs- und Lehrplanung sowie die Entscheidungen in
Gruppen ebenso wie die vorgeschriebenen Mehrheiten.                      Promotions- und Habilitationsverfahren. Letztlich ist
                                                                         die Abgrenzung der Sphären nicht „naturgegeben“, son-
3. Kompetenzverteilung zwischen Hochschule und Staat                     dern Sache des Gesetzgebers, der dabei die Wissen-
§ 37 HRG bezieht sich allein auf die hochschulinterne                    schaftsfreiheit, die Ausbildungs-/Berufsfreiheit der Stu-
Selbstverwaltung. Ein weiterer Akteur darf jedoch nicht                  dierenden und die aus der Trägerschaft folgende gesamt-
vergessen werden: der Staat insbesondere in Gestalt des                  gesellschaftliche Verantwortung des Staates zu berück-
Wissenschaftsministeriums.                                               sichtigen hat.9 Die herkömmliche Sphärenabgrenzung

3   BVerfGE 35, 79 ff.                                                       S. 1 HSG Hessen; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG M-V; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG SL;
4   S. dazu BVerfGE 35, 79 (127, 131).                                       § 2 Abs. 1 HSG Thüringen.
5   Vgl. zu § 37 Abs. 1 S. 2 – 5 den Leitsatz Nr. 8 a – c in BVerfGE     7   S. BVerfGE 141, 143 ff. und dazu Mager, Verfassungsrechtliche
    35, 79 ff. § 37 Abs. 2 und 3 HRG lauten: „(2) Die Mitglieder eines       Rahmenbedingungen der Akkreditierung, OdW 4 (2017), 237 ff.
    Gremiums werden, soweit sie dem Gremium nicht kraft Amtes                mit weiteren Nachweisen.
    angehören, für eine bestimmte Amtszeit bestellt oder gewählt; sie    8   Vgl. § 60 HRG a.F. und dazu Kahl (Fn. 1), S. 72; Kersten, Alle
    sind an Weisungen nicht gebunden. Eine angemessene Vertre-               Macht den Hochschulräten?, DVBl. 1999, 1704 (1706); Grupp,
    tung von Frauen und Männern ist anzustreben.                             Zur Stellung der Universitäten im Zeichen ihres Rückbaus, in:
    (3) Die Hochschulmitglieder dürfen wegen ihrer Tätigkeit in der          FS Roellecke, 1997, 97 (103); Fehling, Neue Herausforderungen an
    Selbstverwaltung nicht benachteiligt werden.“                            die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, Verw 35
6   Siehe z.B. § 8 Abs. 1 S. 1 HSG BW; § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 HSG Bay;       (2002), 399 (408): Bereich der Kooperation dominiert.
    § 2 Abs. 1 S. 1 HSG Berlin; § 2 Abs. 1 S. 1 HSG Bremen; § 1 Abs. 1   9   Mager (Fn. 1), S. 282.
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation                                            9

lässt sich aber als eine verfassungskonforme Konkreti-                      grundlegend gewordenen Urteil zu den Organisationsvor-
sierung dieser Vorgaben auffassen.                                          schriften des niedersächsischen Hochschulgesetzes entfaltet:
    Diese überkommene Kompetenzverteilung zwischen                              Der Staat hat „durch geeignete organisatorische Maß-
Staat und Hochschulen haben die Landesgesetzgeber im                        nahmen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der freien
Laufe der 1990er Jahre unter dem Motto „Stärkung der                        wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt,
Hochschulautonomie“ erheblich verändert. Insbesonde-                        wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Auf-
re wurden bisher staatliche Aufgaben im Bereich der                         gaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grund-
Personal-, Haushalts- und Wirtschaftsführung den                            rechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist …“12
Hochschulen übertragen. Gleichzeitig wurde der Hoch-                            Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bewegt sich
schulrat als seiner Funktion nach neues Organ in die                        also zwischen der Pflicht, den Hochschulangehörigen ei-
hochschulinterne Struktur aufgenommen,10 was nahe-                          nerseits freie wissenschaftliche Betätigung zu sichern, ande-
legt, dass die Kompetenzen des Hochschulrats, abgese-                       rerseits die Funktionsfähigkeit der Hochschule und ihrer
hen von einer Beratungsfunktion, nicht über diese bis-                      Organe zu gewährleisten. Damit wirken zum einen die
her staatlichen Aufgaben hinausgehen sollten. Fest steht,                   sachlich identischen Grundrechtspositionen der an der
dass die Frage der Partizipation innerhalb der Hoch-                        Hochschule tätigen Wissenschaftler gegenseitig begren-
schulorganisation durch die Stärkung der Hochschulau-                       zend, zum anderen die Aufgaben der Hochschulen etwa in
tonomie komplexer geworden ist, denn Stärkung der                           Ausbildung und Prüfung.
Hochschulautonomie bedeutet keineswegs automatisch
Stärkung der Wissenschaftsfreiheit.                                         2. BVerfGE 93, 85 ff. – NRW und BVerfGE 111, 333 ff. –
                                                                            Brandenburg
4. Präzisierung des Untersuchungsgegenstands                                In den folgenden Entscheidungen wird die Reichweite
Dies zeigt auch die Rechtsprechung des Bundesverfas-                        der Wissenschaftsfreiheit unterschiedlich bestimmt.
sungsgerichts zu Fragen der Hochschulorganisation. Diese                    Heißt es in Leitsatz 7 zum niedersächsischen Hochschul-
Rechtsprechung betrifft im Schwerpunkt das Verhältnis                       gesetz noch, dass die Organisationsnormen den Hoch-
zwischen den plural zusammengesetzten Selbstverwal-                         schulangehörigen, insbesondere den Hochschullehrern,
tungsorganen – im Folgenden: repräsentative Selbstverwal-                   einen möglichst breiten Raum für freie wissenschaftliche
tungsorgane – und den Leitungsorganen, dagegen nicht das                    Betätigung sichern sollen, ist in Leitsatz 1 der Bundesver-
Verhältnis zwischen den verschiedenen Gruppen innerhalb                     fassungsgerichtsentscheidung zum Hochschulgesetz
der repräsentativen Selbstverwaltungsorgane oder deren                      Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1995 zu lesen:
Besetzung nach den Anforderungen des Repräsentations-                           „Solange gewährleistet ist, dass der Kernbereich wis-
prinzips.11 Auf den von der Rechtsprechung vorgegebenen                     senschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des ein-
Schwerpunkt ist die folgende Analyse beschränkt.                            zelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibt, hat der
                                                                            Gesetzgeber bei der Regelung der akademischen Selbst-
III. Art. 5 Abs. 3 S.1 GG in der Rechtsprechung des                         verwaltung einen weiten Gestaltungsraum.“13
Bundesverfassungsgerichts                                                       In der Entscheidung zum brandenburgischen Hoch-
                                                                            schulgesetz von 2004 betonte das Gericht dann, dass das
Wie alle Freiheitsrechte ist auch die Freiheit von Wissen-                  Recht der einzelnen Wissenschaftler auf wissenschafts-
schaft, Forschung und Lehre zuallererst ein Abwehrrecht                     adäquate Organisation auf die Sicherung ihrer individu-
gegenüber staatlichen Eingriffen. Daneben kommt Art. 5                      ellen Möglichkeit zum Betreiben freier Forschung und Leh-
Abs. 3 S. 1 GG jedoch ein objektivrechtlicher Gehalt zu,                    re begrenzt ist. Darüber hinaus soll der Organisationsge-
der den Staat verpflichtet, in den Einrichtungen, die er                    halt der Wissenschaftsfreiheit allein dahin gehen, dass
gerade zu dem Zweck schafft, Forschung und wissen-                          von den Organisationsregelungen, insbesondere von der
schaftliche Lehre zu betreiben, die Eigengesetzlichkeit                     Kompetenzverteilung, keine strukturelle Gefährdung der
der Wissenschaft zu schützen sowie durch Organisation,                      Wissenschaftsfreiheit ausgehe.14 Aus der positiven
Verfahren und finanzielle Leistung zu fördern.                              Pflicht, eine wissenschaftsadäquate Organisation zu
                                                                            schaffen, ist negativ das Verbot geworden, eine Organi-
1. BVerfGE 35, 79 ff. – Niedersachsen                                       sation zu schaffen, die Wissenschaft „strukturell“ beein-
Diese Dimension der Wissenschaftsfreiheit hat das Bun-                      trächtigt. Dies ist nicht mehr als das Verbot an den Staat,
desverfassungsgerichts zum ersten Mal 1973 in seinem                        nicht in Widerspruch mit sich selbst zu geraten, indem
10 S. dazu Hendler (Fn. 1), S. 251 ff.; Mager (Fn. 1), S. 298 ff. jeweils   12 BVerfGE 35, 79 (115 f.). S. auch Ls. 2.
   mit weiteren Nachweisen.                                                 13 BVerfGE 93, 85 (95). Kursivsetzung durch Verfasserin.
11 Dazu insbesondere VerfGH BW, VBlBW 2017, 61 ff.                          14 BVerfGE 111, 333 (355).
10                      O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4

er vermeintlich eine Einrichtung zum Betreiben freier                genzug die direkten oder indirekten Mitwirkungs-, Ein-
Wissenschaft gründet, ohne dass in ihr freie Wissen-                 fluss-, Informations- und Kontrollrechte der Kollegialor-
schaft tatsächlich möglich ist.15                                    gane ausgestalten, …“19
                                                                         Entscheidend für die Verfassungswidrigkeit der Re-
3. BVerfGE 127, 87 ff. – Hamburg                                     gelungen des Hamburgischen Hochschulgesetzes über
Eine Trendwende zeichnete sich in der Entscheidung                   die Kompetenzverteilung zwischen Dekanat und Fakul-
zum Hamburgischen Hochschulgesetz aus dem Jahr                       tätsrat war letztlich, dass der Fakultätsrat nicht nur aller
2010 ab. Dort ist wiederum vom Schutz des Kernbereichs               substanziellen Entscheidungsbefugnisse entledigt war,
wissenschaftlicher Betätigung die Rede. Er wird unter                sondern nicht einmal über die Möglichkeit der Abwahl
Bezugnahme auf die vorherige Rechtsprechung definiert                des Dekans mit Hochschullehrermehrheit verfügte. Das
als die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beru-             Gremium konnte nur mit einer ¾-Mehrheit dem Präsi-
henden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen                 dium einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, das
bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und                  für eine Abberufung auch noch der Zustimmung des
Weitergabe. Weiter heißt es, dass den in der Wissenschaft            Hochschulrats bedurfte. Der Fakultätsrat hatte weder
Tätigen zum Schutz dieses Kernbereichs Teilhabe an den               Einfluss auf den Struktur- und Entwicklungsplan, noch
öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wis-             auf Berufungsentscheidungen, noch auf die Ausrichtung
senschaftsbetriebs zu gewähren ist. Die Teilhabe der Grund-          freiwerdender Professuren oder die Mittelverteilung. Als
rechtsträger an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs           Dekan konnte vom Präsidium ein Externer bestimmt,
sei erforderlich zum Schutz vor wissenschaftsinadäquaten             allerdings nicht gegen den Willen des Fakultätsrats er-
Entscheidungen.                                                      nannt werden. Informationsrechte waren nicht vorgese-
    „Die Garantie ist für jeden Wissenschaftler auf solche           hen, nur ein nicht näher bestimmtes Kontrollrecht sowie
hochschulorganisatorischen Entscheidungen beschränkt, die            ein Recht, Stellungnahmen abzugeben.
seine eigene Freiheit zu forschen und zu lehren, gefährden               Das Gericht bewertet das Recht der Wahl und Ab-
können.“16                                                           wahl dabei ausdrücklich als Einfluss- und Kontrollin-
    Insoweit unterscheidet das Gericht zwischen Entschei-            strument, welches Kompetenzerweiterungen des Lei-
dungen, welche die Wissenschaftsfreiheit im Einzelfall ver-          tungsorgans und den Entzug direkter Mitwirkungsrech-
letzen und gegen die sich die betroffene Person im Einzelfall        te bei wissenschaftsrelevanten Entscheidungen kompen-
wehren kann, und Strukturen des hochschulorganisatori-               sieren kann.20
schen Gesamtgefüges, die sich gefährdend auswirken kön-                  Eine Antwort auf die Frage, ob es Grenzen für die
nen. Hierfür sei das Gesamtgefüge mit seinen unterschied-            Kompensation des Entzugs von inhaltlichen Entschei-
lichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick zu           dungsbefugnissen durch indirekte Einflussmöglichkei-
nehmen.17 Nach Betonung des Gestaltungsspielraums des                ten, also Wahl- und vor allem Abwahlbefugnisse, gibt,
Gesetzgebers heißt es weiter:                                        lässt sich der Entscheidung zum Hamburger Hochschul-
    „Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organi-           gesetz nicht entnehmen.
satorische Regelungen verlangt, dass die Träger der Wissen-
schaftsfreiheit durch ihre Vertreter in Hochschulorganen             4. BVerfGE 136, 338 ff. – Medizinische Hochschule
Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und                  Hannover
ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissen-              Weiterführend, wenn auch nicht alles klärend, ist inso-
schaftsfreiheit in die Universität einbringen können. Der            weit die Entscheidung zu den Regelungen über die Medi-
Gesetzgeber muss daher ein hinreichendes Niveau der Par-             zinische Hochschule Hannover von 2014.21
tizipation der Grundrechtsträger gewährleisten.“18                       In dieser Entscheidung betont das Gericht, dass die
    Dies sei im Wege einer Gesamtwürdigung zu ermit-                 mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Mitwirkung von
teln, für die das Gericht die folgende je-desto-Formel               Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im organi-
aufstellt:                                                           satorischen Gesamtgefüge einer Hochschule sich auf alle
    „Je stärker der Gesetzgeber die Leitungsorgane mit               wissenschaftsrelevanten Entscheidungen erstreckt. Kon-
Kompetenzen ausstattet, desto stärker muss er im Ge-                 kretisierend heißt es weiter:

15 Mager, Freiheit von Forschung und Lehre, in: Isensee/Kirchhof     17   BVerfGE 127, 87 (116).
   (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd VII, 3. Aufl. 2009, § 166   18   BVerfGE 127, 87 (117).
   Rn. 40; kritisch auch Gärditz, Hochschulmanagement und Wis-       19   BVerfGE 127, 87 (117 f.).
   senschaftsadäquanz, NVwZ 2005, 407 (407, 409).                    20   BVerfGE 127, 87 (129).
16 BVerfGE 127, 87 (116), Rn. 91.                                    21   BVerfGE 136, 338 ff.
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation                                           11

    „Dies sind nicht nur Entscheidungen über konkrete                     Neu ist das Aufscheinen einer inhaltlichen Grenze die-
Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch                    ser Kompensationsmöglichkeit mit der Aussage: „Der Ge-
über die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrich-              setzgeber ist zum organisatorischen Schutz der Wissen-
tung sowie alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Ent-               schaftsfreiheit vor Gefährdungen im Regelfall gehalten, ge-
scheidungen über die Organisationsstruktur und den                    rade bei den Weichenstellungen, die Forschung und Lehre
Haushalt (vgl. BVerfGE 35, 79 ; 61, 260 ; 127, 87           unmittelbar betreffen, ein Einvernehmen mit dem Vertre-
), denn das Grundrecht auf Wissenschaftsfrei-           tungsorgan akademischer Selbstverwaltung zu fordern.“28
heit liefe leer, stünden nicht auch die organisatorischen             Letztlich waren die Regelungen über die Medizinische
Rahmenbedingungen und die Ressourcen zur Verfügung, die               Hochschule Hannover verfassungswidrig, weil der Senat
Voraussetzungen für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser           keinen Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen über die
Freiheit sind (vgl. BVerfGE 35, 79 ).“22                      Entwicklungsplanung, Organisation und wissenschaftsre-
    Erneut wird aber auch der weite Gestaltungsspielraum des          levante Verteilung von Haushaltsmitteln hatte, sich aber
Gesetzgebers unterstrichen, „solange die wissenschaftlich Täti-       auch nicht selbstbestimmt vom Leitungsorgan trennen
gen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend             konnte.
mitwirken können (vgl. BVerfGE 127, 87 ).“23
    Als absolute Grenze jeder Fremdbestimmung, durch                  IV. Systematisierung
repräsentative Selbstverwaltungs- wie durch Leitungsor-
gane, nennt das Gericht die Angelegenheiten, die der                  In Orientierung an den dargestellten, nicht sehr scharfen
Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers                     Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht der Wis-
unterliegen.24 Außerhalb dieses engen Bereichs indivi-                senschaftsfreiheit entnommen hat, wird im Folgenden
dueller Wissenschaftsfreiheit lehnt das Bundesverfas-                 ein Vorschlag zur Strukturierung hinsichtlich Ob und
sungsgericht einen grundsätzlichen Vorrang plural zu-                 Wie der hochschulinternen Partizipation zwischen Frei-
sammengesetzter Organe der Selbstverwaltung gegen-                    heit und Steuerung unterbreitet. Dabei sind vier Berei-
über Leitungsorganen ab.25 Indem es die Qualitäten der                che zu unterscheiden:
jeweiligen Organe beschreibt – funktionaler Pluralismus
der Selbstverwaltungsorgane versus straffe Entschei-                    –– der Bereich unzulässiger Steuerung und damit
dungsfindung und dynamisches Agieren der Leitungsor-                       unbeschränkter Freiheit,
gane –,26 legt es eine funktionsadäquate Aufgabenzuwei-                 –– der Bereich notwendig inhaltlicher Partizipation der
sung nahe, ohne dies jedoch ausdrücklich auszuspre-                        repräsentativen Selbstverwaltungsorgane,
chen. In Anknüpfung an die Brandenburg- und Ham-                        –– der Bereich der mittelbaren Partizipation der reprä-
burg-Entscheidung heißt es:                                                sentativen Selbstverwaltungsorgane durch maßgeb-
    „Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an                         lichen Einfluss auf die Wahl und Abwahl der Lei-
Leitungsorgane darf jedoch nur in dem Maße erfolgen,                       tungsorgane und
wie sie inhaltlich begrenzt und organisatorisch so abge-                –– der Bereich, der keine Partizipation repräsentativer
sichert sind, dass eine strukturelle Gefährdung der Wis-                   Selbstverwaltungsorgane erfordert.
senschaft ausscheidet. [...] Je mehr, je grundlegender und
je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und               1. Die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit für jede Form
sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen                     der Fremdbestimmung
Selbstverwaltungsorgan entzogen und einem Leitungs-                   Eine absolute Grenze zieht die Wissenschaftsfreiheit jeg-
organ zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegen-                 licher Fremdbestimmung für die Angelegenheiten, die
zug die Mitwirkung des Selbstverwaltungsorgans an der                 der Selbstbestimmung der einzelnen Grundrechtsträger
Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und                   unterliegen. Sie dürfen weder Vertretungsorganen noch
an dessen Entscheidungen ausgestaltet sein.“27                        Leitungsorganen zur Entscheidung zugewiesen wer-

22   BVerfGE 136, 338 Rn. 58.                                            der Wissenschaft bestehenden Unterschiede in die Organisation
23   BVerfGE 136, 338 Rn. 59.                                            sachverständig einzubringen (zum funktionalen Pluralismus
24   BVerfGE 136, 338 Rn. 59.                                            BVerfGE 35, 79 ). Kleine Leitungsorgane sind demgegen-
25   So schon BVerfGE 111, 333 (356 f.).                                 über auf straffe Entscheidungsfindung hin angelegt und können
26   BVerfGE 136, 338 Rn. 59: „So können Vertretungsorgane die           in Distanz zu den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
     verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmung auch der          schaftlern dynamischer agieren.“
     Organisation von Wissenschaft sichern und vor wissenschafts-     27 BVerfGE 136, 338 Rn. 60.
     gefährdenden Entscheidungen schützen, sofern sie pluralistisch   28 BVerfGE 136, 338 Rn. 76.
     zusammengesetzt sind und es so ermöglichen, die auch innerhalb
12                      O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4

den.29 Dies betrifft den Kernbereich individueller For-                 nen vorbehalten. Insoweit ist eine Verlagerung von Ent-
schung und Lehre, namentlich die Selbstbestimmung                       scheidungsbefugnissen auf die Leitungsorgane und da-
hinsichtlich der Auswahl des Forschungsgegenstands,                     mit auch eine Kompensation durch indirekte Einfluss-
der Fragestellung in Bezug auf den Forschungsgegen-                     nahme ausgeschlossen.
stand sowie in Bezug auf die Wahl der Methoden bei der                     In Bezug auf Aufgaben, die im Zusammenwirken von
Behandlung des Forschungsgegenstands.30 Die Lehrfrei-                   Staat und Universität angesiedelt sind, kommt es auf die
heit umfasst die Freiheit der Aufbereitung und Darbie-                  unmittelbare Bedeutung für Forschung und Lehre an.
tung wissenschaftlicher Erkenntnisse einschließlich der                 Das Zusammenwirken betrifft – wie schon gesagt – die
Wahl der Vermittlungsmethoden und Vermittlungsme-                       Ordnung des Studiums und der Hochschulprüfungen
dien.31 Die Freiheit der Bestimmung von Zeit und Ort                    einschließlich Evaluationen, Berufungen, die Struktur-
sind dagegen nicht Bestandteil der Lehrfreiheit, soweit                 und Entwicklungsplanung, die Errichtung, Änderung
sie nicht ausnahmsweise von entscheidender Bedeutung                    und Aufhebung von Fachbereichen und anderen wissen-
für den Vermittlungserfolg sind.32                                      schaftlichen Einrichtungen. Es handelt sich durchweg
                                                                        um Entscheidungen, die entweder inhaltliche Kompe-
2. Der Bereich notwendiger inhaltlicher Partizipation                   tenz erfordern, unmittelbar Forschung und Lehre betref-
Die Antwort auf die Frage nach dem Vorbehalt inhalt-                    fen und/oder eine unmittelbare Betroffenheit des wis-
licher Entscheidungsbefugnisse für die repräsentati-                    senschaftlichen Personals zur Folge haben, so dass inso-
ven Selbstverwaltungsorgane findet ihren Ausgangs-                      weit zwar keine alleinige Zuständigkeit, aber eine maß-
punkt darin, dass es jedenfalls nach Auffassung des                     gebliche inhaltliche Mitwirkung der repräsentativen
Bundesverfassungsgerichts keinen grundsätzlichen                        Selbstverwaltungsorgane erforderlich ist, die je nach Ge-
Vorrang der repräsentativen Selbstverwaltungsorgane                     genstand differenziert ausfallen oder auf maßgebliche
vor den Leitungsorganen gibt.33 Von entscheidender                      Zwischenschritte beschränkt sein kann, wie etwa im Fall
Bedeutung ist der Gesichtspunkt der funktionsad-                        von Berufungsverfahren.
äquaten Aufgabenzuordnung Dieser Gesichtspunkt
wird konkretisiert in dem Grundsatz, dass bei Wei-                      3. Der Bereich mittelbarer Partizipation
chenstellungen, die Forschung und Lehre unmittelbar                     Damit bleibt der Bereich der ehemals staatlichen Angelegen-
betreffen, im Regelfall ein Einvernehmen mit dem                        heiten, die im Zuge der Universitätsreformen der 1990er Jahre
repräsentativen Selbstverwaltungsorgan zu fordern                       auf die Hochschulen verlagert wurden. Hierbei handelt es sich
sei.34                                                                  insbesondere um die Personal-, Wirtschafts-, Haushalts- und
    Meines Erachtens entspricht es einer wissen-                        Finanzverwaltung. Eine Zuordnung dieser Aufgaben zu den
schaftsadäquaten Ausgestaltung der Hochschulorga-                       Leitungsorganen ist grundsätzlich funktionsgerecht. Insoweit
nisation, sich auch im Hinblick auf die inneruniversi-                  ist zwar, etwa in Bezug auf den Wirtschafts- und Haushalts-
täre Organisation an der Unterscheidung zwischen                        plan, Information und Möglichkeit zur Stellungnahme oder
den universitären Angelegenheiten, den staatlichen                      die regelmäßige Abgabe von Rechenschaftsberichten gegen-
Angelegenheiten und denen, die ein Zusammenwir-                         über den repräsentativen Selbstverwaltungsorganen zu for-
ken von Staat und Universität fordern, zu orientieren.                  dern, nicht aber zwingend eine inhaltliche Mitbestimmung.35
Die ausschließlich universitären Angelegenheiten                        Ausnahmen können sich im Einzelfall ergeben, wenn ein
sind gerade diejenigen, die Forschung und Lehre un-                     unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ressourcenentschei-
mittelbar betreffen, namentlich die Forschungs- und                     dung und wissenschaftlicher Ausrichtung besteht.36 Im Übri-
Lehrplanung, die Habilitations- und Promotionsord-                      gen ist zu bedenken, dass die inhaltliche Beteiligung an der
nungen sowie die Entscheidungen in Promotions- und                      Struktur- und Entwicklungsplanung bereits Vorentscheidun-
Habilitationsverfahren. Diese Entscheidungen sind auch                  gen auch über die Ressourcenverteilung enthält und auch des-
inhaltlich den repräsentativen Selbstverwaltungsorga-                   halb die mittelbare Einflussnahme durch maßgebliche Beteili-

29 BVerfGE 127, 87 (118).                                                  1. Senat, Beschluss vom 24.06.2014 – 1 BVR 3217/07 – Vb gegen
30 BVerfGE 35, 79 (113).                                                   organisatorische Hochschulausgestaltung erfolgreich, DVBl. 2014,
31 BVerfGE 35, 79 (113 f.)                                                 1132 (1135) mit weiteren Nachweisen.
32 Kaufhold, Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht, 2006,        34 BVerfGE 136, 338 Rn. 76.
   S. 199; a. A. Fehling, in: BK zu Art. 5 Abs. 3 Rn. 88 mit weiteren   35 Zur fehlenden Tragfähigkeit des Arguments „ehemals staatliche
   Nachweisen.                                                             Angelegenheit“ für einen völligen Ausschluss von „der Mitwir-
33 BVerfGE 136, 338 Rn. 60. So schon BVerfGE 111, 333 (356 f.);            kung des einzelnen Wissenschaftlers“, s. Groß (Fn. 33), S. 453.
   zustimmend Hendler (Fn. 1), S. 250; s. auch Groß, Kollegialprin-     36 Ein Einvernehmen des Senats in Bezug auf Grundsätze der Mit-
   zip und Hochschulselbstverwaltung, DÖV 2016, 449 (450) mit              telverteilung schlägt Groß (Fn. 33), S. 453 vor.
   weiteren Nachweisen. Skeptisch Gärditz, Anmerkung zu BVerfG,
Mager· Steuerung, Freiheit und Partizipation in der Hochschulorganisation                                                13

gung an der Bestellung und Abwahl der Leitungsorgane als                  bleiben die vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5
hinreichende Kompensation angesehen werden kann. Diese                    Abs. 3 S. 1 GG abgeleiteten und in § 37 HRG aufgenom-
Form der Partizipation setzt für ihre sachgerechte Ausübung               menen Kriterien Qualifikation, Funktion, Verantwor-
allerdings voraus, dass sie durch substanzielle Informations-             tung und Betroffenheit. Sie lassen hinreichend Spiel-
rechte flankiert wird.                                                    raum für verschiedene Organisationsmodelle zwischen
                                                                          hierarchischer Leitung und repräsentativ organisierter
4. Der partizipationsfreie Bereich                                        Selbstverwaltung. Dies gilt auch, wenn die Regelung hin-
Als eindeutig partizipationsfreier Bereich bleibt damit die lau-          sichtlich Art und Weise der Partizipation sich, wie hier
fende Verwaltung, etwa die laufende Personalverwaltung oder               vorgeschlagen, an der herkömmlichen Kompetenzver-
der Vollzug des Wirtschafts- und Haushaltsplans. Insoweit                 teilung zwischen Staat und Hochschulen orientiert. Ob
bedarf es keiner Partizipation der repräsentativen Selbstver-             und wie die Modelle in der Praxis funktionieren, hängt
waltungsorgane, ggf. aber regelmäßiger Information.                       allerdings entscheidend von tatsächlichen Bedingungen
                                                                          ab. Sie bedürfen der sozialwissenschaftlichen Analyse.37
V. Fazit
                                                                                       Ute Mager ist Professorin für Öffentliches Recht an der
Die leitenden verfassungsrechtlichen Kriterien für eine                                Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

wissenschaftsadäquate Hochschulorganisation sind und

37 S. dazu Bieletzki, The Power of Collegiality. A Qualitative Analysis
   of University Presidents Leadership in Germany, 2018.
14   O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 1 9 ) , 7 – 1 4
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